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German Pages [432] Year 2005
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Arbeiten zur Geschichte des Pietismus Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus
Herausgegeben von Martin Brecht, Christian Bunners und Hans-Jürgen Schrader
Band 45
Vandenhoeck & Ruprecht
Ruth Albrecht
Johanna Eleonora Petersen Theologische Schriftstellerin des frühen Pietismus
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-55830-9 Umschlagabbildung: Johanna Eleonora Petersen. Aus: Leben Frauen Johannä Eleonorä Petersen, o. O. 1718. © 2005, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz: Satzspiegel, Nörten-Hardenberg Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Vorwort
Vorwort
Vorwort Diese Arbeit wurde 1999 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg als Habilitationsschrift angenommen und für den Druck überarbeitet. Herrn Professor Dr. Martin Brecht danke ich für die Aufnahme in die Reihe »Arbeiten zur Geschichte des Pietismus«, Herrn Professor Dr. Hans Schneider und Herrn Professor Dr. Hans-Jürgen Schrader für hilfreiche Hinweise zur Überarbeitung des Manuskriptes. Ein Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat dazu beigetragen, dass diese Studien zum Abschluss gebracht werden konnten. Der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche danke ich für einen Druckkostenzuschuss. Ohne die Mithilfe und Begleitung anderer wäre diese Arbeit auf ihrem langen Weg nicht fertig geworden, einigen bin ich zu grossem Dank verpflichtet. Professor Dr. Henneke Gülzow (†1997) hat, obzwar selbst Patristiker, meine Umorientierung von der Zeit der Alten Kirche zur Frühen Neuzeit beharrlich unterstützt, Professor Dr. Johannes Wallmann mir geholfen, die ersten Spuren in diesem für mich neuen Fachgebiet zu finden. Bedanken möchte ich mich insbesondere bei Professor Dr. Harald Ansen, Dr. Christine Globig, Dr. Christoph Künkel, Professor Dr. Inge Mager, Oliver Renz, Wolfgang Schiller, Dr. Claudia Tietz und Dr. Christa Usarski. Hamburg, den 2. Oktober 2004
Ruth Albrecht
Inhalt
Inhalt I.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Forschungsübersicht . . . . . . . 2. Methodischer Ansatz . . . . . . 2.1 Quellen . . . . . . . . . . . 2.2 Perspektiven der Frauen- und
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlechterforschung
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II. Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hof- und Kammerfräulein an Adelshöfen . . . . . . . . . . . 3. Frankfurter Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Saalhofpietisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Heirat mit Johann Wilhelm Petersen . . . . . . . . . . . 4. Eutin und Lüneburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Familie, kirchliches und schriftstellerisches Engagement . . 4.2 Amtsenthebung Johann Wilhelm Petersens . . . . . . . . 5. Magdeburg, Niederndodeleben und Thymer . . . . . . . . . 5.1 Die Religionspolitik Brandenburg-Preußens . . . . . . . . 5.2 Das Ehepaar Petersen als Gutsbesitzer und freie Schriftsteller 5.3 Die letzten Lebensjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 38 . 41 . 57 . 65 . 78 . 83 . 83 . 90 . 94 . 96 . 101 . 114
III. Geschlechtsspezifische Rahmenbedingungen einer pietistischen Schriftstellerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Das Schriftstellerehepaar Petersen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Person Johanna Eleonora Petersens im Spiegel der zeitgenössischen Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Rezeption als gelehrte Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Anerkennung im Kreise der Gleichgesinnten als neue Marcella 2.3 Verketzerung als neue Maximilla . . . . . . . . . . . . . . 3. Legitimationsstrategien theologischer Schriftstellerinnen . . . . . 3.1 Neutestamentliche Lehrverbote . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Neubelebung des Geistlichen Priestertums . . . . . . . . . . 3.3 Johanna Eleonora Petersens exegetische Legitimierung . . . .
122 128 128 136 145 155 159 169 180
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Inhalt
IV. Das theologische Werk Johanna Eleonora Petersens . . . . . . . 200 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frühschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Das Spektrum der Erbauungsliteratur . . . . . . . . . . . . 2.2 Gespräche des Hertzens, 1689 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Nothwendigkeit der Neuen Creatur, 1699 . . . . . . . . . . 3. Themen der Hauptschaffensperiode . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Chiliasmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Glaubens=Gespräche, 1691 . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Anleitung, 1696 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Der Geistliche Kampff, 1696 . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Apokatastasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Zur Geschichte der Hoffnung auf Allversöhnung . . . 3.2.2 Ewiges Evangelium, 1698 . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701 . . . . . . . . . . 3.2.4 Verklärte Offenbahrung, 1706 . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Christologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Johanna Eleonora Petersens Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Johann Wilhelm Petersens Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Einige Send=Schreiben, 1714 . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Zugab einiger erbaulichen Fragen, 1716 . . . . . . . . . . 4. Altersschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715 . . . . . . . . . . 4.2 Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, [1717] . . . . . . . . . 4.3 Kurtze Betrachtungen von der Nutzbarkeit, 1717 . . . . . . . . 4.4 Autobiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Zur autobiographischen Literatur . . . . . . . . . . . 4.4.2 Johanna Eleonora Petersens Leben, 1718/19 . . . . . . 4.4.3 Johann Wilhelm Petersens Lebens=Beschreibung, 1717/19 4.4.4 Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eine umstrittene Zuschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das theologische Profil Johanna Eleonora Petersens . . . . . . .
200 204 204 208 227 233 233 237 245 264 269 271 271 274 287 295 299 301 301 307 311 317 322 323 324 327 330 335 335 339 344 347 350 353
Inhalt
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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 1. 2. 3. 4.
Werkverzeichnis Johanna Eleonora Petersen Handschriftliche Quellen . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . .
Register
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I. Einführung Johanna Eleonora Petersen (1644–1724) gehört zu den seit dem Ende des 17. Jh. weithin bekannten Frauen, die signalisieren, dass mit dem Pietismus auch eine Neubestimmung der Geschlechterfrage vollzogen wurde. Frauen traten in stärkerem Maß als vorher in öffentliche Erscheinung, sie beteiligten sich an den neuartigen Zusammenschlüssen, die als Collegia Pietatis oder Konventikel bezeichnet wurden, und sie veröffentlichten Bücher zu theologischen Fragestellungen. J. E. Petersen ist eine der pietistischen Frauen, die in entscheidender Weise sowohl zu ihren Lebzeiten als auch in heutigen Darstellungen das Bild des Pietismus mitprägen. Die besondere Bedeutung dieser Pietistin liegt darin, dass sie als Schriftstellerin Bücher theologischen Inhalts verfasste, die auf umfangreiche Kenntnisse und eine eigenständige Verarbeitung der im Umfeld des Pietismus diskutierten Fragestellungen hinweisen. In einem Zeitraum von beinahe 30 Jahren profilierte sie ihre eigene Position und nahm Stellung zu zahlreichen theologischen Problemen, die zwischen 1690 und 1720 virulent waren. Sie griff dabei auch umstrittene Themengebiete wie die Erwartung eines tausendjährigen Reiches oder die Hoffnung auf eine Allerlösung auf und votierte jeweils so pointiert, dass ihre Äußerungen weit über den Rahmen des Pietismus hinaus zur Kenntnis genommen wurden. Die Charakterisierung J. E. Petersens als theologische Schriftstellerin, wie sie in dieser Arbeit erfolgt, soll unterstreichen, dass sie nicht nur gelegentlich schrieb, sondern dass die literarische Arbeit einen – wenn nicht den – wesentlichen Teil ihrer Person ausmachte. Ihre Bücher, in denen sie ausschließlich theologische Themen erörterte, machten J. E. Petersen bekannt und führten gleichzeitig zu heftigen Angriffen, da sie Positionen vertrat, die in den Augen etlicher Zeitgenossen als häresieverdächtig galten. Die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde, beruht darauf, dass sie in mehrfacher Hinsicht Grenzen überschritt. Das Recht darauf, ihre Gedanken schriftlich niederlegen und publizieren zu können, mussten Frauen sich in einem jahrhundertelangen Prozess erkämpfen. Die christliche Tradition enthielt disparate Elemente, die zu konträren Ausdeutungen Anlass boten. Neben der Zurückdrängung der Frauen, verbunden mit der Aufforderung zu schweigen, gab es ermutigende Überlieferungsstränge, die von Frauen als Legitimation für öffentliches Reden und Schreiben verstanden wurden. Dieses biblisch-kirchliche Erbe, das gegensätzliche Interpretationen erfuhr, traf in der Frühen Neuzeit auf Denk- und Verhaltensweisen, die ebenfalls von einer Ambiguität gekennzeichnet sind. Neben dem Festhalten an restriktiven Mustern wurden neue Gestaltungsräume eröffnet. Die Gestalt J. E. Petersens muss in die von diesen Widersprüchen geprägte historische Situation des 17./18. Jh. hineingezeichnet werden.
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Die Anzahl schreibender und publizierender Frauen nahm, zumal nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, in der zweiten Hälfte des 17. Jh. in beachtlichem Maße zu; trotzdem musste sich weiterhin jede Schriftstellerin als Einzelne das Terrain erobern. Diese Feststellung birgt in sich die Gefahr, einen längst überholten Ansatz der Geschichtsbetrachtung zu repristinieren, der nämlich jede einzelne Autorin isoliert zu einer bewundernswerten Ausnahme stilisiert. Deshalb müssen die biographischen und zeitgeschichtlichen Umstände detailliert betrachtet werden, da eine Gesamterfassung sowohl der Arbeitsbedingungen als auch der Arbeitsleistungen schreibender Frauen noch aussteht. Wenn das geschieht, dann können die je individuellen Leistungen erhoben werden, die sich dann jeweils vor ihrem zeithistorischen Hintergrund abzeichnen. Gerade im Blick auf die Zugehörigkeit J. E. Petersens zur pietistischen Bewegung lässt sich feststellen, dass es sich bei ihr weder um einen singulären Einzelfall handelt, noch dass ihr literarisches Werk direkt mit dem anderer Frauen oder Männer verglichen werden kann. Wenn man ihre schriftstellerische Persönlichkeit in den zeitgenössischen Bezugsrahmen einordnet, in dem sie sich bewegte, dann lassen sich Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen schreibenden Frauen herauskristallisieren. Die Niederländerin Anna Maria van Schurman (1607–1678) war als Gelehrte berühmt, bevor sie sich einer speziellen Richtung reformierter pietistischer Frömmigkeit, dem Labadismus, anschloss.1 Im Dienste dieser Gruppierung setzte sie ihre schriftstellerische Tätigkeit fort. J. E. Petersen trat erst seit Beginn ihrer pietistischen Karriere mit eigenen Werken an die Öffentlichkeit. Henriette Katharina von Gersdorf (1648–1726) wurde für die pietistische Bewegung dadurch bedeutsam, dass sie zum einen Erbauungsschriften verfasste, zum anderen jedoch tatkräftig die Franckeschen Einrichtungen in Halle unterstützte sowie eigene sozial-karitative Projekte in die Tat umsetzte.2 Für J. E. Petersen sind keine nennenswerten Initiativen im sozialen Bereich belegt, sie setzte ihre Kraft ausschließlich für das Schreiben ein. Susanna Spener (1644–1705) wurde und wird einzig unter dem Blickwinkel als Ehefrau ihres bedeutenden Mannes Philipp Jakob Spener (1635–1705), der dem lutherischen Pietismus in Deutschland die Bahn brach, rezipiert. Nur in wenigen Briefen gab sie schriftliche Äußerungen von sich.3 1 Die Literatur wird in den Fußnoten mit Kürzeln kenntlich gemacht, für die ausführlichen bibliographischen Angaben sei auf das Literaturverzeichnis verwiesen. Zu Schurman s. AGL 4, 1751, 391–393; J. Irwin, Schurman, 1977; dies., Star of Utrecht, 1980; M. de Baar, Schurman, 1990; dies., Choosing the better part, 1996; R. Albrecht, Konfessionsprofil, 1998. 2 Vgl. C. G. Lehms, Poetinnen, 1715, 38–55; A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 219; U. Witt, Wahres Christentum, 1996; R. Albrecht, Gersdorf, 2000. H. K. von Gersdorf, geb. von Friesen, die mütterliche Großmutter Zinzendorfs, machte ihr Gut Großhennersdorf in der Oberlausitz zu einem pietistischen Zentrum. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 236, 238, gedenkt ihrer als einer »so grossen Gutthäterin« und widmete ihr eines seiner Bücher. 3 C. H. von Canstein, der eine ausgedehnte Korrespondenz mit A. H. Francke führte, er-
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Bei J. E. Petersen hingegen lag der Schwerpunkt der schriftstellerischen Tätigkeit auf dem Verfassen von Büchern.4 Anna Magdalena Francke (1670– 1734) führte ausgedehnte Korrespondenzen und grenzte sich zeitweilig von ihrem Ehemann August Hermann Francke (1663–1727) ab.5 Ihre Persönlichkeit jedoch verschwand ganz im Schatten ihres Ehegatten, der dem Pietismus durch die in Halle aufgebauten Anstalten ein entscheidendes Gepräge gab. J. E. Petersen dagegen profilierte sich neben ihrem theologisch bedeutsamen Ehegatten, Johann Wilhelm Petersen (1649–1727), bereits zu Lebzeiten als Schriftstellerin. Im Gegensatz zu diesem war sie aber nicht durch eine formelle Ausbildung sorgfältig auf die gedankliche Verarbeitung und anschließende Verbreitung theologischer Entwürfe vorbereitet worden. Die Ehefrau Gottfried Arnolds (1666–1714), Anna Maria Sprögel, ist allem Anschein nach literarisch nur bei der Herausgabe eines Bandes ihres verstorbenen Ehemannes tätig geworden. Obwohl sie in der pietistischen Bewegung verwurzelt war, profilierte sie sich nicht durch weitere eigene Werke.6 Frauen wie die Lyrikerin Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694)7 oder die lutherische wähnte an zwei Stellen Briefe S. Speners, s. Briefwechsel, 1972, 24, ep. vom 14.5.1698; 197, ep. vom Nov. 1702. Aus Briefen P. J. Speners an Anna Elisabeth Kißner geht hervor, dass S. Spener mit dieser Frankfurter Freundin der Familie eine regelmäßige Korrespondenz unterhielt, die jedoch nicht erhalten zu sein scheint, s. A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 264, 270; ders., Berliner Briefe, 1935, 145. Zu S. Spener s. auch M. Brecht, Spener, 1993, 285: »Die Eheschließung scheint auf Drängen seiner Familie zustandegekommen zu sein. Speners Frau tritt in seinen Äußerungen und seinem Wirken nur selten in Erscheinung. Daraus sollte aber nicht auf eine Distanziertheit der Ehepartner geschlossen werden.« P. J. Spener widmete seiner Ehefrau seine Christlichen Trau=Sermone und dankte ihr darin für ihre Liebe und Treue; die Widmung ist datiert auf den 23.3.1691; die zweite Auflage erschien 1719. 4 Von J. E. Petersen sind auch Briefe überliefert, diese treten allerdings in der Bedeutung hinter dem gedruckten Opus zurück. In charakteristischer Weise beziehen sich diese sowohl auf ihre theologischen Anliegen als auch auf alltagspraktische Fragen. Die historische Forschung widmet in den letzten Jahren Briefen von Frauen größere Aufmerksamkeit, da sich in diesen wichtige Aspekte gerade der Alltagsgeschichte von Frauen wiederfinden lassen, s. hierzu B. Becker-Cantarino, Leben als Text, 1985; R. Nickisch, Briefkultur, 1988; K. Sträter, Frauenbriefe, 1991. 5 Zu ihrem Briefwechsel mit A. H. Francke s. G. Kramer, Neue Beiträge, 1875, 1–65; ders., Francke 1, 1880, 129–138; zur Korrespondenz mit J. G. Gichtel s. G. Zaepernick, Gichtel, 1982; s. ferner M. Schmidt, Theologische Erscheinung, 1984, 13. Zum Briefwechsel mit ihrem Sohn Gotthilf August Francke (1696–1769) aus den Jahren 1719/1720, von dem allerdings nur die Schreiben des Sohnes erhalten sind, s. die erstmalige Edition: G. A. Francke, Hertzliebe Mama, 1997. 6 G. Arnold, Theologia Experimentalis, 1714, Vorwort, unterzeichnet von Anna Maria Sprögelin; s. auch R. Albrecht, Anfang, 2003, 85–89. 7 G. Dünnhaupt, Personalbibliographien 3, 1991, 1752–1758. Eine Vergleichbarkeit zu J. E. Petersen liegt darin, dass die Dichterin das Schreiben als ihr »Hauptgeschäft« verstand und darunter litt, wegen der Versorgung des Haushaltes, der sich aus ihrer Rolle als Ehefrau ergab, am Schreiben gehindert zu werden, s. R. Liwerski, Wörterwerk II.2, 1978, 596. Greiffenberg, die bedeutendste Barockdichterin, kann als »strenge Lutheranerin« gelten, ebd., II.1, 144. H.-J. Franks Charakterisierung der Dichterin als frühe Pietistin beruht nicht auf einer nachweisbaren Verbindung zur pietistischen Bewegung, sondern vielmehr darauf, ihre »gefühlsbetonte Weise
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Erbauungsschriftstellerin Anna Elisabeth von Schleebusch (1626–1706)8 machen deutlich, dass nicht nur Pietistinnen sich im 17. Jh. zu theologischen Fragen äußerten, sondern dass dieser neue Freiraum auch von Frauen genutzt wurde, die keine generelle Kritik an Theologie und Kirche anzubringen hatten. Insbesondere die umfangreichen Erbauungsschriften von Greiffenbergs wurden bisher nur ansatzweise unter theologischen Gesichtspunkten wahrgenommen.9 In ihrer Zeit und in ihrer Umgebung existierte für J. E. Petersen kein vorgezeichneter Rahmen, um ihre speziellen Interessen und Begabungen selbstverständlich zu verfolgen. Der Frage, in welcher Weise der Pietismus dazu beitrug, ihr literarisches Opus dennoch zu ermöglichen, wird in dieser Studie nachzugehen sein. Die von mir pointiert hervorgehobene Bezeichnung J. E. Petersens als theologische Schriftstellerin reflektiert die sich aus den geschlechterbezogenen Konstellationen der Frühen Neuzeit ergebende Schwierigkeit, das Werk einer Frau zu benennen, für das es keinen sozialen Ort und damit auch keine Berufsbezeichnung gibt.10 Das Stichwort der Theologin würde eine Vergleichbarkeit mit männlichen Theologen suggerieren, die jedoch faktisch nicht bestand:11 Frauen religiösen Erlebens« begrifflich zu fassen, Greiffenberg, 1967, 88f. B. Gorceix, Flambée, 1977, 129, wirft als Frage auf, ob Greiffenberg pietistische Versammlungen organisierte, kann jedoch keine stichhaltigen Argumente dafür anführen. Vgl. ferner L. Gnädinger, Greiffenberg, 1992; L. Tatlock, Greiffenberg, 2000. Erdmann Neumeister, De poetis germanicis, 1695, 41, nennt sie als eine der deutschen Dichterinnen. J. W. Petersen, Jesus Christus, 1721, 86, spricht von »ihrem herrlichen Buch/ von der Menschwerdung und Jugend JEsu Christi«, vgl. 96. 8 J. C. Eberti, Cabinet, 1706, 315–317; G. C. Lehms, Poetinnen, 1715, Vorrede C5r; AGL 4, 1751, 277f; J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 109; E. Gössmann, Schleebusch, 2004. Schleebusch sah sich als geistliche Schriftstellerin, die von der Grundlage lutherisch-orthodoxer Dogmatik aus zur Erbauung und zum Gebet hinleiten wollte, s. etwa ihre Schriften: Biblischer Extract, 1703. Ihre Geistlichen Andachten, 1703, orientieren sich am Ablauf des Kirchenjahres und bieten für ausgewählte Festtage neben dem Evangelientext dessen Auslegung sowie Gebete. 9 Vgl. H. Cerny, Greiffenberg, 1983; C. M. Pumplun, Begriff, 1995; K. Foley-Beining, Body, 1997; J. Bauer, Jesusfrömmigkeit, 1998; L. Tatlock u. a., Sinnliche Erfahrung, 1998; B. Thums, Topographie der Memoria, 2000; C. Soboth, Geistliche Sonette, 2000. 10 Trotz erheblicher Einschränkungen waren Frauen auch im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit schriftstellerisch tätig, s. hierzu B. Marx, Frauenideal, 1985; C. Meier, Prophetentum, 1988; W. Freytag, Geistliches Leben, 1988; R. Pernoud, Christine de Pizan, 1990; E. Gössmann, Kontinuität, 1998. Erst im Laufe des 18. und 19. Jh. entwickelte sich die Möglichkeit, als Berufsschriftstellerin zu existieren. Diese Frauen verfassten nicht in erster Linie theologische Schriften, sondern waren auf dem Gebiet der Literatur tätig, s. hierzu A. Runge, Literarische Praxis, 1997; K. Tebben, Schriftstellerin, 1998. Zum Zurücktreten der theologischen Buchproduktion im Laufe des 18. Jh. s. H. Kiesel/P. Münch, Gesellschaft, 1977, 199–203; A. Schaper, Langer Abschied, 1996, 15–19. 11 M. H. Jung, Autobiographien, 1999, 43, benutzt hingegen diese Bezeichnung für J. E. Petersen, ohne ihn zu reflektieren; in einem weiteren Beitrag, Laientheologin, 2003, 59–63, greift er diese Frage noch einmal auf. Das für das 18. Jh. bedeutendste Lexikon von J. H. Zedler, das einen langen Artikel zum Stichwort »Theologus« enthält, definiert folgendermaßen: Theologus »heisset überhaupt ein Mann, der von GOtt und Göttlichen Dingen zu reden weiß«, GVUL 43,
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konnten erst im 20. Jh. Theologie studieren und in Deutschland mehrheitlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg das geistliche Amt ausüben.12 Wenn sie sich theologische Kenntnisse aneigneten, dann geschah das auf ungebahnten, individuell unterschiedlichen Wegen.13 So wenig das Wort Theologe in seiner männlichen Form auf ein Werturteil über die betreffende Person abzielt, sondern den beruflichen Werdegang angibt, genausowenig enthält die Zurückhaltung in Bezug auf das Wort Theologin für J. E. Petersen ein Präjudiz über die von ihr vertretene Theologie. Sie war, gemessen an der klaren Umrissenheit dieses Berufsbildes in der Frühen Neuzeit, keine Theologin; im Blick jedoch auf die Zentrierung eines Großteils ihrer Zeit und ihrer Kräfte auf die Auslegung der Bibel war sie eine Theologin. Sie gehört nicht zu den schreibenden Frauen, die gelegentlich Bücher verfassten, sondern sie übte ihre schriftstellerische Tätigkeit in fast berufsmäßigem Umfang aus. Gleichwohl wird J. E. Petersen von mir weder als Theologin noch als Laientheologin klassifiziert.14 Zum einen ging es dem Pietismus darum, die Trennung zwischen Geistlichen und Laien durchlässiger zu machen, wenn nicht ganz aufzuheben.15 Zum anderen belegen sowohl die literarischen Gattungen, die J. E. Petersen verwendete, als auch die Themen, die sie in ihren Werken zur Sprache brachte, dass sie sich auf den akademisch-theologischen Disput hin orientierte und daran teilnehmen wollte. Sie äußerte sich zu theologischen Spezialfragen, die traditionellerweise nur den Berufstheologen als deren Fachgebiet zugeordnet wurden. Als Autorin überschritt J. E. Petersen die in der Frühen Neuzeit vorhandenen Barrieren zwischen Theologen und Laien und präsentierte sich als Frau mit theologischer Kompetenz. Sie schnitt gerade die Grundfragen der theologischen Wissenschaft an, indem sie Position bezog zur Schriftauslegung, zum Offenbarungsverständnis, zur Christologie und Eschatologie sowie zu kontroverstheologischen Problemen im Hinblick auf die Reformierten. Um diesem spezifischen Selbstverständnis Ausdruck zu geben, wird J. E. Petersen von mir als theologische Schriftstellerin gekennzeichnet. Diese Fokussierung reflektiert gleichzeitig den frühneuzeitlichen Diskurs, der sich zunehmend mit theologischen Schriften von Frauen konfrontiert sah, dabei jedoch nur äußerst selten den Terminus Theologin aufgriff.16 Wenn diese Pietistin sich in einem ihrer 1745, 1035. Frauen als Theologinnen waren nicht im Blick, wobei dieses Lexikon keineswegs einen frauenfeindlichen Standpunkt vertrat. 12 Vgl. hierzu A. Bieler, Theologinnen, 1994; H. Köhler, Himmel, 1996. 13 Vgl. hierzu K. E. Börresen, Theologin, 1991; M. Schmidt, Theologin, 1991. 14 S. Halbach, Grumbach, 1992, porträtiert Argula von Grumbach (1492 – nach 1563) als Laientheologin; ähnlich geht M. H. Jung, Zell, 1996, in Bezug auf Katharina Zell (1497–1562) vor. M. E. jedoch werden von beiden die Implikationen des Begriffs Laientheologin nicht genügend problematisiert. Vgl. auch T. Kaufmann, Pfarrfrau, 1996; R. Albrecht, Katharina Zell, 1998. 15 Vgl. hierzu P. J. Spener, Pia Desideria, 1675, 59. 16 Die von mir aufgefundenen marginalen Verwendungen lassen darauf schließen, dass diese
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Bücher selber zu den »Gottes=Gelehrte[n]« hinzurechnet,17 dann ging es ihr dabei nicht darum, diese Berufsbezeichnung für sich zu reklamieren, sondern vielmehr um die Entwicklung eines anderen Theologie-Begriffs. In dieser hierbei anklingenden Kritik am herkömmlichen Verständnis von Gottes-Gelehrtheit sowie an den Tradenten dieser Überlieferung spiegeln sich wie in einem Brennpunkt die pietistischen Bemühungen um die Integration sowohl bis dahin weitgehend ausgeschlossener Personengruppen als auch vernachlässigter Themengebiete in die theologische Reflexion. Das von J. E. Petersen angedeutete Verständnis von Theologen, Theologinnen und Theologie beinhaltete die Forderung, erfahrungsbezogene Kategorien, die sich auf Menschen aller Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen bezogen, in den Prozess der Lehrbildung einzubeziehen. Diese pietistischen Veränderungsimpulse trafen sich an einigen Punkten mit der frühneuzeitlichen »Querelle des Femmes«, einer literarischen Debatte, die seit dem Mittelalter europaweit über Bildungsrechte und Bildungsfähigkeiten von Frauen geführt wurde.18 Dieser auf der schriftlichen Ebene ausgetragene Disput korrespondiert mit dem Faktum, dass Frauen seit der Mitte des 17. Jh. in steigender Anzahl als Autorinnen theologischer Schriften auftraten. Auf dem Hintergrund dieser historischen Situation ist das Werk der theologischen Schriftstellerin J. E. Petersen zu sehen. J. E. Petersen zählt zu den Frauengestalten der Kirchengeschichte, denen kontinuierlich eine gewisse Aufmerksamkeit zuteil wurde. Bereits bei ihren Zeitgenossen fand sie öffentliche Beachtung und bis in die Gegenwart wird ihr, selbst in kurzen Darstellungen zur Geschichte des Pietismus, ein fester Platz eingeräumt.19 Trotz dieser nominellen Präsenz gibt es keine wissenschaftFrage keinen Diskussionsgegenstand bildete. G. Arnold z. B. notierte in seiner Kirchen- und Ketzerhistorie III, 1729, 157, dass Antoinette Bourignon eine »Theologam oder eine Gottes=gelehrte« genannt wurde; vgl. 496. Eine weitere Verwendung lässt sich bei Arnold allerdings nur erschließen, da er im Vorwort zu den von ihm herausgegebenen Consilia und Responsa Theologica, 1705, von einem »Theologus« als dessen Autor spricht. Da die heutige Forschung davon ausgeht, dass dieser Autor eine Frau war, benutzte Arnold hier vielleicht bewusst diesen Terminus. J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 200, griff für A. Bourignon diesen Terminus in seiner Negation als »falsche Theologin« auf. Feustking bezog sich dabei nicht auf Arnold als Quelle, sondern auf Pierre Yvon. Für die Mystikerin Gertrud von Helfta (*1256) wird der Begriff »Theologa« verwendet, um ihren klösterlichen Ausbildungsgang zu beschreiben: »de grammatica facta theologa«, Legatus divinae pietatis, I,I, 120. – Auch für Männer, die keine Geistlichen waren, erweist sich diese Bezeichnung als umstritten. So notieren die Unschuldigen Nachrichten 1708, 162, mit Missbilligung, dass der Handwerker Johann Georg Rosenbach (1678–1747) in der Vorrede zu einer seiner Schriften als Theologus bezeichnet werde. 17 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 186f; in einem an Christus gerichteten Gebet heißt es: »Du lehrest uns den Vater kennen/ und machest Gottes=Gelehrte aus uns/ daß wir gelehrter werden/ als unsere Lehrer/ die nach Menschen=Kunst uns lehren wollen«. 18 Vgl. E. Gössmann, APTGF 1–8, 1984–2004. 19 I. Bertinetti, Frauen, 1965, 65; J. Wallmann, Kirchengeschichte, 1985, 141; H. Schneider, Kirchen, 1989, 67; M. Maurer, Kirche, 1999, 28–30; W.-D. Hauschild, Lehrbuch 2, 1999, 702; P. Schicketanz, Pietismus, 2001, 71–75.
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liche Studie, die sich darum bemüht, den besonderen Aspekten ihrer Biographie und ihres literarischen Werkes unter Berücksichtigung der für Frauen geltenden Normen der Frühen Neuzeit, die sowohl in ihrer einschränkenden als auch in ihrer ermöglichenden Funktion betrachtet werden müssen, gerecht zu werden. Die in der kirchengeschichtlichen Forschung lange vorherrschende Behandlung J. E. Petersens als Ehefrau J. W. Petersens wirkte sich zu Lasten einer umfassenden Wahrnehmung der Gesamtpersönlichkeit einer Frau aus, die Martin Schmidt »die eigentliche große Frau des Pietismus« nennt.20 Die in neuester Zeit zu beobachtende Aufmerksamkeit für das Werk und die Person J. E. Petersens zeigen, dass sich diese lange anhaltenden Deutungsmuster verändern.21 Eine internationale Tagung vom November 2002 über J. W. und J. E. Petersen, die in Halle stattfand und deren Ergebnisse von M. Matthias herausgebracht werden sollen, dokumentiert dieses inzwischen erreichte Forschungsniveau. Während ihr theologisches Werk nur ausschnitthaft gewürdigt wurde, wurden in geradezu stereotyper Weise zum einen die emotional-persönliche Bedeutung J. E. Petersens und zum anderen ihre visionäre Begabung hervorgehoben.22 Diese beiden Aspekte können nicht davon losgelöst werden, dass auf diese Weise das schriftstellerische Werk einer Frau, für das es keine passenden Kategorien gibt, reduziert wird auf Bereiche, die Frauen traditionellerweise eher zugestanden wurden. Ihr theologisches Werk und die Bedingungen ihres Schreibens hingegen werden dabei vernachlässigt – deshalb gilt meine vorran20 M. Schmidt, Pietismus, 1983, 59. In einem anderen Aufsatz, Nordwestdeutschland, 1984, 207, Anm. 38, schreibt er: J. E. Petersen »war eine einzigartige Erscheinung durch ihre geistige Selbständigkeit«. M. Brecht, Rezension, 1994, 274, nennt sie »eine der interessantesten, aber auch problematischsten Vertreterinnen des Frankfurter Pietismus«. 21 M. H. Jung, Laientheologin, 2003; ders., Weibliche Laientheologie, 2003. 22 In idealtypischer Weise begegnet diese Sichtweise bei E. Beyreuther, Geschichte des Pietismus, 1978, 294, der das Ehepaar unter Hinweis auf die visionäre Veranlagung der Frau einführt. Wenig später zitiert er zur Schilderung des philadelphischen Gedankengutes aus einem Werk J. E. Petersens und spricht dabei nur von Petersen, ebd., 296f, 393, Anm. 22. Auch E. A. Schering, Petersen, 1982, 46, schrieb J. E. Petersen »eine führende Rolle zu, was allerdings primär nicht psychologisch, sondern geistig zu interpretieren ist«. C. Andresen/G. Denzler, Wörterbuch, 1982, 471, bezeichnen beide Petersen als »ekstatisch-visionäre Propheten«. M. Schmidt, Pietismus, 1983, 128f, fand eine differenzierte Beschreibung, um dieses nicht leicht zu fassende Ehepaar zu charakterisieren. J. W. Petersen wurde »zum Verkünder ihrer Offenbarungen, aber nicht in sklavischer Abhängigkeit, sondern in der Übereinstimmung zweier selbständig denkender, von der Wahrheit voll überzeugter Menschen.« Bei G. Scharffenorth/E. Reichle, Frau, 1983, 446, wird J. E. Petersen erwähnt und dadurch charakterisiert, dass sie durch ihre Visionen hervortrat. J. Wallmann, Kirchengeschichte, 1985, 141, spricht von ihr als der »visionär veranlagten Ehefrau« J. W. Petersens. H.-W. Krumwiede, Kirchengeschichte, 1995, 226, schreibt über das Ehepaar Petersen: »Er wurde zum Verkünder der Visionen seiner Frau«. Auch A. Schrupp, Kein Revolutionär, 2000, 92, hebt die Visionen und Prophezeiungen J. E. Petersens hervor. W.-D. Hauschild, Lehrbuch 2, 1999, 690, erwähnt »enthusiastisch-prophetische Frauen« in Frankfurt und hebt dabei die »religiös-geniale« J. E. Petersen hervor.
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gige Beschäftigung in dieser Studie nicht dem Ehepaar Petersen, sondern ausdrücklich J. E. Petersen. Vergleichende Studien zu den theologischen Entwürfen der beiden Ehepartner, die die geschlechtsspezifischen Bedingungen des Schreibens außer Acht lassen, können nur zu Ungunsten J. E. Petersens ausfallen. Erst wenn die Voraussetzungen schreibender Frauen, zumal im Gebiet der Theologie, in Betracht gezogen werden, können ihre literarischen Produkte als Zeugnisse einer besonderen Leistung gewertet werden. Ohne die Möglichkeit einer geregelten Ausbildung und eines kirchlichen Amtes, dazu unter der Auswirkung eines durch das Neue Testament legitimierten Redeund Lehrverbots, das auch als Schreibverbot ausgelegt wurde, befanden sich theologische Schriftstellerinnen in einer grundsätzlich anderen Ausgangslage als männliche Schriftsteller, die mit oder ohne Studium, mit oder ohne Amt, ungehindert theologische Schriften verfassen konnten.23 In den Werken vieler Frauen der Frühen Neuzeit finden sich Aussagen, die ihr Schreiben jeweils legitimieren, indem sie sich mit 1Kor 14,34f und den verwandten biblischen Texten auseinander setzen. Die unterschiedlichen Strategien von Schriftstellerinnen, sich selber als Ausnahme des generell verstandenen Verbots der öffentlichen Rede zu präsentieren, beleuchten die hartnäckige Verbreitung und Tradierung der als genuin christlich geltenden Unterordnungsforderungen innerhalb der Kirchen. Obwohl Veränderungen in der literarischen Produktivität von Frauen festzustellen sind, indem die Anzahl der publizierenden Schriftstellerinnen und auch der Umfang von deren Oeuvre zunahm,24 blieb weibliches Schreiben ein regelverletzendes und erklärungsbedürftiges Faktum. 23 Eine Einschränkung ist insofern zu machen, als auch in Bezug auf Männer erhebliche Unterschiede gemacht wurden. Wenn ungebildete Vertreter des männlichen Geschlechtes, die in theologischer Hinsicht als Laien galten und auch nicht über eine akademische Bildung verfügten, mit Texten an die Öffentlichkeit traten oder das Recht zur Predigt forderten, dann begegneten ihnen ähnliche restriktive Reaktionen wie den Frauen. Das lässt sich z. B. ablesen an den Konflikten um J. G. Rosenbach, der das Recht zu öffentlicher Lehre beanspruchte, s. F. W. Kantzenbach, Separatismus, 1976, 40–44. J. G. Gichtel, Eine kurze Eröffnung, 1779, 41, 137, betont, dass Jakob Böhme ein Laie war. Als Gegenbeispiel kann der gelehrte Jurist Ahasver Fritsch (1629–1701) genannt werden, der als Laie über immense theologische Kenntnisse verfügte und sich am pietistischen Diskurs der Kirchenkritik beteiligte. Diesem widmete Spener sein Werk Klagen und würdigte hierin generell die Beteiligung von Nicht-Theologen an der Kirchenkritik, s. Klagen, 1685, 6f/128f, 105–122. Vgl. hierzu auch M. Schmidt, Recht und Grenze, 1984, 184; J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen IV, 1716, 46. W.-D. Hauschild, Lehrbuch 2, 1999, 682, unterstreicht die Bedeutung des Pietismus als Laienbewegung. Das Thema der Laien in der Geschichte der evangelischen Kirche bedürfte dringend einer Aufarbeitung, ein Überblick bei A. M. Ritter, Laie, 1990. Zur Reformationszeit s. P. A. Russell, Lay Theology, 1986. 24 Grundlegend hierzu: J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984; vgl. ferner J. Blackwell/S. Zantop, German Women Writers, 1990. Während sich für Deutschland gravierende Veränderungen nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges feststellen lassen, sind ähnliche Phänomene auch für andere Länder und Kontexte zu beobachten. So machte E. Saurer, Religiöse Praxis, 1992, 230, auf eine Studie von Sara Cabbibo aufmerksam, nach der in italienischen Frauenklöstern die Literaturproduktion zwischen 1650 und 1750 in auffallendem Maße zunahm.
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Diese hier angesprochenen Faktoren lassen es als sinnvoll erscheinen, die Bedingungen und die Ergebnisse des theologischen Arbeitens von J. E. Petersen in den Mittelpunkt einer Studie zu stellen. Neben der Nachzeichnung des Biographieverlaufs konzentrieren sich diese Ausführungen im Folgenden vor allem auf zwei Pole: auf die kirchengeschichtlich relevanten Traditionen, die weibliches Schreiben im frühneuzeitlichen Pietismus beeinflussten, und auf die inhaltliche Analyse der von J. E. Petersen verfassten Texte, soweit diese bisher der Forschung zugänglich sind. Die hier erstmals vorgenommene Auswertung des Gesamtwerkes dieser Schriftstellerin kann als Grundlage für eine weitere Einbeziehung ihres Beitrages in das Bild des frühen Pietismus dienen.
1. Forschungsübersicht Die Bedeutung der Schriftstellerin J. E. Petersen ist mit ihrer Zugehörigkeit zur pietistischen Bewegung verknüpft. Geboren in einer zur lutherischen Kirche gehörenden Familie, erfuhren ihre Persönlichkeit und ihr Werk eine besondere Prägung durch den Pietismus, mit dem sie durch führende Männer der von Frankfurt ausgehenden Neuorientierung in Berührung kam. So stellt sich die Frage, in welcher Weise der lutherische Pietismus des 17. Jh. das Auftreten von Frauen begünstigte. Welche theoretischen und praktischen Elemente dieser Reformbewegung eröffneten den Frauen ein größeres Rollenspektrum im Vergleich zu den von der lutherischen Orthodoxie geprägten theologischen Denkmodellen und Gemeindestrukturen? Das pietistische Reformkonzept bewirkte eine Stärkung der Laien, indem die Betonung der individuellen Glaubwürdigkeit alle praktischen Lebensbereiche als Bewährungsfeld des Glaubens aufwertete. Alle Laien, aber insbesondere die Frauen, wurden in einer bis dahin in den Kirchen der Reformation nicht gekannten Weise angesprochen und in die verantwortliche Gestaltung des christlichen Alltags einbezogen. In gewisser Hinsicht handelt es sich dabei auch um eine Anknüpfung an die frühe Reformationszeit, in der Laien, Männer wie Frauen, mit großem Engagement die neue Kirchenvision in die Praxis umsetzten. In der pietistischen Forderung, das in der Reformation Begonnene nun auch in die Tat umzusetzen, lag durchaus ein Bewusstsein für diese Kontinuität. Zu den Kennzeichen des Pietismus gehörte von Beginn an das besondere Engagement von Frauen. Nach den erhaltenen Quellen traten in keiner Epoche der Kirchengeschichte bis hin zur Mitte des 17. Jh. Frauen in so weitem In England erreicht von 1640 an die Publikationstätigkeit von Autorinnen bis dahin nicht gekannte Größenordnungen, s. P. Crawford, Women’s published writings, 1985.
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Maß öffentlich in Erscheinung wie im Zuge dieser Kirchenreformbewegung.25 Sowohl auf der sozial-organisatorischen Ebene als auch auf dem Gebiet der theologischen Literaturproduktion artikulierten sich unterschiedliche Akzentsetzungen der Frauen: Neben ekstatischen Dienstmägden gab es hochgebildete Adlige, neben schweigenden Zuhörerinnen in den pietistischen Erbauungsversammlungen andere, die selber Konventikel organisierten und darin das Wort ergriffen.26 Insbesondere die Präsenz von Frauen in den radikal-pietistischen Gruppierungen wurde von der Forschung beobachtet, jedoch nicht eindringlich nach ihren Ursachen befragt.27 Die Häufigkeit, mit der auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht wird, steht in auffallender Spannung zu den dafür gebotenen Erklärungsansätzen, die auf Hypothesen der Wissenschaftsgeschichte des 19. Jh. zurückgreifen. Bis in die Gegenwart begegnet nämlich die unreflektierte Annahme, dass Frauen sich vornehmlich deswegen pietistischen Gruppierungen anschlossen, weil ihre Emotionalität hier im Vordergrund stehen konnte.28 Diese Hypothese wurde teilweise verschränkt mit der Zuschreibung, dass der Pietismus ebenfalls vor allem auf fromme Gefühlsäußerungen abziele. Während die Pietismusforschung vielfältige Anstrengungen unternommen hat, um diesen von dem Klischee der gefühlszentrierten Bekehrung zur Innerlichkeit zu befreien, kann Ähnliches für die Rolle der Frauen erst in Ansätzen konstatiert werden. Gleichzeitig neigen einige der bisher vorliegenden Interpretationsansätze dazu, den Einfluss der Frauen in25 Vgl. etwa R. van Dülmen, Kultur 3, 1994, 59, 128. Die Unschuldigen Nachrichten, 1746, 585, polemisieren gegen die Vielzahl von Frauen in der Umgebung Zinzendorfs. 26 J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 597–599, 685, 690–696, notiert, wenn auch kritisch, jedoch nicht polemisch, die Bandbreite des Auftretens pietistischer Frauen. – Die von diesem Autor herausgegebenen Dokumentationen werden in dieser Studie folgendermaßen kenntlich gemacht: das Werk über die lutherischen Kirchen erhält den Kurztitel Einleitung, während seine Berichte über die Ereignisse außerhalb der lutherischen Kirchen als Religions-Streitigkeiten bezeichnet werden. 27 Vgl. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 1, 1880, 411; K. Aland, Geschichte der Christenheit 2, 1982, 213. 28 Vgl. u. meine Kritik an der Arbeit von S. Luft, Leben, 1994. Dieser Ansatz, Frauen und Pietismus auf Gefühl und Emotionalität zu verengen, findet sich auch bei H.-J. Schoeps, Geistesgeschichte, 1978, 192–196; 195: »Fast nur in den pietistischen Kreisen kam es zu einer stärkeren Einbeziehung der Frauen in die Gesellschaft und zu ihrer erheblichen Einwirkung auf diese. Hier, wo Religiosität mit Gefühl verbunden war, das Mitempfinden ausdrücklich betont wurde und die Träne eine Rolle zu spielen begann, zeigte sich der besänftigende, der vertiefende, die Gemütswerte betonende Einfluß der Frau.« Dass A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 1, 1880, 411, diese These vertrat, verwundert nicht, da die Festlegung der Frauen auf den Bereich des Gefühls im Gegenüber zu den vom Verstand dominierten Männern dem weithin vertretenen Diskurs des 19. Jh. entsprach. Zudem kam die von Ritschl vorgelegte Interpretation des Pietismus als Repristination der mittelalterlichen Mystik dem Bild der auf sinnliche Frömmigkeit ausgerichteten Frauen in geradezu idealer Weise entgegen. Darüber hinaus belegte Ritschl die besondere weibliche »Empfänglichkeit für den Pietismus« mit den Voten der Pietisten Theodor Undereyck und Johann Henrich Reitz, die beide in ihren Schriften von der These ausgingen, dass Frauen frömmer seien als Männer, ebd., 404.
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nerhalb der pietistischen Bewegung drastisch zu überschätzen.29 Das hier zu beobachtende Phänomen, die weibliche Beteiligung zu stark zu gewichten, kann sich solange weiter entfalten, wie fundierte Forschungen über den Bereich der den Frauenalltag und das Frauenbild prägenden Strukturen noch nicht in befriedigendem Ausmaß vorliegen. Mittlerweile zeichnet sich jedoch eine größere Differenziertheit ab, wie die neueren Beiträge zu dieser Fragestellung belegen.30 Dieses Defizit der kirchenhistorischen Erarbeitung des Pietismus bildet lediglich einen Ausschnitt aus der insgesamt für die Kirchengeschichtsschreibung festzustellenden Zurückhaltung bei der Rezeption der durch die historische Frauenforschung erbrachten Ergebnisse und Infragestellungen.31 Allerdings zeichnet sich hier allmählich ein Wechsel ab, denn immerhin wird dieses Desiderat wahrgenommen.32 Ferner erschienen gerade in den letzten 29 E. Beyreuthers weit reichender Einschätzung »Unter den Kulturleistungen des Pietismus ist die höhere Bewertung der Frau und des Mädchens nicht zu übersehen . . . Die evangelische Frau erhielt im Pietismus ihre religiöse Selbständigkeit«, Pietismus, 1978, 342f, steht die marginale Berücksichtigung von Frauen in seinem Buch gegenüber. Lediglich die von A. H. Francke gegründeten Mädchenschulen und die Mitarbeit von Frauen in den Herrnhuter Gemeinden dienen als Nachweis für diese These. Zu diesem Aspekt vgl. auch die kritische Anmerkung H. Lehmanns in seiner Rezension, 1980, 240. P. Zimmerling, Gott in Gemeinschaft, 1991, 230, schreibt, dass Frauen in Herrnhut »erstmals in der Geschichte des Protestantismus aktiv am Gemeindeleben beteiligt wurden«. R. Critchfield, Rolle der Frau, 1980, 130, konstatiert eine »führende Rolle der Frau im Pietismus«, ohne diese belegen zu können. Um diesem Postulat zu entsprechen, werden Frauen bei den Anfängen der Collegia Pietatis in Frankfurt veranschlagt, ebd., 112. Nachweislich bestand jedoch zunächst das Frankfurter Collegium pietatis nur aus Männern. J. Blackwells Bemühen, Herzensgespräche, 1988, darum, Frauen sichtbar zu machen, führt dazu, dass nach ihrer Darstellung weibliche Lebensläufe in pietistischen Sammelbiographien vorherrschten. Bei einer näheren Betrachtung der von ihr genannten Quellen muss diese Sichtweise jedoch als Fehleinschätzung korrigiert werden. Denn Blackwells Bericht, dass Arnolds Kirchenund Ketzerhistorie, Reitz’ Historie der Wiedergebohrnen und Henckels Letzte Stunde »überwiegend weibliche Biographien, Bekenntnisse und Prophezeiungen und letzte Worte« enthalten, 264, vgl. 265, 270, trifft nur für Henckel zu, s. hierzu U. Witt, Biographiensammlung, 1995. Arnold greift zwar Texte von Frauen wie die von Anna Vetter, Antoinette Bourignon oder Madame Guyon in seiner Kirchengeschichte auf, den Großteil der Texte machen jedoch auch bei ihm Berichte von und über Männer aus. Bei der sechsbändigen Biographiensammlung von Reitz fällt der erste Band durch die fast ausschließlich von Frauen stammenden Berichte auf, die übrigen Bände jedoch enthalten in der Mehrzahl männliche Biographien. Ähnlich in der Tendenz wie Blackwell erweist sich auch S. Meier, Frauenbild, 1994. 30 R. Dellsperger, Frauenemanzipation, 1991; C. Köhle-Hezinger, Frauen, 1994, die vor allem Frauen im württembergischen Pietismus berücksichtigt; R. Albrecht, Frauen, 2004. 31 Vgl. R. Albrecht, Kirchengeschichtsschreibung, 1986; dies. Anfang, 2003; L. SiegeleWenschkewitz, Rezeption, 1995, 101f. 32 B. Jaspert bemerkt in seinem Forschungsüberblick zur Ökumenischen Kirchengeschichtsschreibung, 1998, 14, Anm. 9, dass der »theologische Austausch . . . zwischen Frauen untereinander und zwischen Frauen und Männern . . . von der kirchenhistorischen Forschung bis heute sträflich vernachlässigt« werde. Als Ergebnis seiner Überlegungen hält Jaspert fest: »Eine Programmatik für eine umfassende kirchen- und theologiegeschichtliche Frauenforschung im Rahmen einer Geschichte der Geschlechterbeziehungen steht aber noch aus.«
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Jahren einige Aufsätze33 sowie Monographien,34 die sich dem Themengebiet Frauen im Pietismus widmen. Die – bisher noch nicht veröffentlichte – Dokumentation des Internationalen Pietismuskongresses im Jahr 2001, der in Halle stattfand, wird diesen Eindruck weiter unterstreichen, denn bei den Vorträgen zeigte sich, dass die Frauen- und Genderforschung mittlerweile einen integralen Bestandteil der Pietismusforschung bildet.35 Die kirchengeschichtliche Pietismusforschung stimmt darin überein, dass J. E. Petersen zweifelsfrei der Kategorie des radikalen Pietismus zuzuweisen ist. In der neuesten Forschungsdiskussion zeichnet sich eine Problematisierung der Kategorie radikaler bzw. separatistischer Pietismus ab.36 Die Kriterien für eine solche Zuordnung müssen überprüft werden, denn die intensiven Forschungsarbeiten der letzten Jahre haben u. a. nachdrücklich belegt, wie fließend die Grenzen zwischen kirchlichem und radikalem Pietismus waren.37 Hans Schneider plädiert für eine »differenzierte Handhabung« bei der Weiterarbeit 33 F. W. Kantzenbach, Visionärin, 1976; W. Temme, Buttlarsche Rotte, 1990; B. Andersson, Prophetin, 1991; M. Stern, Visionen, 1992; A. S. Fogleman, Herrnhuter Frauen, 1993; F. d. Boor, Schuchardt, 1995; I. Modrow, Adelige Frauen, 1997; W. Schöllkopf, Schatten, 1998 (über Christina Barbara Hedinger, 1674–1743); J. Taege-Bizer, Weibsbilder, 1998; dies., Christliche Weibspersonen, 2000; U. Gleixner, Memory, 2002; L. Martin, Möglichkeiten und Grenzen, 2003. 34 B. Hoffmann, Radikalpietismus, 1996, sowie W. Temme, Leiblichkeit, 1998, haben die Gruppierung um Eva von Buttlar (1670–1721) zum Inhalt, wobei die beiden Arbeiten von unterschiedlichen Fragestellungen ausgehen und auch zu jeweils konträren Einschätzungen gelangen. U. Witt, Bekehrung, 1996, untersucht die Hallenser Mädchenschulen im Kontext pietistischer Frauenbilder. Sie wertet dabei insbesondere von Frauen geschriebene Quellen aus, so dass das pietistische Mädchen- und Frauenbildungsprojekt jetzt nicht mehr nur nach den Plänen und Ideen A. H. Franckes rekonstruiert werden kann, sondern in seiner für Frauen durchaus zwiespältigen Gestalt sichtbar wird. Die Arbeiten von M. H. Jung, Frauen, 1998; Autobiographien, 1999, die nicht als wissenschaftliche Arbeiten gedacht sind, sondern für ein breiteres Lesepublikum verfasst wurden, spiegeln eine problematische Anknüpfung an die Frauen- und Geschlechtergeschichte wieder. Der hermeneutische Ansatz Jungs widerstreitet geradezu den Grundannahmen der Geschlechtergeschichte, wenn dieser Autor letztlich die Frauen dafür schuldig erklärt, dass es durch den Pietismus »nicht zu einer wirklichen Emanzipation der Frauen in Kirche und Gesellschaft gekommen« sei. »Warum war der Weg noch so lang, bis Frauen studieren, öffentlich agieren und predigen durften? . . . Wie in der Reformationszeit wurden auch in der Zeit des Pietismus die nach vorne weisenden Ansätze bald wieder zurückgedrängt. Die Frauen waren zu schwach und ihre Bildungsvoraussetzungen noch zu gering. Die Männer setzten sich durch und behielten die Macht in der Hand«, Frauen, 1998, 9. Die Ausführungen Jungs zu J. E. Petersen, ebd., 108–131, enthalten einige Ungenauigkeiten, s. hierzu die Rezension: R. Albrecht, PuN 25, 1999, 213–218. 35 Die von H. Lehmann vorgelegten Vorüberlegungen zu einer Sozialgeschichte, 1995, zeigen ebenfalls an, dass sich der Forschungsdiskurs der letzten Jahre neueren Fragestellungen zuwendet, deren Bearbeitung auch Auswirkungen auf die Rezeption der Frauen- und Genderforschung haben wird. 36 J. Wallmann, Pietismus, 1990, 80; insbesondere H. Schneider hat sich diesem Thema mit zahlreichen Veröffentlichungen gewidmet: Radikaler Pietismus 1982; 1983; 1993; 1995. 37 H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1983, 132–136.
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mit der bisherigen Einteilung von pietistischen Männern und Frauen in die Gruppe des radikalen Pietismus.38 Bei der Aufrechterhaltung dieser Prämisse wird in Zukunft bei weiteren Arbeiten unter Gender-Aspekten danach zu fragen sein, welche Konsequenzen diese Zuschreibung im Einzelnen für Männer und welche sie für Frauen hat. Das gilt auch für das Ehepaar Petersen: In Bezug auf diese beiden wird zu klären sein, ob abweichendes Verhalten und Denken sich voneinander unterscheiden, weil sie nicht demselben Geschlecht angehörten. Die lange Zeit wesentlich an theologiegeschichtlichen und weniger an frömmigkeits- und sozialgeschichtlichen Fragestellungen orientierte Forschung39 hat die Erscheinungen des radikalen Pietismus nicht in gleicher Weise berücksichtigt wie die Gestalten und Formationen des in die kirchlichen Organisationsformen integrierten pietistischen Aufbruchs.40 Auch wenn die sich am Rand der lutherischen und der reformierten Kirche bewegenden Gruppierungen und Einzelpersonen, die sich durch Separation oder durch heterodoxe Lehrmeinungen bzw. beides von den traditionellen Kirchentümern absetzten, durchaus wahrgenommen wurden, so trat die kirchengeschichtliche Forschung ihnen mit einer gewissen Skepsis gegenüber, die in der Vergangenheit zu einer vergleichsweise geringeren Bearbeitung bzw. zu schablonenhaften Wahrnehmungsmustern führte. Im Folgenden werden die wichtigsten Publikationen der Pietismusforschung, die eine Veränderung für die Rezeption J. E. Petersens bedeuteten, vorgestellt. Dieser Überblick beginnt mit der Pietismusforschung des 19. Jh. Die nach wie vor wirkmächtigen Forschungen Albrecht Ritschls brachten für die Darstellung des Ehepaares Petersen eine bis dahin nicht gekannte Zuspitzung. Er formulierte das zum klassischen Verdikt gewordene Urteil über J. W. und J. E. Petersen: »das Pietistische an Petersen war seine Frau«.41 Mit dieser Einschätzung wird beiden Ehepartnern ihre Eigenständigkeit abgesprochen. Trotz des in seinem Bonmot zum Ausdruck gebrachten Erklärungsmodells, das das Ehepaar zu einer symbiotisch voneinander abhängenden Einheit verschmilzt, gelang es ihm, die durchaus unterschiedlichen Konturen der literarisch-theologischen Entwicklung beider Petersen aufzugreifen. Während er J. E. Petersen als Erbauungsschriftstellerin charakterisierte, die zunächst den Spuren Johann Arndts folgte, um dann Anregungen Speners aufzunehmen, 38 H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1993, 392. 39 Vgl. hierzu etwa die von M. Greschat, Pietismusforschung, 1977, getroffene Auswahl, die einen Überblick über die richtungweisenden Arbeiten nach dem Einschnitt des Zweiten Weltkrieges gibt. 40 Vgl. den Forschungsüberblick von H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1982; 1983. 41 A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 248. Nach Ritschl hatte die Frau von Beginn der Ehe an »das Uebergewicht«, 249, und sie hat fortgefahren, »ihren Mann zu leiten, nicht blos in der religiösen Richtung, sondern auch in der Theologie«, 231. Ähnlich urteilte auch M. Schmidt, Pietismus, 1983, 127: »Hier überragte die Frau . . . den Mann . . . wahrscheinlich nicht nur an Alter, sondern auch an Weisheit.«
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die sie zum Chiliasmus weiterentwickelte, sah er ihren schriftstellerischen Weg in der Mystik enden, bei der er Einflüsse Jakob Böhmes und der Quäker ausmachte. J. W. Petersen, der nach Ritschl die von seiner Frau ausgehenden Anstöße lediglich mit »Geschicklichkeit«42 und mit wissensbeladener Rhetorik nachvollzog, gilt in seinen Augen in jeder Hinsicht als epigonenhaft, da sowohl er als auch seine Frau lediglich Positionen übernahmen, die in der »radicalen Mystik«43 von Böhme, Weigel, Dippel u. a. längst formuliert worden waren.44 Diese negative Einschätzung hinderte Ritschl nicht daran, dem Ehepaar Petersen im Aufriss seiner Darstellung eine herausgehobene Stellung einzuräumen.45 Erst die Arbeiten von Johannes Wallmann über Spener bedeuteten eine erhebliche Präzisierung der Anfänge des Pietismus; damit begann auch eine neue Wahrnehmung der Rolle J. E. Petersens. Wallmann ging den unterschiedlichen Wirkkräften nach, die die zentrale Persönlichkeit des deutschen lutherischen Pietismus bis zur Herausgabe der Pia Desideria im Jahr 1675 formten.46 Im Kontext des Freundschaftsnetzes, das sich in Frankfurt am Main um Johann Jakob Schütz und J. E. von Merlau herum bildete und als Saalhof-Collegium Berühmtheit erlangte, würdigt er die Persönlichkeit und Bedeutung der Letzteren.47 Er attestiert ihr »Verstandesklugheit« ebenso wie »visionäre Veranlagung«.48 Auch für die Herausbildung der pietistischen Eschatologie, die Spener als »Hoffnung besserer Zeiten« für die Kirche auf Erden umschrieb,49 spricht Wallmann ihr eine herausragende Rolle als Anregerin zu.50 In dem Handbuch Die Kirche in ihrer Geschichte widmet Wallmann dem Ehe42 A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 247. 43 Ebd., 245. 44 Dass E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 259, es bei einer namentlichen Benennung des Ehepaares belässt, obwohl er die beiden »zu den fesselndsten Erscheinungen des pietistischen Schwärmertums« rechnet, liegt an seiner Konzeption, die heterodoxen und separatistischen Strömungen des Pietismus ganz und gar auf Jakob Böhme zurückzuführen, so dass auch beide Petersen lediglich als Nachfahren dieses »Vaters«, ebd., 255, gelten. 45 Er behandelte sie in einem eigenen Abschnitt, A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 225–249, und grenzte sie von Vertretern des »Mystischen Indifferentismus«, 294ff, ab, obwohl die von ihm registrierte Hinwendung zur radikalen Mystik diese Gestalten alle miteinander verbindet. 46 J. Wallmann, Spener, 1986. 47 Ebd., 294, 305, 310, 315. 48 Ebd., 294; während Wallmann pointiert beide Facetten nebeneinander stellt, wird J. E. Petersen des Öfteren nur als »Visionärin« charakterisiert, s. etwa H.-J. Schrader, Petersen, 1979, 203. 49 J. Wallmann, Spener, 1986, 324. 50 Ebd., 381f. E. F. Stoeffler, German Pietism, 1973, 210, der das Ehepaar Petersen im Zusammenhang der philadelphischen Bewegung sieht, und E. Beyreuther, Geschichte des Pietismus, 1978, 294f, wiederholen in der Forschung bereits Bekanntes. Bei Beyreuther zeigt sich die Tendenz einer negativen Bewertung der sich in Frankfurt um J. E. von Merlau sammelnden Gruppe, ebd., 105. K. D. Schmidt, Kirchengeschichte, 1984, 428, streift das Ehepaar Petersen nur ganz kurz, K. Heussi, Kompendium, 1976, erwähnt sie gar nicht.
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paar Petersen einen eigenen Abschnitt und unterstreicht so dessen Bedeutung im Rahmen des radikalen Pietismus.51 Hans Schneider, der in der seit 1993 herausgegebenen Geschichte des Pietismus in seinen Beiträgen über den radikalen Pietismus des 17. und des 18. Jh. auch nach sozialen und mentalitätsgeschichtlichen Aspekten fragt, berücksichtigt das Ehepaar Petersen als »Schlüsselfiguren« im Kommunikationsnetz des Radikalpietismus.52 Unter den neueren Lexikonartikeln ragt der von D. Blaufuß in der Theologischen Realenzyklopädie insofern hervor, als er neben J. W. Petersen auch J. E. Petersen bereits im Titel des Artikels mitaufführt. Die älteren theologischen Lexika des 19. und 20. Jh. hingegen streifen gelegentlich J. E. Petersen als Ehefrau im Artikel über J. W. Petersen.53 Blaufuß beschreibt J. E. Petersen als Schriftstellerin, die »für die Frau das Recht« zum Schreiben verteidigt habe. Im Werkverzeichnis erscheint sie immerhin mit fünf Titeln.54 Inzwischen sind Artikel jeweils über beide Petersen in literaturwissenschaftliche Lexika aufgenommen worden.55 Wie dieser Blick auf die Pietismusforschung zeigt, wird J. E. Petersen durchaus als wichtige Gestalt des Pietismus gesehen; ihre Bedeutung als theologische Schriftstellerin wird jedoch nur teilweise gewürdigt. Neben dieser Berücksichtigung J. E. Petersens in umfassenden Werken der Pietismusforschung gibt es einige monographische Arbeiten, die sich entweder mit ihr oder mit dem Ehepaar befassen. Bei den Arbeiten, die sich auf das Ehepaar Petersen konzentrieren, lassen sich zwei unterschiedliche Akzentuierungen erkennen: Ein Teil der Veröffentlichungen zeigt sich schwerpunktmäßig an der biographischen Dokumentation, ein anderer an den theologischen Positionen dieses pietistischen Paares interessiert. Als Vertreter des biographi51 J. Wallmann, Pietismus, 1990. 52 H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1995, 114; Radikaler Pietismus 1993; zur Kritik an dieser Doppelung s. J. Wallmann, Fehlstart, 1994. M. Brechts Artikel Pietismus, 1992, 1218 (3EKL), und Pietismus, 1996, 616 (TRE) bestätigen den prominenten Platz des Ehepaares Petersen im Personenkreis, der zum Radikalpietismus gerechnet wird. Vgl. auch J. Rohls, Protestantische Theologie 1, 1997, 143f, der beide als »das sich in mystischer Einigung wähnende Ehepaar« bezeichnet. 53 Bei G. H. Klippel, Petersen, 1859 (1RE); J. A. Wagenmann, Petersen, 1883 (2RE.); J. A. Wagenmann/C. Bertheau, Petersen, 1904 (3RE); P. Landgrebe, Petersen, 1913 (1RGG); W. Nordmann, Petersen, 1930 (2RGG); E. Hotz, Petersen, 1961, (3RGG); F. Groth, Petersen, 1984 (DSp) kommt J. E. Petersen am Rande vor. Der instruktive Artikel von H.-J. Schrader, Petersen, 1979, geht vom Ansatz her genauso vor. E. W. Zeeden, Petersen, 1963 (2LThK), erwähnt J. E. Petersen gar nicht. K.-G. Wesseling, J. W. Petersen, 1994, und J. E. Petersen, 1994 (BBKL) berücksichtigt beide in einem eigenen Artikel, ist aber für beide, vor allem in Bezug auf die Werke, nicht ganz zuverlässig. 54 D. Blaufuß, Petersen, 1996; allerdings spricht er ein Werk, das eindeutig von J. E. Petersen verfasst wurde, ihrem Ehemann zu, nämlich die Glaubens=Gespräche. W. Raupp, Petersen, 1999, behandelt ebenfalls beide in seinem Artikel, (3LThK). 55 R. Müller, J. E. Petersen, 1988, 1111f; ders., J. W. Petersen, 1988, 1112; J. Wallmann, J. E. Petersen, 1991, 128f; ders., J. W. Petersen, 1991, 127f; W. Killy/R. Vierhaus, Deutsche Biographische Enzyklopädie, 1988, 618f.
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schen Ansatzes können Gustav Freytag, Werner Mahrholz, Fritz Tanner und Ernst A. Schering genannt werden. Freytag und Mahrholz wirkten insofern auf die Pietismusforschung ein, als sie die Autobiographien der beiden Petersen in repräsentative Textsammlungen aufnahmen und so wesentlich zu einer Rezeption beitrugen, die auch über den Rahmen der theologisch-kirchengeschichtlichen Forschung hinausging. Während Mahrholz lediglich die Gemeinsamkeiten des Ehepaares hervorhob,56 zeichneten Freytag,57 Tanner58 und Schering59 mit kräftigen Strichen das Bild einer den bis dahin rechtgläubigen Mann verführenden Frau: J. E. Petersen wird als treibende Kraft für die heterodoxen Standpunkte, ja letztlich auch für die Entlassung ihres Mannes aus dem geistlichen Amt verantwortlich gemacht. Diese Zuschreibungen bedienen sich der polemischen Muster des 17. und 18. Jh.; ohne jede kritische Reflexion werden die Argumentationen, die die Zeitgenossen des Ehepaares Petersen verwendeten, fortgeschrieben. Dahinter steht die in der christlichen Historiographie weit verbreitete Diffamierungsmethode, hinter der Ketzerei jedes Mannes als eigentlich Schuldige eine Frau zu vermuten.60 56 So hält er als bemerkenswert fest, »daß zwischen den beiden Ehegatten Petersen sich ein ungewöhnliches inneres Zusammenleben auf der Grundlage eines gemeinsamen religiösen Erlebens entwickelt«, W. Mahrholz, Selbstbekenntnisse, 1919, 158; vgl. ders., Pietismus, 1921, 118–131, 201–245. 57 Bei ihm wird der Ehegatte mit eher weiblich konnotierten Eigenschaften ausgestattet, so dass sich Frauen- und Männerrolle vollends umkehren: »Der Mann, von Haus aus eine fleißige und pflichtgetreue Natur mit poetischer Empfindung und dem Bedürfnis sich anzulehnen, von nicht unbedeutender philologischer Bildung, wird offenbar durch die entschlossenere Frau, welcher ihr ›weltlicher Adelsstand‹ auch unter den Frommen Ansehen giebt, sehr beeinflußt. Erst seit der Verheiratung ist unruhige Erregung, zuweilen eine Maßlosigkeit des Eifers in ihm sichtbar. . . . So ist anzunehmen, daß vorzugsweise der Einfluß der Frau den Gatten auf dem Wege forttrieb, der ihn zuletzt aus seinem Amte entfernte und als Schwärmer und Chiliasten in Verruf brachte«, G. Freytag, Bilder 4, 1867, 28f. Er verwendet das stimmungsvolle Bild des einträchtig nebeneinander fliegenden Vogelpaares für das Ehepaar Petersen, ebd., 28, eine Topik, mit der J. W. Petersen seine Trauer über den Tod seiner Frau beschrieb, indem er sich als einsamen Vogel auf dem Dach bezeichnete, s. u. II.5.3. 58 Im Rahmen seiner Untersuchung über Die Ehe im Pietismus, 1952, 59, ging F. Tanner auf das Ehepaar ein und charakterisierte dabei die Frau »als theologische Mitarbeiterin, ja, zum Teil, vielleicht sogar Führerin eines nicht unbedeutenden Theologen«. Als Resümee formulierte er eine eindeutige Schuldzuweisung: »Burschikos ausgedrückt: Die theologisierende Frau hat, weil sie ›in der Gemeinde nicht schwieg‹, sondern für Gott arbeitete und schrieb und ihren Mann beeinflußte, den bedächtigeren Ehegatten um seine Superintendentur gebracht«, ebd., 67. 59 Er wiederholt die zur festen Tradition gewordene Sicht auf das Ehepaar Petersen, wenn er schreibt: »Sicherlich war sie die Überlegenere, aber sie war klug genug, es ihn nicht spüren zu lassen; er war verständig genug, ihre spontanen Einsichten im Sinne des Chiliasmus und der spiritualistischen Mystik in der Prägung Jakob Böhmes zu deuten. Die auf diesem Wege Schritt für Schritt gewonnenen Erkenntnisse waren somit im rechten Sinne gemeinsames Gut. Manche Werke, die unter seinem Namen erschienen, stammten sicher von ihr. Der genaue Nachweis ist nicht zu erbringen«, E. A. Schering, Petersen, 1982, 226f. 60 Im NT begegnet diese Art der einseitigen Schuldzuweisung zum ersten Mal in 1Tim 2,14, wo, weit über die Darstellung der Genesis hinausgehend, Eva zur Hauptschuldigen des Sünden-
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Walter Nordmann war im 20. Jh. lange Zeit der Einzige, der sich ausführlich unter theologischen Gesichtspunkten mit dem Ehepaar Petersen beschäftigte. In den Jahren 1929 bis 1931 veröffentlichte er eine Monographie sowie zwei Aufsätze, wobei der Akzent auf der Eschatologie des pietistischen Paares lag.61 Nordmann betrachtet das schriftstellerische Oeuvre beider Ehepartner als ein in inhaltlicher Hinsicht nicht unterscheidbares Produkt, so dass er die Schriften J. W. und J. E. Petersens jeweils als Beleg für die von ihm postulierte einheitliche Petersensche Theologie heranzieht.62 Sein Verständnis des Ehepaares Petersen63 wirkt sich hinsichtlich der Beschreibung der theologischen Entwicklung so aus, dass J. E. Petersen – abgesehen von den biographischen Details und deren Interpretation – keine eigenständige Aufmerksamkeit zuteil wird.64 J. W. Petersens theologisches Profil, das Nordmann kritisch analysiert, steht stellvertretend für die Positionen beider Ehepartner, die für Chiliasmus, Enthusiasmus, Apokatastasislehre und schließlich die radikale Mystik eintraten.65 Das einzig bleibende Verdienst, das Nordmann meint diesem Ehepaar zusprechen zu können, liege darin, dass die eschatologischen Fragestellungen durch deren unermüdliches Schreiben und Streiten dringlich in den Vordergrund traten, wenngleich deren Lösung als nicht hinreichend zu erachten sei.66 Ähnlich wie Ritschl beklagt auch Nordmann »das Übergewicht der mystischen falls erklärt wird; zur neueren exegetischen Diskussion s. M. Küchler, Schweigen, 1986, 32–53. Zur unterschiedlichen Bewertung der Rolle Evas im frühneuzeitlichen Diskurs s. H. SchüngelStraumann, Die Frau, 1987. 61 Alle drei Arbeiten, die vielfach rezipiert wurden, nennen jeweils das »Ehepaar Petersen« im Titel. 62 So macht W. Nordmann, Gedankenwelt, 1929, nicht eigens kenntlich, welches Werk der Ehemann und welches die Ehefrau verfasst hat. Am Beispiel des von beiden vertretenen Chiliasmus erläutert er sein Vorgehen, Eschatologie, 1930/31, 91, Anm. 45: »Nachdem den Ehegatten zu gleicher Zeit diese gleiche Überzeugung geschenkt wurde, ging ihr Leben in gleichem Schritt und Tritt. Erkenntnisse, Überzeugungen und Beweisgründe decken sich bei beiden so weitgehend, daß man beide Gatten ohne weiteres als Einheit nehmen kann. Auch da, wo im weiteren Verlauf der Darstellung nur von ›Petersen‹ die Rede ist, ist zugleich die Frau einbegriffen.« Ähnlich geht E. Benz, Sympathie aller Dinge, 1954, 165–167, vor, indem er zur Beschreibung der Position J. W. Petersens aus Texten J. E. Petersens zitiert, ohne dieses Verfahren zu erläutern. 63 In Bezug auf die biographisch-psychologische Deutung folgt Nordmann der von Ritschl vorgegebenen Linie, wenn er urteilt: »aber der Leitende im religiösen Leben wie in der Theologie beider war die Frau, nicht der Mann«, W. Nordmann, Eschatologie, 1930/31, 89; vgl. 14, 16. 64 Dies macht der Aufsatz W. Nordmann, Widerstreit, 1931, besonders deutlich: im Literaturverzeichnis, 183–185, nennt er 31 Schriften von J. W. und drei von J. E. Petersen, wobei er die Letzteren jedoch an keiner Stelle zur inhaltlichen Auseinandersetzung heranzieht. 65 W. Nordmann, Gedankenwelt, 1929, 5. Er beurteilt diese Entwicklung als fortschreitende »Entleerung und Umformung« ebd., 13. 66 W. Nordmann, Eschatologie, 1930/31, 83. Ferner verdienen sie, erinnert zu werden, weil sie »durch den eigentümlichen, wandlungsreichen und doch konsequenten Weg, den sie gegangen sind«, als eindrückliche Gestalten erscheinen, ebd., 83.
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Überlieferung«,67 das alle anderen Denkansätze der beiden Petersen schließlich überwuchert habe.68 Die Arbeiten von Walter Nordmann stellen in bisher nicht überbotener Weise die markanten Einschnitte der theologischen Entwicklung J. W. Petersens dar. Für J. E. Petersen kann dieses Ergebnis nur unter Einschränkungen gelten, da Nordmann seine Schlussfolgerungen mehrheitlich aus Werken ihres Ehegatten zieht, um sie dann auf beide zu übertragen. Die von Nordmann begonnene theologische Aufarbeitung des gesamten Denkansatzes mit seinen systematischen Implikationen wurde weder für J. W. noch für J. E. Petersen in der bei ihm angeregten Breite fortgesetzt. Lediglich Einzelaspekte wurden aufgegriffen.69 Die wichtigste Publikation der letzten Jahre, die Arbeit von Markus Matthias über Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen, stellt sich als sorgfältige Studie zu Biographie und theologischer Entwicklung J. W. Petersens dar.70 Mit der Titelgebung folgt Matthias der bekannten Fährte, von beiden zu reden und nur den Mann wirklich zu behandeln. Dieser Einwand gegen die im übrigen zu neuen Ergebnissen führende Arbeit stellt ihren Anspruch in Frage, beide Petersen adäquat zu beleuchten. Der Verfasser geht von dem Axiom aus, dass die Darstellung J. W. Petersens in der Forschung wegen der Übergewichtung seiner Ehefrau zu kurz gekommen sei. So grenzt sich Matthias ausdrücklich gegen Ritschls Veranschlagung der Ehefrau als des einzig pietistischen Elementes an J. W. Petersen ab.71 Diese Zuschreibung Ritschls verzerrt jedoch nicht nur das Bild J. W. Petersens, sondern auch das von J. E. Petersen. Schwerpunktmäßig zeichnet Matthias das allmähliche Werden der chiliastischen Überzeugungen des Theologen Petersen sowie die zu seiner Amtsenthebung führenden Konflikte in Lüneburg nach. Die Suspendierung ihres Ehegatten bedeutet zwar auch für die Biogra67 W. Nordmann, Widerstreit, 1931, 182. 68 Die Impulse hierzu gingen wesentlich von J. E. Petersen aus, da bei ihr »die mystische Religiosität . . . bereits im Anfang eine erhebliche Rolle gespielt hatte«, ebd., 183. 69 K. Lüthi, Allversöhnungslehre, 1956, untersuchte die Apokatastasisvorstellung J. W. Petersens und zog nur seine Werke dazu heran, obwohl er ihr eine große Bedeutung zuschrieb. Die chiliastischen Lehren von J. W. und J. E. Petersen fanden Aufnahme in den umfassenden Überblick von E. Staehelin, Verkündigung 5, 1959, 237–254, über die im Lauf der Kirchengeschichte verbreiteten Erwartungen des Reiches Gottes. F. Groth, Wiederbringung, 1984, berücksichtigte den Beitrag beider Petersen für die in Württemberg verbreitete Apokatastasisauffassung. H. D. Kittsteiner würdigte die Allversöhnungslehre der beiden in seiner mentalitätsgeschichtlichen Untersuchung über das Gewissen, Gewissen, 1992, 134–156. 70 Der Untertitel von M. Matthias, Petersen, 1993, präzisiert bereits das Sujet in seiner Orientierung am Lebensverlauf des männlichen Partners: Eine Biographie bis zur Amtsenthebung Petersens im Jahre 1692. Der Aufbau der Gliederung weist J. E. Petersen lediglich ein Kapitel zu, so dass sie wiederum nur eine Rolle im Leben ihres Ehegatten zugewiesen bekommt. Vgl. hierzu die Rezension von M. Brecht in PuN 19, 1993, 211–215. 71 »Anders als Ritschl will ich daher in der vorliegenden Arbeit Johann Wilhelm Petersen den Vortritt vor seiner Frau lassen«, M. Matthias, Petersen, 1993, 13.
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phie J. E. Petersens eine Zäsur, ihr schriftstellerisches Werk indessen reflektiert diese Veränderung nicht als einschneidenden Umbruch. Eine Biographie J. E. Petersens kann nicht mit dem Datum des Jahres 1692 als gravierender Schnittlinie enden. So bleibt auch nach Abschluss dieser Arbeit das Forschungsdesiderat in Bezug auf J. E. Petersen bestehen.72 Die 1994 erschienene Dissertation des Historikers Stefan Luft über das Ehepaar Petersen,73 die im Unterschied zu der Arbeit von M. Matthias keine zeitliche Eingrenzung vornimmt, sondern »Leben und Schreiben«74 der beiden Petersen in allen Lebensphasen dokumentieren will, legt den Schwerpunkt auf Konfliktfelder, die sich aus den Publikationen J. W. Petersens ergaben.75 Obwohl Luft in seiner Einführung das Thema des Chiliasmus pointiert in den Vordergrund stellt, widmet er diesem in der Durchführung erstaunlicherweise nur ein Kapitel, das von J. E. Petersen so gut wie keine Notiz nimmt.76 Der Autor zieht eine Fülle von Material heran, trotzdem bleibt deren Ausdeutung gerade an den für J. E. Petersen bedeutsamen Stellen unbefriedigend. Ihre schriftstellerische Tätigkeit wird lediglich durch die Vorstellung von fünf ihrer Schriften gewürdigt; weitere Bücher von ihr erscheinen im Zusammenhang mit der Besprechung der theologischen Arbeiten J. W. Petersens, so dass auf diese Weise ihre Werke einen Platz in seiner Werkbiographie erhalten und nicht in ihrer eigenen.77 Luft greift in äußerst unbefriedigender Weise die Frage nach der Rolle der Frauen im Pietismus anhand von zwei konträren Positionen auf, nämlich der des Pietisten Gottfried Arnold und der des erklärten Pietismusgegners Johann Heinrich Feustking.78 Seine völlig unzutreffende Einschätzung, dass Frauen außerhalb des Pietismus keine eigenen Werke veröffentlichen konnten,79 kor-
72 Schriften J. E. Petersens werden nur in marginalen Hinweisen berücksichtigt, ebd., 171f, 183, 185, 319f, 326. 73 Vgl. hierzu die Rezension von M. Matthias in PuN 22, 1996, 252f. 74 So lautet der Anfang des Titels dieser Arbeit. 75 Eine Ausnahme stellen lediglich die beiden den Biographieverläufen gewidmeten Kapitel und die Ausführungen über die Apokastasislehre dar, da hier das J. E. Petersen zugeschriebene Ewige Evangelium zum Ausgangspunkt gewählt wird, S. Luft, Leben, 1994, 239–271. 76 Ebd., 20–54, 170–238. 77 Vgl. ebd., 155–157; auch hier unterlaufen dem Verfasser Fehler, wenn er J. W. Petersens Schrift über das Geheimniß des Erst=Gebohrnen als gemeinsames Werk des Ehepaares auffasst, 157. 78 Ebd., 112–118. 79 »Gelehrte Frauen wurden im 17. Jahrhundert bewundert und bestaunt – dennoch konnten sie nicht mit eigenen Schriften hervortreten, wie es das Beispiel der Anna Maria von Schurmann deutlich macht«, ebd., 118. Diesem Satz liegt eine missverstandene Aussage von B. Becker-Cantarino zugrunde, die die Schwierigkeiten einer gelehrten Frau wie van Schurman beschrieb; wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit konnte sie ihre Fähigkeiten nicht in einer Institution wie Kirche oder Universität zur Anwendung bringen, sondern musste mühsame Wege suchen, um dennoch ihre Werke zu publizieren.
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respondiert mit einem Pietismusbegriff, der auf Gefühl und Empfindsamkeit abhebt und die Aktivität der Frauen innerhalb des Pietismus mit der weiblichen Emotionalität erklärt.80 Bei diesem unkritischen Rückgriff auf Konzepte, die sowohl hinsichtlich der Frauen als auch hinsichtlich des Pietismus ihre Wurzeln vor allem im 19. Jh. haben, erstaunt es denn auch nicht, das ebenfalls altbewährte Schuldzuweisungsmodell bei Luft wieder zu finden. Im Zusammenhang mit J. E. Petersens Schrift Glaubens=Gespräche heißt es in diesem Buch: »Man kann sogar davon sprechen, daß Johanna Eleonora ihren Ehemann unbewußt desavouierte«,81 indem sie nämlich ihre chiliastischen Überzeugungen verbreitete und damit zu seiner Amtsenthebung in Lüneburg beitrug.82 Wenn Luft in seinen Schlussbemerkungen festhält, »daß Johanna Eleonora Petersen in ihrer Zeit kein singulärer Fall war«, und als Vergleichsbasis für dieses Urteil auf die »begeisterten Mägde« und auf die »dominierende Rolle der Frauen in der Zinzendorfschen Herrnhuter Brüdergemeinde«83 verweist, dann beleuchtet dieses Urteil noch einmal mehr, dass der Verfasser dieser Arbeit der Erforschung J. E. Petersens keinen Dienst erwiesen hat. Denn zum einen finden sich in dem von ihm vorgelegten Material keine ausgeführten Bezüge auf eine der beiden Gruppen von Frauen. Zum anderen hätte sich, wenn J. E. Petersen durch Vergleiche profiliert werden soll, ein Blick auf Frauen nahegelegt, zu denen direkte Berührungspunkte bestehen, wie z. B. auf Juliane Rosamunde von Asseburg, die zu den Ekstatikerinnen gezählt werden kann, oder auf Anna Maria van Schurman und Jane Leade, deren Werke dasjenige von J. E. Petersen beeinflussten. Nur wenige Schriften J. E. Petersens sind zum Anlass theologischer84 und literarischer Studien geworden. Die theologische Aufarbeitung erhielt weitere wichtige Impulse durch M. Matthias. Während er in seiner oben besprochenen Dissertation das Hauptaugenmerk auf J. W. Petersen richtete, unterzog er das Erstlingswerk J. E. Petersens, die Gespräche des Hertzens, einer detaillierten Untersuchung.85 Daneben zeichnet sich in den Veröffentli80 Ebd., 119. 81 Ebd., 97. 82 Vgl. auch 231, wo Luft ohne weitere Nachweise »pantheistische, spiritualistische und kabbalistische Momente« bei J. W. Petersen »nicht zuletzt der Einwirkung seiner Frau« zuschrieb. 83 Ebd., 318. 84 M. Schmidt, Judentum und Christentum, 1988, 116f, berücksichtigte die der Anleitung, ihrem Kommentar zur Johannes-Apokalypse, zugrunde liegende chiliastische Erwartung, die auch eine Restituierung des jüdischen Königtums beinhaltete. In einer weiteren Publikation, Frömmigkeit, 1980, analysierte er den Aufbau der Anleitung, hier allerdings unter ausdrücklicher Ausklammerung des Chiliasmus, 344, Anm. 1, so dass die Ausführungen auf formal-literarische Beobachtungen begrenzt bleiben. 85 M. Matthias, Hermeneutik, 1991.
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chungen der letzten Jahre eine zunehmende Beachtung sowohl der Autobiographie J. E. Petersens als auch weiterer biographischer Bezüge ab. Die historische Frauenforschung, die das in der Barockzeit aufgeblühte Interesse an gelehrten Frauen wieder in Erinnerung rief,86 bezog J. E. Petersen in das neu etablierte Forschungsfeld weiblicher Literaturproduktion ein. In diesem Rahmen wurde vor allem ihre Autobiographie als Zeugnis weiblicher Selbstreflexion und Selbststilisierung herangezogen.87 Im Zuge der Bemühungen, Texte von Frauen wieder zugänglich zu machen, entstand eine englische Übersetzung der Autobiographie.88 Diese Wiederentdeckung J. E. Petersens als Schriftstellerin stellt eine Grundlage dar, von der aus ihre theologischen Leistungen neu in den Blick genommen werden können. Barbara Becker-Cantarino verbindet ihre aus der historischen Frauenforschung hervorgehende Sicht mit historisch-theologischen Fragestellungen, indem sie betont, dass die Autobiographie J. E. Petersens vor allem »als religiöses, pietistisches Dokument – und erst in zweiter Linie als literarisches Werk – zu lesen« sei.89 Da von ihr nur die der Erbauungsliteratur zuzuordnenden Schriften dieser Autorin herangezogen werden, greift die Interpretation noch zu kurz, so dass J. E. Petersen auf diesem Hintergrund als »erweckte, visionäre Frau« charakterisiert wird.90 Bei einem Blick auf das Gesamtwerk, das auch die exegetisch-theologischen Arbeiten einbezieht, wird sich die Perspektive ändern zugunsten einer Autorin, die zwar ihren Visionen einen gewissen Stellenwert einräumte, die größere Bedeutung jedoch einer möglichst umfassenden Kenntnis der Bibel zusprach. Eine Neuedition der Autobiographie mit ausführlichem Kommentar wurde herausgegeben von 86 Stellvertretend seien hier J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, und der von E. Gössmann herausgegebene Nachdruck von J. C. Ebertis Cabinet, 1706, genannt. 87 Vgl. etwa B. Becker-Cantarino, Der lange Weg, 1989, 119–123; U. A. J. Becher, Religiöse Erfahrung, 1991; U. Hörauf-Erfle, Wesen, 1991, 180–185; H. Wunder, Sonn, 1992, 42, 46; A. Conrad/K. Michalik, Neuzeit, 1999, 409–413. Die beiden Aufsätze von J. Blackwell, Herzensgespräche, 1988, und Lebenslauf, 1995, leiden zum einen unter zahlreichen Unkorrektheiten in Bezug auf historische Details, zum anderen tragen sie ein Deutungsschema an die literarischen Zeugnisse heran, das sich als nicht verifizierbar erweist. Das folgende Zitat, Lebenslauf, 1995, 51, beleuchtet exemplarisch ihre Arbeitsweise: »die Visionen von Christina Poniatovka, Jane Leade, Johanna Eleonore Petersen, Madame Guyon . . . wurden von Predigern und Theologen wie von den Seherinnen selbst als Gründungsmythen ihrer Sekte angenommen.« In Bezug auf J. E. Petersen muss geltend gemacht werden, dass der Terminus »Seherin« ihrer spezifischen Bedeutung nicht gerecht wird und dass in der wissenschaftlichen Forschung Einstimmigkeit darüber besteht, pietistische Gruppierungen nicht unisono als Sekten zu klassifizieren. Auch wenn der Pietismus in der zeitgenössischen Polemik als Sekte denunziert wurde, so gilt er heute als innerkirchliche Reformbewegung und nicht als Abspaltung. 88 C. Niekus Moore, Johanna Eleonore Petersen, 1990; ein Neuabdruck der Autobiographie in deutscher Sprache findet sich bei M. H. Jung, Autobiographien, 1999, 43–89, der allerdings den Text modernisiert. 89 B. Becker-Cantarino, Pietismus und Autobiographie, 1992, 919. 90 Ebd., 929.
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Prisca Guglielmetti.91 Bisher von der kirchengeschichtlichen Forschung nicht wahrgenommene Briefe J. E. Petersens aus den Jahren von 1678 bis 1684 wurden von M. Matthias 1996 zum ersten Mal ediert.92 Jutta TaegeBizer, die der Frage nachgeht, welche Rolle Frauen im pietistischen Frankfurter Milieu spielten, berücksichtigt dabei auch J. E. Petersen.93 Wie dieser Forschungsüberblick belegt, kann eine weitere Beschäftigung mit J. E. Petersen bereits an fundierte Ergebnisse anknüpfen, die die Bedeutung sowohl der Persönlichkeit als auch des Werkes aufweisen. Einige Ansätze und Thesen der bisherigen Debatte werden kritisch zu prüfen sein, insbesondere diejenigen Interpretationen, die von einem einheitlichen Oeuvre des Ehepaares Petersen ausgehen. Dieser Pietistin gebührt wegen ihres umfangreichen literarischen Werkes und wegen der Brisanz der von ihr aufgegriffenen theologischen Themen ein Platz in der noch zu entwerfenden Geschichte schreibender christlicher Frauen. Auf ihre Weise trug auch J. E. Petersen dazu bei, das Recht der Frauen, als Theologinnen reden und schreiben zu können, einzufordern.
2. Methodischer Ansatz 2.1 Quellen Der Schwerpunkt dieser Studie liegt darin, das schriftstellerische Werk J. E. Petersens zu erschließen und für seine Rezeption in der weiteren kirchengeschichtlichen Forschung bereitzustellen. Die bisherigen Untersuchungen, die sich mit den von ihr vertretenen theologischen Positionen befassten, berücksichtigten nur ein kleines Spektrum ihres umfangreichen Oeuvres. J. E. Petersen hinterließ in ihren gedruckt und handschriftlich erhaltenen Werken keinen Katalog ihrer Schriften94 wie etwa ihr Ehegatte, der minutiös seine Produk91 P. Guglielmetti, Petersen, 2003. 92 M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996; es handelt sich dabei um 13 Briefe an die Herzogin Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz. 93 J. Taege-Bizer, Weibsbilder, 1998, 128–131. 94 Auf von ihr erarbeitete, jedoch nicht im Druck erschienene Werke deuten folgende Notizen hin: In seinem Traktat Harmonie, 1697, Widmung )(2r, gab J. W. Petersen bekannt, dass seine »Liebste« eine Widerlegung der »Gespräche/ Marthä und Mariä/ von dem tausendjährigen Reiche« verfasst habe, die »zum Druck wird übergeben werden«. In der um 1715 erschienenen Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, 162, erwähnte er, dass J. H. Feustkings Gynaeceum von 1704 von ihm und seiner Ehefrau »in einem eigenen Tractat« beantwortet worden sei; ähnlich J. W. Petersen, Unfug, 1709, 3. Nach dem Tod J. E. Petersens sprach der Witwer von nicht gedruckten Manuskripten und spezifizierte, dass es sich dabei u. a. um eine Fortführung ihrer Autobiographie handele, Heimgang, 1724. T. Wotschke, Petersen, 1930, 383, Anm. 4, druckte Auszüge eines Briefes aus dem Jahr 1715, in dem J. E. Petersen an den Verleger Samuel Heyl übergebene und nicht im Druck erschienene Schriften über den Katechismus Luthers sowie über Gleichnisse zurückforderte.
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tionen verzeichnete.95 Die zeitgenössische Literaturkritik des späten 17. und frühen 18. Jh. setzte sich zwar mit einigen ihrer Bücher auseinander, bot aber keinen vollständigen Überblick. Auch die Unschuldigen Nachrichten, die von Valentin Ernst Löscher (1673–1749) herausgegebene erste theologische Zeitschrift, besprachen ihr Oeuvre nur in Auswahl. Dieses in den Jahren 1701 bis 1761 erschienene Publikationsorgan räumte allerdings beiden Petersen einen erstaunlich breiten Raum ein, so dass etwa noch der Band von 1750 eine eigene Rubrik Peterseniana und Anti-Peterseniana enthielt.96 In neuester Zeit erstellten erstmals Woods/Fürstenwald,97 Matthias,98 Müller,99 Luft,100 BeckerCantarino101 und Jung102 Werkverzeichnisse, die allerdings etliche voneinander abweichende Votierungen aufweisen.103 Das Ausgangskriterium für die in dieser Studie J. E. Petersen zugeschriebenen Werke bildet in der Regel der in den Druckwerken genannte Name der Autorin. Hinsichtlich mehrerer Traktate, deren Autorschaft bisher nicht eindeutig geklärt war, können aufgrund meiner Recherchen begründete Zuweisungen vorgenommen werden. Das anonym publizierte Ewige Evangelium, das bereits von Zeitgenossen teilweise der Autorschaft J. E. Petersens zugewiesen, aber bis in die neuesten Publikationen hinein auch für ein Werk J. W. Petersens 95 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 368–396: er führt 54 gedruckte Schriften an sowie 106, die noch als Manuskript zur Veröffentlichung bereit sind. Ferner gab er an, dass gegenüber dem Stand von 1717, der ersten Veröffentlichung seiner Autobiographie, 13 weitere Bücher erschienen seien und 8 weitere Manuskripte vorlägen, 397–402. Einer der zeitgenössischen Gegner J. W. Petersens, der lutherisch-orthodoxe Carl Gottfried Engelschall, nannte diese Aufzählung prahlerisch, Posaunender Engel, 1720, 11. Vgl. auch die von M. Matthias, Werkverzeichnis, 1988, 1–76, erstellte Bibliographie; sie enthält 219 Titel für die Rubrik »Schriften« sowie außerdem Gelegenheitsgedichte und Lieder. 96 Unschuldige Nachrichten 1750, 30–92; hier wurden Dokumente der Befragung J. W. Petersens in Lüneburg aus dem Jahr 1690 abgedruckt. Von den Petersen ist in zahlreichen Jahrgängen die Rede, wobei es mit dem zeitlichen Abstand oft nicht mehr direkt um diese beiden Personen und ihre Werke geht, sondern z. T. nur insgesamt um die »Petersenischen Irrthümer«, 1725, 67. Damit sind dann insbesondere Positionen wie das Eintreten für die Apokatastasis gemeint. Nur stellvertretend seien hier genannt: 1724, 85, 117, 544, 918; 1725, 603–606, 663f, 696, 767, 819; 1726, 73, 102f, 626; 1727, 52, 498f, 540, 835f, 1161f, 1164–1176; 1730, 253, 684, 1127; 1746, 308, 310, 314; 1747, 888. 97 J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 90f. 98 M. Matthias, Werkverzeichnis, 1988, 78–84. 99 R. Müller, J. E. Petersen, 1988, 1111f. 100 S. Luft, Leben, 1994, 346–348. 101 B. Becker-Cantarino, Pietismus und Autobiographie, 1992, 932–934. 102 M. H. Jung, Weibliche Laientheologie, 2003, 142f. 103 Das von H. Schmuck/W. Gorzny herausgegebene Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums führt weder unter dem Namen Petersen noch unter Merlau Werke dieser Autorin an, Bd. 95, 1983; Bd. 107, 1984; J. W. Petersen kommt mit einigen seiner Schriften vor, ebd., Bd. 107, 1984, 415f. – Auf einer Verwechslung beruht es eindeutig, wenn ein Buch mit dem Titel »Glaubensgespräch mit Gott«, Frankfurt 1691, J. W. Petersen zugeschrieben wird; dieses Votum begegnet nur in AGL Erg. 5, 1816, 1994.
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gehalten wurde, kann wegen inhaltlicher und stilistischer Kriterien zu den Werken J. E. Petersens gezählt werden. Gleiches gilt für die Bewährung des Ewigen Evangelii, einen anonymen Traktat, der in der Pietismusforschung bisher gar nicht unter der Fragestellung rezipiert wurde, ob er zu den Werken dieser Autorin zu zählen sei. Ebenfalls blieb eine kleine Abhandlung J. E. Petersens, die Zugab einiger erbaulichen Fragen von 1716, die im Druck ihren Namen trägt, außerhalb der vorhandenen bibliographischen Erfassungen. Unterschiedliche Votierungen gibt es für die Kurtzen Betrachtungen über die Sprüche, 1715. Auch hier lässt sich jedoch zweifelsfrei die Autorschaft J. E. Petersens belegen.104 Die Schrift Der Mystische Joseph, 1717, die von J. M. Woods/M. Fürstenwald als ein eventuell J. E. Petersen zuzuweisendes Werk angesehen wird, kann eindeutig J. W. Petersen als Autor zugeschrieben werden.105 Der anonym veröffentlichte Traktat Die durch den Schlüssel Davids Eröfnete Thür,1730, kann nicht als postum veröffentlichtes Werk J. E. Petersens gelten, denn Inhalt, Stil und Diktion unterscheiden sich erheblich von ihren Schriften. Das Motiv des Schlüssels David aus Apk 3,7106 weist den Verfasser als Vertreter des Chiliasmus aus, der sich der philadelphischen Bewegung zurechnete.107 Wenige Jahre nach der Drucklegung dieses Buches begegnet eine Zuschreibung an David Christian Dimpel.108 Die von G. Arnold herausgegebenen Consilia und Responsa Theologica können ebenfalls nicht J. E. Petersen zugeschrieben werden.109 Der 1712 anonym veröffentlichte Traktat Geheimnüß 104 J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, gehen von einer nur eventuellen Zugehörigkeit zum Werk J. E. Petersens aus, M. Matthias reiht dieses Buch unter ihre Werke ein. 105 Der strukturierte Aufbau und die Fülle der z. T. lateinischen Kirchenväterzitate entsprechen seinem Stil und seiner Argumentation; vgl. auch Unschuldige Nachrichten 1717, 1157f. 106 Dieses Motiv benutzt auch J. W. Petersen, Untersuchung der Gründe, 1705, 311. 107 H. Jantz, German Baroque Literature 2, 1974, 429, führt dieses Werk unter den Schriften J. E. Petersens auf, allerdings mit folgender Einschränkung versehen: »Attributed to Johanna Eleonora Petersen, but almost certainly not by her.« M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 18, zählt das Buch zu den eindeutigen Werken J. E. Petersens. Die Unschuldigen Nachrichten 1730, 345f, erwähnen diesen Traktat nur kurz, ohne jedoch einen möglichen Autor zu nennen. Zwar weisen einige Elemente der chiliastischen Apokalypse-Deutung durchaus Ähnlichkeiten mit der Interpretation J. E. Petersens auf, wie das Rechnen mit dem baldigen Beginn des tausendjährigen Reiches auf Erden, die Deutung von Apk 12 auf das jüdische Volk, die Erwartung der Judenbekehrung sowie die Unterscheidung zwischen oberer und unterer Kirche, Schlüssel Davids, 1730, 35, 73, 86. Dieser Traktat vertritt jedoch keine Apokatastasis, sondern geht davon aus, dass nach den 1000 Jahren das Letzte Gericht erfolgt und dann der neue Himmel und die neue Erde entstehen, ebd., 87–96. Außerdem wurden keine Werke J. E. Petersens in Züllichau gedruckt, wo dieser Traktat im Verlag des Waisenhauses erschien, das nach dem Vorbild Halles gegründet worden war, s. M. Brecht, Hallischer Pietismus, 1995, 43; W. Wendland, Züllichau, 1927; W. Neugebauer, Zentralprovinz, 2001, 127. 108 J. G. Walch, Einleitung 5.2, 1739, 957, bringt diesen Hinweis. Er charakterisiert den Autor als Chiliasten und erwähnt ferner eine exegetische Einleitung Dimpels in die Johannes-Apokalypse. Vgl. AGL Erg. 2, 1787, 704: Dimpel war Prediger in Wessin in Hinterpommern. 109 Die Unschuldigen Nachrichten 1704, 602; 1718, 913, vermuteten, dass J. E. Petersen die
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der Bosheit und Gottseligkeit wird von Christoph Mylius in seinem Überblick über Bücher ohne Verfassernamen J. E. Petersen zugewiesen; aber auch hier sprechen inhaltliche Argumente gegen eine Bestätigung dieser These.110 In der zeitgenössischen Diskussion wurde eine Autorschaft der pietistischen Schriftstellerin für diesen Traktat nicht in Erwägung gezogen. Einen anderen anonymen Traktat, Das grosse Geheimnis der Offenbahrung Jesu Christi, 1712, meinte Martin Schmidt ganz sicher dem Ehepaar Petersen als gemeinsames Werk zuweisen zu können.111 Zwar beziehen sich diese Ausführungen wie viele Texte der beiden Petersen auf die Auslegung der apokalyptischen Sprachbilder des NT und für die Autorschaft J. E. Petersens könnte außerdem geltend gemacht werden, dass die chiliastische Hoffnung mit Motiven einer mystisch geprägten Innerlichkeit verbunden wird.112 Einige Aussagen dieses Buches stehen jedoch in direktem Widerspruch zu den Inhalten, die von J. E. und J. W. Petersen vertreten wurden, wenn z. B. nach dem tausendjährigen Reich Christi auf Erden dessen Himmelfahrt mit den Auferstandenen erwartet wird.113 Der Autor bzw. das Autorenpaar ist vermutlich eher außerhalb bzw. am Rande der pietistischen Gruppierungen zu suchen, denn der Text grenzt sich gegen die »Pietisten=Welt« eindeutig ab.114 Da Beispiele aus dem Bereich der »Feld=Prediger« und der universitären Welt herangezogen werden, ist zu Consilia geschrieben habe. Eine weitere von Arnold herausgegebene Schrift, Historisch=Theologische Betrachtungen, 1709, 167, bestätigt, dass die Consilia nicht von J. E. Petersen stammten, nennt jedoch keinen Autorennamen. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 319f, Anm. 2, geht davon aus, dass J. E. Petersen nicht in Frage kommt und schlägt Anna Katharina Scharschmied als Verfasserin vor. C. v. Faber du Faur, German Baroque Literature 1, 1958, 375, nimmt Margaretha Susanna Sprögel (1656–1730), die Schwiegermutter Arnolds, als Autorin an. Diese Zuschreibung vertreten ebenfalls J. Büchsel/D. Blaufuß, Briefwechsel, 1982, 90. 110 C. Mylius, Bibliotheca Anonymorum, 1740, 278. Nur in AGL Erg. 5, 1816, 2001, wird dieser Hinweis wiederholt. Gegen eine Zuweisung an sie spricht vor allem der Stil, der sich durch die Heranziehung von Bildern, Bildworten und Sprichworten auszeichnet; in den Werken dieser Autorin lässt sich Ähnliches nicht belegen. Inhaltliche Ausführungen wie etwa die Rede vom ewigen Tod des Teufels, die an etlichen Stellen anklingende Gerichtsvorstellung und Ausführungen zur Sündhaftigkeit des Menschen, 27, 400f, 405, 441, weisen ebenfalls auf eine andere Autorschaft hin. Die im Vorwort angedeuteten persönlichen Umstände haben vermutlich zu einer Identifizierung mit J. E. Petersen geführt. Dort heißt es: »Ist jemand begierig den Autorem zu wissen/ den weiset man vornehmlich auf den Vater der Lichter und seinen Heiligen Geist/ welcher hier das meiste thun müssen/ und in einem weiblichen schwachen Werckzeug sich kräfftig bezeuget hat«, )(3r. J. W. Petersen veröffentlichte 1700 ein Werk mit einem teilweise ähnlich klingenden Titel, Geheimniß der Gottseeligkeit; dabei handelt es sich jedoch um eine Streitschrift gegen Friedrich Christian Bücher. 111 M. Schmidt, Nordwestdeutschland, 1984, 209, Anm. 43. 112 Das grosse Geheimnis, 1712, Vorrede a5r, a7v, 685, 689; einige Formulierungen erinnern dabei an die Böhme-Schule, so z. B. die »Tinctur« Christi oder die Rede von dem »thierischen Wesen in dem Menschen«, 216, 220. 113 Ebd., 217; vgl. Vorrede a7r, wo von den Plagen der Hölle die Rede ist, jedoch keine Apokatastasis angedeutet wird. 114 Ebd., 214, vgl. 198.
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überlegen, ob der männliche Part vielleicht selber in diesen Berufsfeldern tätig war.115 Handschriftliche und gedruckte Briefe J. E. Petersens werden in dieser Studie mit herangezogen, ohne dass hier jedoch eine vollständige Erfassung angestrebt wurde. Bisher nicht bekannte Schreiben dieser Autorin konnten ermittelt werden; es ist jedoch davon auszugehen, dass bei der weiteren Erschließung sowohl der gedruckten als auch der handschriftlichen Tradierung des Werkes von J. W. Petersen noch weitere Funde gemacht werden können.116 Die pietistische Autorin führte eine ausgedehnte Korrespondenz u. a. mit Friedrich Breckling,117 Johann Georg Gichtel, Hermann von der Hardt,118 Heinrich Horche, August Hermann Francke, Christian Kortholt, Magnus Daniel Omeis, William Penn, Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz, Anna Maria van Schurman, Johann Jakob Schütz,119 Johann Peter Späth, Philipp Jakob Spener, Maria Elisabeth Urbich.
2.2 Perspektiven der Frauen- und Geschlechterforschung Die Arbeitsweise meiner Untersuchung bedient sich in methodischer Hinsicht der Fragestellungen, die von der historischen Frauenforschung angeregt wurden. Die vornehmlich aus der Sozial- und Mentalitätsgeschichte sowie aus der Frauenbewegung hervorgegangene Frauenforschung, die ihren Radius in jüngster Zeit mit dem Blick auf die soziale Konstruktion der beiden Geschlechter erweitert hat, kann zur Periode der Frühen Neuzeit beachtliche Ergebnisse vorweisen.120 Nach den anfänglichen Zugängen, die dazu neigten, Frauen entweder als Heldinnen oder als Opfer zu stilisieren, liegen mittlerweile sehr differenzierte Analysen vor über individuelle Biographieverläufe und auch über einzelne Berufsgruppen sowie über die Verflochtenheit der Frauen in ihre gesellschaftlichen Gruppen, denen sie in der Ständehierarchie 115 H.-J. Schrader, Philadelphian Hope, 2002, 204, Anm. 52, nennt als Autoren Amalia Hedwig von Leiningen und Wilhelm Christian Gmelin. 116 Auf gelegentlichen Briefaustausch zwischen dem Ehepaar Petersen bei Abwesenheit eines Partners weisen Bemerkungen von J. W. Petersen in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 80, 119f, 154, hin; diese Schriftstücke konnten nicht nachgewiesen werden. 117 Vgl. zu diesen Personen die Einzelnachweise in Kap. II, sowie R. Albrecht, Pietistische Schriftstellerin, 2004. 118 In den Jahren 1689/90 gab es einen Briefwechsel zwischen Hardt und den beiden Petersen, s. F. Lamey, Hermann von der Hardt, 1891, 35f. 119 Aus Briefen von Schütz geht hervor, dass J. E. Petersen 1676 in Frankfurt u. a. auch mit Johann David Zunner korrespondierte, A. Deppermann, Schütz, 2000, 114f. 120 Hier seien nur genannt: H. Wunder, Sonn, 1992; A. Farge/N. Zemon Davis, Geschichte der Frauen 3, 1994; O. Hufton, Frauenleben, 1998; H. Wunder/G. Engel, Geschlechterperspektiven, 1998; H. Medick, Geschlechtergeschichte, 1998; U. Rublack, Gender, 2002.
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der Frühen Neuzeit angehörten.121 Neben makro- und mikrohistorischen Einzeluntersuchungen wurde insbesondere von der amerikanischen und französischen Geschichtswissenschaft sowie verwandten Disziplinen die theoretische Verankerung der Gender-Forschung vorangetrieben.122 Eine auf die Erfassung beider Geschlechter zielende historische Methodik, die sich ihrer Herkunft aus der Frauenforschung bewusst ist, lässt sich folgendermaßen umschreiben: »Geschlechtergeschichte als Programm zielt mithin nicht nur darauf, Männer ebenso wie Frauen einzubeziehen, sondern auch darauf, Frauen als einen integralen Bestandteil von Gesellschaft, nicht als ein weiteres Subsystem, zu betrachten.«123 Bisher gibt es nur wenige Veröffentlichungen, die sich um eine methodisch reflektierte Vermittlung zwischen Geschlechter-Forschung und Kirchengeschichte bemühen.124 Gleichwohl zeichnet sich eine breite Akzeptanz dieser Methodik mit den ihr inhärenten Arbeitsweisen für das Gebiet der theologischen Kirchengeschichtsforschung ab. Wenn die Frauen- und Geschlechterforschung einen wichtigen Impuls für die Fragestellungen dieser Arbeit darstellt, so bedeutet das nicht, dass dadurch nur die Frauen in den Blick geraten sollen und Männer außer Acht gelassen werden. Gerade die Fortschreibung zur Geschlechterfrage zielt darauf ab, Männer genauso wie Frauen in die Forschung einzubeziehen. Allerdings hat diese Untersuchung nicht das Ehepaar Petersen zum Inhalt, sondern berücksichtigt J. W. Petersen nur insofern, als er für die Rekonstruktion der Biographie und Theologie J. E. Petersens eine tragende Rolle spielt. Gleiches gilt für die anderen männlichen Protagonisten des Pietismus sowie die vornehmlich männlichen Gegner dieser Bewegung. Ihre Buchveröffentlichungen stellen den wichtigsten Beitrag J. E. Petersens zur Gestaltung des frühen Pietismus dar – ein Beitrag, der mit diesen Überlegungen sichtbarer gemacht werden soll.
121 Vgl. H. Wunder/C. Vanja, Wandel, 1993. 122 Vgl. H. Röckelein, Historische Frauenforschung, 1992; U. Frevert, Geschichte, 1992; H. Bussmann/R. Hof, Genus, 1995. 123 H. Schissler, Geschlechterverhältnisse, 1993, 17. 124 Vgl. L. Siegele-Wenschkewitz, Rezeption, 1995, 101f; U. Gause, Geschlecht, 1996; A. Berlis, Historikerin, 2000; U. Gause/J. Paulus, Gender-Forschung, 2000; R. Albrecht, Anfang, 2003. Ein Defizit besteht insgesamt hinsichtlich des Gesprächs zwischen Sozial- und Kirchengeschichte, s. M. Greschat, Sozialgeschichte, 1993; S. Grosse, Methodologische Überlegungen, 1994, der sich vor allem auf die von der französischen Historiographie vorangetriebene Mentalitätsgeschichte bezieht; ähnlich W. Reinhard, Möglichkeiten, 1982.
Biographie Kindheit
II. Biographie Während die Eckdaten des Lebensweges von J. E. Petersen der Pietismusforschung geläufig sind, liegen die Ereignisse vieler Lebensabschnitte aufgrund der Quellenlage im Dunkeln. Neben einer Auswertung der in den Werken beider Petersen verstreuten biographischen Mitteilungen kommt den Autobiographien J. E. und J. W. Petersens ein besonderer Stellenwert zu. Allerdings ist dabei zu beachten, dass diese die subjektiv gedeutete Version des Erlebten wiedergeben und keinen Tatsachenbericht darstellen. Bei Beachtung dieser Einschränkung stellen die autobiographischen Berichte der beiden jedoch wertvolle Quellen zur Rekonstruktion des Biographieverlaufs dar. Die weit gefächerte Korrespondenz des Ehepaares konnte nur ausschnittweise herangezogen werden, da bisher weder hinreichende Editionen noch systematische Bearbeitungen des umfangreichen Briefwechsels vorliegen.
1. Kindheit Geboren wurde Johanna Eleonora von und zu Merlau am 25. April 1644 in Frankfurt am Main1 als Tochter Georg Adolphs von und zu Merlau (†1681) und seiner Frau Maria Sabina geb. Ganß von Utzberg (†1653).2 Johanna Eleonora war die zweitälteste von vier Töchtern3 und verbrachte ihre Kindheit zum größten Teil auf dem Gut Philippseck bei Heddernheim in der Nähe von Frankfurt.4 Der Stolz des Vaters auf »sein alt Geschlecht«,5 das im hessi1 Das Geburtsdatum ist angegeben bei J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 74. In ihrer Supplikation an den Frankfurter Stadtrat vom 21.2.1687 gibt J. E. Petersen an, dass sie in Frankfurt geboren und getauft sei und dort »auch meiner Kinder=Jahr guten Theils zugebracht habe«, Frankfurter Rats-Supplikationen 1678, 73r. Das Frankfurter Taufbuch enthält jedoch keinen Eintrag über eine Taufe J. E. von Merlaus im Jahr 1644, Stadtarchiv Frankfurt, Mikrofiches 1642–1647, Bl. 20/13. Alle Taufen und Trauungen konnten in Frankfurt nur in der Barfüßerkirche stattfinden, die die Funktion einer Hauptkirche hatte; insofern gab es auch nur ein einziges zentrales Register wie das Taufbuch, s. M. Queckbörner, Frankfurter Gemeindeleben, 1978, 162f. 2 Zu Herkommen und Lebensverlauf der Eltern s. M. Matthias, Petersen, 1993, 79–81. 3 Von Charlotte Augusta Philippina von Merlau ist ein Gedicht gedruckt worden, das einer Leichenpredigt für Philipp Georg von Wachenheim beigegeben wurde. Auf den 1675 in Gießen erschienenen Text machen J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 69, aufmerksam. 4 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 243. M. H. Jung, Autobiographien, 1999, 43, gibt fälschlicherweise an, dass sie ihre Kindheit in Merlau bei Grünberg verbrachte. 5 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 266.
Kindheit
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schen Merlau bei Grünberg seinen Stammsitz hatte und zur rheinischen Ritterschaft gehörte,6 wurde mit einer Gegenwart konfrontiert, in der sowohl durch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges als auch durch seine persönlichen Schwächen die Familie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet.7 Die Tätigkeit Georg Adolphs von Merlau als Hofmeister hatte lange Zeiten der Abwesenheit von seiner Familie zur Folge.8 Für die Phase der Kindheit liegen nur die Erinnerungen der Autobiographin vor, die durch die Auswahl der festgehaltenen Episoden ihre ausgeprägte Frömmigkeit, die auch die spätere Schriftstellerin kennzeichnet, bereits in der frühen Kindheitsphase verankert. Nicht so sehr in den einzelnen Schilderungen liegt etwas Bemerkenswertes an sich, sondern darin, dass J. E. Petersen gerade diese auswählt, um ihre Kindheit zu beschreiben. An den Beginn ihrer autobiographischen Rückschau stellt sie eine eindrücklich geschilderte Szene, die in der auf die formale Beendigung des Dreißigjährigen Krieges folgenden politischen Instabilität durchaus einen Wahrscheinlichkeitsgehalt hat.9 Für die Dörfer in der Umgebung Frankfurts waren Truppendurchzüge mit ihren Gewalttaten erst 1650 beendet.10 Während der Kriegszeit hatte die Familie in Frankfurt gewohnt; als J. E. von Merlau vier Jahre alt war und die Gefahr vorüber schien, siedelten Eltern und Kinder wieder auf ihr Gut Philippseck um.11 Hier jedoch drohten noch einmal die Gefahren der ungeordneten Nachkriegszeit. Die Bediensteten meldeten einen Trupp Reiter und ließen die Mutter im Stich, die sich infolgedessen allein mit ihren drei Kindern im Alter von sieben und vier Jahren sowie wenigen Monaten auf den Weg nach Frankfurt machte. Auf der Flucht gerieten sie in größte Gefahr, da die Soldaten sich in unmittelbarer Nähe bewegten. Als eindrücklichste Erinnerung dieses Erlebnisses hielt die Autobiographin fest, dass ihre Mutter sowohl im Moment der größten Gefährdung
6 Zur Bedeutung und Organisation der Reichsritterschaft in der Frühen Neuzeit, s. R. Endres, Adel, 1993, 10–18; U. Braasch, Organisation, 1984. 7 Vgl. M. Matthias, Petersen, 1993, 80–82. 8 Er war Hofmeister beim Landgrafen Wilhelm Christoph von Hessen-Homburg, ebd., 81, und später bei Anna Elisabeth von Hessen-Homburg (1624–1688), Fürstin von Philippseck, ebd., 85; s. J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 280. Zu den unterschiedlichen Aufgaben der frühneuzeitlichen Hofmeister s. L. Fertig, Hofmeister, 1979. Zur Beschreibung des hessischen Schlosses Philippseck, das von Landgraf Philipp 1626 erbaut wurde, s. GVUL 27, 1741, 1960. 9 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 242–244. 10 H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 1; 32: 1649 stellten französische Heeresteile große Geldforderungen an die Dörfer in der Umgebung Frankfurts. Vgl. ferner G. Schormann, Dreißigjähriger Krieg, 1993; T. Kaufmann, Dreißigjähriger Krieg, 1998; B. von Krusenstjern/H. Medick, Alltag und Katastrophe, 1999. Zur spezifischen Bedrohung für Frauen insbesondere durch Vergewaltigungen s. J. Theibault, Landfrauen, 1998. 11 Zur Entvölkerung vor allem der ländlichen Regionen durch den Krieg s. K. Repgen, Dreißigjähriger Krieg, 1982, 183. Zur Struktur der Söldnerheere s. ebd., 172.
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Biographie
als auch unmittelbar nach der Errettung am Schlagbaum der Stadt Frankfurt mit ihren Kindern gebetet habe.12 Als ersten großen Einschnitt erlebte J. E. Petersen den Tod ihrer Mutter, den sie im Rückblick mit folgenden Worten beschrieb: »Als ich nun in das 9te Jahr ging/ wurden wir Mutterlose Wäisen/ und gienge uns nicht zum besten«.13 Die vier Mädchen wurden zuerst einer Schulmeisterswitwe, dann einer Kapitänsfrau überlassen, die sich beide in den Augen der Autobiographin als völlig ungeeignet sowohl für die Erziehung der Kinder als auch für eine sorgfältige Betreuung der Hauswirtschaft erwiesen.14 Nach diesen negativen Erfahrungen mit fremder Hilfe mussten die Schwestern die Haushaltsführung übernehmen, zunächst die älteste, Philippina, dann J. E. von Merlau im Alter von 10 oder 11 Jahren.15 Erst nach dem Tod der Mutter tritt der Vater in den Vordergrund der autobiographischen Erzählung und wird als hart und streng charakterisiert.16 Die in der Autobiographie festgehaltene Erinnerung an die religiös geprägte Erziehung durch die Mutter bildete neben der außerhäuslichen Vorbereitung auf das Abendmahl vermutlich das Reservoir an Bildung, das den Töchtern der Merlauischen Familie zuteil wurde. Erziehung und Ausbildung von Mädchen fand in der Frühen Neuzeit fast ausschließlich im familiären Rahmen statt. Initiativen der ersten Reformationsphase zur Bildung von öffentlichen Mädchenschulen hatten sich nicht durchgesetzt. Martin Luthers Wunsch, dass jede Stadt eine Mädchenschule haben sollte, »darynnen die meydlin ein stund das Evangelium horetenn, es were zu deutsch odder latinisch«, wurde nur an wenigen Orten kurzfristig realisiert.17 Das Ausmaß des häuslichen Unterrichtes für Mädchen war völlig abhängig von den standesmäßigen und finanziellen
12 Eine weitere von ihr erinnerte Begebenheit, bei der die Mutter über eine zur »Hure« gewordene Bekannte weinte, endete ebenfalls damit, dass sie als Sechsjährige auf den Knien und unter Tränen zu Gott betete, s. J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 244f. Im frühneuzeitlichen Kontext bildete das Stichwort Hure den am häufigsten verwendeten Topos, um Frauen zu verunglimpfen, s. hierzu J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 298; H.-R. Schmidt, Pazifizierung, 1994, 120; H. Roodenburg, Reformierte Kirchenzucht, 1994, 143, 145, 147f; L. Roper, Blut, 1995, 111. 13 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 246. 14 Ebd., 246–249. Beide vernachlässigten Kinder und Haushalt, sorgten aber für ihr eigenes Wohl, indem sie sich z. T. am Gut der Familie bereicherten. 15 Ebd., 250f; die älteste Schwester kam nach Stuttgart zu Albert Otto von Merlau, dem älteren Bruder des Vaters, s. dazu M. Matthias, Petersen, 1993, 79f. Der Hallenser Theologe Joachim Lange (1670–1744), Lebenslauf, 1744, 5, berichtet ebenfalls, dass die älteste Schwester nach dem frühen Tod der Mutter familiäre Pflichten übernehmen musste; er gibt lediglich an, dass diese Schwester im »mannbaren Alter« war. 16 Sie habe gezittert, »wo ich nur eine Stimme hörete/ so der Stimme meines Vaters ähnlich war«, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 251. 17 WA 6, 461, An den christlichen Adel, 1520; vgl. hierzu S. Westphal, Bildungskonzepte, 1996; vgl. ferner M. Sonnet, Mädchenerziehung, 1994.
Hof- und Kammerfräulein an Adelshöfen
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Voraussetzungen der einzelnen Familien.18 Meist vermittelte die Mutter den Kindern die für elementar erachteten Kenntnisse,19 in seltenen Fällen übernahmen Väter diese Aufgabe. Der einzige außerhäusliche Unterricht, den die Merlauischen Mädchen erhielten, bestand in der Unterweisung durch einen lutherischen Geistlichen. Im Alter von 10 Jahren nahm J. E. von Merlau gemeinsam mit ihrer älteren Schwester an der Vorbereitung auf den Abendmahlsempfang teil.20 Hierbei wird es sich um eine Art von Konfirmationsunterricht gehandelt haben, der auf den Hauptstücken des Katechismus fußte und seinen Abschluss in der Zulassung zum Abendmahl fand. Bereits die hessischen Kirchenordnungen von 1566 und 1574 sahen eine Konfirmation vor, die in der zweiten Hälfte des 17. Jh. in den Frankfurter Landgemeinden verbreitet war.21 Hof-undKammerfräuleinanAdelshöfen
2. Hof- und Kammerfräulein an Adelshöfen Wie es für die Töchter verarmter Adelsfamilien standesgemäß und üblich war, wurde J. E. von Merlau im Alter von 12 Jahren an einen Adelshof geschickt. Vor allem aus zwei Gründen wurde so verfahren: zum einen war dadurch die Versorgung der heranwachsenden Mädchen gesichert, denn sie erhielten Bezahlung für ihre Dienste bei Hof. Zum anderen diente der Aufenthalt in einer materiell besser gestellten Adelsfamilie der höfischen Erziehung und Ausbildung der Töchter, die auf diese Weise auch in den Kreis möglicher späterer Ehepartner eingeführt wurden. Der von der Autobiographin mitgeteilte Zeitpunkt des Beginns ihrer höfischen Laufbahn, das Alter von 12 Jahren, bildete in der Frühen Neuzeit den normalen Übergang vom Kindes- zum Erwachsenenalter.22 Zunächst wurde J. E. von Merlau ganz in der Nähe Frankfurts untergebracht, in Rödelheim. Heute ein Stadtteil Frankfurts,23 war die Wasserburg 18 Die württembergische Pietistin Beata Sturm erhielt zu Hause Unterricht in Lesen und Schreiben durch einen Praeceptor, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 166. 19 Zu der zur häuslichen Mädchenerziehung gedachten Literatur des 16. und 17. Jh. s. C. Niekus Moore, The Maiden’s Mirror, 1987. Spener gab 1698 ein Christliches Gespräche eines Kindes mit seiner lieben Mutter neu heraus, das er als nachahmenswertes Beispiel christlicher Kindererziehung ansah. Ihm war allerdings nicht bekannt, dass Anna Ovena Hoyers (1584–1655) die Verfasserin dieses Dialoges war, s. hierzu C. Niekus Moore, Mein Kindt, 1980. Zu Hoyers s. J. M. Krafft, Jubel=Gedächtnis, 1723, 171–177; GVUL 13, 1734, 1030f; H.-J. Schoeps, Geistesgeschichte 2, 1978, 104–117; G. Dünnhaupt, Personalbibliographien 3, 1991, 2168–2172. 20 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 249f. 21 Vgl. hierzu K. Dienst, Konfirmation, 1990, 441f. H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 43, beschreibt für Frankfurt, dass die Kinder etliche Tage vor dem ersten Abendmahlsempfang Unterricht beim Prediger erhielten. 22 Vgl. hierzu H. Wunder, Sonn, 1992, 33–41. 23 Seit 1910 gehört Rödelheim zu Frankfurt, s. G. W. Sante, Hessen, 1967, 384f.
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Biographie
seit 1569 im Besitz der Grafen von Solms.24 In den autobiographischen Aufzeichnungen haftet den Erinnerungen an diesen Aufenthalt am Grafenhof von Solms-Rödelheim25 eine gewisse Dramatik an. Nach der Schilderung J. E. Petersens war die Gräfin, Eleonora von Solms-Rödelheim (1629–1680),26 »bißweilen nicht recht bey Sinnen«, misshandelte dann das junge Mädchen mit Schlägen und brachte es in Lebensgefahr, indem sie versuchte, es ins Wasser zu stürzen.27 Gerade angesichts der subjektiven Darstellungsweise, die die Gattung der Autobiographie auszeichnet, fällt auf, dass die Thematisierung von Standesunterschieden einen wichtigen Aspekt für die Autorin darstellt. So hält sie fest, dass sie gemeinsam mit einer leibeigenen Kammermagd für die Bedienung der Gräfin zuständig war. Mit dieser Magd teilte die junge Adlige zwei Räume, die sie als »Kammer« und »Stube« bezeichnet und die unmittelbar an den Schlafraum der Gräfin angrenzten. Zu den Aufgaben des Hoffräuleins gehörte es, der Gräfin beim An- und Auskleiden behilflich zu sein.28 Nach der Erzählung J. E. Petersens beendete das Eingreifen ihres Vaters diese erste Phase des Hofdienstes.29 Die zweite und längste Station ihres Lebens bei Hofe erfährt in der Rückschau eine zum größten Teil positive Bewertung. Insgesamt 14 Jahre verbrachte sie als Hofjungfer bei Anna Margaretha von Hessen-Homburg (1629–1686), die mit dem Herzog Philipp Ludwig von Holstein-Sonderburg (1620–1689) verheiratet war.30 Zunächst residierte das Herzogspaar im hessischen Lißberg bei Büdingen.31 Die um 1200 erbaute und auf einem Berghügel über dem Tal der Nidder gelegene Burg kam 1648 an Hessen-Darmstadt und wurde 1652 als Pfand an Herzog Philipp Ludwig vergeben. Ein Brand im Jahr 1661 vernichtete die Wirtschaftsgebäude im mittleren Burghof.32 Bis 1619 war die 24 Vgl. G. Köbler, Lexikon, 1999, 530. Von 1640 bis 1681 war Georg Heilmann als Pfarrer dort tätig, s. W. Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch, 1930, 202–204. Vermutlich besuchte die Hofjungfer mit der gräflichen Familie seine Gottesdienste; dies hinterließ jedoch offenbar keine Spuren. 25 Zur Grafschaft Solms-Rödelheim s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 616; E. Vehse, Deutsche Höfe, 1858, 151–154. 26 Zu ihrer Person s. M. Matthias, Petersen, 1993, 82. 27 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 251f; den Höhepunkt erreicht die Schilderung mit einem Bericht über den Versuch der Gräfin, ihren Mann mit einem Messer umzubringen, ebd., 252f. 28 Ebd., 253f. 29 Ebd., 254: »Es wurde aber der seel. Vater von andern gewahr/ daß ich in solcher Gefahr war/ und nahm mich da weg.« 30 Zu den Herzögen von Holstein-Sonderburg s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 580f; zu HessenHomburg ebd., 257. Die Linie Hessen-Homburg war 1622 von Friedrich I. (1585–1638), dem Vater von Anna Margaretha und Bruder von Ludwig V. von Hessen-Darmstadt als Nebenlinie begründet worden; vgl. B. Sokop, Stammtafeln, 1993, 18. 31 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 257. Zu Lißberg s. G. Simon, Ysenburg, 1865, 9–21; G. W. Sante, Hessen, 1967, 305; G. Köbler, Lexikon, 1999, 355. 32 H. Seipel, Lißberg, 1996, 19–23.
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Schlosskapelle die einzige Gottesdienststätte Lißbergs; nachdem der hessendarmstädtische Landgraf Ludwig V. (1577–1626) einen eigenständigen Kirchbau unmittelbar vor dem Schloss veranlasst hatte, fanden alle Gottesdienste für den Hof und die Bewohner des Fleckens dort statt. Seit den 1630er Jahren bestand in Lißberg eine Pfarrei.33 Das Recht zur Besetzung der Pfarrstelle ging mit den Pfandrechten an den Herzog von Holstein-Sonderburg über, der von 1654 bis 1664 Johann Jakob Schwenck (†1684) mit diesem Amt betraute.34 Nach einer Zwischenstation als Reisebegleiterin nach Linz35 hielt sich J. E. von Merlau größtenteils mit der herzoglichen Familie im sächsischen Erzgebirge in Schloss Wiesenburg auf.36 Im Vergleich zu den relativ beschränkten Wohn- und Lebensverhältnissen in Lißberg bot Wiesenburg durch seine Lage und den dazugehörenden Besitz bessere Möglichkeiten für einen höfischen Lebensstil, wie er vom Hochadel für angemessen gehalten wurde. Herzog Philipp Ludwig kaufte 1663 das seit dem 12. Jh. bestehende Schloss vom sächsischen Kurfürsten, ließ es herrichten und zog 1664 dort ein.37 In einer Beschreibung von 1840 heißt es über Wiesenburg: »Die Lage des Orts, besonders des Schlosses, ist ungemein schön und wird nicht selten von Freunden der Natur besucht. Das breite Muldental . . . gehört zu den reitzendsten und sanftesten Thalpartien.«38 Mit dem kurfürstlichen Amt Wiesenburg und dem 33 Ebd., 24–28; W. Diehl, Baubuch, 1931, 388–392. 34 J. J. Schwenck stammte aus Lich, hatte in Marburg studiert, war zunächst Schulmeister in Grünberg, dann in Lich und seit 1653 Inhaber eines Diakonats in Münzenberg, s. W. Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch, 1921, 367. 35 Nach ihren Angaben wurde J. E. von Merlau zunächst als Bedienung für eine Tochter des Herzogs aus erster Ehe angenommen, die im Begriff war, einen Grafen von Zinzendorf, der das Amt des Kaiserlicher Kammer-Präsidenten innehatte, zu heiraten, J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 254f. Sie beschreibt relativ ausführlich die Umstände der Hochzeitsfeierlichkeiten, ebd., 254–257. Zur Ausgestaltung der Eheschließung im frühneuzeitlichen Adel s. B. Bastl, Hochzeitsrituale, 1997. Die Rückkehr zum Herzogspaar von Holstein-Sonderburg – ursprünglich war sie zum Verbleib in Österreich vorgesehen – erklärt die Autobiographin mit Konflikten, in denen es um Standesunterschiede ging. Außer ihr waren für die Braut eine adlige Kammerjungfer und eine Hofmeisterin, die keine Adlige war, zuständig. Zu Unstimmigkeiten zwischen dem Bräutigam und dem Schwiegervater, Herzog Philipp Ludwig, kam es, als J. E. von Merlau nicht an der fürstlichen Tafel wie die Kammerjungfer, sondern abgetrennt davon mit der Hofmeisterin speisen sollte. Nach ihrer Darstellung schritt der Herzog gegen diese Anordnung mit den Worten ein, »daß die Hoffmeisterin nur Bürgerliches Standes wäre/ also würde ich auch nur vor Bürgerstandes angesehen werden/ da ich doch von einem alten Hause/ und nicht geringer wäre/ als die andere«, J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 256. 36 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 254–257. Zu Wiesenburg s. auch GVUL 56, 1748, 547f; D. Zühlke, Zwickauer Mulde, 1978, 77–79, mit einer Lithographie des Jahres 1839. G. A. Krause, Schönau, 1840, 36, beschreibt die geographische Lage des Schlosses folgendermaßen: »es liegt 2 1/2 St. von Zwickau, 2 St. von Schneeberg, 1 St. von Kirchberg und 3/4 St. von Wildenfels, ganz nahe an der Mulde.« 37 F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, 1f. 38 G. A. Krause, Schönau, 1840, 36. Bis heute hat sich nur ein Teil der großen Schlossanlage erhalten, die Kapelle existiert nicht mehr.
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Biographie
Schloss erwarb der Herzog die dazugehörige Stadt Kirchberg sowie die Ortschaften Schönau, Wiesen, Haar, Kulitzsch, Kunnersdorf, Niedercrinitz, Hirschfeld, Lauterhofen, Lauterholz, Gilgengrün, Wolffersgrün, Beerwalde, Lichtenau, Lindenau, Zschorla und Obercrinitz.39 Die auf seinen Besitzungen gelegenen Bergwerke trieb er zielstrebig voran und förderte vor allem den Abbau von Kobalt und Silber, so dass er zu den führenden Bergwerksbesitzern der Schneeberger Gegend gehörte.40 Inwieweit der Wiesenburger Hof und damit eventuell auch J. E. von Merlau durch Impulse der wirtschaftlich und kulturell bedeutsamen Stadt Schneeberg beeinflusst wurden, lässt sich anhand der erhaltenen Quellen nicht nachzeichnen, allenfalls vermuten.41 Dass regelmäßige Kontakte dorthin bestanden, belegen die wirtschaftlichen Beziehungen des Herzogs sowie seine spätere Übersiedlung in die Stadt. Die zu der Zeit in Schneeberg amtierenden Geistlichen scheinen keine über den regionalen Kontext hinausreichende Rolle gespielt zu haben. Die Bewohner des Schlosses Wiesenburg gehörten pfarramtlich zum Dorf Schönau, das 1618 der Zwickauer Diözese angegliedert worden war.42 Die im Schlossbereich vorhandene Kapelle wurde von Herzog Philipp Ludwig restauriert und für die Jahre von 1664 bis 1677 gab es einen eigenen Hofprediger, während vorher und nachher diese Aufgabe von den Schönauer Pfarrern wahrgenommen wurde.43 Der erste und einzige Wiesenburger Hofprediger war J. J. Schwenck, der bereits in Lißberg für die Herzogsfamilie als Geistlicher tätig gewesen war.44 Besonders die Herzogin, die eine Taufpatin J. E. von Merlaus war, erfährt in der autobiographischen Rückblende eine warmherzige Schilderung.45 Zu den Aufgaben der Hofjungfer gehörte die Bedienung der herzoglichen Familie bei Tisch, die Begleitung der Familie auf Reisen, die Betreuung von Gästen46 39 F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, 2. 40 Ebd., 5–7; M. Titze, Schnorr von Carolsfeld, 1993, 9; C. Lehmann, Chronik 2, 1838, 70. 41 Zu Schneeberg s. C. Lehmann, Chronik 1–2, 1837/1838. 42 G. A. Krause, Schönau, 1840, 36. Grablege für die herzogliche Familie war die Margarethen-Kirche in Kirchberg; die dortigen Kirchenbücher wurden beim Stadtbrand im Jahr 1757 allerdings vernichtet, F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, 8, Anm. 1; R. Grünberg, Sächsisches Pfarrerbuch 1, 1940, 292. 43 F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, 3f; R. Grünberg, Sächsisches Pfarrerbuch 1, 1940, 133, 594, 688: von 1643 bis 1659 war Veit Drechsel (1615–1699) Pfarrer in Schönau, von 1699 bis 1719 Johann Parsky (1661–1719). 44 Nachdem er Wiesenburg verlassen hatte, blieb er Geistlicher in Sachsen und ging 1678 nach Adorf bei Chemnitz, R. Grünberg, Sächsisches Pfarrerbuch 1, 1940, 862. Über das theologische Profil Schwencks ließ sich leider nichts weiter ermitteln. Er hinterließ jedoch eine wertvolle Quelle für die Zeit von 1644 bis 1677, nämlich das von ihm geführte Wiesenburger Kirchenbuch, das sich heute im Archiv der Kirchengemeinde von Schönau befindet. Es enthält Tauf-, Trauund Sterberegister. Bisher hat nur F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, diese Mitteilungen ausgewertet. Sie belegen neben der kirchlichen Betreuung vor allem das soziale Gefüge der Schlosswirtschaft. 45 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 256; so spricht die Autorin von ihr als »meine liebe Hertzogin«, die ihre Hofjungfer »liebete/ als wenn ich ihr Kind wäre«, ebd., 273, 280. 46 Christine Wilhelmine von Hessen-Homburg (1653–1722), die jüngere Schwester von Anna
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und die Teilnahme an Festlichkeiten, bei denen Kunstfertigkeit u. a. im Tanzen47 erwartet wurde. Im Rückblick stellt die Autobiographin diese geselligen Elemente ihres Hofdienstes als Teile der später von ihr negativ bewerteten weltlichen Vergnügungen dar: »ich übete mich in allerley Geschicklichkeiten von allerley Arbeit/ daß ich sehr beliebet wurde/ auch im tantzen vor andern den Preiß hatte/ welches mir die Eitelkeit lieb und angenehm machte«.48 Nach eigenen Angaben verbrachte J. E. von Merlau jedoch die weitaus meiste Zeit bei der Herzogin »im Gemache«.49 Im Laufe ihres langen Aufenthaltes am Wiesenburger Hof stieg J. E. von Merlau vom Hof- zum Kammerfräulein auf.50 Nachdem sie den Hof bereits verlassen hatte, wurde ihr angeboten, als Hofmeisterin bei doppelter Besoldung zurückzukehren.51 Mit dieser Position hätte sie dann die höchste Stufe ihrer Laufbahn erreichen können. Zu den für J. E. Petersen wichtigen Kontakten aus ihrer Zeit im sächsischen Erzgebirge gehört die Freundschaft mit Benigna von Solms-Laubach (1648– 1702),52 die mit ihrem Ehegatten Graf Johann Friedrich von Solms-Laubach Margaretha von Holstein-Sonderburg und Mutter der späteren preußischen Königin Sophie Luise (1685–1735), hielt sich eine Zeitlang in Wiesenburg auf. J. E. Petersen schreibt darüber: »und weil Sie noch sehr jung/ wurden Sie meiner unterthänigen Auffsicht übergeben/ Dieselben sowohl im Christenthum/ als auch in allen Fürstlichen Tugenden/ nach meinem geringen Vermögen/ zu unterweisen«, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, Widmung, )(3v. 47 Zur Bedeutung des Tanzes im höfischen Gefüge s. R. Braun/D. Gugerli, Macht des Tanzes, 1993. Vom Pietismus wurden Vergnügungen wie Tanz, Opern- und Komödienbesuche im allgemeinen abgelehnt, s. Kap. IV. 5. In der Biographie Speners wird berichtet, dass er bereits als Jugendlicher Tanzveranstaltungen missbilligte, J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 308. Allerdings äußerten auch Theologen, die nicht dem Pietismus zuzurechnen sind, Bedenken wegen der Gefahr der mit dem Tanz verbundenen Ausschweifungen. Der mecklenburgische Pastor Michael Freud, Theologische Erörterung, 1685, sprach sich in diesem Sinne gegen Tanzvergnügungen aus, die er aber grundsätzlich nicht als Sünde betrachtete, 15. In der Reformationszeit lagen die Urteile über den Tanz ebenfalls weit auseinander, s. O. Clemen, Kleine Schriften 2, 1983, 254–257. 48 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 257; später nahm sie eine andere Haltung ein und tanzte »offt mit Thränen«, ebd., 271. Auf diese Episoden rekurriert S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1697, 178–180, der die pietistische Position scharf kritisiert. Zur pietistischen Verurteilung des Tanzes s. auch E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 2, 1723, 170. 49 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 261. 50 J. E. Petersen, Das Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, Widmung, )(3r. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 19, bezeichnet sie ausschließlich als »Cammer=Fräulein«. In ihrer Supplikation an den Frankfurter Rat vom 21.2.1678 betont J. E. Petersen ebenfalls diesen Aufstieg von der »HoffJungfer« zur »Cammer=Jungfer«, 72r. 51 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 284. Während es eine Untersuchung über die Rolle und Aufgabe der Hofmeister gibt, L. Fertig, Hofmeister, 1979, liegen für Hofmeisterinnen bisher keine Studien vor. Ihr Aufgabengebiet lässt sich nicht mit dem der Hofmeister vergleichen, da diese oft ihre adligen Schützlinge unterrichteten und auf Reisen begleiteten. Entsprechendes kam weder für adlige Frauen noch für die Hofmeisterinnen in Frage. 52 Die aus dem Adel der Niederlausitz (Promnitz/Sorau) stammende Gräfin heiratete 1667 und lebte seitdem in Wildenfels. Ihre Biographie ist abgedruckt bei E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 2, 1723, 80–112. Vgl. auch A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 219; R. Graf
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(1625–1696) im nur wenige Kilometer entfernten Wildenfels residierte.53 Das heute noch bestehende Schloss ging aus einer Burg aus der Zeit um 1200 hervor. Seit 1602 hatten Mitglieder der Solmser Grafenfamile die relativ unbedeutende Herrschaft Wildenfels inne; dazu gehörten neben Wildenfels und Weißbach nur noch wenige Dörfer.54 Weder das Schloss noch der Ort Wildenfels verfügten im 17. Jh. über eine eigene kirchliche Struktur, bis 1866 gehörte Wildenfels kirchlich gesehen zu Härtensdorf.55 Ihrem Einfluss auf die Gräfin schrieb J. E. Petersen eine Bekehrung des Wildenfelser Hofes zu, so dass das Grafenpaar »gantz anders Sinnes worden, und ihre gantze HoffStatt verendert«.56 Allerdings gibt es für die Wildenfelser Zeit keine Bestätigung dafür, dass sich dort ein pietistisches Zentrum gebildet hätte. Erst nach der Umsiedlung der gräflichen Familie im Jahr 1680 ins hessische Laubach lässt sich eine zeitweise auffallende Aktivität im pietistischen Sinn belegen.57 Benigna von Solms-Laubach pflegte intensiven Kontakt zu Spener und nahm auch an seinen collegia pietatis teil.58 Neben der gleichgerichteten Frömmigkeit müssen sich J. E. Petersen und B. von Solms-Laubach durch ähnliche Lebenserfahrungen verbunden gefühlt haben, die sie in ihren zu Solms-Laubach, Geschichte, 1865, 343–345; K. Bohn, Beiträge, 1931; I. Modrow, Adelige Frauen, 1997. J. E. Petersen schrieb später über B. von Solms-Laubach, dass diese »nur eine halbe meil von dem Orth gewohnet, wo ich am Hoff gewest, und offt zusammen kommen, also daß Sie beydes mein umbgang, und was mir in meiner übung vor leiden und hinderungen begegnend genauer wissen, als sonst iemand«, Brief an C. Kortholt vom 19.1.1686, Hamburg, Universitätsbibliothek, Sup.ep. 4° 52, 374v. 53 Zur Grafenlinie Solms-Wildenfels s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 616; E. Vehse, Deutsche Höfe, 1858, 154–157. E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 2, 1723, 42–63: Graf Johann Friedrich, dessen Vater in sächsisch-kurfürstlichen Diensten stand, wurde ebenfalls in der Niederlausitz geboren und erbte die sächsische Besitzung Wildenfels. 54 D. Zühlke, Zwickauer Mulde, 1978, 30–34; C. Lehmann, Chronik 1, 1837, 15f. 55 R. Grünberg, Sächsisches Pfarrerbuch 1, 1940, 686. 56 J. E. Petersen, Hamburg, Universitätsbibliothek, Sup.ep. 4° 52, 374v. 57 Die Umsiedlung erfolgte u. a., weil die Lage in Sachsen politisch und wirtschaftlich instabil wurde. Ein Teil der in der Wetterau gelegenen Herrschaft Laubach fiel Graf Johann Friedrich als Erbe zu, weitere Anteile erwarb er, s. E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 2, 1723, 48. Zur Solms-Laubacher Herrschaft s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 333f, 615; E. Vehse, Deutsche Höfe, 1858, 145–151; zur Stadt Laubach s. R. Klein, Hessen-Lexikon, 1965, 230f: seit 1548 war Laubach die Residenz einer Linie der Solmser Grafen. Das Grafenpaar sammelte hier Pietisten unterschiedlicher Richtungen um sich; in den Jahren 1699/1700 kam es zum Höhepunkt radikaler Reformen, die jedoch mit dem Antritt der Regentschaft durch den Sohn Friedrich Ernst (1671–1723) in gemäßigtere Bahnen gelenkt wurden, s. R. Mack, Forschungsbericht, 1987, 202–205; B. Hoffmann, Radikalpietismus, 1996, 56–82; H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 53–87. 58 Vgl. hierzu H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 96; Spener hielt sich einige Wochen in Laubach auf und widmete der Gräfin seine Schrift Laubachisches Denckmal, 1683; s. hierzu P. Grünberg, Spener 1, 1893, 171, Anm. 1; ders., Spener 3, 1906, 218. Dieses Buch erwähnt J. E. Petersen in ihrem Brief an Kortholt, Sup.ep. 4° 52, 374v. Seit 1677 korrespondierten die Gräfin und Spener miteinander, s. P. J. Spener, Briefe 3, 2000, 50–53, 116–119, 303–309. Vermittelt hatte diese Beziehung ganz offensichtlich J. E. Petersen. Von 1678 an ist auch eine Korrespondenz mit Graf Johann Friedrich bezeugt, ebd., 700–706.
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Schriften thematisieren. Beide Frauen sahen sich sowohl während ihrer Kindheit als auch als Erwachsene schwerwiegenden Anfechtungen und Verlusterfahrungen ausgesetzt. Während J. E. Petersen selber aktiv wurde, um ihre Werke zu publizieren, erschienen die der Gräfin erst postum.59 Die freundschaftliche Verbundenheit beider Frauen blieb lebenslang erhalten.60 Ihre Tätigkeiten im Dienste der Wiesenburger Herzogsfamilie erwähnt die Autobiographin nur beiläufig, dagegen beleuchtet sie den Bereich ihrer Frömmigkeit, die sich nach ihrer Erinnerung in Gottesdienstbesuchen, Bibellektüre, Gebet und geistlichen Gesprächen mit Pastoren und anderen Gleichgesinnten ausdrückte, eingehender. So beschreibt sie, dass sie »gerne lase und betete/ und in die Kirche ging/ und offt die Predigt in allen Puncten wiedererzählen kunte; ich wuste/ was das vorige Jahr über solchen Text war geprediget worden/ da war es überall gut Ding/ und ward von Geistlich und Weltlichen vor eine gottseelige Jungfer gehalten«.61 In mehreren Szenen greift die Autorin einen Konfliktbereich auf, der sich nach ihrer Darstellung zwischen ihren persönlichen Neigungen und den Erfordernissen des höfischen Lebens mit den dazugehörenden Erwartungen an Frauen ergab. So schildert sie eine Mahlzeit an der herzoglichen Tafel, bei der ihr entgegengehalten wurde, »daß denen Frauenzimmer nicht geziemete/ so viel in der Bibel zu lesen/ sie würden sonst allzu klug.«62
59 Vgl. hierzu J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 119; H. Wunder, Sonn, 1992, 211f; J. Taege-Bizer, Pietistische Herrscherkritik, 2002. Die bei E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 2, 1723, 85–97, publizierten autobiographischen Aufzeichnungen der Gräfin bringen zum Ausdruck, dass sie sich in ihrer Kindheit, bedingt durch den frühen Tod der Eltern, einsam und ausgestoßen fühlte. Ein gewisser Zug der Schwermut klingt in all ihren Texten an. 60 Von Laubach aus befreundete sich B. von Solms-Laubach mit der Frankfurterin Anna Elisabeth Kißner, mit der sie einen Briefwechsel aufrecht erhielt. Jutta Taege-Bizer, Hanau, die eine Dissertation über B. von Solms-Laubach vorbereitet, verdanke ich den Hinweis auf die Korrespondenz beider Frauen. In ihr »taucht die ›liebste Petersin‹ immer wieder auf, allerdings nicht in ausführlicher Berichterstattung oder Beurteilung. Sicher scheint nur zu sein, daß die Frankfurter Freundinnen sie noch bis in die Magdeburger Zeit seelsorgerlich und materiell unterstützt haben.« (Brief vom 27.10.1997) Zu Besuchen A. E. Kißners in Laubach s. A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 281–283. Der Kontakt zwischen J. E. Petersen und den Grafen Solms-Laubach setzte sich insofern noch in die nächste Generation fort, als eine Tochter der Gräfin Benigna, Erdmuthe Benigna von Solms-Laubach (1670–1732) mit ihrem Ehegatten Heinrich X. von Reuß-Ebersdorf (1662–1711) die gemeinsame Residenz Ebersdorf in Thüringen zu einem pietistischen Hof umgestaltete, wo in späteren Jahren auch das Ehepaar Petersen sich zeitweilig aufhielt, s. W. Jannasch, Gräfin von Zinzendorf, 1915, 4f; D. Meyer, Zinzendorf, 1995, 18; I. Modrow, Adelige Frauen, 1997, 194–199. 61 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 258. C. Niekus Moore, Erbauungsliteratur, 1991, versucht zu erschließen, welche Literatur insbesondere die Frömmigkeit von Frauen der Frühen Neuzeit beeinflusste. 62 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 275; ähnliche Äußerungen ihres Verlobten von Brettwitz, 261. In der Frühen Neuzeit war ein Argwohn gegenüber dem eigenständigen Wissenserwerb von Frauen verbreitet, s. E. Kleinschmidt, Frauenbildung, 1987, 553, 555.
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Die von J. E. Petersen bereits in ihre frühen Jahre versetzte auffallende Frömmigkeit passt zu den Zügen, mit denen sie später durch andere Quellen hervortritt. Natürlich ist hier an eine Beeinflussung durch Schriften Johann Arndts (1555–1621) zu denken; wie M. Matthias zu Recht anmerkte, lässt sich mit dem Hinweis auf Arndt noch nicht jeder ausgeprägte Frömmigkeitsstil vor dem Aufkommen des Pietismus hinreichend erklären.63 Jedoch bleibt für die Person J. E. Petersens weiter im Dunkeln, welche Einflüsse persönlicher oder literarischer Art in diesen Jahren des Hofdienstes ein zielstrebiges Suchen nach einem ernsthaften Lebenswandel hervorriefen. Eine wichtige Rolle als Begleiterin bei der Suche nach einer intensiveren Frömmigkeit spielte auf jeden Fall eine der Prinzessinnen des Wiesenburger Hofes: Sophie Elisabeth von Holstein-Sonderburg (1653– 1684), verh. Herzogin von Sachsen-Zeitz.64 Mit ihr verbindet J. E. Petersen eine Art von Bekehrungserfahrung, denn sie spricht in einem Brief rückblickend von der »zeit unsers anfangs in der wahren gottseeligkeit. Wie eiffrig waren wir . . . die schrifft zu lesen.«65 Eventuell gab es darüber hinaus Kontakte in der regionalen Umgebung von Wiesenburg, die bisher noch zu wenig erforscht sind. Als Spur ist auf jeden Fall eine Notiz zu verfolgen, die nach Schneeberg weist. Der Erfurter Geistliche Johann Melchior Stenger (1638–1710), der in das Umfeld des Pietismus gehört, widmete seine 1669 veröffentlichten Bußpredigten einer Schneebergerin. Er hatte in Straßburg gemeinsam mit Zacharias Schnorr studiert und mit diesem dessen Mutter in Schneeberg besucht. Frau Schnorr blieb ihm in Erinnerung wegen ihrer Frömmigkeit, die sich u. a. aus der Lektüre englischer und deutscher Erbauungsschriften speiste.66 Allerdings sind nur die freundschaftlichen Beziehungen der Herzogsfamilie zu Mitgliedern der Familie Schnorr bekannt; für eine vor- oder frühpietistische Frömmigkeit in Schneeberg gibt es keine weiteren Zeugnisse. J. E. Petersen skizziert ihre Entwicklung als zunehmende Distanzierung vom »weltförmigen Adelsstand«, dessen Normen sie sich zu entziehen suchte. Eine kritische Sicht des Hoflebens und der damit verbundenen adligen Lebensformen war im Pietismus durchaus verbreitet.67 In ihrer Autobiographie 63 M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 71. 64 1676 heiratete sie den verwitweten Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz (1619–1681). Ein Lebenslauf wurde aus Anlass ihres Todes gedruckt: M. C. Ludwig, Lebens=Lauff, 1684. 65 Abgedruckt bei M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 87, ep. 7, 28.11.1678. 66 U. Sträter, Stengerscher Streit, 1992, 44–46. 67 Die Pietistin Barbara Cordula von Lauter (1670–1711), die zeitweise am Markgrafenhof in Bayreuth lebte, belegt diese Tendenz, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen IV, 1716, 230–241. Wegen dieser kritischen Haltung erwog Johanna Ursula von Geusau (1659–1718) den württembergischen Hof zu verlassen, wo sie als Kammer-Fräulein diente. Sie plante, in ein evangelisches Damenstift einzutreten, »um ihrem GOTT desto ungehinderter zu dienen«, E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 1, 1722, 225. Zur Fortführung dieser Kritik im 18. Jh. bei Matthias Claudius s. H. Lehmann, Sozialgeschichte, 1998, 42. In der Biographie des Pietisten J. F. von Blanckensee wird die Unvereinbarkeit des Militärdienstes mit einem pietistischen Lebensstil thematisiert, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 123.
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gestaltet J. E. Petersen sich als autonome Persönlichkeit, die keiner von außen kommenden Unterstützung bedurfte, um das Ziel ihres christlichen Lebens zu umreißen. Da sie es in immer stärkerem Maß als unvereinbar erlebte, bei Hof zu dienen und gleichzeitig ihrer Vorstellung von der Nachfolge Christi nachzukommen, bat sie schließlich um Entlassung aus dem Hofdienst. »Als sie aber begehreten zu wissen/ was mich dazu bewegete/ sagte ich frey heraus/ daß mein Wandel/ wie ich ihn bey Hofe führen müste/ wieder mein Gewissen stritte.«68 Der Herzog und die Herzogin vermuteten eine »Melancholie« als tieferen Grund ihres Wunsches.69 Die Autobiographin legt Wert darauf zu betonen, dass sie hartnäckig bei ihren Forderungen blieb und durchsetzte, die letzten drei Jahre ihres Hoflebens unter eigens ausgehandelten Bedingungen verbringen zu können. Beispielsweise verzichtete sie auf »Kleiderpracht« und damit verbundene »Entblößung der Glieder«.70 Während ihrer Zeit am Wiesenburger Hof begleitete J. E. von Merlau Mitglieder der herzoglichen Familie auf Reisen. So machte sie ihre »unterthänigste Auffwartung« bei den hessischen Verwandten der Herzogin in Bad Homburg vor der Höhe71 und Bingenheim.72 Die Herrschaft Bingenheim war 1604 an Hessen-Darmstadt gefallen.73 Im Schloss Bingenheim residierte seit 1648 ein Bruder von Anna Margaretha von Holstein-Sonderburg: Landgraf Wilhelm Christoph von Hessen-Bingenheim (1625–1681).74 1672 reiste die Familie 68 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 272. 69 Ebd., 272f; J. E. Petersen berührte das Thema der Melancholie auch in späteren Schriften, s. Glaubens=Gespräche, 1691, 606. Zu der in der Frühen Neuzeit besonders für religiös auffallende Frauen verwendeten Diagnose s. E. Saurer, Religiöse Praxis, 1992. So erklärte H. Corrodi, Geschichte des Chiliasmus 4, 1793, 403, die Visionen Jane Leades damit, dass diese »sehr zeitig Anlagen zur Melancholie« gehabt habe. J. W. Petersen beteuerte, dass die Visionärin Rosamunde Juliane von Asseburg nicht melancholisch gewesen sei, Species facti, 1691, c.2, A2r; c.16, A4v. Vgl. ferner H.-J. Schings, Melancholie, 1977; R. Klibansky u. a., Saturn, 1992; J. A. Steiger, Melancholie, 1996. M. Maier-Petersen, Fingerzeig, 1984, 83–88, macht zwar Ausführungen zur Verwendung des Melancholie-Topos im Pietismus, diese können jedoch nicht als befriedigend gelten. In J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen III, 1701, 194, 216; VI, 1730, 264, 366; VII, 1745, 118, 128, wird deutlich, wie weit das Phänomen der Melancholie auch bei Männern verbreitet war bzw. als Topos ihnen gegenüber Anwendung fand. Zu Melancholie und Schwermut bei württembergischen Pietistinnen s. C. Köhle-Hezinger, Frauen, 1994, 117. R. Bohren, Tiefe der Zisterne, 1990, 183–214, bietet eine Einführung zum Verständnis der Melancholie in Christian Scrivers Seelenschatz, 1676–1692. Zur lutherischen Literatur des 16. und 17. Jh. in Bezug auf diese Problematik s. E. Koch, Höchste Gabe, 1992. 70 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 278. 71 Auf diese Aufenthalte kommt J. E. Petersen erst sehr viel später zu sprechen, und zwar bei der Widmung ihres Buches an die preußische Königin im Jahr 1711. Zur Residenz Homburg s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 277. 72 J. E. Petersen, Das Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, Widmung, )(3r. Zur Linie Hessen-Bingenheim, s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 62f, 277; B. Sokop, Stammtafeln, 1993, 18. 73 Vgl. G. W. Sante, Hessen, 1967, 52. 74 Dieser Landgraf ließ das Schloss umbauen und errichtete auch eine eigene Hofpredigerstelle,
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»wegen Unpäßlichkeit unserer ältesten Prinzessin« nach Bad Ems.75 Der seit dem Mittelalter wegen seiner Thermalquellen berühmte Ort war im 17. Jh. durch eine Konkurrenz zwischen den hessischen und den nassauischen Badehäusern geprägt. Durch die verwandtschaftlichen Beziehungen bedingt konnte die Wiesenburger Herzogsfamilie dort standesgemäß unterkommen. In der Frühen Neuzeit bestand die wichtigste Behandlungsform in Bädern, während das Trinken des Quellwassers nur eine untergeordnete Rolle spielte.76 Diese Reise gestaltet J. E. Petersen in ihrer autobiographischen Rückblende als entscheidenden Wendepunkt, der große Veränderungen für sie nach sich zog. Sie wurde »mit zwey rechten Gottes=Männern in Franckfurt bekandt«, die sie nicht namentlich benennt.77 Bei diesen beiden handelt es sich Philipp Jakob Spener,78 den Frankfurter Senior und führenden Theologen des sich formenden Pietismus, sowie um den Frankfurter Advokaten Johann Jakob Schütz (1640–1690), den »Urheber und Mitbegründer des Pietismus«.79 Während die Forschung lange davon ausging, dass J. E. Petersen auf der Schifffahrt von Frankfurt nach Mainz80 Spener kennen lernte, konnte Andreas Deppermann einleuchtend darlegen, dass es sich bei diesem »gottseligen Freund«81 um Schütz handelte.82 Die Unterredung auf dem Schiff bezeichnet die Autobiographin als »einen geistlichen Diskurs«, bei dem sie sich vorkam, als ob ihr Gesprächspartner »in mein Herz sähe und alles hervorkam, was mich bis dorthin noch in Zweifel gehalten«.83 Im Sommer 1672, vermutlich anlässlich der Rückreise von Bad Ems ins Erzgebirge, hielt sich J. E. Petersen in Frankfurt auf.84 Vom Sommer bzw. Herbst 1672 an korrespondierten sie und die Wiesenburger Prinzessin Sophie Elisabeth regelmäßig mit den beiden Frankfurs. W. Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch, 1921, 302–305; G. W. Sante, Hessen, 1967, 52; GVUL 3, 1733, 1881. 75 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 268. Auch P. J. Spener hielt sich des Öfteren zu Kuren dort auf, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 329. 76 Zur Geschichte des Emser Badebetriebs s. D. Weitholter, Bad Ems, 1987; H.-J. Sarholz, Bad Ems, 1996. 77 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 267f. 78 Zu seiner Person s. J. Wallmann, Spener, 1986; M. Brecht, Spener, 1993; die Programmschrift des Pietismus, die Pia Desideria, erschien erst 1675 zum ersten Mal, die Reformideen Speners hatten sich jedoch allmählich vorbereitet; auch der ideengeschichtliche Zusammenhang ist zu beachten, da die Pia Desideria zunächst als Vorrede zu einer Predigtpostille J. Arndts gedruckt wurden, s. Pia Desideria, 1675, III. 79 A. Deppermann, Schütz, 2002, 352. 80 Ein Bericht, der gegen Ende des 18. Jh. entstand, schildert eindrücklich eine Fahrt mit dem zwischen Mainz und Frankfurt verkehrenden Marktschiff, s. hierzu H. T. Gräf/R. Pröve, Wege, 1997, 19, 141. Zu einer weiteren Beschreibung aus dem Beginn des 18. Jh. s. I. Schrattenecker, Deutsche Reise, 1999, 87. 81 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 268. 82 A. Deppermann, Schütz, 2002. 108f. 83 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 268. 84 A. Deppermann, Schütz, 2002, 109.
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tern.85 So wie A. Deppermann insgesamt die Bedeutung von Schütz für die Gestaltung des frühen Pietismus konturieren konnte, so gilt dies auch für das Beziehungsgeflecht Schütz – J. E. Petersen. Er kommt zu dem Ergebnis: »Keine Frage also, daß nicht Spener, sondern Schütz für Johanna Eleonora von Merlau die erste geistliche Autorität in Frankfurt darstellte.«86 Äußerungen J. E. Petersens in einem ganz anderen Zusammenhang könnten allerdings ein Indiz dafür bilden, dass zumindest der Kontakt zu Spener von ihr bereits zu einem früheren Zeitpunkt gesucht wurde. In einem 1718 gedruckten Brief an Heinrich Horche, der im Kontext einer Kontroverse der Jahre 1714 bis 1718 steht, gibt sie an, sich zur Deutung eines Traumes, den sie in das Jahr 1664 datiert, an drei Gelehrte gewandt zu haben: außer Spener noch an Dilherr in Nürnberg und Geier in Dresden.87 Der Nürnberger Prediger Johann Michael Dilherr (1604–1669) war durch seine Erbauungsschriften weithin bekannt geworden.88 Seine kirchliche Programmatik kann als Bemühung um »religiöse Erneuerung« beschrieben werden,89 der pietistischen Bewegung ist er jedoch nicht zuzurechnen. Martin Geier (1614–1680), zunächst Professor in Leipzig und seit 1665 kursächsischer Oberhofprediger in Dresden, galt ebenfalls als Theologe, der sich für die Reform der Kirche einsetzte, jedoch keine direkten pietistischen Bestrebungen unterstützte.90 Das Sterbedatum Dilherrs begrenzt diese Anfrage auf die Jahre zwischen 1664 und 85 Zu den Briefen von Schütz s. ebd., 109–118. Die Briefe Speners liegen gedruckt vor in: P. J. Spener, Briefe 1, 1992; an die Prinzessin: Nr. 139; 159; an J. E. von Merlau: Nr. 138; 147; 152; 158; 165; 167; 181; 189; 209; 213. M. Brecht, Rezension, 1994, 274, zu Spener, Briefe 1, spricht von den »merkwürdig umständlichen und schwerfälligen« Briefen Speners an J. E. von Merlau. 86 A. Deppermann, Schütz, 2002, 111. 87 Dieser Brief ist abgedruckt bei J. W. Petersen, Zeugniß der Warheit, 1718, 6–9. Eine Datierung enthält dieses Schreiben nicht. 88 Der an St. Sebald tätige Geistliche spielte eine bedeutende Rolle im literarischen Leben der Stadt und war u. a. eng verbunden mit C. R. von Greiffenberg, s. H.-J. Frank, Greiffenberg, 1967, 25; zu Dilherrs Werk und Bedeutung D. Peil, Emblematik, 1978, 9–45; H. Leube, Reformideen, 1924, 100; M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 179f; V. Wappmann, Dilherr, 1999; W. Sommer, Friedenspredigten, 1999. Spener korrespondierte im Herbst 1667 mit ihm: P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 41–46, 55–58. Die erhaltenen Briefe Dilherrs enthalten keine Hinweise auf einen Kontakt nach Wiesenburg oder in die nähere Umgebung. T. Bürger, Briefwechsel, 1984, 143, wies etwa 340 Briefe mit 110 Korrespondenten nach. Der einzige Kontakt nach Sachsen bestand zu dem Dresdener Oberhofprediger Jakob Weller von Molsdorf, der allerdings bereits 1664 verstarb, ebd., 173. Vgl. auch W. Kühlmann, Addenda, 1990. 89 T. Bürger, Briefwechsel, 1984, 151. 90 GVUL 10, 1735, 634–635. Spener stand seit 1675 mit ihm in Briefkontakt, s. P. J. Spener, Briefe 3, 2000, 862–864, ep. 187, 9.8.1678; vgl. auch M. Brecht, Spener, 1993, 313; W. Sommer, Hofprediger, 1999, 85–89; J. Wallmann, Geier, 2000. In seiner Schrift Erzehlung, 1697, 18, 54, äußerte sich Spener ebenfalls anerkennend über ihn. Die Unschuldigen Nachrichten druckten unkommentiert zwei Briefe und ein Gebet Geiers ab, eine Verfahrensweise, die auf eine völlige Übereinstimmung mit den Worten dieses Autors schließen lässt: 1728, 720–723; 1729, 211–213, 588–591.
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1669. Diese Erinnerung J. E. Petersens könnte bedeuten, dass sie sich von Wiesenburg aus an die drei genannten Theologen in Briefen wandte; sie könnte jedoch auch versucht haben, ihre Fragen durch Übermittler vortragen zu lassen.91 Wie allerdings dieser Personenkreis zustande kam und in welcher Weise ihre Fragen an die Genannten gelangten, lässt sich bisher nicht genauer rekonstruieren, da keine Zeugnisse für direkte Verbindungen vorliegen.92 Keiner dieser drei Theologen war als Experte für die Deutung religiöser Trauminhalte bekannt, wenn auch in Speners Werk die Stellungnahme zu neuen Offenbarungen, die sich auch in Form von Träumen äußerten, eine gewichtige Rolle spielte. In ihrer Autobiographie beendet die Autorin den Bericht über diesen Traum mit folgender Bemerkung, ohne dabei jedoch Namen zu nennen: »Von unterschiedlichen Geist=reichen Lehrern, denen ich diesen Traum dazumal erzehlet, ward ich versichert, daß es ein göttlicher Traum gewesen.«93 Von der Korrespondenz mit Spener aus den Jahren 1672 bis 1674 sind leider nur seine Briefe erhalten, aus denen ein regelmäßiger und dichter Austausch erschlossen werden kann. An den jeweiligen Anredeformen lassen sich gegenseitige Erwartungen und Einschätzungen ablesen. Die Wiesenburger Hofjungfer muss dem Frankfurter Geistlichen die Anrede »Vater« entgegengebracht haben, denn Spener äußerte sich zu diesem Beziehungsaspekt.94 Der Korrespondenzpartner wollte sie nicht »Tochter«, sondern »Schwester« nennen und begründete dieses damit, dass er ihr keine »väterliche wohlthat« erwiesen habe.95 Beide seien sie mit anderen zusammen Brüder und Schwestern. In einem weiteren Brief ging Spener noch einmal auf dieses Thema ein und zeigte sich bereit, die Vateranrede nur in Hinsicht auf sein geistliches Amt anzunehmen. Ihr persönlich gegenüber sei er kein Vater, da er zu ihrer Wiedergeburt nicht beigetragen habe. »Indessen würde ich mich schämen, als offt ich sie tochter nennen würde, weil ich deroselben vaters treue zu erweisen nicht vermöge, noch je vermocht habe«.96 Von seiner Seite aus blieb es bei der Anrede als Schwester.97 Diese brieflichen Anredeformen beleuchten, dass 91 Als Vermutung ist hierbei auch in Betracht zu ziehen, dass der Name J. E. von Merlaus in diesem Kontext gar nicht auftauchte, sondern an die Geistlichen nur allgemeine bzw. anonymisierte Fragen in Bezug auf Träume und deren Deutung herangetragen wurden. 92 Vielleicht spielte der Wiesenburger Hofprediger J. J. Schwenck eine Rolle bei der Vermittlung dieser Verbindungen. 93 J. E. Petersen, Leben, 1718, 38. 94 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 270; hier galt die Vater-Bezeichnung J. J. Schütz. 95 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 593, ep. 147. Auch seine aus der Frankfurter Zeit vertraute Korrespondenzpartnerin A. E. Kißner spricht Spener als Schwester an, s. A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 259, 261, 282, 296; ders., Berliner Briefe, 1935, 136, 140, 149. 96 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 609, ep. 152. 97 Ebd., 594, 610f, 632, 633–635, 667, 669, 762, 763f, 766f, 727f, 769, 841f, 844, 858f, Vgl. auch ders., Briefe 2, 1996, 387, ep. 84, 27.5.1676. Der Briefwechsel zwischen Spener und A. H. Francke wirft ein bezeichnendes Licht auf die Anredeformen: Francke sprach Spener kontinuier-
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J. E. von Merlau allem Anschein nach in dem Frankfurter Geistlichen zunächst einen Vater und Mentor suchte. Spener dagegen betrachtete sie von Anfang an als eine geistliche Gesprächspartnerin, die ihm als bereits Wiedergeborene begegnet war. Diese Aussagen Speners umkreisen noch einmal die Lücke in der bisherigen Rekonstruktion des Lebensweges, dass nämlich J. E. von Merlau schon vor der Begegnung mit Spener eine Frömmigkeit gepflegt haben muss, die der Speners verwandt erschien. Ob bereits in diesen Jahren über Arndt hinaus eine intensivere Beschäftigung mit mystischem Gedankengut stattfand, läßt sich nicht nachweisen. Für die Frankfurter Zeit gibt es dann nähere Hinweise darauf. Gerade im Vergleich mit den zeitgleichen Schreiben Speners an die Wiesenburger Prinzessin Sophie Elisabeth werden die unterschiedlichen Akzente deutlich.98 Auf der einen Seite bestimmen konventionelle Höflichkeitsformeln gegenüber einer fürstlichen Person den Tenor, auf der anderen Seite spricht aus Speners Worten ein Vertreter des geistlichen Standes, der einer Laiin erbauliche Ratschläge erteilt. Die Anrede als Schwester wäre hier vollkommen unangemessen. Auch wenn z. T. gleiche Themen angeschnitten werden, so unterscheiden sich die Schreiben an die beiden Wiesenburger Empfängerinnen doch erheblich voneinander.99 Aus Speners Briefen an J. E. von Merlau lassen sich die Inhalte der Korrespondenz in groben Umrissen erschließen. Beide müssen sich einig gewesen sein in ihren Klagen über den betrüblichen Zustand der Kirche.100 In einem seiner Schreiben antwortet der Frankfurter Senior auf eine Frage, die die Gegenwart Christi in den Abendmahlselementen betrifft.101 Das Problem der Teilnahme von Unwürdigen am Abendmahl wird ebenfalls berührt.102 J. E. von Merlau scheint Spener ein Manuskript zugeschickt zu haben mit der Bitte um Stellungnahme. Spener verweist auf ein – leider nicht überliefertes – Extrablatt, auf dem er »etliches bemercket, so nach unserer kirchen aus göttlichem wort geflossener bekäntnüß einiger änderung und erleuterung bedarff«.103 In einem Brief vom Dezember 1674 klingen bei Spener erste Anzeichen seiner Hoffnung baldiger besserer Zeiten für die Kirche an: »Ach
lich als Vater an und nannte sich selbst Sohn; Spener hingegen verwendete die Anrede Freund und Bruder, s. G. Kramer, Beiträge, 1861, 196–204f, 223, 238f, 293, 311f, 338. 98 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 554–560, 636–639. 99 So empfiehlt Spener der Prinzessin Sophie Elisabeth, das apostolische Glaubensbekenntnis täglich zu meditieren und gibt dazu genaue Anweisungen, ebd., 557–559. Er geht nicht auf theologische Detailfragen ein wie gegenüber J. E. von Merlau. Dieser Briefwechsel wurde auch nach dem Weggang J. E. von Merlaus von Wiesenburg weitergeführt, s. P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 391–394, ep. 85, 1676 100 Vgl. ebd., ep. 147, 594f; ep. 152, 610. 101 Ebd., ep. 152, 611. 102 Ebd., ep. 165, 667. 103 Ebd., ep. 165, 667.
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solte dieses das jahr seyn, da GOtt wolte lassen anfangen die jenigen frühlings tage anbrechen, welche wir noch vor den letzten trübsalen und darauff folgenden neuen sommer warten!«104 Gerade darin, dass Spener dieser Gesprächspartnerin seine auf die Zukunft bezogenen Überlegungen anvertraute, liegt vielleicht ein Hinweis auf die besondere Nähe, die beide füreinander empfunden haben müssen. Während der Wiesenburger Zeit war J. E. von Merlau für einige Jahre mit einem standesgemäßen Bewerber verlobt, nämlich mit dem Sohn des sächsischen Oberstleutnants von Brettwitz. Dieser stand in militärischen Diensten als Kornett.105 Die Autobiographin schildert die mit dieser Verlobung zusammenhängenden Ereignisse in düsteren Farben, da sie nach ihren Angaben feststellen musste, dass von Brettwitz sein Leben »nicht in der Gottseligkeit/ sondern nach der Welt« führte.106 Die Lösung der Verbindung geschah auf Wunsch des Bewerbers, allerdings erst nach einigen unerfreulichen Geschehnissen.107 In ihrem autobiographischen Rückblick berichtet J. E. Petersen kurz von einem weiteren Heiratsantrag, den ein Geistlicher ihr machte, »so in vornehmen Amte stund«.108 Bei diesem Geistlichen handelte es sich um Johann Winckler (1642–1705), der mit J. E. von Merlau durch mehrere Bezüge verbunden war.109 Ein Jahr lang, von April 1668 bis April 1669, hielt er sich als Informator der beiden herzöglichen Söhne Carl Ludwig (1654–1690) und Wilhelm Christian (geb. 1661) auf der Wiesenburg auf.110 Eventuell hat beide bereits in dieser Zeit eine ähnliche Frömmigkeitsrichtung verbunden. Ebensowenig wie für J. E. Petersen lässt sich für J. Winckler genau nachweisen, wann er zuerst mit pietistischen Impulsen in Berührung kam; jedenfalls gehörte er später zu den treuesten Freunden Speners und zu den Verfechtern eines kirchlich gemäßigten Pietismus. Die erste Frau des mittlerweile im hessischen Braubach amtierenden Geistlichen, die 1673 verstarb, Elisabeth von Lindau, war mit J. E. von Merlau verwandt.111 104 Ebd., ep., 213, 858f. 105 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 258. Seine Laufbahn und damit die Voraussetzung einer standesgemäßen Ehe waren bereits geplant: »Er sollte aber ein Jahr hinaus ziehen/ als Cornett/ und denn solte er des Vaters Compagny haben/ so im Lande still lag«. Der Rang des Kornetts »ist der niedrigste von denen Ober=Officiers bey der Cavallerie, und so viel als ein Fähndrich bey der Infanterie«, GVUL 6, 1733, 1315. 106 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 259. 107 Ebd., 263. 108 Ebd., 266. 109 Den von Caspar Büssing edierten Trauertexten zum Tode Wincklers im Jahr 1705 ist ein Lebenslauf beigefügt, Johann Winckler, 1705, 32–35. Zu Winckler s. ferner AGL 4, 1751, 2008f; J. Geffcken, Winckler, 1861; W. Jensen, Hamburgische Kirche, 1958; F. Hammer/H. v. Schade, Pastoren 1, 1995, 207; C. Tietz, Winckler, 2004. 110 Am 21.4.1669 traf er mit dem älteren der beiden Söhne in Tübingen ein, um ihn während seines Studiums dort zu begleiten. 1672 endete die Zeit Wincklers in Diensten der herzoglichen Familie, vgl. C. Tietz, Winckler, 2004, 49–52. 111 C. Tietz, Winckler, 2004, 110–115; P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 675. In J. E. Petersens
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Zwei Briefe Speners, die in den Juni und Oktober 1674 datiert werden können, gehen ausführlich auf diesen zweiten Heiratsantrag und den Prozess der Entscheidungsfindung ein. Spener betonte, dass er bei Winckler »keine einige fleischliche absicht« wahrnehmen könne, sondern »vielmehr die hertzlich begierde, eine person von dem lieben GOTT zur gehülffin zu haben«. Er vermutet, dass beide sich in der »geistlichen erbauung« unterstützen könnten.112 Als größtes Hindernis ist ihm von Seiten J. E. von Merlaus dagegen bekannt, »daß bißher dieselbe zu heurathen keine anmuth gehabt«.113 Insgesamt sieht Spener sowohl Gründe, die für als auch solche, die gegen eine Ehe sprechen. Die Verpflichtungen des Ehelebens können von »betrachtungen und übungen«, die einer gewissen Ruhe und Einsamkeit bedürfen, abhalten; auf der anderen Seite sei die Ehe eine »mehrere schule der gedult«, die er positiv bewertet.114 Der Frankfurter Senior empfiehlt, die Entscheidung dem Vater zu überlassen, »der allein ihr von GOTT vor itzo in diesen dingen vorgesetzet«. Als einer frommen Tochter gebühre es ihr dann, dessen Willen zu befolgen.115 Nach der Ablehnung des Vaters Georg Adolph von Merlau116 geht der Briefschreiber Spener noch einmal auf das nun negativ beschiedene Heiratsprojekt ein. Er lobt an seiner Korrespondenzpartnerin, dass sie bereit gewesen sei, trotz ihrer Vorliebe für den ledigen Stand117 in eine Ehe einzuwilligen. Briefen an Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz wird ebenfalls eine Frau Lindauin erwähnt, ep. 2, 20.3.1678, s. M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 79. Nach dem Scheitern seines Antrages an J. E. von Merlau heiratete Winckler 1674 Johanna Kugelmann, s. C. Büssing, Johann Winckler, 1705, 34. Von Hamburg aus, wohin er 1684 berufen wurde, verfolgte Winckler die weitere Entwicklung der Petersen. Zu Wincklers Hamburger Wirksamkeit s. J. Geffcken, Winckler, 1861. Winckler bemühte sich 1688 darum, J. W. Petersen für eine Berufung nach Hamburg zu gewinnen, s. M. Matthias, Petersen, 1993, 199. 112 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 763, ep. 189. 113 Ebd., 765. 114 Ebd., 766. Unter Bezugnahme auf diese Briefe sprach P. Grünberg, Spener 2, 1905, 210f, davon, dass Spener von Zeitgenossen vorgehalten wurde, »daß er den ehelichen Stand mißachte«. Er betont hingegen, dass Spener einer »individuellen Berechtigung der freiwilligen Ehelosigkeit auch auf evangelischem Boden« einen Platz einzuräumen versuchte, ebd., 212. 115 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 768. 116 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 267. Die Gründe des Vaters werden nicht genannt, können aber darin vermutet werden, dass J. Winckler nicht dem Adel angehörte. 117 Biographisch lässt sich nicht weiter erhellen, wie es zu dieser Hochschätzung eines ehelosen Lebens bei J. E. Petersen kam. Für den späteren Pietismus lassen sich etliche Motive erkennen. Hier wirkten sich unterschiedliche Einflüsse zu einer Neubewertung von Ehe und Ehelosigkeit aus. Neben der Sophia-Mystik, die von Männern und Frauen ein enthaltsames, möglichst zurückgezogenes Leben im Dienste der göttlichen Weisheit forderte, kam es vor allem durch G. Arnolds kirchengeschichtliche Arbeiten zu einer Neuorientierung am Ideal des Urchristentums. Die altkirchlichen Einsiedler galten Arnold als Vorbilder wahrer christlicher Nachfolge. In Ephrata/Pennsylvanien entstand zu Beginn des 18. Jh. eine Gemeinschaft mit klosterähnlichen Strukturen, die diese Anstöße in die Praxis umsetzte, s. E. G. Alderfer, Ephrata, 1985; P. C. Erb, Beissel, 1985; A. G. Roeber, Pietismus in Nordamerika, 1995, 678; s. ferner E. Benz, Thebais, 1963.
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Spener deutet alle Geschehnisse, die mit dem Wincklerschen Antrag zusammenhängen, als göttliches Eingreifen. Er schreibt an J. E. von Merlau: »da sie nun ihre sonsten so angenehme freyheit des ledigen standes und dessen viele süßigkeit dem HErren zu gehorsamen willig hingeben will, so kehrets GOtt üm«.118 Die Autobiographin verbucht all diese Verwicklungen als »heilsame Prüfungen«, um »in die Gelassenheit Gottes einzukehren.«119 J. E. von Merlau blieb bis 1680 ledig, von weiteren Heiratsanträgen ist nichts bekannt.120 Die Beendigung der Wiesenburger Jahre erfolgte nach der autobiographischen Erinnerung durch das Eingreifen des leiblichen Vaters, dieser brauchte die Tochter für den eigenen Haushalt: Georg Adolph von Merlau hatte nämlich wieder geheiratet, seine Ehefrau war »im Kind=Bette« verstorben, und das Neugeborene musste versorgt werden. Als das Kind noch vor der Ankunft J. E. von Merlaus ebenfalls starb, begab sich der Vater als Hofmeister nach Philippseck.121 Eventuell bestand für J. E. von Merlau jedoch auch aus anderen Gründen ein Interesse daran, das Dienstverhältnis in Wiesenburg zu beenden. Denn das Jahr 1675 bedeutete einen großen Einschnitt in den dortigen Verhältnissen: Herzog Philipp Ludwig übergab die Herrschaft an seinen ältesten Sohn Friedrich (geb. 1652) und zog sich nach Schneeberg zurück, wo er auch verstarb.122 Über den Verbleib der Herzogin lässt sich nichts ermitteln. Das Wiesenburger Kirchenbuch enthält eine Notiz, wonach nicht erst der Enkel, Herzog Leopold, 1725 zum Katholizismus konvertierte, sondern bereits Her118 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 844, ep. 209. 119 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 267. 120 Während J. E. Petersen noch heiratete, blieb Benigna Marie von Reuß-Ebersdorf († 1751), die älteste Schwester von Erdmuthe Dorothea von Zinzendorf, aus religiösen Gründen ehelos, s. M. Jung, Frauen, 1998, 47. Susanne Eleonore von Koseritz (1670–1717) heiratete nicht, um nach ihrem pietistischen Verständnis Gott besser dienen zu können, s. E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 1, 1722, 265. Pietistisch motiviert scheint ebenfalls die Ehelosigkeit bei Heinrich Julius Elers (1667–1728), einem Mitarbeiter A. H. Franckes, zu sein, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 155f; J. Böhme, Elers, 1956; M. Brecht, Francke, 1993, 484. Ähnliches gilt für einen weiteren Mitarbeiter der Hallenser Anstalten, Georg Heinrich Neubauer (1666–1726), ebd., 477. Der Hallenser Christian Friedrich Richter (1676–1711) hingegen legte ein Versprechen der Ehelosigkeit ab, das mit seiner Sophialehre motiviert war, heiratete dann jedoch 1707, ebd., 488f. Zu Richter s. auch E. Altmann, Richter, 1972, 37f, 112, 177, 180f. Altmann unterstreicht die Rolle der Sophia in den Liedern Richters, worin er einen Einfluss Arnolds sieht. Auch G. Arnolds Schrift Sophia, 1700, konnte als Bekenntnis zur asketischen Ehelosigkeit verstanden werden; kurz nach der Veröffentlichung, 1701, heiratete er jedoch, s. R. Albrecht, Erkenntnis Gottes, 1991, 102–111. Unverheiratet blieb auch der Pietist J. F. von Blanckensee, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 129. Zu männlichen Pietisten in Württemberg, die ehelos blieben, s. C. Köhle-Hezinger, Frauen, 1994, 116. 121 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 280. 122 F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, 8f. Er wohnte in einem der Häuser Hans Veit Schnorrs, einem heute noch erhaltenen herrschaftlichen Stadthaus, M. Titze, Schnorr von Carolsfeld, 1993, 9. Sein Tod ist im Schneeberger Kirchenbuch eingetragen, Archiv Nr. 68, April 1689, Nr. 61. Er verstarb am 10.3. und wurde mit großer Feierlichkeit am 10.4.1689 in Kirchberg beigesetzt. Auch diese Eintragung deutet darauf hin, dass es keinen Kontakt mehr zu Wiesenburg gab.
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zog Friedrich.123 Auch das Ende der Amtszeit des ersten Hofpredigers deutet auf eine gravierende Veränderung der kirchlichen Verhältnisse Wiesenburgs hin. Für J. E. Petersen sind keine direkten Kontakte nach Wiesenburg mehr überliefert.124 J. E. Petersen beschreibt das Ende ihres Hofdienstes sowie auch die Beendigung ihrer Beanspruchung durch den Vater mit dem Wort »Freyheit«;125 sie konnte jetzt einen Aufenthaltsort und Lebensstil durchsetzen, der ihren eigenen Wünschen zutiefst entsprach. Fast 20 Jahre ihres Lebens hatte sie an kleinen Adelshöfen in einer dienenden Funktion verbracht, im Alter von 31 Jahren zog sie auf eigenen Wunsch nach Frankfurt am Main. Der Vater muss ihre Entscheidung, nicht in den Hofdienst zurückzukehren, gebilligt haben, da ihm juristisch gesehen die Entscheidungsgewalt über seine nicht verheiratete Tochter zustand.126 Frankfu rterJahre
3. Frankfurter Jahre Während J. E. von Merlau im sächsischen Wiesenburg in einer untergeordneten Position einer herzoglichen Familie diente, gewann sie in den Frankfurter Jahren große Selbstständigkeit. Entscheidende Konturen ihrer Persönlichkeit und ihrer theologischen Anschauungen haben sich in diesen Jahren geformt, die auch über diese Phase hinaus ihre Biographie in grundlegender Weise prägen sollten. 123 Wiesenburger Kirchenbuch, 1675, Nachtrag, 161–165, vom 5.10.1741 des Schönauer Pfarrers Michael Ehrenfried Krause (1689–1761). Zu Krause s. R. Grünberg, Sächsisches Pfarrerbuch 1, 1940, 467. Zur Konversion Herzog Leopolds s. F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, 12–14: er hielt sich vornehmlich in Wien auf und verkaufte 1725 Wiesenburg an Sachsen. Als Gesamturteil über die Herzöge von Holstein-Sonderburg in Wiesenburg schreibt O’Byrn, ebd., 14: »im Ganzen kein glückliches Bild; nur der erste Besitzer zeigte Interesse für Förderung des Wohlstandes in seinem Besitztum, und das auch vornehmlich in der bergmännischen Branche. Herzog Friedrich tritt nirgends energisch handelnd hervor; eine Prachtliebe, die nicht im Verhältnisse zu seinem Einkommen stand, führte das Haus dem Ruine entgegen«. 124 So scheint zwischen ihr und der in Wiesenburg geborenen Herzogstochter Magdalene Sophie (1664–1720) keine weitere Verbindung bestanden zu haben. Diese wurde 1685 Pröpstin des Stiftes Quedlinburg, konvertierte allerdings 1699 ebenfalls zum Katholizismus und ging in ein österreichisches Kloster, s. F. A. O’Byrn, Herzöge, 1881, 10f. 1688 besuchte sie als Stiftspröbstin ihren Vater in Schneeberg und ließ in der dortigen Kirche ein Türkenmädchen taufen. Auch dieses Faktum weist auf gravierende Veränderungen in Wiesenburg hin, s. C. Lehmann, Chronik 2, 1838, 106. J. E. Petersen hielt allein an der Verbindung zu Sophie Elisabeth von Holstein-Sonderburg fest, die allerdings 1676 Wiesenburg verlassen hatte; zu dem Briefwechsel der Jahre 1678–1684 s. M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996. 125 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 280. 126 Zur rechtlichen Abhängigkeit von Frauen in der Frühen Neuzeit s. H. Wunder, Herrschaft, 1997, 30–32.
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Vom Frühjahr 1675 bis zum Herbst 1680 lebte J. E. von Merlau in der europäischen Handelsmetropole Frankfurt127 und bewegte sich in diesen Jahren im Zentrum pietistischer und radikalpietistischer Strömungen.128 P. J. Spener und J. J. Schütz waren dabei ihre wichtigsten Bezugspartner, die sowohl die Idee des Umzugs beeinflussten als auch ihr Kontaktnetz am neuen Wohnort mitprägten. Spener kam insofern eine entscheidende Rolle für die Umsiedlung nach Frankfurt zu,129 als er der Wiesenburger Hofjungfer die Bekanntschaft mit der Frankfurter Witwe Maria Juliana Baur von Eyseneck vermittelt hatte, die J. E. von Merlau in der freien Reichsstadt Wohnung und familiären Anschluss bot. In seinem Brief vom Dezember 1674 berichtete der Frankfurter Senior nach Wiesenburg über die »gottselige witbe«, der er Passagen aus J. E. von Merlaus Schreiben vorgelesen hatte. Er brachte seinen Wunsch zum Ausdruck, dass die beiden Frauen sich kennen lernen möchten, und verband damit die Hoffnung, dass die Jüngere die nur um wenige Jahre ältere Witwe trösten möge.130 Maria Juliana Baur von Eyseneck, geb. von Hynsperg, die zum Frankfurter Patriziat gehörte, war am 19.8.1641 in dieser Stadt geboren worden und verstarb dort am 18.4.1684.131 Ihr Ehegatte, Johann Vincenz Baur von Eyseneck, der ebenfalls einer Frankfurter Patrizierfamilie entstammte, war 1672 gestorben.132 Aus dieser 1665 geschlossenen Ehe gingen drei Kinder hervor, zwei Söhne und eine Tochter. Ein weiteres Kind, nach dem Tod des Vaters gebo127 Zur Stadtgeschichte Frankfurts im 16./17. Jh. s. A. Schindling, Wachstum, 1991; zu einer Beschreibung Frankfurts als Handelsmetropole aus dem Jahr 1708 s. I. Schrattenecker, Deutsche Reise, 1999, 73–87. 128 Vgl. hierzu M. Friedrich, Frankfurt, 2000. Eine Skizze der im Frankfurter Pietismus bedeutenden Frauengestalten gibt J. Taege-Bizer, Weibsbilder, 1998. 129 Nach J. W. Petersens Darstellung in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 19, waren Spener und Schütz diejenigen Personen, um deren Freundschaft willen seine spätere Frau nach Frankfurt zog. 130 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 859. 131 Ihre Biographie wurde sowohl bei G. Arnold, Leben der Gläubigen, 1701, 1121–1143, als auch bei J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen III, 1701, 112–123, abgedruckt. Vorlage hierfür war die Leichenpredigt, die mehrere Auflagen erlebte, s. F. Lerner, Frankfurter Leichenpredigten, 1975, 269; J. Wallmann, Rezension, 1991, 336, geht davon aus, dass die bei Reitz abgedruckte Biographie auf J. J. Schütz zurückgeht. Vgl. ferner H. Körner, Frankfurter Patrizier, 1971, 248–250: Die Familie von Hynsperg war seit 1458 in Frankfurt ansässig; der Vater Achilles von Hynsperg (1605–1650) hatte u. a. die Funktionen als Ratsherr, Jüngerer Bürgermeister und Schöffe inne. Sowohl die Familie von Hynsperg als auch Baur von Eyseneck waren Mitglieder der ältesten und bedeutendsten Frankfurter Patriziergesellschaft Alten-Limpurg, die sich gegen Ende des 17. Jh. aus 19 Familien rekrutierte, s. G. L. Soliday, Community in Conflict, 1974, 80. Vgl. auch J. Taege-Bizer, Weibsbilder, 1998, 131–133. 132 Zu den Lebensdaten s. H. Körner, Frankfurter Patrizier, 1971, 249; die Familie Baur von Eyseneck kam in der Mitte des 16. Jh. aus Wien nach Frankfurt und wurde 1614 geadelt, ebd., 248.
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ren, starb kurz nach der Geburt.133 Philipp Jakob Spener war mit Johann Vincenz Baur von Eyseneck seit der gemeinsamen Studienzeit in Genf befreundet. Er beklagte nach dessen Tod den Verlust eines treuen Freundes und hob dessen »liebe zum Göttlichen wort« sowie die ausgiebige Lektüre von Johann Arndts Wahrem Christentum hervor.134 Der Verstorbene habe sich »als ein haußpriester« um die Erbauung seiner »haußgenossen« bemüht.135 Der Witwe widmete Spener 1673 seine Drey Christlichen Predigten von Versuchungen und sprach von der Frau seines Freundes »als einer in unterschiedlichen stücken erfahrnen und wahren Christin«. Er eignete ihr seine Veröffentlichung zu, weil sie diese Predigten »vor andern zu verstehen fähig ist/ und ohne das mit geistlichen materien/ davon zu hören/ zu lesen und zu reden/ gern umgehet«.136 Spener lobte das Ehepaar als Musterbeispiel christlicher Tugendhaftigkeit: an dem ernsthaften täglichen Bemühen der nun Verwitweten um die Heiligung habe »deroselben geliebtester Ehe=Herr/ da sie beysammen gewohnet/ gutes exempel genommen/ als sie auch damahl und jetzt sein exempel gleicher massen vor augen hat«.137 In ihrem autobiographischen Rückblick beschrieb J. E. Petersen das Zusammenleben mit der Frankfurter Patrizierin, zu der sie sich mit einer Magd »in die Kost . . . begeben« hatte,138 als innige Freundschaft. Wenn dabei ein Vers aus der Apostelgeschichte zitiert wird, dass beide »ein Hertz und eine Seele« (Apg 4,32) gewesen seien, dann wird damit das Zusammenleben als ideale Gemeinschaft nach dem Vorbild der urchristlichen Gemeinde hingestellt.139 In mancher Hinsicht lässt sich der Lebensweg von Anna Magdalena von Wurm zum Vergleich heranziehen, die als Vollwaise nach Quedlinburg zur Familie von Stammer übersiedelte.140 Die pietistische Gesinnungsgemein133 G. Arnold, Leben der Gläubigen, 1701, 1122. 134 P. J. Spener, Drey Christliche Predigten, 1712, Vorrede, 17. 135 Ebd., 18f. 136 Ebd., 27f. 137 Ebd., 26. 138 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 280; die Information über die Magd stammt von P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 179. Eine ähnliche Formulierung begegnet bei Anna Magdalena von Wurm, die nach dem Tod von Vater und Mutter damit rechnete, das elterliche Anwesen in Klein-Furra bei Nordhausen verlassen zu müssen. Am 13.9.1693 schrieb sie an A. H. Francke: »Nun wird es zwar von mir heißen, gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft, und aus deines Vaters Hause; denn ich werde an einem andern Ort mich in die Kost verdingen müssen«, zit. bei G. Kramer, Neue Beiträge, 1875, 20. Beata Sturm begab sich nach dem Tod ihrer Eltern »in die Kost« zu einem Freund ihres Vaters nach Blaubeuren und blieb dort zwei Jahre, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 167. 139 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 281. Auch Spener betonte das herzliche Einvernehmen beider Frauen, s. Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 179. Im Hinblick auf seinen Berliner Kollegen Johann Caspar Schade (1660–1698) spricht er davon, dass sie beide miteinander »als ein Herz leben« könnten, s. A. Nebe, Berliner Briefe, 1935, 124. 140 Vgl. G. Kramer, Beiträge, 1861, 311. Den Kontakt zwischen A. M. von Wurm und der
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schaft bildete auch hier die Grundlage für das Zusammenleben, wobei anscheinend familiäre Strukturen nachgebildet wurden.141 Bisher liegen keine Untersuchungen darüber vor, ob das gemeinsame Leben der beiden Frauen in Frankfurt sich an bereits existierenden ähnlichen Modellen ausrichtete.142 Die im frühen Pietismus sehr stark hervortretende Orientierung an Idealen des Urchristentums käme hierfür in Frage, denn vor der Phase der ersten Klostergründungen verwirklichten vor allem unverheiratete und verwitwete Frauen ihr asketisches Leben zunächst im Kontext familiärer Strukturen.143 Die juristischen Bestimmungen und die gesellschaftlichen Konventionen der Frühen Neuzeit erlaubten einer verwitweten Frau, einen Haushalt selbstständig weiterzuführen; J. E. von Merlau dagegen wäre kaum in der Lage gewesen, sich ohne familiäre Anbindung in der freien Reichsstadt niederzulassen.144 Obzwar sie nicht dem städtischen Patriziat entstammte, waren ihr durch die geistlich-familiäre Verbindung mit J. M. Baur von Eyseneck die Wege in diese Gesellschaftsschicht geebnet.145 Durch die pietistischen Aktivitäten knüpften die beiden Frauen Kontakte, die über diesen Rahmen hinausreichten. So gehörten Geistliche, Juristen, zum pietistischen Zentrum Quedlinburgs gehörenden Frau von Stammer hatte A. H. Francke vermittelt, s. G. Kramer, Francke 1, 1880, 132f. Zur pietistischen Scene in dieser Stadt s. M. Schulz, Sprögel, 1974. 141 So bezeichnete A. M. von Wurm ihre Gastgeberin als »Mama«, s. G. Kramer, Neue Beiträge, 1875, 26f, 29–31, 33, 36f. Als »Papa« wurde nicht der Stiftshauptmann von Stammer, sondern der Oberhofprediger Justus Lüders tituliert, s. ebd., 33. Die junge Adlige blieb allerdings nur wenige Monate in Quedlinburg, da sie bereits 1694 die Ehefrau A. H. Franckes wurde, s. G. Kramer, Francke 1, 1880, 135. 142 Die Frankfurter Patrizierin Justine Katharina Stefan von Cronstetten (1677–1766) stiftete 1753 ihr Elternhaus für unverheiratete oder verwitwete Frauen des Frankfurter Patriziats. Diese Entscheidung war jedoch nicht pietistisch motiviert, sondern beruhte auf der Erfahrung einer Entführung, nach der sie ehelos blieb, s. H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 184. Diese Stiftung hatte den Charakter eines evangelischen Damenklosters mit einer einheitlichen Tracht, s. B. Müller, Stiftungen, 1978, 345. Der 1753 von der Stifterin eingesetzte Testamentsvollstrecker war Heinrich Ludwig von Lersner (1703–1785), der mit der Familie Baur von Eyseneck verwandt war, W. Bingsohn, Lersner, 1994, 454. 143 Vgl. G. Petersen-Szemerédy, Asketinnen, 1993. 144 Auf die Problematik unverheirateter Frauen reagierte die in Halle vorgenommene Einrichtung des Gynaeceums, das neben der Erziehung von Mädchen und Waisen ausdrücklich einen Ort für diese Personengruppe anbieten wollte. Sowohl Frauen adliger als auch bürgerlicher Herkunft konnten aufgenommen werden; die Möglichkeit einer späteren Eheschließung blieb ihnen freigestellt, s. hierzu U. Witt, Bekehrung, 1996, 101–149. Das 1703 in Altenburg errichtete Magdalenenstift entstand zielgerichtet für unverheiratete Töchter adliger Familien, s. G. Kramer, Francke 2, 1882, 18–25. Dieser gesamte Komplex bedarf dringend einer Aufarbeitung, in die die nach der Reformation weiter existierenden Damenstifte einbezogen werden müssen. Erste Ansätze dazu liegen vor bei: K. Andermann, Geistliches Leben, 1998; L. Koch, Protestantische Damenstifte, 1998. 145 H. Greuners Ausführungen, Rangverhältnisse, 1956, über die sozialen Abstufungen innerhalb des Frankfurter Bürgertums müssen angesichts des heutigen Standards sozialgeschichtlicher Fragestellungen als kaum aussagekräftig gelten.
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Ärzte und deren Familien sowie Studenten zu ihrem Bekannten- und Freundeskreis. Eventuell waren auch die Hausbediensteten wie die Magd J. E. von Merlaus in die pietistischen Überschreitungen der Standesgrenzen einbezogen.146 In Frankfurt war J. E. von Merlau zudem in räumlicher Nähe zu ihrem Vater und zu ihren beiden Schwestern, die in Hanau147 und Praunheim wohnten. Gegenüber ihrer alten Herrschaft, die ihr die Stellung einer Hofmeisterin anbot, begründete sie die Notwendigkeit, in der Main-Metropole zu bleiben, damit, »daß ich müste die Auffsicht auff des Vaters Güter haben/ und offt da gegenwärtig seyn«.148 Neben diesen familiären Verpflichtungen widmete sie ihre Zeit und Aufmerksamkeit der Verbreitung und Stärkung pietistischer Frömmigkeit. Ein Jahr nach dem Beginn der Wohn- und Lebensgemeinschaft der beiden Frauen beschrieb Spener deren Zusammenleben als geradezu ideale Verwirklichung christlicher Schwesternschaft. J. E. von Merlau habe durch »ihre freudigkeit des geistes« die Witwe aus deren Schwermut herausgeführt. »Wie sie nun beyde ihr einiges hauptwerck seyn lassen, dem geistlichen abzuwarten, also seynd ihre stättige gespräch auch unter aller arbeit (darinnen sie nicht weniger fleißig seynd) allein von göttlichen dingen, sich unter sich selbs und andere, die umb sie seynd, mehr und mehr in GOTT zustärcken und zuerbauen.«149 Als J. E. von Merlau in den Saalhof zog, lebte J. M. Baur von Eyseneck dort mit ihren drei Kindern, die zwischen fünf und sieben Jahre alt waren.150 Zu dieser Wohn- und Lebensgemeinschaft kam eine achtjährige Nichte J. E. von Merlaus hinzu, die auf Wunsch ihrer Mutter, nachdem diese die Erziehungsbemühungen der »Fr. Bauerin« kennen gelernt hatte, dort »christlich auferzogen werden« sollte.151 Die beiden Frauen beschränkten sich jedoch nicht auf 146 Über die nur kurz erwähnte Magd ist nichts Näheres bekannt. Die von R. Habermas, Frauen und Männer, 1992, untersuchten konfliktträchtigen Geschlechterbeziehungen im Frankfurt der Frühen Neuzeit beruhen auf gerichtlichen Auseinandersetzungen. Frauen des Adels kommen in diesen Untersuchungen nicht vor. 147 Eine ausführliche Schilderung des autobiographischen Rückblicks nimmt seinen Ausgangspunkt bei einer Schifffahrt mit dem Markt-Schiff nach Hanau, um die dort mit dem Hofmeister von Dornfelden verheiratete Schwester zu besuchen, s. J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 281ff. 148 Ebd., 284. 149 P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 387, ep. 84, 27.5.1676; dieses Schreiben war an die Rostocker Witwe Anna Sophia von Voss gerichtet, der Spener den tröstlichen Umgang mit den beiden Frankfurterinnen wünschte. Seine Einschätzung der Beziehungsstruktur kommt auch darin zum Ausdruck, dass er an J. W. Petersen Grüße von J. E. von Merlau und deren Gefährtin (»eius compare«) bestellte, ebd., 463, ep. 96, 1676. Vgl. auch Speners positive Wertung dieser FrauenFreundschaft in Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 179. 150 Zu den Kindern s. H. Körner, Frankfurter Patrizier, 1971, 249. 151 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 285; diese Nichte mit Namen Anna Elisabeth Eleonora Magdalena war die Tochter der mittleren Schwester J. E. von Merlaus, die 1665 Johann Heinrich Wilhelm von Praunheim geheiratet hatte, ebd., 245, 285; s. auch M. Matthias, Petersen, 1993, 81.
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die häusliche Erziehung der nunmehr vier Kinder, sondern sie boten darüber hinaus eine Art von Unterricht an, der weitere Kinder einbezog. Täglich sammelten sich bei ihnen 10 bis 12 Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren.152 Unter diesen befanden sich auch zwei Töchter Speners.153 Dieser beschrieb das Projekt so, dass die Verantwortung dafür bei J. M. Baur von Eyseneck läge, die zu ihren eigenen Kindern noch die Mädchen befreundeter Familien aufgenommen habe, und dass J. E. von Merlau als »mitaufsicht« tätig sei.154 Die Mädchen übten Handarbeiten155 ein und lernten anhand der Bibel lesen. Neben dem Lesen wurde großer Wert auf das Auswendiglernen einzelner Bibelverse gelegt. Einen besonderen Akzent erhielt der Unterricht dadurch, dass den Kindern auch Grundkenntnisse der griechischen Sprache vermittelt wurden, um das Neue Testament in seiner Ursprache verstehen zu können.156 Während die Einübung von Handarbeitspraktiken und das Erlernen des Lesens durch Ausrichtung an der Heiligen Schrift die üblichen Pole frühneuzeitlicher Mädchenerziehung bildeten,157 markiert der Griechischunterricht ein außergewöhnliches Konzept weiblicher Bildung.158 Die Vermittlung griechischer Sprachkenntnisse an sechs- bis zehnjährige Mädchen stand nicht im Dienst der Vorbereitung auf eine akademische Ausbildung, da für Frauen keine höheren Bildungsinstitutionen offen standen. Wenn zwei adlige Frauen, die im Zentrum des Frankfurter radikalen Pietismus standen, Kindern Griechischunterricht erteilten, dann speiste sich dieses Vorhaben aus einem pietistischen Schrift- und Menschenverständnis, das die eigenständige Bibellektüre zum Zielpunkt aller Bildungsbemühungen erklärte.159 Diese Schwerpunktset152 Zu überlegen ist auch, ob dieser Unterricht eventuell der materiellen Sicherung J. E. Petersens diente. In ihrer Supplikation an den Frankfurter Rat vom 21.2.1678, 73r, machte sie geltend, dass sie »bey gegenwärtiger Kriegs=ursach« auf den Gütern des Vaters nicht »subsistiren« könne. 153 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 182f. 154 Ebd., 182. 155 Zur Bedeutung von Handarbeiten in der Erziehung von Mädchen in der Frühen Neuzeit s. C. Niekus Moore, Books, 1984. 156 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 182f. 157 Vgl. hierzu die unter geschlechtsspezifischen Aspekten fragenden Arbeiten von S. Westphal, Reformatorische Bildungskonzepte, 1996, und A. Conrad, Elementarbildung, 1996, bes. 179–181. Dass der bei allen sonstigen schulischen Bemühungen um die Mädchenbildung im Vordergrund stehende Katechismusunterricht im Zusammenhang mit den Frankfurter Frauen keine Erwähnung findet, könnte daran liegen, dass Speners Bericht nur die strittigen Punkte beleuchtet, jedoch keinen umfassenden Einblick in das vollständige Unterrichtsprogramm gibt. Die starke Betonung des biblischen Unterrichtsstoffes könnte allerdings auch auf eine pietistisch motivierte Zurückdrängung des Katechismus hindeuten. 158 Ein ähnlicher Versuch liegt bei A. H. Francke vor, der 1688 Kindern in Hamburg Griechisch-Unterricht erteilte, s. G. Kramer, Francke 1, 1880, 14. 159 Der Brief, in dem Spener einem Freund über Gerüchte und Geschehnisse im Hinblick auf die Frankfurter Pietisten berichtete, griff auch die Behauptung auf, Mägde hätten Griechisch und Hebräisch gelernt. Spener bestreitet, von solchen Vorkommnissen zu wissen, hält diese Idee aber
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zung korrespondiert mit allen späteren literarisch-theologischen Äußerungen J. E. Petersens, die eine sich auf die Auslegung biblischer Texte fokussierende Methodologie theologischer Lehre favorisierte. Anhand der erhaltenen Quellen lässt sich nicht nachweisen, ob J. M. Baur von Eyseneck des Griechischen mächtig war;160 für J. E. von Merlau hingegen sind Griechisch- und auch Hebräischkenntnisse belegt. Eine Bemerkung Speners in einem Brief aus dem Jahr 1673 klingt zu unbestimmt, als dass darin ein Beleg für bereits in der Wiesenburger Zeit erworbene Griechischkenntnisse liegen könnte.161 Als J. W. Petersen seine spätere Ehefrau in Frankfurt kennen lernte, fiel ihm als Besonderheit auf, dass sie die hebräische Sprache beherrschte.162 Im Zusammenhang einer literarischen Kontroverse machte er im Jahr 1710 die Angabe, dass sie in Frankfurt »von einem sehr erfahrnen Mann in den Orientalischen Sprachen Hebräisch gelernet«.163 J. E. Petersens spätere Veröffentlichungen dokumentieren zwar des Öfteren, dass sie sich nach wie vor des Hebräischen bediente,164 ein Interesse an rabbinischen Studien scheint jedoch bei ihr nicht vorhanden gewesen zu sein wie etwa bei der württembergischen Prinzessin Antonia (1613–1679).165 Wenn J. E. Petersens nicht für grundsätzlich ablehnenswert, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 183. Da aus anderen Quellen keine Informationen vorliegen, lässt sich der Sachverhalt nicht genauer ermitteln. Von seinem Ansatz her musste das von den beiden adligen Frauen vertretene Konzept des Griechischunterrichts auch auf Dienstmägde anwendbar sein. 160 Die geistliche Ermahnung, die die Witwe bei ihrem Tod den drei Kindern hinterließ, forderte zu eifrigem Lesen und Betrachten der Heiligen Schrift auf und empfahl: »Machet euch der Grund=Sprache wohl kündig«, G. Arnold, Leben der Gläubigen, 1701, 1137. 161 Der Briefschreiber erläuterte sein Verständnis von Apg 19,5f, dass es sich dabei nicht um eine Wiedertaufe handele, und beschloss seine Ausführungen mit dem Satz: »Welche außlegung in dem Griechischen text so viel klährer erhellet«, P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 597, ep. 147. 162 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 19; in dem Nachruf Heimgang, 1724, für seine Ehefrau hob er ihre Hebräischkenntnisse noch einmal hervor. 163 J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 259a. Die Identität dieser Person konnte bisher nicht aufgeklärt werden; die Vermutung liegt nahe, dass es sich um einen jüdischen Gelehrten handelte, da Frankfurt ein Zentrum des Judentums war. Die Kenntnisse seiner Ehefrau präzisierte J. W. Petersen dahingehend, dass sie »sich so wohl in der Hebräischen Concordantz/ als mit dem Lexico zu helffen« wisse, ebd., 259a. Man könnte auch an den Gelehrten Hiob Ludolf (1624–1704) denken, der sich seit 1678 als kursächsischer Resident in Frankfurt aufhielt und insgesamt 25 Sprachen beherrschte, zu denen auch semitische gehörten, s. B. Reichel, Ludolf, 1994. 164 Auf die Anwendung griechischer und hebräischer Sprachkenntnisse weisen folgende Passagen aus ihren Werken hin: J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 82, 84, 101, 130, 138, 235, 269; Ewiges Evangelium 1698, 91f, 130–132; Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701, 10; Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 91; Einige Send=Schreiben, 1714, 73f; Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715, 164; Leben, 1718, 48. 165 Das in Bad Teinach im Schwarzwald erhaltene Gemälde, das als »Lehrtafel« der Prinzessin Antonia bekannt ist, entstand in Zusammenarbeit mit ihr und dokumentiert ihre rabbinischen Kenntnisse. Etwa 100 Jahre später verfasste der schwäbische Theologe und Pietist Friedrich Christoph Oetinger (1702–1782) einen Kommentar zu dieser Lehrtafel, in dem er seinerseits eine Fülle rabbinischer und kabbalistischer Literatur verarbeitete, s. hierzu R. Breymayer/F.
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Sprachkenntnisse in späteren Auseinandersetzungen angezweifelt wurden, dann stand diese Polemik im Dienste einer Herabsetzung ihrer theologischen Glaubwürdigkeit.166 Das Erlernen und Vermitteln der griechischen und hebräischen Sprache stand bei J. E. von Merlau nicht im Zusammenhang mit einem humanistischen Bildungsideal, wie dies etwa bei Anna Maria van Schurman,167 Catharina Regina von Greiffenberg168 oder Olympia Fulvia Morata (1526–1555)169 der Fall war. Erdmuthe Dorothea von Reuß-Ebersdorf, die später Nikolaus Ludwig von Zinzendorf heiratete, lernte gemeinsam mit ihrem Bruder Griechisch und Latein, jedoch kein Französisch, wie es einer höfischen Bildung entsprochen hätte.170 Bei J. E. von Merlau gibt es keinen Hinweis darauf, dass sie auch das Latein in ihre Sprachbemühungen einschloss, ihr Interesse galt in keiner Weise dem gelehrten Disput, zu dem hin die lateinische Sprache eine Brückenfunktion gebildet hätte, sondern ausschließlich dem Text der Bibel. Im pietistischen Umfeld lassen sich Fährten entdecken, die in eine vergleichbare Richtung weisen. In seiner Schrift über Das geistliche Priesterthum brachte Spener den Wunsch zum Ausdruck, dass »alle Christen« Griechisch und Hebräisch lernen möchten.171 Ein ähnlicher Hintergrund wie bei den Frankfurter Pietistinnen lag bei Anna Magdalena von Wurm vor. Als sie nach Quedlinburg umgesiedelt war, ergab sich die Möglichkeit, bei Gottfried Arnold172 Griechisch zu lernen. In einem Brief schrieb sie darüber: »Weil ich hier schöne Gelegenheit habe, etwas in griechischer Sprache zu profitiren, darnach mich eine geraume Zeit herzlich gesehnet, werde ich solche mit großer Begierde im Namen des Herrn ergreifen.«173 Sie betonte gleichzeitig, dass sie nicht wegen »Kunst und Wissenschaft« diese Sprache lernen wolle, sondern um Gott »noch mehr gefällig durch weiteres Erkenntniß zu werden«.174 Der in der Halleschen Mädchenschule, dem Gynäceum, zeitweise Häussermann, Lehrtafel 1–2, 1977. Zur Prinzessin Antonia s. ebd., 1, 23; 2, XIII–XV, sowie J. C. Eberti, Cabinet, 1706, 24f; J. G. Meuschen, Schau=Bühne, 1706, 84f. 166 Unschuldige Nachrichten 1703, 407: ihr wurden die Griechisch-Kenntnisse abgesprochen und sie wurde aufgefordert, sich bei einem »Sprach=Verständigen« Rat und Erklärung zu holen. 167 Sie stammte aus einer Gelehrtenfamilie und wurde gemeinsam mit dem Bruder von früher Kindheit an vom eigenen Vater unterrichtet, s. J. Irwin, Schurmann, 1996. 168 Sie lernte u. a. Hebräisch, Chaldäisch, Syrisch und Griechisch; das NT konnte sie in acht Sprachen lesen, s. R. Liwerski, Wörterwerk, II.2, 1978, 500. 169 Die italienische Humanistin kam durch ihre Heirat nach Deutschland und erhielt in Heidelberg als Anerkennung ihres Wissens eine Stelle als Griechischlehrerin, die vermutlich nicht direkt an die Universität angebunden war, sondern einen Status als Privatlehrerin für Studenten bedeutete, s. U. Bejick, Deutsche Humanistinnen, 1996, 164–169. 170 W. Jannasch, Gräfin von Zinzendorf, 1915, 21. Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt erhielt Unterricht in Latein und Rhetorik, s. M. Jung, Frauen, 1998, 14. 171 P. J. Spener, Das geistliche Priesterthum, 1677, 605. 172 Vgl. M. Schmidt, Arnold, 1979; D. Blaufuß/F. Niewöhner, Arnold, 1995. 173 Abgedruckt bei G. Kramer, Neue Beiträge, 1875, 22. 174 Ebd., 22f. In einem Brief aus dem Jahr 1729 wies A. M. Francke ihren Sohn Gotthilf August auf einen griechischen Begriff des zweiten Timotheusbriefes hin, um ihn aufzumuntern, 65.
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angebotene Griechisch- und Hebräischunterricht kam erst auf Drängen der Freifrau Henriette Katharina von Gersdorf zustande175 und wurde von einer der maßgeblichen Lehrerinnen als Zugeständnis an die weltlichen Bildungsbedürfnisse des Adels kritisiert.176 Bei diesem Modellversuch pietistischen Mädchenunterrichts, der 1740 wieder eingestellt wurde,177 erhielten die biblischen Ursprachen also keinen dem Frankfurter Unterrichtsprojekt vergleichbaren Stellenwert. 3.1 Die Saalhofpietisten Der Wohnsitz der Familie Baur von Eyseneck und damit auch der Aufenthaltsort J. E. von Merlaus befand sich in der ehemaligen staufischen Kaiserpfalz, dem am Mainufer gelegenen Saalhof.178 Somit verbrachte J. E. Petersen ihre Frankfurter Jahre direkt im Zentrum der europäischen Handelsmetropole. Der Saalhof wurde durch die Anwesenheit der beiden Frauen für einige Jahre zum Treffpunkt radikaler Pietisten.179 Zunächst nahm J. E. von Merlau an den unter Speners Leitung stattfindenden pietistischen Versammlungen, den Collegia Pietatis, teil, die seit 1670 bestanden.180 Die vor allem von dem Juristen Johann Jakob Schütz ausgehenden Impulse hatten dazu geführt, dass sich ein kleiner Kreis von miteinander befreundeten und akademisch gebildeten Männern, die in der Mehrzahl dem Frankfurter Patriziat angehörten, in Speners Studierstube traf.181 Die Gruppe kam zweimal wöchentlich zusammen und besprach Erbauungsliteratur.182 Die Dieser Passus macht deutlich, dass sie sich die bei Arnold erworbenen Kenntnisse bis ins Alter bewahrt haben muss. 175 Sie selber erhielt Unterricht in Latein, Griechisch, Hebräisch, Französisch und Italienisch, s. M. Jung, Frauen, 1998, 28. 176 Vgl. hierzu U. Witt, Bekehrung, 1996, 270–273; die am Gynäceum als Musiklehrerin wirkende Juliana Patientia Schult (1680–1701) hatte von ihrem Vater Unterricht in Hebräisch, Lateinisch, Griechisch und Französisch erhalten. Ihre Biographie wurde von J. H. Reitz in seine Historie der Wiedergebohrnen VI, 1730, 127–135, aufgenommen. 177 Vgl. U. Witt, Bekehrung, 1996, 269. 178 Teile der Kaiserpfalz waren seit 1390 durch Verpfändung im Besitz einer Ganerbschaft, die diese Gebäudeteile vornehmlich als Messekaufhallen benutzte, s. K. Bund, Frankfurt am Main, 1991, 119; vgl. auch H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 80, der mitteilt, dass die Ganerbschaft den Saalhof 1697 weiterverkaufte. 179 Vgl. J. Wallmann, Spener, 1986, 315. 180 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 179. Vgl. hierzu M. Matthias, Collegium pietatis, 1993; W. Bellardi, Vorstufen, 1994; G. Hammann, Ekklesiologische Hintergründe, 1994, geht wie Bellardi auf die bereits in der Reformationszeit in Straßburg installierten Gruppen ein, die allerdings nach Bucers Weggang wieder zerfielen. 181 P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 244, ep. 53 an Joachim Stoll, 23.11.1675; J. Wallmann, Spener, 1986, 264–289. Nach Wallmann, ebd., 276, gehörte Johann Vincenz Baur von Eyseneck zu diesem ersten Kreis. 182 P. J. Spener, Sendschreiben, 1677, 44–46. Dieser Bericht war an den Spener-Freund Johann Fischer gerichtet, s. J. Wallmann, Pietismus, 1990, 54.
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Zahl der Teilnehmer erweiterte sich schnell auf 15–20 Männer. Die Verlagerung der Lektüre von erbaulichen Schriften hin zu biblischen Texten wurde um die Jahreswende 1674/75 vorgenommen.183 Aus dem abgeschlossenen Kreis weniger Gelehrter wurde eine öffentliche Versammlung, die allen »ohne unterscheid allerley standes und alters« offen stand.184 Der nachhaltig große Andrang führte als weitere einschneidende Veränderung dazu, dass nicht mehr der abgeschlossene Privatraum, sondern Speners Predigtstätte, die Barfüßerkirche, von 1682 an der Ort der Treffen wurde.185 Diese Schritte spiegeln die bei Spener zugrunde liegende Idee wieder, dass die Erbauung im kleinen Kreis, die »ecclesiola«, der »ecclesia« zu dienen habe.186 Diese Öffnung bedeutete auch, dass nun Frauen teilnehmen konnten, allerdings waren sie besonderen Bedingungen unterworfen: »Es finden sich auch ziemlich viele Christliche Weibspersonen/ Frauen und Jungfrauen/ dabey ein/ die aber von den andern abgeschieden sind/ daß man sie nicht sehen/ sie aber gleichwol alles hören können. Würde ihnen aber nicht gestattet/ etwas drein zu reden oder zu fragen/ wie sich auch keinmal einige etwas dergleichen unterstanden hätte.«187 In welcher Weise genau die Geschlechter voneinander getrennt wurden, wird auf unterschiedliche Weise beschrieben.188 Dieses von 183 Ebd., 51f; s. auch J. Wallmann, Spener, 1986, 294–296. 184 P. J. Spener, Sendschreiben, 1677, 62. 185 Vgl. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 136. Zur Barfüßerkirche s. G. Struckmeier, Kirchliche Geschichte, 1978, 1–4. 186 Zu Speners Verständnis der ecclesiola in ecclesia s. Theologische Bedencken 3, 1702, 116, 160; Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 704; Briefe 2, 1996, 352, 566f, 596; J. Wallmann, Geistliche Erneuerung, 1995, 232–239. H. Yeide, Studies, 1997, im Untertitel als »The Flowering of the Ecclesiola« bezeichnet, stellt zwar das soziologische Moment der Gruppenbildung als entscheidende Neuerung des Pietismus heraus, ergibt jedoch für die Frage nach den Organisationsstrukturen einzelner Konventikel keine neuen Aspekte. 187 P. J. Spener, Sendschreiben, 1677, 63; vgl. auch Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 180; Briefe 2, 1996, 87f, ep. 19, 1675. Die Trennung der Geschlechter voneinander war bei kirchlichen Versammlungen in der Frühen Neuzeit der Normalfall. Ein Frankfurter Ratsbeschluss von 1702 erinnerte daran, dass beim Abendmahl »das männliche Geschlecht vorangehen, das weibliche folgen« sollte, H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 114. Eine andere Erinnerung an die Spenerschen Konventikel notierte Justus Blanckenhagen, der im September 1680 Spener in Frankfurt besuchte. In seinem Tagebuch heißt es: »Ich war auch 2 mahl in das Collegium Pietatis, da waren Jungfern und (Jung-) Gesellen, Männer und Weiber, Mägde und Jungens. Ein jeder sagte von dem, waß der Herr D. Spener erwehnet, seine Meinung, wenn es ihm gefiel«, zit. bei J. K. von Schroeder, Begegnung, 1977, 143. Friedrich Christian Bücher (1651–1714), ein Pietismus-Gegner, macht in seiner Schrift Mysterium Iniquitatis, 1697, 12, darauf aufmerksam, dass die Trennung der Geschlechter, wie sie für das Frankfurter collegium allgemein beschrieben wurde, bereits bei der jüdischen Gruppe der Therapeuten vorkomme, über die Philo von Alexandrien berichtete. Bücher ging es darum, den Pietismus als Anknüpfung an jüdische und platonische Praktiken zu verunglimpfen. Zu Bücher, der die Schriftstellerin J. E. Petersen intensiv bekämpfte, s. AGL 1, 1750, 1460; er war Pastor an der Danziger Katharinenkirche; s. auch Unschuldige Nachrichten 1704, 502f. 188 P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 87f, spricht von einem »siparium«. In der von C. H. von Canstein
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Spener für unabdingbar gehaltene Gefüge bedeutete, dass Frauen wie M. J. Baur von Eyseneck und J. E. von Merlau nur schweigend an den pietistischen Versammlungen teilnehmen durften und nicht einmal durch Fragen in den Gesprächsverlauf eingreifen konnten.189 Die Absonderung einiger zunächst mit dem Frankfurter Senior eng befreundeter Pietisten und ihr Zusammenschluss zu einer eigenen Gruppierung ist bisher vornehmlich theologischen Differenzen zugeschrieben worden, die eine zunehmende Abkehr vom kirchlich verankerten Reformprogramm Speners nach sich zog. Nicht in Betracht gezogen wurde, dass neben den theologischen Faktoren auch die den Geschlechtern traditionellerweise zugeschriebenen Rollen für einige Personen, insbesondere für J. E. von Merlau und J. M. Baur von Eyseneck, eine zu große Einschränkung bedeuteten. Ihr theologisches und persönliches Gewicht drängte nach einem neuen Verhaltenskodex. Bei den im Saalhof stattfindenden Versammlungen erscheint es schlechterdings undenkbar, dass auch hier die Frauen schwiegen, ragten sie doch gerade als Gastgeberinnen und Initiatorinnen in besonderer Weise hervor. Die prominente Rolle J. E. Petersens wird in einem Brief von J. J. Schütz bestätigt, wenn er beschreibt, dass sie »von der wahrheit Christi bey gelegenheit zu reden pfleget«.190 Den Kern der Saalhofpietisten bildeten Freunde und Freundinnen Speners, die an den unter seiner Leitung stehenden collegia teilnahmen, damit jedoch nicht zufrieden waren. Am Wohnort der beiden Frauen entwickelte sich ein Treffpunkt, der den Rahmen freundschaftlich geselligen Verkehrs überschritt, da Menschen unterschiedlicher Standesgruppen sich verbanden und da diese Begegnungen eine gewisse Regelmäßigkeit annahmen. Neben den beiden adligen Frauen gehörten außer Johann Jakob Schütz der Theologiestudent Otto Richardi191 sowie Christian Fende (1651–1746)192 zum Kreis derjenigen,
herausgegebenen Spener-Biographie heißt es, dass die »Weibs=Personen hinter einer Schirm=Wand« saßen und »höreten/ ohne gesehen zu werden/ nur zu«, abgedruckt bei J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 313f. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 136, spricht von einer beweglichen Wand. Bereits in der Antike wurden Methoden gefunden, um Frauen in Ausnahmesituationen eine Teilnahme an Veranstaltungen zu ermöglichen und dabei die Trennung der Geschlechter zu wahren. Nach dem Bericht des Tacitus nahm Agrippina, die Mutter des römischen Kaisers Nero, im Jahr 54 an einer Sitzung des Senats im Palatium teil, indem sie durch einen Vorhang versteckt wurde, s. T. Späth, Agrippina, 2000, 263. 189 W. Bellardi, Vorstufen, 1994, 41, macht darauf aufmerksam, dass für die 1547 in Straßburg stattfindenden Versammlungen ähnliche Prinzipien gelten: »Die Frauen sind von der Gemeinschaft nicht ausgeschlossen, sie dürfen auch an den Konventen teilnehmen, freilich ohne reden zu dürfen.« 190 P. J. Spener, Briefe 3, 2000, Anhang, 1081. 191 Zu seinem späteren Werdegang s. H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1993, 400: er wurde 1688 aus Frankfurt ausgewiesen. 192 Zu seiner Person s. E. Oswalt, Christian Fende, 1921; vgl. J. G. Walch, Einleitung 5.2, 1739, 1071–1073.
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die eine alternative pietistische Gesellung in Frankfurt aufrichteten. Das von Spener geleitete collegium und die Saalhofpietisten schlugen ganz unterschiedliche Wege ein; während Spener sich auf eine Öffnung des zunächst engen Kreises einließ, entstand im Saalhof ein Konventikel, der gleichgestimmte Frauen und Männer vereinigte. Die »ecclesiola«, die Spener in die »ecclesia« einband, formierte sich hier als abgeschlossene Kleingruppe mit Distanz zur Kirchengemeinschaft. In diesem Kreis trafen Einflüsse aufeinander, die ohne Rücksicht auf die Bekenntnisbindung nach einer Entschiedenheit christlichen Lebens und Denkens suchten. Schütz hatte sich intensiv mit den Schriften des Mystikers Johannes Tauler beschäftigt, in sein Christliches Gedenck-Büchlein von 1675 auch Extrakte aufgenommen und für eine Neuausgabe seiner Predigten mit einer Vorrede Speners gesorgt.193 Seit 1675 war er mit Pierre Poiret (1646–1719)194 befreundet, der sich der Verbreitung der mystischen Schriften Jeanne-Marie Guyons (1648–1717) und Antoinette Bourignons (1616–1680) widmete.195 Die freundschaftlichen Verbindungen, die Schütz pflegte, weiteten sich auch auf sein unmittelbares Umfeld aus. Seit 1678 interessierte sich Bourignon für J. E. von Merlau und ließ ihr Grüße ausrichten. Poiret vermittelte zwischen beiden Frauen, um die Frankfurterin zur Übersetzung eines der Bücher Bourignons zu bewegen.196 Zu den für Schütz und die Saalhof-Freunde wichtigen Kontakten gehören die niederländischen Labadisten. Die intensive Korrespondenz mit Anna Maria van Schurman in den Jahren von 1674 bis 1678 und infolgedessen die ausführliche Beschäftigung mit den Schriften Jean de Labadies »kann schwerlich ohne Einfluß gewesen sein auf die Gemeinschaftsbildung, die sich unter der Führung von Schütz und der Merlau bald darauf im Frankfurter Saalhof vollzogen und immer deutlicher die Form eines geschlossenen Personenkreises angenommen hat.«197 Durch Schütz vermittelt, tauschten A. M. van Schurman und J. E. von Merlau bereits 1674 und wohl auch noch 1675 Briefe aus, für die es allerdings nur Hinweise in Briefen Schurmans an Schütz gibt.198 Bestimmend für die theologische Ausrichtung des Saalhofes 193 Vgl. A. Deppermann, Schütz, 2002, 158–180. In einer Schrift des Jahres 1677 übte Schütz scharfe Kritik an der lutherischen Rechtfertigungslehre und ersetzte den Begriff der Rechtfertigung durch »Rechtschaffenheit«. Diese auf einen Perfektionismus hinzielende Zuspitzung lehnte Spener entschieden ab, s. K. Deppermann, Pennsylvanien, 1984, 193f. 194 Zu Poiret s. M. Wieser, Poiret, 1932; M. Chevallier, Pierre Poiret, 1972; dies., Poiret, 1994; G. Krieg, Mystischer Kreis, 1979. 195 Vgl. A. Deppermann, Schütz, 2002, 298–309; zur Bedeutung beider Frauen s. M. Chevallier, Ministère pour une femme, 1999. 196 Diese Hinweise verdanke ich Mirjam de Baar, Utrecht; die Nachweise werden demnächst in ihrer Dissertation über Bourignon erscheinen. Aus den Angaben Poirets wird nicht ersichtlich, ob eine Übersetzung ins Deutsche aus dem Französischen oder aus dem Niederländischen geplant war. 197 J. Wallmann, Spener, 1986, 315; zur Korrespondenz mit Schurman s. ebd., 307–320. 198 Vgl. ebd., 310.
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war ferner eine chiliastische Eschatologie.199 Die im Saalhof sich bildende Gemeinschaft war durch ihr geistiges Gepräge u. a. eine der Anlaufstellen für den Quäkerführer William Penn, wie unten zu zeigen sein wird. Von 1677 an war Spener sichtlich darum bemüht, die Existenz von SaalhofCollegia, über die sich etliche Gerüchte verbreitet hatten, zu negieren.200 In den kursierenden Nachrichten wurde das auffallende Verhalten der daran beteiligten Frauen in polemischer Weise hervorgehoben, wenn von »mägd=predigten« bzw. »weiber=und mägde=predigten« die Rede war.201 Zwar konnte Spener nicht umhin zuzugeben, dass J. E. von Merlau während ihrer zweijährigen Anwesenheit in der Reichsstadt etliche enge Freundschaften geknüpft hatte, die ihre Gemeinsamkeit darin fanden, ihrem christlichen Nachfolgeverständnis einen deutlicheren Ausdruck zu verleihen, als dies im Rahmen des von ihm geprägten Pietismus üblich war.202 Der Frankfurter Senior unterstrich in seinen schriftlichen Darlegungen den rein privaten Charakter dieser freundschaftlichen Begegnungen. Von einem dauerhaften Collegium im Saalhof könne nicht die Rede sein, lediglich an einigen Sonntagabenden hätten sich gegen Ende des Jahres 1676 acht bis zehn Personen, unter ihnen Theologiestudenten und Gelehrte, im Haus der beiden Frauen getroffen.203 Dabei habe die Besprechung der morgendlichen Predigt und nicht etwa die eigene Auslegung schwerer biblischer Texte im Mittelpunkt gestanden.204 Auf seinen Einspruch hin seien diese Zusammenkünfte nicht fortgesetzt worden. Im Jahr 1677 konnte Spener noch beteuern, dass keiner der um den Saalhof gruppierten Männer und Frauen sich dem öffentlichen kirchlichen Leben entziehe.205 Um die sich für den Frankfurter Saalhof abzeichnende Gestaltungsstruktur in die Geschichte des Pietismus einordnen zu können, soll ein Blick auf die Strukturen anderer pietistischer collegia geworfen werden.206 So vielfältig und unter199 Vgl. A. Deppermann, Schütz, 2002, 126–141. K. Deppermann, Pennsylvanien, 1984, 195, überschätzt m. E. die Bedeutung von J. E. Petersens Visionen, wenn er annimmt, dass die »Zukunftshoffnungen der Saalhofpietisten« dadurch »neue Nahrung erhielten . . . Aufgrund dieser Visionen erwarteten die Saalfhofpietisten eine schwere Krise des Protestantismus ab 1685, dann aber die Bekehrung der Juden und Heiden zum Christentum und ein neues goldenes Zeitalter der Kirche«. Die Beschreibung dieser Visionen, die in den Jahren 1662 und 1664 stattgefunden haben sollen und in denen das Jahr 1685 eine zentrale Rolle spielt, findet sich nämlich erst in der Autobiographie J. E. Petersens von 1718. 200 P. J. Spener, Briefe 3, 2000, 82f, 95, 99f, 189–205. 201 Ebd., 82, 100. 202 Vgl. ebd., 191–193; Sendschreiben, 1677, 80f. 203 Ders., Sendschreiben, 1677, 81f; Briefe 3, 2000, 193. 204 Ders., Sendschreiben, 1677, 77, 82. 205 Ders., Briefe 3, 2000, 194f, 271f. 206 H. Lehmann, Absonderung, 1979, erwägt sozialpsychologische Momente, u. a. das Motiv der Angst, als Beweggründe für die Ausbreitung der pietistischen Konventikel. Die Rolle der Frauen thematisiert er bei seinen Überlegungen nicht.
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schiedlich die pietistische Bewegung sich insgesamt gestaltete, so wenig einheitlich war auch die Struktur der Erbauungsversammlungen, die als Keimzellen des Pietismus galten. Nur wenige skizzenhafte Notizen werden im Folgenden zusammengetragen; für einen flächendeckenden Überblick über die Formen weiblicher Beteiligung in den oft nur für kurze Phasen nachweisbaren Konventikeln fehlen die Vorarbeiten.207 Ferner muss in Betracht gezogen werden, dass bei den Gegnern des Pietismus die in ihren Augen unangemessene Präsenz bzw. Dominanz von Frauen in den pietistischen Versammlungen zum Standardrepertoire ihrer Vorwürfe gehörte. Nachrichten über die Existenz und Funktionsweise pietistischer Konventikel müssen nach der Intention ihrer Aussage befragt werden, bevor sie als Informationsquelle ausgewertet werden können.208 Folgende Strukturmerkmale lassen sich bei den pietistischen Gesellungsformen in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse nachweisen: in Frankfurt traf sich zunächst eine kleine, rein männliche Gruppe, deren sozialer Hintergrund recht homogen war. Bei eindeutiger Leitung durch einen männlichen Amtsträger, nämlich Spener, wurde der Teilnehmerkreis später so geöffnet, dass Christen aller Schichten und auch Frauen, allerdings nur schweigend, teilnehmen konnten.209 Die räumliche Trennung der Geschlechter,210 die Spener etliche Male hervorhob, beruhte auf Konventio207 F. W. Kantzenbach, Separatismus, 1976, gibt zwar Hinweise auf die Zusammensetzung von pietistischen Versammlungen in Franken und im bayrischen Schwaben, fragt jedoch nicht nach geschlechtsspezifischen Aspekten. J. Strom, Conventicles, 2001, analysiert die in den 1660er Jahren in Lübeck auftretenden Konventikel auch hinsichtlich der Beteiligung von Frauen, 25f, 31f, 34f. C. Köhle-Hezinger, Frauen, 1994, 116, macht auf eine Pietistin aufmerksam, die in den Jahren von 1871 bis 1907 Hahnsche Versammlungen im württembergischen Dorf Täbingen leitete. 208 So wendet sich der entschiedene Gegner des Pietismus J. H. Feustking gegen die Konventikel insgesamt, indem er grundsätzlich moniert, dass bei diesen Gelegenheiten Männer und Frauen zusammentreffen, s. Gynaeceum, 1704, 265f. Entsprechend seiner grundsätzlichen Missbilligung der selbstständig tätig werdenden Frauen berichtet er etwa über Antoinette Bourignon, dass sie 1674 in Flensburg »nächtliche Conventicula« abhielt, was nach seiner Darstellung als besonders verrucht gelten muss, ebd., 192. 209 J. Winckler, Wohlgemeintes Send=Schreiben, 1690, verteidigte die pietistischen Versammlungen gegen die Angriffe von Philipp Ludwig Hanneken, der die Collegia für unnötig, überflüssig und schädlich erklärt hatte, Collegia Pietatis, 1690. Der gemäßigte Pietist Winckler betonte, dass in den von ihm geleiteten Collegia, die er in Wertheim und Hamburg abhielt, nur er selber rede, niemand sonst, ebd., A3r, F4v. Nach Wincklers Auffassung ist es Frauen gestattet, zu Hause das Wort zu ergreifen: »wenn eine begabte Christliche Frau in der Hauß=kirche in Beyseyn ihres Ehe=Herrn die Ihren unterrichtet/ macht sie wohl diesem Verachtung oder das Gar=Auß?«, G1r. Gegen die Verunglimpfung aller pietistischen Versammlungen als quäkerisch weist Winckler auf folgenden entscheidenden Unterschied zu der Praxis der Quäker hin: »Hie darff keine Frau reden/ welches die Quacker verstatten«, H4r. 210 Das württembergische Pietisten-Reskript von 1743 besteht für die pietistischen Versammlungen nicht auf einer Trennung der Geschlechter, da diese als eine Variante zur Hausandacht betrachtet werden. Die Pietisten selber hingegen bemühten sich um eine möglichst große räumliche Distanz zwischen Männern und Frauen, s. E. Gutekunst, Pietistenreskript, 1994, 24.
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nen, die nicht nur die Gottesdienste kennzeichneten, sondern darüber hinaus für viele Sphären des öffentlichen Lebens bestimmend waren: Männer und Frauen saßen getrennt voneinander.211 Ähnlich wie in Speners Pfarrhaus wurde unter Franckes Ägide in Halle verfahren.212 Die von Zinzendorf in Herrnhut eingeführten Klassifizierungen der Gemeindemitglieder nach unterschiedlichsten Merkmalen beruhten im Grundansatz auf einer Trennung der Geschlechter. Frauen konnten leitende Aufgaben für ihre Geschlechtsgenossinnen wahrnehmen, nicht für Männer. Als sich Zinzendorf 1738 einige Zeit in Berlin aufhielt, gestaltete er »Hauß=Beth=Stunden«, deren Besuch allen Interessierten zugänglich sein sollte. Aus zwei Gründen entschied er sich, Männer und Frauen getrennt voneinander zu versammeln: weil dieses Vorgehen seiner Gewohnheit entspreche und weil auf diese Weise der Besucherandrang strukturiert werden könne.213 Diese Berliner Versammlungen fanden jeweils unter Leitung Zinzendorfs statt, der den versammelten Frauen bzw. Männern Predigten vortrug.214 Ferner gab es das Modell, dass eine Frau hauptsächlich ihren Wohnraum zur Verfügung stellte, so dass die Treffen, wie etwa in Stuttgart bei der 211 In einem Brief aus dem Jahr 1694 berichtete Francke an Spener, dass er in der »Glauchischen Kirche« eine neue Empore mit 28 bis 30 »Ständen« für Professoren und Studenten habe bauen lassen, »wie auch einen Weiberstand für 8 Personen aus der Stadt Halle«, G. Kramer, Beiträge, 1861, 312. J. G. Walch, Einleitung 3.1, 1733, 86, berichtet über eine Hallenser Disputation im Jahr 1702, die ebenfalls die Notwendigkeit der Trennung von Frauen und Männern in der Kirche unterstrich. Auf die Trennung der Geschlechter voneinander macht K. Ellwardt, Sitzordnung, 1996, 4f, 41, in ihrer Untersuchung der Weilburger Kirche zu Beginn des 18. Jh. aufmerksam. Vgl. auch die bei G. Freytag, Bilder 3, 1882, 221–225, beschriebene Festordnung. Die jeweilige Zuwendung an das eigene Geschlecht prägte auch weiterhin die pietistische Arbeit, s. die Beschreibung der Herrnhuter Tätigkeit im Bereich Nordschleswigs, G. Weitling, Voraussetzungen, 1971, 36. Zur Reformationszeit s. K.-H. Bieritz, Weyber, 1990, 240–244. Bereits aus der Zeit der Alten Kirche gibt es Zeugnisse darüber, dass Frauen und Männer im Gottesdienst durch eine Schranke voneinander getrennt waren, s. Johannes Chrysostomos, Matthäus-Homilien 73/74, 3 (PG 58, 677) über Mt 23,26. Chrysostomos deutet diese Praxis als Zeichen des Verfalls gegenüber dem Urchristentum, das diese Trennung nicht kannte, da damals die Einheit der Geschlechter nach dem Prinzip von Gal 3,28 Wirklichkeit gewesen sei. Zum gesamten Themenkomplex vgl. W. Köhler, Geschlechtertrennung, 2000. 212 Ähnlich ging es in den Franckeschen Anstalten in Halle zu. Als 1713 der neue preußische König Friedrich Wilhelm I. die Anlage besichtigte, wurde ihm von Francke über den großen Saal mitgeteilt, »daß daselbst das Examen und seine Collegia, auch wöchentlich zweimal in teutscher Sprache eine öffentliche Handelung des Wortes Gottes für alle, die dazu kommen wollten, gehalten würden, bei welcher die Weiber von den Männern durch die mittlere Wand abgeschieden wären« zit. nach G. Kramer, Neue Beiträge, 1875, 139. Ein weiterer Bericht über dieses Gespräch präzisiert, dass diese Trennwand so angebracht war, dass Männer und Frauen sich nicht sehen konnten und durch getrennte Gänge den Saal verließen, vgl. ebd., 144. 213 N. L. von Zinzendorf, Reden, 1738, Vorbericht. 214 H. Lehmann, Kinder Gottes, 1977, 414f, erwähnt für seinen Untersuchungszeitraum, die zweite Hälfte des 18. Jh., bei den württembergischen Pietisten nur männliche Leiter von Konventikeln. Die Teilnehmer hingegen setzten sich aus Männern und Frauen zusammen.
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Geheimrätin Culpisin, unter ihrem Patronat standen, männliche Teilnehmer jedoch im Wesentlichen das Gespräch bestimmten.215 So wie Männer sich nur mit ihren Geschlechtsgenossen unter pietistischen Vorzeichen gesellten, entstanden auch von Frauen geleitete Treffpunkte, die ausschließlich für weibliche Mitglieder gedacht waren. In Bremen hielten der reformierte Geistliche Theodor Undereyck (1635–1693)216 und seine Ehefrau Margarete217 von 1670 an gezielt getrennte Konventikel nach der Geschlechterzugehörigkeit ab: Während er sonntags nach dem Gottesdienst Männer versammelte, um über die Bibel zu sprechen, lud sie zu dem gleichen Zweck Frauen ein.218 Die gut besuchten Versammlungsangebote riefen Beschwerden der Kollegen hervor, die insgesamt die Privatversammlungen für überflüssig hielten, sich am meisten jedoch dagegen ereiferten, dass Margarete Undereyck gegen 1Kor 14,34 verstoße.219 In Nürnberg hielt der Geistliche Tobias Winkler (1648–1734) seit 1701 regelmäßige pietistische Versammlungen. »In diesen Konventikeln durften Frauen zwar Fragen stellen, aber nicht lehren.«220 Nach diesem Exkurs sollen die in Frankfurt und darüber hinaus zu verzeichnenden Auswirkungen des Treffpunktes am Mainufer verfolgt werden. Der Saalhof war neben Speners Persönlichkeit zu einem eigenen Anziehungspunkt in Frankfurt geworden, wobei manche Besuche beiden pietistischen Zentren galten, andere nur den Kontakt zu den radikalen Vertretern und Vertreterinnen des Frankfurter Pietismus suchten. Der Schwager Speners, Johann Heinrich Horb (1645–1695), der im Sommer des Jahres 1677 Kontakte zu den Frauen des Saalhofes knüpfte, übernahm für seine Gemeindetätigkeit in Trarbach das Modell des christlichen Unterrichts für Kinder.221
215 J. W. Petersen berichtet in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 289, dass er während seines Besuchs in Stuttgart im Jahre 1705 bei dieser Gelegenheit predigte und u. a. auch einige Frauen unter den Zuhörern waren. Diese Anordnung scheint auch den Versammlungen zugrunde zu liegen, die im reformierten Bereich in Duisburg im Jahr 1699 bei der Freifrau Anna Elisabeth von Quadt stattfanden, s. J. F. G. Goeters, Reformierter Pietismus, 1993, 272. 216 Undereyck war seit 1660 Prediger in Mülheim a. d. Ruhr, ging 1668 nach Kassel und 1670 nach Bremen, vgl. H. Faulenbach, Anfänge, 1979, 205–220; J. G. G. Goeters, Reformierter Pietismus, 1993, 244–256; D.-H. Jou, Theodor Undereyck, 1994. 217 Zu ihrer Herkunft s. H. Faulenbach, Anfänge, 1979, 208. 218 Darüber hinaus unterrichtete M. Undereyck wochentags Mädchen und Kinder sowie Mägde und Dienstboten im Katechismus, s. O. Veeck, Anfänge, 1904, 299f. 219 Vgl. hierzu G. Mai, Reformbewegung, 1979, 102–107; Undereyck verteidigte gegenüber dem Bremer Ministerium die Tätigkeiten seiner Frau mit den Hinweisen auf die im NT genannte Prisca sowie auf die Frau Calvins, ebd., 107. 220 H. Weigelt, Pietismus in Bayern, 1995, 298; diese Treffen mussten 1707 auf Befehl der Obrigkeit eingestellt werden. 221 Vgl. hierzu D. Blaufuß, Beziehungen, 1976, 259. Zu Horb, der später in den Hamburger pietistischen Streitigkeiten eine umstrittene Rolle spielte, s. F. Sander, Pastor, 1995.
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Der englische Quäkerführer William Penn (1644–1718)222 steuerte auf seiner Holland- und Deutschlandreise223 desselben Jahres gezielt Menschen und Orte an, die als aufgeschlossen für seine Verkündigung gelten konnten.224 Dabei knüpften er und seine Begleiter an ein bereits bestehendes Kommunikationsnetz an.225 Die beiden Saalhofbewohnerinnen gehörten nicht von vornherein zu den von Penn avisierten Würdigen; sobald jedoch der Kontakt hergestellt war, zeichnete er sich von beiden Seiten durch eine besondere Nähe aus.226 J. E. von Merlau lud die Quäker zu einem weiteren Treffen in ihre Wohnung ein, über das Penn emphatische Beschreibungen hinterließ.227 Gegen Ende desselben Monats kehrte der quäkerische Missionar noch einmal nach Frankfurt zurück, wobei er diesmal gezielt den Saalhof besuchte.228 Nach einer ersten Zusammenkunft in größerem Kreis schlug Penn »a select meeting«229 vor, das am nächsten Tag ebenfalls im Saalhof stattfand. Der englische Quäker fühlte sich hier »as among faithful friends« und leitete diese Versamm222 Seit 1667 gehört W. Penn zu den von George Fox (1624–1691) begründeten Quäkern bzw. Freunden, wie sie sich selber nannten, s. W. Zeller, Protestantismus, 1962, 420. G. Fox beschrieb seine innere Entwicklung sowie seine Predigtreisen in einem autobiographischen Bericht, s. Journal 1–2, 1911. Den Kern der quäkerischen Überzeugungen bildet die Annahme eines inneren Lichtes, das in jedem Menschen vorhanden sei. Daraus zogen die Quäker weit reichende Folgerungen: die Ablehnung aller ständischen Höflichkeitsformen, da alle Menschen gleich seien; ein auffallendes Eintreten für gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen; die Ablehnung aller äußerlichen Kultformen. Der von G. Fox u. a. 1660 herausgegebene Traktat Battle-Door brachte Beispiele in mehr als 30 Sprachen, wie das »Du« als einzig akzeptable Anredeform gegenüber allen Menschen zu praktizieren sei. Margaret Fell, die spätere Frau von G. Fox, gehörte zu der ersten Generation quäkerischer Frauen, die genau wie die Männer umherreisten und predigten. Zu Fox s. auch J. C. Adelung, Geschichte der Narrheit 2, 1786, 81–112. 223 Diese von Juli bis Oktober dauernde Tour ist dokumentiert in W. Penn, The Papers 1, 1981, 425–508. 224 In seinem Tagebuch beschreibt er, dass in jeder der besuchten Städte die Frage danach gestellt wurde, »who was worthy in the city?«, ebd., 447. Wer aufgrund der eingeholten Informationen diesem Kriterium entsprach, wurde nach Möglichkeit aufgesucht. Zu dieser Reise Penns s. auch K. Deppermann, Pennsylvanien, 1984, 192–194. 225 Vgl. hierzu den Tagebucheintrag Penns, wonach die Reisegruppe am 20.8.1677 bereits vor der Reichsstadt von zwei Personen in Empfang genommen wurde. Auf seinen Wunsch hin fanden an zwei aufeinander folgenden Tagen Treffen statt, die bei dem Kaufmann van de Walle abgehalten wurden, The Papers 1, 1981, 447, 455. 226 Penn hielt seine Eindrücke mit folgenden Worten fest, ebd., 447: »Of these Persons there were two women, one a virgin, the other a widdow, both noble of birth; who had a deep sense of that power & presence of god, that accompanyed our Testimony: & their hearts yearned strongly towards us.« 227 Ebd., 448. Bei dem anonymen »Doctor of Physick«, der zufällig vorbeikam und in den Tenor der Versammelten miteinstimmte, ebd., 448, kann es sich nicht um J. W. Petersen handeln, wie die Herausgeber vermuten, ebd., 504. Eher ist hier an den Frankfurter Arzt Johannes Kißner zu denken, den Ehemann von Anna Elisabeth Kißner. 228 Allerdings bezog er an einem anderen nicht genannten Ort Quartier, s. die Tagebucheintragungen vom 28. und 29.8.1677, ebd., 455. 229 Ebd., 455.
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lung nach quäkerischen Prinzipien.230 Deutlich unterschied er von diesem Ereignis ein letztes Treffen in der Main-Stadt, das im Haus van de Walles231 als »a more publique meeting« vonstatten ging.232 Der persönlich begonnene Austausch zwischen J. E. von Merlau und W. Penn wurde noch durch Briefe fortgesetzt, die nach Ausweis der dokumentierten Penn-Korrespondenz allerdings nur im unmittelbaren Anschluss an die Begegnung entstanden.233 Als eine spätere Folge des Besuchs von Penn ist die Bildung der »Frankfurter Compagnie« zu werten, die Landanteile in Pennsylvanien erwarb.234 1682 wurde diese Gesellschaft mit dem Ziel gegründet, die Auswanderung vorzubereiten. Franz Daniel Pastorius (1651– 1719/20), der wichtige Impulse durch den Saalhof empfangen hatte, reiste als erster nach Amerika, um den Boden für die übrigen zu bereiten.235 Nach seinen Aussagen gehörte M. J. Baur von Eyseneck neben C. Fende zu denjenigen, die fest zum Aufbruch entschlossen waren.236 Als niemand aus dem Kreis der Saalhof-Freunde diesen Plan realisierte, reagierte er darauf enttäuscht,237 verwurzelte sich selber jedoch ganz eigenständig in der neuen Welt.238 Ein später Reflex auf die Auswanderungs-Ideen des Frankfurter Kreises findet sich in einem Brief J. W. Petersens vom Juli 1693 an J. G. Gichtel. Gichtels Antwort klingt so, als ob er gefragt worden sei, ob er bereit sei, mit nach Pennsylvanien aufzubrechen. Er schrieb ablehnend nach 230 Ebd., 455: »We recommended a silent meeting unto them that they might grow into an holy Silence into themselves«. 231 Ein Jakob Vandewalle aus Frankfurt findet sich später auf den Listen derjenigen, die zwischen 1681 und 1685 Land in Pennsylvanien erwarben, s. hierzu W. Penn, The Papers 2, 1982, 664. Zu den Spannungen und Auseinandersetzungen, zu denen der Versuch führte, ein politisches Territorium, das, obzwar Eigentum Penns, gleichwohl der englischen Krone weiterhin unterstand, nach quäkerischen Grundsätzen zu führen, s. H. Wellenreuther, Glaube und Politik, 1972. 232 W. Penn, The Papers 1, 1981, 455. 233 In einem Brief vom 3.9.1677 an die Gräfin von Falkenstein erwähnt Penn, ebd., 463, ein Schreiben »from a religious young woman at Franckfurt« und reicht ihr dieses weiter. Hierbei könnte es sich um einen Brief J. E. von Merlaus handeln, da Penn ihr gegenüber den Versuch erwähnt, »to deliver thy letter«, ebd., 471. Vom 11.9.1677 dagegen ist ein Schreiben Penns an die Frankfurter Adlige belegt, s. ebd., 470–473, das einen freundschaftlichen Ton anschlägt. Über diesen Zeitraum hinaus lässt sich keine Korrespondenz mehr nachweisen. W. Penn, The Papers 2, 1982, enthält keine weiteren Briefe an die Frankfurter Saalhofbewohnerin. 234 Vgl. F. Nieper, Auswanderer, 1940, 80f; J. E. Petersen gehörte zu den Landeignern der Frankfurter Kompagnie. Für das Jahr 1697 nennt Nieper eine Anzahl von in Deutschland verstreuten Mitgliedern, zu denen auch J. W. Petersen zählte, ebd., 81. Vgl. auch K. Deppermann, Pennsylvanien, 1984, 198f. 235 R. Mack, Pastorius, 1989, 138f. 236 F. Nieper, Auswanderer, 1940, 82; nach seinen Aussagen traf Pastorius 1682 im Saalhof u. a. auf Spener, Fende, Schütz und J. E. von Merlau; eine Reise nach Frankfurt in diesem Jahr ist weder für J. E. Petersen noch für das Ehepaar gemeinsam bisher bekannt. 237 R. Mack, Pastorius, 1989, 143f. 238 Zum theologischen Profil der aus Deutschland eingewanderten Pietisten s. H.-J. Schrader, Philadelphian Hope, 2002.
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Niederndodeleben: »WEnn ich wüste/ daß seinem vorgeben nach man aus Babel AEgypten und Sodom ginge/ wenn man nach Pensylvanien reisete/ ich solte die Reise mit annehmen: ich fürchte aber Babel ist/ wo ich bin«.239 Was bewog das Ehepaar Petersen, noch einmal diese alte Idee zu reaktivieren? Von weiteren Ansätzen, die Auswanderungspläne in die Tat umzusetzen, ist für beide Petersen nichts bekannt. Zu den Kontakten J. E. von Merlaus in der Frankfurter Zeit gehört eine Korrespondenz mit dem in Amsterdam lebenden Johann Georg Gichtel (1638–1710), der sich um eine erste Edition von Jakob Böhmes Werk verdient machte und in dessen Gefolge eine asketisch gefärbte Sophia-Theologie vertrat.240 Aus dem Kreis des Saalhofes scheint keine weitere Person mit dem Amsterdamer Böhme-Schüler korrespondiert zu haben.241 Von diesem Briefwechsel sind nur die Schreiben Gichtels erhalten: hierbei handelt es sich um vier Briefe aus den Jahren 1677 bis 1679.242 Gichtel apostrophiert die Empfängerin seiner Schreiben als »Freundin«, »Schwester« und als »Mitglied am Haupt JEsu«.243 Die Frankfurterin scheint zunächst mit Hoffmann, dem Mitbewohner Gichtels, korrespondiert zu haben, denn in dem ersten erhaltenen Brief vom Dezember 1677 erläutert Gichtel, dass sein Mitbruder aus Krankheitsgründen auf ihr Schreiben vom 16. November nicht mehr habe antworten können, am 12. Dezember sei er verstorben.244 Außer den Briefanteilen J. E. von Merlaus müssen auch noch weitere Schreiben Gichtels als verloren gelten, denn aus der als Anhang zur Theosophia Practica gedruckten Biographie geht hervor, dass der Amsterdamer Böhme-Schüler seine ehemalige Haushälterin Anna Catharina Löwenstein brieflich nach Frankfurt empfahl.245 J. E. von 239 J. G. Gichtel, Theosophische Sendschreiben 3, 1710, 103f, ep. 25, 18.7.1693. 240 Vgl. zu seiner Person B. Gorceix, Gichtel, 1975; zu seiner umfangreichen Korrespondenz s. G. Zaepernick, Gichtel, 1982. 241 Seit 1677 gab es eine Korrespondenz zwischen Spener und dem ebenfalls in den Niederlanden lebenden Friedrich Breckling, s. hierzu J. Wallmann, Spener, 1986, 342, Anm. 78. Zu den Kontakten zwischen Gichtel und Breckling, die zeitweise freundschaftlich waren, s. J. G. Gichtel, Theosophia Practica 7, 1722, 460. 242 Die unter dem Titel Theosophia Practica gedruckt vorliegende Korrespondenz des Amsterdamer Sophia-Theologen weist außer J. E. von Merlau nur einen weiteren Kontakt nach Frankfurt auf, und zwar zu dem Kaufmann Johann Wilhelm Überfeld, der 1684 in die Niederlande übersiedelte, um Gichtels Werk zu unterstützen, s. hierzu G. Zaepernick, Gichtel, 1982, 118; J. G. Gichtel, Theosophia Practica 7, 1722, 198–201, 367–467. Bei ihrer Rezension der Theosophia Practica hoben die Unschuldigen Nachrichten 1728, 134, den regen Briefwechsel zwischen Gichtel und J. E. Petersen nachdrücklich hervor – aus Sicht dieser Zeitschrift ein negatives Kennzeichen. 243 J. G. Gichtel, Theosophia Practica 1, 1722, 87, 89, 92; der vierte Brief enthält keine Anrede, ebd., 2, 1722, 1310f. 244 Ebd., 1, 1722, 87f. 245 Ebd., 7, 1722, 132; A. C. Löwenstein stammte aus Mainz, war mit ihrem Mann im Gefolge des Prinzen von Nassau-Siegen nach Brasilien gereist und hatte dann als Witwe in den Niederlanden Haushaltsstellen angenommen, ebd., 133. Vgl. ebd., 1, 56, ep. 14, 1677.
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Merlau sorgte für eine Wohnung mit Hausrat, die sie der Witwe zur Verfügung stellte, als diese in Frankfurt eintraf.246 Im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Saalhofes stand eine im Februar 1678 erfolgte Anweisung des Frankfurter Stadtrates, die J. E. von Merlau aufforderte, »sie möchte ihren stab weiter setzen«.247 Von Spener und Schütz unterstützt, widersprach sie mit einer Eingabe an den Rat der getroffenen Anordnung und hatte damit Erfolg. In ihrer am 21.2.1678 eingereichten Supplikation bezog sie sich hauptsächlich auf die ihr als Adlige zustehende Behandlung.248 Gemeinsam mit ihr wurde auch Otto Richardi die Ausweisung angedroht, jedoch erst 1688 endgültig umgesetzt.249 Bis J. E. Petersen 1680 Frankfurt verließ, hielt sie sich in den letzten zwei Jahren jeweils für längere Zeit bei befreundeten Familien auf, wohl auch, um die Konfliktsituation in der Stadt zu entschärfen.250 246 Ebd., 7, 1722, 134. 247 P. J. Spener, Theologische Bedencken 3, 1702, 257, berichtet im Herbst desselben Jahres über diesen Vorfall: »Es war ein ziemliches versehen/ einer person/ die niemals beklagt . . . dergleichen an zuzeigen . . . Aber sie war entschlossen/ so bald zu weichen/ wo nicht ich und andere gute freunde ihr remonstriret, daß solches nicht zu thun seye . . . daher sie folgenden tages ein memorial bey rath übergeben/ ihre unschuld bezeuget . . . worauff es wieder stille worden/ und seithero nichts mehr gegen sie vorgegangen.« Vgl. ders., Briefe 3, 2000, 630, 740. K. Deppermann, Pennsylvanien, 1984, 192, bringt diese Ausweisung in Zusammenhang mit dem Besuch W. Penns in Frankfurt. Allerdings ergeben die erhaltenen Quellen nicht diesen eindeutigen Befund. 248 Frankfurter Rats-Supplikationen 1678, 73b–73r; das Schreiben ist mitunterzeichnet von J. J. Schütz. Die Frankfurter Ratsprotokolle vom 5.2.1678, 40r, 7.2.1678, 40b, notierten, dass wegen verdächtiger Bücher gegen J. E. von Merlau vorgegangen werden solle. Am 21.2.1678 wird nur vermerkt: »Johanna Eleonora von Merlau bittet um ferneren Schutz.« J. E. von Merlau hebt in ihrer Supplikation darauf ab, dass man sie nicht wie »landläuffige vagabunden« behandeln könne, Rats=Supplikationen, 21.2. 1678, 72r. Sie führe ein ehrbares Leben, von dem viele »Printzen und Prinzeßinnen« sowie Geistliche und andere Standespersonen zeugen könnten, 72b. Sie führt weiter aus, dass es sich nur um Gerüchte über sie handle, aber »meine Hochgeehrte Herrn sampt und sonders, vor Gott dem Richter der Lebendigen und der Todten, und vor aller erbaren welt nicht sagen können, daß mich jemand einiges übels vor dero Angesicht in gegenwart beschuldiget habe«, 72v–73r. 249 Vgl. auch M. Matthias, Petersen, 1993, 92; H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1993, 400. Spener schreibt am 7.4.1688 an A. E. Kißner, dass er von der angedrohten Ausweisung gehört habe; bei dieser Gelegenheit äußert er sich kritisch über Richardi, s. A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 277. 250 Aus ihren Briefen an Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz geht hervor, dass sie u. a. in Erbach und in Laubach weilte, ep. 7, 28.11.1678; ep. 8, 15.6.1680; ep. 9, 19.8.1680, abgedruckt bei M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 86–92. Zur Grafschaft Erbach-Erbach s. W. Diehl, Pfarrerund Schulmeisterbuch, 1930, 71–82; G. W. Sante, Hessen, 1967, 110f. Eventuell gab es hier mütterliche Verwandte, denn Mitglieder der Familie Gans von Otzberg kommen seit dem 15. Jh. in Erbach vor, s. G. Simon, Geschichte 1, 1858, 214f, 255, 258, 404; 3, 1865, 280f. Allerdings unternahm J. E. Petersen auch bereits vorher Reisen, denn ein Brief von J. J. Schütz vom 23.1.1677, der an »Jgfr. v. Lindau« in Zeitz adressiert ist, gibt an, dass diese sich bei »Jgfr. Merlau«
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Aus einem Brief, den Wilhelm Christoph Kriegsmann (1633–1679) an Johann Winckler schrieb, geht hervor, dass im Sommer des Jahres 1678 Hoffnungen bestanden, für J. E. von Merlau Unterkunft und Betätigung in Mannheim zu finden.251 Kriegsmann war als Kammerrat aus hessen-darmstädtischen Diensten entlassen worden, als sich dort zu Beginn des Jahres 1678 eine pietismusfeindliche Linie durchsetzte.252 Im Juli dieses Jahres berichtet er nun seinem Freund und Weggefährten über die Konditionen seiner neuen Anstellung in Mannheim durch Kurfürst Karl I. Ludwig von der Pfalz (1617–1680).253 Dieser habe mit ihm über J. E. von Merlau gesprochen und ihm in dieser Sache einen schriftlichen Entwurf mitgegeben. »Und hoffe ich wann Jungfr. Merlau das anerbieten akzeptiert, sie wird Gott u. Menschen schon dienen können«.254 Kriegsmann gibt am Schluss dieses Briefes seiner Hoffnung Ausdruck, bald mit ihr und Winckler »in vicinia« leben zu können.255 Während Winckler tatsächlich ab August 1678 ebenfalls nach Mannheim übersiedelte und eine Stelle als Festungsprediger antrat, blieb es für J. E. von Merlau bei einem Besuch in der pfälzischen Residenz.256 Nachdem J. E. Petersen Frankfurt verlassen hatte, radikalisierte sich der verbleibende Freundeskreis zusehends.257 Schütz war bereits seit 1676 dem Abendmahl ferngeblieben und seit 1682 auch dem öffentlichen Gottesdienst;258 diesem Beispiel folgten J. M. Baur von Eyseneck und Christian Fende,259 die sich seit aufhalte, Frankfurt a. M., UB, Schütz-Nachlass, Mappe 330, f. 128. Seit 1676 lebte Herzogin Sophie Elisabeth in Zeitz, so dass J. E. Petersen sich vermutlich bei dieser Freundin aus der Wiesenburger Zeit aufhielt, s. hierzu M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 75. Ein anderer Brief, den Schütz am 29.12. 1676 der Herzogin nach Zeitz schreibt, erwähnt J. E. von Merlau; aus dem Zusammenhang geht jedoch nicht eindeutig hervor, ob diese sich in Frankfurt oder in Zeitz aufhält, Frankfurt a. M., UB, Schütz-Nachlass, Mappe 330, f. 123. 251 Dies belegt ein handschriftlicher erhaltener Brief Kriegsmanns an Winckler vom 12.7.1678, SUB Hamburg, Nachlass Johann Winckler, Nr. 81, 335–337. Den Hinweis auf diesen Brief verdanke ich Dr. Claudia Tietz. 252 Spener begleitete in seinen Briefen das Schicksal von Kriegsmann und Winckler, die beide aus Darmstadt vertrieben wurden, s. P. J. Spener, Briefe 3, 2000, ep. 97, vom 18.12.1877, 467f; ep. 188, vom 27.8.1678, 865f; ep. 183, vom 19.7.1678, 850; ep. 188, vom 27.8.1678, 865–868. 253 Spener äußerte sich sehr wohlwollend über die seit 1649 entfalteten Aktivitäten dieses pfälzischen Kurfürsten, ebd., ep. 110, 542. 254 SUB Hamburg, Nachlass Johann Winckler, Nr. 81, 336. Über die Konkretionen dieses Projektes ließ sich nichts ermitteln. 255 Ebd., 337. 256 Ebd., 335. Kriegsmann berichtet, dass sie »unlängst« dort gewesen sei, dem Kurfürsten aber nicht begegnet sei. Bei wem sie sich in Mannheim aufhielt, ließ sich bisher nicht erhellen. Zu Winckler s. C. Bussingius, Johann Winckler, 1705, 33; P. J. Spener, Briefe 3, 2000, ep. 207, vom 6.10.1678, 272. 257 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 237, drückte auch Jahre später darüber noch sein Bedauern aus und betonte in einem Brief des Jahres 1698, dass er versucht habe, diese Entwicklung zu verhindern. 258 Vgl. A. Deppermann, Schütz, 2002, 180–206. 259 Dieser musste zeitweilig Frankfurt verlassen, s. H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1993, 400; zu seinen Publikationen s. ebd., 430, Anm. 126, sowie J. Wallmann, Spener, 1986, 351,
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Biographie
1682 nicht mehr am Abendmahlsbesuch beteiligten.260 Schütz starb im Jahr 1690, ohne seine Abwendung von der kirchlichen Gemeinschaft zu revidieren.261 M. J. Baur von Eyseneck nahm in ihren letzten Lebensjahren an den öffentlichen Gottesdiensten teil und ließ Spener als Beichtvater für das Sterbe-Abendmahl zu sich rufen.262 Ihren Kindern hinterließ sie eine Hertzliche Erinnerung und Vermahnung, in der sie diese tröstete, zur eifrigen Bibellektüre ermahnte und an das Geistliche Priestertum erinnerte.263
3.2 Heirat mit Johann Wilhelm Petersen Nach der Darstellung in J. E. Petersens Autobiographie fügte Gott es, »daß mein lieber Mann/ welcher mich etzliche Jahr zuvor in Franckfurt gesehen/ und in Gott kennen lernen/ einige Gedancken bekam/ mich zu heyrathen«.264 Die Autobiographin macht keine weiteren Angaben über die einige Jahre zurückliegende erste Begegnung mit J. W. Petersen, er hingegen beschrieb diese eindrücklich in seiner Autobiographie. Während seiner Gießener Studienzeit machte er einen Besuch in Frankfurt und ließ sich durch Spener ein Gespräch mit J. E. von Merlau vermitteln. So musste er bereits von ihr gehört haben oder ihr vielleicht bei einer Zusammenkunft des Collegium pietatis begegnet sein. In seiner mehr als 40 Jahre später veröffentlichten Rückblende Anm. 125. Friedrich Christoph Oetinger, Selbstbiographie, 1990, 33, schrieb über ihn: »Um dieselbe Zeit lasen wir verschiedene Büchlein des Rechtsrats Fende, die er als Assistent des berühmten Rechtsgelehrten Schütz herausgegeben hatte. In ihnen warb er für dessen Lehren und überzog er den Arianismus aus der Cabbala denudata mit Ausdrücken des Neuen Testaments.« Dem Besuch Oetingers in Frankfurt ging eine Korrespondenz mit Fende voraus, s. ebd., 50. 260 Vgl. J. Wallmann, Pietismus, 1990, 56; M. Brecht, Spener, 1993, 318. 261 Die kirchliche Bestattung kam nur unter Schwierigkeiten zustande, s. A. Deppermann, Schütz, 2002, 220f; P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 718. Die Tochter Maria Katharina Schütz (1687–1742), die als gelehrt und belesen galt, hielt in Frankfurt die Verbindung zu Fende aufrecht; F. C. Oetinger, Selbstbiographie, 1990, 50–52, nannte bei der Schilderung seines Frankfurter Besuches beide in einem Atemzug. Johann Christian Edelmann (1698–1767), Selbstbiographie, 1976, 311f, besuchte im Jahr 1739 in Frankfurt den greisen Rat Fende und in Homburg die »Jungfer Schützinn«, die ihn in finanziellen Nöten unterstützt hatte. In Homburg begründete sie die Schützsche Stiftung, s. W. Becher, Menschen, 2001, 15. 262 Die bei Arnold abgedruckte Biographie erwähnt die separatistischen Tendenzen der Frankfurter Patrizierin mit keinem Wort, sie wird als treues Mitglied der lutherischen Kirche charakterisiert, die regelmäßig Gottesdienste und Abendmahl besuchte, s. Leben der Gläubigen, 1701, 1123f. 263 Dieses geistliche Testament ist ebenfalls bei Arnold überliefert, ebd. 1127; auffallend ist eine Passage, in der die Mutter ihre Kinder bittet zu prüfen, ob sie von Gott für die Ehe oder für ein eheloses Leben berufen seien, ebd., 1138f. Hierin könnte sich die Erfahrung des gemeinsamen Lebens mit J. E. von Merlau spiegeln, das die Witwe und die unverheiratete Frau für einige Jahre so innig verband. 264 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 285.
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zeichnet er eine Beziehungsstruktur nach, in der J. E. von Merlau als die Belehrende erscheint, er selbst als der Belehrte. Bei diesem ersten Besuch überreichte er ihr eine von ihm verfertigte Disputation in der Meinung, sie würde daran Gefallen finden. »Sie antwortete mir aber: ich hätte den GOtt Petersen darinnen geehret, es würde viel mehr zu einer wahren Erkäntnüß GOttes in Christo erfordert, als solche äusserliche Gelährigkeit, damit man sich gemeiniglich brüstete, und zu der göttlichen Einfalt der himmlischen Dinge schwerlich gelangen könte, so lange man sich noch darinnen suchte, welche Rede tief in mein Hertz fiel, und gleich überzeuget ward, dass dem also wäre.«265 Bei aller sonstigen Bedachtsamkeit J. W. Petersens, sich selbst in ein möglichst günstiges Licht zu setzen, fällt die Schilderung der Begegnung mit seiner späteren Ehefrau auf. Er muss nicht um seine Reputation gefürchtet haben, wenn er sich als den Lernenden skizzierte. Nicht erst die späteren Kommentatoren, sondern bereits J. W. Petersen selber legte die Fährte zu einem Verständnis des Ehepaares Petersen als Verbindung einer inspirierenden Frau und eines ihr zustimmend nachfolgenden Mannes. Nach seiner eigenen Schilderung dieser Szene unterwarf sich der akademisch gebildete Theologe dem Urteil der in seinen Augen geistlich erfahreneren Frau. Zum Zeitpunkt seines Heiratsantrages war J. W. Petersen lutherischer Superintendent im holsteinischen Eutin. Über seinen Werdegang bis zum Jahr 1692 liegt die ausführliche Studie von Markus Matthias vor.266 Väterlicherseits aus einer Lübecker Familie stammend, wurde J. W. Petersen am 1.7.1649 in Osnabrück geboren. Kindheit und Schulzeit verbrachte er in Lübeck. Die Studienjahre von 1669 bis 1676 führten ihn vor allem nach Gießen, zwischendurch nach Rostock. In Gießen erwarb er 1672 den Magistergrad.267 1686 erhielt er von der Universität Rostock den theologischen Doktorgrad.268 Von Gießen aus hatte der Student Kontakt mit Spener und dem Kreis der Frankfurter Pietisten aufgenommen; die briefliche Korrespondenz mit Spener begann gegen Ende des Jahres 1672,269 das persönliche Kennenlernen fand 265 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 19. 266 M. Matthias, Petersen, 1993. 267 Ebd., 45: »Petersen hat ein geordnetes, in keiner Weise ungewöhnliches oder ereignisvolles Studium absolviert und es sofort auf eine leitende Funktion innerhalb der Kirche ausgerichtet.« 268 Bei J. W. Petersen finden sich keine Reflexionen darüber, dass ein akademischer Grad mit der pietistischen Programmatik nicht zu verbinden sei. A. H. Francke hingegen entschied sich nach seinem Lüneburger Bekehrungserlebnis, keine theologische Promotion anzustreben und blieb diesem Entschluss auch treu, s. J. Wallmann, Der junge Francke, 1998, 42. Nach Abschluss seines Studiums übernahm J. W. Petersen 1677 für wenige Monate eine Professur für Rhetorik in Rostock, danach wirkte er ebenfalls kurzfristig als Pastor in Hannover. Seit Mai 1678 war er Hofprediger und Superintendent des Fürstbistums Lübeck mit Sitz im ostholsteinischen Eutin, s. M. Matthias, Petersen, 1993, 96–124. 269 Briefe Speners an J. W. Petersen sind vom Februar 1673 an dokumentiert, s. P. J. Spener, Briefe 1, 1992, ep. 148, 598–600; ep. 172, 691–693; ep. 183, 736f; ep. 206, 827–831; ep. 211, 849–852.
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1674 statt. 1675 erfolgte die Begegnung mit Johann Jakob Schütz.270 In einem Brief vom August des Jahres 1676 an J. W. Petersen bestellte Spener Grüße aus Frankfurt, u. a. von J. E. von Merlau.271 Als J. W. Petersen seinen Heiratsantrag durch einen Vermittler vorbringen ließ, war J. E. von Merlau 36 Jahre alt. Dieses für eine erste Eheschließung relativ hohe Alter272 und die Umstände, dass der Bewerber bürgerlichen Standes sowie fünf Jahre jünger war als die Umworbene, verliehen dem Antrag, gemessen an den Standards der Frühen Neuzeit, gleich mehrere ungewöhnliche Züge. Auf den Heiratsantrag reagierte J. E. von Merlau nach ihrer eigenen Erinnerung zunächst abweisend.273 Sie nahm dann jedoch den brieflichen Kontakt mit J. W. Petersen auf, lehnte seinen Antrag ab und schlug ihm statt ihrer eine »junge Doctorin in Frankfurt« vor.274 Mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich hierbei um Anna Elisabeth Kißner (1652–1730), die Witwe des Dr. Johannes Kißner.275 J. W. Petersen gab jedoch nicht so schnell auf: »Entweder sie, oder keine. Schrieb zugleich an den Herrn D. Spener, er möch270 M. Matthias, Petersen, 1993, 112. 271 P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 463, ep. 96, 22.8.1676. In seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 49, hielt J. W. Petersen fest, dass er selber gerne unverheiratet geblieben wäre, seine Eltern jedoch hätten ihn zu einer Eheschließung gedrängt. In dieser Situation habe er vor folgender Schwierigkeit gestanden: »Wenn ich je heyrathen solte, so wäre niemand für mir besser, als die Fräulein von Merlau, die mir in meinem Ammte gar nicht hinderlich seyn würde, ich scheuete mich aber sie deswegen anzusprechen, damit sie nicht meynen möchte, ich hätte darum in Franckfurt ihre Bekanntschafft gesucht.« 272 Vgl. hierzu S. F. Matthews Grieco, Körper, 1994, 82: das Durchschnittsheiratsalter für Männer und Frauen lag in der Frühen Neuzeit zwischen 25 und 28 Jahren. 273 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 285. Ganz anders sah etwa die Reaktion der ebenfalls pietistisch gesonnenen A. M. von Wurm auf den Heiratsantrag Franckes aus: sie stimmte freudig zu, machte nur auf die zu erwartenden Einwände ihres Vormundes und der Brüder gegenüber einem nicht-adeligen Bewerber aufmerksam, s. G. Kramer, Francke 1, 1880, 133f. 274 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 50; vgl. J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 285, wo sie, auch ohne Namensnennung berichtet, dass sie »eine andere sehr tüchtige Person« vorschlug. 275 Zu ihrer Person s. J. Taege-Bizer, Weibsbilder, 1998, 123–128; K. v. Orde, Spener, 2000, 206–211. A. E. Kißner entstammte der Familie Eberhard von Schwind, die zu der Frankfurter Patrizier-Gesellschaft der Frauensteiner gehörte, in der sich ratsfähige Familien zusammengeschlossen hatten, s. G. L. Soliday, Community in Conflict, 1974, 84–92. Zu der Familie Schwind, die mehrere Male die Frankfurter Bürgermeister stellte, s. H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 84, 176. Die Frankfurterin verband eine besonders enge Freundschaft mit P. J. Spener, die durch einen ausführlichen Briefwechsel belegt ist, s. hierzu A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35; ders., Berliner Briefe, 1935. Für Speners Schrift Natur und Gnade, 1687, erstellte A. E. Kißner einen Anhang mit Texten aus der deutschen Mystik; ebd., Vorrede, 463f, erwähnt Spener lediglich eine »Christliche person«, ohne ihren Namen zu nennen. Spener widmete ihr seine 1699 erschienenen Ersten Geistlichen Schriften. Bei G. Arnold, Leben der Gläubigen, 1701, 1143–1158, sowie in der von J. H. Reitz herausgegebenen Historie der Wiedergebohrnen III, 1701, 159–170, findet sich ein Bericht über die Tochter Elisabeth Kißner, die 1697 im Alter von 20 Jahren verstarb. Die Angabe von M. Matthias, Petersen, 1993, 125, Anm. 46, dass A. E. Kißner 1690 gestorben sei, scheint auf einer Verwechslung mit der Tochter zu beruhen.
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te sie darzu bereden, worzu auch der Herr Lic. Schütz, der neulich geheyrathet hatte, ein redliches gethan hat.«276 Einen Brief des Heiratsbewerbers an ihren Vater hielt J. E. von Merlau anfänglich zurück, dann schickte sie diesen jedoch weiter und »war dabey also still/ als ob mirs nichts angienge«.277 Die Entscheidung wurde wieder dem Vater J. E. von Merlaus überlassen. Georg Adolph von Merlau machte als Einwände gegen die beabsichtigte Eheschließung zwei Gründe geltend: Er möchte seine Tochter in der Nähe behalten, und der Bewerber gehöre nicht dem Adelsstand an. Der Schwager J. E. von Merlaus, Johann Reinhard von Dornfelden, meldete ebenfalls gravierende Bedenken wegen der bürgerlichen Herkunft des Bewerbers an.278 Eheschließungen, die die frühneuzeitlichen Standesgrenzen außer Acht ließen, kamen im Umfeld des Pietismus öfter vor.279 A. H. Francke hatte mit Widerständen von Seiten der Familie seiner Braut, A. M. von Wurm, gerechnet. In einem Brief an Spener schrieb er, er befürchte ablehnende Reaktionen der Brüder, »welche . . . es auch um des weltlichen Adels willen ihnen werden schimpflich achten«.280 1694 kam die Eheschließung jedoch zustande.281 Hans Schneider konstatiert unstandesgemäße Ehen, bei denen adlige Frauen sich mit Männern des Bürgerstandes verbanden, vor allem für den radikalen Pietismus.282 Die schließlich erfolgreiche Werbung J. W. Petersens um J. E. von Merlau sowie die übrigen Beispiele deuten darauf hin, dass die Vernachlässigung standeskonformen Verhaltens nicht ausschließlich im radikal-pietistischen Milieu angesiedelt werden darf, sondern zu den Strukturmerkmalen der gesamten pietistischen Bewegung gezählt werden muss.283 276 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 50. 277 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 286. 278 Ebd., 286. 279 Barbara Cordula von Lauter war zweimal mit nicht-adeligen Geistlichen verheiratet, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen IV, 1716, 230–241. Anna Catharina von Friedeborn (1665–1716) ging nach zwei standesgemäßen Ehen eine dritte mit dem Pastor Peter Mahler ein und erntete dafür Kritik, ebd., VI, 1730, 276–291. Magdalene Wilhelmine von Solms-Laubach (1668–1719) ging ebenfalls eine bürgerliche Ehe ein, ebd., IV, 1730, 291–309. 280 Zit. bei G. Kramer, Beiträge, 1861, 310. 281 Die Trauung vollzog ein Freund Franckes, der Quedlinburger Hofdiakon Johann Heinrich Sprögel (1644–1722) auf Gut Rammelburg, s. P. Raabe, Vier Thaler, 1998, 88. Der Pietismusgegner Samuel Schelwig (1643–1715) berichtet in seinem Itinerarium, 1695, 6–8, von einem pietistischen Studenten namens Paul Bleibel, der eine »Adeliche Dame« heiratete. In Bremen ehelichte 1717 der reformierte Geistliche Friedrich Adolph Lampe (1683–1729) Marie Sophie Eleonore Reichsfräulein von Diemar, s. G. Mai, Reformbewegung, 1979, 272. 282 H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1993, 398. Noch gegen Ende des 18. Jh. galt eine Eheschließung zwischen einer Adligen und einem Bürgerlichen als ungewöhnlich. Ohne pietistischen Hintergrund heiratete Gräfin Auguste Friederike von Stolberg (†1783) nach zwei standesgemäßen Ehen 1777 den Erlanger Arzt und Professor Friedrich Wendt, s. E. Kähler, Der Dritte, 1975. Eher pietistisch motiviert war hingegen die Eheschließung der Gräfin Christiane Luise von Sayn-Wittgenstein mit dem Prediger Johann Jakob Bierbrauer, ebd., 125. 283 Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf heiratete nach dem Tod seiner ersten standesgemäßen
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Die wider alles Erwarten erfolgte Zustimmung Georg Adolph von Merlaus erklärte J. W. Petersen mit dem Eingreifen Gottes. Er beschreibt seine Reaktionen auf die briefliche Einwilligung: »Diesen Brief schickte mir meine liebe Johanna zu, und D. Spener gratulirte mir auch darzu. Wer war frölicher als ich, als ich merckte, daß mein Gebeth erhöret worden, und daß es die sey, die mir von GOtt zugedacht wäre.«284 In J. E. Petersens Autobiographie klingt die Schilderung dieser Ereignisse viel nüchterner: »mein seeliger Vater gab das Ja von sich. Darauff mein lieber Mañ nach Franckfurt reisete/ und unsere Trauung am 7. Septembr. 1680. von D. Spener geschahe«.285 J. E. Petersen hält in ihren Erinnerungen fest, dass etwa 30 Personen an der Hochzeitsfeier in Frankfurt teilnahmen.286 Die von Spener gehaltene Traupredigt hatte Eph 5,32 zur Textgrundlage.287 Der Ton seiner Ansprache unterstreicht, dass er den Eindruck hatte, vor Gleichgesinnten sehr offen sprechen zu können.288 Der Prediger thematisiert die Kritik an einer Eheschließung, bei der Mann und Frau unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen angehören. »So man dann noch heut zu tag sich sehr/ und wohl öffters zur ungebühr/ verwundert, oder gar mit verletzung des Christenthums übel davon urtheilet/ da sich einige personen mit einander vermählen/ welche in gewissen stücken des äusserlichen herkommens/ stands/ reichthums/ schönheit und dergleichen/ einander nicht gantz gleich zu seyn scheinen«.289 Die Maßstäbe »der welt« gelten jedoch für Christen nicht; Spener weist die versammelte Gemeinde als Analogie auf Christus als Bräutigam hin, der sich in seiner Liebe über eine ganz unwürdige Braut, nämlich die Gemeinde der Gläubigen, erbarmt habe.290 Die Einbeziehung der Idee des geistlichen Priestertums deutet ebenfalls auf die enge gedankliche Verflechtung des Predigers mit der versammelten Gemeinde hin.291 Gattin Erdmuthe Dorothea von Reuß-Ebersdorf im Jahr 1756 die mährische Bauerntochter Anna Nitschmann (1715–1760), deren Familie zu der Gründergeneration von Herrnhut gehörte, s. D. Meyer, Zinzendorf, 1995, 57; M. H. Jung, Frauen, 1998, 61–73. 284 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 50f. 285 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 287. Das Frankfurter Traubuch, das als zentrales kirchliches Register für alle in der Stadt vollzogenen kirchlichen Trauungen diente, enthält keinen Eintrag über eine Eheschließung Merlau/Petersen, Stadtarchiv Frankfurt, Microfilm 1678–1692, Bl. 44/90. Ein Eintrag über die Eheschließung von J. J. Schütz mit Catharina Elisabeth Bartels (1652–1721) am 24. Mai 1680 ist hingegen vorhanden. H. Greuner, Rangverhältnisse, 1956, 29f, erwähnt nur kurz die Frankfurter Hochzeitsverordnungen des frühen 18. Jh. 286 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 287; sie erwähnt dabei ausdrücklich ihren Vater, die Fürstin von Philippseck sowie Günther Heiler (1645–1707), 288. Zu letzterem, der 1688 Superintendent im brandenburgischen Hinterpommern wurde, s. M. Brecht, Spener, 1993, 356f. 287 P. J. Spener, Vereinigung Christi, 1680; M. Jung, Frauen, 1998, entstellt den Inhalt der Predigt, wenn er angibt, dass die Unterordnungsforderung für Frauen aus Eph 5,22 den Skopus bildete. 288 P. J. Spener, Vereinigung Christi, 1680, 361. 289 Ebd., 371f. 290 Ebd., 372. 291 Ebd., 385.
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Aufgrund seiner persönlichen guten Kenntnis des Ehepaares bringt er seine Überzeugung zum Ausdruck, »daß sie solchen ihren ehestand warhafftig mit GOtt und dessen anruffung angefangen«.292 Zum Schluss formuliert der Prediger Segenswünsche, die für J. E. Petersen lauten: »Er lasse sie ihme seyn eine gesegnete gehülffin nicht nur in seinem amt/ daß sie mit gutem exempel das jenige in den augen der zuhörer bekräfftige/ was er mit dem wort ihren ohren vorträgt/ und der Herr beydes in die hertzen kräfftig zu vieler frucht eingedruckt wolle werden lassen: Ja/ daß sie ihn selbst offt auffmuntere/ und mit ihrem angenehmen gottseligen umgang/ zuspruch/ trost und exempel die last seines so schweren und wichtigen amts erleichtere.«293 Gemeinsam mit Eleonora von Praunheim, der Nichte, die im Saalhof bei J. E. von Merlau gelebt hatte, brach das Paar zur Reise auf,294 die über Holland nach Norddeutschland führte. J. W. Petersen machte in seiner Autobiographie detaillierte Angaben zur Reiseroute und zu den in Holland aufgesuchten Persönlichkeiten,295 J. E. Petersen dagegen schilderte ausführlich die Umstände der schweren Erkrankungen, die alle drei unterwegs erlitten.296 EutinundLün eburg
4. Eutin und Lüneburg 4.1 Familie, kirchliches und schriftstellerisches Engagement Acht Jahre verbrachte die Familie Petersen in Eutin, bis J. W. Petersen 1688 einem Ruf zur Übernahme der Superintendentur in Lüneburg folgte. Die kirchliche Karriere J. W. Petersens endete 1692 mit seiner Suspendierung, in deren Folge die gesamte Familie das Gebiet des Fürstentums Lüneburg297 verlassen musste. In diesen Jahren brachte J. E. Petersen Kinder zur Welt, begleitete und unterstützte ihren Ehemann bei seinen dienstlichen Aufgaben und veröffentlichte ihre ersten Bücher. 292 Ebd., 388. 293 Ebd., 389. 294 Justus Blanckenhagen (1657–1713), der spätere Superintendent in Reval, stattete während einer Studienreise im Jahr 1680 Spener einen Besuch ab. Hier traf er am 15.9.1680 auf J. W. Petersen, so lautet der Eintrag des Tagebuches von Blanckenhagen, s. J. K. von Schroeder, Begegnung, 1977, 143. Demnach kann die Reise nicht vor Mitte September 1680 begonnen worden sein. 295 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 52; er gab ferner an, dass die Reise auf dem Rhein begann »auf einem eigenen gedungenen Schiffe«, ebd., 52. 296 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 288–290. Wie lange diese Nichte bei den Petersen blieb, ist nicht bekannt. J. E. Petersen berichtet, dass es in Eutin Gerüchte gab, »als ob meiner Schwester Töchterchen . . . mein Huren=Kind/ und das wäre die Ursache/ daß ich aus meinem Stand geheyrathet«, ebd., 290f. 297 Zur Geschichte des Fürstentums s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 366f.
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In Eutin stand J. W. Petersen im Dienst des Lübecker Fürstbischofs und Herzogs von Holstein-Gottorf August Friedrich (1666–1705).298 In der kleinen Residenzstadt Eutin diente neben der Schlosskapelle die St. Michaeliskirche als Predigtstätte des Superintendenten.299 Die pfarramtliche Tätigkeit J. W. Petersens lässt keine auffallenden pietistischen Akzente erkennen.300 Auch J. E. Petersen trat nicht mit spektakulären Vorkommnissen in Erscheinung. Sie nahm Anteil an den Ereignissen, die das Amt ihres Ehemannes prägten.301 Einige der von J. W. Petersen festgehaltenen Erinnerungen lassen allenfalls vermuten, dass J. E. Petersen sich über das erforderliche Maß hinaus an den Aufgaben seines Amtes beteiligte. 1687 besuchten beide im Lübecker Gefängnis einen inhaftierten Kleinschmied-Gesellen, der wegen sozinianischer Überzeugungen angeklagt war.302 Ferner begleitete sie ihren Ehemann auf einer Reise nach Lüneburg und nahm dort an theologischen Gesprächen, die vornehmlich den Chiliasmus zum Inhalt hatten, teil.303 In die Eutiner Jahre fallen die Geburten von zwei Kindern,304 von denen das älteste, der Sohn August Friedrich, am Leben blieb.305 Die Geburt ihres ersten Sohnes, der am 2.8.1682 zur Welt kam, war für J. E. Petersen eine religiös wichtige Erfahrung, die sie in unterschiedlichen Kontexten reflektierte. Die 1689 im Zusammenhang ihrer Erinnerungen gedruckte Version weicht in Bezug auf einige Aspekte deutlich von der ersten schriftlichen Äußerung ab. Am Ende des Jahres 1682 schilderte sie dem Freund ihres Mannes, dem 298 Von 1586–1803 nahmen Herzöge des Hauses Holstein-Gottorf das Amt des Fürstbischofs von Lübeck wahr. Eutin wurde zur fürstlichen Residenz des Hochstiftes Lübeck, s. G. Peters, Eutin, 1958, 71. 299 Um 1650 hatte Eutin etwa 500 Einwohner; 1689 wurden große Teile der Stadt und auch des Schlosses durch einen Brand zerstört, ebd., 77, 112. 300 O. Rönnpag, Petersen, 1995, bietet keine neuen Erkenntnisse für die Eutiner Zeit, sondern stellt im Wesentlichen eine Rezension von S. Luft, Leben, 1994, dar. Zum Pietismus in Schleswig-Holstein s. M. Jakubowski-Tiessen, Früher Pietismus, 1983. 301 Während für Rolle und Aufgabe der Pfarrfrau in der Frühen Neuzeit erste Untersuchungen vorliegen, gibt es bisher keine Analysen über das Profil von Ehefrauen der pietistischen Geistlichkeit; s. B. Beuys, Pfarrfrau, 1984; L. Schorn-Schütte, Gefährtin, 1993. 302 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 67–70. Der Vorwurf des Sozinianismus wurde in den theologischen Kontroversen ähnlich unspezifisch angewendet wie die Begriffe Quäker, Schwärmer u. ä. Auch Pietisten wie Spener mussten sich dagegen verwahren, Sozinianer zu sein, s. hierzu J. Wallmann, Sozinianismus, 1995. 303 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 79–81. 304 Der zweite Sohn, der Ignatius heißen sollte, kam tot zur Welt, ebd., 62. U. Gleixner, Todesangst, 2002, untersucht die Erfahrungen und religiösen Deutungen von Schwangerschaft und Geburt bei Pietistinnen; s. auch P. Veit, Kirchenlied, 2002. 305 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 293; bei S. Luft, Leben, 1994, 91, findet sich die nicht korrekte Angabe, dass das Ehepaar Petersen insgesamt vier Kinder hatte. Taufpaten für August Friedrich Petersen waren der Herzog von Holstein-Gottorf, Spener sowie der Hamburger Prediger Detlef Beckmann (1645–1684), J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 64. Beckmann war seit 1680 an der Hamburger Nicolai-Kirche tätig, s. F. Hammer/H.v. Schade, Hamburger Pastoren 2, 1995, 37.
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Kieler Theologieprofessor Christian Kortholt (1632–1694) ihre Erfahrungen.306 Während J. W. Petersen bereits seit 1677 mit Kortholt korrespondierte, wirkt dieses Schreiben J. E. Petersens wie eine erste eigenständige Kontaktaufnahme.307 Der Name des Kieler Theologen war ihr allerdings bereits seit längerer Zeit bekannt, denn im Dezember 1674 hatte Spener ihr nach Wiesenburg ein Buch dieses Autors geschickt: »von den lieben verfolgten Christen der ersten Kirchen«.308 Spener weist ausdrücklich darauf hin, dass in diesem Traktat die »theuren streiter und streiterinnen« der Alten Kirche mit ihrem standhaften Bekenntnis zu Christus vor Augen geführt werden. In ihrem Brief an Kortholt bezieht sich J. E. Petersen auf die Lektüre eines seiner Bücher, bittet um das Gebet für ihre Angehörigen und kommt dann auf ihr »liebes söhnlein« zu sprechen.309 Die Briefschreiberin sieht diesen Sohn als Zeichen der Gnade und Barmherzigkeit Gottes und wünscht sich, dass er »viel früchte bringen« möge »zum ewigen Leben«. Sie fährt fort: »Es ist eine große gabe solche Kinder haben die dem Herrn angehören aber kinder von dieser welt bekomen, ist ein großer verlust, darumb habe ich meinen Gott . . . von hertzen gebetten mich zu bewahren vor solchen kindern damit ich nicht eine Mutter seyn möchte derer, die seinen H. nahmen verlästerten, sondern lieber mein Leib möchte verschlossen bleiben alß der welt zu gebären.« Dann folgt der Bericht über die aufgeschlagene Bibelstelle, die auch in der Kurtzen Erzehlung eine zentrale Rolle spielt, wobei in dieser ersten Fassung nur der »H. Pastor Linekogel« vorkommt und nicht dessen Ehefrau. 1682 versteht J. E. Petersen den Text Röm 9,9 als direkte Ankündigung für sich
306 Kortholt war als Theologe vor allem auf dem Gebiet der Kirchengeschichte und der Praktischen Theologie tätig; eine neuere Biographie fehlt. Mit führenden Pietisten wie Spener und Francke freundschaftlich verbunden, teilte er etliche ihrer Anliegen, kann jedoch nicht als Vertreter des Pietismus gelten. P. J. Spener, Pia Desideria, 1675, 13, wies auf ihn als seinen Freund und Gesprächspartner hin. Vgl. ferner GVUL 15, 1737, 1659f; AGL 2, 1751, 2149–2151; P. Tschackert, Kortholt, 1902; W. Halfmann, Kortholt, 1930, bes. 76–79; H. Leube, Orthodoxie, 1975, 22; E. Peschke, Theologie, 1971; ders., Bekehrung, 1977, 41–64; J. Schmidt/J. Alwast, Kortholt, 1982. 307 Die Briefe sind handschriftlich erhalten in Kiel, UB, Epistolae 46 ad Kortholtum, S. H. 406, A3, 46. Dieser Band enthält an Kortholt gerichtete Schreiben. Von J. W. Petersen stammen die Briefe 7–12 aus den Jahren 1677 bis 1691. Am 9.12.1691, ep. 12, unterrichtete J. W. Petersen den Kieler Freund über die Vorkommnisse und Gerüchte im Zusammenhang mit J. R. von Asseburg. Zeugnisse aus späteren Jahren gibt es nicht. Von J. E. Petersen stammen drei Briefe, ep. 13–15, aus der Zeit von 1682 bis 1691. Aus diesen Schreiben ist kein Grund ersichtlich, der 1691 zu einem Abbruch des Austausches geführt haben könnte. 308 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 857; es war Kortholts Traktat Kreutz=und Gedult=Spiegel. 309 J. E. Petersen an Kortholt, Kiel, UB, ep. 13, vom 29.12.1682, geschrieben in Eutin. Bei dem Buch handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Kortholts Weiblichen Tugend=Spiegel von 1682. Die Briefschreiberin erwähnt die »guten Exempel der tugendsamen weibes=personen die darinnen vor gezeiget werden«, denen sie selber sich bemühe nachzueifern. Ihr Augenmerk richtet sie dann auf Christus als »Exempel aller Exempel«, dem nachzueifern sei.
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und ihren Ehemann310 und sieht die Bestätigung dafür darin, »dass ich nach verfließung deß Jahres mein liebes söhnlein bekommen alß einen Sohn der verheißung«. Dieser Brief unterstreicht, wie unmittelbar J. E. Petersen die direkte Anrede und auch das Eingreifen Gottes für sich und ihre Familie in Anspruch nahm. Und obwohl sie für die Öffentlichkeit ihre Zuversicht in Bezug auf den Sohn nicht abschwächte oder gar zurücknahm, so wirken im Vergleich die wenige Monate nach der Geburt niedergeschriebenen Zeilen noch sehr viel stärker als religiöse Überhöhung verständlicher Wünsche einer Mutter. In der einige Jahre später gedruckten Fassung ist weiter vom »Sohn der Verheissung« als dem zentralen Topos die Rede.311 Bei dem Besuch des holsteinischen Pastorenehepaares Linekogel in Giekau312 wurde die durch die Methode des Däumelns313 gefundene Bibelstelle als Verheißung einer Schwangerschaft für Johanna Linekogel verstanden.314 Als J. E. Petersen selbst etliche Zeit später erste Kindesregungen spürte,315 bezog sie die Ankündigung des Sohnes aus Röm 9,9 auf ihre eigene Schwangerschaft. Diese Beschreibungen J. E. Petersens zogen literarische Auseinandersetzungen nach sich, die bis an das Ende 1690er Jahre fortwirkten. Sie selber schrieb einige Jahre später: »Weiter ist einigen am aller anstößlichsten gewesen/ daß ich die Begebenheit von der Empfängniß meines Sohnes gesetzet/ und ihn darauff einen Sohn der Verheissung genen310 Sie schreibt: »diß ist ein wort der verheißung, welches wort mein lieber man im glauben an nahm«. 311 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 294; zu den besonderen »Merckzeichen« rechnete sie, dass er bereits einen Tag nach seiner Geburt den Kopf hochhob und umherschaute, s. ebd., 295. 312 Johann Christoph Linekogel († 1717) wurde im Jahr 1700 unter dem antipietistischen königlichen Generalsuperintendenten Josua Schwartz (1632–1709) von seinem Amt suspendiert, weil er ein aus dem Holländischen übersetztes Buch über den Sabbat herausgebracht hatte, s. hierzu E. Hoffmann, Landesherrliches Kirchenregiment, 1984, 118. Ein Jahr später konnte er allerdings sein Pfarramt wieder antreten, s. auch AGL 2, 1750, 2453; J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 781; M. Jakubowski-Tiessen/H. Lehmann, Pietismus, 1984, 278, 287. 313 Das so genannte Däumeln, das Aufschlagen der Bibel an einer beliebigen Stelle unter der Annahme, dass diese dann einen persönlich zu applizierenden Zuspruch enthalte, war im Umkreis des Pietismus beliebt und verbreitet. Spener wandte diese Methode bzw. eine ähnliche wie das Losverfahren gelegentlich an, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 317; P. Grünberg, Spener 1, 1893, 422; ders., Spener 2, 1905, 162f; A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 293f; ders., Berliner Briefe, 1935, 120, Anm. 7. Die Herrnhuter Losungen kamen durch ein ähnliches Verfahren zustande, s. D. Meyer, Zinzendorf, 1995, 28. Zur Verbreitung dieser Art der Bibellektüre s. auch J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 199. Das Däumeln im Zusammenhang mit der Geburt A. F. Petersens kritisierten insbesondere der anonyme Traktat Weiteres Nachdencken, 1692, 14, sowie F. C. Bücher, Lutherus Anti-pietista, 1701, 71. 314 In Röm 9,9 wird Gen 18,10, die Ankündigung der Schwangerschaft Saras, zitiert. 315 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 294; zu den ersten Kindesregungen als Diagnose für eine Schwangerschaft s. M. E. Wiesner, Women and Gender, 1993, 64; vgl. auch B. Duden, Frauenleib, 1991, 92–103, 109–118; dies., Konzeptionen, 2002. Zur Anwendung dieser Beobachtungspraktiken in der Spätantike s. I. Ritzmann, Abtreibung, 1994.
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net/ indem sie gemeynet/ ich wolte etwas Sonderliches aus meinem Sohn machen/ ja gar einen neuen Meßias aus ihm haben.«316 Der heftigste Angriff kam von Johann Peter Späth (1644–1701), der nach zeitweiser Sympathie für den Pietismus zum Judentum konvertiert war.317 Seine Zweifel an der Göttlichkeit Jesu begründete er damit, dass ihm durch die Darstellung J. E. Petersens klar geworden sei, in welcher Weise Maria ihrem Kind Jesus seine Göttlichkeit und Messianität suggeriert habe. In einem Brief an J. E. Petersen schrieb Späth: »wenn einem Kinde von jugend auf dergleichen eingeblasen wird/ als eben E.Edl. die nicht befreyet von solcher Wahnsucht/ der Welt in ihrem Buche bewiesen haben/ ohne was sie andern/ und mir selbst in Geheim vertrauet/ daß sie/ ohn Mannes zuthun/ diesen ihren Sohn der Verheissung gebohren/ und so gut noch Jungfer sey/ als ein Kind von sieben Jahren welches denn die sonst unmüglich zu verstehende Gebuhrt CHristi sehr erklähret«.318 Beide Petersen wehrten sich gegen die »teuffelische Lügen« und beteuerten die ganz normalen Umstände der Erzeugung und Geburt ihres Sohnes.319 Gleichwohl war es J. E. Petersen wichtig zu unterstreichen, dass das Ideal der Keuschheit durch eine Eheschließung nicht beeinträchtigt werden dürfe. Sie betonte in ihrer Autobiographie, dass Gott ihr »von Jugend auf ein keusches Hertz gegeben, daß ich in Demuth meines Hertzens wohl sagen kan, daß ich nicht allein meinen ledigen Stand in Jungfreulicher Keuschheit zugebracht, sondern auch durch GOttes Gnade meinen Ehestand mit keuschem Hertzen führe.«320 Mit der 1688 erfolgten Berufung nach Lüneburg übernahm J. W. Petersen ein bedeutendes Superintendentenamt, das ihn auf eine weitere kirchliche oder universitäre Karriere hoffen lassen konnte. In Lüneburg trat er die Nachfolge Kaspar Hermann Sandhagens (1639–1697) an, der der pie316 J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, Vorrede )()(1r-v. Während J. E. Petersen es als Unterstellung zurückwies, ihren Sohn für den Messias zu halten, gab es solche Erwartungen in radikalpietistischen Gruppierungen. So nahm Eva von Buttlar an, den Messias zur Welt gebracht zu haben, s. B. Hoffmann, Radikalpietismus, 1996, 123. Anna vom Büchel (1698–1743), die 1734 den Elberfelder Bandfabrikanten Elias Eller (1690–1750) heiratete und um die herum sich eine Art von philadelphischer Sozietät bildete, knüpfte an die Geburt ihres Sohnes ebenfalls messianische Erwartungen. Auf ihre Person wurde von ihren Anhängern die Frauengestalt aus Apk 12 bezogen, s. J.F. G. Goeters, Reformierter Pietismus, 1995, 413. J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 409, kolportiert über Rosina Kuhlmann, die Mutter von Quirinus Kuhlmann (1651–1689), »daß sie sich feste eingebildet/ sie würde einen Sohn der Verheissung zur Welt bringen/ welcher Wunder thun/ und Israel erlösen werde«. 317 Vgl. auch Unschuldige Nachrichten 1704, 715f, wo J. W. Petersen und der von ihm vertretene Chiliasmus als Ursache der Konversion Späths gesehen werden. 318 Dieser Brief ist abgedruckt bei J. W. Petersen, Geist deß Wider=Christs, 1699, 64. 319 Ebd., 67. J. W. Petersen druckte in diesem Buch, 66–68, eine Erwiderung seiner Ehefrau ab, in der diese erklärte, dass Späth ihre Äußerungen über die »Hertzens=Keuschheit«, die auch in der Ehe bewahrt werden könne, völlig missverstanden habe. 320 J. E. Petersen, Leben, 1718, 32. Die Hochschätzung der Keuschheit im Pietismus belegt das von J. A. Freylinghausen herausgegebene Gesangbuch, das als Abschnitt 32 Lieder »Von der Keuschheit« enthält, Neues Geist=reiches Gesangbuch, 1726.
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tistischen Bewegung verbunden war, jedoch darin keine exponierte Stellung einnahm.321 Sandhagen galt als bedeutender Exeget, der regelmäßig Studenten in sein Haus aufnahm, um diese zu unterrichten.322 Obzwar er ebenfalls dem Chiliasmus zuneigte, unterschied sich seine Position erheblich von der des Ehepaares Petersen.323 Anders als in Eutin war J. W. Petersen in Lüneburg auf die Zusammenarbeit mit Kollegen an derselben Kirche und in derselben Stadt angewiesen, ein Umstand, der sich von Anfang an als Konfliktherd erwies. Während J. E. und J. W. Petersen sich in den Eutiner Jahren zwar zunehmend mit dem Chiliasmus beschäftigt hatten, diesen jedoch nicht ostentativ in die Öffentlichkeit trugen, stand die pfarramtliche Tätigkeit J. W. Petersens in Lüneburg von Anfang an im Zeichen seiner chiliastischen Überzeugung. Hieran entzündeten sich im Verlauf der wenigen Jahre bis 1692 weitere Auseinandersetzungen. Sehr viel stärker und offener als in Eutin pflegten die Petersen in Lüneburg Kontakte zur pietistischen Scene, so dass es auch deswegen zu einer zunehmenden Distanzierung zur lutherischen Geistlichkeit Lüneburgs kam.324 J. W. Petersen stellt seine Lüneburger Gemeindearbeit in einem ausschließlich positiven Licht dar und gibt an, dass er 800 Beichtkinder zu versorgen hatte.325 Zu den Unternehmungen J. E. Petersens während der Lüneburger Zeit gehört eine Reise in das böhmische Bad Teplitz. Auf dem Weg dorthin 321 Bevor Sandhagen 1672 nach Lüneburg kam, war er Rektor in Bielefeld gewesen und hatte von dort aus Kontakte zu den Labadisten in Herford gepflegt, s. J. G. Bertram, Lüneburg, 1719, 236–256. Die aus Amsterdam ausgewiesene Separatistengemeinde um Jean de Labadie, zu der auch A. M. van Schurman gehörte, siedelte von 1670–1672 auf dem Gebiet der Herforder Abtei, das Elisabeth von der Pfalz (1618–1680) als Äbtissin unterstand, s. R. Pape, Sancta Herfordia, 1979, 221–230. 322 Bei ihm hielt sich A. H. Francke von 1687–1688 auf, um seine exegetischen Kenntnisse zu vervollständigen. Hier ereignete sich seine Bekehrung, die er eindrücklich beschrieb: A. H. Francke, Lebensläufe, 1999, 25–31. 323 Nachdem die Berufung für J. W. Petersen bereits ausgesprochen war, wollte Sandhagen gern in Lüneburg bleiben. Dabei hatte er Teile des Rates der Stadt hinter sich. Zu den Auseinandersetzungen s. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 86–123; M. Matthias, Petersen, 1993, 208–215. 1689 übernahm Sandhagen schließlich das Amt des Generalsuperintendenten in Schleswig-Holstein. 324 Einer der Kollegen J. W. Petersens, Georg Meyer (1632–1695), warf dem Superintendenten vor, dass er in seinem Haus »Chiliastische conventicula« gehalten habe, Geistlicher Brieff=Wechsel, 1692, 61. Ferner beklagte Meyer, dass J. W. Petersen »samt seinem Haußgesinde des Sontags Morgens wenig in der Kirchen unter öffentlicher Gemeine sich finden lassen«, ebd., 61. Stattdessen habe er auf einer »Hauß=Canzel« gepredigt, die sein Sohn gebaut habe, ebd., 60. J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 476, gibt an, dass J. E. Petersen »verdächtige conventicula gehalten habe« und viele Leute an sich zog. Dass sie allerdings eine »so genannte Patriarchalische und Apostolische Gesellschafft« gegründet habe, lässt sich nicht nachweisen. Eventuell liegt hier eine Verwechslung mit der in London entstandenen Philadelphischen Sozietät vor. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 360f, und H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 70f, übernehmen diese Notiz Feustkings kommentarlos. 325 J. W. Petersen, Ablehnung der schändlichen Aufflagen, 1692, 2.
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besuchte das Ehepaar den alten Freund Spener in Dresden.326 Im Mai 1690 hielt sich J. E. Petersen in Leipzig auf, u. a. bei der Spitzenwäscherin Catharina May, in deren Unterkunft pietistische Konventikel stattfanden.327 Für den Herbst 1691 ist ein weiterer Besuch J. E. Petersens in dieser Stadt bezeugt.328 Auf intensive Kontakte nach Erfurt weist ein Brief J. E. Petersens an Maria Elisabeth Urbich hin, der in den Akten über die dortigen pietistischen Auseinandersetzungen des Jahres 1691 erhalten blieb.329 Auch eine briefliche Äußerung Friedrich Brecklings aus dem Jahr 1691 deutet darauf hin, dass beide Petersen äußerst aktiv ihre neue Rolle im pietistischen Milieu wahrnahmen. Er schreibt nämlich, dass er es begrüße, »daß H. Petersen und seine Liebste so treulich mit ihrem Pfunde wuchern und so allenthalben herumreisen, ihre Gaben fortzupflanzen, welches ein recht apostolischer Weg und heut viel nötiger als das Predigen ist.«330 Aus einem Brief an A. H. Francke nach Erfurt geht hervor, dass J. E. Petersen für diesen bei den Lüneburger Buchdruckern und Verlegern Stern Bibeldrucke besorgte und sich um den Versand kümmerte.331 Zur Familie des Superintendenten gehörte ein Erzieher für den Sohn, dies entsprach den frühneuzeitlichen Standards. In Lüneburg und zunächst auch noch in Magdeburg nahm Johann Christian Lange († 1723) diese Aufgabe wahr. Über die erzieherischen Pflichten hinaus war er der Familie Petersen 326 P. J. Spener schrieb am 30.6.1690 an A. E. Kißner: »Herr D. Petersen und sie waren nächst hie, er zwar nur 1 1/2 Tag, sie aber, weil sie das Teplitzer Bad brauchte, kam nochmal hieher, da er stracks zurückgemußt. Ihre Conversation war mir angenehm«, zit. nach A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 296. Teplitz war berühmt wegen seiner warmen schwefelhaltigen Quellen, s. GVUL 44, 1745, 916–955. 327 Vgl. H. Schieckel, Stammbuch, 1986, 138. 328 H. Leube, Orthodoxie, 1975, 236f, gibt zeitgenössische Berichte über diese Besuche wieder. 329 Der Brief ist als Abschrift vorhanden, AFSt D 89, 1061a. Die Abschrift wurde beglaubigt von dem Erfurter Stadtschreiber Emanuel Hogel. Der Band D 89 enthält Aktenmaterial aus dem Jahr 1691, so dass sich die Datierung des Briefes aus diesem Befund ergibt. J. E. Petersens Brief enthält kein Datum. Sie redet die Empfängerin als »vielgeliebte Schwester« an und grüßt selber als »Schwesster in dem Herrn«. Da J. E. Petersen sich für ein Schreiben vom 10.12. bedankt, muss bereits ein Briefaustausch vorgelegen haben. J. E. Petersen ermuntert die Angeschriebene: »Sie fahre fort meine Schwester, ihren Heiland und seine Gliedmaßen zu lieben, so wird sie seine wunderbahre Liebe erkennen lernen, wie nahe der Tag seiner Zukunfft, damit er seine Lieblinge tröstet, und starck machet, gegen Welt, sünder, tod Teuffel u. Hölle anzugehen, und im Glauben alles zu wagen.« Aus den Grüßen J. E. Petersens an »alle liebe Kinder Gottes von uns« lässt sich schließen, dass sie und ihr Ehegatte die Erfurter pietistischen Aufbrüche begleiteten und unterstützten. 330 F. Breckling an den Hamburger Buchhändler Heinrich Betke, 29.5.1691, zit. bei T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 158, Anm. 39. 331 Als Abschrift liegt dieser Brief vom 29.12.1690 in Halle, AFSt D 84, 98f. Francke hatte um 300 Exemplare des Neuen Testamentes gebeten, J. E. Petersen konnte allerdings nur 200 erhalten. Dieser Brief deutet auf einen regen Austausch zwischen Lüneburg und Halle hin, wofür allerdings keine weiteren Schreiben von oder an J. E. Petersen vorliegen. Zu Francke s. F. de Boor, Francke, 1983.
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durch die gleiche pietistische Ausrichtung verbunden.332 In späteren Jahren jedoch vertrat er eine äußerst moderate kirchenpolitische Linie, die keine radikal-pietistischen Ambitionen mehr erkennen ließ.333 Das antipietistische Pamphlet Unfug334 druckte einen Brief Langes aus dem Jahr 1692 ab, der eine innige Verbundenheit mit den beiden Petersen dokumentiert.335 Wahrscheinlich handelt es sich dabei um ein authentisches Schriftstück, das die Atmosphäre der innerpietistischen Gemeinschafts- und Kontaktpflege belegt.336
4.2 Amtsenthebung Johann Wilhelm Petersens Die der Suspendierung J. W. Petersens vorausgehenden Ereignisse hat M. Matthias sorgfältig recherchiert und dargestellt. Einen entscheidenden Ausschlag gab die Aufnahme von Rosamunde Juliane von Asseburg (1672–1712) in das Haus der Superintendentur.337 Die junge Adlige, auf deren Spuren J. W. Petersen in Magdeburg gestoßen war, lebte seit März 1691 mit ihrer Mutter 332 AGL 2, 1750, 2253f; J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 86, 154; A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 236. In den Leipziger pietistischen Unruhen des Herbstes 1689 wurde J. C. Lange im Zusammenhang der gegen A. H. Francke erhobenen Beschuldigungen verhört, s. Leipziger Protokoll, 1692, 52f. In einem Brief vom Dezember 1690 an A. H. Francke in Erfurt teilte J. E. Petersen mit: »Unser lieber Lange ist sehr getrost in dem Herrn«, Halle AFSt, D 84, 99r. Im Jahr 1697 kam Lange in Begleitung G. Arnolds nach Gießen und übernahm hier die Professur für Ethik, s. H. Schneider, Gottfried Arnold, 1995, 274–279. Der Württemberger Pietist Albrecht Bengel verehrte Lange als einen seiner theologischen Lehrer, s. M. Brecht, Württembergischer Pietismus, 1995, 252. 333 1717 wurde er Hofprediger und Superintendent in Idstein, s. F. Ackva, Pietismus in Hessen, 1995, 203; vgl. ferner H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 66, 165. Die Unschuldigen Nachrichten 1728, 900–908, rezensierten seine Katechismus-Ausgabe sehr wohlwollend und hoben lediglich hervor, dass eine gewisse Nähe zu Speners Ideen noch zu erkennen sei. 334 Als Autor gilt der Leipziger Theologe Johann Benedikt Carpzov (1639–1699), s. J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 604f, 697. Der Unfug rief eine Fülle von weiteren Publikationen hervor, s. hierzu D. Blaufuß, Verteidigung, 1977, 83f. Vgl. auch P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 548–558, 565–571. Positiv auf Carpzovs antipietistische Invektiven reagierte u. a. J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 268. 335 Unfug, 1693, 60–66. Dieser Brief vom 29.6.1692 ist gerichtet an den Hallenser Studenten Johann Andreas Schilling. Für die beiden Petersen begegnen Formulierungen wie Mama u. Papa, Papagen und Mamagen, die lieben Hertzen. P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 480, empfiehlt in einem Schreiben an Carpzov vom Januar 1672 einen Studenten namens Lange; allerdings fällt außer diesem Namen kein weiteres Identifikationsmerkmal, so dass nicht deutlich wird, um wen genau es sich dabei handelt. 336 Ein anonymer Traktat, Das Angebührliche Verhalten, 1734, der Spener und die Petersen für verwandt hielt, 11, rügt u. a., dass Lange J. E. und J. W. Petersen als »Papagen« und »Mamagen« angesprochen habe, 14. Vermutlich geht diese Information auf den Abdruck im Unfug zurück, ohne dass hier ein direkter Bezug hergestellt wird. 337 M. Matthias, Petersen, 1993, 254–301. Zu Asseburg s. ferner M. Schmidt, Asseburg, 1957; F. Bautz, Asseburg, 1975; M. Matthias, Asseburg, 1998.
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und vier Geschwistern bei der Familie Petersen.338 J. W. Petersen interessierte sich deswegen für sie, weil er von ihren Visionen gehört hatte. Diese können bis dahin nur einem internen pietistischen Zirkel vertraut gewesen sein, denn öffentliche Aufmerksamkeit erreichten sie erst dadurch, dass J. W. Petersen eine Sammlung der Aussprüche J. R. von Asseburgs in der Species facti 1691 in den Druck brachte.339 Außer den Bezeugungen von Asseburgs enthält die Species facti J. W. Petersens Deutung dieser Äußerungen als unmittelbare göttliche Offenbarungen.340 Nach seiner Darstellung bestärkten ihn die auf visionärem Weg gewonnenen Überzeugungen der jungen Frau in seiner chiliastischen Position, da eine offenkundige Übereinstimmung bestehe. Zeitgenossen hingegen vermuteten, dass erst die Begegnung mit dem Ehepaar Petersen den Visionen und Aussprüchen von Asseburgs eine chiliastische Wendung gegeben habe, bzw. dass J. W. Petersen ihre Aussagen in erheblichem Maß beeinflusste oder gar überarbeitete.341 Bereits bevor J. W. Petersen mit der Species facti an die Öffentlichkeit trat, hatte die Begegnung mit J. R. von Asseburg insofern zu Veränderungen des Lebensstiles der Familie Petersen geführt, als ein lebhafter Besucherstrom einsetzte, der die Visionärin kennen lernen wollte und von ihr göttliche Weisungen erbat. Darüber hinaus unternahmen J. E. und J. W. Petersen mit ihrem Gast Reisen, um sie in ihren Zirkeln bekannt zu machen.342 Die pietistischen Weggefährten reagierten z. T. zurückhaltend,343 z. T. ablehnend;344 für andere bedeutete dieses 338 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 171f. J. W. und J. E. Petersen waren gemeinsam nach Magdeburg gefahren, um die junge Frau kennen zu lernen und einzuladen. Im Dezember 1690 hatte Spener bereits erste Nachrichten erhalten über die Offenbarungen von Asseburgs, er reagierte jedoch mit Skepsis, s. A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 299. 339 Die Species facti, 1691, erschien anonym, galt aber eindeutig als Werk J. W. Petersens. Ferner hat sich eine handschriftliche Aufzeichnung von Aussprüchen von Asseburgs erhalten: Hamburg SUB Cod.theol. 1234. Außer den von J. W. Petersen abgedruckten Äußerungen enthält dieser Codex weitere Briefe und Aufzeichnungen der Jahre 1692 bis 1698. 340 Er hielt die Aussagen von Asseburgs für ein »Inspirations-Werck«, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 161. 341 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 141–156; Johann Friedrich Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 23; Mayer (1650–1701) gehörte zu den schärfsten Gegnern des Pietismus, der zunächst von Hamburg, dann von Greifswald aus mit spitzer Feder alles Pietistische kommentierte, AGL 3, 1751, 321–328. 342 Die Familie Petersen und die Familie von Asseburg reisten z. B. gemeinsam nach Lübeck, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 153. 343 Spener sah sich, auch nach persönlichen Begegnungen mit von Asseburg, nicht in der Lage, ein endgültiges Urteil abzugeben, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 759f, 22.6.1692; 697–699, 18.8.1692. S. Schelwig, Itinerarium, 1695, 104f, druckte einen Brief Speners vom 21.4.1692 ab, der sich in ähnlicher Weise ausspricht. 344 Johann Winckler reagierte von Hamburg aus mit einer sorgfältig theologisch abgewogenen Gegenschrift: Schrifftmäsziges wohlgemeintes Bedencken, 1692. Spener schrieb in einem Brief an A. H. Francke am 23.7. 1692, dass er sich darum bemühe, J. W. Petersen von einer öffentlichen Entgegnung auf dieses Buch Wincklers abzuhalten, s. G. Kramer, Beiträge, 1861, 238.
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Eintreten für unmittelbare göttliche Offenbarungen, die auch Frauen als Übermittlungsmedium einschlossen, eine Ermutigung, selber nach derartigen Erfahrungen zu suchen bzw. andere in dieser Richtung zu unterstützen.345 Nachdem die Petersen Lüneburg verlassen hatten, blieb der Kontakt zu J. R. von Asseburg in loser Form erhalten. Diese lebte, ohne weiter in der pietistischen Bewegung in Erscheinung zu treten, hauptsächlich bei Marie Sophie von Reichenbach, geb. von Friesen, in der Nähe von Dresden.346 J. W. Petersen selber bezeichnet die Jahre 1690 und 1691 als die »Zeit der Troublen«, in der er ein »geplagter Mann« war. Genau »wie die Kirche auch einmahl in den Apocalyptischen vierdtehalb Jahren wird zu leiden und zu streiten haben«,347 so habe er bereits seine Verfolgungszeit hinter sich gebracht. Während die ersten Amtsjahre in Lüneburg nur von kleineren Reibereien begleitet waren, setzten die großen Konflikte 1690 ein. Im April 1691 reichten die Kollegen des Superintendenten eine Beschwerde bei der Stadt Lüneburg ein.348 »Die erneute Anklage gegen Petersen durch seine Kollegen sollte schließlich zu seiner Absetzung führen. Aber es waren nicht die von seinen Kollegen im Frühjahr 1691 vorgebrachten Punkte, die zu diesem Ausgang führten. Zu schwach waren sie, um der Fürstlichen Regierung einen Rechtsgrund der Absetzung zu bieten. . . . Das Ehepaar Petersen selbst trug zu dieser Verschärfung bei, ja provozierte geradezu die Obrigkeit, um selbst als Märtyrer aus den Händeln hervorzugehen.«349 Nach ergebnislosen Gesprächen zwischen dem Geistlichen Ministerium, dem Superintendenten und dem Rat der Stadt wurde im Juli/August 1691 die Fürstliche Regierung in Celle eingeschaltet.350 Im Januar 1692 begannen dann endlich die Verhandlungen.351 In der Zwischenzeit hatte sich die Stimmung durch zwei Veröffentlichungen J. E. und J. W. Petersens zu deren Ungunsten verändert. 1691 erschienen J. E. Petersen Glaubens=Gespräche und J. W. Petersens Species facti. In beiden Büchern wurde ganz offen eine chiliastische Position vertreten.352 Die am 5. Januar 1692 aufgenommenen Verhandlungen in Celle endeten mit der Amtsenthebung J. W. Petersens.353 Gleichzeitig wurde verfügt, dass er das 345 U. Witt, Bekehrung, 1996, 21–71, weist nach, welch großen Einfluss das Ehepaar Petersen auf das Auftreten der ekstatischen Frauen in Mitteldeutschland in den 1690er Jahren hatte. 346 Hier verstarb sie auch, s. M. Matthias, Petersen, 1993, 264, 301. Zu ihrer Person s. ferner J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 559–573; M. Trippenbach, Prophetin, 1914; W. Nordmann, Widerstreit, 1931, 147; M. Schmidt, Asseburg, 1957. M. S. von Reichenbach hatte sich bereits im Frühsommer des Jahres 1691 in Lüneburg bei der Familie Petersen aufgehalten, s. M. Matthias, Petersen, 1993, 264. Spener hatte schon in seinen Dresdner Jahren seit etwa 1688 Kontakt mit ihr, s. A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 284, 296. 347 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 160. 348 Vgl. M. Matthias, Petersen, 1993, 301–311. 349 Ebd., 311. 350 Ebd., 313. 351 Ebd., 321. 352 Zum Verbot der Glaubens=Gespräche in Lüneburg ebd., 320. 353 Ebd., 327–329. Der Beschluss über die Suspendierung wurde am 21.1.1692 verkündet.
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Gebiet des Fürstentums Lüneburg innerhalb von vier Wochen zu verlassen habe.354 J. E. Petersen kehrte nach Lüneburg zurück, um den Umzug vorzubereiten, J. W. Petersen begab sich direkt nach Wolfenbüttel.355 Im Jahr 1692 schrieb er, dass er dort den Generalsuperintendenten Barthold Meyer (†1714) aufgesucht habe;356 später hingegen erwähnte er nur den Braunschweiger Herzog Rudolph August (1627–1704) als Reiseziel.357 Der Aufenthalt in Braunschweig-Wolfenbüttel diente vermutlich dem Zweck, nach einer Bleibe zu suchen. J. W. Petersen berichtet über den weiteren Verlauf, dass ihn in Wolfenbüttel ein Schreiben des Berliner Kammerpräsidenten Dodo von Knyphausen erreichte, das ihn aufforderte, sich mit seiner Familie in Magdeburg niederzulassen.358 J. W. Petersen gab im Rückblick seiner Amtsenthebung eine ausschließlich positive Deutung; es finden sich keine Äußerungen, dass er diese Wendung bedauert habe. Ähnliches lässt sich für A. H. Francke feststellen, der im September 1691 seine Erfurter Pfarrstelle wegen seiner pietistischen Programmatik verloren hatte.359 Während Francke 1692 die nächste Pfarrstelle antrat, blieb J. W. Petersen zeit seines Lebens ohne kirchliches Amt.360 354 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 218. 355 In seiner Schrift Ablehnung der schändlichen Aufflagen, 1692, 2, betont J. W. Petersen, dass er aus eigener Entscheidung nicht mehr nach Lüneburg zurückgekehrt sei, um dort unter seinen Anhängern keine Unruhe hervorzurufen. 356 Ebd., 2. Der Pietist B. Meyer war seit 1688 als Generalsuperintendent tätig, musste 1692 Braunschweig-Wolfenbüttel verlassen und fand 1694 in Hage, Ostfriesland, eine neue Anstellung als Pfarrer, s. M. Brecht, Spener, 1993, 360f. AGL 3, 1751, 364, führt ihn unter dem Namen Bartholomäus Meier. Vgl. auch J. G. Walch, Einleitung 5.1, 1739, 174. 357 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 218. Bereits zu Beginn seiner Lüneburger Zeit hatte eine Begegnung mit Rudolph August in Hamburg stattgefunden, die durch die Initiative des späteren Helmstedter Professors Hermann von der Hardt (1660–1746) zustande kam, ebd., 132f. Durch Herzog Rudolph August kam es zu einer kurzen Blüte des Pietismus in Braunschweig-Wolfenbüttel, s. J. Wallmann, Herzog August, 1981. Sein seit 1685 mitregierender Bruder, Herzog Anton Ulrich (1633–1714), dagegen bekämpfte die Erneuerungsbewegung. J. W. Petersen allerdings berichtet, dass es ein freundliches Zusammentreffen mit ihm im Lüne-Kloster gegeben habe und dass er für die Species facti Interesse gezeigt habe, Lebens=Beschreibung, 1719, 128, 178. Unmittelbar nach dem Besuch J. W. Petersens in Wolfenbüttel setzte Herzog Anton Ulrich ein Pietistenedikt (9.3.1692) durch, das Konventikel untersagte, eine genaue Buchzensur einschärfte sowie die Verbreitung von chiliastischen, enthusiastischen oder quäkerischen Anschauungen untersagte, s. M. Jakubowski-Tiessen, Pietismus in Nieder-Sachsen, 1995, 432. Herzog Anton Ulrich seinerseits unterstützte vor allem die Künste, zu seinen Verbindungen mit C. R. von Greiffenberg s. H.-J. Frank, Greiffenberg, 1967, 135–139. Im Jahr 1710 konvertierte er zum Katholizismus, s. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 2, 1734, 762–765. 358 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 219f. J. W. Petersen reiste daraufhin nach Magdeburg und von dort aus weiter nach Berlin zu Knyphausen, ebd., 220. Nach diesem Bericht war Knyphausen durch die Species facti auf J. W. Petersen aufmerksam geworden, ebd., 219. 359 Vgl. M. Brecht, Francke, 1993, 452; J. Wallmann, Pietismus, 1990, 66. Im Zuge der Auseinandersetzungen um den Pietismus kam es bei etlichen Geistlichen zur Entlassung aus dem kirchlichen Dienst, so wurde Johann Heinrich Horb nach langen Auseinandersetzungen 1693 in Hamburg seines Amtes enthoben, s. G. Geffcken, Winckler, 1861, 108. 360 Wie J. W. Petersen suchte auch Friedrich Breckling keine Anstellung mehr, nachdem er sein
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Biographie Magdeburg,Niedernd odelebenundT hymer
5. Magdeburg, Niederndodeleben und Thymer Seit seiner Amtsenthebung hielt sich J. W. Petersen mit seiner Familie, abgesehen von Reisen, auf dem Gebiet des Kurfürstentums Brandenburg-Preußen auf. Ungefähr ein Jahr wohnten die Petersen in Magdeburg.361 Spener schrieb im April 1692 über seinen Freund J. W. Petersen: »Er lebet jetzt in der Stille zu Magdeburg«.362 Speners Hoffnung auf Stille jedoch trog, denn auch hier kam es zu Auseinandersetzungen.363 Der Brief des Hauslehrers J. C. Lange vermittelt einen Einblick in die ersten Monate des Magdeburger Aufenthaltes.364 1692/93 erschienen einige Streitschriften, in denen Magdeburger Prediger sich gegen den Chiliasmus J. W. Petersens aussprachen, worauf dieser umgehend mit eigenen Traktaten antwortete.365 Er verteidigte sich darin gegen das Gerücht, dass er vom Magdeburger Ministerium vom Abendmahl ausgeschlossen worden sei.366 Eine private Abendmahlsfeier im April 1693 mit Hallenser Studenten zog eine Untersuchung nach sich.367 Anlass zu AuseinanPfarramt 1667 in Zwolle verloren hatte. 1672 zog er nach Amsterdam, 1690 nach Den Haag. Ähnlich wie die mit ihm befreundeten Petersen widmete er sich der Schriftstellerei und seiner umfangreichen Korrespondenz. Er war auf finanzielle Unterstützung eines großen Gönnerkreises angewiesen, s. J. Bruckner, Breckling, 1985, 34f; s. auch P. Estié, Entlassung, 1992. 361 Nach J. W. Petersens Angaben musste die Familie hier mehrere Male umziehen, Lebens=Beschreibung, 1719, 221. 362 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 684. 363 Die Familie Petersen führte ihren Lebensstil mit vielen Gästen weiter, zu diesen gehörte u. a. die als Visionärin bekannte Adelheid Sybille Schwartz, s. U. Witt, Bekehrung, 1996, 49f. Der in Hamburg liegende Cod. theol. 1234 enthält unter dem Datum des 31.1.1693 »Bezeügungen«, die »von der Freundlichkeit des Herrn durch die liebe Schwartzin gegeben worden«, 147–150. Im ähnlichen Stil wie die Bezeugungen Asseburgs bestehen sie aus Ermunterungen, die von biblischen Wendungen durchsetzt sind. Angesprochen werden die beiden Petersen als »du Geliebter« und »du Gesegnete«, 147. 364 So schrieb er am 29.6.1692: »Ob wir hier in Magdeburg bleiben möchten/ ist noch ungewiß«, abgedruckt in Unfug, 1693, 61. Er berichtet weiter nach Halle, dass J. E. und J. W. Petersen gerade von einer Reise zurückgekehrt seien, ebd., 64: »Sage doch auch den lieben Hertzen zu Halle/ dass der liebe Papagen und Mamagen so gerne durch Halle ihren Weg genommen hätten/ wie sie sich auch gäntzlich vorgesetzet/ sie wären aber genöthiget gewesen nach Berlin zu reisen/ und bliebe also noch in ihren Hertzen nach des Herrn Fügung sie zusehen.« Grüße der beiden werden ausgerichtet an J. Breithaupt, C. Thomasius, A. H. Francke und B. Crophius. Eventuell war J. E. Petersen darum gebeten worden, für die Schwester des Hallenser Studenten J. A. Schilling eine Unterbringung zu suchen; jedenfalls unterrichtet Lange seinen Brieffreund, dass »die Mama« sich weiter bemühe. Unter PS wird mitgeteilt: »Was du vor Mamagen abgeschrieben/ hat sie noch nöthig«, 66. 365 J. W. Petersen, Ablehnung der schändlichen Aufflagen, 1692; Öffentliche Stimme, 1692; Freymüthige Anrede, 1693; Bekänntnüß, 1693. 366 J. W. Petersen, Öffentliche Stimme, 1692, A3r. Mit diesem Werk bezog er außerdem Stellung gegen die Schrift eines Anonymus: Copia eines Sendschreibens vom Chiliasmo (Titel nach J. W. Petersens Angaben). 367 H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 30–36: das Abendmahl wurde von J. C.
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dersetzungen gab auch, dass J. W. Petersen in Magdeburg Predigten hielt.368 In der Stadt war außerdem aufgefallen, dass ein Weggefährte der Petersen, Johann Joachim Wolf († 1701), sich während des Magdeburger Aufenthaltes von ihnen lossagte.369 Die Freunde beider Petersen hingegen blieben ihnen treu bzw. das Ehepaar steigerte in gewisser Weise seine Attraktivität für radikal-pietistische Gesinnungsgenossen durch die vollzogene Amtsenthebung und die Ausweisung.370 Im Sommer oder Herbst 1693 kauften die Petersen das im Westen Magdeburgs gelegene Gut Niederndodeleben.371 Im Jahr 1708, spätestens jedoch 1709, wurde dieses Anwesen verkauft, um das Gut Thymer zu erstehen,372 das, östlich von Magdeburg gelegen, zur Ortschaft Groß Lübars gehörte.373 Lange, dem Informator der Familie Petersen, geleitet. Eine kurfürstliche Anordnung untersagte J. W. Petersen weitere Versammlungen dieser Art. 368 Zwischen 1703 und 1706 wohnte hier ebenfalls der in der Schweiz aus seinem Pfarramt entlassene Samuel König, der auch zum Unwillen des größten Teils der Geistlichkeit predigte, s. R. Dellsperger, Samuel König, 1984, 174. 369 J. W. Petersen, Öffentliche Stimme, 1692, C1v; dieses Verhalten des ehemaligen Freundes habe zu dem Gerücht geführt, »daß man mich in Magdeburg nicht mehr leiden könnte«. Wolf hatte seit 1685 das Diakonat an der Magdeburger St. Ulrichskirche inne, AGL 4, 1751, 2055. Zunächst teilte er die chiliastische Hoffnung des Ehepaares, an der Verbreitung der Apokatastasis übte er jedoch scharfe Kritik. 370 Zu den Besuchern in dieser Zeit gehörte auch Ernst Christoph Hochmann von Hochenau, s. H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 24. Renkewitz unterstreicht, dass Hochmann durch das Ehepaar Petersen die Schriften Gichtels und Leades kennen lernte, ebd., 41. 371 Ein Brief Speners aus Berlin vom 11.11.1693 ist an J. W. Petersen in Niederndodeleben gerichtet, AFSt C 146, 10. In den frühneuzeitlichen Quellen ist die Schreibung des Ortsnamens wechselnd, heute heißt er Niederndodeleben. Der Ort war dem Magdeburger Domkapitel unterstellt, s. B. Blümler, Kurtzgefassete Ablehnung, 1718, 13. 372 Den Anhaltspunkt für diese Datierung bietet J. W. Petersens Schrift Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711. Die auf den 13.10.1709 datierte Widmung gibt Thymer als Ort an. T. Wotschke, Petersen, 1930, 383, Anm. 4, zitiert einen Brief J. W. Petersens, der im März 1708 in Thymer abgefaßt wurde. Nach Angaben von G. Christopeit, Niederndodelebener, 2000, 44, blieb der Hof in Niederndodeleben bis 1721 im Besitz der Petersen, so dass sie sich noch gelegentlich dort aufhielten. 373 Kirchlich gesehen gehörte Thymer zu Klein Lübars. In Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, unterzeichnet J. W. Petersen die Apologia gegen Johann Fecht mit folgenden Worten: »Scribebam in praedio Thymen prope Magdeburgum«. Die des Öfteren vorkommende Angabe, dass Thymer »unweit Zerbst« liege, so etwa J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 595, darf allerdings nicht dahingehend verstanden werden, als ob dieses Gebiet zum Fürstentum Anhalt-Zerbst gehören würde. Dies wird noch einmal wiederholt bei M. H. Jung, Autobiographien, 1999, 43: Thymer bei Zerbst. Klein Lübars und Riesdorf existieren noch, Groß Lübars führt heute den Namen Lübars. Diese Ortschaften gehören zum Kreis Jerichow im Bundesland Sachsen-Anhalt. E. Uetrecht, Meyers Orts=und Verkehrs=Lexikon 1, 1912, 647, führt den Ort Groß Lübars, jedoch nicht das Gut Thymer. Die Topographische Karte von 1925/38, Nr. 3838, Meßtischblatt 2103, verzeichnet das ehemalige Gut Thümer auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Altengrabow. Das Gut lag östlich von Groß Lübars, zwischen einem Berg und einem Wald, beide mit dem Namens-Zusatz Thümer. J. W. Petersens gelegentliche Angaben »auf dem Thymer« spiegeln vermutlich die etwas erhöhte Lage des Gutes, Lebens=Beschreibung, 1719, 334. Nach
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Biographie
Das Gut Thymer erwarb J. W. Petersen von dem in Riesdorf wohnenden Oberamtmann Pape.374 In Thymer wohnten die beiden Petersen bis an ihr Lebensende, es befand sich noch zwei Generationen später im Familienbesitz.
5.1 Die Religionspolitik Brandenburg-Preußens Mehr als 30 Jahre lebten J. E. und J. W. Petersen im Kurfürstentum Brandenburg, das seit 1688 von Friedrich III. (1657–1713) regiert wurde, der sich 1701 zu Friedrich I., König in Preußen, krönte.375 Nach der Vertreibung aus dem Fürstentum Lüneburg konnten die Petersen hier in relativer Ruhe und Sicherheit leben, ohne wegen ihrer religiösen Überzeugungen grundsätzlich behelligt zu werden. Dass sie nicht nur geduldet, sondern teilweise geradezu unterstützt wurden, hat seine Gründe in der konfessionellen und politischen Struktur Brandenburg-Preußens.376 Seit dem Übertritt des brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund (1572–1619) zum Calvinismus verfolgten die Hohenzollern eine Linie des Ausgleichs zwischen den Konfessionen, allerdings unter zielstrebiger Anwendung der dem Summepiskopus zur Verfügung stehenden Herrschaftsmittel.377 Während sich die Kurfürsten Brandenburgs von 1613 an zur reformierten Konfession bekannten, blieb der Großteil der Bevölkerung lutherisch.378 Diese Situation barg ein Spannungspotenzial in sich. Obwohl der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) nicht auf eine Konversion der lutherischen Teile seines Landes drängte, so förderte er doch eindeutig die Angehörigen Angaben von Meyers Orts=und Verkehrs=Lexikon 1, 1912, 33, war dieser Truppenübungsplatz bereits zu Beginn des 20. Jh. in Gebrauch. Vgl. auch H.-J. Schrader, Petersen, 1979, 204. Die nächst größere Stadt Loburg wird GVUL 18, 1738, 68, nur ganz kurz erwähnt. 374 Der Potsdamer Kriegs-Sekretär C. Pape berichtete in einem seiner Briefe an G. A. Francke, dass sein Großvater im Besitz dieses Gutes gewesen sei. Zu diesem Kauf sei es gekommen, als J. W. Petersen »sich zur Zeit seines exilii bey meinem Seel. Groß=vater, dem Königl. Ober-Amtmann Pape zu Riesdorff aufhielt, u. ihn dergestalt einnahm, daß mein Großvater ihm sein Gut, Tümer genannt, fast gantz umsonst überließ«, AFSt A 169, 35v. 375 Zur Bedeutung der Krönung s. P. Baumgart, Monarchie, 1983; zum Profil des Kurfürsten/ Königs: L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984. 376 Gegenüber seinen Gegnern hob J. W. Petersen diesen Tatbestand immer wieder hervor, s. etwa J. W. Petersen, Öffentliche Stimme, 1692, C2r-v. 377 Vgl. hierzu G. Heinrich, Amtsträgerschaft, 1972, 203f. Besonders in den letzten Jahren hat die brandenburg-preußische Religionspolitik erhebliche Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden: R. v. Thadden, Preußen, 1981, 107–14; ders., Fortsetzung, 1989; R. L. Gawthrop, Pietism, 1993; P. M. Hahn, Calvinismus, 1993; B. Nischan, Second Reformation, 1994; G. Strohmaier-Wiederanders, Brandenburg, 1998; M. Maurer, Kirche, 1999, 79–82. 378 Das in der Reformationszeit geltende Prinzip »cuius regio, eius religio« wurde hier nicht mehr angewendet.
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der reformierten Konfession.379 Friedrich III./I. folgte in Bezug auf die Religionspolitik seinem Vater, legte jedoch noch größeren Nachdruck auf Toleranz.380 Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) förderte als Regent eindeutig den Pietismus Hallescher Prägung, der auch seinen sozialen und wirtschaftlichen Idealen nahekam.381 Die Neigung für kirchliche Außenseiter hingegen, die sein Vater gepflegt hatte, fand bei ihm keine Fortsetzung.382 Die konfessionelle Toleranz Brandenburg-Preußens begünstigte die Einwanderung verschiedener ethnischer und religiöser Gruppen383 wie Holländer, Böhmen, Salzburger, Juden,384 polnische Sozinianer,385 aus Frankreich vertriebene Hugenotten386 sowie die einzelner pietistischer Persönlichkeiten.387 Seit 1691 konnte Spener in Berlin wirken,388 1692 wurde A. H. Francke in Halle sowohl eine Pfarrstelle als eine Professur an der neu gegründeten Universität angeboten.389 G. Arnold war seit 1705 als Pfarrer auf dem Gebiet Brandenburg-Preußens tätig, nachdem er im thüringischen Allstedt seine erste Pfarr379 M. Lackner, Kirchenpolitik, 1973; W. Gericke, Glaubenszeugnisse, 1977, 36–45. In seinem Testament empfahl der Große Kurfürst seinem Sohn, »den Bau reformierter Kirchen zu fördern, Calvinisten ins Land zu holen und diese bei der Besetzung von Ämtern in der Kurmark den Lutheranern vorzuziehen«, K. Deppermann, Kirchenpolitik, 1981, 103. Vgl. auch G. Oestreich, Friedrich Wilhelm, 1971; E. Opgenoorth, Friedrich Wilhelm, 1978; L. Hüttl, Kurfürst, 1981; B. Gloger, Kurfürst, 1985; M. Beintker, Bekenntniswechsel, 1987; G. Zimmermann, Religion, 1993. Zum Konflikt zwischen dem Kurfürsten und dem lutherischen Theologen und Liederdichter Paul Gerhardt, der 1666 seine Pfarrstelle an der Berliner Nikolaikirche verlor, s. R. v. Thadden, Luther in Preußen, 1989, 60. C. Fürbringer, Necessitas, 1985, zeichnet die Konflikte zwischen den lutherischen Landständen und dem reformierten Herrscherhaus nach. 380 W. Gericke, Glaubenszeugnisse, 1977, 45–52. 381 Ebd., 53–67. Im Jahr seines Regierungsantritts besuchte Friedrich Wilhelm I. zum erstenmal Halle und intensivierte die Maßnahmen seines Vaters zur Förderung der pietistischen Projekte Franckes, s. K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 168. Die Begegnung zwischen dem König und A. H. Francke wurde von Jochen Klepper literarisch gestaltet: J. Klepper, König, 1957. Vgl. ferner S. Skalweit, Friedrich Wilhelm I., 1981. 382 Eine jährliche Summe von 50 Talern erhielt auch die Witwe des preußischen Spiritualisten Christoph Barthut (†1692) vom Kurfürsten bewilligt, s. M. Lackner, Geistfrömmigkeit, 1959, 107. 383 Vgl. W. Neugebauer, Zentralprovinz, 2001, 69–71. 384 G. Florey, Salzburger Protestanten, 1977; S. Jersch-Wenzel, Juden, 1978; dies., Minderheiten, 1981. 385 1683 wurde diesen die Niederlassung in Brandenburg gestattet, s. K. Deppermann, Kirchenpolitik, 1981, 110. 386 H. Duchardt, Hugenotten, 1985; R. v. Thadden, Hugenotten, 1989. 387 Vgl. K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961; ders., Etablierung, 1986; C. Hinrichs, Preußentum, 1971; K. Gaede, Einflüsse des Pietismus, 1987. In Magdeburg hielt sich zu Beginn des 18. Jh. eine ganze Gruppe von Schweizer radikalen Pietisten auf, die mit den ansässigen Theologen in Konflikte geriet, s. R. Dellsperger, Samuel König, 1984, 161f. 388 M. Brecht, Spener, 1993, 352–371. 389 Der 1698 begonnene Neubau des Waisenhauses wurde vom Kurfürsten materiell unterstützt. Franckes Anstalten erhielten von Berlin aus Privilegien zugesprochen und wurden direkt der kurfürstlichen Regierung unterstellt, M. Brecht, Francke, 1993, 478f; zur weiteren Förderung Halles durch die brandenburg-preußische Obrigkeit, ebd., 496–502.
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stelle verloren hatte.390 Zu Beginn der 1690er Jahre wurde die brandenburgpreußische Religionspolitik neben dem Kurfürsten von Männern geprägt, die der reformierten Konfession angehörten bzw. zu dieser übertraten, meist nicht aus dem Kurfürstentum stammten und darüber hinaus aus unterschiedlichen Motiven Interesse zeigten an Personen, die sich jenseits der konfessionellen Grenzziehungen ansiedelten.391 Der aus Ostfriesland stammende Freiherr Dodo II. von Inn- und Knyphausen (1641–1698), der von 1683 bis 1697 die Stellung des Kammerpräsidenten innehatte,392 setzte sich am intensivsten für das Ehepaar Petersen ein. Knyphausen, der reformiert war, heiratete 1670 eine Katholikin und gewährte auf seinem ostfriesischen Besitz Lütetsburg sowohl Katholiken als auch religiösen Außenseitern wie der Gruppe um Antoinette Bourignon Religionsfreiheit.393 Ferner sorgte er für eine Verbreitung der Schriften der englischen Böhme-Schülerin Jane Leade (1627–1704) und stellte auch den direkten Kontakt zwischen ihr und den Petersen her.394 Der bran390 H. Schneider, Biographie, 1995, 413f: im Januar 1702 gab es einen ersten Briefwechsel mit der preußischen Regierung, in dem Arnold seine Bereitschaft zur Übernahme eines Pfarramtes erklärte. Im selben Jahr noch wurde er zum preußischen Historiographen ernannt. 1705 übernahm er das Pfarramt in Werben, um zwei Jahre später nach Perleberg zu wechseln. 1688 war Samuel von Pufendorf (1632–1694) zum ersten Hofhistoriographen ernannt worden, s. T. Grosser/W. Kreutz, Höfischer Barock, 1983, 146f. 391 Diese bereits vom Großen Kurfürsten begonnene und von Friedrich I. fortgesetzte Strategie der Besetzung der höchsten Staatsämter mit dem beschriebenen Personenkreis führte zu einer für Brandenburg-Preußen kennzeichnenden Spannung, die G. Heinrich, Amtsträgerschaft, 1972, 201, folgendermaßen beschreibt: »Dadurch war eine Transmission zwischen den territorial und lutherisch-orthodox gebundenen Ständen und der primären Führungsschicht in den Zentralbehörden und bei Hofe behindert, wenn nicht sogar – wegen der andersartigen Denkweise und Weltsicht der primären Führungsschicht – fast unterbrochen.« Vgl. auch W. Neugebauer, Zentralprovinz, 2001, 91–93. 392 K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 28f; L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984, 84, 96f, 148; W. Treue, Lebensläufe, 1992, 21–23, 64–68, 122–126, 165–169, 206–214, 250–258. 393 Für Hedwig Oriana Freiin von Frydag († 1694) und ihre katholischen Dienstboten wurde im Lütetsburger Schloss eine katholische Kapelle eingerichtet, M. Smid, Ostfriesische Kirchengeschichte, 1974, 389–391. Zu den konfessionellen Verhältnissen in Lütetsburg ebd., 291–294, 343–351. In der Nähe des lutherischen Emden gelegen, behauptete von Knyphausen für sein Herrschaftsgebiet, die aus mehreren Dörfern bestehende Herrlichkeit Lütetsburg, kirchliche Unabhängigkeit und ließ eine reformierte Kirche bauen. Von 1677 bis 1680 wohnten A. Bourignon und ihre Anhänger im Lütetsburger Pfarrhaus, mussten allerdings diese Zuflucht auf Drängen der ostfriesischen Fürstin Christine Charlotte (1645–1699), die den Lütetsburger Anspruch auf Religionsfreiheit nicht anerkannte, wieder verlassen, ebd., 331f. Bourignon vermachte von Knyphausen Anteile an der nordfriesischen Insel Nordstrand, die jedoch rechtlich keine Bedeutung hatten, da ihr Besitzanspruch vom Gottorfer Herzog nicht anerkannt worden war, s. A. v. d. Linde, Bourignon, 1895, 217–223. Zum Aufenthalt dieser Gruppe in Lütetsburg s. auch A. Bourignon, Leben, 1684, 587–646. Knyphausen setzte sich ebenfalls für den Pietisten Bernhard Peter Karl (1672–1723) ein, der 1702 sein Pfarramt in Osnabrück verloren hatte. 1714 erhielt er in Ostfriesland eine Pfarrstelle, s. M. Schmidt, Pietistischer Katechismus, 1974, 45. Zur Familie Knyphausen s. auch GVUL 15, 1737, 1121–1126. 394 Zu Leade s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen I, 1698, 156–161; J. H. Feustking,
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denburg-preußische Premierminister Eberhard von Danckelmann (1643– 1722) nahm von 1688 bis 1697 die einflussreichste Position ein. Der wie Knyphausen aus Ostfriesland kommende Jurist wurde vom Kurfürsten in den Adelsstand erhoben.395 Seine Ehegattin pflegte Kontakte zu den Labadisten.396 Paul von Fuchs (1640–1704), der 1684 von Friedrich III. geadelt wurde, war seit 1698 für das Kirchen- und Schulressort zuständig. Um seiner Karriere willen war er vom Luthertum zum reformierten Glauben übergetreten.397 Er erwies sich als besonders einflussreicher Fürsprecher Speners und Franckes.398 Die um einen Ausgleich zwischen den Konfessionen bemühte brandenburg-preußische Kirchenpolitik stieß im Gebiet Magdeburgs auf besonderen Widerstand. Nach einem bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedens 1648 gefällten Urteil fiel das Erzstift Magdeburg im Jahr 1680 an das brandenburgische Kurfürstentum.399 Die lutherische Bevölkerung sowie die lutheriGynaeceum, 1704, 412–417; J. C. Eberti, Cabinet, 1706, 215f; GVUL 16, 1737, 1253f; G. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie II, 1729, 1157, führt sie unter den Schülern Böhmes auf und nennt 12 Schriften; ders., Mystische Theologie, 1703, 204f; C. H. H. Hochhuth, Geschichte, 1865; A. Rüegg, Leade, 1902; N. Thune, Behmenists, 1948; H. Bornkamm, Leade, 1960; C. F. Smith, Leade, 1979; A. Mc Lean, Leade, 1981; J. M. Sperle, Biography, 1985. Durch die finanzielle Unterstützung Knyphausens konnte Leade in London ein Haus erwerben, in dem sie mit einer kleinen Gemeinschaft lebte, s. N. Thune, Behmenists, 1948, 86. Ein Bruder Dodo von Knyphausens gehörte in London zu den Mitgliedern der von Leade gegründeten Philadelphischen Sozietät, s. K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 29. Außer für die Familie Petersen setzte sich Dodo von Knyphausen ferner für J. R. von Asseburg sowie für Adelheid Sybille Schwartz ein, ebd., 29. Vgl. hierzu auch U. Witt, Bekehrung, 1996, 51, Anm. 190. 395 K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 27f. Ihm gelang es, sechs seiner Brüder ebenfalls in hohen Staatsämtern unterzubringen. 1697 verlor er alle Ämter und wurde inhaftiert, s. L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984, 85–92. Das Ende der politischen Karriere Danckelmanns bedeutete auch den Absturz für Knyphausen. 396 Cecilie J. Eberhardine von Morrien war seit 1688 mit E.v. Danckelmann verheiratet. Sie hielt sich zeitweise in der friesischen Labadistenkolonie in Wiewert auf, die seit 1675 nach dem Abzug aus Altona auf dem Schloss Walta entstanden war, s. J. T. Saxby, New Jerusalem, 1987, 238–271; H. Faulenbach, Anfänge, 1979, 224. 397 K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 28f; J. W. Petersen vermittelte er eine Audienz bei der Kurfürstin Sophie Charlotte (1668–1705), der zweiten Frau Friedrichs III., ebd., 29. Diese war aus Anlass der Heirat vom Lutherthum zum Calvinismus konvertiert. Vgl. ferner F. von Salpius, Fuchs, 1877. 398 Insbesondere setzte er sich für die Gründung der Universität Halle ein, s. C. Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 1941, 583. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 278, besuchte ihn auf dessen Gut Malchow und predigte dort. Hausgeistlicher in Malchow war der Lutheraner Johann Porst (1668–1728), ein Spener-Freund und Pietist, der Hofprediger der dritten Ehefrau des preußischen Königs Friedrich I., Sophie-Luise, wurde. Sie hatte sich bei der Eheschließung ausbedungen, lutherisch zu bleiben und einen Lutheraner als Geistlichen verpflichten zu können. J. W. Petersen hielt den Kontakt zu Porst und besuchte ihn auch in Berlin, ebd., 267. Zu Porst s. W. Zeller, Orgelpredigt, 1971. Zu diesem genannten Personenkreis des Berliner Hofes s. auch G. Heinrich, Amtsträgerschaft, 1972, 200–202. 399 C. Römer, Geschichte, 1990; G. Köbler, Lexikon, 1999, 371f; G. Strohmaier-Wiederanders, Brandenburg, 1998: seit 1566 war Magdeburg lutherisches Fürsterzbistum, das von einem
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schen Landstände widersetzten sich zunächst den Versuchen der neuen Obrigkeit, religiöse Toleranz zu gewährleisten. Die Gründung der Universität Halle gehört zu den bewussten Akten des Kurfürsten, um das ehemalige Erzstift in die brandenburgische Religionspolitik einzubeziehen.400 Das Dorf sowie das Gut Niederndodeleben gehörten zum Bestand des erst 1680 in das Kurfürstentum Brandenburg eingegliederten Gebietes. Von Berlin aus wurden die Petersen unterstützt, für die unmittelbaren Nachbarn jedoch, die Dorfbewohner sowie die lutherische Geistlichkeit, stellten sie eine Herausforderung dar. Einige der Magdeburger Theologen gehörten zu den theologischen Gegnern der beiden Petersen, die diese mit ihren Veröffentlichungen heftig angriffen.401 1701 wurde Johann Fischer (1636–1705) Generalsuperintendent des Herzogtums Magdeburg. Obwohl er der pietistischen Bewegung zuzurechnen ist und mit Spener befreundet war, hegte er keine Sympathien für die Radikalität des Ehepaares Petersen.402 Zu den Freunden und Förderern der Petersen gehörte hingegen Georg Rudolf von Schweinitz († 1707), der in Magdeburg als Geheimer Rat und Domherr tätig war.403 Die Ausrichtung der brandenburg-preußischen Religionspolitik auf eine Überwindung der konfessionellen Abgrenzung, der auch Unionsverhandlungen zwischen den Konfessionen dienten,404 bedeutete allerdings nicht, dass jede Form religiöser Betätigung kritiklos hingenommen wurde. Auch in Brandenburg-Preußen kam es zu Verboten heterodoxer Literatur, wenn diese zu offensichtlich gegen die großzügig gehandhabten Normen verstieß.405 Detlef Döring macht darauf aufmerksam, dass eine »gründliche UnAdministrator verwaltet wurde. Der letzte Administrator von 1635–1680 war Herzog August von Sachsen-Weißenfels; mit der Übernahme durch den brandenburgischen Kurfürsten wurde Magdeburg ein weltliches Herzogtum. Vgl. auch GVUL 19, 1739, 235–251. 400 Vgl. hierzu A. Sames, Pietistischer Theologe, 1998, 74–76. 401 Zu nennen sind hier neben J. J. Wolf insbesondere Christoph Koch und Christian Gottlieb Koch; zu ihren Veröffentlichungen s. u. IV. 402 AGL 2, 1750, 623f; J. Wallmann, Pietismus, 1990, 54, 68: der aus Lübeck stammende Fischer wurde livländischer Superintendent in Riga und korrespondierte seit 1673 mit Spener. 1699 verließ er Livland und hielt sich zunächst in Hamburg auf. Spener sorgte dafür, dass er das Amt in Magdeburg übernehmen konnte. 403 K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 27–30, 90, 141, 157; L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984, 152. Die Versetzung des gebürtigen Schlesiers nach Magdeburg, der außer den Petersen auch J. R. von Asseburg unterstützte, gehörte zu den gezielten Akten der Berliner Personalpolitik. 404 Zu den Unionsprojekten s. M. Maurer, Kirche, 1999, 19–21. 405 Am 25.6.1700 wurde für das Herzogtum Magdeburg ein Patent verfügt, das u. a. die Verbreitung des Ewigen Evangeliums sowie Werke von Böhme und Weigel verbot, s. T. Simon, Brandenburg/Preußen, 1998, 930. Auch hinsichtlich der Labadisten vertrat der Große Kurfürst eine restriktive Linie, indem er die Ausweisung der Gruppe aus Herford befürwortete, s. hierzu M. Lackner, Kirchenpolitik, 1973, 276–281; H. Faulenbach, Anfänge, 1979, 228–230. Ein Mandat für das Gebiet Magdeburgs vom 21.4.1711 untersagte Konventikel, weil diese zu einer Vernachlässigung des öffentlichen Gottesdienstes geführt hatten, s. T. Simon, Brandenburg/Preußen, 1998, 951.
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tersuchung des Zensurwesens in Brandenburg-Preußen in der Zeit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert fehlt.«406 J. E. und J. W. Petersen mussten zwar hinnehmen, dass die Verbreitung einiger ihrer Schriften im Gebiet des Kurfürstentums bzw. Königreiches untersagt wurde, sie selber blieben jedoch unbehelligt.407
5.2 Das Ehepaar Petersen als Gutsbesitzer und freie Schriftsteller Mit dem Statuswechsel von einer geistlichen Laufbahn, die für Mann und Frau gewisse Vorgaben machte, zur Existenz als Landadelige übernahmen J. E. und J. W. Petersen neue Rollen im frühneuzeitlichen Standesgefüge, die neue Freiheiten, aber auch Einengungen mit sich brachten.408 Das Dorf Niederndodeleben hatte unter den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges schwer gelitten, so dass auch hier die Bevölkerung stark zurückgegangen war.409 Das Gut in Niederndodeleben erwarb J. W. Petersen nach eigenen Angaben von einem Advokaten;410 es handelte sich dabei um den vermutlich ältesten Hof der Ortschaft, der zu diesem Zeitpunkt nicht bewirtschaftet wurde.411 Der brandenburgische Kurfürst unterstützte den Kauf mit Vergünstigungen, die den erworbenen Hof von Lasten freistellten.412 Knyphausen erwirkte bei Kurfürst Friedrich III. eine Pension, die er selber noch aufstockte, so dass sie »700. Thaler ausmachte«.413 Im Vergleich zu zeitgenössischen Salären für Geistliche dürfte J. W. Petersen damit in der Lage gewesen sein, ohne materielle Sorgen 406 D. Döring, Frühaufklärung, 1995; in dieser Studie untersucht er das Verbot einer Schrift des Berliner Geheimen Staatssekretärs Friedrich Wilhelm Stosch aus den Jahren 1693/94. Für Kursachsen liegt eine neuere Untersuchung vor: A. Kobuch, Zensur, 1988. 407 J. W. Petersen betonte in seinen Publikationen immer wieder, dass er unter dem Schutz des preußischen Königs stehe, Die gantze Oeconomie, 1707, 12; Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, Vorrede. 408 Zum weiblichen Aufgabenkomplex, der sich für das Gebiet des frühneuzeitlichen SachsenAnhalt erheben lässt, s. U. Gleixner, Arbeit, 2000. Vgl. auch J. Peters, Geschlecht, 1999, der anhand von Fällen vor einem Patrimonialgericht in der Westprignitz Strukturen der Gutsherrschaft am Ende des 17. Jh. untersucht. 409 Zu frühneuzeitlichen Situation dieses Ortes s. G. Christopeit, Niederndodelebener, 2000, 34–44. 410 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 340. Wegen Unstimmigkeiten über die Kaufsumme kam es zu einem Prozess, ebd., 340. Auch im Zusammenhang mit der Verpachtung des Gutes strebte J. W. Petersen einen Prozess an, ebd., 341. 411 Nach den Recherchen G. Christopeits, Niederndodelebener, 2000, 42, erwarb J. W. Petersen den Hof, zu dem 14 Hufen Land gehörten, von dem Magdeburger Domsyndicus Dr. Joachim Reinhold Banse. Im Jahr 1998 wurden die Gebäude abgerissen, ebd., 42. 412 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 226; zu dem Kauf habe außer dem Kurfürsten auch die Familie von Friesen beigetragen. Henriette Katharina von Gersdorf, die den Petersen verbunden war, stammte aus der Familie von Friesen. 413 Ebd., 219.
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zu leben.414 Seine finanzielle Ausstattung darf eher als überdurchschnittlich veranschlagt werden.415 Gleichwohl gelang es ihm in den folgenden Jahren an einigen Orten, den Eindruck zu erwecken, als ob er in ärmlichen Verhältnissen lebe und der Unterstützung bedürftig sei.416 Vermutlich beruht diese unterschiedliche Einschätzung darauf, dass er immer wieder durchblicken ließ, welch gehobenen Lebensstil er für sich und seine Familie als angemessen betrachtete. So notierte er in seiner Autobiographie die Fälle, in denen er mit mehrspänniger Kutsche gefahren wurde.417 Umgekehrt hielt er ebenso sorgfältig fest, wann er mit der Postkutsche reisen musste.418 Nach dem Bericht J. W. Petersens war er derjenige, der den Kauf der Güter tätigte, ein neues Haus bauen ließ und über dem Umzug entschied, während seine Ehefrau ihm hierbei »treue Hülffe« leistete.419 Diese Sicht der Verhältnisse 414 Als Gotthilf August Francke, der Sohn und Nachfolger A. H. Franckes, 1727 vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. nach der Besoldung für sein Pfarramt gefragt wurde, gab er als Summe 200 Taler an. Der König entgegnete ihm darauf, dass »der schlechteste Prediger wohl 400 Thlr« habe, s. G. Kramer, Neue Beiträge, 1875, 167. Als 1697 in Berlin der von J. C. Schade ausgelöste Beichtstuhlstreit im Gang war, berichtete Spener an A. E. Kißner, dass der Kurfürst dem umstrittenen Pfarrer eine jährliche Unterstützung von »200 Rtl.« zugesagt habe, wenn er freiwillig auf sein Amt verzichte, ep. vom 20.4.1697, zit. bei A. Nebe, Berliner Briefe, 1935, 137. In Brandenburg-Preußen betrugen die Gehälter für Stadtgeistliche in der ersten Hälfte des 18. Jh. zwischen 200 und 1500 Talern; die letztere Summe erhielten die Berliner Hofprediger, s. G. Heinrich, Amtsträgerschaft, 1972, 234, Anm. 132. Gottfried Arnold erhielt 1697/98 für seine Gießener Geschichtsprofessur 85 Thaler Jahresgehalt, wozu allerdings noch weitere, jedoch nicht ganz fest zu kalkulierende Einnahmen hinzukamen, s. F. Dibelius, Arnold, 1873, 80f. 415 H. Kiesel/P. Münch, Gesellschaft, 1977, 57, errechneten, dass eine Familie bürgerlichen Standes um 1700 in Klein- bzw. Residenzstädten zwischen 120 bis 800 Reichstaler benötigte. J. K. Dippel verdiente als Prinzenerzieher am Hof des Landgrafen von Hessen-Darmstadt in der Zeit um 1697/98 ein Jahresgehalt von 100 Reichstalern, s. S. Goldschmidt, Dippel, 2001, 150. 416 So hieß es über seine Aufnahme in den Pegnesischen Blumenorden, die 1705 in Nürnberg erfolgte: »Alldieweil aber bey diesem frommen und gelehrten Mann, die Mittel nicht groß seyn sollen, ihme auch viele Unkosten auf seine Reise gehen, als habe ich Ihm . . . die zu erlegende 6. Thaler entlassen . . . und was etwan auf die Verfertigung des Bandes (so ich Ihme nachzuschicken versprochen) gehen wird, ex Fisco Societatis erlegen lassen«, J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 593f. 417 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 86: bei seiner Ankunft für den Antritt der Superintendentur ließ ihn der Lüneburger Rat eine Meile vor der Stadt mit einer vierspännigen Kutsche abholen. In der Biographie Speners hingegen wird betont, dass er aus Bescheidenheit fast nie eine Kutsche benutzte, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 327. 418 Zur Ausstattung der frühneuzeitlichen Kutschen sowie zur Organisation der Postroutenwege s. H. R. Gräf/R. Pröve, Wege, 1997, 124–126; I. Schrattenecker, Deutsche Reise, 1999, 15–18. Samuel Schelwig, der im Itinerarium, 1695, seine Reise von Danzig aus beschrieb, reiste meistens mit der Postkutsche und leistete sich nur als Ausnahme eine Extra-Post, 6, 11, 14, 49. Nur für die Strecke von Braunschweig nach Wolfenbüttel nahm er einen eigens gemieteten Wagen, 40. 419 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 226: »Ich suchte zu der Zeit, wie ich möchte ein Gut auf dem Lande bekommen«. Der Topos der Ehefrau als »Gehülffin« bezieht sich auf Gen 2,18, entsprach jedoch insgesamt den frühneuzeitlichen Ehevorstellungen. Zu diesem Terminus bei A. H. Francke s. G. Kramer, Beiträge, 1861, 311, 348; ders., Francke 1, 1880, 137.
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entsprach der juristischen Lage, nach der der Ehegatte über den materiellen Besitz allein verfügte.420 Dieser Sachverhalt verdient deswegen eine gesonderte Erwähnung, da sich J. W. Petersen in anderen Hinsichten durchaus von dem zeitüblichen Eheverständnis abhob, wenn er in Bezug auf die schriftstellerischen Aktivitäten die Gleichheit zwischen sich und seiner Frau betonte.421 Das eheliche Verhältnis dieses pietistischen Paares wurde, abgesehen von einigen desavouirenden Polemiken,422 in der zeitgenössischen Öffentlichkeit kaum diskutiert. In vielen Belangen scheinen die beiden sich in ihrem nach außen dokumentierten Verhalten nicht in auffallender Weise von anderen Ehemännern und -frauen unterschieden zu haben.423 Das erhaltene Quellenmaterial wird zu stark nach neuzeitlichen Kategorien beurteilt, wenn von »einer partnerschaftlich gestalteten Ehe« gesprochen wird.424 In J. E. Petersens wenigen Äußerungen über den Ablauf des Alltags fällt auf, dass sie an einigen Stellen pointiert von ihrem eigenen Raum spricht, der sowohl die Voraussetzung für religiöse Erlebnisse als auch für literarisches Schaffen darstellte.425 Während es 420 Zur frühneuzeitlichen Rechtslage für Ehe und Haushalt s. H. Wunder, Herrschaft, 1997, 36–38. Wenn Besucher kamen, dann kehrten sie nach Darstellung J. W. Petersens in sein Haus ein, Lebens=Beschreibung, 1719, 153, 171. Er berichtet, dass seine Ehefrau nach dem Urteil über seine Amtsenthebung nach Lüneburg zurückkehrte und »packte meine Sachen ein«, ebd., 218. Von J. E. Petersen gibt es keine Kommentare zum materiellen Besitz oder eventuelle Hinweise auf Unstimmigkeiten in Bezug auf diese Entscheidungsverteilung. 421 J. W. Petersen bezeichnet seine Ehefrau meistens als seine »Liebste«, Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, o. J., 161, 180f; ganz selten nur nennt er sie »meine Gehülffin«, ebd., 163. Sie spricht von ihm als »mein lieber Mann«, manchmal auch »mein lieber Eheherr« bzw. »Ehegatte«, J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 285, 287–290, 293f; Einige Send=Schreiben, 1714, Vorbericht A5r. Ihre Glaubens=Gespräche, 1691, widmet sie ihrem »Hertz=geliebten Mann«. Spener bezeichnet seine Ehefrau meist als seine »hausfrau«, s. A. Nebe, Dresdner Briefe 1934/35, 262, 263f, 270, 300; ders., Berliner Briefe, 1935, 122, 125, 129, 131f, 145, 154; für andere Ehefrauen verwendet er hingegen auch die Formulierung »Eheliebste« oder »Frau Liebste«, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 5. 422 So bemängelt J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 465, dass J. E. Petersen ihren Ehemann in einem gedruckten Text »gantz verächtlich dutzet«. In der Frühen Neuzeit war es Usus, dass sich Eheleute bis zum Ende des 18. Jh. mit »Sie« gegenseitig ansprachen, s. B. Becker-Cantarino, Leben als Text, 1985, 88. 423 Erste neuere Überlegungen zum pietistischen Eheverständnis liegen vor: U. Gleixner, Ehe, 2002; die Ausführungen von F. Tanner, Ehe, 1952, 58–68, zu den Petersen können als überholt gelten. 424 M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 63. 425 In ihrem Buch Einige Send=Schreiben, 1714, Vorbericht, A4r-v, erwähnt die Autorin ihr »Kämmerlein«, in dem sie die Bibel las und betete. In ihrer Autobiographie ist an zwei Stellen von einem eigenen Zimmer die Rede, das einmal als »mein Kämmerlein« und einmal als »mein Bet=Stübchen« bezeichnet wird, Leben, 1718, 39, 41. Auch Jane Leade erwähnt ihr »besonder Gemach und Zimmer«, das für sie eine Voraussetzung dafür bildete, dass Gott ihr in Gestalt von Visionen erscheinen konnte, s. Offenbahrung der Offenbahrungen, 1718, 149. Johanna Ursula von Geusau, die als Pietistin am Hof der verwitweten Herzogin in Württemberg lebte, ließ sich »gantz oben unter dem Dache des Schlosses ein kleines Kämmergen zurichten, worinne sie ihre, von anderen Beruffs=Geschäfften etwa übrig bleibende Zeit, mit Beten, Lesen und Singen recht
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selbstverständlich war und keiner Erwähnung bedurfte, dass ein Theologe über einen Arbeitsraum samt Bibliothek426 verfügte, stellte dieses Faktum für Frauen eine seltene Ausnahme dar. Der eigene Raum als Refugium für geistliche Erfahrungen wird hingegen von A. H. Francke eigens benannt.427 Das Gut Niederndodeleben entwickelte sich zu einem »Kommunikationszentrum für die radikalen Pietisten«.428 Einige statteten nicht nur kurze Besuche ab, sondern hielten sich über einen längeren Zeitraum bei der Familie Petersen auf. Im Oktober 1695 traf ein Sohn Speners, Wilhelm Ludwig Spener, dort auf Anna Margaretha Jahn, die aus Halberstadt ausgewiesen worden war.429 A. M. Jahn gehörte zu den Frauen, die zu Beginn des Jahres 1692 mit visionären Erlebnissen in Erscheinung getreten waren und erhebliches Aufsehen erregten.430 Adelheid Sybille Schwartz, die in Lübeck als Prophetin aufgetreten war und zunächst von A. H. Francke unterstützt wurde, hielt sich ebenfalls in Niederndodeleben auf.431 Die beiden Familien waren seit den 1680er Jahren miteinander befreundet: J. E. Petersen wurde 1684 Taufpatin des ersten Sohnes der Familie Schwartz.432 Feustking kolportiert, dass A. S.
vergnügt zuzubringen wußte«, E. H. Graf Henckel, Letzte Stunden 1, 1722, 224. Die Bedeutung eines eigenen Raumes als Voraussetzung für Frauen, um künstlerisch produktiv zu werden, hat im 20. Jh. eindrücklich Virginia Woolf in ihrem Essay Ein Zimmer für sich allein, 1929, beschrieben. 426 J. W. Petersen spricht ganz beiläufig von seiner »Studier=Stube«, Lebens=Beschreibung,1719, 71; ebenso der Lübecker Superintendent August Pfeiffer (1640–1698), Klugheit der Gerechten, 1697, 32. H. Lehmann, Ewiges Haus, 1996, 186, macht auf die sächsische Kirchenordnung von 1580 aufmerksam, die bestimmt, dass jeder Pfarrer ein »Studierstübchen« haben sollte. Hinsichtlich der Bücher betont J. W. Petersen, dass es sich dabei um seinen Besitz handelte; er spricht nicht von der gemeinsamen Bibliothek, J. W. Petersen, Ablehnung der schändlichen Aufflagen, 1692, 2; Lebens=Beschreibung, 1719, 220. 427 A. H. Francke, Lebensläufe, 1999, 25. A. Lagny, Francke, 2002, 124, unterstreicht die spirituelle Bedeutung des Raumes. 428 H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1995, 115. 429 H. Schieckel, Stammbuch, 1986, 160. 430 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 509–513, berichtet, dass N. Prätorius, die in Halberstadt zur pietistischen Gruppierung um Andreas Achilles gehörte, seit 1694 in Magdeburg lebte und von dort aus Kontakt zu J. W. Petersen aufnahm, »welcher sie auch/ als eine begeisterte Glaubens=Schwester/ ungeachtet was man davon in der Stadt redete/ mit sich auff seinen Hof nach Niedertodtleben führete«, ebd., 513. Über diesen Aufenthalt ist nichts weiter bekannt. 431 U. Witt, Bekehrung, 1996, 52. Als der Schweizer Samuel König 1707 für einige Zeit in Berlin war, wohnte er vermutlich bei der Familie Schwartz, s. R. Dellsperger, Samuel König, 1984, 163, Anm. 49. Die Familie war 1692 aus Lübeck ausgewiesen worden und lebte seitdem in Berlin, s. E. Fritze, Schwartz, 1991, 117. T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 194, Anm. 97, gibt an, dass das Ehepaar Schwartz sich 1697 gemeinsam mit dem Ehepaar Hattenbach bei den Petersen aufhielt. Ferner teilt er mit, dass J. E. Petersen im Jahr 1703 nach dem Tod von A. S. Schwartz deren älteste Tochter zu sich genommen habe. 432 E. Fritze, Schwartz, 1991, 101, 108. Die Vermutung von Fritze, ebd., 112, dass J. E. Petersen die Autorin eines prophetischen Mahnschreibens sein könne, das A. S. Schwartz dem Lübecker Superintendenten A. Pfeiffer überreichte, halte ich nicht für stichhaltig.
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Schwartz bei Freunden und Anhängern der Petersen in Schleswig-Holstein eine Kollekte erbettelte, um das Gutshaus mit neuen Fenstern auszustatten.433 Ein von den Unschuldigen Nachrichten publiziertes Stammbuch enthält für den Dezember 1695 außer Jahn und Schwartz noch einen weiteren Personenkreis, der sich in Niederndodeleben aufhielt.434 Gottfried Arnold fand sich im Mai 1698 bei seinen Freunden ein.435 Im Sommer des Jahres 1700 hielt sich der aus der Schweiz ausgewiesene Pietist Samuel König (1671–1750) bei den Petersen auf, einige Jahre später die radikalen Schweizer Samuel Güldin mit seiner Familie sowie Niklaus von Rodt mit Tochter und Schwiegersohn.436 Zu den Gästen gehörte ebenfalls der reformierte Pietist Heinrich Horche (1652–1729), der nach anfänglicher Freundschaft auf Distanz ging.437 Die weit reichenden Einflüsse, die von beiden Petersen ausgingen, und die sich sowohl auf persönliche als auch auf briefliche Kontakte sowie literarische Auswirkungen erstreckten, können hier nicht in vollem Umfang rekonstruiert werden.438 Die z. T. mehrmonatigen Aufenthalte von Einzelnen oder ganzen Familien führten neben der gegenseitigen Bestärkung auch zu Konflikten, von denen sich einer bis zu einem Gerichtsprozess ausweitete. Sowohl J. E. als auch J. W. Petersen439 hinterließen Darstellungen über diesen Fall, der sich 1705 zutrug.440 433 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 611f. Spener berichtet im Februar 1693 an Francke, dass in Hamburg ein Paket J. W. Petersens abgefangen wurde, das Briefe von ihm sowie der »Frau Schwartzin« enthielt, s. G. Kramer, Beiträge, 1861, 292. Näheres über diese Briefe ist nicht bekannt. 434 Unschuldige Nachrichten 1747, 888: es handelt sich dabei um das Stammbuch von Daniel Falckner, der sich offensichtlich in pietistischen Kreisen bewegte. Außer den beiden Petersen und den beiden bereits erwähnten Frauen schrieben sich in Niederndodeleben ein: Catharina Elisabeth Stilcken, Witwe Lochmeierin; Eva Maximiliana F.v.B; H. I. Elers; Jo. Andr. Schilling. Weitere Namen weisen auf pietistische Zentren in Quedlinburg und Halle hin. 435 H. Schneider, Arnold, 1995, 282f. Arnold kannte J. W. Petersen schon seit seiner Dresdener Zeit als Hauslehrer, ebd., 282. 436 R. Dellsperger, Samuel König, 1984, 160f, 175; Güldin zog spätestens 1705 nach Magdeburg und wanderte 1710 nach Pennsylvania aus; ders., Pietismus in Bern, 1984, 142, 175. Der von den beiden Petersen vertretene Chiliasmus beeinflusste das Denken Königs, ebd., 110–115. Zu S. König s. ferner H. Hohlwein, König, 1959; S. Siebert, König, 1992. Zu Speners Urteil über König s. Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 712f. 437 J. W. Petersen, Zeugniß der Warheit, 1718, 10, erwähnt einen Brief, den Horche nach Niederndodeleben an Frau Fellenbergin, die Tochter des N. von Rodt, schrieb. 438 K. Deppermann, Pennsylvanien, 1984, 205–207, schreibt m. E. dem Ehepaar Petersen einen zu weit reichenden Einfluss zu, wenn er davon ausgeht, dass dessen Apokalyptik erheblichen Einfluss auf Auswanderungen nach Amerika sowie auf Gründungen von Einsiedlerkolonien ausübte. E. Peschke, Pietismus in Dargun, 1974, 83, macht auf die Auswirkungen der von den Petersen vorgetragenen Ideen auf Christine Gräfin von Stolberg-Gedern, auf deren jüngere Schwester Prinzessin Augusta von Mecklenburg-Güstrow sowie auf einen weiteren Personenkreis des Hofes im mecklenburgischen Dargun aufmerksam. 439 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 275, 281; Heimgang, 1724. 440 J. W. Petersen gibt an, dass er zur fraglichen Zeit zunächst in Nürnberg weilte, Heimgang, 1724; seine längere Reise nach Franken und Württemberg fand 1705 statt. J. E. Petersen spricht
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J. E. Petersen nahm in einem Brief_441 Stellung zu Gerüchten, nach denen ihr »L[ieber] Mann ein Mägdlein geschwängert, deren geld er in händen« gehabt haben sollte. Nach ihrem Bericht traf in Niederndodeleben während der Abwesenheit ihres Ehegatten der aus dem Holsteinischen stammende Friedrich von Redegett mit Ehefrau und Stieftochter ein. Er hatte den Dienst als Oberst unter dem dänischen König quittiert, um dem »himmlischen König, die übrige Zeit seines lebens freier dienen« zu können. Da das Ehepaar angab, ein halbes Jahr nach dem Aufenthalt der Petersen geforscht zu haben, weil deren Schriften einen nachhaltigen Eindruck bei ihnen hinterlassen hatten, war J. E. Petersen bereit, die Gäste zu beherbergen. Während des sechswöchigen Aufenthaltes leisteten diese Unterstützung bei den »häußlichen geschäfften«, wozu auch die Beaufsichtigung der Heuernte gehörte. Aus den detaillierten Schilderungen geht hervor, dass auf dem Gut Niederndodeleben neben dem Verwalter mit seiner Familie ferner eine »hauß Jungfer« zum Kreis der Bediensteten gehörte. Nach Darstellung J. E. Petersens kam es nach der Rückkehr ihres Ehegatten zu Handgreiflichkeiten, bei denen der Oberst unberechtigte Geldforderungen stellte. Mit der Beschuldigung, dass er große Summen an die Petersen ausgeliehen habe, forderte er Teile des Gutes als sein Eigentum. Der Brief J. E. Petersens mit der Schilderung dieses Konfliktes endet mit der Mitteilung, dass die Gäste ihren weiteren Aufenthalt bei dem Niederndodelebener Prediger Blümler genommen haben, der »unser feind gewest so lange wir hier gewohnet«.442 Der in Gotha überlieferte anonyme Bericht über diese Ereignisse teilt ferner mit, dass ein Prozess in Magdeburg angestrengt wurde, jedoch nicht zustande kam, da der Baron, wie er hier genannt wird, spurlos verschwand. Gemutmaßt wird, dass J. W. Petersen heimlich einen Vergleich mit seinem Kontrahenten ausgehandelt habe. Bei Gelegenheit dieser Darlegung wird festgehalten, dass J. W. Petersen auf seinem Gut mit seinen Gästen »privatim seinen Gottesdienst und Synaxin celebrirt« habe.443 in ihrem Brief davon, dass sie zur Zeit des Konfliktes bereits seit 12 Jahren in Niederndodeleben wohnten, FLB Gotha, Chart A 297, 25. Auch diese Notiz führt in das Jahr 1705. Ein in Gotha erhaltener handschriftlicher Bericht, dessen Verfasser unbekannt ist, nennt die Jahre 1703 oder 1704 für diesen Vorfall, FLB Gotha, Chart B 198, 357r. 441 FLB Gotha Chart A 297, 25, 393–401: »Copia eines Briefes, so Frau D. Petersen, wegen, von Ihren geliebten Eheherrns außgesprengten Calumnie, an einen guten Freund in Coburg geschrieben.« Der Brief ist undatiert, die Kopie liegt in der Handschrift S. E. Cyprians vor. Wer der Coburger Freund war, ließ sich nicht ermitteln. 442 B. Blümler, Kurtzgefassete Ablehnung, 1718, 14f, gibt an, dass der Oberst in das Haus der Petersen aufgenommen worden sei, um »von selbigem das Gold=machen« zu lernen. Zum Ausgang des Konfliktes s. ebd., 16: J. W. Petersen habe einen Prozess angestrebt, dabei sein Ziel allerdings nicht erreicht. Daraufhin habe er bald darauf Niederndodeleben verlassen. 443 FLB Gotha Chart B 198, 357r-v. H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 381, Anm. 72, der sich nur auf die in J. W. Petersens Heimgang, 1724, festgehaltene Version dieses Konfliktes bezieht, sieht darin einen Bericht über den Aufenthalt Johann Dittmars, der im Auftrag der englischen Philadelphier feste Mitgliedsstrukturen in Deutschland aufbauen sollte. Aus der Dar-
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Aus dem Bericht J. E. Petersens über diesen Vorfall geht hervor, dass der Sohn August Friedrich sich zu diesem Zeitpunkt in Niederndodeleben aufhielt. Um das Jahr 1697 besuchte er mit großer Wahrscheinlichkeit eine der Hallenser Schulen, da der spätere Superintendent Christoph Barth um diese Zeit nach Halle kam, »woselbst die Söhne des seligen Herrn D. Speners und D. Petersens ihm anvertrauet worden, solche in Mathematicis zu unterrichten.«444 Auf weitere Konflikte der Niederndodelebener Zeit deutet die literarische Kontroverse mit dem Ortspfarrer Benjamin Blümler hin, der als Geistlicher an der St. Peter- und Paul-Kirche wirkte.445 Blümler bescheinigte den beiden Petersen, dass sie zunächst die öffentlichen Gottesdienste besuchten, dann jedoch begonnen hatten, »auf dem Felde wider die Kirchen=Ordnung lauffende Versammlungen« abzuhalten.446 Ferner warf der Geistliche dem Gutsbesitzer Petersen vor, die Bauern des Ortes bei Streitigkeiten übervorteilt zu haben.447 J. W. Petersen reagierte mit einer Streitschrift, in der er betonte, dass er sein Gesinde sehr wohl zum Gottesdienst geschickt habe. Darüber hinaus jedoch habe er sich, »wie einem Doctori Theologiae sonderlich wohl anstehet«, mit seinen Leuten »im Hause erbauet«.448 Über die Form und den Inhalt dieser Erbauungsstunden fällt kein weiteres Wort. J. W. Petersen seinerseits beschuldigte den Niederndodelebener Pastor, ihn und seine Frau in einer Predigt als falsche Propheten hingestellt zu haben. Mit der Etikettierung als »Läster=Predigt« erledigte J. W. Petersen von seiner Seite aus diese Auseinandersetzung.449 Der Ortswechsel von Niederndodeleben nach Thymer könnte auch einen stellung J. W. Petersens schließt Schrader, dass »seine Frau mehr als er selbst dem Gedanken einer sektiererischen Sondergemeinschaft auf böhmistisch-spekulativer Grundlage Sympathie entgegenbrachte.« Die Identifizierung des Gastes mit Johann Dittmar lässt sich nicht verifizieren. 444 H. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 673. C. Barth, geb. 1675, war ein Sohn von M. Johann Barth, der als Pfarrer im Bayreuthischen wirkte, ebd., 673. Er wurde, wie J. W. und J. E. Petersen, in den Pegnesischen Blumenorden aufgenommen. 445 Blümler ließ ein neues stattliches Pfarrhaus errichten, das noch heute besteht und mit folgender Inschrift im Türsturz versehen ist: Exstruct. Anno 1695. Past. B. Blümlero. 446 B. Blümler, Kurtzgefassete Ablehnung, 1718, 8f. Weiterhin beklagt Blümler, dass J. W. Petersen sich ungebührlich verhielt, nämlich »daß er währenden Gottesdienst in der Kirchen, entweder in einem Buche lase, oder gar schlieff, welches dann der Gemeine an einem Doctor Teologiae ziemlich ärgerlich fiele«, ebd., 20. 447 Ebd., 13f: J. W. Petersen hatte vor seinem Haus Linden pflanzen lassen »und um solche einen Zaum . . . ziehen . . ., wodurch ein grosser Theil der öffentlichen gemeinen Strassen weggenommen wurde, so giengen die Bauren des Orts, als welche Herr Petersen ohnedem durch die praetendirte Aufschlagung der Hürden für seine Schaafe, ingleichen mit den verweigerten Nachbar=Rechte ihm aufsätzig gemacht, hin, und rissen den Zaum nieder.« J. W. Petersen intervenierte beim Magdeburger Domkapitel und eine Kommission untersuchte die Vorfälle. Ferner beschuldigte Blümler seinen Kontrahenten, dass er seinen leiblichen Bruder, Heinrich Petersen, »der ihm doch hieselbst so grosse Dienste geleistet hat«, übervorteilt habe, ebd., 16f. 448 J. W. Petersen, Kurtze Abfertigung, o. J., 13. 449 Ebd., 22; vgl. auch Lebens=Beschreibung, 1719, 242.
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Biographie
Reflex auf die von Blümler angedeuteten Konflikte darstellen. J. W. Petersen nannte als Grund für die Umsiedlung, dass die Bauern in Niederndodeleben zu unruhig gewesen seien, auf dem Thymer habe er »grössere Stille und Müsse«.450 Neben der Aufnahme von Gästen spielten Reisen eine wichtige Rolle im Leben des Ehepaares Petersen. Einen Teil dieser Reisen unternahmen beide gemeinsam, oftmals war J. W. Petersen allein unterwegs,451 gelegentlich auch J. E. Petersen. Während J. W. Petersen viele seiner auswärtigen Unternehmungen minutiös in seinen autobiographischen Aufzeichnungen festhielt, lassen sich die von J. E. Petersen unternommenen Fahrten und Besuche nur bruchstückhaft rekonstruieren. Nach Frankfurt am Main begleitete J. E. Petersen ihren Ehemann, weil sie »gern ihre Geschwistere, und die Frau Schützin, und D. Kisnerin, sammt den Hn. Fend sprechen wolte.«452 Ferner reisten beide nach Karlsbad;453 der Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz (1664–1718) lud das Ehepaar in seine Residenz ein.454 Dessen Übertritt zum Katholizismus schlug hohe Wellen; als er kurz vor seinem Tod wieder zur lutherischen Konfession rekonvertierte, schrieb J. W. Petersen sich und seiner Ehefrau dabei eine entscheidende Rolle zu.455 Im Frühjahr 1698 hielten sich beide Petersen für einige Zeit in Halle auf;456 im Monat Mai des Jahres 1699 waren sie in Laubach.457 Nach Leipzig bestanden regelmäßige Kontakte,458 ebenfalls nach Erfurt.459 Die Reise nach Franken und 450 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 327; nach seinen Angaben verpachtete er das Gut Niederndodeleben, 340f. 451 So lernte O. Björn, einer der Korrespondenten F. Brecklings, J. W. Petersen im April 1707 in Berlin kennen, s. T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 170, Anm. 60. Zu seiner Reise nach Greiz zu Graf Heinrich II. von Reuß-Greiz (1696–1723) sowie nach Köstritz s. H.-W. Erbe, Zinzendorf, 1928, 18, 68f. 452 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 264. 453 Ebd., 324. 454 Ebd., 325f. 455 J. W. Petersen, Heimgang, 1724. Die anderen Quellen führen diesen Schritt jedoch vor allem auf das Einwirken A. H. Franckes zurück, C. Gerber, Historia derer Wiedergebohrnen 1, 1732, 259–268; J. G. Walch, Einleitung 3.1, 1733, 765–767; G. Kramer, Francke 2, 1882, 261–271. Zinzendorf vermerkte in seinem Tagebuch erste Gerüchte über die Konversion, 6.7. 1716, Tagebuch, 1907, 175. 456 Von dort schrieb J. E. Petersen einen Brief an Spener, AFSt A 299, 35; J. W. Petersen notierte in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 327, dass er seine Besuche in Halle eingestellt habe, weil er bemerkte, »daß sie gegen mich was fremd wurden«. 457 J. Wallmann, Pietismus, 1990, 103; vgl. auch H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 57, 62. J. K. Dippel war auch im Frühjahr desselben Jahres dort, es lässt sich jedoch nicht nachweisen, dass er mit dem Ehepaar Petersen dort zusammentraf, s. S. Goldschmidt, Dippel, 2001, 259. 458 So sprach J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 211, davon, dass er kürzlich in Leipzig gewesen sei. 459 Der Erfurter Pietist Georg Heinrich Brückner (1652–1700) teilte die theologischen Überzeugungen der Petersen und besuchte diese auch in Niederndodeleben, s. J. Wallmann, Erfurt, 1992, 419; H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 39. T. Wotschke, Märkischer
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Württemberg im Frühjahr 1705 unternahm J. W. Petersen allein. Er bediente sich dabei des pietistischen Beziehungsgefüges und seiner weitgespannten Kontakte.460 Anlässlich dieses Aufenthaltes in Franken kam der Kontakt zum Präsidenten des Pegnesischen Blumenordens zustande, infolgedessen beide Petersen als Mitglieder aufgenommen wurden. Im Frühjahr 1708 trat J. W. Petersen eine Reise nach Schlesien an, um nach eigenem Bekunden die berühmt gewordenen betenden Kinder in Augenschein zu nehmen.461 Er unterstreicht dabei, dass er eingeladen wurde und dass das Reisegeld ihm geschickt worden sei.462 Die Reiseroute verlief über Leipzig, bis wohin J. E. Petersen ihn begleitete. Von dort nahm ihn Baron von Löwenstein in seiner »eigenen Chaise« mit nach Schlesien.463 Sein Reisebegleiter in Schlesien war Graf Heinrich XXIV. von Reuß-Köstritz (1681–1748),464 der ihn auch in Sorau einführte, der Residenz des pietistischen Grafen Erdmann II. von Promnitz-Sorau (1683–1745).465 Hier traf er auf Erdmann Neumeister (1671–1756), der als Oberhofprediger und Superintendent eine antipietistische Position einnahm.466 Während der Rückreise mit Graf Reuß kam J. E. Petersen hinzu, und zu dritt besuchten sie J. R. von Asseburg in Sachsen.467 Auf der weiteren Heimreise behielt J. W. Petersen seine Pseudonymität bei und stattete gemeinsam mit Freundeskreis, 1928, 188, Anm. 85, gibt einen Brief wieder, nach dem J. W. Petersen im Juli 1700 in Gotha einen Besuch machte. 460 Zum radikalen Pietismus in Franken und J. W. Petersens Besuch s. H. Weigelt, Pietismus in Bayern, 1995, 309f. 461 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 308–322. Zu den zu Beginn des 18. Jh. auftretenden Gruppen von Kindern s. Unschuldige Nachrichten 1708, 108–110; J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 853–856. 462 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 308. 463 Ebd., 308. 464 Dieser pflegte Kontakte zu Pietisten unterschiedlicher Richtungen. So besuchte auch Hochmann von Hochenau 1711 Köstritz, nachdem er bereits vorher mit dem Grafen korrespondiert hatte, s. H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 322–325.Vgl. auch H. Erbe, Zinzendorf, 1928, 13–25; 1710 stattete J. W. Petersen einen Besuch in Köstritz ab, ebd., 18; s. ferner C. E. Vehse, Thüringen, 1994, 227–235. Diesem Grafen ist das postum erschienene Werk G. Arnolds, Theologia Experimentalis, 1714, gewidmet, das dessen Ehefrau herausgab. In ihrem Vorwort erläutert A. M. Sprögel diese Dedication: »Ew. Hochgräfl. Excellentz haben durch GOttes Gnade den Christlichen Ruhm/ daß Sie im geistlichen Gnaden=Leben von einer lebendigen Erfahrung zur andern treulich fortgehen.« 465 Zu diesen pietistischen Grafenhöfen s. H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1995, 115. 466 J. W. Petersen gab sich als Magdeburgischer Prediger M. Wilhelmi aus, wurde jedoch von Neumeister in seiner wahren Identität erkannt. In Briefen an V. E. Löscher in Wittenberg berichtete er über die Auftritte und Aussagen J. W. Petersens, s. H.v. Schade, Neumeisters Briefe, 1998, 62–74. 1717 wurde Neumeister an die Hamburger St. Jacobi-Kirche berufen, s. G. Daur, Prediger, 1970, 128f. J. W. Petersen, der sich durch die Darstellungen Neumeisters angegriffen fühlte, reagierte mit einem Pamphlet gegen diesen und den Grafen von Promnitz-Sorau, Freymüthige Anrede, 1708. 467 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 322. J. W. Petersen berichtet, dass »der Herr Graf von R. begierig war, meine Liebste zu sehen und zu sprechen«. Zum Besuch bei J. R. von Asseburg s. auch W. Nordmann, Eschatologie, 1930, 104.
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Biographie
seiner Ehefrau dem Antipoden Johann Heinrich Feustking (1672–1713), der seit 1706 Superintendent und Hofprediger in Zerbst war, einen Besuch ab.468 In den 1690er Jahren waren beide Petersen in eine Kontroverse um den Übertritt Johann Peter Späths zum Judentum verwickelt. Wie oben bereits dargestellt, hatte Späth auch J. E. Petersen dafür verantwortlich gemacht, dass ihn das Christentum nicht mehr überzeuge.469 Späth hatte die Familie Petersen in Lüneburg besucht und mit ihnen korrespondiert. Nach seiner 1697 in Amsterdam vorgenommenen Konversion470 sahen sich beide Petersen gezwungen, von ihm abzurücken. Insbesondere die Gegner des Pietismus unterstellten den Personen, die mit Späth in Kontakt getreten waren, eine Mitschuld an dessen Religionswechsel zu tragen.471 Das gemeinsame Interesse am Judentum hatte J. E. und J. W. Petersen mit dem ehemaligen Katholiken verbunden, und J. E. Petersen hatte die Hoffnung gehegt, »Gott möchte ihn etwas bey denen Juden gebrauchen, seinen Christum unter ihnen bekannt zu machen«.472 Als der Übertritt und die vorherige freundschaftliche Korrespondenz bekannt wurden, reagierte J. E. Petersen darauf in einer bei ihr nur selten anzutreffenden Schärfe. Gerade weil sie auf eine spürbare Bekehrung von Juden zum Christentum hoffte, bedeutete der Schritt Späths für sie eine herbe Enttäuschung.473 468 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 322–324. Nach seinem Studium in Wittenberg wurde er zunächst Probst in Jessen, dann in Kemberg. 1710 beendete er seinen Dienst in Anhalt-Zerbst, um eine Professur in Wittenberg zu übernehmen. Bereits 1712 wechselte er in die Residenz Gotha als Beichtvater und Oberhofprediger von Herzog Friedrich II. von SachsenGotha (1676–1732). Feustking bekämpfte in mehreren Schriften den Pietismus, machte sich darüber hinaus jedoch auch einen Namen als Reformationshistoriker und Herausgeber der Lieder Paul Gerhardts, s. hierzu R. Albrecht, Hinführung, 1998. Sein Lebenslauf ist abgedruckt in den postum herausgegebenen Miscellan-Predigten 1, 1726, 1239–1262; s. ferner GVUL 9, 1735, 786f; AGL 2, 1750, 595f; ADB 6, 1877, 755. 469 Vgl. J. Graf, Judaeus conversus, 1997, zu Konvertitenbiographien. In einem späteren Werk druckt J. W. Petersen Auszüge aus einem Brief Späths vom 16.2.1700 an ihn ab, in dem dieser beteuert, kein Pietist habe ihn zur Konversion veranlasst, Geheimniß der Gottseeligkeit, 1700, 6. 470 Vgl. hierzu H.-J. Schoeps, Geistesgeschichte, 1978, 291–299; D. Breuer, Konversionen, 1999. R. Po-Chia Hsia, Minderheit, 1999, 297–300, stellt heraus, dass es nur wenige Konversionen vom Judentum zur lutherischen Kirche gab. 471 F. C. Bücher, Treuhertzige Warnung, 1700. Teile der Korrespondenz zwischen Späth und den Petersen waren von ihm veröffentlicht worden, Send=Schreiben eines gewesenen Pietisten, 1699, um die Pietisten für die Konversion verantwortlich zu machen und sie damit bloß zu stellen 472 J. E. Petersen an J. P. Späth, SUB Hamburg Sup.ep. 4° 26, 125v. 473 J. E. Petersen sprach in ihrem Brief an Späth eine regelrechte Verwünschung aus, indem sie Gott darum bat, dass er Späth ängstigen möge, damit er seinen Frevel erkenne, ebd., Sup.ep. 4° 26, 126r. Spener reagierte auf den Übertritt Späths mit aller Schärfe, indem er den Kontakt zu ihm abbrach, s. P. J. Spener, Bedencken 3, 1702, 962. Zu Späths Konversion, der sich als Jude Moses Germanus nannte, s. auch W. Philipp, Spätbarock, 1988. Der Hamburger Lutheraner Benedikt Sebastian Sperling konvertierte in den 1680er Jahren ebenfalls zum Judentum, s. W. Philipp, Philosemitismus, 1958.
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Obzwar sich bei etlichen Pietisten von einer »heilsgeschichtlich begründeten Wertschätzung und praktischen Bemühung für die Juden« sprechen lässt und ein Verzicht »auf alle vorzeitigen Christianisierungsbemühungen« zu konstatieren ist,474 so waren diese Ansätze doch weiterhin eingebunden in einen Denkhorizont, der die christliche Wahrheit als letztgültige Maxime betrachtete. Einige der radikalpietistischen Vertreter neigten im Rahmen ihrer philadelphischen Ideale einer gänzlichen Aufhebung der konfessionellen und religiösen Trennlinien zu. Das pietistische Interesse am Judentum bewegte sich jedoch mehrheitlich innerhalb enger Grenzen, so dass zwar für eine teilweise Duldung plädiert wurde, jedoch immer nur in der Hoffnung, dadurch die christliche Mission zu ermöglichen bzw. das endzeitliche Eingreifen Gottes zur Bekehrung der Juden vorzubereiten.475 Es wird noch weiter zu untersuchen sein, wie die Vorstellungen, die J. E. und J. W. Petersen entwickelten, in diesem Geflecht zu verorten sind. Die Amtsenthebung J. W. Petersens und die theologische Radikalisierung des Ehepaares bedeutete zunächst keinen Bruch im Hinblick auf die Einbindung in die pietistische Scene. Niederndodeleben wurde zu einem wichtigen Knotenpunkt des pietistischen Beziehungsgefüges. Trotz theologischer Differenzen blieb die Freundschaft zu Spener erhalten.476 Dieser erlebte allerdings, da er 1705 verstarb, die weiteren Veränderungen nicht mehr mit.477 Halle und der Kreis um Francke spielten in den ersten Jahren nach der Suspendierung noch eine bedeutende Rolle für die Petersen, dann jedoch machte sich langsam eine Distanzierung bemerkbar.478 Der Brief474 H.-J. Schrader, Sulamiths verheißene Wiederkehr, 1988, 87f. 475 Vgl. hierzu auch M. Friedrich, Abwehr, 1988; ders., Evangelische Theologie, 1999; M. H. Jung, Juden, 1992; U. Arnoldi, Juden, 1993; J. Wallmann, Bund, 2004. 476 Ein Brief J. E. Petersens vom 25.5.1698 an Spener schließt mit der Grußformel »des lieben bruders treueste Schwester«, AFSt A 140, 37v. Dieses im Original erhaltene Schreiben wurde in Niederndodeleben verfasst. Ein weiterer Brief J. E. Petersens vom 19.3.1698 ist vermutlich ebenfalls an Spener gerichtet, AFSt A 140, 36. In beiden Briefen bestellt J. E. Petersen Grüße ihres Ehemannes. Briefe Speners an J. W. Petersen aus den Jahren 1693–1696 sind in Halle erhalten: AFSt C 146,10–17. Am 10.7.1704 schrieb J. W. Petersen von Niederndodeleben aus einen besorgten Brief nach Berlin an Spener, weil er von einer ernsthaften Erkrankung des Freundes gehört hatte. Darin richtete er Genesungswünsche seiner lieben Johanna aus; als Original erhalten: AFSt A 113, 18f. 477 Nach Speners Tod zählte sich J. W. Petersen zu dessen Freunden, deren Aufgabe es sei, den Verstorbenen gegen Angriffe zu verteidigen. Dies brachte J. W. Petersen in seiner gegen J. F. Mayer gerichteten Schrift Die gantze Oeconomie, 1707, zum Ausdruck. 478 J. W. Petersen war einer der Taufpaten für einen Sohn A. H. Franckes, Gotthilf August Francke, der am 28.3.1696 getauft wurde, s. Tauf- und Sterberegister der St. Georgenkirche Halle, 1637–1701, abgedruckt bei P. Raabe, Vier Thaler, 1998, 88. Wie aus einem Brief J. E. Petersens hervorgeht, hielten sie und ihr Ehemann sich im Frühjahr 1698 für einige Zeit in Halle auf, wobei J. W. Petersen erkrankte, AFSt 140, 36, 19.3.1698. Zu den Veränderungen im Verhältnis zu Francke s. auch T. Wotschke, Petersen, 1930. In Halle ist ein Briefkonzept A. H. Franckes für einen Brief an J. W. Petersen vom Mai 1723 erhalten, AFSt A 177, 75.
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Biographie
wechsel mit J. G. Gichtel, den J. E. Petersen von Frankfurt aus gepflegt hatte, lebte von 1691 an auf Gichtels Initiative hin noch einmal intensiv auf,479 um dann gegen Ende 1695 endgültig abzubrechen.480 Gichtel wandte sich zunächst an das Ehepaar, korrespondierte dann jedoch in der Regel mit J. E. Petersen. In fast allen Schreiben dieser Jahre ging er auf Fragen zur Interpretation der Johannes-Apokalypse ein. J. W. Petersens Korrespondenz mit Friedrich Breckling (1629–1711),481 für die erste Zeugnisse seit 1679 vorliegen, wurde in den 1690er Jahren fortgeführt, wobei J. E. Petersen gelegentlich Grüße bestellen ließ oder selber persönliche Notizen hinzufügte.482 Brecklings Haltung gegenüber dem Ehepaar Petersen wurde allerdings kritischer, seit 1700 gibt es keine Hinweise mehr auf einen direkten Briefkontakt. Über Dodo von Knyphausen war ein Austausch mit dem Kreis um die englische Böhmeschülerin Jane Leade hergestellt worden.483 Die Korrespondenz wurde auf Deutsch geführt, Loth Fischer übersetzte die Briefe oder schrieb in Leades Namen.484 Als allerdings nach der Gründung der Philadelphischen So-
479 Am 11.1. 1691 schrieb Gichtel an das Ehepaar Petersen und entschuldigte sich für sein langes Schweigen, Theosophia Practica 3, 1722, 1899–1902. B. Gorceix, Flambée, 1977, 278, macht darauf aufmerksam, dass in der gesamten Korrespondenz Gichtels zwei Lücken bestehen, und zwar in den Jahren 1689 bis 1691 sowie von 1703 bis 1705. 480 Der letzte im Ton noch freundliche Brief stammt vom 11.11.1695, Theosophia Practica 2, 1722, 1151–1155. 481 Zu Person und Werk s. G. Dünnhaupt, Personalbibliographien 2, 1991, 759–786; D. Blaufuß, Beziehungen, 1976; ders., Breckling, 1981; C. G. C. Visser, Mystisch-pietistische Strömung, 1978, 169–171. Zu Speners wohlwollenden Äußerungen s. Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 144. Die Unschuldigen Nachrichten 1708, 150–153, reagierten kritisch auf Brecklings Werke. 482 FLB Gotha Chart A 297, 349f, 10.11.1697, Breckling an J. W. Petersen. Ebd., 351: Breckling legt einem Schreiben an Georg Heinrich Neubauer in Halle ein Schreiben für J. W. Petersen bei. Chart B 198, 326r–v, J. W. Petersen an Breckling, 29.10. 1679. Ebd., 337r–v: J. W. Petersen von Eutin aus an Breckling; er bestellt Grüße seiner Ehefrau und bittet »Bethet für uns, wie wir für Euch.« Ebd., 338–356: 13 weitere Briefe. Am 18.1.1697 schreibt J. W. Petersen »Meine liebste grüßet hertzlich mit mir«, ebd., 351r; ähnliche Formulierungen finden sich am 8.7.1698, 354v sowie am 18.1.1699, 355v. 483 Die ersten Kontakte verliefen über Berlin, indem die Petersen ihre Mitteilungen für J. Leade an Knyphausen schickten, s. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 357f. 484 Zu L. Fischer s. G. Zaepernick, Gichtel, 1982, 115: Fischer stammte aus Nürnberg und hielt sich seit den 1680er Jahren in den Niederlanden auf. Zunächst bewegte er sich im Freundeskreis Gichtels, um sich dann jedoch den englischen Philadelphiern anzuschließen. Gichtels Abgrenzung kommt zum Ausdruck in Theosophia Practica 7, 1722, 391f. Der Kontakt zwischen Leade und L. Fischer kam durch Dodo von Knyphausen zustande. 1694 erschienen die ersten von Fischer ins Deutsche übersetzten Schriften Leades in Amsterdam, s. N. Thune, Behmenists, 1948, 81. In Gotha, FLB Chart A 297, 89–91, liegt ein Brief Leades an J. W. Petersen in der Übersetzung Fischers aus dem Jahr 1703 vor. Der Hamburger Cod. theol. 1234, XV, enthält vom 11.3.1696 einen Brief J. R. von Asseburgs an Leade. Dieses Schreiben macht deutlich, dass auch Asseburg in die Kontakte des Ehepaares Petersen mit den englischen Philadelphiern einbezogen wurde.
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zietät in England485 versucht wurde, das organisatorische Netz auf Deutschland auszudehnen, lehnten beide Petersen diese feste Organisationsstruktur ab.486 Sie betrachteten sich zwar als Philadelphier, die mit Gleichgesinnten im Geiste dieser Idee verbunden waren, hielten jedoch eine Kirchen- oder Sektenstruktur für unangemessen.487 J. E. und J. W. Petersen sahen sich selber als Beförderer der philadelphischen Idee, die Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen und an vielen verschiedenen Orten miteinander verband. Ihre Art von persönlicher und brieflicher Kontaktpflege sowie ihre immense Buchproduktion dienten der Vorbereitung der philadelphischen Kirchenepoche, die sie teilweise als bereits vorhanden wähnten. Leade hingegen drängte auf konkrete Maßnahmen, um das Kommen Christi und den Anbruch des tausendjährigen Reiches zu beschleunigen. Sie formulierte: »Die Persönliche Erscheinung Christi vom Himmel ist nicht zu erwarten bis so lange eine solche Philadelphische Kirche auf der Erden auffgerichtet ist/ die Ihn empfangen kan.«488 Die positive Wahrnehmung des Ehepaares als Gleichgesinnte aus der Perspektive der englischen Philadelphier drückt sich u. a. in einer englischen Übersetzung von J. W. Petersens Species facti aus, die als Traktat zur Ausbreitung der philadelphischen Ideale charakterisiert wird.489 Insofern können beide Petersen nicht zu den Mitgliedern und Verfechtern der in London gegründeten Philadelphischen Sozietät gerechnet werden, auch wenn ihre Bestrebungen in etlichen Hinsichten mit denen Leades und ihrer Anhänger übereinstimmten.490 J. E. und 485 Diese wurde 1694 ins Leben gerufen; zur Bedeutung dieser Sozietät im Rahmen der philadelphischen Idee s. H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 63–73. 486 Im Auftrag der englischen Philadelphier unternahm 1702/03 Johann Dittmar es, in Holland und Deutschland für die von J. Leade gegründete Organisation zu werben, s. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 3, 1886, 461; N. Thune, Behmenists, 1948, 114f; J. Wallmann, Pietismus, 1990, 102. Zu dem Plan der englischen Philadelphischen Sozietät s. W. Struck, Einfluss, 1935, 127–142. Am 7.3.1703 schrieb J. W. Petersen an J. Leade, dass J. Dittmar Ende Juni in Niederndodeleben gewesen sei. J. W. Petersen apostrophierte Leade als »theuerste Mutter«, brachte aber deutlich zum Ausdruck, dass er »für meine und meiner Liebste Person« den Vorstoß Dittmars ablehne, denn es käme »doch eine neue Secte allgemählig heraus«, FLB Chart A 297, 85f. Am Schluss dieses Briefes richtete J. W. Petersen Grüße seiner »lieben Johanna« aus. Der ebenfalls in Gotha erhaltene »Catalogus amicorum in Germania«, der eine Aufstellung der vermuteten Freunde der philadelphischen Sozietät enthält, nennt u. a. »D. Petersen bei Magdeburg zu Niederdodeleben«, ferner R. J. von Asseburg »bei Baronesse de Reichenbach zu Janshausen bei Dresden«, FLB Chart A 297, 6. J. E. Petersen ist in dieser Liste nicht eigens aufgeführt. 487 J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 314, schreibt, dass er »ein Feind von Societäten/ und neuen Secten sey/ meine Liebste auch«. Er begründete seine Position damit, dass eine Struktur überflüssig sei, »weil wir in solcher Philadelphischen Kirchen=Gemeine leben«. 488 J. Leade, Ursachen und Gründe, 1698, 15. 489 Ebd., 38ff. 490 J. Wallmann, Pietismus, 1990, 102, nimmt an, dass beide kurzfristig Mitglieder waren. Zu G. Arnolds distanziertem Verhältnis gegenüber der Leadeschen Sozietät s. J. Büchsel, Arnold, 1970, 125–132.
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Biographie
J. W. Petersen sagten sich weder völlig von der lutherischen Kirche los, noch schlossen sie sich einer festen pietistischen Gruppierung an, sie führten vielmehr eine eigenständige und ungebundene Existenz.491 Insgesamt scheint es so gewesen zu sein, dass das Ehepaar Petersen etwa in den ersten zehn Jahren nach 1692, solange es in Niederndodeleben wohnte, lebhafte Beziehungen in unterschiedliche Richtungen pflegte. Das Gut Thymer hingegen spielte kaum noch eine Rolle als pietistischer Treffpunkt.492 Die beiden waren alt geworden und hatten sich zunehmend isoliert.
5.3 Die letzten Lebensjahre Wie sich anhand der Veröffentlichungen J. E. Petersens nachzeichnen lässt, fand in ihren letzten Lebensjahren eine Rückwendung zur lutherischen Tradition statt.493 Ob diese Wandlung auch in einer Beteiligung am kirchlichen Leben der Gemeinde in Klein Lübars zum Ausdruck kam, ist nicht bekannt. Ferner lässt sich bisher nicht genauer bestimmen, in welchem Verhältnis die Isolierung im Hinblick auf das pietistische Beziehungsnetz und die Wiederanknüpfung an die lutherische Konfession zueinander stehen. Die zeitweise hochgespannte Hoffnung, den Anbruch des tausendjährigen Reiches mitzuerleben, hatte sich nicht realisiert. J. E. Petersen verstarb am Sonntag den 19.3.1724 im Alter von 80 Jahren.494 J. W. Petersen veröffentlichte ein Leichcarmen, in dem er den Tod seiner »theuren Johanna« bekannt gab und ihr 491 Dies unterstreicht auch H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 63, der die herausragende Rolle der beiden Petersen als »Verfechter philadelphischer Ideen« betont, ebd., 70. W.-D. Hauschild, Lehrbuch 2, 1999, 702, fasst diese Beobachtungen folgendermaßen zusammen: Das Ehepaar Petersen »organisierte keine Gemeinschaft, sondern verband eine Lesergemeinde.« 492 Ausdrücklich erwähnt J. W. Petersen in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 334, dass einige der Inspirierten ihn aufsuchten, mit denen es partielle Übereinstimmungen gab. Zu den wichtigsten Führern dieser Bewegung gehörten Eberhard Ludwig Gruber (1665–1728) und Johann Friedrich Rock (1678–1749). Die autobiographischen Schriften Rocks wurden ediert von U.-M. Schneider, Rock, 1999. 493 Bei F. Breckling, der 1711 verstarb, gibt es ebenfalls Hinweise auf eine Rückwendung zur lutherischen Kirche. Kurz vor seinem Tod erklärte er, dass er mit dem lutherischen Bekenntnis übereinstimme, s. D. Blaufuß, Beziehungen, 1976, 258f. G. Arnolds Wende vom radikal-separatistischen zum kirchlich integrierten Pietismus fand nicht angesichts des Todes statt, sondern bereits 1701, als er ein kirchliches Amt übernahm, s. J. Büchsel, Wort, 1995. Der mit den Petersen befreundete S. König übernahm 1711 das Hofpredigeramt in Büdingen, nachdem er seit 1699 ein unstetes Leben geführt hatte, s. R. Dellsperger, Samuel König, 1984, 154, 163. Zur Grafschaft Isenburg-Büdingen s. G. Köbler, Lexikon, 1999, 230. Vergleichbar ist auch die Entwicklung des Laubacher Hofpredigers Johann Philipp Marquard (1668–1727), der im Jahr 1700 sein Pfarramt niederlegte, es jedoch bereits zwei Jahre später wieder antrat, s. H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 74–84. 494 Nach einem Brief von J. W. Petersens Bruder Heinrich Petersen an A. H. Francke wurde J. E. Petersen im Gewölbe auf dem Gut Thymer bestattet, s. T. Wotschke, Petersen, 1930, 385.
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Lebenswerk würdigte.495 Er berichtet darin, dass seine Frau am frühen Morgen ohne Todeskampf friedlich entschlafen sei. Am Tag zuvor habe er mit ihr das Abendmahl gefeiert.496 Der Witwer beschrieb sich als »einsamen Vogel auf dem Dache« und klagte trotz des hohen Alters der Verstorbenen: »Sie starb mir doch zu früh, die würdig war, daß sie gantze Secula gelebet hätte«. Im Rückblick auf seine Ehefrau hob J. W. Petersen auf der einen Seite die als Verfolgung gedeuteten Anfeindungen und auf der anderen Seite die Anerkennung und Unterstützung besonders durch einflussreiche Persönlichkeiten des Adels hervor. Um die große Bedeutung seiner Ehegattin zum Ausdruck zu bringen, formulierte er: »Ich ruffe hier viel hundert zu Zeugen: Würde ein jeglicher, dem Sie Gutes gethan, das Zeugniß der Wahrheit von Ihr ablegen, was für viele Bücher würden nicht geschrieben werden? Ihre Schritte und Tritte waren allenthalben gesegnet, und Ihre Fußstapffen troffen von Fett.«497 Als besonders kennzeichnend für die Verstorbene erwähnte er, dass sie die hebräische Sprache lernte und dass außer den gedruckten Büchern noch mehrere Manuskripte vorlägen. Neben dieser schriftstellerischen Tätigkeit sei ihre Sorge für die Armen bemerkenswert gewesen.498 Die alten Weggenossen reagierten auf den Tod J. E. Petersens. Am Karfreitag des Jahres 1724 bedankte sich J. W. Petersen bei A. H. Francke für die »christliche condolentz«.499 Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760), der Be495 J. W. Petersen, Heimgang, 1724; dieses unpaginierte Leichcarmen umfasst acht Seiten im Folioformat und ist in der Sammlung von Leichenpredigten des Zerbster Francisceums erhalten. Zum Umgang mit dem Tod und zur Praxis der bei den Gebildeten der Frühen Neuzeit üblichen Veröffentlichung von Gedenktexten s. R. Mohr, Protestantische Theologie, 1964; E. Winkler, Leichenpredigt, 1967; R. Mohr, Ars moriendi, 1979. C. Niekus Moore, Erbauungsliteratur, 1991, untersucht Leichenpredigten unter der Fragestellung, welche Lesegewohnheiten von Frauen diese widerspiegeln. 496 Das traditionell zur Vorbereitung auf den Tod gehörende Sterbeabendmahl begegnet in abgewandelter Form auch bei J. Leade. Im Bericht Letzte Lebens=Stunden, 1705, 37, heißt es: drei Tage vor ihrem Tod »berieff Sie uns um Ihr Bette/ und veranlasste uns eines Brodts und Weins/ als in einem H. Liebes=Mahle/ mit ihr theilhafft zu werden«. Ihr Leiden wird mit dem Christi parallelisiert, sie habe durch ihre Schmerzen »am Kreutze gehangen«, 38. 497 Der letzten Wendung liegt Ps 65,12 zugrunde; in der revidierten Fassung der Lutherbibel von 1984 wurde das Wort »Fett« durch »Segen« ersetzt. Im Psalm sind allerdings die Fußstapfen Gottes gemeint, die eine Spur des Segens hinterlassen. A. H. Francke bezog diesen Psalmvers in einem Brief des Jahres 1691 auf die Erfolge seiner pastoralen Arbeit, s. H. Stahl, Francke, 1939, 6. Später veröffentlichte Francke einen Bericht unter diesem Titel über die Arbeiten der Hallenser Anstalten, Fußstappfen Gottes, 1701. 498 Während die schriftstellerische Tätigkeit und die Sprachkenntnisse J. E. Petersens gut bezeugt sind, gilt dies für den Bereich der Armenfürsorge nicht. In einem von Eutin aus geschriebenen Brief an die Herzogin Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz berichtete J. E. Petersen, dass sie dabei sei, für »ein nothleidendes Glied Christi« Geld zu sammeln. Neben anderen Personen bat sie auch die Herzogin um ihre Unterstützung, ep. 10, 8.2.1682, M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 93f. Entweder fehlen weitere Zeugnisse oder J. W. Petersen applizierte einfach einen traditionellen christlichen Topos auf seine verstorbene Ehefrau. 499 Als Original erhalten in Halle, AFSt A 181, 121. Ferner teilt der Witwer mit, dass er sich
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gründer der Herrnhuter Brüdergemeine,500 veröffentlichte 1724 ein Gedicht unter dem Titel »Auf der Frau D. Petersen Eingang in die Freude«.501 Die gewählten Anredeformen wie »o Freundin, theure Frau« lassen eine freundschaftliche Verbundenheit erkennen.502 Zinzendorf greift in seinen Versen auf die Schlüsselszene in J. W. Petersens Autobiographie zurück, nach der J. E. von Merlau die ihr überreichte Disputation zurückwies mit dem Verweis auf den darin gelobten Gott Petersen.503 »Diß hatte, theure Frau, dein GOtt dir eingeprägt,// Diß, was du deinem Mann, noch eh’ er dich erlanget,// Da, als er mit sich selbst gleich einem GOtt gepranget,// Mit Weisheit und mit Ernst gar nah’ ans Herz geleget:// Man könne oftermals bey guten Seelen=Gaben,// Sich selbst, als einen Gott, allein vor Augen haben.«504 Zinzendorf bewegt ferner im fiktiven Gespräch mit seinen Lesern die Kritik an der Verstorbenen und verwendet dabei Worte wie »Secte« und »Wahn«. Dagegen stellt er ihre »JEsus=Liebe« und ihren untadeligen Lebenswandel. Zu kritisieren sei, dass sie ihre Offenbarungen nicht für sich behalten habe. Dieses sei »Seelen=Zukker« für Einzelne, aber nicht »die rechte Speise« für alle.505 So verweist er das theologische Werk J. E. Petersens in den Bereich des Elitären, allerdings nicht des schlechthin Schädlichen. Der Graf beschließt diese Abwägungen mit folgenden Versen: »Die edle Jüngerin, die nun bey JEsu thronet;// Sie hat es kund gemacht, was ihr im Sinne gewohnet,// Und hat nicht einmal recht im Grunde; (saget man).// Dem sey dann, wie ihm sey, mein Leser, ich und du,// Verstehens wol beyde nicht: Und sie ist in der Ruh.«506 Zinzendorf lässt bei aller Kritik keinen Zweifel an der Seligkeit der Verstorbenen und hofft, sie dereinst wiederzusehen.507
zu seinem Schwager Pape begeben habe, der eine halbe Meile von Thymer entfernt wohne, dorthin solle seine Post geschickt werden. Er bestellte Grüße an H. J. Elers und bat darum, Briefe an Benjamin Walther nach Leipzig weiter zu schicken. 500 Vgl. D. Meyer, Zinzendorf, 1995. 501 N. L. von Zinzendorf, Gedichte, 1766, 96–100. 502 Am 4.9.1716 taucht der Name J. W. Petersens zum ersten Mal in seinem Tagebuch auf, er hatte von ihm gehört und wollte sich bei Francke erkundigen, Tagebuch, 1908, 92. Später äußerte er sich gelegentlich über das Ehepaar Petersen. 503 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 19. 504 N. L. von Zinzendorf, Gedichte, 1766, 96f. Bei dieser Einschätzung Zinzendorfs kann die in pietistischen Kreisen verbreitete Auffassung zugrunde liegen, dass nicht alle Überzeugungen für die Öffentlichkeit bestimmt seien, sondern nur einem kleinen Kreis anvertraut werde könnten. Mt 7,6 spielt hierbei eine Rolle. Zu Zinzendorfs Verständnis der Trinität als Geheimnis s. P. Zimmerling, Gott in Gemeinschaft, 1991, 39–44. W. Temme, Leiblichkeit, 1998, 60–62, 98–100, 213f. macht auf dieses Motiv für etliche Verhaltensweisen der Gruppe um Eva von Buttlar aufmerksam. Auch bei G. Arnold, Sophia, Anhang, 1700, 7, 14f, kann diese Vorstellung nachgewiesen werden. 505 N. L. Zinzendorf, Gedichte, 1730, 100. 506 Ebd., 98. 507 Ebd., 100: »HERR! laß uns, wenn wir einst mit offnen Augen sehen, Uns mit der Seligen zu Deiner Rechten drehen.«
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Als J. E. Petersen starb, stand sie nicht mehr im Mittelpunkt der theologischen Öffentlichkeit; der Pietismus hatte sich in einigen Gebieten wie Brandenburg-Preußen oder Württemberg etabliert, in anderen war er eine vorübergehende Erscheinung geblieben. Die radikalen Gruppierungen oder Einzelpersonen, zu denen beide Petersen Kontakte gepflegt hatten, waren zum größten Teil nicht mehr am Leben oder existierten als Randgruppen, die keine große Beachtung mehr fanden. Die Unschuldigen Nachrichten, die die literarischen Publikationen J. E. Petersens sorgfältig registriert und rezensiert hatten, gingen weder im Jahrgang 1724 noch 1725 auf das Ableben der umstrittenen Autorin ein.508 Die in J. W. Petersens Nachruf erwähnten Manuskripte J. E. Petersens kamen allem Anschein nach nicht mehr in den Druck. Hingegen publizierte J. W. Petersen weiterhin seine eigenen Schriften. Nur wenige Aspekte seiner letzten Lebensphase sind bisher nachzuvollziehen. In einem Brief des Jahres 1725 an den Frankfurter Patrizier Zacharias Konrad von Uffenbach (1683– 1734) bietet er diesem Bücher zum Verkauf an und spricht bei dieser Gelegenheit von seiner großen wirtschaftlichen Not. Er entwickelt Pläne, seinen Sohn und auch Uffenbach besuchen zu wollen.509 Ob diese Reise stattfand, ließ sich nicht nachweisen. Belegt ist hingegen eine Begegnung zwischen J. W. Petersen und Zinzendorf im Jahr 1726, beide trafen sich in Leipzig.510 Zinzendorf nennt ihn in Erinnerung an diese Begegnung »den alten Zeugen Jesu«, von dem er »kräfftig geseegnet« wurde.511 J. W. Petersen verstarb am 31.1.1727512 und wurde neben seiner Ehefrau »ohne alle ceremonien« in dem Gewölbe des Gutshofes Thymer beigesetzt.513 Aus dem Bericht über seinen 508 Der Tod Jane Leades († 1704) hingegen wurde umgehend mitgeteilt, Unschuldige Nachrichten 1705, 596–600. Diese hatte allerdings ihr eigenes Sterben in gewisser Weise bereits literarisch vorbereitet, indem Eine bey lebendigem Leibe gehaltene Leich=Predig von ihr selber 1703 zum Druck gebracht wurde. Unmittelbar nach ihrem Tod erschien ein Bericht ihrer Freunde: Letzte Lebens=Stunden, 1705. 509 Universitätsbibliothek Frankfurt a. M., Epistolae Uffenbachii Vol. LXIX, Uffenbachsche Bibliothek, ep. 86, f. 198, 20. Juni 1725, geschrieben in Riesdorf bei Zerbst. Als Autoren der zu veräußernden Bücher nennt J. W. Petersen: D. Joris, Schwenckfeld, Benjamin Furly, Barcley. Ein weiterer Brief an Uffenbach war bereits am Sonntag Rogate 1725 vorausgegangen, ebenfalls von Riesdorf aus, ep. 46, f. 103. Uffenbach legte eine Gelehrtenbriefsammlung an, die von den Hamburgern Johann Christian Wolf und Johann Christoph Wolf weitergeführt wurde und den Grundstock für die Hamburger Uffenbach-Wolfsche Briefsammlung bildet, s. N. Krüger, Supellex 1, 1978, V–XI. 510 Vgl. D. Meyer, Zinzendorf, 1995, 18. Den Kontakt zu Zinzendorf erwähnte J. W. Petersen in seinem Schreiben an Uffenbach, s. Epistolae Uffenbachii Vol. LXIX, ep. 86, fol. 198. 511 N. L. Zinzendorf, Älteste Berichte, 1912, 63f. Bei einer Aufzählung seiner wichtigsten Korrespondenten im Jahr 1727 erwähnt er u. a. J. W. Petersen, ebd., 77. 512 Seinen Tod vermeldeten die Unschuldigen Nachrichten zweimal mit einer kurzen Notiz: 1727, 498f; 1728, 43. 513 Diese Angaben stammen von Paul Titscher, dem für Klein Lübars und das Gut Thymer zuständigen Pfarrer, s. M. Matthias, Johann Wilhelm Petersen, 1996, 231. Bei der Beisetzung
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Tod geht hervor, dass der Ortspfarrer aus Klein Lübars zu denjenigen gehörte, mit denen J. W. Petersen den Kontakt noch pflegte. Ferner lebte mit ihm auf dem Gut ein Verwalter.514 M. Matthias macht darauf aufmerksam, dass Paul Titscher, der die Beisetzung vornahm, von einem seligen Sterben J. W. Petersens ausgeht, obwohl es keine Hinweise für einen Abendmahlsempfang kurz vor dem Tod gibt.515 Matthias vermutet als Grund für die nicht-öffentliche Bestattung nicht die »Abgeschiedenheit von Petersens Hofgut«, sondern vielmehr seinen »Status als Separatist und Häretiker«.516 Bei dieser Deutung wird außer Acht gelassen, dass J. W. Petersen aus verschiedenen Gründen einsam geworden war. Ein Großteil der ehemaligen Freunde und Weggefährten war nicht mehr am Leben, bzw. die Freundschaft wie zu A. H. Francke war längst abgebrochen. Auch die familiäre Situation war von Konflikten geprägt, so dass J. W. Petersen seinen einzigen Sohn enterbt hatte.517 Sein noch lebender Bruder Heinrich war mit ihm in einen Rechtsstreit um das Erbe verwickelt.518 Allerdings gab es auch noch Anhänger und Förderer, die die Veröffentlichung der Werke J. W. Petersens postum fortsetzten. So brachte der Büdinger Drucker und Verleger Johann Friedrich Regelein 1727 und 1728 mindestens zwei Schriften J. W. Petersens heraus.519 Im Jahr 1731 erschien unter dem Titel Curieuses Gespräche ein Werk, das J. W. Petersen und einen seiner theologischen Gegner, Johann Friedrich Mayer, im Totenreich miteinander diskutieren lässt. J. W. Petersen erscheint als Vertreter von zwei Themenbereichen, nämlich Chiliasmus und Apokatastasis, die er nach wie vor verteidigt. J. E. Petersen wird an einer Stelle von ihrem Ehegatten eingeführt als Mitbeteiligte an der Grundlegung für die Idee der Allerlösung. Mayer kontert, indem er auf die Neigung der Frauen zur Ketzerei verweist.520 war diesen Angaben zufolge außer Titscher nur der Loburger Oberpfarrer und Inspektor Samuel Block anwesend, ebd., 232. Das in den letzten Jahren umstrittene Todesdatum J. W. Petersens kann eindeutig für den 31.1.1727 angenommen werden, ebd., 233. 514 Ebd., 231. 515 Ebd., 232. 516 Ebd., 232. 517 Das berichtete Heinrich Petersen nach Halle, s. T. Wotschke, Petersen, 1930, 385. Im Jahr 1724 hatte J. W. Petersen noch über seinen Sohn August Friedrich geschrieben, dieser sei »Königl. Preußischer Legations-Secretarius, itzo Commissions-Rath im Hertzogthum Magdeburg, der aus Johanna Carlier, vornehmen Geschlechts, mir sechs Enckelgen gezeuget, davon Zwey gestorben, die andern noch leben«, Heimgang, 1724, unpag. In seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 397, gab es noch keine Hinweise auf ein Zerwürfnis. 518 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 342: es ging dabei um die Verpachtung des Gutes Thymer. 519 J. W. Petersen, Petachia, 1727: mit dem Kürzel S. K. unterzeichnete ein Herausgeber diese Schrift; Vollständige Erklärung, 1728. Zu J. F. Regelein s. D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 203. Von 1717–1735 war Regelein als Hofbuchdrucker tätig. Zu dieser Familie gehörte auch der Berleburger Drucker Christoph Michael Regelein, s. H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 71. 520 Curieuses Gespräche 1, 1731, 95; Mayer verweist auf J. H. Feustkings Buch Gynaeceum.
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In der Geschichte des Pietismus spielten die Nachkommen von J. E. und J. W. Petersen keine Rolle mehr. Ihre Spuren tauchen noch einmal in Halle auf, wohin eine Enkelin der beiden sich hilfesuchend wandte. Der einzige Sohn des Ehepaares Petersen, August Friedrich, der 1711 die Nobilitierung mit dem Namen von Greiffenberg erhielt, war 1732 verstorben.521 Am 21.11.1752 verwandte sich C. Pape aus Potsdam gegenüber Gotthilf August Francke522 für einen Knaben aus dem Herzogtum Magdeburg und bat um dessen Aufnahme in das Waisenhaus.523 Erst 1754 kam dann eine Korrespondenz zustande zwischen G. A. Francke und »Frau Weinreich geborene Petersen von Greifenberg zu Groß=Lübars bey Hohenzirtz«.524 Pape hatte inzwischen über das Schicksal der Familie nach Halle berichtet. Der Sohn J. W. und J. E. Petersens, August Friedrich Petersen, »nahm unter dem Vorwand einer ihm von Mutter wegen, im Reiche angefallenen Greiffenbergl. Erbschafft, die Nobilitirung des Baron von Greiffenberg an, und wurde bey der Gesandschafft des Grafens von Metternich nach Neuchatel, Legations-Rath; durch diese Reise, und allerhand Versuche von Commercien, auch beständigen starcken Aufwand ruinierte er sich dergestalt, daß nach seinem Tode, 6. hinterlaßenen Kindern wenig übrig blieb; Der älteste Sohn davon besitzt annoch mit 8. Kindern, obiges Gut Tümer, muß aber seinen übrigen Geschwistern heraus geben, u. lebt ebenfalls in großer Dürfftigkeit; Diese gu. Weinrich heyratete zu Franckfurt am Mayn den Sohn des Syndici Weinrich . . . der aber, nachdem er das Seinige in kurtzer Zeit verzehret, nach Ungarn gieng, u. die Frau . . . mit 4 unerzogenen Kindern zurück ließ; Sie suchte also vor 2 Jahren bey dem ältesten Bruder auf Tümer Zuflucht, der aber das Hauß selbst voll Kinder, u. kein Brodt hat«.525 Trotz weiterer Bemühungen der Enkelin von J. W. und J. E. Petersen, ihren Sohn in Halle unterzubringen,526 und trotz der Beteue-
Das Buch Curieuses Gespräche 1–2, erschien anonym, ein Verfasser ließ sich bisher nicht erschließen. Im Teil 1 ist zwischen den Seiten 8 und 9 ein Kupferstich enthalten, der im Vordergrund Mayer und J. W. Petersen zeigt, während im Bildhintergrund eine Frau an einem Tisch mit einem aufgeschlagenen Buch und einer zum Schreiben bereiten Feder in der Hand sitzt. Diese weibliche Gestalt lässt sich unschwer als J. E. Petersen identifizieren. Den Hinweis auf diesen Text verdanke ich Dr. Wolfgang Miersemann, Halle. Die Gattung der Totengespräche war beliebt und verbreitet; W. Sommer, Gespräche, 2001, macht auf einen Text aufmerksam, der eine Begegnung im Reich der Toten zwischen J. Arndt und P. J. Spener zum Gegenstand hat. Zu weiteren Gesprächen im Totenreich s. J. G. Walch, Einleitung 3.1., 1733, 270f; ebd., 5.2, 1739, 1195; M. Beetz, Gelehrte, 1987, 165. 521 M. Matthias, Petersen, 1993, 129. 522 Zur Würdigung seiner Person s. U. Sträter, Sohn und Erbe, 1994. 523 Der Briefwechsel ist bis auf die Antworten Franckes in Autographen erhalten, AFSt C 544, 1–20. 524 Ebd., C 544, 16, Briefkonzept Franckes vom 12.4.1754. 525 Ebd., C 544, 2, Brief Papes vom 19.2.1753. 526 So wurde ein Zeugnis des zuständigen Pfarrers aus Klein Lübars, M. Altenau, nach Halle gesandt, ebd., C 544, 13, 24.3.1754.
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rung Franckes, dass er »aus égard gegen Ihres sel. Großvater wol eine Liebe« erweisen wolle,527 beschied Francke am 14.8.1754 die Bitten abschlägig. Der Urenkel des Ehepaares Petersen wurde nicht in Halle aufgenommen, da er keine echte Waise sei und außerdem für das Waisenhaus bereits zu alt: »Ich bedaure aber, daß nicht dienen kan, da ich sonst herzliches Mitleiden mit Ihren Umständen habe und wünsche, daß der Herr der immer auf andere Weise Mittel und Wege zeigen wolle« weiterhelfe.528 Mit diesem Briefwechsel verlieren sich die Spuren der Nachkommen von Johanna Eleonora und Johann Wilhelm Petersen.
527 Immerhin war J. W. Petersen ja sein Taufpate gewesen, worauf G. A. Francke in diesem Briefwechsel jedoch keinen Bezug nimmt. Der Enkelin J. W. Petersens war dies vermutlich nicht bekannt, da sie ebenfalls darauf nicht abhebt. 528 Ebd., C 544, 20. Da Pape sein Alter 1752 mit 10 Jahren angab, musste er mittlerweile mindestens 12 Jahre alt sein und damit so gut wie erwachsen.
GeschlechtsspezifischeRahmenbedingungen DasSchriftstellerehepaarPetersen
III. Geschlechtsspezifische Rahmenbedingungen einer pietistischen Schriftstellerin Johanna Eleonora Petersen wurde zusammen mit anderen Frauen als eine der Dichterinnen und Schriftstellerinnen der Frühen Neuzeit gewürdigt, die sich wegen ihrer Publikationen verdient gemacht hat. Anderen galt sie als zu bekämpfende Erscheinung des Pietismus, der zu Veränderungen des Geschlechterverhältnisses führte und u. a. deshalb als gefährlich für die Stabilität der gesellschaftlichen Ordnung eingeschätzt wurde. In einigen pietistischen Kontexten schließlich galt J. E. Petersen als verehrungswürdiges Vorbild, das es verdiente, mit berühmten Frauengestalten des christlichen Altertums verglichen zu werden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die frühneuzeitliche Kritik auf Frauen anders reagierte als auf Männer. Während diese für einzelne Verhaltensweisen oder Positionen mit der üblichen Polemik behandelt wurden, gerieten Frauen in ganz anderer Weise als Männer als Vertreterinnen ihres Geschlechtes in die öffentliche Kritik. Wenn eine Frau attackiert werden sollte, wurde mit ihr gleichzeitig das gesamte weibliche Geschlecht in die Debatte einbezogen. Da diese Reaktionen auf J. E. Petersen keineswegs einzigartig sind, sondern einen Aspekt der Geschlechterhierarchie der Frühen Neuzeit darstellen, sollen sie im Folgenden zur Sprache kommen. Das Themenspektrum J. E. Petersens und die literarischen Gattungen, die sie verwendete, müssen im Zusammenhang mit dem Aspekt ihrer Geschlechtszugehörigkeit betrachtet werden. Als Autodidaktin eignete sie sich ein erstaunliches Wissen an, das sie in ihren Schriften verbreitete. Da sie als Frau über kein Mandat verfügte, sich zu diesen Themenkomplexen zu äußern, konnte sie sehr viel freier als männliche Theologen vorgehen, denn ihr drohten keine Disziplinarmaßnahmen wie etwa eine Amtsenthebung. Sie sah sich nicht generell dazu verpflichtet, sich und anderen Rechenschaft darüber abzulegen, ob ihre Position mit dem Bekenntnis der lutherischen Kirche übereinstimmte, obwohl sie durch ihre Taufe genauso daran gebunden war. Gleichwohl betonte sie an einigen Punkten pointiert die ihrer Meinung nach vorhandene Konsonanz mit den dogmatischen Lehrgrundlagen ihrer Konfession. Allerdings war sie auch nicht durch jahrelange akademische Studien darauf vorbereitet, ihre Thesen im Kontext der frühneuzeitlichen Gepflogenheiten zu verteidigen. Freiheit und deren Gefährdung lassen sich an ihrem Werk gleicherweise studieren.
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Geschlechtsspezifische Rahmenbedingungen
1. Das Schriftstellerehepaar Petersen Die immer wieder geäußerte Vermutung, dass ein Teil der Werke J. E. Petersens unter dem Namen ihres Ehemannes in der Öffentlichkeit erschien, kann aufgrund meiner Recherchen nicht bestätigt werden.1 Auch die entgegengesetzte These, dass sie einige seiner Werke verfasst habe, ließ sich nicht verifizieren.2 Die offensichtliche theologische Übereinstimmung des Ehepaares, die M. Matthias davon reden ließ, dass es bei den Ehepartnern »kein individuelles geistiges Eigentum« gebe,3 schlug sich bei beiden in einem jeweils charakteristischen literarischen Opus nieder. Ganz offensichtlich flossen gemeinsame Vorarbeiten in die publizierten Schriften ein, so dass durchaus von einer wechselseitigen Zusammenarbeit und Beeinflussung gesprochen werden kann. Das im Austausch miteinander sich konstituierende geistige Eigentum der beiden Petersen fand bei dem durch akademisches Studium und geistlichen Beruf geprägten Mann aber einen anders akzentuierten Ausdruck4 als bei der Schriftstellerin J. E. Petersen, die ihre Theologie außerhalb von Bildungsinstitutionen entwickeln musste.5 Sowohl für J. E. Petersen als auch für J. W. Petersen sowie für große Teile der pietistischen Literaturproduktion gilt, dass ins Einzelne gehende Untersuchungen über die Bedingungen der Buchpublikation und die Kontakte zu den Druckern und Verlegern noch ausstehen. Hierbei wäre auch zu fragen, ob sich in dieser Hinsicht ein Unterschied zwischen beiden Ehepartnern bzw. zwischen männlichen und weiblichen Autoren insgesamt nachzeichnen lässt. Wie die Einzelbelege zeigen werden, publizierten beide Petersen zum Teil bei den denselben Verlegern und Druckern. Bei J. E. Petersen enthält die 1 K. Lüthi, Allversöhnungslehre, 1956, 362; J. Urlinger, Berleburger Bibel, 1969, 317, gibt an, dass ihr Buch Verklärte Offenbahrung von ihm mitverfasst worden sei; s. auch U. Witt, Wahres Christentum, 1996, 266. Bei A. Bourignon wurde vermutet, dass nicht sie selber, sondern ein Mann ihre Werke geschrieben habe, s. A. Bourignon, Leben, 1684, 233. 2 GVUL 27, 1741, 1051: »Sie hat überhaupt an ihres Liebsten Streitschriften grossen Antheil gehabt, und sich so gar als eine Haupt=Person bey denselben angeführt«. J. A. Wagenmann/C. Bertheau, Petersen, 1904, 173: sie war »mitbeteiligt« an seinen Werken. E. A. Schering, Petersen, 1982, 226f: »Manche Werke, die unter seinem Namen erschienen, stammen sicherlich von ihr. Der genaue Nachweis ist nicht zu erbringen.« 3 M. Matthias, Petersen, 1993, 170. 4 So liegen von ihm u. a. Predigten, Epicedien, Lieder und Texte in lateinischer Sprache vor – Gattungen, die für J. E. Petersen nicht belegt sind. Bei den Schriften von J. W. Petersen Sinn des Geistes, 1701; Apokalyptisches Weib, 1708, handelt es sich z. B. um zum Druck gebrachte Predigten, die nachträglich erweitert wurden. Einige seiner Lieder wurden in das von Johann Anastasius Freylinghausen herausgegebene Gesangbuch aufgenommen, s. M. Brecht, Francke, 1993, 474. Zum Werk J. W. Petersens s. die von M. Matthias erstellte Bibliographie, die seiner Erlanger Dissertation als Anhang beigefügt ist, Werkverzeichnis, 1988. 5 U. Gäbler, Geschichte, 2004, 26, greift die These der nicht voneinander zu unterscheidenden Publikationen der beiden Petersen noch einmal wieder auf; M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 19, hingegen kommt zu einer ähnlichen Einschätzung wie diese Studie.
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größere Anzahl ihrer Werke keine Nachweise für Druckorte und damit die Identifizierung der an der Publikation beteiligten Personen. Die Veröffentlichungen beider unterlagen der Zensur, wie sie für alle Druckwerke galt;6 sie fanden jedoch genügend Möglichkeiten, diese zu umgehen.7 Die im ganzen Reich völlig uneinheitlich ausgeübte Bücherzensur, die bereits in der Reformationszeit angemahnt wurde,8 zeigte im 17. und 18. Jh. stellenweise erhebliche Auflösungstendenzen,9 von denen u. a. die pietistischen Veröffentlichungen profitierten. So konnte J. W. Petersen z. B. in Greiz seine Schriften drucken lassen, weil die territoriale Obrigkeit, Graf Heinrich XXIV. von Reuß-Greiz, seine pietistischen Standpunkte begrüßte sowie deren Verbreitung förderte. Der eigentlich als Zensor zuständige lutherische Superintendent hatte keine Möglichkeiten einzuschreiten, obwohl er den Verdacht der Heterodoxie hegte.10 Ein auffallendes Indiz für das besondere Geflecht von Gemeinsamkeit und Abgrenzung zwischen J. E. und J. W. Petersen scheint mir darin zu liegen, dass sie kein Buch unter ihrer beider Namen publizierten.11 Beide beteuerten mit ähnlich klingenden, fast formelartigen Ausdrücken, dass sie in den theologischen Grundlinien übereinstimmten,12 diese präsentierten sich in ihren litera6 H.-J. Schrader, Pietistisches Publizieren, 1988; Literaturproduktion, 1989, hat diesen Komplex für die radikalpietistische Buchpublikation eindrücklich thematisiert. Seit der nachreformatorischen territorial-konfessionellen Aufgliederung Deutschlands lag die »eigentliche Durchführung der gesamten Buchüberwachung, damit auch die Bestallung und Instruktion der Zensoren, die Kontrolle der Autoren, Buchdrucker und Buchführer sowie deren Bestrafung . . . bei den Territorialregierungen, den Landesfürsten bzw. den Räten freier Städte«, ebd., 112. Vgl. auch H. Rafetseder, Buchhinrichtungen, 1988. Zu den Verhältnissen in Frankfurt s. etwa J. Telschow, Frankfurter Kirche, 1978, 17; W. Bornemann, Zensur, 1978; P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 400, ep. 87. 7 Der Aussage von W.-D. Hauschild, Lehrbuch 2, 1999, 702, dass die Bücher beider »keiner Zensur unterlagen«, kann nicht zugestimmt werden. 8 Vgl. die Vorrede zur Formula Concordiae, BSLK, 1967, 761; zur Buchzensur in Kursachsen im 16. Jh. s. H.-P. Hasse, Zensur, 2000. 9 Vgl. U. Eisenhardt, Kaiserliche Aufsicht, 1970; ders., Wandlungen, 1988; H. Kiesel/P. Münch, Gesellschaft, 1977, 104–116. 10 H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 122; vgl. auch J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 1005–1007. 11 J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 644, spricht von einem gemeinsamen Traktat der beiden Petersen; der in J. W. Petersens Mysterion Apokatastaseos 1, 1700, abgedruckte Text Zweyer in einem Geiste abgefaste Antwort spricht zwar im Namen des Ehepaares, Duktus der Argumentation und Schreibstil weisen jedoch eindeutig auf J. W. Petersen als Autor hin. Er verteidigt sich und seine Ehefrau, vermutlich gegen die Angriffe H. Horches. Neben dem zunächst betonten »wir« argumentiert im Verlauf dieses Traktates der gelehrte männliche Theologe. 12 Hauptsächlich wird dies von beiden im Blick auf die chiliastische Deutung der JohannesApokalypse wiederholt, s. J. E. Petersen, Leben, 1718, 40; J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 70–75. J. W. Petersen, Öffentliche Stimme, 1692, D1r, verteidigte sich gegen ein anonymes Pamphlet, das ihm vorwarf, er sei zu seinen chiliastischen Ideen gekommen, »indem ich meinem einfältigen Weibe nur gerade zu glaubte/ was sie mir von den tausend Jahren fürsagte.« Dem-
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rischen Arbeiten jedoch jeweils in unterschiedlicher Gestalt. Am deutlichsten wird dieses Vorgehen bei der Veröffentlichung von zwei Büchern, die im gleichen Jahr mit fast identischem Titel erschienen, das eine geschrieben von J. E., das andere von J. W. Petersen. Die zwei Bücher über das Geheimniß des Erst=Gebornen weisen jeweils die typischen Stilelemente beider Autoren auf, das thematische Spektrum allerdings belegt in seinen Grundzügen die Übereinstimmung. Abweichend von dem Konzept dieser Studie, J. E. Petersen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, sollen sowohl ihr Buch als auch das ihres Ehegatten zu diesem Thema analysiert werden. Ein Vergleich legt sich ebenfalls bei den Autobiographien nahe, die auch zeitgleich veröffentlicht wurden. Eine ähnliche Struktur lässt sich noch in einem anderen Fall aufweisen: J. E. Petersen berichtet, dass ihr und ihrem Ehegatten ein Manuskript Jane Leades zugeschickt worden sei. Sie beide seien ausdrücklich darum gebeten worden, jeweils einzeln auf diesen Text zu antworten.13 Dieses nach außen dokumentierte diffizile Gleichgewicht zwischen dem Bedürfnis nach Betonung der Gemeinsamkeit und der gleichzeitigen Beachtung der individuellen Souveränität muss diesem Ehepaar zutiefst entsprochen haben.14 Auf einer anderen Ebene etablierte sich zwischen beiden eine Art von Arbeitsteilung, die sich sowohl geschlechtsspezifischen Bildungsbedingungen als vermutlich auch persönlichen Eignungen und Vorlieben verdankte. Vor allem J. W. Petersen war es, der vor der Öffentlichkeit seine Sicht präsentierte, die ihn als den gebildeten Theologen erscheinen ließ, während er seiner Frau die Rolle einer Offenbarungsträgerin zuschrieb, die er mit Stilisierungen umgab.15 Er unternahm viel, um seine Belesenheit unter Beweis zu stellen,16 behauptete gegenüber betonte er: »Ich habe das Reich meines Heylandes von keinem Menschen gelernet/ meine Liebste auch nicht/ sondern der HErr hat es beyden aus Gnaden gegeben«. 13 J. E. Petersen, Leben, 1718, 41; sie schreibt, wir wurden gebeten, »wir möchten doch unsere Gedancken darüber . . . kund machen, und zwar ein jedes besonders, ich allein, und mein lieber Mann auch alleine.« Auffallenderweise hebt J. W. Petersen diesen Aspekt der Anfrage nicht hervor, sondern berichtet nur, dass sie beide um Antwort gebeten wurden, Lebens=Beschreibung, 1719, 354f. 14 C. von Faber du Faur, German Baroque Literature 1, 1958, 367, gehört zu den wenigen, die dieses Verhältnis adäquat erfasst haben, wenn er über J. E. Petersen schreibt: »In matters of faith she reached the same conclusions as her husband, although proceeding independently of him.« Eine ähnliche Einschätzung formuliert auch M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 19. J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, Vorrede, betont in Bezug auf die chiliastische Überzeugung, die sie und ihr Ehemann teilen, »daß keines nöthig gehabt dem andern davon Unterricht zu geben/ weil wir beyde von dem HErrn selbst empfangen/ was wir durch des HErren Gnade in seiner heiligen und gesegneten Offenbahrung empfangen haben«. 15 Ein ähnlicher Vorgang lässt sich in Bezug auf J. R. von Asseburg feststellen: J. W. Petersen brachte die ihr zuteil gewordenen Offenbarungen zum Druck und verteidigte sie vor der Öffentlichkeit. Er übernahm ihr gegenüber die Rolle des theologisch und kirchengeschichtlich versierten Fachmannes, dem das Medium der Offenbarung nicht als eigene Erfahrung zu Gebote stand, s. J. W. Petersen, Species facti, 1691. 16 So verwahrte er sich heftig gegen die von dem Magdeburger Kollegen Christoph Koch
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jedoch allen Ernstes, dass seine Frau für die Verfertigung ihrer Schrift über die Johannes-Apokalypse kein Buch außer der Heiligen Schrift gelesen habe.17 Eine weitere Facette dieser von ihm verbreiteten Lesart ihrer Arbeitsbeziehung besteht darin, dass er nur bei ganz bestimmten Punkten seiner Bücher auf seine Ehefrau zu sprechen kam. Die Tausende von Seiten, die der Darlegung seiner theologischen und speziell seiner kirchengeschichtlichen Kenntnisse dienten, kamen ohne die Nennung seiner »Liebsten« aus.18 Wenn er jedoch die auf einen unmittelbaren Offenbarungsempfang zurückgeführten Überzeugungen berührte, dann erwähnte er in fast stereotypen Wendungen die Gemeinsamkeiten mit seiner Ehefrau.19 Die Arbeitsteilung des Ehepaares wirkte sich auch insofern aus, dass J. W. Petersen öffentlich in ihrer beider Namen Stellung bezog. Er war es, der Briefe in ihrer beider Namen verfasste. In J. E. Petersens Büchern taucht der Name ihres Ehegatten nur selten auf; sie äußerte sich in schriftlicher Weise kaum zu seinen Werken und zu ihrer Sicht des Arbeitsverhältnisses.20 Sie beschritt, nach Ausweis ihres Schrifttums, unbeirrt den eingeschlagenen Weg, Theologie als hauptsächlich auf den Text der Bibel und den Erfahrungshorizont der eigenen Person angewiesene Schriftauslegung zu konzipieren. Wie die Einzelanalysen zu ihrem Werk zeigen werden, beschäftigte sie sich durchaus in umfangreichem Maß mit theologischer Literatur; insofern unterlief sie ihr eigenes Postulat. Obwohl sie selbst dem Einwirken göttlicher Offenbarungen einen hohen Stellenwert für ihre theologische Entwicklung einräumte, so präsentierte sie sich ihrer Leserschaft geäußerte Vermutung, dass er die Kirchenväter nicht gelesen habe, s. Ausbreitung, 1697, 76; vielmehr sei Koch derjenige, der die Patres nicht kenne, Offenbahrung der Warheit, 1696, 28. In seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 352, betont er noch einmal, dass er sich »mit nicht geringen Unkosten die Patres angeschaffet und gekauffet« habe, um seine chiliastischen Thesen aus der Kirchengeschichte belegen zu können. 17 J. W. Petersen, Ausbreitung, 1697, 77; er beteuerte über dieses Buch seiner Frau, »daß sie solche darinnen gezeigte Warheit allein auß der H. Schrifft erlernet/ und wir sie vorher kein Buch davon gelesen/ also hat sie hernach auch keines gelesen/ sondern ist lediglich bey der H. Schrifft blieben/ auß welcher sie mitgetheilet/ was in Druck gegangen«. Ebd., 78: »GOtt hat sein Wort ihr ins Hertz geschrieben/ daß sie im Beweiß einer himmlischen Warheit kein ander Buch bedarff/ alß das Wort Gottes/ welches in ihrem Hertzen lebendig worden ist«. 18 Nach seiner Suspendierung konnte er sich nicht mehr auf sein Amt berufen, um sich abzusichern. Stattdessen verwies er auf seine akademischen Rechte, denn als ein »publicus Doctor Theologiae« stehe es ihm zu, sich öffentlich zu theologischen Fragen zu äußern, J. W. Petersen, Öffentliche Stimme, 1692, D1r. 19 Vgl. etwa J. W. Petersen, Zweyer in einem Geiste abgefaste Antwort, in: Mysterion Apokatastaseos 1, 1700, 4; Untersuchung der Gründe, 1705, 6, 10, 30, 34f; Mystische Hall-JahrsPosaune in Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 4, 23; Jesus Christus, 1721, 66: die Überzeugung von Christus als himmlischer Gottmensch sei ihnen zuteil geworden, weil »GOtt der HErr/ mir und meiner Liebsten/ aus Seiner Gnade ein Blick und Strahl seiner Güte gegeben hat«. 20 In Einige Send=Schreiben, 1714, 67, weist sie, allerdings ohne den Namen ihres Ehemannes ausdrücklich zu nennen, für das Thema der Wiederbringung auf andere Traktate in Folio hin, in denen das Wichtigste dazu gesagt sei. Dabei kann es sich nur um J. W. Petersens dreibändiges Werk Mysterion Apokatastaseos, 1700–1710, handeln.
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nicht nur als Offenbarungsempfängerin, sondern sie markierte ihren eigenen denkerischen Anteil an der Gestaltung ihres literarischen Oeuvres. Den Beitrag allerdings, den Freunde und Freundinnen als Gesprächspartner und Anreger für ihre Ideen spielten, ließ sie in der öffentlichen Präsentation bei Seite. Auch wenn sie in ihren Werken auf Anfragen und Kritik etwa in Form von zum Druck gegebenen Briefen reagierte, so ist die Kategorie der Streitschrift in ihrem Opus nicht vertreten, obwohl in ihren Briefen durchaus Elemente der streitbaren und polemischen Widerlegung zu konstatieren sind.21 Dafür finden sich umso mehr Streitschriften unter den Werken ihres Ehemannes, der als Meister der Polemik, die seiner Persönlichkeit anscheinend entsprochen haben muss, sich und seine Ehefrau mit spitzer Feder verteidigte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Verfassen von Streitschriften und Gegendarstellungen zum Handwerkszeug eines akademisch gebildeten Theologen gehörte.22 J. E. Petersen dagegen behielt den Gestus der geduldigen Lehrerin bei, die Fragenden bereitwillig, jedoch ohne polemische und apologetische Ausfälle begegnete. Ihre aus Erfahrungen und Offenbarungen gewonnenen Überzeugungen bedurften keiner Verteidigung, da sie ihre Wahrheit und Autorität in sich trugen. Neben der berufsspezifischen Verknüpfung von Polemik mit Amt und Aufgabe des männlichen Theologen23 – und als solcher verstand sich J. W. Petersen auch nach seiner Amtsenthebung – ist hierbei ferner in Betracht zu ziehen, dass ein unverkennbarer Schwerpunkt J. E. Petersens im Bereich der Erbauungsliteratur lag. Sie sprengte diese Literaturgattung zwar insofern auf, als zunehmend ein belehrender Impetus die geistlichen Betrachtungen überlagerte. Eine Vermischung der erbaulichen Gattungsmerkmale mit Aspekten der Polemik hingegen lässt sich bei ihr nicht beobachten. Geschlechtsspezifisch bedingte Unterschiede zwischen J. E. und J. W. Petersen kommen in wenigen Hinweisen auf die potenzielle Leserschaft ihrer jeweiligen Werke zum Ausdruck. Wenn die Auswahl der Personen, denen Bücher gewidmet wurden, einen Rückschluss auf ein von den Autoren und Autorinnen vermutetes Leseinteresse zulässt, dann sah J. E. Petersen Frauen als in Frage kommende Adressatinnen ihrer Veröffentlichungen an, auch wenn sie nicht ausschließlich für diese schrieb. Fünf Werke enthalten Dedikationen, vier davon sind Frauen gewidmet.24 Auch wenn J. W. Petersen einzelne seiner Schriften mit 21 Poetische Texte wie Gedichte und Lieder, die im Werk J. W. Petersens begegnen, kommen in ihrem Opus nicht vor. 22 Zu den Spielregeln der frühneuzeitlichen Polemik s. die instruktive Darlegung von M. Gierl, Pietismus, 1997, 93–192. 23 Die Bedeutung der Polemik als theologische Kategorie lässt sich u. a. an dem Werk von J. G. Walch ablesen, der ihr eine Grundfunktion für die öffentliche Darstellung von Theologie und Kirche zuschreibt, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 3–25. 24 Auch bei englischen Autorinnen des 17. Jh. lässt sich die Tendenz beobachten, die schriftstellerischen Werke Frauen zu dedizieren, s. P. Crawford, Women’s published writings, 1985, 220.
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Widmungen an Frauen versah, so lässt sich bei ihm keine eindeutige Schwerpunktbildung zugunsten des weiblichen Geschlechtes erkennen.25 Das literarische Opus J. E. Petersens zeichnet sich dadurch aus, dass neben frauenspezifischen Literaturformen auch solche Gattungen und Themen vertreten sind, die in der kirchlichen Tradition als den akademisch gebildeten Männern vorbehalten galten. Das theologische Profil ihrer Werke ist von Anfang an durch einen biblisch-exegetisch ausgerichteten Schwerpunkt charakterisiert. Die hier analysierten Schriftstücke, die einen Zeitraum von über 30 Jahren umfassen, dokumentieren sowohl das gleichbleibende Profil als auch die Veränderungen. Bei einem Blick auf das Gesamtwerk zeigt sich, dass die Veröffentlichungen J. E. Petersens im Wesentlichen um Fragen der Soteriologie kreisen. Die Erwartung des bald anbrechenden tausendjährigen Reiches, die Hoffnung auf die Allversöhnung und schließlich die Überzeugung, dass Christus bereits vor seiner Inkarnation von Ewigkeit an Gott-Mensch gewesen sei, weisen in die Richtung einer Suche danach, wie Gottheit und Menschheit als von Ewigkeit her bestehende und in alle Ewigkeit nicht aufzulösende und durch nichts zu verlierende Verbindung gedacht werden können. In ihrem ersten Buch zeigt sich die Vertrautheit J. E. Petersens mit den Grundanliegen der mittelalterlichen mystischen Tradition, von denen ihr Denkansatz geprägt ist. Im Grunde blieb sie auch im Verlauf aller Veränderungen dieser Perspektive treu. Ihr Ausgangspunkt lag bei der Beschreibung einer innigen Gemeinschaft der einzelnen Seele mit Christus; gegen Ende ihrer schriftstellerischen Tätigkeit hatte sie sich ein Denksystem zu Eigen gemacht, das von einer ontologischen Ähnlichkeit von Gottheit und Menschheit ausging. Während J. W. Petersen neben deutschen Texten auch Traktate in lateinischer Sprache veröffentlichte, schrieb J. E. Petersen ihre Werke ausschließlich auf Deutsch – wie die meisten der in der Frühen Neuzeit literarisch tätigen Frauen.26 Die zunehmende Bedeutung des Deutschen als Literatur- und Wissenschaftssprache27 kam den pietistischen Autoren und 25 So widmete er sein Buch Hochzeit des Lammes fünf Frauen: R. J. von Asseburg, Eleonore Sybille Brummerin von Bärenfels, Eva Maria Schreiber, Johanna Eleonora Becker und Margaretha Sittmann. In einer anderen Auflage dieses undatierten Werkes formulierte der Buchdrucker Bonaventura de Launoy die Dedikation an fünf andere Frauen: Sophia Margaretha von Kulpis, Anna Maria Melchior, Margarethe Capannin, Agnes Barbara Melber sowie Dorothea Dörtenbach. Sein Werk Ausbreitung, 1697, verehrte J. W. Petersen ebenfalls einer Frau: Lucia Oelgard, Freifrau von Burchersrode, geb. Gräfin von Ranzau. Sein Werk Harmonie der Gesichter, 1697, widmete er Maria Sophia Freifrau von Reichenbach, geb. von Friesen. 26 Einige ihrer Gegner machten ihr gerade deswegen Vorwürfe; so kritisierten J. H. Feustking und F. C. Bücher, dass sie ihre Auslegung der Johannes-Apokalypse, die Anleitung, auf Deutsch publiziert und so einem großen Leserkreis zugänglich gemacht habe, J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 100f. Die Unschuldigen Nachrichten 1704, 721, monierten, dass G. Arnold »und seines Gleichen . . . mit ihren Deutschen Schrifften« Unheil bei dem »ungelehrten Volck« angerichtet hätten; insbesondere wird hier das Beispiel der Visionen Oliger Paulis genannt, ebd., 717–726. 27 Zur zunehmenden Bedeutung der deutschen Sprache vgl. H. Leube, Orthodoxie, 1975,
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Autorinnen entgegen, da auf diese Weise die Trennung der Gebildeten und der Ungebildeten partiell überwunden werden konnte.28 Allerdings blieb das Lateinische auch weiterhin der von den männlichen Gelehrten untereinander verwendete Sprachmodus.29
Johann aEleonoraPetersenimSpiegelderze itgenössischenKritik
2. Die Person Johanna Eleonora Petersens im Spiegel der zeitgenössischen Kritik 2.1 Rezeption als gelehrte Frau Obwohl für Frauen der Frühen Neuzeit keine institutionalisierten Strukturen zum Erwerb von Bildung und Gelehrsamkeit bestanden,30 gab es einige, die als Gelehrte betrachtet und geachtet wurden. Der dieser Etikettierung zugrunde liegende Begriff des weiblichen Gelehrtentums erweist sich als relativ unspezifisch und vielschichtig, da er sich weder an Kriterien einer akademischen Ausbildung, die mit der Latinität Grundlagen des humanistischen Bildungsideals vermittelte, noch an umschreibbaren Berufsfeldern 64f. Der in Eisenach und Gotha tätige Arzt Johann Storch (1681–1751) veröffentlichte als einer der Ersten seine Krankenberichte in deutscher Sprache, s. B. Duden, Geschichte, 1991, 80–82. Während die Unschuldigen Nachrichten, die seit 1701 erschienen, etliche Artikel in Latein publizierten, entschieden sich die von 1689 an von Wilhelm Ernst Tentzel herausgegebenen Monatlichen Unterredungen für Deutsch als durchgehende Sprache. Nur Buchauszüge und Quellen wurden auf Latein abgedruckt. Die von Christian Thomasius seit 1688 herausgegebene Zeitschrift Monats=Gespräche erschien ebenfalls in Deutsch, s. hierzu P. Schröder, Thomasius, 1999, 23–27. 28 A. H. Francke hielt 1688/89 seine Erbauungsversammlungen in Leipzig auf Deutsch und trug so wesentlich zur Ausbreitung der pietistischen Bewegung in nicht-akademische Bevölkerungsgruppen bei, s. M. Brecht, Francke, 1993, 448. Joachim Lange unterstreicht in seiner Autobiographie, dass die Verwendung der deutschen Sprache in den Vorlesungen von Johann Caspar Schade in starkem Maße die Akzeptanz der pietistischen Ideen in der Leipziger Bevölkerung zu Beginn der 1690er Jahre förderte, s. J. Lange, Lebenslauf, 1744, 14. H. Horche, Schrifftmässige Untersuchung, 1693, Vorrede, betont, dass diesen gedruckten Ausführungen Ansprachen in Herborn zugrunde liegen, die er auf Deutsch hielt. Er gibt zwar den Grund für dieses Verfahren nicht an; seiner Apolegetik ist jedoch das Ungewöhnliche der Verwendung des Deutschen im akademischen Kontext zu entnehmen. Zur Verwendung der deutschen Sprache im universitären Milieu und zur ersten von Thomasius in Deutsch gehaltenen Vorlesung s. P. Schröder, Thomasius, 1999, 29–34, 178; vgl. auch H. Kiesel/P. Münch, Gesellschaft, 1977, 75. B. Moeller, Berühmtwerden Luthers, 1988, untersucht die jeweilige Verwendung der beiden Sprachen in Texten Luthers und unterstreicht die Bedeutung der Veröffentlichung charakteristischer Texte auf Deutsch für die Verbreitung der Reformation. Zu den deutschsprachigen Flugschriften der Reformationszeit s. auch M. Arnold, Handwerker, 1990, 38–42. 29 G. E. Grimm, Literatur, 1983, 25; P. Raabe, Bibliotheken, 1987, 658f. 30 Die Hallenser Mädchenschule, das Gynaeceum, das von pietistischer Grundlage aus eine höhere Mädchenbildung anbieten wollte, bestand nur für einen kurzen Zeitraum, und zwar von 1698 bis 1703, s. U. Witt, Bekehrung, 1996, 101–127.
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orientieren konnte.31 So umfasste diese Zuschreibung neben Frauen wie der französischen Altphilologin Anne Dacier (1647–1729)32 und der Niederländerin Anna Maria van Schurman,33 die mit den für Männer geltenden Kategorien der Gelehrtheit am meisten gemeinsam hatten, vornehmlich Dichterinnen. Einigen wenigen Frauen gelang es, an den für Männer vorgesehenen Bildungseinrichtungen zu partizipieren. Nur unter Ausnahmebedingungen konnte van Schurman in Utrecht an theologischen Vorlesungen von Gisbertus Voetius (1588–1676) teilnehmen.34 Ähnlich verhielt es sich in Deutschland mit der ersten medizinischen Promotion einer Frau, die 1754 in Halle stattfand,35 sowie der ersten philosophischen Promotion 1787 in Göttingen.36 Diese hier nur kurz angedeuteten Zusammenhänge beruhen auf Traditionen, die beide Geschlechter in ihren jeweiligen Rollen festlegten. Fragen der Geschlechteranthropologie wurden in unterschiedlichen Zusammenhängen thematisiert, u. a. bei Traupredigten,37 Beerdigungsansprachen, in der Haus31 G. E. Grimm, Literatur, 1983, 16–65, unterstreicht die Bedeutung des Latein für die männliche Gelehrtenwelt sowie die enge Verbindung mit der universitären Ausbildung bzw. Berufskarriere; vgl. auch E. Kleinschmidt, Frauenbildung, 1987. 32 Die bereits vom Vater zur Gelehrten Erzogene heiratete 1683 den Altphilologen André Dacier (1651–1722), AGL 2, 1750, 2f. Trotz der Geburt von drei Kindern führte sie die gelehrten Arbeiten fort. Das Modell der Daciers galt als Muster einer Gelehrtenehe. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten zeigen sich daran, dass André Dacier Bibliothekar am Louvre wurde, während die Anerkennung Anne Daciers darin ihren Ausdruck fand, dass sie vom französischen König »Gnaden=Gelder« erhielt, »welche 1685 in eine ordentliche Besoldung verwandelt wurden«, AGL 2, 1750, 3f. Für sie als Frau stand kein öffentliches Amt zur Verfügung. Vgl. ferner A. Cim, Femmes, 1919, 113–115; A. Bennholdt-Thomsen/A. Guzzoni, Gelehrsamkeit, 1992, 70; M. L. P. Cavana, Dacier, 1997. Anne Dacier übersetzte u. a. die Ilias sowie Gedichte Sapphos, s. G. C. Lehms, Poetinnen, 1715, Anhang, 237f, 240. Meta Klopstock, Briefe, 1980, 454, grenzte sich gegen das Gelehrtentum Anne Daciers ab, Brief vom 22.8.1758. 33 Zu den gelehrten Arbeiten van Schurmans gehören eine lateinische Dissertatio über die Frauengelehrsamkeit, Num foeminae christianae conveniat studium litterarum, Briefe auf Griechisch und Hebräisch sowie der Traktat De Vitae Termino, abgedruckt in ihren Opuscula, 1648. Eine äthiopische Grammatik wurde nicht gedruckt, s. B. Rang, Distanz, 1996, 35; vgl. ferner B. Becker-Cantarino, Gelehrte Frau, 1987; E. Gössmann/M. Huber, Schurman, 1998. 34 Sie saß räumlich getrennt von den Männern in einer Art von vergittertem Kasten, s. J. Irwin, Schurmann, 1996, 309. 35 Dorothea Erxleben (1715–1762) erhielt dafür die Sondergenehmigung des preußischen Königs, s. H. Böhm, Erxleben, 1985; G. Gründken, Erxleben, 1993, 18. 36 Dorothea Schlözer (1770–1825) wurde durch ihren Vater der Zugang zur Göttinger Universität eröffnet, s. B. u. H. Kern, Doctorin Schlözer, 1988, 114–124. Zum Themenbereich von Frauen und akademischem Studium in der Frühen Neuzeit s. ferner B. Niemeyer, Ausschluß, 1996. Zur Astronomin Maria Cunitz s. I. Guentherodt, Urania Propitia, 1987. Zur Philologin Ernestine Christine Reiske (1735–1798), s. A. Bennholdt-Thomsen/A. Guzzoni, Gelehrsamkeit, 1992. Zur grundsätzlichen Problematik s. K.v. Soden, Frauenstudium, 1979, 9f; A. BennholdtThomsen/A. Guzzoni, Gelehrte Arbeit, 1996; A. Ebrecht, Gelehrsamkeit, 1996. 37 P. J. Spener brachte eine Sammlung seiner Ansprachen bei Trauungen zum Druck, die
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väterliteratur und in Tugendspiegeln38 für das weibliche Geschlecht. In der als Querelle des Femmes bezeichneten Debatte,39 die seit dem Mittelalter geführt wurde und in der Frühen Neuzeit europaweit eine Belebung erfuhr, wurde vor allem über das Thema der Frauenbildung gestritten. Im Laufe dieser sich über mehrere Jahrhunderte hinziehenden Auseinandersetzung sammelte sich eine Wissensfülle über von Frauen erbrachte Leistungen an. Die im Kontext dieser Kontroversen entstandenen lexikographischen Werke40 dokumentieren neben dem einer langen Tradition entsprungenen Kenntnisstand auch den Diskussionsprozess ihres jeweiligen historischen Kontextes. Ohne Verwicklung in theologisch-kirchliche Streitigkeiten und fernab jeder Parteinahme in Hinsicht auf die pietistische Bewegung wurde J. E. Petersen in einige dieser Lexika aufgenommen, weil sie als bedeutende Schriftstellerin galt. In diesem Rezeptionszusammenhang spielte die inhaltliche Bewertung ihrer theologischen Positionen keine Rolle, es zählte allein der Umfang ihrer Publikationen, der sie als gelehrt und belesen auswies. Obwohl der Frühaufklärer Christian Thomasius (1655–1728)41 kein Lexikon verfasste, sondern eine Zeitschrift redigierte, muss auch seine positive Wahrnehmung der pietistischen Schriftstellerin hier erwähnt werden. Er würdigte durch seine umfangreiche Rezension ihr erstes Buch als Beitrag zum Diskurs der Gelehrten.42 Die hier in Frage kommenden lexikalischen Werke wiesen unterschiedliche Schwerpunkte auf: so fügte Christian Juncker (1668–1714)43 seinem über Männer informierenden Schediasma Historicum einen Appendix44 hinzu, der mehrere Auflagen erfuhr: Christliche Trau=Sermonen, 1719. Eine katholische Predigt von 1696 nimmt den Gedenktag der heiligen Katharina von Alexandrien zum Anlass, um über Tugenden des weiblichen Geschlechtes nachzudenken, s. W. Welzig, Predigten, 1995, 165–179. 38 Vgl. hierzu U. Hörauf-Erfle, Wesen, 1991; I. Richarz, Oeconomia, 1998. Zur reformatorischen Tradition vgl. z. B. die 1543 gedruckte Anweisung für christliche Hausmütter von Antonius Corvinus, die als Auslegung von Spr 31 konzipiert ist, s. R. Stupperich, Reformatorische Verkündigung, 1963, 197–232. 39 Wichtige Arbeiten zu den theologiegeschichtlichen Aspekten der Querelle des Femmes liegen von E. Gössmann vor: Rezeptionszusammenhänge, 1987; Frauengelehrsamkeit, 1988; K. Fietze, Frauenbildung, 1996; F. Hassauer, Streit, 1998; A. Maihofer, Querelle des femmes, 1998. 40 Vgl. hierzu J. M. Woods, Frauenlexika, 1987; A. Ebrecht, Gelehrsamkeit, 1996. 41 Zunächst sympathisierte Thomasius mit den Pietisten, insbesondere trat er für A. H. Francke ein; später gingen die Interessen auseinander, vgl. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 588–599, 729f; s. ferner R. Kayser, Thomasius, 1900; L. Neisser, Thomasius, 1928; A. Nebe, Thomasius, 1931; R. Lieberwirth, Thomasius, 1955; E. Bloch, Thomasius, 1967; M. Pott, Aufklärung, 1992; H. Hattenhauer, Thomasius, 1994; F. Vollhardt, Thomasius, 1997. 42 C. Thomasius, Monats=Gespräche, 1689, 854–874. Die von W. E. Tentzel (1659–1707) herausgegebenen Monatlichen Unterredungen, 1689–1698, gehen gelegentlich auf den Pietismus ein. J. E. Petersen wird nur am Rande gestreift, jedoch nicht als Schriftstellerin gewürdigt, 1692, 647–649. 43 AGL 2, 1750, 2017–2023: Juncker wirkte im schulischen Bereich, zunächst leitete er das Gymnasium in Eisenach, seit 1713 war er Direktor des Gymnasiums zu Altenburg. 44 C. Juncker, Schediasma Historicum, 1692; der Appendix enthält eine eigene Paginierung.
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Frauen nennt, während die etwas späteren Werke von Paullini, Eberti und Lehms sich ausschließlich auf Frauen stützten. Juncker berichtete mit sehr kurzen Angaben über 100 Frauen aus dem westeuropäischen Raum, wobei er ein Spektrum entfaltete, das von der Spätantike bis in seine unmittelbare Gegenwart reichte. Angesichts des Erscheinungsdatums seines Werkes, nämlich 1692, konnte er nur auf den Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit J. E. Petersens aufmerksam machen.45 Neben dem genauen Buchtitel wird das Lob von Thomasius für ihr erstes Buch erwähnt. Das von Christian Franz Paullini (1643–1712)46 zusammengestellte Lexikon über das Wohl=gelahrte Teutsche Frauen=Zimmer weist auf »unterschiedliche Theologische Wercklein« der Ehefrau J. W. Petersens hin und führt davon zwei mit Titeln auf, nämlich die Gespräche des Hertzens sowie die Anleitung. Ferner macht dieser kurze Artikel darauf aufmerksam, dass Thomasius die Gespräche des Hertzens empfohlen habe.47 Diese Bezugnahme auf das positive Urteil des Philosophen und Juristen markiert die Position dieser Autoren, die in den pietistischen Kontroversen keine Stellung bezogen, sondern das aufklärerische Lob der gelehrten Frauenbildung begrüßten. Die von Johann Caspar Eberti (1677–1760)48 in seinem Cabinet Deß Gelehrten Frauen=Zimmers vorgestellte Kurzbiographie fügt der Werkaufzählung J. E. Petersens bei Paullini noch einen dritten Titel hinzu, den Geistlichen Kampff, und präzisiert die innerkirchliche Reaktion auf das Erstlingswerk der Autorin.49 Der Verfasser enthält sich dabei jeder eigenen Wertung; nach seiner Darstellung handelt es sich bei J. E. Petersen um eine Frau, die sich »durch unterschiedene Schrifften in deutscher Sprache . . . bekandt gemacht« hat.
Nach einer kurzen Vorrede folgt eine alphabetische Übersicht, 16–85. Erwähnung finden dabei u. a. A. Bourignon und Eva Maria Frölich, die mit chiliastischen Schriften in Schweden auftrat. Außer der Reihe der 100 Frauen fügt der Verfasser noch einige Namen hinzu wie die hl. Hildegard von Bingen, Johanna d’Arc und A. M. van Schurman, ebd., 85–120. Juncker als Autor wird positiv rezensiert in W. E. Tentzel, Monatliche Unterredungen, 1698, 127–164, 232–242. 45 Juncker, Appendix, 1692, 58f. 46 AGL 3, 1751, 1317–1319: Paullini wurde vor allem berühmt als Polyhistor und Mediziner. Zu seinem Werk s. G. Dünnhaupt, Personalbibliographien 4, 1991, 3080–3103. Über Paullini als Korrespondenzpartner von G. W. Leibniz, der auch Paullinis Vorentwurf zum Lexikon in seinen Schriften besprach, s. G. Utermöhlen, Die gelehrte Frau, 1987, 606f. Einige seiner vielfältigen Schriften werden rezensiert in der von W. E. Tentzel herausgegebenen Zeitschrift Monatliche Unterredungen: 1690, 413, 462–483; 1691, 151f; 1692, 183, 345, 349, 393,428–439, 450, 459, 465; 1697, 764–803; 1698, 64–74, 420–427. 47 C. F. Paullini, Frauen=Zimmer, 1705, 91: J. E. Petersen wird hier unter ihrem Geburtsnamen Merlau geführt. 48 AGL Erg. 2, 1787, 811: Eberti wirkte als lutherischer Prediger in Schlesien. 49 J. C. Eberti, Cabinet, 1706, 278f. In Bezug auf das erste Buch J. E. Petersens heißt es hier: »Dieses Buch epitomirt Herr Thomasius und lobet es sehr/ . . . ja er rühmet es vor Orthodox und recommendiret es allen Studiosis Theologiae, da es doch schon längst von den meisten Theologis vor verdächtig ist gehalten worden«, ebd., 278.
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Geschlechtsspezifische Rahmenbedingungen
Der Hauptteil des von Georg Christian Lehms (1684–1717)50 herausgegebenen Lexikons über Teutschlands Galante Poetinnen widmet sich den deutschsprachigen Dichterinnen. Die Vorrede enthält einen »grossen Catalogum von gelehrten Weibes=Personen«,51 die nach Fachgebieten wie Theologie, Jura und Philosophie unterteilt sind. Unter den 42 für die Theologie reklamierten Frauen52 findet sich auch J. E. Petersen, die folgendermaßen vorgestellt wird: »Johanna Eleonora Petersen/ hat sich durch ihren Commentarius über die Offenbahrung St. Johannis und andere Theologische Schrifften bekannt gemacht/ davon aber von vielen gar sinistre geurtheilet wird.«53 Der Flensburger Rektor Johannes Moller (1661–1725) porträtierte in drei Bänden, die 1744 postum erschienen, die Gelehrten Norddeutschlands. In diesem Werk berücksichtigt er auch einige Frauen. Unter ihrem Geburtsnamen Merlau wird J. E. Petersen vorgestellt, wobei Moller vor allem ihren Lebenslauf referiert.54 Von ihren Schriften erwähnt er nur das erste Buch, die Gespräche des Hertzens, mit dem darin enthaltenen autobiographischen Bericht. Moller informiert sachlich über die Kontroversen in Bezug auf die Person und Positionen J. E. Petersens und nennt zur Charakterisierung der positiven Reaktionen die Äußerungen Speners sowie als Gegenpol die Stellungnahmen Feustkings. Im Kontext dieses lexikalisch gesammelten Wissens gilt J. E. Petersen als Schriftstellerin, deren Werke eindeutig dem Gebiet der Theologie zuzuordnen sind.55 Obwohl die innerkirchlichen Kontroversen bekannt sind, tut dies ihrer Rezeption als gebildete Frau keinen Abbruch. Die Kriterien der Auswahl richteten sich ausschließlich an der Tatsache des Schreibens und an dem Umfang des Oeuvres aus, nicht jedoch an inhaltlichen Positionen. An diesem durch die Querelle des Femmes zusammengetragenen Kenntnisstand partizipierten auch die um die Mitte des 18. Jh. erschienenen Lexika von Christian Gottlieb Jöcher56 (AGL) und Johann Heinrich Zedler 50 Zu Person und Werk s. AGL 2, 1750, 1346; G. Dünnhaupt, Personalbibliographien 4, 1991, 2576–2583. Lehms war Rat und Bibliothekar in Hessen-Darmstadt. 51 G. C. Lehms, Poetinnen, 1715, Vorrede, b6v. 52 Ebd., b6v–c7r; unter diesen befinden sich spätantike Schriftstellerinnen wie Marcella und Proba Falconia, mittelalterliche Heilige wie Katharina von Genua und Teresa von Avila sowie zeitgenössische schreibende Frauen. 53 Ebd., c5r; in einer Anmerkung werden zwei Schriften mit Titel erwähnt, und zwar die Gespräche des Hertzens sowie der Geistliche Kampff. 54 J. Moller, Cimbria Literata 2, 1744, 552; zu J. W. Petersen s. ebd., 639f. Zustimmende Reaktionen auf seine Publikationen finden sich in der Zeitschrift Monatliche Unterredungen, die von W. E. Tentzel redigiert wird: 1690, 46–57; 1698, 895f, 913f, 921. 55 Das Werk von Christoph Mylius, Bibliotheca Anonymorum, 1740, das J. E. Petersen als Autorin von zwei anonym gedruckten Traktaten identifiziert, gehört in gewissem Sinn auch in diesen Kontext. Hierbei steht allerdings die Zuweisung von Texten im Vordergrund, Informationen über die ermittelten Verfasser werden nur am Rande mitgeteilt. 56 Zur Person Jöchers s. AGL Erg. 2, 1787, 2291–2294.
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(GVUL),57 die Frauengestalten wie J. E. Petersen in das zu vermittelnde Wissensspektrum aufnahmen. Während C. G. Jöchers Lexicon einen repräsentativen Überblick über Gelehrte gab, stellte das 56bändige Werk Zedlers das Wissen der Epoche über alle »Wissenschaften und Künste« dar.58 Beide Werke widmen J. W. und J. E. Petersen jeweils einen eigenen Artikel,59 wobei die Bedeutung der Frau als Schriftstellerin in den Vordergrund gerückt wird.60 Dieser Aspekt ist deshalb zu unterstreichen, weil J. E. Petersen später in erster Linie als Ehefrau eines bedeutenden Theologen präsentiert wird und eben nicht als Schriftstellerin. Während die Historiographie des 18. Jh. beide Petersen jeweils als eigenständige Größen in getrennten Darstellungen behandelte, verlagerte sich der Schwerpunkt in den folgenden zwei Jahrhunderten zu einer primären Orientierung an dem Mann. Gegen Ende des 19. Jh. verschwand die Wahrnehmung weiblicher Gelehrsamkeit zu Gunsten der Einarbeitung der schreibenden Ehefrau in die Biographie des Mannes.61 In den Kontext ihrer Rezeption als gelehrte Frau gehört auch die Aufnahme J. E. Petersens in den Pegnesischen Blumenorden,62 der von den Nürnbergern Georg Philipp Harsdörffer63 (1607–1658) und Johann Klaj (1616–1656) nach dem Vorbild anderer Sprachgesellschaften gegründet worden war.64 Ferdinand 57 Zu Person und Werk s. B. Koßmann, Universallexika, 1969; G. Quedenbaum, Zedler, 1977. 58 Dieses Zitat gibt einen Teilausschnitt des Titels wieder; das Lexikon erschien von 1732 an in Leipzig. 59 GVUL 27, 1741, 1046–1051 über J. W. Petersen; ebd., 1051f über J. E. Petersen. 60 AGL 3, 1751, 1421–1424 über J. W. Petersen sowie AGL Erg. 5, 1816, 1993–1998; AGL 3, 1751, 1424f über J. E. Petersen: sechs ihrer Schriften werden mit Titel erwähnt; darüber hinaus wird ihrer Autorschaft auch das Geheimnis der Wiederbringung zugewiesen, das von J. W. Petersen herausgegeben wurde. In Bezug auf das Ewige Evangelium informiert das Lexikon über die strittige Zuschreibung an beide Petersen. AGL Erg. 5, 1816, 2000f, bringt unter der Namensform »Petersin« Ergänzungen, indem ihr jetzt insgesamt 12 Bücher zugeschrieben werden. 61 Dieser Eindruck ergibt sich jedenfalls bei ADB 25, 1887, 508–515, wo nur noch J. W. Petersen einen Artikel erhält, in dem J. E. Petersen erwähnt wird; vgl. ferner die in Kap. I.1 genannten theologischen Lexika des 20. Jh. 62 Unter der Präsidentschaft Sigmund von Birkens (1626–1681) wurden zwei Dichterinnen aufgenommen: Catharina Maria Stockfleth und Catharina Margaretha Dobenecker, s. K. Garber, Sigmund von Birken, 1978, 229. Ferner gehörten die Nürnbergerinnen Barbara Juliana Müller und Anna Maria Nützel zu den Mitgliedern, s. G. C. Lehms, Poetinnen, 1715, 142f. Nach G. Lerner, Entstehung, 1993, 211, hatte der Pegnesische Blumenorden insgesamt 19 weibliche Mitglieder. Die Deutschgesinnte Genossenschaft wies bei einer Gesamtmitgliederzahl von 207 nur zwei Frauen auf: Ursula Hedwig von Veltheim und Catharina Regina von Greiffenberg, s. K. F. Otto, Soziologisches, 1978, 151, 157f; s. auch ders., Frauen, 1981. W. Adam, Geselligkeit, 1997, 11, weist anhand der Fruchtbringenden Gesellschaft nach, dass Frauen zwar nominell keine Mitglieder werden konnten; sie »standen trotzdem im Mittelpunkt der geselligen Aktivitäten der Vereinigung«. 63 AGL 2, 1750, 1377f. 64 Vgl. die zum hundertjährigen Jubiläum veröffentlichte Gründungsgeschichte: J. Herdegen,
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van Ingen, der den gesellschaftlichen Ort dieser zur Pflege der Sprache und der Dichtkunst entstandenen Gesellschaften »zwischen Gelehrsamkeit und Geselligkeit«65 ansiedelt, zeigt für den Blumenorden, dass das Ideal der Erbauung zumindest unter der Präsidentschaft Johann Herdegens (1692–1750) in den Vordergrund trat,66 wenngleich die Theologen bereits im 17. Jh. die Mehrzahl der Mitglieder stellten.67 Einen Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache durch eigene gelehrte und poetische Werke zu leisten, blieb, bei aller Unbestimmtheit des zugrunde liegenden Begriffs von Gelehrsamkeit, das ausgesprochene Ziel dieser Gesellschaft. Der Kontakt J. E. Petersens zum Nürnberger Blumenorden kam durch die Vermittlung ihres Ehegatten zustande. Während seiner im Frühjahr 1705 unternommenen Reise nach Franken und Württemberg lernte J. W. Petersen in Nürnberg Magnus Daniel Omeis (1646–1708), den damaligen Präsidenten des Pegnesischen Blumenordens, kennen.68 In einem kurze Zeit später niedergeschriebenen Bericht über die vollzogene Aufnahme betonte Omeis den Wunsch J. W. Petersens, »recipirt zu werden« und lobte dessen »solide erudition, nicht nur in sacris, sondern auch elegantioribus studiis«.69 Gleichzeitig gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass keines der Mitglieder an J. W. Petersens theologischer Position Anstoß nehmen werde. Er machte darauf aufmerksam, dass ja auch einige Katholiken im Orden vertreten seien.70 J. E. Petersen, die ihren Ehemann auf dieser Reise nicht begleitete, wurde von Omeis gegen Ende des Jahres 1705 unter dem Namen Phöbe in den Nürnberger Blumenorden aufgenommen.71 Die VerHistorische Nachricht, 1744. Eines der Vorbilder war der 1617 in Anhalt gegründete Palmenorden, ebd., 2f. Vgl. ferner J. J. Berns, Sozietätsbewegung, 1978; F. van Ingen, Rhetorik-Kammern, 1987; M. Schilling, Pegnesisches Schaefergedicht, 1997. 65 So lauten der Untertitel und auch das Fazit seiner Untersuchung: F. van Ingen, RhetorikKammern, 1987. 66 Vgl. ebd., 116. Herdegen war Prediger an der Hl. Geist-Kirche in Nürnberg, s. AGL Erg. 2, 1787, 1936. 67 Vgl. K. Garber, Sigmund von Birken, 1978, 225; zur weiteren Aufschlüsselung der soziologischen Verhältnisse im Pegnesischen Blumenorden s. K. F. Otto, Soziologisches, 1978, 151. G. Schröttel, Dilherr, 1962, 4, unterstreicht, dass »die aus diesem Kreis hervorgegangene Dichtung . . . weitgehend religiös gefaßt« war. 68 Vgl. J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 168–181; Omeis war der vierte Vorsteher des Ordens, s. ferner AGL 3, 1751, 1073–1075. 69 Der Brief von Omeis findet sich abgedruckt bei J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 592. 70 Ebd., 594: »Inzwischen will ich nicht hoffen, daß . . . sich einiger Scrupel circa Receptionem in ordinem nostrum, wegen seiner particular-dogmatum, ereignen werde, da wir ja auch Pontificios, nemlich den Baron von Ochsenstein, und die Baronesse von Weißenfeld eingenommen.« Bemerkenswert an diesen Überlegungen Herdegens ist, dass er den Pietismus J. W. Petersens sozusagen als eigene Konfession neben die Katholiken stellte. Die Öffnung des von Lutheranern gegründeten Nürnberger Blumenordens wirft gleichzeitig ein Licht auf die zunehmende Durchlässigkeit der konfessionellen Grenzen zu Beginn des 18. Jh. 71 Ebd., 595f. Als Ausweis der literarischen Tätigkeit J. E. Petersens wird in Herdegens Bericht
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leihung von Namen gehörte zu den Regularien des Blumenordens, ihr Ehemann erhielt den Namen Petrophilus.72 Am 1. März 1706 bedankte sie sich durch ein an den Präsidenten Omeis gerichtetes Schreiben.73 Sie brachte darin ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass sie den ihr verliehenen Namen Phöbe »mit der That und Wahrheit tragen möge . . . und ich dieselbe Gesellschafft möge zieren« helfen.74 Bei aller Reserve gegenüber akademischer Gelehrtheit, die sich in den Schriften J. E. Petersens ausspricht,75 scheint sie einer Institution, die Förderung der gelehrten Bildung mit Frömmigkeit verbinden konnte, nicht ablehnend gegenübergestanden zu haben. Während aus dem brieflichen Zeugnis von Omeis und auch aus den schriftlichen Äußerungen J. W. Petersens in seiner Autobiographie erkennbar ist, dass ihm an einer öffentlichen Reputation als Dichter und Literat gelegen war, läßt sich dieses Interesse für J. E. Petersen nicht nachweisen. Reaktionen von ihrer Seite auf die Aufnahme in die oben besprochenen Lexika, die ja zum Teil noch zu ihren Lebzeiten erschienen, sind nicht bekannt. Sie beteiligte sich selber in keiner Weise an der frühneuzeitlichen Querelle des Femmes, um in diesem Rahmen für eine theologische Bildung von Frauen zu kämpfen. Ihr Selbstverständnis als theologische Schriftstellerin beruhte so stark auf einer offenbarungstheologischen Voraussetzung, dass eine Verbesserung allgemeiner Bildungschancen für Frauen nicht in ihrem Horizont lag.
einzig ihre Autobiographie genannt, ebd., 598. J. W. Petersen berichtet in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 285, über diese Nürnberger Ereignisse und die Aufnahme seiner Frau in den Pegnesischen Orden. Während der Präsidentschaft von Omeis wurden neben seiner Schwester Anna Maria in den Jahren 1704/05 ferner Dorothea Langin und Regina Ingolstätterin als Mitglieder aufgenommen, s. J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 584f, 588, 590. 72 Ebd., 590. 73 In diesem Brief findet sich bezeichnenderweise kein Hinweis auf Dilherr, der »als einer der einflußreichsten Führer« dieses Nürnberger Ordens gelten kann, obwohl er kein Mitglied war, G. Schröttel, Dilherr, 1962, 14; ähnlich T. Bürger, Briefwechsel, 1984, 148. Der von J. E. Petersen erwähnte Briefkontakt mit Dilherr kann also kaum zu einem längerfristigen Austausch geführt haben, denn sonst wäre anzunehmen, dass sie auf diese Verbindung nach Nürnberg angespielt hätte. 74 Der Brief ist abgedruckt bei J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 596–598. Die christologische Wendung entspringt nicht allein der Deutung J. E. Petersens, sie ist bereits angelegt in dem Gedicht, das der Phöbe zur Aufnahme gewidmet wurde, ebd., 596. Ein Abdruck dieses Schreibens erfolgt in dem Beitrag R. Albrecht, Pietistische Schriftstellerin, 2004, als Brief Nr. 10. 75 Zu den für viele pietistische Vertreter typischen Vorbehalten gegenüber weltlicher Gelehrsamkeit s. W. Martens, Literatur, 1989, 50–75, der sich insbesondere auf die Hallenser bezieht.
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Geschlechtsspezifische Rahmenbedingungen 2.2 Anerkennung im Kreise der Gleichgesinnten als neue Marcella
Zu den Stilmitteln frühneuzeitlicher Auseinandersetzungen gehört die Heranziehung biblischer und kirchengeschichtlicher Exempel, um so entweder eine positive oder eine negative Deutung zu unterstreichen. Der Hinweis auf die allgemein bekannten Figuren der christlichen Vergangenheit wurde teilweise anstatt argumentativer Ausführungen verwendet, da diesen Namen eine große Symbolkraft innewohnte. Frauen mit Maria, Eunike, Lois,76 Tabea77 oder Marcella78 zu vergleichen, bedeutete ein eindeutiges und kaum zu überbietendes Lob.79 Trotz der von den Gegnern des Pietismus monierten auffälligen Präsenz von Frauen blieb die Zahl der pietistischen Schriftstellerinnen relativ gering, so dass J. E. Petersen auch innerhalb der pietistischen Bewegung eine besondere Bedeutung zukam. Eine ähnlich hohe Wertschätzung erfuhr sie von Personen, die nicht direkt dem Pietismus zuzurechnen sind, jedoch vielen Aspekten der Reformbewegung positiv gegenüberstanden. Auch wenn Pietistinnen wie Anna Magdalena Francke, Anna Katharina Scharschmied,80 Susanna Margarethe Sprögel,81 Juliana Maria Baur von Eyseneck, Henriette Katharina von Gersdorf_82 oder Benigna von Solms-Laubach Gedichte, Lieder, 76 Diese beiden neutestamentlichen Frauen (Apg 16,1; 2Tim 1,5) kommen als Vorbilder vor in J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VI, 1730, 377. 77 Beata Sturm wurde die »Württembergische Tabea« genannt, da sie wie die neutestamentliche Tabea (Apg 9,36) wegen ihrer Sozialtätigkeit und Unterstützung von Bedürftigen gerühmt wurde, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 166–231. Anna Catharina Mahler wurde außer mit Tabea auch mit Mirjam, Martha, Maria und Hanna verglichen, s. ebd., VI, 1730, 284, 290. 78 Die Asketin (†410) gehörte zu den Frauen der römischen Oberschicht, die sich dem Christentum anschlossen und Frühformen des monastischen Lebens verwirklichten, s. G. PetersenSzemerédy, Asketinnen, 1993, bes. 17, 23, 150f, 238; S. Letsch-Brunner, Marcella, 1998, bes. 5–8 zur frühneuzeitlichen Traditionsbildung. Zur positiven Rezeption Marcellas im Pietismus s. J. Winckler, Bedencken über Kriegsmanns Symphonesis, 1679, 33f; G. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie II, 1729, 227. In seinem Buch Erste Liebe, 1732, 227, beschreibt Arnold die »hohe Erleuchtung« Marcellas, die Hieronymus und andere Christen beeindruckt habe. 79 Sybilla Eleonora Brummerin von Bährenfeld (1682–1705) wird in Analogie gesetzt zu der in Apg 16,14 erwähnten Lydia, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 295. 80 Vgl. J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 107; sie ist die Ehefrau des Quedlinburger Rates Christian Friedrich Scharschmied (1658–1721). GVUL 34, 1742, 951, erwähnt zwei Titel und bezeichnet die »Mystische Theologie« als ihre Fachrichtung. 81 Zu den ihr zugeschriebenen Consilia und Responsa Theologica, 1705, s. Kap. I; s. ferner Unschuldige Nachrichten, 1704, 601f; 1705, 749; J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 682; M. Schulz, Sprögel, 1974; J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 122; J. Büchsel, Wort, 1995, 147f; R. Albrecht, Anfang, 2003, 85–89. Der von den englischen Philadelphiern zusammengestellte Catalogus amicorum in Germania erwähnt für Quedlinburg »H. hoffpred. Sprögel cum uxore«, FLB Gotha, Chart A 297, 6. 82 Sie veröffentlichte Lieder und geistliche Betrachtungen, daneben pflegte sie eine ausführliche Korrespondenz, u. a. mit Leibniz, s. U. Witt, Bekehrung, 1996, 269–272. Ihre wichtigsten Schrif-
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Briefe oder Traktate verfassten, so kann der Umfang und die Intensität ihrer literarischen Tätigkeit nicht mit der J. E. Petersens verglichen werden. Durch persönliche Kontakte waren die beiden Petersen mit den meisten führenden Persönlichkeiten der frühen pietistischen Bewegung verbunden und zumindest zeitweise auch befreundet. So vielfältig wie der Pietismus in seiner Anfangsphase war, so unterschiedlich fielen auch die Reaktionen auf J. E. Petersen aus. Auch wenn sich im Laufe ihrer theologischen Entwicklung die Einschätzungen ausdifferenzierten, so wurde doch von allen ihre herausragende Bibelkenntnis hervorgehoben. Die im pietistischen Diskurs strittigen Themenfelder wirkten sich auch auf die Einschätzung dieser Frau aus. Christian Kortholt, der mit dem Ehepaar Petersen befreundet war,83 ordnete in seiner Vorrede für die Gespräche des Hertzens J. E. Petersen in die Geschichte vorbildhafter Frauengestalten ein.84 Der Kieler Theologe, der seine breite Kenntnis christlicher Frauengeschichte und sein Eintreten für die gleiche Würde von Frauen und Männern auch in dem Traktat Weiblicher Tugend=Spiegel bekundet hatte,85 pries seine »in Christo hochgeschätzte Schwester« J. E. ten sind: Heilsame Betrachtung, 1665; Geistreiche Lieder, 1729. In beiden spielen spezifisch pietistische Themen keine auffallende Rolle. Zu ihrer Unterstützung der in Halle organisierten Mädchenbildung s. U. Witt, Bekehrung, 1996, 151–165. E. Neumeister, De poetis germanicis, 1695, 37, erwähnt sie unter ihrem Geburtsnamen von Friesen in seinem Katalog deutscher Dichter und Dichterinnen. Zu ihrer Unterstützung der sorbischen Literatur s. C. Kind-Doerner, Sorbischer Buchdruck, 1973. Eines ihrer frühen Lieder wurde in Freylinghausens Gesangbuch übernommen, die bedeutendste Sammlung des frühen pietistischen Liedgutes, s. E. Beyreuther, Zinzendorf, 1957, 44–82. 83 Seine kirchenhistorischen Werke werden positiv gewürdigt von W. E. Tentzel, Monatliche Unterredungen, 1697, 445–466. Nach anfänglicher Übereinstimmung mit den Reformideen Spenerscher Provenienz lehnte er insbesondere den Chiliasmus und die Befürwortung neuer Offenbarungen ab, s. W. Halfmann, Kortholt, 1930, 46; E. Peschke, Bekehrung, 1977, 62. 84 Als Ausgangspunkt für seine eigene Parteinahme berief sich Kortholt auf Stellungnahmen des französischen Theologen J. Filesacus, des Niederländers G. Voetius, des reformatorischen Predigers J. Mathesius sowie seines Rostocker Kollegen H. Müller, die das weibliche Geschlecht als gottesfürchtiger als das männliche hinstellten. J. H. Reitz druckte im ersten Band seiner Historie der Wiedergebohrnen, 1698, diese Zusammenstellung Kortholts ab und belegte damit seine Überzeugung, »daß mehr Weibs=als Manns=Personen wiedergebohren und selig werden«, ebd., Zuschrifft, )(4r. Diesen ersten Band, der 33 biographische Skizzen über englische Frauen sowie zwei Männerbiographien enthält, bezeichnete Reitz als »einen rechten geistlichen Frauen=Zimmer=Spiegel«, ebd. 85 Der Weibliche Tugend=Spiegel, 1682, war der Erinnerung an Maria Elisabeth Niederstetten, geb. Olearius (1640–1681) gewidmet, die Kortholt als Exempel christlicher Tugend vorstellt. Neben dem Abdruck von Gedichten und Liedern der Verstorbenen, ebd., 18ff, erinnert er an Frauen des Alten und Neuen Testamentes, 4ff, an frühchristliche Märtyrerinnen wie Flavia Domitilla, Felicitas, Blandina, Victoria, Agnes, Eulalia, Dionysia und Julitta sowie an Paula, Eustochium, Marcella und Monica, die, ohne das Martyrium zu erleiden, ihre Tugenden bezeugt hatten, 12ff. Auch in anderen Schriften wies Kortholt auf die Bedeutung der Frauen hin, insbesondere der Mütter für die religiöse Erziehung der Kinder und des Gesindes, s. Tractätlein, 1679, 75. – Einer der Söhne, Sebastian Kortholt, setzte in gewisser Weise die Tradition des Vaters fort
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Petersen als neue Marcella.86 Die römische Asketin Marcella sei von Hieronymus wegen ihrer Bibelkenntnis, die sie sich in stetigem Lesen und Nachfragen bei den Gelehrten erwarb, gelobt worden. Genau darin sei die Autorin des ihm vorliegenden Buches mit ihrem altkirchlichen Vorbild vergleichbar; denn aus ihrem Werk sei zu entnehmen, »nicht allein/ wie trefflich Sie der Schrifft mächtig sey/ sondern auch/ wozu das so fleißige Forschung und Untersuchen des Göttlichen Worts ihr genützet habe; nemlich/ daß sie dadurch zu einer solchen Christinn geworden/ wofür sie durch die Gnade Gottes jedermänniglich bekant ist«.87 Mit Vergnügen habe er selber ihre Betrachtungen gelesen, den Lesern wünsche er »sonderbahren Nutzen und Erbauung«.88 Das von Kortholt geprägte Motto der neuen Marcella wurde nicht das allgemein verwendete Epitheton für J. E. Petersen, da sie im Unterschied zu ihrem frühchristlichen Vorbild die Gunst der Väter verspielte. Allerdings hoben auch Männer wie Spener und Francke89 gerade ihre Bibelkenntnis und ihre exegetischen Bemühungen lobend hervor. Aus Speners schriftlichen Äußerungen über J. E. Petersen spricht in den ersten Jahren ihrer Bekanntschaft ein auffallender Ton gefühlvoller Bindung. Kurz nach ihrer Übersiedelung nach Frankfurt kam der insgesamt eher zurückhaltende Theologe in mehreren Briefen auf die Adlige zu sprechen. Er nannte sie »eine Zierde der Kirche«,90 pries sie als seltenes Beispiel weiblicher Frömmigkeit, ja er konnte sie als einzigartig im Blick auf ihr Geschlecht hinstellen.91 Ihrem Einfluss schrieb er es zu, dass sich in Frankfurt »plurimi« zu einem ernsthaft christlichen Lebenswandel bekehrt hätten.92 In einem anderen Brief und beteiligte sich an der Debatte um die Bildung der Frauen mit einer Abhandlung über Schriftstellerinnen, s. hierzu J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, XV. 86 Die Ausführungen des Vorwortes über Marcella stimmen fast wörtlich mit denen im Weiblichen Tugend=Spiegel, 1682, 13f, überein. Neben Marcellas Beharrlichkeit im Nachfragen überliefert Kortholt auch die ihr dadurch zugewachsene Urteilsfähigkeit, die sie zu einer Ratgeberin für die Männer machte: »Worüber sie in erklärung und außlegung H. Göttlicher Schrifft dermassen läuffig worden/ daß mit der zeit/ wenn über diesen oder jenen Biblischen text einiger zweiffel und dispüt entstanden/ man zu ihr gegangen/ daß sie den ausschlag geben möchte«, ebd., 14. 87 C. Kortholt, Vorrede, 1687, unpag., gedruckt in J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689. 88 Ebd. 89 A. H. Francke, der in theologischer Hinsicht zunächst den Petersen viel näher stand als Spener, äußerte sich in einem Brief an Caspar Sagittarius aus dem Jahr 1691, dass Gott J. E. Petersen »gewiß ein groß Maaß seiner Gaben verliehen« habe, zit. nach G. Kramer, Beiträge, 1861, 17. Belege für eine Freundschaft zwischen J. E. Petersen und Anna Magdalena Francke gibt es nicht, obwohl diese wegen mancher Übereinstimmungen durchaus nahegelegen hätte. 90 P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 387, ep. 84, 27.5.1676. 91 P. J. Spener, Consilia 3, 1709, 257; ebd., 211: »Nobilis quaedam Virgo, cui in illo sexu nullam parem novi«. 92 Ebd., 257; vgl. auch Briefe 3, 2000, 704, ep. 152, 8.4.1678.
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formulierte er, dass sie »mit ihrem guten exempel u. der gnade, so ihr gegeben, viele leute erbauet u. zur wahren gottseeligkeit auffgemuntert hat.«93 Im Zusammenhang der Gerüchte und Ereignisse um den Saalhof-Konventikel stellte sich Spener nach außen in jeder Weise schützend vor die pietistische Weggefährtin. Aus späteren Äußerungen spricht die Betroffenheit über den von dem Ehepaar Petersen eingeschlagenen Weg, der ja eine völlige Abkehr von Speners Zielen einer innerkirchlichen Reform bedeutete. Seine Freundschaft für die beiden hielt er trotzdem lebenslang aufrecht.94 Zinzendorf war einer der Beobachter der beiden Petersen, der bei freundlicher Anerkennung jedoch seine Kritik nicht verhehlte.95 Diese Haltung kommt in seinem bereits erwähnten Nachruf auf J. E. Petersen zum Ausdruck. Er war in der Lage, die Verstorbene als »edle Jüngerin« zu bezeichnen, sein Gefallen an ihrem Buch Geistlicher Kampff zu betonen und gleichzeitig zu formulieren, dass sie ihre Offenbarungen lieber hätte für sich behalten sollen.96 In einer im Februar 1757 gehaltenen Rede, die sich mit den Rechten und Pflichten der Frauen in der Herrnhuter Gemeine befasste, berührte er das neutestamentliche Schweigegebot für Frauen. Dessen Bedeutung schränkte er insoweit ein, als Frauen in der Sphäre der Privatheit durchaus die Aufgabe zukommen könne, ihren Ehemännern gegenüber lehrend aufzutreten. Zinzendorf belegte seine Ausführungen mit Beispielen von Frauen, die »ihren Männern Lehren gehalten« haben.97 In diesem Kontext schrieb er J. E. Petersen eine positive Bedeutung zu. An den Anfang seiner Aufzählung stellte er das im Neuen Testament erwähnte Paar Priska und Aquila,98 fuhr dann fort mit »Mr. und Mad. Dacier und näher um uns herum der berühmte Dr. Petersen und seine Johanna von Merlau. Und ich glaube, daß dieser gute Mann kein formaler Ketzer geworden ist . . ., das hat er seiner Johanna zu danken.«99 Zinzendorf hatte einen Blick für das Außergewöhnliche an der Persönlichkeit J. E. Petersens, mit Hinweis auf 93 Ders., Briefe 3, 2000, 704, 8.4.1678. 94 J. G. Walch, Einleitung 5.2, 1739, 787, kritisierte, dass die Gegner des Pietismus einzelne umstrittene Positionen J. E. Petersens für die gesamte Bewegung reklamierten, um dann Spener dafür verantwortlich zu machen. Walch dividierte Spener und J. E. Petersen nicht völlig auseinander, unterstrich aber die Unterschiede: »Sie hat nebst ihrem Manne manches gelehret, welches D. Spener nicht gebilliget.« 95 In einer 1745 in Marienborn gehaltenen Rede äußerte er sich z. B. kritisch über den von J. W. Petersen propagierten Chiliasmus, N. L. Zinzendorf, Rede, 1745, 216. 96 N. L. Zinzendorf, Gedichte, 1766, 40. 97 Zitiert nach O. Uttendörfer, Frauen, 1919, 61. 98 In der neutestamentlichen Überlieferung fällt auf, dass die Ehefrau dieses judenchristlichen Paares an zwei Stellen als erste genannt wird: Röm 16,3; Apg 18,8; s. ferner Apg 18,2.26; 1Kor 16,19; 2Tim 4,19. Für beide wird in Röm 16,3 die Bezeichnung »Mitarbeiter« verwendet. Zu Priska s. auch GVUL 29, 1741, 546, wo sie als Tochter des Apostels Philippus gilt. 99 Zit. nach O. Uttendörfer, Frauen, 1919, 61.
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die genannten Ehepaare räumte er ihren Fähigkeiten einen Platz in der Geschichte der Kirche ein. Die von den Gegnern des Pietismus angeprangerte Umkehrung der Geschlechterverhältnisse, die sie meinten erkennen zu können, erhält bei Zinzendorf eine positive Deutung. Er sah in J. E. Petersen nicht die Verführerin ihres Ehegatten, die ihn um seine kirchliche Karriere gebracht hatte, sondern vielmehr diejenige, die ihn davon abhielt, ganz der Häresie zu verfallen. Der Vergleich mit dem urchristlichen Apostelehepaar stellt ähnlich wie die Heranziehung Marcellas eine hohe Anerkennung J. E. Petersens dar. Gottfried Arnold, den viele Gemeinsamkeiten mit dem Ehepaar Petersen verbanden,100 sprach J. E. Petersen eine große Bedeutung zu, die nach seiner Einschätzung nur wenige andere Frauen mit ihr teilten. Er sah in ihr ein Beispiel der von Gott beauftragten Frauen, die sich wegen der göttlichen Erwählung über alle sonst für das weibliche Geschlecht geltenden Beschränkungen hinwegsetzen durften, ja mussten. Gerade das Beharren J. E. Petersens auf dem Offenbarungscharakter ihrer Lehren fand eine Entsprechung in Arnolds Auffassung des göttlichen Handelns in der Geschichte, wonach jeweils einzelne Männer und Frauen zu geistbegabten Zeugen der Wahrheit berufen worden waren.101 In dem seiner Mystischen Theologie beigefügten Katalog mit »Schrifften erleuchteter Frauens Personen«102 nannte er J. E. Petersen als eine von acht Schriftstellerinnen des 17. Jh.103 Arnold trat in seinem Traktat Ob die Weiber auch öffentlich lehren dürffen? dafür ein, dass »von GOtt auserwehlte Weiber . . . auch wol in öffentlichen Schrifften ihre Gaben zum gemeinen Nutz beytragen mögen«.104 Als Autorinnen seiner Zeit zählte er namentlich auf: 100 Ausdrücklich zur Verteidigung seines Freundes veröffentlichte J. W. Petersen seinen Traktat Untersuchung, 1701. Er berief sich dabei auf »das Recht der in Christo gegründeten Freundschafft«, ebd., 6. Im Vorwort zu seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 1, nahm er Bezug auf den kürzlich Verstorbenen. Bei einem Gespräch mit S. E. Cyprian, das anlässlich eines Besuches von J. W. Petersen im April 1705 in Gotha stattfand, sprach der Besucher von Arnold als »mein sehr guter freundt«, FLB Gotha, Chart A 297, 450. Der bei D. Blaufuß/F. Niewöhner, Gottfried Arnold, 1995, 337–410, abgedruckte Bibliothekskatalog Arnolds von 1714 weist neben etlichen Schriften J. W. Petersens, ebd., Catalogus, 4, 10, 12f, 19, 22, 54, 57, 62, 69, auch zwei Schriften J. E. Petersens auf: 1, 57. Das Ewige Evangelium, 44, wird ohne Verfasserangaben aufgeführt. 101 Diese Überzeugung liegt seinem Hauptwerk, der Kirchen- und Ketzerhistorie, 1699/1700, zugrunde, s. hierzu W. Nigg, Kirchengeschichtsschreibung, 1934, 76–97; J. F. G. Goeters, Anschauung, 1976; E. Berneburg, Gesichtspunkte, 1995. 102 G. Arnold, Mystische Theologie, 1703, 514–516. 103 Bei den anderen Frauen handelt es sich um: Anneken Hoogwant, Antoinette Bourignon, Anna Sophia Landgräfin von Hessen, Maria Juliana Baur von Eyseneck, Catharina Regina von Greiffenberg, Madame Guyon und Jane Leade. In der alphabetisch geordneten Reihe erscheint J. E. Petersen unter ihrem Mädchennamen von Merlau. Insgesamt enthält diese Zusammenstellung 24 Frauennamen sowie die Titel von drei anonymen Traktaten. Die Zeitspanne, der die Frauen und ihre Schriften zuzuordnen sind, umfasst das 12. bis 17. Jh. 104 G. Arnold, Ob die Weiber, 1704, 21.
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Antoinette Bourignon, Madame Guyon, Jane Leade und »Fr. Petersin«.105 Bei diesem pietistischen Theologen und Kirchengeschichtler verbindet sich das Interesse an der Förderung der Mystik106 mit seinem Eintreten für ein breiteres Engagement der Frauen auf allen Ebenen des christlichen Lebens. Arnolds Einschätzung, dass es sich bei diesen vier Frauen um die wichtigsten theologischen Schriftstellerinnen des 17. Jh. handelt, wurde auch von anderen geteilt, allerdings z. T. mit einer entgegengesetzten Beurteilung.107 Diesen vier aus unterschiedlichen Kontexten stammenden Frauen ist gemeinsam, dass sie jeweils mit einem umfangreichen schriftstellerischen Werk zu theologischen Fragen Stellung bezogen. Bourignon, Guyon, Leade und J. E. Petersen nahmen im Hinblick auf ihre Herkunftskonfessionen Randpositionen ein und brachten sich mit theologischen Themen ins Spiel, die höchst umstritten waren. Die flämische Katholikin Antoinette Bourignon108 entfernte sich vollständig von der römisch-katholischen Kirche und bemühte sich vornehmlich darum, auf der nordfriesischen Insel Nordstrand eine Kolonie nach urchristlichem Vorbild zu errichten.109 Dieses Projekt
105 Ebd., 25. 106 Vgl. H. Marti, Seelenfrieden, 2002. 107 J. C. Adelung, Geschichte der Narrheit 4, 1787, 193, stellt Bourignon, Guyon und J. E. Petersen in eine Reihe mit der nordfriesischen Schriftstellerin Anna Ovena Hoyers. Ein Zusammenhang zwischen Bourignon, Leade und J. E. Petersen wurde auch in einer Verordnung des Herzogtums Württemberg hergestellt. Das geplante Edikt von 1703, das jedoch nicht umgesetzt wurde, sah vor, Schriften Poirets, Bourignons, Leades, Arnolds und der beiden Petersen zu verbieten, s. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 363; M. Brecht, Württembergischer Pietismus, 1995, 232f. Eine Verbindung zwischen Guyon und Bourignon sehen auch die von W. E. Tentzel herausgegebenen Monatlichen Unterredungen 1698, 126–129. 108 Vgl. ferner G. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie II, 1729, 153–174; IV, 1065–1089; GVUL 4, 1733, 918; J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 620–624; J. Moller, Cimbria Literata 2, 1744, 85–103; AGL 1, 1750, 1306–1309; A. v. d. Linde, Bourignon, 1895; G. Kawerau, Bourignon, 1897; A. Mac Ewen, Bourignon, 1909; P. Pourrat, Bourignon, 1937; M. Schmidt, Bourignon, 1957; L. Reypens, Bourignon, 1958; E. A. Schering, Adam, 1958; M. v. d. Does, Bourignon, 1974; F. Bautz, Bourignon, 1975; E. Lievense-Pelser, Bourignon, 1977; R. Mohr, Bourignon, 1979; G. P. Wolf, Bourignon, 1981; L. Hein, Außenseiter, 1984, 181–186; J. Irwin, Contrasting Examples, 1991; M. de Baar, Spirituel leiderschap, 1994; R. Albrecht, Bourignon, 1998; dies., Konfessionsprofil, 1998; P. Mack, Prophetin, 1999; K. vom Orde, Bourignon, 2000. Heftige negative Kritik übten zu ihren Lebzeiten vor allem Vertreter der lutherischen Orthodoxie: J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 188–200; E. D. Colberg, Platonisch-Hermetisches Christenthum, 1690, 386–414. Spener sprach sich in einem theologischen Gutachten vom 28.11.1701 ebenfalls kritisch aus, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 24–74. Er hatte sich von F. Breckling Material erbeten, das ein »hartes urtheil« enthielt, ebd., 24. Scharfe Kritik an ihr übte auch J. G. Gichtel, Theosophia Practica 7, 1722, 98. 109 Zu den Konflikten um ihre Person in Husum, Schleswig und Flensburg s. G. H. Burchard, Christliche Gründliche Anmerckungen, 1674; W. Ouw, Apocalypsis Haereseos, 1675; J. M. Krafft, Jubel=Gedächtnis, 1723, 187–194. A. Berlis, Kirchenpatronin, 2004, zeichnet nach, wie über die Besitzrechte von Christian de Cort, der diese an A. Bourignon vermachte, auf Nordstrand eine alt-katholische Gemeinde entstand.
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kam jedoch nicht zustande. In ihren Schriften, deren Gesamtausgabe 19 Bände umfasst, griff sie alle christlichen Kirchen scharf an und stellte sich als endzeitliches Offenbarungsmedium dar; das Heil liege darin, ihren Anweisungen zu folgen.110 Die französische Mystikerin Jeanne-Marie Guyon geriet im Gefolge der Bekämpfung des Quietismus durch die römisch-katholische Kirche in Schwierigkeiten, so dass sie neun Jahre in der Bastille inhaftiert wurde, sie blieb jedoch der katholischen Kirche zutiefst verbunden.111 Ihr Opus umfasst 42 Bände und besteht neben mystischen Traktaten vor allem aus einer geistlichen Auslegung der Heiligen Schrift.112 Die Rezeption ihrer Werke blieb zunächst auf einen kleinen Kreis im pietistischen Milieu beschränkt, um sich z. T. erst im Laufe des 18. Jh. auf ein größeres Lesepublikum auszuweiten.113 Wie zu zeigen sein wird, wirkte Jane Leade vor allem durch ihre Apokatastasisvorstellung auf die beiden Petersen und den deutschen Pietismus ein. Diesen vier von Arnold als erleuchtete Frauen betrachteten Schriftstellerinnen kam auch in der Berleburger Bibel eine herausgehobene Stellung zu. Diese radikalpietistische Bibelausgabe enthielt neben dem deutschen Text einen Kommentar, der vornehmlich den Schriften der Jeanne-Marie Guyon entnommen war. Im Vorbericht werden neben Guyon drei weitere Frauen namentlich genannt: Jane Leade, Antoinette Bourignon und J. E. Petersen.114 Diese galten neben der französischen Mystikerin den radikalpietistischen Herausgebern dieses Bibelwerkes als die bedeutendsten Autorinnen, die mit ihren Werken entscheidend zu dem Ideenfundus beigetragen hatten, aus dem die Berleburger Bibel schöpfte.115 110 A. Bourignon, Oeuvres, 1717; diese Ausgabe wurde von P. Poiret betreut. Eine Bibliographie wurde erstellt von M. v. d. Does, Bourignon, 1974, 5–41. Zur weiteren Rezeption von Bourignons Schriften s. z. B. F. C. Oetinger, Epistelpredigten, 1978, 390. 111 AGL 2, 1750, 1273f; GVUL 11, 1735, 1492–1494; J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 325–338; Unschuldige Nachrichten 1706, 286–293; J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 2, 1734, 997–1005; M. Eckhardt, Einfluss, 1928; E. Aegerter, Guyon, 1941; M. Schmidt, Guyon, 1958; L. Bopp, Guyon, 1960; L. Cognet, Guyon, 1967; F. Mallot-Joris, Guyon, 1978; D. G. Coslet, Guyon, 1984; M.-L. Gondal, L’Acte Mystique, 1985; F.-J. Schweitzer, Guyon, 1985; P. Laude, L’ontologie, 1994; L. Dupré, Jansenismus, 1997, 159–163; J. Le Brun, Guyon, 1998. 112 Die Gesamtausgabe wurde ebenfalls von P. Poiret herausgegeben; Le Nouveau Testament 1–8, 1713; Les Livres de L’Ancien Testament 1–2, 1715; La Vie 1–3, 1791. Zur Rezeption ihrer Werke in Deutschland trug der Pietismus in erheblichem Maße bei, insbesondere durch Übersetzungen und Textausgaben, s. G. Arnold, Geistliche Gestalt, 1704, Zweiter Anhang, 642–648, ein Traktat über das Gebet. Vgl. ferner J. C. Edelmann, Selbstbiographie, 1976, 53, 233, 390; O. Uttendörfer, Mystik, 1950, 116. 113 Vgl. H.-J. Schrader, Madame Guyon, 2002. 114 Vgl. ders., Literaturproduktion, 1989, 434, Anm. 62. 115 Die antipietistische Satire Die Pietisterey im Fischbeinrocke, 1736, die die Aufklärerin Luise A. V. Gottsched (1713–1762) nach einer französischen Vorlage auf deutsche Verhältnisse übertrug, karikierte das im radikalen Pietismus den Frauen zugestandene Recht, sich eigenständig zu theologischen Fragen zu äußern. Das Dreigespann Bourignon, Guyon und J. E. Petersen erscheint
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Der mit vielen Vertretern der pietistischen Bewegung aufgrund des ähnlichen Gedankengutes verbundene Friedrich Breckling, der durch seine Schriften und eine umfangreiche Korrespondenz vor allem im Kommunikationsnetz der radikalen Pietisten einen nicht unbedeutenden Platz einnahm, führte mit J. W. Petersen einen kontinuierlichen Briefwechsel, an dem auch J. E. Petersen partiell teilnahm.116 Der Austausch von Büchern gehörte zu den Gepflogenheiten dieses Kontaktes.117 In einem seiner in Niederndodeleben abgefassten Briefe konstatierte J. W. Petersen eine gewisse Parallelität zwischen der Ehefrau Brecklings118 und seiner »Liebsten«. Beiden Frauen mangele es an der ihnen gebührenden Anerkennung, sowohl »von der welt, u. auch wol von der mutter kinder . . .; aber Gott verbirget diese perlen in der muschel«.119 Breckling seinerseits stellte Vergleiche an mit zwei besonders kämpferischen alttestamentlichen Frauengestalten, einer Richterin und einer Prophetin, um J. E. Petersens Bedeutung zu würdigen. Als er ihre Erklärung zur JohannesApokalypse zugeschickt bekommen hatte, gipfelten seine Dankesworte in der hier als Inbegriff weiblicher Autorität, die allerdings nur innerhalb des pietistischen Denksystems Gültigkeit beanspruchen konnte, ebd., 113. Von der Warte der aufklärerischen Autorin aus gesehen, handelt es sich bei diesem Versuch, Frauen Stimme und Gewicht zu verleihen, um ein kontraproduktives Unterfangen, das nur der Lächerlichkeit preisgegeben werden konnte, da es von vernunftwidrigen Voraussetzungen ausging. Zu Gottsched s. M. Heuser, Gottsched, 2000. 116 Im Handschriftenfundus der FLB Gotha liegen Briefe aus dem Zeitraum von 1679 bis 1699 vor. In mehreren seiner Schreiben bestellte J. W. Petersen Grüße seiner Frau, Chart B 198, 351r, 18.1.1697; 355v, 18.1.1699; 1683 schrieb er aus Eutin: »Bethet für uns, wie wir für Euch«, ebd., 337v, 20.2.1683. In Chart B 198, 444r ist ein kurzer Brief J. E. Petersens an Breckling erhalten, der allerdings nicht datiert ist. Vermutlich wurde er zusammen mit Schreiben ihres Ehegatten an den Amsterdamer Freund geschickt. Aufgrund der chronologischen Einordnung dieser Briefsammlung lässt er sich in den Anfang der 1690er Jahre datieren. Ein Abdruck erfolgt bei R. Albrecht, Pietistische Schriftstellerin, 2004, Brief Nr. 5. 117 J. W. Petersen schickte 1691 seine gerade gedruckte Species facti, FLB Gotha, Chart B 198, 341v, 30.12.1691. In seinem Werk Nubes testium 3, 1696, 132–135, erwähnte J. W. Petersen unter denjenigen, die nach seiner Meinung für das bald anbrechende Reich eingetreten waren, auch Breckling. Auf diesen Umstand machte er den Genannten eigens in einem Brief aufmerksam, FLB Gotha, Chart B 198, 356r. Im Jahr 1703 schickte Breckling mehrere Kisten mit seltenen Büchern nach Halle, s. C. G. C. Visser, Mystisch-Pietistische Strömung, 1978, 169f. 118 Breckling heiratete am 23.4.1667 Elisabeth Kruse, die aus Zwolle stammte. Vor der Eheschließung gab es Gerüchte, dass er die in seinem Haus als Angestellte Lebende, die als geistig beeinträchtigt galt, belästigt habe. E. Breckling starb 1705 nach langer Krankheit, s. C. G. C. Visser, Mystisch-Pietistische Strömung, 1978, 177f; vgl. ferner P. Estié, Entlassung, 1992, 11–15; M. Brecht, Die deutschen Spiritualisten, 1993, 231. L. Hein, Außenseiter, 1984, 200, weist auf Visionen und Auditionen hin, die E. Breckling gehabt haben soll. Eventuell bezogen sich die in Zwolle gegen Breckling gerichteten Vorwürfe über ekstatische Ereignisse im Gottesdienst auf E. Kruse, P. Estié, Entlassung, 1992, 23. 119 FLB Gotha, Chart B 198, 354v, 8.7.1698. In diesen Formulierungen klingen biblische Motive an, zum einen Hhld 1,6 und zum anderen Mt 13, 44–46, wo das Himmelreich mit einer Perle verglichen wird. Zwar ist in der matthäischen Perikope nicht von Perle und Muschel die Rede, J. W. Petersen nimmt jedoch den Fokus der Perikope insofern auf, als es um die Verborgenheit des göttlichen Schatzes geht.
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Charakterisierung der Autorin als Debora und Jael.120 Den Namen Deboras griff er ein weiteres Mal auf, und zwar im Zusammenhang seiner kritischen Absetzung gegen die Aktivitäten Jane Leades zur Ausbreitung der Philadelphischen Sozietät. Breckling schrieb an J. W. Petersen: »Unterdeß liebe und lobe ich seiner Eleonora gaben mehr als der Leaden, weil seine liebste uns wie eine Debora vorgehet, und auf den grund der propheten und apostel bauet (ad captum Germanorum) da Christus der Eckstein ist, auch uns in ihren Schrifften und apocalypsi so viel durchzukämpffen anweiset, daran wir unser lebelang genug zu thun haben.«121 Wie Breckling gegenüber allen religiös motivierten Reformversuchen seiner Zeit eine distanzierte Haltung behielt und neben der Pflege intensiver freundschaftlicher Kontakte auch seine Kritik deutlich artikulierte, so finden sich vor allem in seinen letzten Lebensjahren recht negative Beurteilungen der beiden Petersen. Während er 1697 gerade die biblische Fundierung der Schriften J. E. Petersens hervorgehoben hatte, so schrieb er zehn Jahre später, dass die Bücher J. W. Petersens »und seiner frauen« zu viele »eigene meinungen« enthielten, die »man meiden und überlesen« müsse.122 Die von Kortholt und Breckling herangezogenen Namen biblischer bzw. altkirchlicher Frauengestalten stellten einen Versuch dar, J. E. Petersen einen Platz in der Geschichte christlicher Frauen zuzuweisen. Beiden ging es darum, durch den Vergleich mit anerkannten Vertreterinnen des weiblichen Geschlechtes der Zeitgenossin ein hohes Lob zuteil werden zu lassen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass J. E. Petersen sich diese Namen zu Eigen machte.123
120 Dieser Brief Brecklings vom 24.8.1696 ist zitiert bei J. W. Petersen, Ausbreitung, 1697, 35. Zu Jael s. Ri 4,17–22, zu Debora Ri 4–5. 121 FLB Gotha, Chart A 297, 350, 10.11.1697; ähnlich positiv klingende Äußerungen Brecklings über »H. Petersen und seine Liebste« gegenüber dem Hamburger Buchhändler Heinrich Betke zitiert T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 158, Anm. 39. 122 FLB Gotha, Chart A 297, 24v, quer am Rand, Brief vom 22.10.1707, an den aus Dänemark stammenden Claus Björn, einen beständigen Korrespondenzpartner Brecklings, der als Prediger in Stettin tätig war. T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, S. 136, Anm. 3, zitiert aus einem Brief Brecklings, der Johann Wincklers Angriffen auf J. E. Petersen aus dem Jahr 1699 zustimmt und darüber hinaus fordert, dass es nötig sei, »daß man solcher unzeitigen Weiber Predigt und Beginnen begegnet«. Auch E. A. Schering, Adam, 1958, 113, notierte, dass Breckling sich nach 1700 abfällig über A. Bourignon, P. Poiret, Q. Kuhlmann und beide Petersen äußerte. 123 Dies war hingegen der Fall bei Adelheid Sybille Schwartz, die sich ausdrücklich als Prophetin verstand und sich Debora nannte, um damit ihren göttlichen Auftrag zu kennzeichnen, s. T. Wotschke, Franckes Debora, 1929; ders., Nachtrag, 1929; M. Brecht, Francke, 1993, 458; U. Witt, Bekehrung, 1996, 31f, 53–58. Auch Henriette Katharina von Gersdorf wurde gelegentlich als Debora bezeichnet, s. D. Meyer, Zinzendorf, 1995, 7.
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2.3 Verketzerung als neue Maximilla Gegner des Pietismus thematisierten anhand der Person J. E. Petersens einen doppelten Häresievorwurf; sie wurde wegen ihrer theologischen Positionen angegriffen und erfuhr in dieser Hinsicht ähnlich wie etwa ihr Ehegatte oder Gottfried Arnold eine scharfe Verurteilung.124 Potenziert wurde diese Kritik durch den Tatbestand, dass sie als Vertreterin des weiblichen Geschlechtes nach Meinung vieler Männer überhaupt nicht dazu berechtigt war, sich zu theologischen Fragen öffentlich zu äußern. Die im Folgenden analysierten Reaktionen zeichnen sich z. T. dadurch aus, dass sie die Geschlechtszugehörigkeit J. E. Petersens in diffamierender Absicht in den Vordergrund stellten.125 Wenn Männer sich gegenseitig angriffen, dann blieb dieser Aspekt ausgespart. Die in der Frühen Neuzeit ausgebildete Struktur der literarischen Polemik kannte eine scharfe Auseinandersetzung zwischen prinzipiell gleichwertigen Partnern, den akademisch gebildeten Männern.126 Wenn Frauen begannen, sich auf diesem Terrain zu bewegen, dann geriet die Grundannahme der Gleichwertigkeit aus dem Blick, denn die zwischen Männern und Frauen bestehende Hierarchie ließ einen literarischen Kampf auf gleicher Ebene nicht zu. Die Bezeichnung J. E. Petersens als neue Maximilla wurde pointiert von dem orthodoxen Lutheraner Johann Heinrich Feustking in seinem Buch Gynaeceum Haeretico-Fanaticum127 zum Ausdruck gebracht.128 Durch den Vergleich 124 Die Polemik gegen Arnold lässt sich instruktiv bei J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, sowie Arnoldus, 1704, nachlesen. F. Dibelius, Arnold, 1873, 226, macht auf eine bereits 1699 gehaltene Disputation Feustkings zum Thema Arnold aufmerksam. Diese Schrift war mir nicht zugänglich. Aus der gegen J. W. Petersen gerichteten Schrift C. G. Engelschalls, Posaunender Engel, 1720, zitiere ich einige der bezeichnendsten Passagen, um den Charakter der Polemik zu beleuchten. Weil J. W. Petersen seine Kraft mit all seinen unnützen Traktaten verschwendet habe, hoffe er nun, dass dieser »vielleicht bald die Feder aus den vor Alter erstarrenden Händen werde nach göttlichem Willen müssen fallen lassen«, ebd., 13. Engelschall diagnostiziert, dass die Chiliasten sich nicht darüber einig seien, wann das tausendjährige Reich beginne: »Man wird eher das Coax der Frösche in Noten setzen, als ihre so gar unterschiedene Meynungen zusammen vereinigen können«, 39. Nach Meinung dieses Autors hat »der Herr Doctor Petersen einen wohl hundert mahl aufgewärmeten, von den vortrefflichsten Männern aber eben so wohl verworffenen Kohl aufgesetzet«, 90. Nach Engelschall ist J. W. Petersen »ein rechter Höllen=Advocate . . . GOTT erbarme sich seines verwirreten Zustandes und bessere ihn, damit er noch vor seinem Ende in sich gehe!«, 90. 125 Diese Strategie ist auch in der Polemik gegen A. Bourignon zu beobachten, s. hierzu R. Albrecht, Konfessionsprofil, 1998, 72f. 126 Zu den Regeln und Konventionen des Streitens s. M. Gierl, Pietismus, 1997, 60–192. 127 Der von J. W. Petersen erwähnte Traktat seiner Ehefrau gegen dieses Buch konnte nicht nachgewiesen werden. Er schreibt darüber, Unfug, 1709, 3: »meine Liebste . . ./ die ihn aber zur Gnüge widerleget hat/ deren Antwort nur auf einen Verleger wartet/ und vielleicht bald heraus kommen mögte.« 128 Der vom griech. gunv abgeleitete Begriff des Gynaeceums bzw. Frauenzimmers hatte in der Frühen Neuzeit keinen despektierlichen Unterton. Er bezeichnete entweder Frauen oder Räu-
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mit der montanistischen Prophetin des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts zielte Feustking darauf ab, den Pietismus und J. E. Petersen insbesondere als Repristination der altkirchlichen Ketzergestalten abzustempeln.129 Feustking verstand sein Gynaeceum als Gegen-Schrift gegen Gottfried Arnolds Kirchenund Ketzerhistorie.130 Diese Absicht, der Arnoldschen Darstellung eine völlig anders geartete Interpretation entgegenzusetzen, wurde von den Zeitgenossen in ihrer Intention wahrgenommen.131 In der Hauptsache ging es Feustking darum, vor den nach seinem Urteil ketzerischen Frauen, die durch den Pietismus Unterstützung erhalten hatten und nun ihrerseits wesentlich zur Verbreitung dieser Bewegung verantwortlich zu machen waren, zu warnen. Seine Analyse sah folgendermaßen aus: »wodurch ist der unseelige Pietismus in unserer Kirchen entstanden/ als durch die Bezeugungen/ Raptus und Enthusiasmos der Weiblinnen/ der von Asseburgin und Merlauin? wodurch hat er seinen Fortgang gewonnen/ als durch die begeisterte Jungfrauen zu Erfurt/ Qvedlinburg und Halberstadt? und wodurch wird er noch anietzo unterhalten/ denn eben durch allerhand verdächtige Bücher der Weiber«.132 Von allen Frauen, die er behandelte, schrieb er J. E. Petersen die verwerflichste Rolle
me, in denen diese sich vornehmlich aufhielten. So schreibt P. J. Spener 1686 an A. E. Kißner, dass er in Dresden Beichten bei dem »Adelichen Frauenzimmer« abnehme, zit. bei A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 264f. Nicht nur J. W. Petersen widersprach Feustkings polemischen Verzerrungen. Kritik kam auch von ganz anderer Seite. Der Züricher Theologieprofessor Heinrich Corrodi (1752–1793), der kein Sympathisant des Pietismus war, wie seine kritische Behandlung der chiliastischen Entwürfe zeigt, fasste sein Urteil über Feustkings Buch dahingehend zusammen, dass dieses »nicht sehr gründlich, und sehr heftig« geschrieben sei. »Seine Berichte sind meist mangelhaft, wenig ausführlich, und übel zusammenhängend«, H. Corrodi, Geschichte des Chiliasmus 3.1, 1793, 23. Zum Konzept des Gynaeceums s. R. Albrecht, Hinführung, 1998. 129 Zur neuen Perspektive der kirchengeschichtlichen Forschung auf die zu Prototypen weiblichen Ketzertums avancierten montanistischen Prophetinnen Maximilla und Priscilla s. A. Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 1992, 268–352; G. Petersen-Szemerédy, Asketinnen, 1993, 109–113. 130 Als Grund für das Entstehen seines Buchs Gynaeceum, 1704, gibt Feustking das Erscheinen von Arnolds Kirchen- und Ketzerhistorie an, die er als »Läster-Historie« verballhornt, ebd., 59. Arnold propagiere hierin »Teuffels=Lehrerinnen« und »Schwärmerinnen« zum Schaden der Kirche, ebd., Vorrede, )()(1rf; s. ferner ebd., 17, 56, 58, 117, 119, 125, 459 u. ö. Die Auseinandersetzung mit Arnold führte Feustking allenthalben, auch dort, wo dies von der Sache her nicht unbedingt nahe lag. So ging er in einer Predigt zur Weihe der neu gebauten Kirche in Reinhertz (Sachsen) auf Arnolds Kritik an den kirchlichen Gebäuden ein, sowie auf dessen negative Darstellung des Kaisers Konstantin, unter dessen Regierung die Errichtung christlicher Sakralbauten begonnen hatte, J. H. Feustking, Vindiciae Templorum, 1704, 22, 35, 48f. Vgl. auch J. H. Feustking, Mataelogia fanatica, 1708, 44, 46, 51, 54. 131 Vgl. etwa die brieflichen Äußerungen von Balthasar Köpke an F. Breckling vom 19. 3.1707, FLB Gotha, Chart B 198, 265r. 132 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 117. Bemerkenswert an dieser Sicht ist u. a. die damit einhergehende späte Pietismus-Datierung, denn R. J. von Asseburg sowie die in Mitteldeutschland als Visionärinnen auftretenden Frauen wurden erst in den Jahren 1691/92 in der Öffentlichkeit bekannt.
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zu,133 da sie, unterstützt durch ihren Ehemann, nicht nur in einem lokal begrenzten Raum bekannt wurde, sondern durch ihre schriftstellerischen Werke eine breite öffentliche Wirkung erzielte.134 In dem lexikonartigen Hauptteil des Gynaeceum widmete er ihr wie sonst keiner anderen Frauengestalt zwei Artikel.135 Seine Empörung über die literarische Tätigkeit J. E. Petersens gipfelte in der Aufforderung, dass man »dergleichen selbst=gewachsenen Scribenten (wie des Magdeburgischen Montani seine Maximilla ist) Die Feder aus denen Händen zu reissen« habe.136 Auch Motive der antijudaistischen Diffamierungstopik werden von ihm herangezogen, um diese pietistische Schriftstellerin zu desavouieren.137 Das in seinen abschließenden Bemerkungen zu Tage tretende Frauenbild ist von dem Motiv der »Weibischen Schwachheit« geprägt. Wegen der ihnen anhaftenden Schwäche sei den Frauen und ihren Fehlern mit Geduld zu begegnen; da J. E. Petersen aber »Halsstarrigkeit/ Eigensinn und Boßheit«138 gezeigt habe, komme »dieser verblendeten Weibes=Person« gegenüber nur entschlossene Zurückweisung und Härte in Frage.139 Die Geschlechter-Anthropologie dieses Ver-
133 B. Köpke sah den scharfen Protest gegen das Wirken von J. E. Petersen und R. J. von Asseburg als den Hauptgrund für das Zustandekommen dieses Buches an, s. ep. an F. Breckling, 19.3.1707, FLB Gotha, Chart B 198, 256r. 134 Eine Stelle im Vorbericht von Feustkings Gynaeceum, 1704, 125f, lässt sich durchaus als Invektive gegen J. E. Petersen lesen, auch wenn ihr Name in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich genannt wird: »Denn weil ich gesehen/ daß der Schwärmerischen Weiber Schrifften unter die Leute kommen/ ja gar in Königlichen und Churfürstlichen Cabineten auffgehaben/ und der Welt/ als gründliche Einleitungen/ und Schlüssel zur Wahrheit für andern recommendiret werden; so habe wider solche Verführungen eine Warnung auffsetzen/ und anbey eine nöthige Nachricht von den Sectirischen Weibern ertheilen wollen.« 135 Ein Artikel behandelt sie unter der Namensform Merlau, Gynaeceum, 1704, 458–482, der andere unter dem Namen Petersen, ebd., 501f; s. ferner ebd., Vorrede )()(4v; 52, 100f, 117, 143, 146f, 555–557. 136 Ebd., 502; dem als Montanus und Maximilla bezeichneten Ehepaar ordnete er R. J. von Asseburg als Priscilla hinzu, 52; vgl. 431. Feustking bezeichnete auch G. Arnold als Montanus, ohne ihm allerdings eine Frauengestalt beizufügen, ebd., 445. Die als Inbegriff des altkirchlichen Ketzertums geltenden Montanisten dienten auch als Epitheta in den französischen Auseinandersetzungen um den Quietismus; Madame Guyon und der mit ihr befreundete Erzbischof Fénelon wurden als Priscilla und Montanus verunglimpft, s. E. Aegerter, Madame Guyon, 1941, 230. Als Argula von Grumbach sich in der Frühphase der Reformation in Bayern mit Flugschriften zu Wort meldete, wurde als Reaktion darauf in einer Predigt Luther mit Montanus verglichen und die Schriftstellerin mit den montanistischen Prophetinnen, s. T. Kolde, Arsacius Seehofer, 1905, 101. 137 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 431: die chiliastischen Ideen J. E. Petersens erklärte er für »Jüdische altvettelische Fabeln«. 138 Ebd., 481; in der Vorrede der Konkordienformel wird erklärt, dass die condemnationes nicht diejenigen trefffen, »so aus Einfalt irren«, sondern in der Hauptsache für »halsstarrige Lehrer und Lästerer« gelten, BSLK, 1967, 756. Möglicherweise hatte Feustking diese Kondemnationen im Sinn, wenn er in ganz analoger Manier über seine Kontrahentin urteilte. 139 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 482.
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treters der lutherischen Orthodoxie betrachtete Frauen als das schwache Geschlecht, das wegen seiner Mängel Fehlhandlungen und denkerische Fehlleistungen hervorbringen durfte, sich dann jedoch der korrigierenden Belehrung der Männer zu unterstellen hatte. Frauen, die selbstbewusst ihre Überzeugungen gegen den Protest theologisch gebildeter Männer verteidigten, hatten keinen Platz in dem von Feustking vertretenen kirchlichen und theologischen Gefüge.140 Ähnlich im Stil wie Feustking reagierte der Danziger Theologe Samuel Schelwig141 auf die pietistische Bewegung insgesamt und auf J. E. Petersen insbesondere. Noch pointierter als Feustking jedoch machte er ihre Geschlechtszugehörigkeit zum Zielpunkt seiner Angriffe. Während Ersterer J. E. Petersen die Rolle der ihren Ehemann in die Häresie treibenden Kraft zuschrieb, sprach Schelwig ihr jede Verantwortung für ihre schriftstellerischen Leistungen ab und erklärte stattdessen J. W. Petersen verantwortlich für die Publikationen seiner Ehefrau. In seinem Werk Sectirische Pietisterey, in dem er die Lehrabweichungen der Pietisten von den wichtigsten dogmatischen Loci darstellte, zog er an mehreren Stellen Bücher J. E. Petersens heran.142 Bei seiner Darlegung des Verhältnisses von Glaube und Werken, in der er den pietistischen Gewährsleuten nachwies, dass sie das Verdienst Christi zugunsten menschlicher Mitwirkung schmälerten, zitierte er aus dem Geistlichen Kampff J. E. Petersens. Den pietistischen männlichen Autoren wies Schelwig die Unzulässigkeit ihres Denkansatzes nach, der Autorin sprach er jedoch grundsätzlich das Recht zu theologischen Äußerungen ab und schob die Verantwortung für ihre Formulierungen auf ihren Ehemann. Mit dieser Sichtweise ignorierte der Danziger Geistliche ihre Bedeutung als Schriftstellerin und reklamierte stattdessen die Küche als den einzig legitimen Ort für weibliche Tätigkeit. Er charakterisierte in diesem Zusammenhang J. E. Petersen als »das pfantastische Weib/ welcher mans so sehr nicht zu verargen hat/ als ihrem Manne/ der ein D. Theologiä ist/ und ihr doch so ungereimte Sachen zu schreiben verstattet/ dafür er sie an die Küche/ oder zum 140 Die von Feustking vertretene Geschlechteranthropologie beruht auf festen Ordnungsvorstellungen; Frauen werden nur dann als positiv betrachtet, wenn sie sich in diese einfügen. Feustking hielt z. B. eine sehr einfühlsame Leichenpredigt über die Verwalterin am Witwensitz der sächsischen Kurfürstin in Lichtenburg, s. J. H. Feustking, Miscellan-Predigten 2, 1726, 213–225; vgl. hierzu R. Albrecht, Hinführung, 1998, XXXIX– XLI. 141 Zu seiner Person s. J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 739–746. 142 Er zitierte aus ihren beiden Schriften Geistlicher Kampff und aus dem autobiographischen Anhang zu den Gesprächen des Hertzens, S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1697, 49, 109, 132, 178, 180. Unter den pietistischen Autoren, gegen die Schelwig sich wandte, war sie die einzige Frau; außer ihr erwähnt er drei weitere Pietistinnen, die nicht durch Schriften, sondern durch ihr Verhalten in der Öffentlichkeit Aufsehen erregten: die aus Halberstadt stammende Anna Margaretha Jahn, ebd., 111; die Erfurterin Anna Maria Schuchart, von Schelwig als »Erfurter Liese« bezeichnet, ebd., 138; eine »adlige Jungfer« aus Pommern, die es abgelehnt hatte, zur Beichte zu gehen, ebd., 163. Über diese Letztere hatte Schelwig bereits in seinem Itinerarium, 1695, 6–8, berichtet.
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Spinn=Rade und Knippelpolten verweisen solte.«143 An diese Verunglimpfung schließt Schelwig unmittelbar ein Zitat aus einer Schrift Speners an, so dass er den Eindruck erweckt, als ob dieser ebenfalls in seine Kritik an J. E. Petersen einstimme. »Hr. D. Spener setzet gar wol in seinem Sendschreiben p. 27. ›Wir sehen gemeiniglich/ daß die jenige/ so einmal angefangen die Nase in ein Buch zustecken/ sich leicht mehr einbilden von einer Erudition, als die/ weil sie nach langem Studieren die wahre Erudition eingesehen/ auch diesen Nutzen davon haben/ daß sie wissen/ wie wenig es sey/ daß sie verstehen.‹ Wenn solchen die Pietisten beyderlei Geschlechts inacht nahmen/ wurden sie dergleichen abscheuliche Grumpen ihren Schrifften/ unverschämter Weise/ einzuverleiben/ ohne Zweiffel bedencken tragen.«144 J. E. Petersens Position wird nicht für wert erachtet, um sich damit sachlich auseinanderzusetzen. Die Polemik gilt nicht dem Inhalt ihrer Schriften, sondern der Tatsache, dass sie sich überhaupt öffentlich zu theologischen Themen äußerte. Im Vergleich zu den Männern wird die pietistische Autorin von dem Vertreter der antipietistischen lutherischen Orthodoxie auffallend anders behandelt. Der wie Schelwig in Danzig amtierende Friedrich Christian Bücher145 versuchte nachzuweisen, dass die Pietisten hinter die Reformation und letztlich die gesamten Grundlagen des Christentums zurückfielen, indem sie an heidnisch-antike Geheimlehren anknüpften.146 Neben dem Ehepaar Petersen147 galten seine besonders scharfen Attacken dem Stargarder Pietisten Johann Wilhelm Zierold (1669–1731).148 Die in der Kontroverse mit Späth zur Sprache 143 S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1697, 49. 144 Ebd., 49f. In seiner Schrift Abfertigung, 1698, in der der Autor die in der Sectirischen Pietisterey vorgebrachte Kritik noch einmal resümierte, griff er erneut die dem Pietismus zugeschriebene Aussage auf, dass für einen Wiedergeborenen ein sündloses Leben möglich sei. Ohne dass Schelwig einen Namen nennt, kann J. E. Petersen als Urheberin dieser These identifiziert werden. Wiederum schrieb dieser Autor nicht der Pietistin selber, sondern diesmal Spener die Verantwortung für die aus seiner Sicht falsche Auffassung der Hamartiologie zu, denn Spener habe es nicht »übers Hertze« gebracht, »der Phantastischen Glaubens=Schwester/ die also narrete/ einen Verweiß zu geben«, ebd., 36. 145 Er war Pastor an der Katharinenkirche, s. J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 757–760; AGL 1, 1750, 1460. 146 Vgl. etwa seine Schriften Mysterium iniquitatis, 1697; Rathmannus redivivus, 1697; Plato Mysticus, 1699; Lutherus Anti-Pietista, 1701. S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1697, 93, sprach von ihm als »mein redlicher Mitstreiter und liebster Hertzens=Freund« und nannte ihn: »mein treuer Mitstreiter in diesem Kriege unseres Gottes«, ebd., 64. Spener beklagte sich 1699 in einem Brief an A. E. Kißner darüber, dass Bücher ihn in dem Buch Plato Mysticus so hart angegriffen habe »als schwerlich einer«, A. Nebe, Berliner Briefe, 1935, 148. Die Unschuldigen Nachrichten 1704, 502f, rezensierten seine Publikationen positiv. 147 Anscheinend verfolgte er genauestens, was beide taten und schrieben. So zeigte er sich etwa darüber informiert, dass J. W. Petersen »unlängst mit seiner Frauen im Sauer=Brunnen gewesen«, Treuhertzige Warnung, 1700, 4. 148 F. C. Bücher, Dogma fanaticum, 1702; Zieroldus, 1708. Zierold war durch Spener beein-
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gekommenen Äußerungen J. E. Petersens über die Geburt ihres Sohnes wurden von Bücher ausgeschlachtet. So unterstellte er, dass die von ihr bevorzugte Redeweise von »Christus in uns« bedeuten würde, dass sie selber davon ausgehe, durch die Geburt ihres Sohnes Christus empfangen und geboren zu haben.149 Am Beispiel der beiden Petersen warnte Bücher davor, dass durch das ungewöhnliche und in seinen Augen ungebührliche Verhalten pietistischer Frauen die gesamte Geschlechterordnung in Verwirrung geraten könnte. Die Buchpublikation J. E. Petersens galt ihm als Zeichen dieser Verkehrung. Mit 1Kor 14,34 signalisierte er, dass seiner Ansicht nach den Männern die Herrschaft und den Frauen der Gehorsam zukomme.150 Männer wie J. W. Petersen, die ihre Frauen maßlos überschätzten, trügen dazu bei, die Herrschaftsverhältnisse zu verkehren. Dieser habe seine Ehefrau »denen Aposteln . . . an die Seite setzen« wollen. »Ich weiß aber nicht/ ob auch in der gantzen Pietistischen Gesellschafft die Männer es ihm dancken werden/ daß er das Frauenzimmer so hoch rangieren will. Denn so unter denen auffrührerische Bauren/ die sich des Regiments angemasset/ jene Bauers=Frau bey Straßburg sich vernehmen ließ: Wir auff denen Dörffern werden nun auch auff Pantoffeln gehen; so wäre sehr zu besorgen/ daß das Pietistische Frauenzimmer bey dem Anbruch des tausend=jährigen Reichs gar auff denen Köpfen gehen/ und der Herrschafft ihrer Männer/ fürnehmlich wo sie nicht ihrem Pietistischen Qvakker=Geist pariren wolten/ entsagen möchten. Gegner kann indeß seinem Frauenzimmer erklähren/ was einer seiner heiligen/ der Jamblichus von denen Offenbahrungen der Weiber urtheilet: Mulieres praecipuè sectam Pythias esqui, virorum paucismos, eosq; feré, qui sunt effaeminatiores.«151 Mit dem in dem Jamblich-Zitat enthaltenen Stichwort »effaeminatus«, das seit der Antike das Negativklischee des verweichlichten und verweiblichten Mannes umschrieb,152 brandmarkte Bücher männliche Pietisten als von Frauen und deren Machtstreben abhängige Kreaturen, die eigentlich keine Männer mehr sind.153 flusst und gründete u. a. in Stargard ein Waisenhaus, AGL 4, 1751, 2203f. Zu dieser Kontroverse s. J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 796–799. 149 F. C. Bücher, Treuhertzige Warnung, 1700, 22, 30, 32, 66. 150 Ebd., 45f. 151 Ebd., 46. 152 Vgl. hierzu H. Herter, Effeminatus, 1959. 153 In ähnlich böswillig-ironischer Manier schlug Bücher seinem Kontrahenten Zierold vor, dass dessen Ehefrau gemeinsam mit J. E. Petersen bei Beginn des tausendjährigen Reiches »bey der grossen Halle Salomonis, welche von den Juden zu Jerusalem wieder/ auffgebauet« stehen sollte, um »mit einen Pfennig=Brette . . . für die arme Teuffel eine Collecte einzusammlen/ damit sie etliche Ewigkeiten eher aus der Hölle erlöset würden«, Nöthiger Vorbericht, 1705, 38. Bei diesen bissigen Bemerkungen werden Ideen und Formulierungen der beiden Petersen persifliert, die auch bei der späteren Kontroverse mit H. Horche eine Rolle spielten; vgl. hierzu einen Brief von J. E. Petersen an Horche, abgedruckt bei R. Albrecht, Pietistische Schriftstellerin, 2004, Brief. Nr. 11.
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Johann Friedrich Mayer, der zunächst als Pastor von St. Jacobi in Hamburg, dann als Theologieprofessor von Greifswald aus in Schwedischen Diensten die Pietisten mit einer Fülle von Veröffentlichungen bekämpfte,154 verfolgte die Strategie, innerhalb der bunt gefächerten pietistischen Bewegung keinerlei Differenzierungen gelten zu lassen. Die extremsten Erscheinungen, die ganz am Rande mit der kirchlichen Reformbewegung verbunden waren oder nur zeitgleich auftraten, rückte er in seinem Kurtzen Bericht neben die Person Speners in das Zentrum seiner polemischen Abhandlung.155 Unter den männlichen Gewährsleuten war es vor allem Johann Konrad Dippel (1673–1734),156 dessen radikale kirchenkritische Äußerungen er für den gesamten Pietismus veranschlagte.157 Die auffallend häufige Erwähnung von Frauennamen entspringt dem Versuch, die durch Eklats bekannt gewordenen Frauen als typisch für die neue Frömmigkeitsbewegung hinzustellen. Die mit öffentlichen Skandalen assoziierten Namen von Frauen dienen Mayer dazu, den Pietismus insgesamt als verdächtige Bewegung hinzustellen, die bekämpft werden musste.158 In dem Kurtzen Bericht wird J. E. Petersen neben Juliana Rosamunde von Asseburg, Anna Maria Jahn, Anna Sidonia von Calenberg und Eva von Buttlar genannt.159 Zwar lässt Mayer durchaus erkennen, dass J. E. Petersen wegen 154 J. Geffcken, Winckler, 1861, 145, nannte die Zahl von 378 Schriften Mayers, vermutete jedoch, dass es noch mehr seien. Zu seinem Lebenslauf s. ebd., 416–426. 155 Zwar wurde dieser Text 1706 anonym publiziert, es war jedoch zweifelsfrei als Werk Mayers zu identifizieren. 156 Vgl. J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 718–755; Religions-Streitigkeiten 5.1, 1736, 282–284; W. Bender, Dippel, 1882; durch den Kontakt zu G. Arnold wandte sich Dippel dem Pietismus zu. Nach einem unsteten Leben mit zeitweiliger Inhaftierung ließ er sich als Einsiedler in der Nähe von Berleburg nieder. Seine Streitschriften veröffentlichte er z. T. unter dem Pseudonym Christianus Democritus, s. Unschuldige Nachrichten 1706, 714–720; 1729, 143–150. In Berleburg wurde sein Gesamtwerk 1747 postum in drei Bänden herausgegeben, s. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 323. Die Studie von S. Goldschmidt, Dippel, 2001, verfolgt Theologie und Biographie bis ins Jahr 1700. 157 J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 15, 20, 40; daneben kommen auch Spener, Arnold, Thomasius, Schade, Stryk und J. W. Petersen vor, ebd., 21f, 35, 41; als »die Evangelischen treuen Lehrer« gelten ihm Carpzov, Pfeiffer, Fecht, Ittig, Schelwig, Löscher, Neumann, Bücher, Edzardi und er selber, ebd.,12. 158 Diese im Dienst der antipietistischen Polemik stehende Behandlung von Frauen bedeutete jedoch nicht, dass Mayer insgesamt eine frauenfeindliche Position einnahm. Ähnlich wie Feustking unterschied er zwischen den Angehörigen des weiblichen Geschlechts, die in seinen Augen zu achten waren, und denen, die nur Verachtung verdienten, weil sie sich selber außerhalb der ihrem Geschlecht gesetzten Grenzen ansiedelten. So schrieb Mayer eine der ersten Monographien über Katharina von Bora, in der er biographisches Material zusammenstellte und den von Katholiken vorgebrachten Verunglimpfungen entgegentrat: Dissertatio de Catharina Lutheri conjuge, 1710. 159 J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 23, 26–28, 31, 42; bei den letzten drei der Genannten handelt es sich um Frauen, die sich in den Augen der meisten Zeitgenossen diskreditiert hatten. A. M. Jahn war durch ihr ekstatisches Auftreten in Halberstadt bekannt geworden, s. hierzu U.
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ihrer Schriften eine gewisse Bedeutung innerhalb des Pietismus gewann; seine Auswahl der erwähnten Personen jedoch lässt sie als anrüchige Vertreterin derer erscheinen, die nach der Definition des Autors als »Schwärmer . . . unter dem Schein der Gottseeligkeit die reine wahre Lutherische Religion verfolgen«.160 Das anonyme antipietistische Pamphlet Idea Pietismi bringt gedanklich nichts Neues, sondern trägt noch einmal die bereits seit Jahrzehnten geäußerten Einwände gegen den Pietismus, geordnet unter systematischen Gesichtspunkten, vor. J. W. Petersen kommt des Öfteren im Verlauf der Ausführungen vor, die dem polemischen Duktus entsprechend formuliert sind.161 Auf J. E. Petersen wird Bezug genommen bei der Frage nach der Erlösungsmöglichkeit des Teufels. Hierbei wird nicht nur ihre Position zurückgewiesen, sondern gleichzeitig ihr Geschlecht thematisiert und attackiert. »Das/ was die Petersin im Evangelio (Das ewig bey Ihr heist/) recht Weibisch proponiret/ Das findestu hauptgelehrt bei unsrem Fechtio«.162 Diese Art der Diffamierung bedient sich indirekter, aber genügend deutlicher Herabsetzungsstrategien durch die Gegenüberstellung der nur durch ihre Geschlechtszugehörigkeit charakterisierten Autorin auf der einen Seite und des als gelehrt hingestellten lutherischen Theologen Johann Fecht (1636–1716)163 auf der anderen Seite. Mit sprachlichen Feinheiten wird der Gegensatz unterstrichen, indem für die Frau das negativ besetzte Epitheton »weibisch« verwendet wird, die Gelehrtheit des Mannes jedoch positiv hervorgekehrt wird: »hauptgelehrt«.
Witt, Bekehrung, 1996, 24–64. A. S. von Calenberg und E. von Buttlar gehörten zu der Gruppe, die als »Buttlarsche Rotte« in die Kirchengeschichte einging, s. W. Temme, Leiblichkeit, 1998; ders., Buttlar, 1998, sowie die kritische Sichtung dieser Rezeption bei B. Hoffmann, Radikalpietismus, 1996, 136–162. Wegen des auffallenden sexuellen Verhaltens wurden die Mitglieder dieser Gruppierung 1705/06 gefangen genommen und verurteilt. E. von Buttlar hatte weitgehend die Strukturen und Ideen gestaltet, die Elemente der asketisch-erotischen Traditionen wie der Sophia-Mystik in körperliche Rituale umformten, ebd., 22–24, 53f, 106–135. A. S. von Calenberg stand mit ihren vier Schwestern radikal-pietistischen Strömungen nahe und traf im Jahr 1700 in Allendorf an der Werra auf die Gruppe um E. von Buttlar, ebd., 29–31. Gemeinsam mit ihrer Schwester Charlotte gehörte sie bis zum Prozess zu den Mitgliedern, 40f, 54, 110f, 118, 126. Eine weitere Schwester, Clara, heirate 1712 Hector de Marsay, 129–134. Zu den Schwestern, deren Namensform auch als Callenberg begegnet, s. auch W. Temme, Leiblichkeit, 1998, 140–155; 223–224. Zur Abgrenzung J. W. Petersens gegen die Gruppe um E. von Buttlar s. ebd., 140f. Zu von Buttlar s. auch K.-E. Schultze, Buttlar, 1970, 977. 160 J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 5. Gegen dieses Pamphlet wandte sich J. W. Petersen mit seinem Buch Die gantze Oeconomie, 1707, in dem er insbesondere gegen die Verknüpfung E. von Buttlars mit dem Pietismus protestierte, 8–10. 161 Idea Pietismi, 1714, 6, 10, 26, 42, 50, 59, 67, 87. 162 Ebd., 46. 163 AGL 2, 1750, 539–541. Als lutherischer Theologie-Professor in Rostock wandte sich Fecht literarisch gegen den Pietismus. Auf ihn bezieht sich in sehr positiver Weise auch J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, An den Leser, )()(3r; er bezeichnet ihn hier als hoch erfahren.
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Im Jahr 1734 greift noch einmal ein anonymer polemischer Traktat die Verführungstheorie auf, und zwar hier in Bezug auf J. E. Petersen und Spener. Der gesamte Text versucht, den Pietismus vom Labadismus abzuleiten und Parallelen aufzuweisen.164 Während Labadie vorgeworfen wird, er habe Frauen verführt, heißt es über Spener: von ihm »kan man sagen, dass ihn im Gegentheil ein Weiblein gefangen geführet, und zu den Haus=Versammlungen verleitet habe. Das war die Merlauinn, welche nachgehends Petersen geheyrathet«.165 In diesem relativ kurzen Druckwerk erscheint J. E. Petersen als einzige namentlich genannte Frau, der eine aktive Rolle bei der Verbreitung des als schädlich eingestuften Pietismus zugeschrieben wird.166 Nicht alle Vertreter der lutherischen Orthodoxie begegneten J. E. Petersen in der gleichen Art wie Feustking, Schelwig oder Bücher.167 Kennzeichnend für die im Folgenden vorzustellenden Theologen ist, dass sie diese Schriftstellerin als Vertreterin bestimmter kritikwürdiger pietistischer Positionen wahrnahmen. Ihre Publikationen wurden für so bedeutend erachtet, dass sie einer sorgfältigen Inblicknahme und Widerlegung wert waren. Bei aller Kritik enthielten sich insbesondere Valentin Ernst Löscher und Johann Georg Walch (1693–1775) der persönlichen Diffamierung. Das Thema der Geschlechtszugehörigkeit wurde nicht eigens aufgegriffen, sondern die theologischen Positionen standen im Vordergrund der Beurteilung. Obwohl Valentin Ernst Löscher und seine Mitarbeiter bzw. Nachfolger die Unschuldigen Nachrichten in einer pietismuskritischen Linie redigierten,168 verzichteten sie weitgehend auf persönliche Herabsetzungen der rezensierten Autoren und Autorinnen. Diese Tendenz gilt auch für die Behandlung J. E. Petersens. Die Rezensenten analysierten ihre Publikationen mit der gebotenen Sorgfalt und wiesen J. E. Petersen in der Regel Irrlehren nach, um diese dann scharf zu verurteilen. Die Polemik richtete sich gegen die von ihr vertretenen theologischen Auffassungen, jedoch nicht insgesamt gegen ihre Person. Diese 164 So lautet auch der Titel: Labadismus, 1734. 165 Ebd., 13. Auf Feustkings Gynaeceum wird hingewiesen, jedoch nicht im Hinblick auf J. E. Petersen, 16. 166 Der Umfang beträgt 38 Druckseiten; J. E. Petersen wird an einer weiteren Stelle als fanatisch bezeichnet, ebd., 33. 167 In einem Brief an F. Breckling vom März 1707 nennt B. Köpke als heftigste Gegner des Pietismus: Mayer, Neumann, Schelwig, Bücher, Eilmar und Feustking, s. T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 170f. Wenn diese sich in ihrer Polemik u. a. gegen J. E. Petersen wandten, dann wird dadurch unterstrichen, welches Gewicht diese Theologen ihr im Gefüge der Bekämpfung des Pietismus beimaßen. 168 Zur Würdigung Löschers s. M. Greschat, Tradition, 1971; H. Weigelt, Löscher, 1991; J. Baur, Löscher, 2000; K. Petzoldt, Sieger, 2001. Das als Unschuldige Nachrichten begonnene Publikationsorgan wechselte im Laufe seines Erscheinens den Titel, und auch bei der Herausgeberschaft gab es Veränderungen, s. K. Petzoldt, Sieger, 2001, 35, Anm. 16, 127; M. Greschat, Tradition, 1971, 180–189; M. Gierl, Pietismus, 1997, 400–413.
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Zeitschrift war dabei auch durchaus in der Lage, aus ihrer Sicht positive Entwicklungen der Autorin als solche zu kennzeichnen und mit Anerkennung zu versehen. Keiner anderen Frau wurde in diesem Periodikum so viel Aufmerksamkeit zuteil, denn immerhin reagierten die Rezensionen in einem Zeitraum von 1701 bis 1730 auf sechs ihrer Schriften.169 Wenn jedoch der bei Löscher in seinem Werk Vollständiger Timotheus Verinus begegnenden Sprachregelung eine Bedeutung beizumessen ist, dann signalisiert diese, dass J. E. Petersen als »Ehegattin« J. W. Petersens zunehmend ihren Platz als eigenständige Schriftstellerin einbüßte zugunsten der Rezeption ihres theologisch zwar abgelehnten, aber nicht wegen seines Geschlechtes kritisierten Mannes.170 Bei Johann Georg Walch, der die Lehrstreitigkeiten der lutherischen Kirche von ihrem Beginn im 16. bis zum frühen 18. Jh. dokumentierte, lässt sich ein ähnlicher Sachverhalt beobachten wie in den Unschuldigen Nachrichten. Trotz seiner Beurteilung des Pietismus als einer Abweichung von der Lehre der lutherischen Kirche machte sich Walch um eine differenzierte und unpolemische Darstellung verdient. J. E. Petersen ist die einzige Frau, die als Urheberin von Auseinandersetzungen über die dogmatischen Grundlagen der reformatorischen Kirche berücksichtigt wird und deren Positionen somit zur Darstellung gelangen.171 Ähnlich wie Walch die Schriften männlicher Pietisten vorstellt, um sie dann theologisch zu beurteilen, geht er mit den Werken J. E. Petersens um. Im Vergleich zu der Reaktion auf J. W. Petersens Schriften und Positionen ist im Vorgehen Walchs kein gravierender Unterschied festzustellen.172 Abschließend kann resümiert werden, dass J. E. Petersen zu ihren Lebzeiten als pietistische Schriftstellerin zur Kenntnis genommen wurde. Ihre Beurteilung 169 Unschuldige Nachrichten 1703, 500–504; 1706, 500–504; 1707, 841–844; 1718, 123–125, 670–672, 678, 913–916. Außer J. E. Petersens Werken wurden die Veröffentlichungen Jane Leades in mehreren Besprechungen registriert, ebd., 1705, 29–35, 596–600, 663–668, 815f; 1706, 34. Andere Autorinnen wie Jeanne-Marie Guyon, ebd., 1706, 286–293, Anna Katharina Scharschmied, 1705, 749–753, oder Anna Elisabeth von Schleebusch, ebd., 1704, 305f; 1705, 438–440, tauchen meist nur einmal auf. Weitere Rezensionen zu anonym publizierten Schriften von Frauen: 1703, 92f; 1704, 601–607. 170 V. E. Löscher, Vollständiger Timotheus Verinus 2, 1726, 207, 757. J. W. Petersen kommt in diesem zweibändigen Werk nur noch gelegentlich vor, J. E. Petersen dagegen nur selten: 1, 1726, 435f, 441, 445f, 543, 785, 833; 2, 1726, 200f, 204, 210, 217, 235, 245, 273, 757. Bei Löschers Einteilung der Pietisten in drei Klassen begegnet J. E. Petersen nicht, J. W. Petersen hingegen erscheint mit Arnold, Dippel, Rosenbach, Reitz, Horche u. a. in der Klasse der »Hyper-Pietisten«, die von den milder beurteilten Spener-Anhängern und den »Crypto-Pietisten« unterschieden werden, 2, 1726, 72f. Zu diesem Werk s. H.-M. Rotermund, Orthodoxie, 1959. 171 J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 763f. Auffallend ist insgesamt, dass Walch erst bei der Beschreibung des Pietismus Frauen in seine Darstellung einbezieht; bei diesen handelt es sich um die Teilnehmerinnen pietistischer Konventikel und um prophetisch auftretende Frauen wie Anna Maria Jahn und R. J. von Asseburg, ebd., 719. 172 Ebd., 1, 1733, 637–664.
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richtete sich nach der theologischen Ausrichtung der Rezensenten. Sowohl aus dem ablehnenden Urteil der Gegner des Pietismus als auch aus der Zustimmung der dieser Bewegung freundlich gesonnenen Zeitgenossen kann entnommen werden, dass sie als die bedeutendste Autorin des Pietismus galt. LegitimationsstrategientheologischerSchriftstellerinnen
3. Legitimationsstrategien theologischer Schriftstellerinnen Frauen, die in der Frühen Neuzeit Texte über theologische Themen verfassten und publizierten, befanden sich in einer konfliktreichen Situation. Die in sich selbst widersprüchliche biblische und kirchliche Tradition hatte hauptsächlich die schweigende Unterordnung der Frauen unter die männliche Vorherrschaft gefördert, daneben jedoch die Erinnerung an einzelne heilige und starke Frauen wach gehalten,173 die keineswegs geschwiegen, sondern durchaus öffentlich geredet, gepredigt und gelehrt hatten. Auch wenn 1Kor 14,34f und 1Tim 2,12 das christliche Frauenbild bestimmten, so gehörten doch auch Gal 3,28 und Joel 3,1f zu den als göttlich inspiriert anerkannten Texten der Heiligen Schrift. Trotz Lehr- und Schreibverbot und ungeachtet nur geringer Bildungsmöglichkeiten hatten immer vereinzelte Frauen ihre Werke publiziert und damit neben Kritik auch Anerkennung gefunden.174 Durch die Praxis der pietistischen Bewegung, in der sich neben neuen Frömmigkeitsformen auch andere Verhaltensweisen der Geschlechter zueinander abzeichneten, wurden scheinbar feststehende theologische Interpretationsmuster in Frage gestellt.175 Frauen und Männer trafen sich außerhalb des familiären Bezugssystems und außerhalb der sonn- und werktäglichen Gottesdienste in einem Rahmen, der einen nicht geklärten Status zwischen öffentlicher Veranstaltung und privater Freundeskommunikation hatte.176 Teil173 Zur Alten Kirche s. A. Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 1992; E. M. Synek, Heilige Frauen, 1994; zur Frühen Neuzeit s. M. L. King, Frauen in der Renaissance, 1993. B. Acklin Zimmermann, die dominikanische Nonnenviten des 14. Jh. auf ihre theologischen Implikationen hin untersuchte, plädiert für eine kritische Infragestellung des einseitig an der Schultheologie ausgerichteten Theologiebegriffs. Sie formuliert als Ergebnis ihrer Analysen, dass diese mittelalterlichen Frauen, obwohl sie offiziell von der Theologie ausgeschlossen waren, zumindest »indirekt in den theologischen Diskurs eingegriffen haben«, Denken, 1993, 168. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass theologische Arbeiten von Frauen eventuell verloren gegangen sind. 174 Zur Alten Kirche und zum Mittelalter vgl. P. Wilson-Kastner, Lost Tradition, 1981; E. Gössmann, History, 1993. 175 Diese Argumente werden auch benutzt im Berliner Beichtstuhlstreit 1697/98, s. R. Murakami-Mori, Berliner Beichtstuhlstreit, 1991, 76f. 176 Bei der Gerichtsverhandlung, die auf die Leipziger pietistischen Unruhen des Jahres 1691 folgte, wurde u. a. der Vorwurf erhoben, dass die angeklagten Studenten ihre neuartigen Bibelgespräche nicht auf den Kreis der Akademiker beschränkt, sondern neben Kaufleuten und Handwerkern auch Frauen zu ihren Treffen eingeladen hätten. A. H. Francke, Abgenöthigte Fürstellung, 1691, 122, der als Anstifter verdächtigt wurde, verwahrte sich gegen diese Vorwürfe und
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weise redeten die aus unterschiedlichen Schichten stammenden Mitglieder177 dieser Gruppen sich gegenseitig als »Bruder« und »Schwester« an.178 In einigen dieser pietistischen Treffpunkte übernahmen auch Frauen eine aktive Rolle, indem sie sich am Gespräch beteiligten oder sogar für dessen Zustandekommen sorgten. In verstärktem Maß veröffentlichten Frauen Texte, in denen sie sowohl ihre persönlichen Erfahrungen als auch theologische Themen reflektierten. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der pietistischen Bewegung konzentrierte sich die durch die neue Rolle insbesondere der Frauen ausgelöste Diskussion vor allem auf zwei Schwerpunkte: Zum einen ging es um die Frage, wie die neutestamentlichen Lehrverbote mit pietistischen Verhaltensweisen zu vereinbaren seien. Zum anderen bildete das Verständnis des allgemeinen Priestertums, das Spener in den Pia Desideria zu den nötigen Mitteln der Kirchenreform gezählt hatte, den zweiten Fokus, um den die Kontroversen kreisten. Diese beiden Themenfelder gilt es zunächst in charakteristischen Stellungnahmen auszuleuchten, um dann den Blick auf ausgewählte Autorinnen zu richten. Denn erst vor dem Hintergrund dieser theologischen Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit wird verständlich, warum Schriftstellerinnen, zumal wenn sie das Gebiet der Theologie berührten, gezwungen waren, ihr literarisches Schaffen eigens zu begründen.179 wies sie als unrichtig zurück. Auch J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 265, hob auf den ungeklärten Status und die Teilnahme beider Geschlechter bei den pietistischen Konventikeln ab. 177 M. Schmidt beobachtet anhand der Eintragungen in das Stammbuch eines pietistischen Studenten das Zurücktreten der Standesunterschiede zwischen Adel, Bürgertum und Handwerkern, Stammbuch, 1975, 66. P. Zimmerling zeichnet die Relativierung der Standesschranken für Herrnhut nach, Gott in Gemeinschaft, 1991, 228–235. 178 G. Arnold sah in dieser gegenseitigen Benennung eine Wiederaufnahme der Praxis des frühen Christentums und empfahl diese in einer umfangreichen Schrift von 600 Seiten: Fratrum sororumque Appellatio, 1696, s. hierzu G. Dünnhaupt, Personalbibliographien, 1990, 320f. Zur Bruder- und Schwester-Anrede bei A. M. von Wurm und A. H. Francke s. G. Kramer, Francke 1, 1880, 132f; vgl. auch ders., Neue Beiträge, 1875, 10. P. J. Spener, Geistliches Priesterthum, 1677, 62, spricht von »mit=bruder« und »mit=schwester«. August Pfeiffer, Acht Catechismus=Predigten, 1693, Vorrede a4r, äußerte sich kritisch über dieses pietistische Verhalten: »Sich untereinander allein tituliren sie Bruder und Schwester/ gleich als ob andere Christen=Menschen nur Fündlinge oder Außwürfflinge wären. Sie absentiren sich auch würklich von der öffentlichen Versamlung anderer Christen . . . und also leben diese Sonderlinge in steter Verachtung ihres Nechsten.« Das von dem Hallender Geistlichen Albrecht Christian Roth (1651–1701) geschriebene jedoch anonym veröffentlichte Pamphlet Imago Pietismi, 1691, machte dem Pietismus zum Vorwurf, dass die Geschlechter bei den Konventikeln aufeinander träfen, dass sie sich gegenseitig als Bruder und Schwester ansprächen und dass den Frauen erlaubt werde, bei diesen Versammlungen »sermones« zu halten, Theses 6, unpag. Zur Bedeutung der Bezeichnung der Christen untereinander als Brüder und Schwestern in den frühchristlichen Gemeinden s. E. Dassmann, Kirche, 1994, 20f. 179 Schriftstellerinnen wie Anna Elisabeth von Schleebusch, die eine orthodox-lutherische Position vertrat und weder die Kirche noch ihre Rolle als Frau problematisierte, waren nicht genötigt, nach Legitimierungen zu suchen. Obwohl Schleebusch eine ganze Anzahl von Büchern
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Jede der im Zusammenhang dieses Problemhorizontes untersuchten Frauen scheint sich völlig neu der Frage gestellt zu haben, wie sie ihr Schreiben legitimieren könne.180 Obwohl mittlerweile, vor allem durch die interdisziplinäre Frauenforschung, viele Schriftstellerinnen wieder entdeckt wurden181 und nicht mehr nur wenige einsame Namen aus jeder Epoche hervorragen, ergibt sich der Eindruck, dass sich bei schreibenden Frauen kein Bewusstsein eines Traditionsstranges herausbildete. Auch wenn einige der im Folgenden aufgeführten Autorinnen nachweislich voneinander wussten, so spielte das für ihre Legitimierung als Schriftstellerin offenbar keine Rolle. Jede Frau sah sich als Einzelne der kirchlichen Überlieferung gegenübergestellt, die dem weiblichen Geschlecht insgesamt das öffentliche Lehren und Schreiben untersagte. An den Anfang dieser Ausführungen soll eine autobiographische Reminiszenz J. W. Petersens gesetzt werden, die in aller Deutlichkeit die den Geschlechterdiskurs um die Wende vom 17. zum 18. Jh. bestimmenden Faktoren beleuchtet. Diese Passage lässt sich wie eine kurz gefasste Erklärung der verschiedenen Gründe lesen, die dazu beitrugen, dass schreibende Frauen gezwungen waren, ihr Tun vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Von ihrem Gut in Niederndodeleben aus nahmen J. E. und J. W. Petersen in Wolmirstedt an einer Taufe teil.182 In der etwa 15 km entfernt gelegenen kleinen Stadt gab es ein Residenzschloss der Magdeburger Erzbischöfe, das
veröffentlichte, sah sie sich ausschließlich als Hörende und Lernende; den Männern schrieb sie die Aufgabe zu, zu predigen und zu lehren, Geistliche Andachten, 1703, 398, 400f. In ihrem Biblischen Extract, 1703, der auf mehr als 1000 Druckseiten Bibeltexte darbietet bzw. in Zusammenfassungen wiedergibt, betonte sie, dass sie von sich aus nichts »hinzu gethan/ massen ich mich hierzu gantz untüchtig erkenne«, Vorrede )(4r. Die von ihr eingefügten Ergänzungen zum biblischen Text bestehen nur aus Auszügen aus Luthers Auslegungen. Die Unschuldigen Nachrichten 1704, 305, rezensierten dieses Buch sehr freundlich und hoben dabei hervor, dass sie »sich in der Gemeinde GOttes nicht zur Lehrerin auffzuwerfen« unternommen habe. 180 Dies gilt auch für die Barocklyrikerin C. R. von Greiffenberg, die in ihrem Erstlingswerk diesen Konflikt ansprach, wenn sie schrieb: »Jungfrauen sollen schweigen/ ihr Tugend durch die Röht/ nicht mit der Rede/ zeigen/ die unserm Stand nicht ziemt/ zumal offentlich«, SiegesSeule, 1675, 3. Obwohl sie die Schwierigkeiten deutlich sah, fühlte sie sich zum Schreiben getrieben, ebd., 240f. J. W. Petersen, Jesus Christus, 1721, 86, 96, fand lobende Worte vor allem für ihre Betrachtungen zum Neuen Testament. Ob J. E. Petersen Werke von Greiffenbergs kannte, lässt sich nicht nachweisen, zumindest wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit von ihrer Existenz gewusst haben. 181 Vgl. G. Brinker-Gabler, Deutsche Literatur von Frauen 1–2, 1988. 182 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 241: er war als Pate für ein Kind des Amtmannes Schröter geladen worden. In seinem Traktat Kurtze Abfertigung, o. J., 12, spricht J. W. Petersen von dem Ober-Amtmann Schröder. Das Taufregister von St. Katharinen in Wolmirstedt enthält für den 23.7.1694 folgenden Eintrag: »hat der Churf. Brandenbg. Ambtmann, tit. Herr Christoph Schröter, ein Söhnlein, Wilhelm Ulrich, täuffen laßen«, 1694, 30, Nr. 19. Als Taufzeugen werden neben J. W. Petersen genannt: der Arzt A. U. Stockhausen aus Magdeburg sowie der Bürgermeister J. Lehman.
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nach der Übergabe an Brandenburg Sitz einer Amtsverwaltung geworden war.183 Die Schlosskapelle wurde seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr kirchlich genutzt, alle Gottesdienste fanden in der Stadtkirche St. Katharinen statt, die seit dem 13. Jh. gleichzeitig dem zisterziensischen Nonnenkloster und der Stadtpfarrei als Kirche diente. Erst Friedrich Wilhelm I. ließ das Kloster in ein adliges Damenstift umwandeln.184 Nach der Taufe, an der das Ehepaar Petersen teilnahm, ergab sich ein Gespräch zwischen dem Ortsgeistlichen185 und J. E. Petersen, das u. a. den Chiliasmus zum Inhalt hatte. J. W. Petersen beschreibt die Reaktionen des Pastors: Diesen verdross an seiner Gesprächspartnerin, »daß er nichts an ihr haben könte, die ihn mannigmahl so fassete, daß er kein Wort fand, und deswegen böse ward und sagte, er wolte von einer Frauen nichts lernen.«186 Unabhängig davon, ob sich diese Begegnung in der von J. W. Petersen wiedergegebenen Weise abgespielt hat, so lassen sich die drei beteiligten Personen doch als Vertreter unterschiedlicher Interessen betrachten. Der Wolmirstedter Geistliche, der eventuell nur über eine minimale theologische Ausbildung verfügte, da er lediglich die Pfarrstelle einer Kleinstadt innehatte, vertrat die theologisch und gesellschaftlich akzeptierte Position, die sich auf biblische Normen wie 1Kor 14,34f und 1Tim 2,12 berufen konnte. Danach waren Frauen nicht befugt zu lehren. Mit J. E. Petersen stand ihm eine Frau gegenüber, die sich außergewöhnliche theologische Kenntnisse angeeignet hatte; weder in Niederndodeleben noch in Wolmirstedt waren Frauen dieses Typs verbreitet.187 Ihr Wissen gab sie bei Gelegenheit eines sich an 183 Vgl. hierzu E. Jahn/O. Zeitke, Wolmirstedt, 1993, 6–8; B. Schwinekoeper, Handbuch, 1987, 515f. 184 Vgl. E. Jahn/O. Zeitke, Wolmirstedt, 1993, 107–111. 185 Von 1674 an bis zu seinem Tod im Jahr 1712 war Magister Adolf Siegfried Merck erster Pfarrer in Wolmirstedt. Mit großer Wahrscheinlichkeit war er der Gesprächspartner des Ehepaares Petersen. Von 1708 an wurde ihm wegen seines Alters ein Adjunkt zugeordnet. Die zweite Pfarrstelle in Wolmirstedt verwaltete von 1696–1702 Johann Christoph Meurer, der anschließend Generalsuperintendent in Stendal wurde. Diese Auskünfte erteilte freundlicherweise die Superintendentur in Wolmirstedt am 1.7.1999. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 241, gibt über die Person des Geistlichen lediglich an, dass er bereits alt war. Im Jahr 1711 war Jacob Baumgarten als Prediger in Wolmirstedt, ein mit Halle in Verbindung stehender Geistlicher, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen IV, 1716, 230. 186 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 241. Für ihn bildete diese Begegnung den Auftakt zu einer Auseinandersetzung mit dem Pastor Niederndodelebens, B. Blümler. Das Wort »Priester«, das J. W. Petersen hier für den evangelischen Pastor benutzt, 240–243, 250, 268, weist auf die ungeklärte Amtsterminologie hin, die anscheinend ohne jede Schwierigkeit an vorreformatorische Begrifflichkeit anknüpfen konnte. 187 In seiner Replik gegenüber B. Blümler argumentiert J. W. Petersen, dass als einzige Frauen, die mit seiner Ehefrau vergleichbar seien, die Küsterin und die Ehefrau Blümlers in Frage kämen. Beide hätten jedoch keine Bücher geschrieben. Aus dieser Darstellung lässt sich schließen, dass diese drei Frauen diejenigen des Dorfes Niederndodeleben waren, die überhaupt lesen und schreiben konnten, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 242.
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den Gottesdienst anschließenden Gesprächs weiter. Dieser Diskurs fand in einem halböffentlichen Rahmen statt, entweder noch in der Kirche oder bei der anschließenden Feier. Der Beobachter dieses Disputes, J. W. Petersen, gehörte zu den mit der pietistischen Bewegung aufkommenden männlichen Vertretern, die schreibende und lehrende Frauen in jeder Weise unterstützen. In dieser Dreierkonstellation befand sich der Wolmirstedter Pastor in der Defensive, da beide Petersen praktisch und theoretisch für das Recht der Frauen auf theologische Meinungsäußerungen eintraten. Im Blick auf die lutherische Theologie ihrer Zeit jedoch vertraten J. E. und J. W. Petersen eine nicht konsensfähige Minderheitenposition.
3.1 Neutestamentliche Lehrverbote Obwohl in unterschiedlichen Kontexten entstanden, hatten 1Kor 14,34f_188 und 1Tim 2,12189 eine gemeinsame folgenschwere Wirkungsgeschichte.190 In der Reformationszeit, in der Lehre und Leben auf vielen Ebenen grundsätzliche Veränderungen erfuhren, stellte sich auch die Frage, welche Konsequenzen dieser Umbruch für Frauen haben würde. Trotz der völligen Neuordnung des priesterlichen Amtes hielt Luther an einer weiteren Geltung von 1Kor 14,34f fest. Mit dem paulinischen Lehrverbot begründete er, dass Frauen nicht befugt seien zu predigen oder die Sakramente zu reichen.191 Diejenigen biblischen Texte, die weissagende und lehrende Frauen bezeugen, entkräftet Luther mit dem Verweis auf das reformatorische Predigtamt.192 Er ging davon aus, dass sowohl die Zukunftsvision Joels als auch die Mitteilung über die vier prophetischen Töchter des Philippus in Cäsarea kein Amt zur Verkündigung des Evangeliums begründen könnten. Die von ihm den Frauen zugestandenen Tätigkeiten haben ihren Platz »da heimen«, hier dürfen Frauen sogar die 188 Vgl. M. Küchler, Schweigen, 1986, 54–63; G. Dautzenberg, Stellung der Frau, 1983. 189 Vgl. M. Küchler, Schweigen, 1986, 9–53; U. Wagener, Ordnung, 1994. 190 Bereits in altkirchlicher Zeit wurden diese Anordnungen auch als Verbot des Bücherschreibens für Frauen interpretiert, s. R. Albrecht, Makrina, 1986, 221–238; R. Nürnberg, Lehrverbot, 1988. Allerdings müssen die literarisch statuierten Lehrverbote mit der faktischen Lehrtätigkeit von Frauen kontrastiert werden, s. U. E. Eisen, Amtsträgerinnen, 1996, 87–111. Der katholischen Mystikerin Teresa von Avila (1515–1582) wurde vorgehalten, dass sie als Lehrerin auftrete und damit gegen diese Vorschriften des Paulus verstoße, M. Delgrado, Mystik, 2000, 66. 191 M. Luther, WA 50, 633. 192 M. Luther, Winkelprediger, 1532, WA 30.3, 524: »Aber im Newen testament ordent der Heilige geist durch Sanct Paulus, das die weiber sollen schweigen jnn der Kirchen odder Gemeine und spricht, Es sey des HERRN gebot, Und er doch wol wuste, das Joel zuvor verkündigt hatte, Gott wolt seinen Geist auch auff seine Megde ausgiessen . . . Aber jnn der Gemeine odder Kirchen, da das predigtampt ist, sollen sie schweigen und nicht predigen, Sonst mügen sie wol mit beten, singen, loben und Amen sprechen und da heimen lesen und sich untereinander leren, vermanen, trösten, auch die schriefft auslegen, das beste sie jmer können«.
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Schrift auslegen.193 In der reformatorischen Öffentlichkeit wird ihnen dies mit neutestamentlicher Begründung untersagt. 1539, in seiner Schrift Von den Konziliis, bekräftigt der Reformator, dass nur »tüchtige mans Personen« zur Ausübung des geistlichen Amtes geeignet seien.194 Gleichzeitig wird dieser Ausschluss der Frauen mit der von Gott gewollten Ordnung begründet.195 Im wichtigsten Text zur Neuordnung der aus der Reformation hervorgegangenen Kirche, der Confessio Augustana, spielt die Frage weiblicher Lehre oder Predigt keine Rolle. Die alte patriarchalische Kirchenstruktur blieb vielmehr erhalten196 und wurde von den folgenden Theologengenerationen in ungewandelter Schärfe eingefordert.197 Erst im Zusammenhang mit dem Pietismus wurden vor allem zwei Problemkomplexe virulent: zum einen musste geklärt werden, welche Auswirkungen die Teilnahme von Frauen an den collegia pietatis nach sich zog. Konnten Frauen in den pietistischen Versammlungen das Wort ergreifen, ohne gegen die paulinischen Weisungen zu verstoßen? Handelte es sich dabei um öffentliche oder private Zusammenkünfte? Einer der häufigsten Einwände gegen die Neuerungen des Pietismus bezog sein Argumentationsmaterial aus der weiblichen Beteiligung an dieser Form pietistischer Gesellung. So monierte z. B. Georg Christian Eilmar (1665–1715),198 dass J. E. Petersen in den pietis193 Ebd., 524. Als weitere Ausnahme bzw. Notsituation beschrieb Luther die Lage der Nonnenklöster, hier dürften Frauen auch predigen, WA 12, 309. 194 M. Luther, Von den Konziliis, 1539, WA 50, 633; den geeigneten Männern stellt der Reformator »Weiber, Kinder und untüchtige Leute« gegenüber. 195 »Denn solch unterscheid auch die natur und Gottes Creatur gibt, das weiber (viel weniger Kinder oder Narren) kein Regiment haben können, noch sollen, wie die erfarung gibt und Mose Gen. 3. spricht: ›du solt dem Man unterthan sein‹, das Evangelion aber solch natürlich recht nicht auffhebt, sondern bestetigt als Gottes ordnung und geschepffe«, ebd., 633. 196 Auf die Reformation gehe ich nur sehr kurz ein, weil von C. Globig, Frauenordination, 1994, eine sehr gute Studie vorliegt, die Luthers Sicht der Rolle der Frauen im Blick auf die Teilnahme am verantwortlichen Handeln sorgfältig darstellt. 197 Der Elsässer Pfarrer Isaak Faust berührte in einer Predigt, die er gegen Ende des 17. Jh. am Sonntag Exaudi, eine Woche vor Pfingsten hielt, u. a. 1Kor 14,34: »Sihe/ der Apostel meinet ein solches Reden/ so denen Weibern nicht zugelassen ist. Sie sollen Reden im Betten/ Reden im Dancksagen/ reden auch im Mitsingen/ reden im ihrem Hauß/ das Gesinde mit Reden wohl anführen/ die Kinder mit Reden wohl anführen. Aber diß offentliche Reden in der Gemeine GOttes/ als ein Lehrer oder Prediger/ als ein Diener Christi/ oder Haußhalter über GOttes Geheimnuß/ das ist ihnen nicht zugelassen/ solches Reden hat der Apostel dem weiblichen Geschlecht miteinander abgesprochen«, Eine Predigt, 1698, 18f. Der in Frankfurt a. d. Oder als Prediger tätige Gotthilf Treuer exegesierte 1Tim 2,12 folgendermaßen: »Einem Weibe gestatte nicht/ daß sie lehre; Denn öffentlich lehren/ geschiehet aus authorität und Ansehen des aufgetragenen Amptes/ und also könten die Weiber auch den Männern gebiethen/ solches wil Paulus nicht haben: In den Häusern aber unterrichten/ kan alsdann geschehen/ wann die Männer ihr Ampt nicht/ der Gebühr nach/ bestellen. GOttes Ordnung ist diese: Adam solte allein Gott im Himmel/ Eva hingegen ihrem Adam und GOtt zugleich gehorsam seyn« Wolmeynende Christl. Warnung, 1692, A2r. 198 AGL Erg. 2, 1787, 848f; Eilmar war Pastor und Superintendent in Mühlhausen und griff
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tischen Zusammenkünften gegen das paulinische Lehrverbot verstoßen habe.199 Den zweiten durch die pietistische Bewegung ins Bewusstsein getretenen Problemkreis stellte die Veröffentlichung von Schriften mit theologischem Inhalt dar. Die vermehrte Publikationstätigkeit von Autorinnen, die nicht allein durch den Pietismus hervorgerufen worden war, aber durch dessen Bestärkung der Laien weiteren Nachdruck fand, führte zu einer neuartigen Situation, für die es keine eindeutigen Kriterien und Muster gab.200 Der Dissens entzündete sich nicht an der Tatsache, dass Frauen als Autorinnen auftraten, sondern daran, dass sich Gattung und Inhalt an die bis dahin von männlichen Theologen besetzten Felder annäherten.201 Auf diese Entwicklung reagierte eine heftig geführte Debatte, um den brisanten Phänomenen mit theologischen Argumenten zu begegnen. War das Schreiben von Büchern als eine Form der Lehre zu betrachten? Oder bezog sich das paulinische Lehrverbot nur auf die Kanzelrede? Das Thema weiblicher Predigttätigkeit taucht im Kontext dieser Auseinandersetzungen nur am Rande auf. Gelegentlich wurde der Vorwurf laut, dass Pietistinnen gepredigt hätten.202 Wenn Buchpublika-
Spener in verschiedenen Schriften an, s. P. Grünberg, Spener 1, 1893, 343. Sein antipietistischer Kampf galt vor allem dem Thema des geistlichen Priestertums. 199 G. C. Eilmar, Gründliche Erörterung, 1704, L2v. Ähnlich argumentiert J. H. Feustking, Arnoldus, 1704, 73, unter Bezug auf Eilmars Stellungnahme. 200 Dass es durchaus eine Geschichte der Diskussion um schreibende Frauen gab, spielte für den Pietismus keine Rolle. A. Grewe, Hélisenne de Crenne, 1999, 60, belegt einen solchen Disput für Frankreich im 16. Jh.; statt Bücher zu schreiben, sollten die Frauen lieber spinnen. T. Eggensperger, Sor Juana, 1997, analysiert die Schwierigkeiten einer mexikanischen Katholikin des 17. Jh., als diese begann, theologische Texte zu verfassen. 201 Verschiebungen dieser Art sind nicht nur für das Gebiet der Theologie zu konstatieren, sie lassen sich ähnlich auch für den Bereich der Frauendichtung beobachten, s. C. Niekus Moore, Magdalena Sybille Rieger, 1995, 230: »Am Ende des 17. Jahrhunderts trat aber eine Änderung in der Dichtung von Frauen ein und fingen Dichterinnen an, sich Gattungen zuzuwenden, die, wenn auch öfters religiös gefärbt, dennoch weltlich waren, z. B. der Gelegenheitspoesie. Dabei betraten sie ein Gebiet, das zunehmend von der Gelehrtendichtung beherrscht, wo die Dichtkunst als Wissenschaft gesehen wurde und wo Form und Inhalt Zeichen des Wissens und Könnens waren. Eine Kenntnis der klassischen Versarten und der klassischen Mythologie war für die Art des Dichtens unentbehrlich, obwohl die Erziehungsanstalten, in denen solche Kenntnisse vermittelt wurden, nicht für Frauen zugänglich waren.« 202 In Frankfurt hielt sich dieses Gerücht über A. E. Kißner, s. P. Grünberg, Spener 1, 1893, 186; Spener 3, 1906, 399f. Dabei handelte es sich jedoch eher um eine metaphorische Umschreibung bzw. Übertreibung, denn es ging in keinem dieser Fälle darum, dass eine Pietistin während eines Gottesdienstes gepredigt hätte. Von den Gegnern wurde jedoch z. T. die Redebeteiligung in pietistischen Versammlungen als Predigt diffamiert. Die Spener-Biographie, J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 314, berichtet über die Vorwürfe, dass Frauen in dem von Spener geleiteten Collegium pietatis gepredigt hätten. B. Hoffmann, Radikalpietismus, 1996, 59, 62, 197, Anm. 40, 205, Anm. 154, gebraucht den Predigt-Begriff in einem unspezifischen Sinn, wenn sie davon spricht, dass J. E. Petersen in Laubach gepredigt habe. A. H. Francke, Verantwortung, 1694, 189, wies den gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe sich für »Wei-
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tionen von Frauen nicht zu verhindern waren, ließen sich dann jedenfalls Beschränkungen vornehmen? Im Kontext der pietistischen Bewegung lassen sich unterschiedliche Strategien beobachten, die Tradition des neutestamentlichen Lehrverbots für Frauen und die neue Praxis miteinander in Einklang zu bringen.203 Philipp Jakob Spener nahm zu 1Kor 14 Stellung, indem er in unterschiedlichen Zusammenhängen nachdrücklich betonte, das paulinische Schweigegebot bleibe in seiner Umgebung in Geltung. In seinem Buch über das Geistliche Priesterthum,204 in dem er Frauen ausdrücklich in den priesterlichen Auftrag aller Getauften einbezog, hielt er gleichwohl fest, dass Frauen »in der offentlichen Gemeinde« nicht lehren dürfen.205 In einem Brief des Jahres 1703 konstatierte er in ähnlicher Weise, »daß nach göttlicher Ordnung dem weiblichen geschlecht das lehramt nicht zukomme«.206 Genau wie Luther unterstreicht auch Spener die göttliche Anordnung des weiblichen Schweigens; damit war diese Angelegenheit jeder Veränderung entzogen, denn eine solche würde gegen Gottes Gebot verstoßen. Dieser strikten Beachtung des Lehrverbots steht bei Spener auf der anderen Seite das Bemühen gegenüber, den Spielraum für Frauen möglichst zu erweitern.207 ber=Predigten« ausgesprochen, als gegenstandslos zurück. Die bei den Quäkern verbreitete Praxis einer Predigttätigkeit von Frauen wurde von den Gegnern des Pietismus auf diesen übertragen, von pietistischen Gewährsleuten jedoch stets als undenkbar zurückgewiesen. Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass Predigerinnen und Prediger bei den Quäkern einen ganz anderen Stellenwert hatten als bei Lutheranern oder Reformierten. Die Unschuldigen Nachrichten 1703, 129, vermerkten, dass F. Breckling sich u. a. mit dem Hinweis auf die dort predigenden Frauen gegen die Quäker ausgesprochen habe. Im Laufe des 17. Jh. gab es allerdings durchaus Frauen, die für sich das Predigtamt forderten – diese stehen jedoch nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der pietistischen Bewegung. Zu E. M. Frölich, die von ihrem »Predigtamt« sprach, s. B. Andersson, Prophetin, 1991. Frauen der katholischen Reformbewegung des 17. Jh. wie Mary Ward (1585–1645) wurden unter Hinweis auf das Predigtverbot für Frauen in ihren Aktivitäten eingeschränkt, s. E. Rapley, The Dévotes, 1990, 28–34; M. Ward wurde ausdrücklich vorgeworfen, sie habe von Kanzeln aus gepredigt, ebd., 117. Der Versuch einer Nürnbergerin, im Jahr 1524 von der Kanzel aus zu predigen, muss nach E. Bennewitz, Eigensinn, 1999, 21, als Einzelfall betrachtet werden, da in der Reformationszeit die Forderung nach der Ausübung des Predigtamtes von den Frauen nicht ernsthaft gestellt wurde. Dem pietistischen Handwerker J. G. Rosenbach wurde wie den Frauen vorgeworfen, dass er in Privatversammlungen gepredigt habe, »wormit er ja wider Ordnung eigenmäßig gehandelt/ auch keinen Beruff hierzu vorzeigen können«, Unschuldige Nachrichten 1708, 167. 203 Zu den Auseinandersetzungen über diese Frage in Frankfurt a. M. s. J. Taege-Bizer, Christliche Weibspersonen, 2000, 128–130. 204 Vgl. hierzu auch H.-M. Barth, Priester, 1990, 54–78. 205 P. J. Spener, Geistliches Priesterthum, 1677, 65f. In einem Brief an Philipp Ludwig Hanneken betonte er: »Paulinum praeceptum, ut mulier in Ecclesia taceat, mihi quoque ratum est«, P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 73, ep. 16, 1675. Das Beispiel der Priscilla sah er als Vorbild dafür, dass Frauen »inter privatos« durchaus anderen den Weg des Glaubens erläutern könnten. Das Wort »lehren« vermeidet Spener. Vgl. auch ebd., 87f. 206 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 98. 207 So betont er oft, dass Gott Männern und Frauen gleiche Gaben verliehen habe, ebd., 26, 116.
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In den Pia Desideria, in denen Spener die Form der collegia pietatis als Mittel zur Durchführung der Kirchenreform empfahl, berührte er die Frage einer möglichen Teilnahme von Frauen nicht. Das gemeinsam mit seinem Text zum Druck gebrachte Gutachten seines Schwagers Johann Heinrich Horb griff dagegen diesen Aspekt als kritischen Punkt auf. Unter Hinweis auf 1Kor 14,34 insistierte Horb darauf, dass die von Paulus begründete Norm nicht übertreten werden dürfe: »Nur müßte alles ordentlich hergehen/ und denen weibern nach deß Apostels befehl in der gemeinde zu schweigen befohlen werden.«208 In späteren Äußerungen verwahrte sich Spener gegen die Unterstellung, dass in dem von ihm geleiteten Collegium Frauen reden und lehren würden: »In meinem Collegio sitzen die weiber bekantlich abgesondert von den männern/ und hat noch niemal sich einige unterstanden/ nur ein wort offentlich zu fragen/ geschweige etwas zu lehren«.209 Für Spener scheint sich das Problem des paulinischen Schweigegebots vor allem durch öffentlich redende Frauen gestellt zu haben. Allem Anschein nach zog er aus 1Kor 14,34 aber keine Folgerungen hinsichtlich literarischer Aktivitäten von Frauen.210 Der erste öffentlich ausgetragene literarische Streit um Grundpositionen des Pietismus, die Kontroverse zwischen Spener und Georg Conrad Dilfeld (†1684), berührte auch Aspekte, die die Befähigung der Frauen zu theologischer Lehre betrafen.211 Bevor der Nordhauser Geistliche von 1679 an Schriften gegen Spener veröffentlichte, wandte er sich brieflich an diesen. In seiner Erwiderung schrieb Spener in Bezug auf Frauen: »So gestatte ich auch keinem privato das predigen, noch die ordinari erklährung göttlichen worts. Ich würde zwar, wo es nöthig wäre, die jenige unserer kirchen lehrer anziehen können, die auch die interpretationem scripturae den privatis, ja weibern, zulassen«.212 In seinem 1679 publizierten Angriff gegen Spener thematisiert Dilfeld dann u. a. die Frage, ob Laien beider Geschlechter zur Gottesgelehrtheit befähigt seien. »Diese Frage findet er bei Spener bejaht, der wohl nur durch das ausdrückliche Verbot der Heiligen Schrift daran gehindert werde, in seinen Pri208 J. H. Horb, Erfordertes Bedencken, in: Pia Desideria, 1680, 279. 209 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 147. 210 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 26. 1693 riet Spener einer Frau davon ab, ihre Vorschläge zur Vereinigung der Lutheraner und der Reformierten zu veröffentlichen. Er selber begründete dies mit seiner Skepsis dem Inhalt der Schrift gegenüber. Ferner gab er zu bedenken, dass die Theologen auf das paulinische Lehrverbot rekurrieren würden, um damit das Anliegen zurückzuweisen. Seine männlichen Kollegen würden gegen das Werk Stellung beziehen und »an deroselben rath/ als von einem weib herkommende (da sie das Paulinische/ einem weibe gestatte ich nicht/ daß sie lehre/ oft gnug wird müssen hören lassen) sich desto heftiger und mit spitzen worten machen/ und also nur ein grösser feuer anzünden« würden, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 716. 211 Vgl. hierzu J. Wallmann, Spener und Dilfeld, 1995. Dilfeld wandte sich insbesondere gegen die pietistischen Konventikel und gegen Speners Pia Desideria. 212 P. J. Spener, Briefe 3, 2000, 1029, ep. 221, 5.12.1678.
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vatzusammenkünften den Frauen die Schrifterklärung zu erlauben.«213 Dilfelds eigene Positionsbestimmung neigt zu der radikalen Auffassung, das gegen Frauen gerichtete Schweigegebot des Neuen Testamentes auch auf männliche Laien auszudehnen.214 Spener blieb demnach auch bei kritischer Infragestellung bei der vorsichtigen Ausweitung der theologischen Kompetenz von Frauen. Anders als der durch Spener repräsentierte kirchliche Pietismus, der sein Reformprogramm innerhalb der lutherischen Kirchen verwirklichen wollte, setzten Vertreter des radikalen Pietismus theoretische und praktische Akzente, die z. T. einen Bruch mit den traditionellen Maximen kirchlichen Lebens bedeuteten. Gottfried Arnold, der auch in seiner radikalsten Phase an der Normativität der biblischen Texte festhielt und in Absetzung gegen herkömmliche Verstehensweisen nach neuen Interpretationen suchte, unterstützte lehrende, schreibende und auch predigende Frauen auf vielfältige Weise. Ein 1704 veröffentlichter Traktat über Die geistliche Gestalt eines evangelischen Lehrers, dem ein Anhang beigegeben ist, in dem die Frage weiblicher Lehrtätigkeit ausdrücklich im Zentrum steht,215 gibt einen Einblick in die spezifisch Arnoldsche Variante der Verbindung von Traditionsübernahme und Neuansatz.216 Die Eigenart von Arnolds Geschlechteranthropologie, die traditionell weiblich und männlich konnotierte Bilder und Verhaltensweisen auflöst, zeigt sich bei seiner Interpretation der neutestamentlichen Lehrverbote. Die Notwendigkeit, sich diesem Thema zuzuwenden, begründete er damit, dass in seiner Zeit zwei konträre Positionen zu beobachten seien: »Etliche wolten lieber gar Pauli Worte I.Cor.XIV. I.Tim.II. auffgehaben wissen/ und denen Weibern ohne Unterscheidung frey geben zu lehren. Etliche/ und zwar die meisten/ suchen alle Gaben des Geistes/ so doch zum gemeinen Nutz dienen sollen/ in solchen Personen zu dämpffen und zu untertreten.«217 Von beiden skizzierten Stellungnahmen grenzt sich Arnold ab; er suche nach einer »Mittelstrasse«.218 Diese sieht so aus, dass er eine androgyne Anthropologie zu Grunde legt, nach der sowohl Mann als auch Frau zu einer männlichen Jungfrau werden. In Gal 3,28 sah er einen wichtigen Beleg für die von ihm ent213 J. Wallmann, Spener und Dilfeld, 1995, 211. Dilfelds Streitschrift von 1679 trägt den Titel Theosophia Horbio-Speneriana. 214 Ebd., 217. 215 G. Arnold, Geistliche Gestalt, 1704; Dritter Anhang: Ob die Weiber; dieser Anhang hat einen Umfang von 38 Seiten im Quartformat. 216 Während die ältere Kirchengeschichtsschreibung bei Arnold darin einen Bruch sah, dass er heiratete und ein kirchliches Amt übernahm, deutet sich bei J. Büchsel, Wort, 1995, eine etwas andere Sicht an: Arnold behielt viele der aus seiner radikaleren Phase stammenden Ideen bei, fügte sie jedoch in das neue Lebens- und Denkgefüge ein. 217 G. Arnold, Ob die Weiber, 1704, 1f. 218 Ebd., 2.
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faltete Vorstellung, da in diesem Bibeltext die Aufhebung der Geschlechterunterschiede bei den Wiedergeborenen angekündigt werde. Aus Gal 3,28 schloss Arnold, dass »in Christo weder Mann noch Weyb sey/ sondern daß sie der H. Geist beyde zusammen in Eins fasse/ und in dem neuen Leben der Göttlichen Geburt gleichsam verwandle/ also daß er sich in gereinigten und zu recht gebrachten Seelen mit gleicher Krafft hervor thun könne/ sie seyn/ welches Geschlechts sie wollen.«219 Für die Auslegung von 1Kor 14,34 wirkt sich diese Geschlechteranthropologie dahingehend aus, dass Arnold Schweigen als geistliche Tugend auch vom männlichen Geschlecht fordert. Er erweitert die paulinische Schweigeanordnung auf eine bestimmte Gruppe von Männern, wobei allerdings die diskriminierende Bedeutung der Kategorie Frau erhalten bleibt. Er schreibt: »Fordert Paulus von weibischen und unbefestigten Leuten/ daß sie schweigen/ und nicht in der Gemeine reden sollen/ sondern dafür die Männer fragen: I Cor.XIV,34. So gebühret gewißlich auch einem unerfahrnen und weibischen Mann/ daß er so lange stille sey/ biß er ein Mann in CHristo/ und also geistliche Kinder zu zeugen und zu erziehen fähig werde.«220 Im Unterschied zu dieser Deutung verfolgte er in seiner Kirchen- und Ketzerhistorie eine andere Strategie. Hier suchte er nach einer historisch verankerten Erklärung und machte die besondere Situation der urchristlichen Gemeinden für das paulinische Schweigegebot verantwortlich. Als Paulus an die Korinther schrieb, seien Männer und Frauen gerade erst dabei gewesen, die Botschaft des Evangeliums zu verstehen. »Darum weil die männer noch kaum recht unterrichtet waren, welche mehr zeit dazu hatten, solten 219 Ebd., 13f. 220 G. Arnold, Geistliche Gestalt, 1704, 14f. Diese Linie der Interpretation findet sich auch in den Consilia und Responsa Theologica 2, 1705, 328–320. 1Kor 14,34 wird in gleicher Weise auf Frauen und Männer appliziert, nämlich auf »alle weiche weibische und faule gemüther«. Beide Geschlechter werden angesprochen: »Darum geh ein ieder in sich/ und suche/ worinn das weibische schweigen bestehe. Denn die wahren redner und zeugen JEsu sind nicht weich weibisch/ ja in Christo sind weder mann noch weib/ sondern allzumahl einer in ihm . . . Und also müssen nach dem wahren sinn des geistes auch viel männer noch schweigen lernen/ die zwar männer heissen/ und doch nicht einmahl umbgekehrte kleine kindlein in JEsu worden/ und zum himmelreich tüchtig/ geschweige andere zu lehren geschickt sind. Diese werden vor GOtt in ihren dingen mehr als weich=weibisch aufblehend und unbeständig erfunden/ gleich einem natürlichen schwätzigen weibe. Und solche sollen lernen schweigen/ wie der Geist ihnen gebeut«. Die ebenfalls von Arnold herausgegebenen Historisch-Theologischen Betrachtungen, 1709, 170, unterstützen nachdrücklich die in den Consilia und Responsa Theologica vertretene Interpretation von 1Kor 14,34: den »hochmüthigen Männern« solle nämlich gezeigt werden, »daß sie auf ihr blosses Geschlecht nicht trotzen/ und sich deßwegen von dem Apostolischen Befehl nicht ausschließen dürfften. Daß aber Paulus denen Weibern nicht eben simpliciter respectu sexus, sondern vielmehr respectu vitiorum, quibus hic sexus inprimis abnoxius est, das Schweigen auferlegt/ und dannenhero auch Mannes=Personen/ die solche Vitia auch an sich haben/ solches Gebot gelte/ wird ja wol kein Göttlich=erleuchteter Mensch leugnen . . . Die Erfahrung bezeuget ja sonderlich heutiges Tages bey dem grossen verderbten Zustande des Christenthums/ daß viele Männer/ ja auch Lehrer und Prediger selbst solche Vitia an sich haben«.
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die weiber, die noch weniger wusten, in der gemeine schweigen, und nicht andere zu lehren sich unterstehen.«221 Arnold hält das lehrende Auftreten von Frauen in seiner Gegenwart für wünschenswert und erforderlich, wobei er allerdings durchaus Unterschiede markiert. Öffentliche Predigten von Kanzeln aus lehnt er eindeutig ab,222 die Publikation von Büchern dagegen befürwortet er uneingeschränkt.223 Das Taufen durch Frauen sah er als erlaubt an; zum Erteilen der Absolution und zur Verwaltung des Abendmahls äußert er sich nur indifferent.224 In der gesamten hier betrachteten Debatte spielt die Frage der Sakramentsverwaltung durch Frauen so gut wie keine Rolle.225 Außer Gottfried Arnold trug Pierre Poiret einen allerdings anders ausgerichteten Ansatz zu einer Neuinterpretation und zu gleichzeitiger Einschränkung von 1Kor 14,34 vor. Er unterlief die Allgemeingültigkeit des Schweigegebots dadurch, dass er Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von Frauen geltend machte. Das paulinische Lehrverbot konnte nach seiner Interpretation nur für verheiratete Frauen gelten, deren Hauptaufgabe die Bewältigung des Haushalts war: »Hier siehet dan ein jeder/ daß er von den gemeinen Weibern rede/ welche verehliget seyn/ und mit der Haußhaltung zu schaffen haben/ ja von solchen Weibern/ die noch nöthig haben zu lernen/ und gleichwohl für weise wollen gehalten werden; von denen er saget/ daß sie/ 221 G. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie III, 1729, 268. 222 G. Arnold, Ob die Weiber, 1704, 11f, 20f, 28: »Woraus von selbsten zu schliessen ist/ daß solche wohlbewährte und von GOtt auserwehlte Weiber . . . auch wol in öffentlichen Schrifften ihre Gaben zum gemeinen Nutz beytragen mögen/ als welchen auch Paulus selbst (der doch sonst den Weibern das Lehren in der Gemeine untersaget) dennoch das Weissagen vergönnet«. In seiner Kirchen- und Ketzerhistorie veröffentlichte er allerdings Beispiele von predigenden Frauen ohne diese zu kommentieren. Hierbei muss die zwischen 1700 und 1704 eingetretene Veränderung Arnolds mit veranschlagt werden, denn bei der Abfassung seines großen kirchengeschichtlichen Werkes war er freier Schriftsteller, im Jahr 1704 stand er im Dienst der lutherischen Kirche, die Predigten von Frauen kategorisch ablehnte. Er notierte, Kirchen- und Ketzerhistorie III, 1729, 216, dass in Spremberg in der Niederlausitz ein 12jähriges Mädchen auf dem Marktplatz predigte. Seine Berichte über die fränkische Visionärin Anna Vetter beinhalten auch deren Predigtauftritte um 1662 in Ansbach, Nürnberg und Eichstätt. In dem Bewusstsein göttlicher Beauftragung (»Ich habe befehl von Gott zu predigen«, ebd., 289) begnügte sie sich nicht mit öffentlichen Plätzen, sondern betrat die Kanzeln. Ja sie forderte vom Ansbacher Stadtpfarrer: »sie sollen mir eine kirche oder haus eingeben, darinnen ich predigen kan«, ebd., 289. Zu A. Vetter s. F. W. Kantzenbach, Visionärin, 1976; M. Stern, Visionen, 1992; E. Kormann, Vetter, 1996. J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 650, erklärte sie für »wahnsinnig«. 223 So weist er in seiner Kirchen- und Ketzerhistorie II, 1729, 495, darauf hin, dass Frauen in der Reformationszeit Bücher geschrieben haben und erwähnt dabei namentlich Katharina Zell und Argula von Grumbach. 224 G. Arnold, Ob die Weiber, 1704, 36. 225 Die Unschuldigen Nachrichten 1725, 749f, ergriffen in gewisser Weise für den Pietismus Partei, wenn sie den Bericht von J. B. Crophius zurückwiesen: »Der Verfasser gehet in seinen Imputationen je zuweilen zu weit, z. E. wenn er . . . schreibt, die Pietisten liessen Weibs=Personen zu, daß sie die Privat-Communion austheilten«.
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an statt jemand zu unterweisen und zu lehren/ sich selbst von ihren Männern ins besondern sollen unterweisen und lehren lassen.«226 Von diesen »gemeinen Weibern« grenzt Poiret eine kleine Zahl von Frauen ab, die von Gott erleuchtet wurden und deshalb auch zum Schreiben und Lehren berechtigt sind. Diese Interpretation stand im Dienste der von Poiret unterstützten Frauen, insbesondere Antoinette Bourignon, deren Tätigkeit er hiermit theologisch zu legitimieren versuchte. Ansätze, dem paulinischen Lehrverbot für Frauen seine universale Gültigkeit abzusprechen, lassen sich vornehmlich im radikalen Pietismus und in ihm verwandten Bewegungen dokumentieren. Hier war die Notwendigkeit einer theologischen Neuinterpretation durch die Wirksamkeit schreibender und lehrender Frauen gegeben, die in einem unübersehbaren Widerspruch zum herkömmlichen Verständnis der neutestamentlichen Direktiven standen.227 Eine ausdrückliche Entgegnung auf die in Teilen des Pietismus zu beobachtende Abkehr von der traditionellen Sichtweise der Geschlechterrollen stammt von Johann Heinrich Feustking. In seinem Gynaeceum Haeretico-Fanaticum griff er die Interpretation der strittigen biblischen Texte auf und präsentierte seine Position als einzig rechtmäßige Auslegung der Heiligen Schrift. Für ihn stand als Maxime fest, »daß den Weibern das öffentliche Lehr=Ampt in Gemeinen/ die aus Manns=und Weibes=Personen bestehen«, nicht zukommt.228 Biblische Beispiele wie die alttestamentlichen Prophetinnen Hulda und Debora, die neutestamentlichen Frauengestalten Prisca und die Töchter des Philippus, die nach seiner Analyse für die Befürworter weiblichen Lehrens eine tragende Rolle spielten, entschärfte und erläuterte Feustking damit, dass diese Frauen »nicht öffentlich in den Tempeln/ oder Communen, sondern nur privatim und zu Hause gelehret und geweissaget« haben.229 Der lutherisch-orthodoxe Theologe führt eine weitere Differenzierung ein, um auf jede Weise sichern zu können, dass es im Neuen Testament keine zur öffentlichen Lehre beauftragten Frauen gegeben habe. So unterscheidet er bei den in den urchristlichen Gemeinden tätigen Frauen: »Etzliche haben nur gemeine Dienste des öffentlichen Lehr=Ampts/ nicht aber das öffentliche Lehr=Ampt in der Kirchen 226 P. Poiret, Vorrede zu A. Bourignon, Leben, 1684, 25. 227 Zinzendorf äußerte sich zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich zu 1Kor 14,34. Hielt er zunächst an dem Lehrverbot fest, so zog er zunehmend in Betracht, dass Paulus sich nur an eine bestimmte Gemeinde gerichtet habe, jedoch nicht an alle christlichen Frauen. 1757 sprach er ausdrücklich »von der Schwestern rechtmäßigem Lehramt«, zit. bei O. Uttendörfer, Frauen, 1919, 60; s. auch ebd., 51f, 57f. 228 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 102. 229 Ebd., 102. Diese Sicht entspricht der traditionellen Linie, die z. B. auch von Heinrich Müller vertreten wird. In einer Predigt über Lk 2 wird die Prophetin Anna gewürdigt, die Begabung von Frauen mit prophetischem Geist jedoch ausschließlich auf die Zeit des Neuen Testamentes begrenzt, Evangelischer Hertzens=Spiegel, 1727, 141.
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selbst verrichtet/ wie also Paulus durch Phoeben seine Epistel an die Römer von Corintho gesandt hat.«230 Die engagierte Aktivität der Frauen bei der Ausbreitung des Evangeliums kann auch Feustking nicht bestreiten, er sieht diese jedoch ausschließlich auf das Haus beschränkt. Die in den neutestamentlichen Schriften genannten Frauen sind seiner Meinung nach nur »Catechetinnen nicht aber öffentliche Lehr=Prophetinnen gewesen/ sie sind gewesen fromme Hauspredigerinnen«.231 Dieses Vorbild der frommen Hauspredigerinnen möchte er als einziges für die Frauen seiner Zeit gelten lassen. Bei diesem Vertreter der lutherischen Orthodoxie lässt sich beobachten, wie stark die Problematik einer möglichen Beteiligung von Frauen am öffentlichen Lehramt in den Vordergrund trat. Ohne auf eventuelle Zwischenräume einzugehen, konzentrierte sich der Blick Feustkings auf die Alternative: Frauen verhielten sich entweder nach dem von ihm entworfenen Ideal der frommen Hauspredigerin oder aber sie beanspruchten die volle Partizipation am Beruf des Theologen. Männlichen und weiblichen Vertretern des Pietismus ging es jedoch gerade darum, die zwischen diesen beiden Alternativen liegenden Bereiche zu besetzen. Feustkings Polarisierung sah zwar die Sprengkraft, die jedwede Veränderung der Geschlechterrollen in sich enthielt; durch das starre Festhalten an der tradierten Auslegung der neutestamentlichen Lehrverbote war er jedoch nicht in der Lage, das Potenzial pietistischer Frauen in sein Kirchenbild einzubinden.232 An den beiden Exponenten der sich diametral entgegenstehenden Auffassungen von 1Kor 14,34 – Arnold und Feustking – wird deutlich, in welcher Weise die Exegese im Dienste eines gegenwärtigen Interesses stehen konnte. Im radikalen Pietismus nahmen Frauen nicht mehr nur schweigend an den Collegia Pietatis teil; sie griffen darüber hinaus mit theologischen Schriften in die bis dahin fast ausnahmslos von Männern geführte akademische Diskussion ein. Für Vertreter der lutherischen Orthodoxie wie Feustking, der die Strukturen seiner Kirche insgesamt für nicht reformbedürftig hielt, gab es keinen Anlass, die traditionelle Frauenrolle der schweigenden Unterordnung in Frage zu stellen. Diese wurde vielmehr erneut eingeschärft. Das neutestamentliche Lehr230 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 102f. 231 Ebd., 103. 232 Auch die Unschuldigen Nachrichten beteiligten sich an dem Diskurs über das Lehren von Frauen; so nannte die Zeitschrift 1707, 433f, nur ketzerische Gruppen, die davon ausgehen würden, »es sey Weibs=Personen erlaubt in der Kirche öffentlich zu lehren«. Erwähnt werden u. a. Simon Magus sowie die Quäker. Die altkirchlichen Gruppen der Quintilianer und Kataphryger werden als Beispiele für den verwerflichen Brauch genannt, Frauen zu Priestern und zu Bischöfen zu erheben. Allerdings wurden diese Vorwürfe nicht nur gegen Frauen erhoben, sondern gelegentlich auch gegenüber Männern geltend gemacht. So beklagte S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1697, 157, dass ein pietistischer Student sich zu Unrecht das öffentliche Lehramt angemaßt habe.
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verbot, das die christliche Frauengeschichte grundlegend geprägt hatte, erfuhr durch die Positionen des radikalen Pietismus zwar nicht seine völlige Aufhebung, jedoch eine in dem Maß bis dahin nicht verbreitete Infragestellung. Um die Mitte des 18. Jh. hatte die im Umfeld des Pietismus heftig geführte Debatte über die Lehrbefugnis von Frauen einen gewissen Abschluss gefunden. In Zedlers Lexikon schlägt sich dieser Befund in folgender Weise nieder. In den umfangreichen Ausführungen zu dem Stichwort »Weib« finden sich u. a. die zwei Fragen: »Ob die Weiber öffentlich lehren dürffen? Ob die Weiber der Academischen Ehren-Grade fähig seyn?«.233 Die Zulassung der Frauen zur akademischen Graduierung und damit zum Studieren überhaupt wird eindeutig bejaht. In Bezug auf die Frage des Lehrens zeigt sich, dass die Buchpublikation nicht mehr als problematisch betrachtet wird, hingegen das kirchliche Amt für Frauen weiterhin als verschlossen gilt: »Ob schon das öffentliche Lehr=Amt in der Kirche Weibern verboten ist, können sie deshalben doch wohl Doctorinnen werden, und durch öffentliche Schrifften andere lehren, und also ihren Nahmen vertheidigen.«234
3.2 Neubelebung des Geistlichen Priestertums Der Streit um die Interpretation der biblischen235 und reformatorischen Quellen zum allgemeinen Priestertum236 sowie um die adäquate Umsetzung der priesterlichen Beauftragung aller Gläubigen gehörte zu den mit der Ausbreitung der pietistischen Bewegung einhergehenden Kontroversen.237 Christian 233 GVUL 54, 1747, 1–185; 39–42. 234 Ebd., 41. Hinsichtlich der Veröffentlichung von Büchern wird lediglich unter Bezug auf S. Schelwig daran erinnert, dass die Autorinnen ihre Werke der Buchzensur unterwerfen sollten; hinzugefügt wird allerdings, dass diese Forderung auch für alle von Männern verfassten Bücher gelte. In J. A. Bengels Gnomon, 1773, 429, spiegelt sich dieser Stand der Überzeugung, wenn er zu 1Kor 14,34 anmerkt, dass Frauen zu schweigen haben »praesentibus viris, qui loqui possunt«. Zur Begründung dieser Regelung weist Bengel auf Gen 3,16 hin. 235 Den wichtigsten biblischen Bezug bildet 1Petr 2,5; daneben spielen auch Ex 19,6; Jes 61,6; Hebr 4–10 sowie Apk 1,6; 5,10; 20,6 eine Rolle. Zur altkirchlichen Bedeutung dieses Motivs s. T. Schächtele, Priestertum, 1990; K. P. Voß, Priester- und Prophetentum, 1990, 13–30. 236 In den meisten der hier zu behandelnden Texte ist vom geistlichen bzw. königlichen Priestertum die Rede. Die Bezeichnung dieses Priestertums als geistlich ist keine dem Pietismus eigentümliche Formulierung, sondern sie wird genauso von den orthodox-lutherischen Vertretern verwendet. M. Luther benutzt auch die Formulierung »das heylige und geystliche priesterthum«, WA 12, 307. Zur gesamten Thematik s. G. Maron, Allgemeines Priestertum, 1990; H. Goertz, Priestertum, 1998. 237 Vgl. hierzu J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 814–816; 5.2, 1739, 886f. Walch unterstrich, dass Spener im Sinne Luthers lehrte und die Grenze zwischen Gemeinde und Predigtamt wahrte. Die von den Wittenberger Theologen verfasste Schrift gegen Spener, Christ=Lutherische Vorstellung, 1695, griff bereits in der Vorrede das Thema des geistlichen Priestertums auf: »Diese Irrgeister haben das Geistliche Priesterthum/ so sie durch den waren Glauben in Christo gegen
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Thomasius begrüßte z. B. die schriftstellerische Arbeit J. E. Petersens als positive Folge des neu belebten geistlichen Priestertums; Georg Christian Eilmar hingegen sah ihr schriftstellerisches Wirken als Folge eines falsch verstandenen Auftrags, die priesterliche Berufung wahrzunehmen.238 Sowohl die Pietisten als auch ihre Gegner traten mit dem Anspruch auf, mit ihrer Auslegung das genuine Erbe Luthers fortzuführen. Etliche Theologen, die der pietistischen Reformbewegung kritisch gegenüberstanden, machten die Hervorhebung des allgemeinen Priestertums für die vielfältigen Aktivitäten von pietistischen Frauen, die sie als unerwünscht beurteilten, verantwortlich.239 Georg Christian Eilmar zählte zu den pietistischen Missbräuchen, dass Frauen aufgrund des geistlichen Priestertums die Freiheit erhielten, »geistliche Bücher in Glaubens=Sachen« zu schreiben, sowie in den Collegia »zu reden/ und die Kirche zu erbauen«.240 Eilmar bejaht ausdrücklich, dass Frauen in das geistliche Priestertum einbezogen sind; er möchte dieses jedoch auf ein »sacerdotium internum fidei« beschränkt wissen, das in keiner öffentlichen Handlungsweise Ausdruck findet.241 Er bestreitet keineswegs die biblische und reformationsgeschichtliche Bedeutung des geistlichen und königlichen Priestertums; für ihn ist dies jedoch
sich zuforderst gebrauchen solten/ boßhafftig gemißbrauchet«. Die Pietisten hätten dadurch eine Unordnung und Verwirrung »des Gantzen Menschlichen Geschlechtes« hervorgerufen, Vorrede, unpag. Speners Auffassung wird im Einzelnen widerlegt, 22–27. H. Leube, Orthodoxie, 1975, unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung dieses Motivs für alle mit dem Pietismus verbundenen Strömungen, 103f, 107, 111, 139, 254–257. 238 C. Thomasius, Monats-Gespräche, 1689, 857f; G. C. Eilmar, Gründliche Erörterung, 1704, L3r; insbesondere wandte er sich gegen J. E. Petersens Anleitung. In seinem Werk Gerechte Sache, 1705, 5, erhob er ähnliche Vorwürfe gegen die »Doctorin Petersen«; diese bemäntele »ihre Chiliasterey mit dem geistl. Priesterthum«, ebd., 29. Dieser Traktat richtet sich gegen Johann Adolf Frohn, der für das geistliche Priestertum im Sinne Speners eingetreten war. 239 Diese Analyse schlug sich auch nieder in obrigkeitlichen Verlautbarungen, die gegen den Pietismus gerichtet waren. So beklagte das 1702 veröffentlichte Edikt des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel (1654–1730), dass »unter dem Vorwand des geistlichen Priesterthums, sowohl Mans=als Weibs=Personen« öffentlich lehren würden, zit. bei J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 779. S. Schelwig, Itinerarium, 1695, 9, berichtet über eine Vermahnung der Grafen von Schwarzburg und Hohenstein, die den Pietisten vorwarf, dass sie »das Predig=Amt unter falschen Vorwand des Geistlichen Priesterthums/ auff einen jedweden Christen/ er sey Mann oder Weib/ wenn er nur einen innerlichen Beruff hätte/ herunter ziehen« würden. In demselben Text beklagt er das Verhalten einer Danziger Pietistin, die »krafft des Geistlichen Priesterthums« ihren Prediger ermahnt habe, 10. Obwohl die Konflikte um Frauen stärker in den Vordergrund traten, bezogen sich auch Männer, die keine Theologen waren, für ihre Tätigkeiten auf die Basis des geistlichen Priestertums. Heinrich Julius Elers nahm 1693 in Arnstadt in der Grafschaft Schwarzburg seine pietistischen Aktivitäten wie Besuche in den Häusern unter Berufung auf das allen verliehene Priestertum auf, s. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 207. 240 G. C. Eilmar, Gründliche Erörterung, 1704, G2v. Den Quäkern bescheinigte er ähnliche missbräuchliche Haltungen in Bezug auf die Frauen wie den Pietisten, G1r. Eine ähnliche Polemik begegnet bei J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 73. 241 Ebd., L1v–L2r. In seiner Argumentation spielen 1Kor 14,34 und 1Tim 2,12 eine entscheidende Rolle.
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lediglich eine metaphorische Redeweise, die »den Stand der Erneuerung und Heiligung der Christen« bezeichnet.242 Johann Friedrich Mayer ging in seiner Polemik so weit, dass er dem Pietismus insgesamt unterstellte, das Predigtamt abschaffen zu wollen, da dessen Aufgaben durch das geistliche Priestertum abgedeckt seien.243 Ähnlich wie Eilmar stellte auch Feustking eine Verbindung zwischen der Betonung des geistlichen Priestertums durch die Pietisten und dem aktiven Auftreten von Frauen in deren Reihen her. In seinem gegen Arnold gerichteten Traktat wirft er diesem vor, dass durch die Propagierung der Idee des allgemeinen Priestertums Frauen unberechtigterweise zum Lehren und Predigen ermutigt würden: »Arnold dringet unter andern auff das allgemeine geistliche Priesterthum/ daß einem Weibe vergönnet sey/ vermöge dessen zu lehren/ zu predigen/ und andere offentliche Amts=Verrichtungen zu handhaben . . . Allein solches geistliche Priesterthum kommt ihm gar nicht zu statten/ so wir anders dasselbe dergestalt erklären wollen/ nicht wie die heutige Schwärmer thun/ sondern wie es der Heil. Geist selber erkläret haben will.«244 Feustking zentriert sein Verständnis des geistlichen Priestertums auf den Aspekt des geistlichen Opfers, das der eigenen Erbauung dient und nicht in öffentlichen Handlungen Ausdruck findet. Arnold und den mit diesem übereinstimmenden »Irrgeistern« wirft er vor, dass sie »das innerliche geistliche Priesterthum durch den äusserlichen statum ministerialem erklären« und Frauen so das öffentliche Lehren und Predigen zugestehen würden.245 Von Frauen, die unter Berufung auf dieses Verständnis des geistlichen Priestertums öffentlich in irgendeiner Weise auftreten, spricht Feustking als von »selbstgewachsenen Priesterinnen«.246 Diese Polemik darf allerdings nicht den Blick dafür verstellen, dass dieser Theologe durchaus eine positive Anknüpfung an den Gedanken des Priestertums kannte, wenn er z. B. in Predigten darauf zu sprechen kam.247 Bevor danach gefragt wird, in welcher Weise Spener seinen Versuch der Neubelebung des allgemeinen Priestertums begründete und wie er sich dessen 242 Ebd., E4r. 243 J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 36. 244 J. H. Feustking, Arnoldus, 1704, 68f. 245 Ebd., 93. 246 Ebd., 72. 247 J. H. Feustking, Miscellan-Predigten 2, 1726, 11: »Christi sind wir theilhafftig, indem GOtt und Menschen, geistlich vereiniget, beysammen stehen, und als Könige herrschen über Sünde, Tod und Teufel und Hölle, aber als Priester ihr Opffer für GOtt verrichten, daher sie geistliche Könige und Priester, ja gar ein Königliches Priesterthum heissen. Apoc.I.6. I.Petr.I.9.« Ein ähnlicher Sachverhalt lässt sich bei der lutherischen Erbauungsschriftstellerin A. E. von Schleebusch feststellen, die das Motiv des geistlichen Priestertums durchaus positiv aufnahm, Geistliche Ehren=Pforte, 1677, 66, 402, 521; Würtz=Garten, 1702, Vorrede )()(5r; hier unter Hinweis auf 1Petr 2.
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Verwirklichung vorstellte, soll ein kurzer Blick auf Luthers Verständnis geworfen werden. In seinen reformatorischen Frühschriften räumte Martin Luther dem Priestertum aller Gläubigen eine zentrale Stellung ein, um so der Struktur der mittelalterlichen römischen Kirche, deren Hierarchie auf der alleinigen Heilsvermittlung durch das sakramentale Priestertum beruhte, ein Kirchenmodell entgegenzusetzen, das die Unterscheidung von Klerikern und Laien überwand.248 Außerdem lag Luther an der Behaftung der Obrigkeit bei ihrer cura religionis als Angehörige des allgemeinen Priestertums. Gegenüber der im Mittelalter verfestigten Zurücksetzung der Laien, die durch ihre Abhängigkeit vom Klerus bedingt war, betonte der Reformator die Gleichheit aller Christen, ob »jung odder alt, man odder weyb«.249 Alle christlichen Männer und Frauen sind nach ihm als »pfaffen« bzw. »pfäffin« zu bezeichnen.250 Diese durch keine kirchlichen Satzungen einschränkbare Gleichheit beruht auf der Taufe.251 Die reformatorische Grundidee, dass getaufte Männer und Frauen in gleicher Weise zum priesterlichen Stand gehören, bewegte in den ersten Jahren der Reformation Frauen252 wie Argula von Grumbach253 und Katharina Zell254 oder Männer wie die Handwerker Sebastian Lotzer, Ulrich Richsner, Georg Schönichen, Clemens Ziegler und Diepold Peringer zu außerordentlichem Engagement für den neuen Glauben.255 Das Hervortreten der Laien unter 248 WA 12, 307–309; vgl. auch K. P. Voß, Priester- und Prophetentum, 1990; J. Freiwald, Allgemeines Priestertum, 1994; H. Goertz, Allgemeines Priestertum, 1997, 252–258, geht ausdrücklich auf Frauen im Zusammenhang mit der Frage nach der Frauenordination ein. 249 M. Luther, WA 8, 215. 250 M. Luther, Sermon von der heiligen Messe, 1520, WA 6, 370. 251 M. Luther, An den christlichen Adel, WA 6, 56; 480: »demnach werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweiht«. 252 H. Wunder, Sonn, 1992, 237f. 253 S. Halbach, Argula von Grumbach, 1992, 204–211, weist nach, dass Luthers Schriften über das Priestertum aller Glaubenden die bayrische Adlige zu ihrem Eintreten für die Belange der Reformation inspirierten. 254 Die für die Reformation in Straßburg kämpfende und schreibende K. Zell streifte diesen Gedankenkomplex in ihrer Auseinandersetzung mit Ludwig Rabus. Dieser hatte ihr vorgeworfen, dass sie sich für Schwenckfeld und andere Ketzer einsetze und folglich deren Überzeugungen teile. Zell konterte, dass sie sich nicht nach Luther, Zwingli oder Schwenckfeld nenne, sondern nach ihrem »HERRN vnnd einigen Seligmacher« den Namen einer Christin trage, Ein Brieff, 1557, Fiijv. Christus habe nämlich gelehrt, »das wir keines Menschen knecht mehr sein sollen/ Wie der heilig Paulus vns mit vilen worten trewlich leret/ vnnd der heilig Paulus sagt/ wir seyen das frey Volck/ und Küniglich Priesterthumm/ vber die niemandt (im glauben) herschen solle«, Fiijv. Zu diesem Text Zells s. M. E. Wiesner, Ein Brieff, 1995. Dieses Motiv spielt auch eine Rolle für die schriftstellerische Tätigkeit der Herzogin Elisabeth von Calenberg-Göttingen (1510–1558), s. I. Mager, Witwentrostbuch, 1994, 218. 255 Vgl. hierzu M. Arnold, Handwerker, 1990. Die Idee des allgemeinen Priestertums entfaltete eine doppelte Wirkweise: zum einen kann die Veröffentlichung von Flugschriften in der Frühphase der Reformation als »eine Entsprechung zu der reformatorischen Lehre vom Priestertum
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Berufung auf das allgemeine Priestertum gehört zu den bezeichnenden Momenten der frühen Reformationszeit, das jedoch nicht als bleibendes Engagement der protestantischen Kirchen in diesem Maß erhalten blieb. Ein konstitutives Gestaltungsmoment für die Struktur der reformatorischen Gemeinden und Kirchen wurde die Konzeption des Priestertums aller Getauften wegen des reformatorischen Amtsverständnisses nicht.256 Vor dem Pietismus und vor Spener gab es bereits Versuche, die Idee des allgemeinen Priestertums wieder zu beleben. Und zwar lässt sich beobachten, dass sowohl religiöse Außenseiter wie auch kirchlich integrierte Theologen des 17. Jh. die Wichtigkeit dieses Themas anmahnten. Der Spiritualist Joachim Betke (1601–1663)257 formulierte, dass Priester und Christ »ein Ding« sei.258 Auch Bauern, Handwerker und Frauen »sollten lehren vnd predigen lernen/ wie Paulus auch befihlet/ Tit. 2.3. In Betrachtung/ daß Gott sie ja eben so wol als vns mit einer vernünfftigen Seele vnd Sinnen begabet.«259 Friedrich Breckling betonte ebenso die praktische Erneuerung und Umsetzung des »Regale Sacerdotium«.260 Wichtige Impulse gingen aus von den Predigten des Quedlinburger Pfarrers Johann Vilitz (1600–1680), der seine 1639 zu diesem Thema gehaltenen Kanzelreden drucken ließ, um das geistliche Priestertum, das »gleichsam verrostet unter der Banck gelegen«, wieder in Erinnerung zu rufen.261 Vilitz stellte deutlich heraus, dass das geistliche Priestertum sich im privaten, häuslichen Bereich verwirklichen solle.262 Eindringlich appellierte er an seine Gemeinde: »Alle getauffte Christen=Menschen (sie leben sonst im Weltlichen/ oder Geistlichem/ oder Häußlichem Stande/ zum Exempel/ es sey einer ein Käyser oder König/ ein Fürst oder Cantzler/ ein Bischoff oder aller Gläubigen« gesehen werden; zum anderen berührten alle von Arnold bearbeiteten Autoren dieses Thema ausdrücklich in ihren Texten, 53, 330. 256 Zu Melanchthons Reserve gegenüber den Vorschlägen, die Idee in die Confessio Augustana aufzunehmen, s. K. P. Voß, Priester- und Prophetentum, 1990, 92ff. 257 Zu seiner Person s. M. Bornemann, Betke, 1959. 258 J. Betke, Mensio Christianismi, 1648, Vorrede, 8. In dem 1636 abgefassten Werk, ebd., 18, beklagte er: »Dan welcher Christ weiß heut zu Tag/ daß er ein Priester sey? In welcher Statt vnd Dorff weiß man es? Welcher Christ weiß/ daß er müsse verkündigen/ trösten/ bekehren/ straffen«, 111. 259 Ebd., 133. 260 F. Breckling, Speculum, 1660, 203; er widmet diesem Thema einen ganzen Abschnitt, 203–227. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes war er selber noch Prediger in Handewitt bei Flensburg. Dieses Werk, das er ausdrücklich den Theologen und Lehrern widmet, stellt insofern eine Verbindung zwischen geistlichem Priestertum und dem ordinierten Pfarramt her. 261 J. Vilitz, Regale Sacerdotium, 1639, Hir. Er klagte ferner: »Das Sacerdotium hat gefelet/ das geistliche Priesterthumb ist vergessen worden/ das hoch/ hochnöthige Hoff=und Haußpredigen ist nach und zu rück blieben«, Ciiijv. Spener besorgte eine Neuedition dieser Predigten, Frankfurt 1671. Auch wenn es Hinweise auf das Vorhandensein dieses Motivs bei etlichen Theologen unterschiedlicher Richtung gibt, so formte sich daraus kein entscheidender Reformimpuls. Zu dieser Idee bei Philipp Nicolai s. A. Steinmeier-Kleinhempel, Einheit Gottes, 1991, 180–182. 262 J. Vilitz, Regale Sacerdotium, 1639, Jijr-v, Kijv.
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dergleichen praelat, oder ein Soldat und Oberster/ ein Bürgermeister/ Advocat, Kämmerer/ Kauffman/ Becker/ Brawer/ Schuster/ Schneider/ Gerber/ Töpffer/ Taglöhner/ item Fraw/ Jungfer/ Kind/ Gesind/ und wie es nur heissen mag/ dergleichen ehrliches Zustandes auß Mann=und Weiblichem Geschlechte/ so ist hier kein Unterscheid/ sondern sind allzumal einer in Christo Jesu/ spricht S. Paulus Gal. 3/28.) sind alle Geistlich Gal. 6/1. und mit einander Königliche Priester für Gott Apoc. 1.6.«263 Diese Berufung aller Getauften zum Priestertum bedeute jedoch keineswegs, dass nun alle von der Kanzel aus predigen oder das Abendmahl feiern dürften, das seien ausschließlich Befugnisse des Predigtamtes.264 Spener war sich des über die Reformation hinausreichenden Traditionszusammenhanges bewusst und sammelte Quellen und Zeugnisse für die Beschäftigung mit dem allgemeinen Priestertum in den nachreformatorischen Jahrhunderten.265 Ausdrücklich knüpfte er bei der Aufnahme der Idee des geistlichen Priestertums unter die programmatischen Schritte zur Einleitung einer Kirchenreform an Luther an. An Speners Briefwechsel lässt sich verfolgen, wie sich die Idee des Priestertums aller Gläubigen von 1670 an zu einem der Grundpfeiler seiner Änderungsvorschläge formte.266 Die in den Pia Desideria skizzierten Erfordernisse zur Erneuerung des geistlichen Priestertums267 erörterte er dann umfassend in seiner Schrift Das Geistliche Priesterthum von 1677. In diesem Buch legte er großes Gewicht darauf, dass das öffentliche 263 Ebd., Jijr. Vilitz zitierte Luthers Äußerungen über Frauen als »Pfäffin« im Hinblick auf das geistliche Priestertum: »Darumb alle Christen Mann/ Pfaffen/ (Priester:) alle Weiber/ Pfäffinn/ (Priesterinn:) es seyn Jung oder Alt«, Biijr. 264 Ebd., Jijr. Die Schrift Wächterstimme, 1661, des Rostocker Theologen Theophil Großgebauer (1627–1661) bemüht sich ebenfalls darum, das vergessene geistliche Priestertum wieder in Erinnerung zu rufen. In den 17 Kapiteln seines Buches wendet sich Großgebauer vornehmlich an Männer und erwähnt Frauen nur gelegentlich, 29f, 33, 79. 265 P. J. Spener, Geistliches Priesterthum, 1677, 73–157. Spener traf allerdings bewusste Entscheidungen, auf wen er sich bezog. In seinem Katalog kommt z. B. der Name Valentin Weigels nicht vor; wie dessen handschriftlich überlieferte Predigten zeigen, griff er im Rahmen seiner spiritualistischen Kritik an der lutherischen Kirche auch auf den Priesterschaftsgedanken zurück. Weigel schreibt, »daß wir im Neuen Testament durch Christum selber Priester seind«. Fortgeführt wird dieser Gedankengang in seiner Predigt über Lk 2 aus dem Jahr 1573/74 durch eine Paraphrase von Gal 3,28, Predigten 1, 1977, 446. Für die weite Verbreitung dieses Topos spricht sein Vorkommen z. B. bei C. R. von Greiffenberg, die keine direkten Verbindungen zur pietistischen Bewegung hatte. In ihren Zwölf andächtigen Betrachtungen 10, 1683, 905f, beklagt sie, dass das Gebot der Feiertagsheiligung mit folgenden Ausflüchten missachtet werde: »man sey kein Münch oder Nonne/ die immer beten müssen/ auch kein Jude/ der so scharf nach dem Gesetze leben solle! . . . da es doch eines jeden Christen höchste schuldigkeit ist/ seines GOttes Gesetze zu beobachten/ auch Tag und Nacht davon zu reden/ zu singen/ und zu sagen. Vor GOtt sind wir alle Priester; wir sind alle verlobte Jungfrauen und Bräute Christi«. 266 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 324–329, 346–354, 402–407, 443–452, 468–475, 539–542, 551–553, 554–560, 580–586. 267 P. J. Spener, Pia Desideria, 1675, 58ff; hier kommen Frauen nicht vor.
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Predigtamt der Geistlichen und das insbesondere von Laien wahrzunehmende geistliche Priestertum sich gegenseitig ergänzten.268 Die wichtigste Abgrenzung zwischen den Obliegenheiten des Predigtamtes und den priesterlichen Aufgaben der Gemeindeglieder lag nach seiner Sicht in der Beschränkung der Letzteren auf den nicht-öffentlichen Raum. In der Theorie ließ sich diese Unterscheidung eindeutig vornehmen; in der Praxis lagen gerade hier die Konfliktpotenziale.269 Zwei von den insgesamt 70 Fragen und Antworten des Geistlichen Priesterthums sind ausdrücklich den »weibes=personen« gewidmet. Unter Heranziehung von Gal 3,28 wird in Frage 60 bestätigt, dass Frauen uneingeschränkten Anteil an den »priesterlichen ämtern« haben. Spener entfaltet das paulinische Zitat dann mit folgenden Worten: »Und ist also in Christo der unterscheid unter man und weib/ was das geistliche anlanget/ auffgehoben: Weil dann GOtt auch glaubige weibes=personen seiner geistlichen gaben würdiget/ so mag deren gebrauch in ihrer ordnung ihnen nicht gewehret werden. Deßwegen die Apostel selbst der jenigen gottseligen weiber gedencken/ welche mit ihnen gearbeitet/ und ihren neben=menschen neben sich erbauet/ welches sie so gar nicht gestraffet/ daß sie sie deßwegen geliebet und gelobet haben.«270 Der sich dann anschließende Katalog biblischer Textstellen wirkt wie eine Apologie der apostolisch-prophetischen Tätigkeit von Frauen: Joel 2,28f; Apg 18,26; Röm 16,1f, 12. Mit diesen Texten erinnert Spener an die Töchter des Philippus sowie an Prisca, Phöbe, Tryphäna, Persis, Evodia und Syntyche. Nach diesem Rückblick auf weibliche Gemeinde- und Missionstätigkeit im Urchristentum, der Frauen des 17. Jh. zu eigenen priesterlichen Tätigkeiten ermutigen soll, erfolgt dann im nächsten Abschnitt 61 die Einschränkung im Blick auf das Lehrverbot. »Ist dann den weibes=personen nicht verbotten zu lehren? Ja/ nemlich in der öffentlichen gemeinde. Dann/ daß es ihnen erlaubt seye/ ausser der offentlichen gemeinde/ ist auß obigen sprüchen und Apostolischen exempeln klar.«271 1Kor 14,34 und 1Tim 2,12 bilden die biblischen Belege für dieses Verbot, das Spener hier nicht weiter kommentiert. Das Kriterium der Öffentlichkeit bildet, wie insgesamt für alle Aktivitäten des geistlichen Priestertums, so auch insbesondere für die Frauen das ausschlaggebende Beurteilungsmoment.
268 P. J. Spener, Geistliches Priesterthum, 1677, 58: alles soll geschehen »ohne hindernüß deß offentlichen ordentlichen predig=amts«. 269 P. Grünberg, Spener 2, 1905, 173, beurteilt diese Differenzierung Speners als Inkonsequenz: »Jene Beschränkung der Betätigung des geistlichen Priestertums auf nicht-öffentliche Tätigkeit ergab sich also nicht eigentlich aus dem Wesen der Sache, sondern aus Rücksichten auf Zeitverhältnisse und Zeitanschauungen«. 270 P. J. Spener, Geistliches Priesterthum, 1677, 63f. 271 Ebd., 65f.
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Speners Bemühen, alle Gemeindeglieder als geistliche Priester anzusprechen, um die Gestaltung des christlichen Alltags an die Getauften zurückzugeben,272 bedeutete für Frauen insofern eine Aufwertung ihrer in sozialer und rechtlicher Hinsicht von Männern abhängigen Position, als sie dringend dazu aufgefordert wurden, sich aktiver am kirchlichen Leben zu beteiligen. Die deutlich erklärte Aufhebung des Lehrverbots für alle nicht öffentlichen Ereignisse, die die traditionelle Interpretation zunächst nur um Nuancen verschob, trug im Kontext der pietistischen Bewegung zu weiteren Akzentverlagerungen bei.273 Der von Spener ausgehende Impuls wurde in unterschiedlicher Weise aufgenommen.274 Während ein Teil der pietistischen Bewegung seine Anregungen weiterführte,275 dehnten einige Männer und Frauen die Interpretation der priesterlichen Berufung weiter aus, so dass etwa auch Frauen die Absolution erteilten.276 Daneben jedoch lässt sich unter Berufung auf das gleiche Motiv des geistlichen bzw. königlichen Priestertums eine Radikalisierung des Spenerschen Ansatzes beobachten, die einer Repristination des Priestertums als einer ausgesonderten Elite gleich kam. Während bei Spener die Wiederbele272 Dieses Thema spielte auch weiterhin für ihn eine Rolle, s. etwa einen Brief aus dem Jahr 1680, P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 102f. 273 Vgl. hierzu auch P. Grünberg, Spener 2, 1905, 173, der Speners Vorsicht in Bezug auf Frauen mit den historischen Umständen erklärt: »Gleichwohl half doch auch hier die Lehre und die Praxis des allgemeinen Priestertums leise eine Emanzipation anbahnen«. 274 Bei G. Arnold lässt sich beobachten, dass er auf der einen Seite die von Spener vertretene Sicht mit seinen kirchengeschichtlichen Arbeiten verband, Kirchen- und Ketzerhistorie III, 1729, 153; Erste Liebe, 1732, 214: »Aber vor allen andern ward unter den ersten Christen das geistliche Priesterthum beliebt und bekant«. Ähnlich auch Geistliche Gestalt, 1704, 1f. Anders als Spener leitete er die christlichen Ämter aus dem geistlichen Priestertum ab. Die in der Geistlichen Gestalt angesprochenen Lehrer nehmen nach seiner Darlegung ihr Amt auf Grund einer kirchlichen Berufung oder »vermöge des Geistlichen Priesterthums« wahr, 2, 545–555; ähnlich Ob die Weiber, 1704, 11. Zu Arnolds Zuordnung von allgemeinem Priestertum und Predigtamt in seinem Buch Geistliche Gestalt s. M. Schmidt, Pfarrerideal, 1984, 152, Anm. 191. Die Christ=Lutherische Vorstellung, 1695, 24, reagiert, ohne Arnold zu nennen, auf dieses pietistische Zuordnungsmodell, indem sie erklärt, »daß der Beruff öffentlich zu lehren/ nicht aus dem geistlichen Priesterthum/ Königreich und prophetischen Ampt/ seinen Uhrsprung habe/ sondern vielmehr aus der göttlichen Ordnung/ dadurch Er gewisse Stände in dem menschlichen Geschlechte gestiftet«. Daneben taucht bei Arnold jedoch auch die Vorstellung eines für wenige Personen reservierten Priestertums auf, wenn er die Anhänger der Sophia als »propheten und priester Gottes« versteht, Sophia, 1700, 130. 275 A. H. Francke betonte wie Spener, dass das geistliche Priestertum allen Christen zustände, auch den Frauen, »ob wol das exercitium illius publicum non nisi idoneis & rite vocatis eignete«, Verantwortung, 1694, 189. Als es 1689 in Leipzig zu Konflikten wegen seiner pietistischen Aktivitäten kam, berief er sich auf das geistliche Priestertum, das alle Getauften betreffe, Leipziger Protocoll, 1692, 62, 92, 94; s. auch M. Brecht, Francke, 1993, 448. 276 Beata Sturm praktizierte die Absolution an einem kranken Mädchen, weil »GOtt solche Macht/ Sünden zu vergeben/ nicht an das ordentliche Lehr=Amt gebunden/ sondern bey Gelegenheit allen Gläubigen/ auch den Weibern/ gegeben hat«, J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 166.
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bung des geistlichen Priestertums zunächst auf die Aktivierung kleiner engagierter Gruppen abzielte, die jedoch der Reformierung der gesamten Kirche dienen sollten, verselbstständigte sich diese Idee bei einigen Männern und Frauen, die im Umfeld der pietistischen Bewegung angesiedelt werden können. Bei den meisten Vertretern und Vertreterinnen dieser Auffassung lässt sich eine Bezugnahme auf Jakob Böhme nachweisen.277 Darüber hinaus muss beachtet werden, dass es sich bei dieser Personengruppe um weibliche und männliche Laien handelte, die keine kirchlichen Ämter ausübten, die ihnen eine besondere Legitimierung gegeben hätten. So stellt sich die Frage, ob die Umkehrung vom allgemeinen zu einem besonderen Priestertum eine Art spirituell begründeter Institutionalisierung beinhaltet. Im Zuge dieser völlig anderen Konnotierung der Idee des Priestertums wird auf biblische Bezüge zurückgegriffen, die bei Spener nur am Rande eine Rolle spielten, wie z. B. Apk 1,5; 5,10; 20,6 und die Figur des im Alten Testament beschriebenen Priesters Melchisedek.278 Johann Georg Gichtel,279 Jane Leade und Ernst Christoph Hochmann von Hochenau280 können als wichtigste Vertreter der Idee eines elitären Priestertums benannt werden.281 Leade sah sich beauftragt, einen priesterlichen Orden zu gründen, »der Orden Melchisedeks genannt/ in gleichformigkeit des Königlichen Priesterthums CHristi/ des Haupt dieses Ordens«.282 Die Philadelphische 277 Erstaunlicherweise jedoch begegnet bei Böhme selber ein Eintreten für das allgemeine Priestertum und nicht nur die Bezugnahme auf eine Einzelbeauftragung durch den Heiligen Geist im Sinne eines für wenige reservierten Auftrages, s. E. H. Pältz, Boehme, 1979, 85, 93, 116; J. Böhme, Mysterium Magnum 30, 1623, 19–23. 278 Gen 14,17–20; Ps 110,4; Hebr 5,6; 6,20; 7,1–28. 279 Die Idee, dass alle Christen zu Königen und Priestern berufen seien, war ihm durchaus geläufig und wurde auch nicht von ihm bestritten, J. G. Gichtel, Theosophia Practica 1, 1722, 387, ep. 97. Aber die Bezeichnung »Melchisedechischer Priester« steht im Vordergrund; dieses Priestertum versteht Gichtel als Amt im Dienste der Sophia, das sexuelle Enthaltsamkeit erfordert, Theosophia Practica 4, 1722, 2472, 2481, 2956; 5, 3852; in der seiner gedruckten Korrespondenz beigefügten Biographie wird die Erwählung zum Priester bereits als vorgeburtliches Ereignis durch das Einwirken der Sophia verstanden, Theosophia Practica 7, 1722, 9, 87. Vgl. auch seinen Traktat Eine kurze Eröffnung, 1779, 6, 14, 88f; auch die Forderung der sexuellen Enthaltsamkeit begründet er mit der Parallelität zum alttestamentlichen Priestertum: Theosophia Practica 7, 1722, 251, 287, 305. Daneben entwickelt er auch eine Parallele der Priester zum Amt Christi, ebd., 5, 1722, 3852. Frauen können auch das »Melchisedechische Priester=Amt« ausüben, sind aber nach Meinung Gichtels nur selten dazu geeignet, weil ihnen die Keuschheit auf Dauer schwer fällt, ebd., 5, 1722, 3748, 3821, 3840. Zur Weiterführung dieses Priestertums durch Johann Wilhelm Überfeld, der nach dem Tod Gichtels die Führung der Engelsbrüder übernahm, s. G. Zaepernick, Separatist wider Willen, 1995, 258–264. 280 Zu seiner Person s. H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 98–116. 281 Auch in den Consilia und Responsa Theologica, 1705, 363f, findet sich dieses elitäre Verständnis: »Zu dem geistlichen priesterthum darff nicht ein ieder sich selbst aufwerffen/ . . . Denn welchen GOtt das warhafftige anvertrauet/ die müssen erst im geringen recht treu gewesen seyn. Er wirfft die perle seines königlichen priesterthums nicht vor die säuische menschen.« 282 J. Leade, Leich=Predig, 1703, 118; vgl. dies., Offenbahrung der Offenbahrungen, 1718, 198–262.
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Sozietät betrachtete sie als Verwirklichung dieser Art des Priestertums. Hochmann von Hochenau bemühte sich seit Ende 1699, unabhängig von Leade, um die Errichtung eines Ordens, der jedoch »nicht als eine feste Organisation zu denken« ist.283 Er berief Männer und Frauen zu Priestern und Priesterinnen nach der Ordnung Melchisedeks.284 J. E. Petersens Auffassung des Priestertums muss in diesem Kontext der elitären Traditionsbildung gesehen werden. Durch den seit 1672 bestehenden Austausch mit Spener war sie mit dessen Bemühungen um die Verbreitung des geistlichen Priestertums in Berührung gekommen; in ihrem Werk lässt sich jedoch kein Rekurs auf diese Vorstellung des Priestertums im Sinne einer möglichst breiten Aktivierung von Laien finden. Offen bleiben muss allerdings die Frage, ob Speners Aufforderung an sie, als »geistliche priesterin« tätig zu werden,285 einen Anstoß gegeben hat zur Konturierung ihrer eigenen theologischen Position, die sich zunehmend von der Speners entfernte.286 In ihrem schriftstellerischen Werk stellte J. E. Petersen die Idee des Priestertums ausschließlich in einen Zusammenhang mit ihrem eschatologischen Entwurf. Nur eine Elitegruppe besonders Auserwählter sollte nach dieser Vorstellung als Priester ausgesondert werden.287 Diese Konzeption beinhaltet eine Neuakzentuierung des Gegensatzes von Laien und Priestern, die in dem von Spener und anderen vertretenen Vorstellungshorizont gerade überwunden werden sollte.288 Von ihrem ersten Buch an bis hin zu ihrem 283 H. Renkewitz, Hochmann von Hochenau, 1969, 95. 284 Ebd., 98, 109. Zu den Priesterinnen gehörten Wilhelmine von Solms-Laubach sowie Anna Gertrud von Dalwig, 116. 285 P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 553, ep. 38, Okt. 1672. Hiermit kann die Vermutung von H.-M. Barth, Priester, 1990, 75, korrigiert werden, dass Spener das Femininum Priesterin nicht verwendete. Allerdings fand diese ausdrückliche Bezeichnung Priesterin keinen Eingang in Speners weitere Schriften zum Thema. In einem Brief aus dem gleichen Zeitraum an Sophie Elisabeth von Holstein-Sonderburg äußert sich Spener auch zum »allgemeinen priesterthum«, ohne diese gleichfalls als Priesterin anzusprechen, P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 555, ep. 139. 286 Ein Reflex auf Speners Anliegen scheint hingegen vorzuliegen bei M. J. Baur von Eyseneck, der Weggefährtin und Freundin J. E. Petersens in den Frankfurter Jahren. In ihrem geistlichen Testament, das sie ihren Kindern hinterließ, ermahnte sie diese: »Seyd sanfftmüthig und freundlich gegen jedermann/ vertraget und erbauet euren Neben=Menschen/ in der Liebe/ und so ihr jemand seinen Fehl und Gebrechen erinnern wolt/ wie ihr schuldig seyd/ und euch euer geistliches Priesterthum verbindet/ so lasts mit Sanfftmuth geschehen«, abgedruckt bei G. Arnold, Leben der Gläubigen, 1701, 1135. 287 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 36: »Und dieses königliche Priesterthum und priesterliche Königreich ist das Recht der Erstgebuhrt/ welches nicht alle Kinder des Vaters/ sondern allein die Erstgebohrnen erlangen«. Nach ihrer Vorstellung gibt es eine Erwählung zu dieser Gruppe »vor Grundlegung der Welt«, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 29, s. auch 7f, 31. J. W. Petersen vertritt eine gleichlautende Konzeption, Geschehene Wiederbringung, 1715, 59; Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, o. J., 183. 288 J. E. Petersen, Verklärte Offenbahrung, 1706, 148: »Es ist aber die Würde Könige und Priester vor GOtt zu seyn/ mit keiner Zunge auszusprechen/ und gegen der allgemeinen Seeligkeit/ so die/ welche noch endlich seelig werden/ doch so als durchs Feuer/ unvergleichlich
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letzten bildete die eschatologische Deutung des Priestertums einen festen Bestandteil ihres chiliastischen Deutehorizontes.289 Erst im tausendjährigen Reich sollten Männer und Frauen mit Christus als Priester regieren.290 Zwar gibt es auch »bey Leibes=Leben« ein verborgenes geistliches Priestertum, diesem Aspekt widmet die Autorin jedoch kaum Aufmerksamkeit.291 Sie kann zwar formulieren, dass dem geistlichen Priestertum eine Verantwortung bei der Verkündigung des Erlösungswerkes Christi zukomme, sie lässt jedoch offen, wie und unter welchen Umständen dieser Auftrag realisiert werden soll.292 Erst im himmlischen Jerusalem wird die eigentliche Funktion der zum Priestertum Auserwählten sichtbar werden. »Denn da werden sie in grosser Herrlichkeit Priester GOttes und Christi seyn, und Ihm Tag und Nacht in seinem Tempel dienen . . . Da werden sie in grosser Herrlichkeit mit Christo Könige seyn/ und mit Ihm regieren tausend Jahr . . . Ja sie werden Könige auff Erden seyn . . . welches aber nicht fleischlicher weise/ sondern auf göttliche und himmlische Art und Weise/ geschehen wird«.293 Diese Priester werden nach J. E. Petersens Auffassung nach dem Ablauf der tausend Jahre im Prozess der Wiederbringung eine Funktion ausüben, die sie allerdings nicht im Einzelnen ausmalt.294 Dabei fällt die maskuline Perspektive J. E. Petersens auf, denn sie hofft, als Priester und König in Erscheinung zu treten. Da sie in ihrem Gesamtwerk, wenn es um ihre eigene Person geht, meist deutlich erkennbare Feminin-Formen wie Magd, Dienerin oder Tochter verwendet, kann hinter dieser männlichen Konnotation eine spezifische Form der die Geschlechterunterschiede aufhebenden Soteriologie vermutet werden.295 geringer/ als ein König hier auf Erden gegen einen Unterthan/ und als ein rechtschaffener Priester gegen einen gemeinen Laien.« 289 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 5, 23, 50; Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, 1717, 18; Kurtze Betrachtungen von der Nutzbarkeit, 1717, 31. In ihren Büchern Anleitung, 1696, und Verklärte Offenbahrung, 1706, finden sich die meisten Aussagen zu diesem Themenkomplex, da in beiden der Text der neutestamentlichen Apokalypse ausgelegt wird. 290 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 185f; Verklärte Offenbahrung, 1706, 147f. 291 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 146; Verklärte Offenbahrung, 1706, 147. J. J. Wolf, Kurtze Anmerckungen, 1699, 269, greift in seiner Replik auf das Ewige Evangelium auch die von dieser Autorin vertretene elitäre und eschatologische Perspektive des Priestertums auf und entgegnet: »Ich bin der Meynung/ daß alle Glaubige für GOTT/ Könige und Priester sind/ schon in diesem Leben/ und seyn werden immer und ewiglich; denn alle wahre Gläubige/ sind das Königliche Priesterthum selbst«. 292 Diese Sätze finden sich in einem Brief an H. Horche, der in einem Buch J. W. Petersens abgedruckt wurde, Zeugniß der Warheit, 1718, 8. 293 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 146; vgl. 27; Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 7f. 294 J. E. Petersen, Verklärte Offenbahrung, 1706, 148. 295 Das Bild der männlichen Jungfrau, das sich auf die LXX-Version von Spr 31,10 bezieht, kommt wörtlich vor bei J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 149. Von Böhme wurde dieses Ideal nachdrücklich vertreten: Mysterium Magnum, 1623, 110–118, 176; De incarnatione Verbi, 1620, 60; s. ferner G. Arnold, Sophia, 1700, 43, 107, 155; s. hierzu R. Albrecht, Erkenntnis,
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Das elitäre Verständnis des Priestertums und das von Spener vertretene Modell fußen auf diametral entgegengesetzten exegetischen und ekklesiologischen Deutungsschemata. Ging es Spener um eine Ausweitung des verantwortlichen Engagements durch die Herausbildung einer »ecclesiola« in »ecclesia«, so zielte der elitäre Ansatz auf eine nur aus wenigen bestehende Kirchengemeinschaft, die sich erst im Eschaton realisieren sollte. Beide Modelle formten sich etwa zur gleichen Zeit, beide wurden vertreten von Gruppierungen, die auf der Suche nach einer umfassenden Reform der Kirche waren. Die Berührungspunkte, die in der gemeinsamen biblischen Tradition lagen, verbanden sich jeweils mit völlig gegensätzlichen Zielvorstellungen, so dass auch in der praktischen Realisierung die Wege auseinander gingen. Während Gegner des Pietismus wie Feustking und Eilmar das Engagement J. E. Petersens auf die Grundidee des pietistisch verstandenen geistlichen Priestertums zurückführten, kam in ihren eigenen Reflexionen diesem Motivstrang keine Bedeutung zu.
3.3 Johanna Eleonora Petersens exegetische Legitimierung In J. E. Petersens Werk finden sich an einigen markanten Stellen Äußerungen, die ihre Auseinandersetzung mit den biblisch begründeten Restriktionen für Frauen beleuchten. Die von ihr herangezogenen Bibeltexte belegen, dass es ihr auch bei der Frage nach der Rolle der Frauen um eine exegetisch begründete theologische Argumentationsweise ging. Gerade im Vergleich zu Zeitgenossinnen und Vorgängerinnen zeigt sich etwa, dass der Bezug auf biblische Frauengestalten kein eigenständiges argumentatives Gewicht hatte, auch wenn er ihr geläufig war. Es ist J. E. Petersen gelungen, auf durchaus eigenständige Weise eine Positionsbestimmung als theologische Schriftstellerin vorzunehmen. Um die Besonderheit ihrer Argumentation zu erhellen, werden ihre Bezugnahmen auf biblische Texte sowie auf den traditionellen Topos der Schwachheit des weiblichen Geschlechts in exkursartigen Einblendungen mit zeitgenössischen sowie traditionellen Interpretationen verglichen. Nach eigenem Bekunden begann J. E. Petersen zu schreiben und zu publizieren, weil sie sich von Gott dazu berufen fühlte. Ihr Selbstbewusstsein, das für eine solche Grenzüberschreitung nötig war, bezog sie aus der göttlichen Beauftragung. Weil sie eine Frau war, stieß sie an die Grenzen, die die von Männern geprägte kirchliche Tradition für Frauen gezogen hatte. Sie wehrte sich dagegen nur insoweit, als diese Einschränkungen sie hinderten, ihrem 1991; J. Leade, Garten=Brunn, 1697, 311f; Leich=Predig, 1703, 112–117; J. G. Gichtel, Eine kurze Eröffnung, 1779, 73.
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Auftrag nachzukommen. J. E. Petersen wollte ihrer Botschaft Gehör verschaffen, sie stellte jedoch nicht alle theologischen und gesellschaftlichen Beschränkungen für Frauen in Frage. Ihr Kampf galt nicht generell einer größeren Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens. Sie stritt mit literarischen Mitteln für ihr Recht, ihre Interpretation der Bibel öffentlich bekannt zu machen. Ihr Widerstand richtete sich nur insoweit gegen die kirchliche Tradition, als diese das vom göttlichen Geist inspirierte Auftreten von Frauen behinderte oder sogar grundsätzlich ablehnte. Insofern berührte das Eintreten J. E. Petersens für ihr individuelles Recht auf Schreib- und Lehrfreiheit doch alle Frauen, da ja nicht einzelne Frauen als Individuen, sondern alle wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit von der öffentlichen theologischen Diskussion ausgeschlossen waren. Wenn eine Frau Begründungen dafür finden konnte, dass die biblische Tradition lehrende und schreibende Frauen unterstützte, dann musste das Auswirkungen auf das ganze weibliche Geschlecht haben. Solange diese Argumentation jedoch von den männlichen Theologen nicht akzeptiert wurde, musste jede theologische Schriftstellerin neu beginnen und sich rechtfertigen. Bei einem Vergleich J. E. Petersens mit anderen theologischen Schriftstellerinnen kommt die eigenständige Position dieser deutschen Pietistin deutlich zum Ausdruck. Sie ist die Einzige, die die Legitimierung ihres Schreibens sorgfältig exegetisch absicherte. J. Leade, A. Bourignon, J.-M. Guyon oder A. M. van Schurman gründeten ihr Selbstverständnis als theologische Schriftstellerin auf andere gedankliche Fundamente. Leade, die einen entscheidenden Einfluss auf J. E. Petersen ausübte, schrieb der Heiligen Schrift zwar eine herausgehobene Bedeutung zu, betrachtete den Offenbarungsvorgang jedoch als unabgeschlossen. Ihren eigenen visionären Erlebnissen schrieb sie die gleiche Weisungskraft zu wie den Texten des Alten und Neuen Testamentes.296 Eine argumentative Auseinandersetzung mit einzelnen biblischen Texten, wie sie für J. E. Petersen charakteristisch ist, spielt in Leades Werk nur eine untergeordnete Rolle. Viele ihrer Offenbarungen führte sie darauf zurück, dass biblische Gestalten wie Elia, Daniel und Michael ihr erschienen und direkt mit ihr sprachen.297 Berichte von Auditionen und Visionen, die ihr durch die Gestalt der göttlichen Weisheit zu Teil wurden, prägen den größten Teil ihres Werkes.298 In einer dieser Visionen sah sich Leade von der Weisheit als Nach296 J. Leade, Himmlische Wolcke, 1700, 78; Acht Welten, 1696, 210. 297 J. Leade, Himmlische Wolcke, 1700, 2f; Geistlicher Alarm, 1700, 7; in ihren Träumen und Visionen tauchen einzelne Elemente aus biblischen Texten, vor allem der Apk, auf wie der Drache, das Tier und das weiße Pferd, ebd., 6, 10. 298 J. Leade, Glorie oder Herrlichkeit Sarons, 1700, 6f, 28; Offenbahrung der Offenbahrungen, 1718, 222; nach dem Bericht des Übersetzers von Leades Text Kriege Davids, 1700, 7f, war die göttliche Weisheit ihr im Alter von 16 Jahren erschienen und hatte sie auf ihre Berufung vorbereitet, indem sie von Tanz und Geselligkeit im elterlichen Haus weggerufen und in die Einsamkeit geführt wurde. Bei dem Übersetzer handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um
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folgerin der Apostel eingesetzt.299 Sie konnte aber genauso davon sprechen, dass der Heilige Geist ihr Mitteilungen mache oder dass sie Unterredungen mit Christus führe.300 Leade brachte zum Ausdruck, dass sie über die »Gabe der Prophezeyung« verfüge, ja sie habe »das wahre Priesterliche Lehr=Amt« inne, da sie ihre Mitteilungen direkt aus »himmlischem Unterrichte« bezöge.301 Nach ihrer Auffassung verdankten sich ihre Bücher einem göttlichen »Befehl«, dem sie nachkommen musste, um angesichts der unmittelbar bevorstehenden apokalyptischen Ereignisse zur Umkehr aufzufordern.302 Sie konnte Gott als »Author« ihrer Schriften bezeichnen, da diese »von Gottes eigener Hand« geschrieben worden seien.303 Die Äußerungen Antoinette Bourignons zu ihrem Selbstverständnis als theologische Schriftstellerin weisen große Ähnlichkeit mit Leades Verständnis auf.304 Wie Leade betrachtete sich Bourignon als Offenbarungsmedium, dessen Mitteilungen der Heiligen Schrift gleichzusetzen bzw. überzuordnen seien.305 Von daher entfällt auch bei ihr die Notwendigkeit, sich mit restriktiven biblischen Texten zu beschäftigen. Anna Maria van Schurman hingegen nimmt Loth Fischer, der auch den Briefwechsel der beiden Petersen mit Leade übersetzte. Während bei der von Böhme, Gichtel, Arnold und Pordage vertretenen Sophiologie jeweils männliche Autoren die Begegnung mit einer weiblichen göttlichen Gestalt beschrieben, die auch Züge einer männlich-weiblichen erotischen Beziehung trug, treten bei Leade und bei Anne Bathurst, die zum Kreis der Philadelphischen Sozietät gehörte, die mütterlichen Züge der Weisheit stärker in den Vordergrund. A. Bathurst verfasste ein Tagebuch mit Berichten ihrer Visionen, s. hierzu S. Heller Mendelson, Stuart women’s diaries, 1985, 183, 195, 197; W. Struck, Einfluss, 1935, 141. J. Leade beschreibt ihre Visionen der Weisheit ausführlich in ihrem Tagebuch Garten=Brunn, 1697. Ihr erschien eine weibliche Gestalt, die sich als göttliche Weisheit zu erkennen gab. Diese Frauenerscheinung, »Gottes ewige Jungfrau der Weißheit«, bot Leade an, »eine wahre/ natürliche Mutter« für sie zu werden, ebd., 14. In einer weiteren Vision erschien die Weisheit mit herrschaftlichen Insignien ausgestattet und sprach: »Sihe mich an als deine Mutter/ und wisse/ daß du einen Bund mit mir eingehen must/ krafft dessen du denen neuen Schöpffungs-Gesetzen/ die dir sollen geoffenbaret werden/ gehorchen sollst«, ebd., 15. Der erste Teil ihres Tagebuches umfasst Eintragungen von April 1670 bis zum 28.12.1676, ebd. 13, 366f. Erweiterte Fassungen dieser Aufzeichnungen erschienen 1701. 299 J. Leade, Garten=Brunn, 1697, 16: die Weisheit teilte ihr mit: »habe gute und genaue Acht auf den Rath deiner Mutter der Weißheit/ so wirst du sehr zunehmen und grossen Gedeyen haben/ auch denen Propheten und Aposteln im Amte succediren/ zu ergäntzen und vollkommen auszumachen/ was an Christo/ der Fülle des grossen Geheimnüsses Gottes/ noch hinterstellig sei.« 300 J. Leade, Offenbahrung der Offenbahrungen, 1718, 4f, 28, 72. 301 J. Leade, Henochianischer Glaub=und Lebenswandel, 1696, 76. 302 Dies., Acht Welten, 1696, 195; vgl. 210f, 217; Offenbahrung der Offenbahrungen, 1718, 131. 303 Dies., Offenbahrung der Offenbahrungen, 1718, 29, 181, 236; vgl. auch Auferstehung des Lebens, 1705, 19. 304 Zur innerpietistischen Kritik an Bourignon s. T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 167, 193. 305 A. Bourignon, Erneuerung des Evangelischen Geistes, 1681, Vorrede 114, 35; Leben, 1684, 40.
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insofern eine ganz anders geartete Stellung ein, als sie sich jeweils einem festen Referenzrahmen zuordnete, der ihr einen Platz anbot. Solange sie sich in der Gelehrtenwelt Utrechts bewegte und hier Briefe und Traktate verfasste, bildete die humanistisch-frühneuzeitliche Diskurskultur den Rahmen, in dem sie sich als gelehrte Frau zu allen Fragen äußern konnte.306 In der Querelle des Femmes bezog sie pointiert Stellung zur Bildungsfähigkeit der Frauen. In ihrer labadistischen Zeit ordnete sie sich der Autorität der Theologen unter, ohne für eine eigene Befugnis als Theologin zu kämpfen. Ihre Autobiographie Eukleria, ein weithin theologischer Traktat, sah sie als Stimme zur Verteidigung der labadistischen Gemeindebildung. Auch wenn vermutet werden kann, dass Schurman ihre Bedeutung und Eigenständigkeit vor der Öffentlichkeit herunterspielte, um der Gemeinschaft zu dienen, so kann festgehalten werden, dass es von ihr keine direkten Äußerungen zur Legitimation einer schreibenden Labadistin gibt. Bei Jeanne-Marie Guyon, deren Kommentare zum Alten und Neuen Testament insgesamt einen Umfang von 20 Bänden ausmachen, spielen Reflexionen zur Legitimierung ihres Schreibens eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Ihre wenigen Äußerungen zu diesem Themenkomplex scheinen an die Tradition der mittelalterlichen Mystik anzuknüpfen, wenn sie sich als »Kanal« beschrieb, durch den der göttliche »Autor und Urheber« seine Formulierungen fließen lasse.307 Nach ihrer Deutung hatte sie die gesamte Erläuterung zur Heiligen Schrift innerhalb von wenigen Monaten des Jahres 1684 zu Papier gebracht. Dieses Werk sei nicht ihrem eigenen Willen, sondern dem Auftrag Christi entsprungen: »Notre Seigneur me fit expliquer toute la sainte Ecriture. Je n’avois aucun livre que la Bible & ne me suis servi que de celui-là, sans jamais rien chercher.«308 Guyon sah ihr mystisches Kommentarwerk nicht als Konkurrenz zu den Erläuterungen der männlichen Theologen, sondern vielmehr als von Gott gewollte Ergänzung. In der Einleitung zu den Büchern des Alten Testamentes erklärte sie, dass zwar viele bedeutende Männer es unternommen hätten, die Heilige Schrift zu erklären, aber noch keiner habe es versucht, »d’expliquer le sens mistique, ou interieur, du moins entierement«.309 Im Kontext dieses zeitgeschichtlichen Rahmens gewinnt die Positionsbestimmung J. E. Petersens ihre Aussagekraft. Ihre erste Buchveröffentlichung, die Gespräche des Hertzens, erschienen ohne jede Bezugnahme der Verfasserin auf ihre Geschlechtszugehörigkeit; in gewisser Weise wurde diese Thematik durch das Vorwort Christian Kortholts abgedeckt, der mit seiner Autorität für die Qualität der neu sich auf dem Buchmarkt bewegenden Schriftstellerin 306 307 308 309
Vgl. hierzu J. Irwin, Schurmann, 1996. J.-M. Guyon, L’Apocalypse, 1699, 78, in Le Nouveau Testament, 1713. J.-M. Guyon, La Vie 2, 1791, 222. J.-M. Guyon, Les Livres de L’Ancien Testament, 1715, 48.
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bürgte. Erst die beiden nächsten Werke enthalten Passagen mit ausdrücklichen Reflexionen über theologische Begründungen für weibliches Schreiben. Diese Aussagen sollen Gegenstand der nachfolgenden Analyse sein. Während J. E. Petersen in diesen beiden Schriften ihre Position detailliert darlegte und erläuterte, kam sie in ihrem 1701 veröffentlichten Traktat auf Grund der Angriffe Johann Wincklers310 auf diesen Themenkomplex zurück. In zugespitzter Präzisierung spricht hier eine Schriftstellerin, die sich ihres Rechtes zur theologischen Lehre sicher ist. In der Vorrede zu den 1691 veröffentlichten Glaubens=Gesprächen äußert sich J. E. Petersen zu ihrem Selbstverständnis als schreibende Frau. Sie nimmt den in der Tradition ausgebildeten Topos der Schwachheit auf und unterstreicht mit dessen Hilfe gleichzeitig, dass Gottes besondere Fürsorge diesen Schwachen gilt. In gebetsartiger Weise an Christus gewandt, bittet sie ihn um Schutz vor denjenigen, »die ümb des schwachen Werckzeuges willen dein Werck verwerffen und unterdrücken wollen«.311 Mit dieser Formulierung bringt die Schriftstellerin in einem Atemzug gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein und ihre Demut zum Ausdruck. Sie unterstellt sich ganz der Autorität Jesu Christi, indem sie beansprucht, sein Werk und nicht ihr eigenes auszuführen. Damit trifft jede negative Reaktion nicht die Schriftstellerin, sondern den göttlichen Urheber. Die Betonung der eigenen Schwachheit dient einer Hervorhebung des Wirkens der göttlichen Gnade.312 Die Redewendung von der Schwachheit des weiblichen Geschlechts bzw. von den Frauen als schwachen Werkzeugen begegnet bei vielen Schriftstellerinnen, die mit dieser formelhaft verwendeten Topik die ihnen in der christlichen Tradition zugeschriebene Rolle reflektieren.313 Das auch in Bezug auf Männer nachzuweisende Motiv des Werkzeuges weist aber eine charakteristisch andere 310 J. E. Petersen, Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701. 311 J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, Vorrede )(3v–4r; sie berichtet ferner, dass ihr Ehegatte sie zunächst von der Publikation dieses Textes abhalten wollte, »damit die Boßhafftigen/ dieselbe um des schwachen Werckzeuges willen/ nicht noch mehr lästern und verlachen möchten«, ebd., Zuschrifft. J. W. Petersen, Ausbreitung, 1697, 77, verteidigt die Publikation des Kommentars seiner Frau zur Johannes-Apokalypse mit dem folgenden Argument, dass Gott »durch geringe Werckzeuge am allermeisten gepriesen wird/ alß an welchen man siehet/ daß es der HErr allein gewesen/ der es gewircket«. Vgl. auch J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, 152, 182. 312 In frühneuzeitlichen Texten begegnet der Topos des schwachen Werkzeuges als Umschreibung für Frauen allerdings auch ohne die Wendung zum Positiven, wie sie bei J. E. und J. W. Petersen deutlich markiert wird. J. Töllner spricht ganz schlicht von seiner Ehefrau als dem schwachen Werkzeug, dem er nicht allzu viel Stärke zutraute, Unrechtmäßige Absetzung, 1697, 98. A. E. von Schleebusch bezeichnete sich zu Beginn ihres Buches Geistliche Ehren=Pforte, 1676, 11, als »elendes schwaches Gefässe und Werckzeug«, ohne die Erhöhung der Elenden durch Gott anzudeuten. 313 So nennt die Pietistin Anna Magdalena von Reibnitz sich in einem Gebet »schwaches Weib«, J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VI, 1730, 204. Bei Zinzendorf lässt sich diese Formel auch nachweisen, s. O. Uttendörfer, Frauen, 1919, 39f.
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Konnotation auf, denn dabei geht es in keiner Weise um einen Konnex mit der Geschlechtszugehörigkeit. Wenn von Männern als Werkzeugen Gottes die Rede ist, dann steht dabei die Demut des einzelnen Mannes im Vordergrund.314 Nur einige wenige Nachweise deuten an, dass auch männliche Autoren die Bekundung eigener Schwäche und Ungelehrtheit in analoger Weise wie Frauen thematisierten. Die Demuts- und Schwachheitsbezeugungen dürfen nicht in erster Linie als individuelle weibliche Selbstaussagen verstanden, sondern sie müssen auf dem Hintergrund ihrer Traditions- und Wirkungsgeschichte entschlüsselt werden. Der bereits neutestamentlich belegte Sprachgebrauch von Frauen als dem schwachen Geschlecht (1Petr 3,7) verdankt sich antiker philosophischer Tradition und setzte sich ungehindert in altkirchlichen, mittelalterlichen und humanistischen Denkkategorien fort,315 die sich bis in die Frühe Neuzeit auswirkten. Zumeist wird die Übernahme des Vorurteils weiblicher Schwachheit so genutzt, dass dabei eine Neubewertung stattfindet: Gott hat nämlich das Schwache erwählt und besonders ausgezeichnet. Indem die Schwachheit mit dem göttlichen Erwählungshandeln in Verbindung gebracht wird, nehmen die Autorinnen in Anspruch, dass sie an der von Gott vorgenommenen Umwertung weltlicher Maßstäbe partizipieren, die in den biblischen Texten fest verankert ist. So verkehrt sich untergründig der Makel in eine Vorzugstellung.316 Diese Deutung findet insbesondere einen Anhalt am paulinischen Schrifttum, da der Apostel selber z. B. in 2Kor 12,9 seine Schwachheit als Stärke in Gottes Augen rühmt. Nur einige Beispiele, die die weite Verbreitung dieses Topos andeuten, sollen im Folgenden genannt werden.317 314 Vgl. etwa Unschuldige Nachrichten 1724, 871, wo ein Brief Speners vom 13.12.1686 an Caspar Sagittarius abgedruckt ist, in dem dem Empfänger gewünscht wird, dass er noch lange »ein Gefäß seiner (d. i. Gottes) Barmhertzigkeit und Werckzeug seiner Ehre bleiben« möge. G. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie II, 1729, 499, spricht von Luther als einem Werkzeug der Gnade Gottes. Im Nachruf auf J. Winckler spricht C. Bussingius, Winckler, 1705, 33, im Rückblick auf die Ausbildung des Verstorbenen von der Vorbereitung »zu einem tüchtigen Werkzeuge«. Zudem kann festgestellt werden, dass von Männern verwendete Demutsbekundungen eine größere Vielfalt der individuellen Formulierung aufweisen, da sie nicht kollektiv als Geschlecht ihre Schwäche einräumen mussten, vgl. z. B. die Briefe Bernhards von Clairvaux, Werke 2, 1992, 12, ep. 2; 398, ep. 25; 428, ep. 37; 944, ep. 148; vgl. auch P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 705, ep. 177; Natur und Gnade, 1687, 9/477, 24/492. 315 Zur altkirchlichen Tradition s. J. Beaucamp, Vocabulaire, 1976; R. Albrecht, Makrina, 1986, 197ff; I. Stahlmann, Sexus, 1997, 30–39. Bernhard von Clairvaux etwa verglich einige von ihm getadelte Priester und Bischöfe wegen ihres Kleiderluxus mit dem »schwächeren Geschlecht« und rechnete damit, dass die Männer diesen Vergleich als Verunglimpfung empfinden würden, Werke 1, 1990, 448, ep. 42. Derselbe Autor formulierte in einem Brief an eine Frau, dass die Tugend bei den Männern schon ein seltener Vogel sei, umso mehr bei einer schwachen Frau, ebd., 816, ep. 113. 316 Zur Verankerung der Demutsbezeugungen im frühchristlichen und mittelalterlichen Schrifttum s. E. Auerbach, Sermo humilis, 1958; J. Schwietering, Demutsformel, 1970. Vgl. auch Bernhard von Clairvaux, De gradibus humilitatis, 1124, Werke 2, 1992, 84. 317 Dabei muss beachtet werden, dass durchaus nicht alle schreibenden Frauen sich dieser Topik
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Die im frühen Mittelalter Latein schreibende Kanonisse des Stiftes Gandersheim nennt sich selber »Hrotsvit nesciola«318 und spricht an mehreren Stellen ihres Werkes von einer »feminea fragilitas«.319 Wegen der Schwäche ihres Geschlechtes sei ihr Wissen entsprechend klein.320 Ihre dichterischen Fähigkeiten versteht sie als Gabe, die sie von Gott empfangen hat und die sie ihm durch ihr Schreiben zurückerstatten möchte.321 Diese traditionellen Bescheidenheitstopoi kennzeichnen die eine Seite der ambivalenten Selbsteinschätzung einer Frau, die sich auf der anderen Seite durch eine große »Kühnheit« auszeichnete, »mit der sie sich über die Konventionen hinwegsetzte und Aufgaben angriff, die bis dahin fast ausschließlich Männern vorbehalten waren, und ein umfangreiches Werk schuf.«322 Catharina Regina von Greiffenberg griff den Topos der Bescheidenheit zu einem Zeitpunkt auf, zu dem sie bereits eine anerkannte Dichterin war. Sie bezeichnete sich als »ein einfältiges schwach=und ungelehrtes Weibsbild«.323 Diese hier erwähnten schreibenden Frauen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit betraten alle ein Tätigkeitsfeld, das ihrem Geschlecht auf Grund der dominierenden Geschlechteranthropologie und der Bildungsgepflogenheiten verschlossen war. Jeweils als Einzelne übernahmen sie mit den Schwachheitstopoi das kirchlich sanktionierte Gefüge, um dann für ihre Person eine Ausnahme zu reklamieren. Mit der stereotypen Wiederholung ihrer Demutsbekundungen, die sich auf ihre Geschlechtszugehörigkeit bezogen, signalisierten diese Schriftstellerinnen, dass sie die herrschende Ordnung nicht prinzipiell antasteten, sondern sich darin einfügten. J. E. Petersen knüpfte mit ihren Formulierungen in den Glaubens=Gesprächen an diese Tradition an und brachte so zum Ausdruck, dass ihr die kirchliche Überlieferung geläufig war und dass sie sich in diese eingliederte. Aus der Vorrede geht weiter hervor, dass die Verfasserin damit rechnete, angegriffen zu werden. Angesichts des zu erwartenden Widerstandes gegen ihre Publikation entwickelte sie theologisch begründete Argumente, um ihr Recht auf eigene schriftliche Äußerungen zu verteidigen. Sie habe mit »diesem Büchbedienten, so schreibt G. Jaron Lewis, Gottes- und Menschenbild, 1990, 67, über Gertrud von Helfta: »Wenn von Schwäche die Rede ist, handelt es sich um die menschliche Gebrechlichkeit . . . und nicht um den Topos weiblicher Schwachheit, wie wir ihn bei ihren Zeitgenossinnen antreffen.« 318 Hrotsvithae Opera, 1970, 235; zu Person und Werk Hrotsvits (um 935–nach 973) s. H. Homeyer, Hrotsvitha von Gandersheim, 1973; W. Freytag, Geistliches Leben, 1988. 319 Hrotsvithae Opera, 1970, 38, 234. 320 Ebd., 386. 321 Ebd., 234. 322 H. Homeyer, Hrotsvitha von Gandersheim, 1973, 56. 323 C. R. von Greiffenberg, Zwölf andächtige Betrachtungen, 1683, Werke 9, VorAnsprache; gleichzeitig nahm die Dichterin jedoch auch für sich in Anspruch, dass Gott sie zu seinem besonderen Werkzeug auserwählt habe, Sieges-Seule, 1675, 240f: »GOtt trieb und schrieb durch mich. Von ihm ist alles kommen«.
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lein« durch ihre »schwache Feder« nicht Gefallen bei den Menschen, sondern ausschließlich bei Gott gesucht. Die Menschen reagierten jedoch »nach ihren fleischlichen Sinn«: »Auch werden sich einige finden/ die solches meinem Weiblichen Stande unanständlich halten/ und urtheilen/ aber ich kehre mich an solche auch nicht/ dieweil sie mit ihren Urtheil nicht wehren können/ daß der HERR HERR seinen Geist nicht auch auf seine Mägde außgiessen solte/ ja er thut es/ und wirds noch in grössern Maß thun/ weil vor ihm wolgefällig ist/ dem Unmündigen seine Warheit zu offenbahren/ welche den Klugen und Weisen nach der Krafft verborgen ist; Er behält die Weise/ die Er je und je gehabt/ das Hohe stürtzet er/ und hebet den Elenden auff aus dem Koth/ darin er vor den Augen der Stoltzen liegen muß; ja Vater/ also ists wolgefällig vor dir.«324
Zunächst berührt die Autorin die für ihr Geschlecht insgesamt geltenden Einschränkungen: nicht nur sie als Individuum, sondern alle Frauen, der weibliche Stand, haben nach Ansicht vieler ihrer Zeitgenossen nicht das Recht, zu schreiben und das Geschriebene auch noch zu veröffentlichen. Indem sie ihr Werk publiziert, verhält sie sich nach diesen Kategorien »unanständlich«. Wenn eine Frau zu viel liest oder gar Bücher publiziert, dann begibt sie sich in den Bereich des Nicht-Geziemenden, des Nicht-Erwarteten. Gegen diese Urteile und Vorurteile setzt die pietistische Autorin ein markant pointiertes Ich: »aber ich kehre mich an solche auch nicht«. Dieses Ich bezieht seine Stärke nicht aus persönlichem Selbstbewusstsein, sondern aus göttlicher Autorität. Dem falschen menschlichen Urteil stellt die Autorin das Handeln Gottes gegenüber. Die folgenden Sätze erweisen sich als Kompilation aus mehreren Bibelstellen, und zwar aus Joel 3,1ff; Mt 11,25f; 1Sam 2,8 und Lk 1,52. Mit der Einleitungsformel »der HERR HERR« paraphrasiert die Autorin zunächst die Eingangsverse aus Joel 3325 und hebt dabei bezeichnenderweise nur auf die Mägde ab, während im biblischen Text von Knechten und Mägden die Rede ist. Die alttestamentliche Vorstellung, dass Knecht und Magd eine besondere Vorzugstellung bei Gott einnehmen, schlug sich auch in der Bezeichnung Marias als Magd des Herrn in Lk 1,52 nieder. In allen Perioden der Kirchengeschichte haben Frauen an diese marianisch-prophetische Tradition angeknüpft, um sich ihres vor Gott ausgezeichneten Platzes zu vergewissern.326
324 J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, Vorrede )()(6v–7r. 325 Die gemeinten Verse stehen nach heutiger Zählung in Joel 3,1–2; zu J. E. Petersens Zeit wurden sie als 2,28–29 gezählt, da die Luther-Bibel zunächst nach der Vulgata einen anderen Kapitelaufbau übernahm, s. H. W. Wolff, Dodekapropheton 2, 1985, 7. Die Verszählung begegnet zum ersten Mal in einem Heidelberger Druck von 1568, 1586 wurde sie in die Wittenberger Lutherbibelausgaben übernommen, s. B. Köster, Lutherbibel, 1984, 29. 326 Nicht nur die Frauen selber, auch Männer verwendeten diese Bezeichnung im Hinblick auf Frauen, so wenn Bernhard von Clairvaux die zur Nonne gewordene ehemalige Gräfin der Bretagne als ancilla Christi anredet, Werke 2, 1992, 832, ep. 116.
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Auch J. E. Petersen bezeichnet sich in ihren weiteren Schriften oft als arme und elende Magd.327 Die Verfasserin der Glaubens=Gespräche nimmt für sich und ihre Zeit in Anspruch, dass die Joel-Verse sich erfüllen, wenn sie über Gottes Eingreifen formuliert: »ja er thut es/ und wirds noch in grössern Maß thun«. Die eigene Zeit wird dadurch zur eschatologischen Heilszeit qualifiziert, in der die bis dahin geltenden Spielregeln sich als überholt erweisen. Die sich dann anschließende Begründung, die verschiedene neutestamentliche Motive aufgreift, spricht zunächst weiter in der dritten Person Singular von Gott, um sich dann am Schluss zu einer direkten Anrede zu wandeln: »ja Vater/ also ists wolgefällig vor dir.«328 Eingeleitet wird die Begründung durch eine Paraphrase von Mt 11,25, wo den Unmündigen eine Vorzugstellung bei Gott gegenüber den Weisen und Klugen eingeräumt wird.329 Die Beschreibung von Gottes mächtigem Eingreifen, das die Verhältnisse zwischen Hohen und Niedrigen umkehrt, enthält Anklänge an zwei biblische Texte, die Frauen zugeschrieben werden: den Lobgesang Hannas aus 1Sam 2 und den Lobgesang Marias aus Lk 1. Der die zitierte Passage abschließende Gebetsruf, den Christus an seinen Vater richtete, unterstreicht die Absicht der Verfasserin, ihre biblische Interpretation christologisch zu begründen. Die Autorin beschließt ihre Vorrede mit dem Hinweis auf Gott, »der kein Ansehen der Person hat«,330 und stellt damit die irdischen Verhältnisse der Geschlechter-Ordnung als nur begrenzt gültig hin. Die von J. E. Petersen hier herangezogenen biblischen Verse bündeln zwei unterschiedliche argumentative Stränge zu einer herausgehobenen Qualifizierung ihrer Person und ihrer Zeit. Während es Gottes Vollmacht entspricht, zu jeder Zeit Frauen und Männer zu außerordentlichem Handeln zu berufen, so gibt es daneben nach den biblischen Berichten und Visionen außergewöhnliche Heilszeiten, in denen Gottes Geist nicht nur einzelne, sondern viele Menschen berührt. Durch die Verknüpfung beider Motive charakterisiert die pietistische Autorin ihre Zeit als besondere Gnadenzeit und sich selbst als eine Person, die zusätzlich einem extraordinären Auftrag Gottes unterliegt. Ihr schriftstellerisches Wirken erweist sich unter dieser doppelten Begründung als schlichte Ausführung der göttlichen Sendung. Wer aus dieser göttlichen Perspektive ihr Werk liest, der kann keinen Anstoß daran nehmen, dass eine Frau die Glaubens=Gespräche verfasst hat. 327 J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, 4, 222; Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, 1717, 24, 43; zur neutestamentlichen und altkirchlichen Tradition des Magd-Christi-Topos s. R. Albrecht, Makrina, 1986, 102ff. 328 Hier klingt Mt 11,26 an. 329 Zur Ähnlichkeit der Argumentation bei der als Prophetin auftretenden Eva Margaretha Frölich s. B. Andersson, Prophetin, 1991, 30f. 330 Röm 2,11; Eph 6,9; Kol 3,25.
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Eingesetzt hatten J. E. Petersens Reflexionen in den Glaubens=Gesprächen über ihre Rolle als schreibende Frau mit den Beschränkungen, die ihr weiblicher Stand, ihr Geschlecht, ihr auferlegte. Durch ihre exegetisch-theologische Argumentation ergibt sich am Schluss, dass nicht sie selber sich Rechte herausnimmt, sondern dass Gott derjenige ist, der Frauen mit seinem Geist begabt, da diese als die Unmündigen und Elenden dafür besonders geeignet sind. Die Aussage, vor Gott gelte »kein Ansehen der Person«, hat insbesondere Konsequenzen für das weibliche Geschlecht, da gesellschaftliche und kirchliche Grenzziehungen mit Hilfe dieser theologischen Herleitung überschritten werden können. In den Glaubens=Gesprächen geht J. E. Petersen nur in der oben zitierten kurzen Passage auf die sich aus ihrem Frausein ergebenden Schwierigkeiten für ihre theologisch-schriftstellerische Arbeit ein. Die fünf Jahre später veröffentlichte Anleitung enthält eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem gleichen Themenkomplex. Die Vorrede dieses Werkes verwendet die auch in den Glaubens=Gesprächen vorkommenden Topoi der traditionellen weiblichen Selbstbeschreibungen, wenn die Autorin von sich als elender Magd oder als schwachem, unmündigen Werkzeug spricht.331 Mit diesen Demutsbezeugungen verschränkt sich in der Anleitung aber gleichzeitig ein gesteigertes Selbst- und Sendungsbewusstsein. J. E. Petersen will in diesem Buch »die wahre Erkenntniß der H. Offenbahrung« vermitteln, die »der gantzen Welt Heyl und Seegen« bringen könne.332 Denjenigen, die ihren Erkenntnissen nicht zustimmen, droht sie mit dem göttlichen Gericht: »Der HErr Herr redet/ wer sollte nicht weissagen? Wer es nun nicht hören will zum Leben/ sondern mit bösem Sinn dagegen tobet und lästert, der dürffte dieses zum Zeugniß und Gericht hören müssen.«333 Mit diesem Rekurs auf die Unausweichlichkeit, die der Mitteilung des göttlichen Wortes innewohnt, stellt sich J. E. Petersen in die Tradition der prophetischen Rede. Wenn Gott einen Propheten bzw. eine Prophetin für die Übermittlung seiner Botschaft in Anspruch nimmt, dann kann sich diese Person dem göttlichen Auftrag schlechterdings nicht entziehen. Die Vorrede der Anleitung endet mit fünf Entgegnungen, in denen die Verfasserin möglichen Vorhaltungen zuvorkommt. Eingeleitet wird diese Passage mit dem Satz: »Im Ubrigen weiß ich wohl/ daß/ gleichwie über meine vorige Wercklein/ also noch vielmehr über dieses mancherley Urtheile werden gefället werden.«334 So kann vermutet werden, dass J. E. Petersen hier auf Vorwürfe antwortet, die ihr bereits hinsichtlich ihrer ersten beiden Bücher gemacht wurden, auch wenn sie im Futurum schreibt. 331 332 333 334
J. E. Petersen, Anleitung, 1696, Vorrede, a4r-v. Ebd., a4r-v. Ebd., a4r; der erste Teil dieses Zitates stimmt wörtlich mit Amos 3,8 überein. Ebd., b4v.
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Die erste Entgegnung nimmt Bezug auf das Geschlecht der Autorin: »Ettliche werden in Zweiffel ziehen/ daß von mir als einer Weibes=Person dergleichen herkommen sollte.«335 Die Verfasserin der Anleitung geht auf dieses Argument nicht weiter ein, sondern weist lediglich darauf hin, dass »dieser Schrifft eine Gabe« zugrunde liegt, die sie »vom HErrn empfangen habe«. Die zweite Entgegnung weist eine exegetische Auseinandersetzung auf und soll im Folgenden im Mittelpunkt stehen. In der dritten Entgegnung begründet sie, warum sie selber unter ihrem Namen und nicht ihr Ehegatte unter dem seinen das Werk zur Johannes-Apokalypse herausgegeben habe. Hier begegnet wieder die Umdeutung der als schwach angesehenen Frauen zu besonders geeigneten Personen für das göttliche Wirken. Ihr Ehemann habe »es billich und gar gerne zugelassen/ daß zum Preiß GOttes der Nahme eines schwachen und verächtlichen Werckzeuges demjenigen vorgesetzet würde/ was der HERR durch das Schwache Geringe und Verächtliche gewircket hat.«336 Als vierten Punkt berührt J. E. Petersen das Verhältnis ihrer Schriftstellerei zu ihrem »häußlichen Beruff«. Gegenüber dem Vorwurf, dass sie ihre häuslichen Pflichten vernachlässige, beharrt die Verfasserin der Anleitung darauf, dass sie diese treu erfülle.337 »Daß ich aber die übrige Zeit/ die mir der liebe GOtt gönnet/ von den Zeugnissen meines GOttes zu schreiben anwende: daran thue ich nicht unrecht.«338 In der letzten Entgegnung weist J. E. Petersen den Verdacht zurück, dass sie aus Hochmut und Ehrsucht handele, und verweist noch einmal auf die göttliche Gabe, die sie lediglich weitergebe. Diese Vorrede schließt mit einer direkten Anrede an den »geliebten Leser«, dem sich die Autorin empfiehlt als »Seine in Christo ergebenste Dienerin/ //J. E.Petersen/ // gebohrne von und zu Merlau.«339
335 Ebd., b4v. 336 Ebd., c1r. 337 Während J. E. Petersen für ihre Person eine konfliktfrei gelöste Verbindung von Haus- und Schreibarbeit konstatierte, beschrieb C. R. von Greiffenberg gerade die Konflikthaftigkeit zwischen Neigung zum Schreiben und den Pflichten der weiblichen Rolle. Als sie die Alexandriner ihrer Sieges-Seule, 1675, verfasste, war sie noch nicht verheiratet, litt aber trotzdem unter den an sie gestellten Forderungen: »Ich hatte zwar damahls die Haus-Sorge nicht/ wurde aber zu andern weiblichen Ubungen angehalten: daß ich also/ zu dieser/ fast die Stunden stehlen muste«, ebd., Vorrede; vgl. auch Zwölf andächtige Betrachtungen, 1683, Werke 9, VorAnsprache, unpag. Für schriftstellerisch tätige Frauen des 18. und 19. Jh. spielte dieser Konflikt zwischen den an alle Frauen gestellten Anforderungen, Hausfrau und Mutter zu sein, und dem literarischen Schaffen eine große Rolle, s. E. Walter, Lebenszusammenhänge, 1985; A. Runge, Literarische Praxis, 1997, 37f. M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 62, verkennt diesen Zusammenhang und behandelt die Äußerung J. E. Petersens als Ausdruck einer individuellen Problematik. Er spricht von einem »verleumderischen, ihre Identität als Frau besonders hart treffenden Vorwurf, sie vernachlässige über ihrer Schriftstellerei ihre Pflichten als Ehefrau und Mutter«. 338 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, Vorrede, c1r. 339 Ebd., c1v.
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Zur theologischen Begründung ihres Schreibens führt die Verfasserin der Anleitung in der zweiten Entgegnung ihrer Vorrede folgende Argumente an: »Ettliche werden mir die Worte Pauli 1 Corinth.14/v.34 und 1 Timoth.2/v.12./ vorwerffen/ daß einem Weibe unter der Gemeine GOttes zu lehren nicht gezieme. Aber diese sollen wissen/ daß mich dieselben Worte nicht treffen. Ich respectire was der H. Geist durch Paulum gezeuget hat/ und masse mich gegen die geziemende weibliche Unterthänigkeit keines Lehrens unter der Gemeine GOttes an: Dieses aber weiß ich auch wohl/ daß/ gleichwie in Christo JEsu nach Austheilung der Gnade und des Geistes weder Mann noch Weib etwas gilt/ Galat.3/ v.28/ als auch die Gnade und Gabe GOttes in einer Weibes=Person nicht zu dämpffen und zu unterdrücken sey/ nach der Vermahnung Pauli/ 1 Thess.5/ v.19/ sondern alle Gaben des Geistes/ sie erzeigen sich in Männern oder Weibern/ sind würdig/ daß sie zum gemeinen Nutz dargeleget/ und angewendet werden/ 1 Cor.12/ v.7. Darumb hat auch der heilige Geist durch Joel/Cap. 2./ v.28/ und Actor.2/ v.17/18/ bezeuget/ daß nicht nur die Söhne/ sondern auch die Töchter Israelis/ weissagen sollten/ und daß der HERR nicht nur über seine Knechte/ sondern auch über seine Mägde/ seinen Geist ausgiessen würde/ daß sie weissagen sollten: Und Paulus/ der den Weibern das Lehren in der Gemeine untersaget hat/ leget selbst in eben der angezogenen 1 Epist. an die Corinthier/ Cap. 11/ v.4/5/ beydes Männern und Weibern die Gabe der Weissagung bey. Da mir nun der HERR auch von seinem Geiste gegeben/ und die Gabe solcher Erkenntniß aus Gnaden mitgetheilet hat: so weiß ich mich zwar billich der geziemenden Unterthänigkeit in der Gemeine GOttes zu bescheiden; ich weiß aber auch/ daß ich die Gabe des HErrn nicht empfangen habe/ sie unter den Scheffel zu stecken/ sondern damit zu wuchern/ und dieselbe zu seiner Ehre und zu Nutz des Nechsten anzuwenden/ und weiß auch/ daß Niemand/ der ein rechts Urtheil zu fällen Gnade erlanget hat/ mich beschuldigen wird/ daß ich mich durch dasjenige die Gemeine GOttes zu lehren unterstanden hätte/ welches ich vielmehr dem Urtheil der Gemeine GOttes zur Prüfung unterwerffe.«340
Den Ausgangspunkt ihres Argumentationsverfahrens wählt J. E. Petersen bei den beiden paulinischen bzw. deuteropaulinischen Textstellen, die den Frauen das öffentliche Reden und Lehren untersagen. Diese beiden Stellen prägten mehr als alle anderen biblischen Aussagen das traditionelle christliche Frauenbild; deswegen geht die Verfasserin der Anleitung durchaus geschickt vor, wenn sie diese Texte nicht einfach bei Seite lässt. Denn alle Gegner würden ihr das neutestamentliche Schweigegebot als Erstes entgegenhalten. Ihre Zusammenfassung von 1Kor 14 und 1Tim 2 unter dem Aspekt des Lehrens lässt erkennen, dass sie ihr eigenes Schreiben unter diesem Gesichtspunkt betrachtete. Zunächst unterstellt sie sich der Autorität des biblischen Zeugnisses. Die neutestamentlichen Schweige- und Unterordnungsforderungen für Frauen scheint sie anzuerkennen, wenn sie schreibt: »ich . . . masse mich gegen die geziemende weibliche Unterthänigkeit keines Lehrens unter der Gemeine GOttes an«. Dieser Satz markiert deutlich, dass die Verfasserin den zeitgenössischen kirch340 Ebd., b4v–c1r.
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lichen und auch den pietistischen Diskurs gut genug kannte, um zu wissen, dass ein weibliches Pfarr- oder Lehramt von keiner Seite zur Diskussion stand. Mit dieser Aussage bekundete sie, dass sie durchaus willens war, den traditionellen Rahmen der Geschlechterrollen, der die mit dem Amt verknüpfte öffentliche Lehre ausschließlich dem männlichen Geschlecht zugestand, zu akzeptieren. Dann allerdings folgt ein biblisch begründeter Entwurf, der zu einem völlig anders gearteten Ergebnis führt. Mit Paulus streitet J. E. Petersen gegen Paulus, um heraus zu arbeiten, dass Frauen sehr wohl lehren dürfen. Die in diesem Abschnitt herangezogenen Bibelstellen setzen den Akzent auf das Wirken des göttliches Geistes, das alle Schranken und Eingrenzungen der Geschlechter durchbricht. Dieses in wenigen Zeilen zusammengedrängte Plädoyer für die geistliche Gleichbegabung von Frauen und Männern zeugt von einer profunden Bibelkenntnis und einer theologischen Argumentationsfähigkeit der Autorin. Mit Gal 3,28 setzt J. E. Petersen in ihrer exegetischen Begründung ein, um zu zeigen, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen keine Bedeutung für die Gaben des Geistes und für die Gnade Gottes haben. In der vorpaulinischen Taufkatechese wird beschrieben, dass durch die Taufe eine neue Ordnung hergestellt worden ist, in der die Unterschiede zwischen Herrschenden und Beherrschten nicht mehr gelten. Die Verfasserin der Anleitung aktualisiert die paulinische Aussage für ihren Argumentationszusammenhang, indem sie die Gleichwertigkeit von Mann und Frau auf die »Austheilung der Gnade und des Geistes« bezieht.341 Da Gal 3,26–29 zu den durch die Reformation übernommen Perikopentexten gehörte,342 wurde über diese Verse regelmäßig am Neujahrstag gepredigt. Einige Prediger griffen dabei das Thema der Gleichheit von Frauen und Männern vor Gott auf,343 so z. B. der zu den reformorientierten Kreisen des 17. Jh. 341 J. E. Petersen kennt auch eine andere Verwendung von Gal 3,28. In ihrer Verklärten Offenbahrung, 1706, 19, bezeichnet sie mit diesem Vers das Gemeinschaftsideal der wahren Christen. Im Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 6, zieht sie diese paulinische Aussage heran, um das Ideal der Einigkeit der Konfessionen, insbesondere zwischen Lutheranern und Reformierten, zu skizzieren. 342 Luther betonte in seiner Auslegung dieses Textes, dass es um die Wirklichkeit des Glaubens geht, die Paulus in diesen Versen beschreibt, KirchenPostilla, 1547, 146v–157v. Durch diesen werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Ständen aufgehoben. »Es gilt alles gleich/ du seiest Jude/ Heide/ Knecht/ Frey/ Man oder Weib«, 153r. Die irdische, fleischliche Bestimmtheit bleibt erhalten, sie beeinträchtigt jedoch mit ihren Einschränkungen den Glauben nicht. »Das du ein Weib bist/ machet dich nicht from oder böse/ ob du gleich alle werck der weibischen natur thust/ sondern der glaube Christi/ ober vnd ausser deiner weibschafft vnd weibischen wesen oder werck«, 154v. 343 Der aus Schleswig-Holstein stammende Theologe Paul Egard (geb. zw. 1570 und 1580), ein Schüler J. Arndts, dessen Predigten Spener neu herausgab, stellte in seiner Predigt die folgende Aussage in den Vordergrund: »das Evangelium machet alle gläubigen in Christo gleich.« Das
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gehörende Rostocker Theologe Heinrich Müller (1631–1675).344 Er betonte in seiner Neujahrspredigt die tröstliche Bedeutung der paulinischen Aussagen für die Geringen: »In der Welt muß Ordnung gehalten werden/ der Bauer muß kein König seyn/ und der König darff kein Bauer seyn; Der Mann muß regieren/ das Weib muß gehorsam seyn; Also auch Herr und Knecht. Aber in Christo ist all dieser Unterschied zu nicht gemachet/ da ist der Knecht so hoch als der Herr/ und gilt das Weib so viel als der Mann/ und hat der Bauer so viel zu sagen als der König; so wir gläuben/ sind wir alle eins in Christi JEsu.«345 Müllers Predigt differenziert zwischen der in der Welt geltenden Ordnung, nach der die Frauen zum Gehorsam gegenüber den Männern verpflichtet sind, und der Aufhebung dieser Unterschiede im Glauben. Seine Predigt belässt die Ausführungen über die Geschlechterordnung bei dieser Feststellung der zwei Sphären, die nicht miteinander in Konflikt zu liegen scheinen. Aus der in Christus wirksamen Gleichheit der Geschlechter ergeben sich keine Konsequenzen für die soziale Ordnung der Geschlechterhierarchie. Während der Rostocker Prediger Gal 3,28 in traditioneller Auslegungsweise deutete, verwendete Gottfried Arnold diesen Text, um für das Recht der Frauen auf Lehre zu plädieren. In einen ganz anders gearteten Problemzusammenhang als bei Müllers Predigt eingeordnet, kam Arnold auf Grund dieses neutestamentlichen Votums zu einem Ergebnis, das das Gefüge der Geschlechterordnung tangierte. Sein Interesse bestand darin, mit Gal 3,28 für eine Aufhebung der einschränkenden Ordnungen zu argumentieren, um Frauen einen größeren Spielraum zugestehen zu können. Unter Berufung auf seine Kenntnis der Kirchenväter zeigte er sich davon überzeugt, »daß (nach Gal.III.28.) in Christo weder Mann noch Weib sey/ sondern daß sie der H. Geist beyde zusammen in Eins fasse/ und in dem neuen Leben der Göttlichen Geburt gleichsam verwandle/ also daß er sich in gereinigten und zu recht gebrachten Seelen mit gleicher Krafft hervor thun könne/ sie seyn/ welches Geschlechts sie wollen.«346 Die oben bereits analysierte Arnoldsche Soteriologie und Anthropologie ging davon aus, dass dieses neue Leben bereits in der Jetztzeit begonnen habe, und dass deshalb aus Gal 3,28 konkrete Folgerungen abzuleiten
Thema der Geschlechter-Anthropologie berührte er nur ganz kurz, Episteln, 1679, 72–81. A. H. Francke sprach in seiner am Neujahrstag des Jahres 1704 gehaltenen Predigt seine Gemeinde als Söhne und Töchter Abrahams an, die »durch den Glauben mit Christo vereiniget, und ein Hertz und Seele mit Ihm« geworden seien, Predigten, 1729, 147. 344 In Müllers Predigten und Schriften flossen Elemente der Mystik ein, so spielte das Hohelied Salomonis eine wichtige Rolle für ihn, M. Schmidt, Pietismus, 1983, 23; Bernhard von Clairvaux kam in seinen Predigten als der »geistreiche und Honig=süsse Lehrer Bernhardus« vor, Evangelischer Hertzens=Spiegel, 1727, 2. Zu seinen Ehetraktaten von 1668 und 1674 s. U. Hörauf-Erfle, Wesen, 1991, 171, 238; zur Rezeption seiner Schriften s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VI, 1730, 276. 345 H. Müller, Evangelischer Hertzens=Spiegel, 1727, 172. 346 G. Arnold, Ob die Weiber, 1704, 13f.
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seien.347 Eine der Konsequenzen, die Arnold selber zog, bestand darin, dass er auf vielfältige Weise Frauen bei der Veröffentlichung ihrer Schriften unterstützte, insbesondere jedoch die Autorinnen, die die herkömmlichen Grenzsetzungen überschritten. Allerdings ging Arnolds Engagement für Frauen anscheinend nicht so weit, dass er in seiner Tätigkeit als Geistlicher Frauen hätte predigen lassen.348 Den Paulus-Text 1Thess 5,19349 gibt die Verfasserin der Anleitung in ihrer eigenen Interpretation wieder, indem sie die Aussage auf Frauen bezieht, während es im Kontext des 1Thess nicht um das Frauenthema geht, sondern nur heißt: »Den Geist dämpft nicht.« Ähnlich wie J. E. Petersen, die mit diesem neutestamentlichen Imperativ ihr Schreiben und Reden als vom Geist Gottes gewirkt verteidigte, ging Gottfried Arnold mit diesem Text um, wenn er als Fazit seiner Ausführungen über die Frage Ob die Weiber auch öffentlich lehren dürffen? schreibt: »Den Geist dämpffet nicht/ und die Weissagung verachtet nicht/ weder bey Männern noch bey Weibern.«350 Ganz anders dagegen wurde 1Thess 5 von dem Pietisten-Gegner Feustking betrachtet, der Arnold den Vorwurf machte, dass dieser den paulinischen Vers lediglich als Vorwand zur Legitimierung der von ihm geförderten falschen Prophetinnen verwende. Mit 1Thess 5,19 wolle »Arnold die begeisterte Weiber überhelffen«.351 Weiter moniert der lutherisch-orthodoxe Theologe, dass Arnold »mit diesem Kern=Spruche allerhand grasse Offenbahrungen/ und handgreiffliche falsche Weissagungen bekleistern will.«352 Aus 1Kor 12,7 leitet J. E. Petersen die Formel des gemeinen Nutzens ab, die in ihren späteren Schriften vielfache Verwendung findet. Die strittige Frage, zu der die Verfasserin der Anleitung Stellung bezog, war das öffentliche Handeln und Auftreten von Frauen. Dass christliche Frauen in ihren Familien und Häusern zu Recht redeten, beteten und ihren Glauben bezeugten, wurde auch von den heftigsten Gegnern des Pietismus nicht bestritten. Die paulinische Pointe, dass die Charismen der gegenseitigen Auferbauung im Leib 347 In seiner Neujahrspredigt, die Arnold im Schloss Allstedt hielt, äußerte er sich in eben diesem Sinne über Gal 3,28: »In diesen ausdruck sind sehr tieffe geheimnisse Christi von der wieder=herstellung der verlohrnen herrlichkeit der ersten schöpffung verborgen«, Verklärung Jesu Christi, 1704, 94. Gerade die hier zitierten Schriften Arnolds aus seiner späteren Phase, die von der älteren Forschung an der Übernahme des geistlichen Amtes und seiner Eheschließung festgemacht und als Abkehr von den radikal-pietistischen Positionen betrachtet wurde, zeigen, dass Arnold seine Grundideen beibehielt. 348 Dieser Vers behielt seine Wirkung als Korrektiv bis in die neuere Zeit; zur Bedeutung von Gal 3,28 in der lutherischen Diskussion um die Frauenordination s. I. Bertinetti, Frauen, 1965, 139–144. 349 Zur Bedeutung dieses Verses im radikalen Pietismus s. H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 385f. 350 G. Arnold, Ob die Weiber, 1704, 37. 351 J. H. Feustking, Arnoldus, 1704, 19. 352 Ebd., 19.
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Christi dienen sollten, wird im Kontext der Auseinandersetzung über das öffentliche Reden und Schreiben von Frauen zu einer Unterstützung für die Ausweitung weiblicher Handlungsspielräume. Das in der Pfingstpredigt des Petrus (Apg 2,17f_) aufgenommene Zitat aus Joel 3,1f leitet die Autorin durch die Formel ein, dass der Heilige Geist dieses bezeugt habe. Dadurch verleiht sie diesem Text besonderes Gewicht. Diese Verse bilden den einzigen biblischen Beleg, der sowohl in den Glaubens=Gesprächen als auch in der Anleitung zur Begründung des weiblichen Schreibens erscheint. Von daher kann dieser Aussage eine große Bedeutung für J. E. Petersens theologische Auffassung zugemessen werden. Bei ihrer Interpretation Joels treffen die pietistische Pneumatologie und die eschatologische Hochspannung, die mit einem radikalen Umbruch in nächster Zeit rechnete, aufeinander. Auch wenn J. E. Petersens Intention hauptsächlich darin bestand, für ihre Person ein extraordinäres Recht auf literarische Wirksamkeit zu begründen, so läuft ihre Argumentation darauf hinaus, die Geschlechteranthropologie grundsätzlich in Frage zu stellen. Indem sie mit Joel auf die göttliche Geistbegabung rekurriert und mit Gal 3,28 darauf, dass vor Gott Mann und Frau gleich sind, widerspricht sie fundamental der frühneuzeitlichen Geschlechterordnung. Wie die Rezeptionsgeschichte zu diesen Versen des Propheten Joel zeigt, griffen Frauen und Männer besonders in Zeiten des Umbruchs auf diese Verheißung der Geistausgießung zurück.353 Im Laufe der pietistischen Kontroversen stand die Interpretation von Joel 3 im Mittelpunkt der Beurteilung visionärer Erscheinungen. Pietisten und Pietistinnen reklamierten für ihre Sichtweise, dass die bei Joel beschriebenen Geschehnisse noch nicht eingelöst seien und ihre volle Wirksamkeit erst im Laufe der Endzeit offenbaren würden. Justinus Töllner, der sich in Bezug auf den Chiliasmus als Schüler des Ehepaares Petersen betrachtete, rechnete damit, dass sich das bei Joel angekündigte Geschehen »in dem bald künfftigen Reich Christi recht vollkommen« ereignen werde.354 Auf der Gegenseite wurde darauf gepocht, dass Pfingsten die prophetische Verheißung erfüllt worden sei, so dass ihr seitdem kein in die fernere Zukunft gerichteter Aussagewert mehr zukomme.355 So schrieb Feustking über die zur 353 Zur Reformation s. P. A. Russell, Common People, 1983; E. M. Frölich berief sich für ihr prophetisches Auftreten ebenfalls auf diesen Text, s. B. Andersson, Prophetin, 1991, 28. Zu Calvins Vorlesungen über das Buch Joel s. K. P. Voß, Priester- und Prophetentum, 1990, 118. 354 J. Töllner, Einfältiger Unterricht, 1696, 118; ähnlich auch J. G. Gichtel, Theosophia Practica 3, 1722, 1918, sowie der anonym veröffentlichte Traktat Schlüssel Davids, 1730, 76. A. H. Francke und J. H. Sprögel knüpften an diese Tradition an in der Debatte um die Ekstatikerinnen, s. U. Witt, Bekehrung, 1996, 38. Diese Auslegung von Joel 3 kommt auch bei J. E. Petersen vor, wenn sie ihre Hoffnung auf eine baldige Bekehrung von Juden und Heiden mit der prophetischen Vision begründet, Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715, 146f. 355 Nach J. W. Petersens Bericht spielte die Interpretation von Joel 3 auch eine Rolle in den
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Zeit des Neuen Testamentes geschehene Geistausgießung: »Alles geschahe nach der göttlichen Ordnung/ die der Höchste beym Joel cap. 2.v.28. anberaumet hatte/ daß Söhne und Töchter/ Jünglinge/ Knechte und Mägde ohn Ansehen der Person/ und des Geschlechts/ weissagen solten. Welches denn nicht allein am Pfingst=Tage geschehen/ sondern auch noch eine geraume Zeit unter den Gläubigen geblieben ist/ biß der canon N. T. gantz vollführet/ gnugsam bestättiget/ und die Kirche durch den Ausgang der Apostel und ihrer Weiber/ die sie als Mitgehülffe deswegen mit sich geführet/ gepflantzet war.«356 Die gründlichste exegetische Replik auf die pietistische Inanspruchnahme von Joel 3 stammt aus der Feder des Leipziger Theologen Valentin Alberti (1635–1697), der mit seiner Abhandlung in erster Linie gegen die von Spener vertretene Pneumatologie eintrat.357 J. E. Petersen geht geschickt mit den Widersprüchen des paulinischen Textcorpus um. Zunächst hatte sie 1Kor 14,34 und 1Tim 2,12 zitiert. Erst gegen Ende ihres Gedankenganges macht sie auf die bei Paulus vorhandene Gegenposition aufmerksam, dass nämlich der Apostel selber in 1Kor 11,4f von weissagenden Frauen spricht. 1Kor 11,4f gehört zu den wenigen Bibelstellen, die J. Leade direkt kommentierte. Die paulinische Anordnung, dass Frauen nur mit bedecktem Haupt weissagen dürften, bezieht sie in einer eigenwilligen Interpretation auf sich selbst. Sie stellte diese keineswegs grundsätzlich in Frage, sondern beanspruchte vielmehr für ihre Person, der apostolischen Forderung in besonderer Weise gerecht werden zu können. Ihr sei »nicht unbewust/ daß ein jeglich Weib/ so mit unbedecktem Haupte betet oder prophezeyet/ ihr Haupt verunehret/ 2.Cor.11.v.5. Nun aber Christus die Decke meines Hauptes ist/ so hab ich beydes Befehl und Beschirmungs-Stärcke/ in welcher ich fortgehen und mich nicht hinderen lassen wil«.358 Wie diese Art der Argumentation zeigt, war Verhandlungen vor dem Celler Konsistorium, s. Lebens=Beschreibung, 1719, 171; als er die Offenbarungen J. R. von Asseburgs publiziert hatte, predigte einer seiner Lüneburger Kollegen, J. G. Sandhagen, über diesen Text und traf die Aussage: »Was im Joel am andern stünde, wäre völlig am Tage der Pfingsten erfüllet«, 155. 356 J. H. Feustking, Arnoldus, 1704, 39f; in der weissagenden Tätigkeit der vier Töchter des Philippus (Apg 21,9) sah er z. B. die Erfüllung der Joelschen Prophetie, ebd., 36; vgl. auch ders., Gynaeceum, 1704, 82, 86. 357 V. Alberti, Vindiciae Exegeticae, 1695; im ersten Teil wendet er sich gegen den Pietismus allgemein sowie insbesondere gegen den von seinen Vertretern verfochtenen Chiliasmus. Erst der zweite Teil, 31–108, geht auf die Interpretation Joels ein. Zu seiner durchaus differenzierten Position gegenüber Spener und der pietistischen Bewegung s. P. Grünberg, Spener 1, 1893, 280–283; M. Brecht, Spener, 1993, 333–336, 365. – Joel 3 blieb einer der wichtigsten prophetischen Texte, um die Hoffnung auf eine Umkehrung aller Verhältnisse biblisch zu verankern; zu seiner Bedeutung für J. C. Blumhardt s. F. Groth, Chiliasmus, 1984. 358 J. Leade, Henochianischer Glaub- und Lebenswandel, 1696, 59; die Verwechslung von V. 4 und 5 findet sich so in dem Leade-Druck. Dieser Bibeltext spielte auch eine große Rolle in
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Leade nicht daran gelegen, für das weibliche Geschlecht insgesamt eine Redefreiheit zu reklamieren, sondern ihr Denken kreiste vielmehr um das göttliche Offenbarungshandeln, das in die Geschichte eingreift und gültige Satzungen im Einzelfall außer Kraft setzt. Leades Deutung dieses Textes ist ferner davon bestimmt, dass sie eine spezifische Geschlechter-Anthropologie vertrat, nach der sie nicht mehr als Frau zu sehen war, sondern als »männliche Jungfrau«.359 Das im Umfeld der Böhme-Schule verbreitete androgyne Ideal ging davon aus, dass Adam zusammen mit der Weisheit ursprünglich ein androgynes Wesen gebildet habe und dass die Erlösten durch ihre Vereinigung mit der Weisheit zu diesem Urzustand zurückkehrten. Bei Johann Heinrich Feustking lässt sich beobachten, wie die lutherischen Theologen mit diesem paulinischen Text verfuhren. Entsprechend dem biblischen Textzeugnis musste er zugestehen, dass »die Weiber in der Corinthischen Kirche« geweissagt hätten. Aber »dieses war ein besonderes und außerordentliches/ und nur dazumahl gewöhnliches Weissagen/ welche Gabe heute zu Tage keinem Weibe mehr gemein/ sondern versagt ist«.360 Für J. E. Petersen hingegen war 1Kor 11,4f die Bestätigung dafür, dass Frauen geweissagt hatten und dies auch weiter, mit Billigung des Apostels Paulus, tun konnten. Nach dieser exegetischen Grundlegung kommt J. E. Petersen wieder auf ihre eigene Person zu sprechen und zieht für sich selbst die Konsequenzen aus der von ihr entwickelten Aufhebung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Sie versteht sich als direkt von Gott begnadete Frau, die die ihr verliehenen Gaben »zu Nutz des Nechsten« anwenden soll und muss. Sie betont noch einmal: »so weiß ich mich zwar billich der geziemenden Unterthänigkeit in der Gemeinde GOttes zu bescheiden«; auf Grund ihrer Ausführungen bedeutet diese Untertänigkeit jedoch nicht, dass sie zu schweigen habe. Die »Gemeine GOttes«, als deren Glied sie sich sieht, umfasst diejenigen, die gleich ihr vom Geist Gottes mit Erkenntnis und der Fähigkeit zum rechten Urteil ausgezeichnet worden sind. Nur wer vom lebendigen Wirken Gottes nichts verstanden hat, könne ihr vorhalten, dass sie sich eine unrechtmäßige Lehrtätigkeit anmaße. J. E. Petersen braucht nicht gegen Beschränkungen aufzubegehren, die ihr weibliches Geschlecht ihr auferlegt. Gott selber nimmt sie aus der Schweigepflicht heraus und fordert sie zum Reden, Schreiben und Lehren auf. Sie ist der Meinung, dass sie mit der Veröffentlichung der Anleitung »die Gabe des Herrn« zu Gottes »Ehre und zu Nutz des Nechsten« anwende.
den Konflikten um E. M. Frölich. Als Argument gegenüber den schwedischen Geistlichen für die Legitimität ihres prophetischen Auftretens brachte sie vor, dass sie keine Frau mehr sei und dass diese Textstelle sie deshalb nicht betreffe, s. B. Andersson, Prophetin, 1991, 151f. 359 J. Leade, Leich=Predig, 1703, 112–117; C. F. Smith, Lead, 1979, 195. 360 J. H. Feustking, Arnoldus, 1704, 29.
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Geschlechtsspezifische Rahmenbedingungen
In ihrem Traktat Bewährung des Ewigen Evangelii geht J. E. Petersen auf die Vorwürfe ein, die Johann Winckler gegen sie wegen ihrer Propagierung der Apokatastasis-Lehre erhoben hatte. Einer seiner Einwände bestand darin, dass die Allversöhnung auch deshalb zu kritisieren sei, weil eine Frau, nämlich Jane Leade, diese Überzeugung verbreitet habe; Frauen sei jedoch das Lehren auf Grund apostolischer Anordnung verboten. Ähnlich wie in ihren vorhergehenden Äußerungen zu diesem Themenkomplex stimmt J. E. Petersen auch in diesem Text grundsätzlich der Überzeugung zu, dass »das LehrAmpt denen Männern anbefohlen« sei.361 In Bezug auf die Frauen argumentiert sie damit, dass das paulinische Lehrverbot zu differenzieren sei: allgemein habe es weiterhin Gültigkeit, in speziellen Fällen jedoch dürfe es nicht angewendet werden. Nach ihrer Interpretation »wird den Frauens/ welchen Gott sonderbahre und etwa eine extraordinaire Gnade thut/ nicht verbotten solche Gnade mitzutheilen/ als in welchen sich die Gabe des Geistes so wohl in denen Männern zum gemeinen Nutzen bezeuget/ in dem GOtt auch sie öffters zu sonderbahren Wercken hat pflegen zu gebrauchen/ wie die gantze Heil. Schrifft davon voll ist«.362 Ähnlich wie J. E. Petersen in ihrer Anleitung zunächst beteuert hatte, dass auch nach ihrer Auffassung 1Kor 14,34 und 1Tim 2,12 weiter in Geltung seien, stimmt sie Wincklers Ansicht zunächst zu. Dieser vertrat schlicht die allgemein verbreitete Interpretation zu diesen beiden Textstellen, die ja auch von den meisten pietistischen Vertretern nicht angetastet wurde. Wenn es um die Frage des ordentlichen Lehramtes ging, dann konnte J. E. Petersen sich nur in die Defensive zurückziehen. Die einzige Möglichkeit, der unausweichlichen Forderung zum Schweigen nachzukommen, dass das Lehren den Frauen verboten sei, bestand darin, von einer Hermeneutik auszugehen, die das offenbarende Wirken Gottes als nicht abgeschlossen betrachtete. In pointiertem Gegensatz zu der von orthodoxen Lutheranern vertretenen Position, nach der das außerordentliche bzw. extraordinäre Offenbarungshandeln Gottes mit dem Erscheinen Jesu Christi und der Niederschrift des Evangeliums im Kanon der neutestamentlichen Bücher für alle Zeiten beendet sei, beruft sich J. E. Petersen auf das unaufhörliche offenbarende Eingreifen Gottes, das für sie in einer Kontinuität zu dem in der Heiligen Schrift bezeugten göttlichen Gnadenwirken steht. Als biblische Beispiele für Frauen, die auf Grund der besonderen Gnade Gottes wirksam wurden, nennt J. E. Petersen die Töchter des Philippus, Hanna, Debora und Maria, die sie alle als Prophetinnen qualifiziert.363 361 J. E. Petersen, Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701, 13. 362 Ebd., 13. 363 Ein Vergleich mit zwei anderen Schriftstellerinnen zeigt die Unterschiede. Während J. E. Petersen es bei einer Anknüpfung an traditionelles Gut beließ, entwickelte C. R. von Greiffenberg sehr individuelle Verknüpfungen ihrer Person mit biblischen Frauengestalten, vor allem mit der Syrophönizierin (Mk 7,24–30; Mt 15, 21–28) sowie den Nachfolgerinnen Jesu, die in den Passionsberichten vorkommen, s. Sieges-Seule, 1675, 238; Zwölf andächtige Betrachtungen,
Legitimationsstrategien theologischer Schriftstellerinnen
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Diese seit altkirchlicher Zeit traditionelle Aufzählung bildete eine in der christlichen Überlieferung für Frauen bereitliegende Argumentationsbasis, um ihr jeweiliges ungewöhnliches Auftreten als legitime Anknüpfung an Vorbilder zu deklarieren. In dieser Tradition weiblicher Prophetie sah J. E. Petersen folglich auch die Schriften Jane Leades sowie ihr eigenes Schreiben. J. E. Petersen verfolgte eine gleichbleibende Linie, wenn sie dafür eintrat, dass die biblischen Weisungen als göttliches Wort zu achten seien. Gleichzeitig jedoch trat sie mit Nachdruck dafür ein, dass das aktuelle Eingreifen höher zu bewerten sei als der Buchstabe der Heiligen Schrift. In keiner ihrer Publikationen forderte die Schriftstellerin ein dem männlichen Pfarramt gleich gestaltetes öffentliches Amt für Frauen. Sie reklamierte an keiner Stelle das Recht zur Wortverkündigung für Frauen von der Kanzel aus. Ihr Thema war es, einen Freiraum für schriftstellerische Tätigkeiten von Frauen im Raum der Kirche zu erkämpfen. Indem sie ihr Schreiben und das anderer Frauen als Auswirkung göttlichen Gnadenhandelns hinstellte, bemühte sie sich darum, eine Übereinstimmung mit den neutestamentlichen Lehrverboten zu bekunden, die sich gemäß ihrer Hermeneutik mit keinem theologischen oder historischen Argument grundsätzlich außer Kraft setzen ließen. Die Differenzierung zwischen einer weiter bestehenden Gültigkeit für die meisten Frauen und einer partiellen Aufhebung für wenige Frauen trug der faktischen Verteilung Rechnung, denn nur eine kleine Minderheit des weiblichen Geschlechtes war in der Frühen Neuzeit tatsächlich in der Lage, Bücher zu verfassen und zu veröffentlichen. Die mit dieser Argumentation geschlagene Schneise weitete sich erst im Verlauf mehrerer Jahrhunderte zu einer Neuinterpretation der biblischen Geschlechteranthropologie aus, als deren wichtiger Bestandteil das Lehrverbot für Frauen lange galt. Zugleich muss angesichts dieser Argumentation J. E. Petersens in Betracht gezogen werden, dass der Großteil ihrer veröffentlichten Texte nicht aus unmittelbaren Offenbarungen oder der Beschreibung von Visionen besteht. Diese hier analysierte Legitimierung ihres Schreibens begleitet das Werk einer Schriftstellerin, die theologische Literatur verfasste, als deren Kennzeichen die Auslegung der Bibel gelten kann.
1683, Werke 9, 197, 245f, 370; Werke 10, 534–538, 681–696, 827–833, 899–908. E. M. Frölich bezog sich auf die in Apk 12 genannte Frauengestalt, auf Maria, die Mutter Jesu, und auf Eva, nicht aber auf die alttestamentlichen Prophetinnen, s. B. Andersson, Prophetin, 1991, 28, 30, 34.
DastheologischeWerkJohannaEleonoraPetersens Einleitung
IV. Das theologische Werk Johanna Eleonora Petersens 1. Einleitung Die Publikationen J. E. Petersens sollen im Folgenden in chronologischer Abfolge vorgestellt werden. Nach dem bisherigen Stand der bibliographischen Erfassung erfolgte die erste Drucklegung im Jahr 1689 und die letzte 1717. Sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Hinsicht lassen sich Schwerpunktbildungen erkennen, die das literarische Oeuvre dieser Autorin kennzeichnen. Im Hinblick auf die von ihr verwendeten literarischen Gattungen liegt das Hauptgewicht ihrer insgesamt 15 veröffentlichten Schriften auf der Erbauungsliteratur.1 Sieben ihrer Werke, die den Frühschriften sowie dem Spätwerk zugeordnet werden können, weisen eindeutig die Merkmale erbaulicher geistlicher Literatur auf. In ihrer Hauptschaffensperiode, von etwa 1690 bis 1714, stehen theologische Abhandlungen im Vordergrund, die als Traktate gekennzeichnet werden können. Hier lag nicht nur von der literarischen Gattung, sondern auch vom Inhalt her ein Übergriff in das Gebiet der akademischen Auseinandersetzung vor, zu dem Frauen in der Regel keinen Zutritt hatten. Einen integralen Bestandteil des theologischen Werkes von J. E. Petersen bilden ihre autobiographischen Texte, die einer theologischen Programmatik verpflichtet sind. Mit der Veröffentlichung ihrer Autobiographie stimmt J. E. Petersen ein in die vom Pietismus unterstützte Selbstreflexion, die das eigene Leben sowohl als Feld der Bewährung wie als Erweis der göttlichen Gnade gegenüber dem Individuum sieht. J. E. und J. W. Petersen legten den Schwerpunkt ihrer schriftstellerischen Arbeit auf die Erarbeitung eines eschatologischen Denkansatzes, der vom Chiliasmus zur Apokatastasis fortschritt und zu einem eigenständigen System ausgebaut wurde.2 Nachdem sie sich lange Jahre ausschließlich der Eschatologie gewidmet hatten, bildete sich als weiterer Schwerpunkt die Christologie des himmlischen Gottmenschen heraus, die auf eine Vergöttlichung aller Menschen abzielt. Beide Petersen gingen ferner davon aus, dass das Offenbarungshandeln Gottes mit der Menschwerdung Christi und dem Abschluss des neutestamentlichen Kanons nicht beendet sei, sondern sich stetig fortsetze. Gerade ihre Lebenszeit, die sie als Endzeit betrachteten, sahen sie durch neue Offen1 Diese stellen, trotz ihrer Bedeutung, allerdings nur einen Aspekt ihrer Arbeit dar; E. Hotz, Petersen, 1961, 243, der nur von ihren Erbauungsbüchern spricht, erweckt dadurch den Eindruck, als ob das der alleinige Schwerpunkt wäre; er schreibt, dass sich dabei »die selbständige Verarbeitung von Anregungen verfolgen« lässt, »die sie aus ihrem großen Bekanntenkreis empfing«. 2 Vgl. hierzu U. Gäbler, Geschichte, 2004, 25–29.
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barungen ausgezeichnet. Diese Annahme führte allerdings nicht dazu, wie dies bei anderen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen geschah, die Heilige Schrift den unmittelbaren Bekundungen Gottes gegenüber abzuwerten. Vielmehr bemühten sie sich um eine Hermeneutik, die beides vereinbar erscheinen ließ. Die von den beiden Petersen favorisierten Themen waren im Umfeld des Pietismus verbreitet, keines zeichnet sich als Novum aus. Der spezifische Beitrag J. E. Petersens besteht darin, wie sie diese theologischen Aspekte miteinander verknüpfte und sich jeweils darum bemühte, sie auf Aussagen der Heiligen Schrift zurückzuführen. Die Schriftstellerin J. E. Petersen legte eine eigene Deutung ihrer literarisch-theologischen Entwicklung vor, die sich dadurch auszeichnet, dass die einzelnen Themenbereiche untrennbar mit der Erfahrung göttlichen Offenbarungshandelns verbunden sind. Gegen Ende ihres literarischen Schaffens formulierte sie Überlegungen zur Genese ihres Weges.3 Dieser Darstellung nach waren es sechs Themenbereiche, die ihr theologisches Arbeiten prägten. Bei einem Vergleich dieser Punkte mit dem tatsächlich veröffentlichten schriftstellerischen Werk ergeben sich einige interessante Spannungen. Zu allen thematischen Schwerpunkten, die nach ihrer Auffassung durch direktes Eingreifen Gottes in ihren Gesichtskreis traten, gibt J. E. Petersen Datierungen an. Die sechs von ihr genannten Theologumena versteht sie als »Geheimnisse«, die Gott ihr »aufgeschlossen« habe.4 Bereits in ihrer frühen Jugend habe sie das Problem belastet, dass »die armen Kinder der Heyden« zur Hölle verurteilt sein sollten. Durch Schriftlektüre sei in ihr allmählich die Überzeugung gewachsen, dass Gott die »wesentliche Liebe« sei und es deswegen auch eine »Erlösung aus der Höllen« geben müsse.5 Als zweiten Themenbereich benennt sie die Annahme einer bevorstehenden Bekehrung großer Teile der Juden zum christlichen Glauben; dies sei ihr im Jahr 1664 durch einen Traum zur Gewissheit geworden.6 Gleichzeitig mit der Umkehr Israels erwartete sie seitdem auch eine nennenswerte Hinwendung von Heiden zu Christus; diese Thematik scheint jedoch der Ersteren untergeordnet zu sein. Den dritten Schwerpunkt der theologischen Überzeugungen J. E. Petersens bildet nach ihren Angaben die Beschäftigung mit der Rechtfertigungslehre, wozu sie die paulinischen Briefe und Schriften Martin Luthers las. Mit der Rechtfertigung habe sie sich in der Zeit vor ihrer Eheschließung besonders intensiv befasst. Im Jahr 1685 sei als völlig neues Thema die Interpretation der Johannes-Apokalypse in den Vordergrund getreten. Nur den fünften Punkt, die »Wiederbringung aller Dinge«, führt J. E. Petersen auf einen Anstoß von außen zurück, nämlich auf die Lektüre eines Manuskriptes von Jane Leade. Das sechste und 3 4 5 6
Diese Reflexionen finden sich in ihrer Autobiographie, J. E. Petersen, Leben, 1718, 35–48. Ebd., 35, 37, 39, 41, 44. Ebd., 35f. Ebd., 37f; vgl. hierzu M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 33–36.
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Das theologische Werk Johanna Eleonora Petersens
letzte »Geheimnis«, das den Entwurf christologischer Spekulationen beinhaltet, nämlich die »Erkenntnis von dem himmlischen Gottmenschen«, wird in das Jahr 1708 datiert.7 Die von J. E. Petersen genannten sechs theologischen Themen finden sich nicht in spiegelbildlicher Weise in ihrem Werk wieder. Die drei zuletzt erwähnten Komplexe, chiliastische Deutung der Johannes-Apokalypse, Apokatastasis sowie Jesus Christus als himmlischer Gottmensch, prägen ihr Hauptwerk. In keinem ihrer veröffentlichten Bücher hingegen wird die Frage nach dem Schicksal der Heidenkinder behandelt.8 Ihre Überzeugung, dass eine große Bekehrung von Juden und Heiden als Zeichen der Endzeit zu erwarten sei, tritt im Rahmen der chiliastischen Deutung der neutestamentlichen Offenbarung auf, bildet also auch keinen eigenen thematischen Schwerpunkt. Die Rechtfertigungslehre stellt den Themenstrang dar, der in allen Phasen ihres literarischen Schaffens als Fragestellung hervortritt. Allerdings spielt eine direkte Auseinandersetzung mit Luthers Schriften hierbei keine Rolle; sie zieht diese nicht als Material zur Formulierung ihres Dissenses heran. Ihre Auffassung weicht in charakteristisch pietistischer Zuspitzung gerade von Luthers Verständnis der Rechtfertigung ab.9 Auffallenderweise bezeichnet J. E. 7 In ihrem Buch Einige Send=Schreiben, 1714, bot J. E. Petersen zum erstenmal einen ganz ähnlich gearteten Überblick über ihre theologische Entwicklung, Vorbericht, A4r–A6v. Allerdings kommt hier die Bekehrung der Heidenkinder nicht vor, sondern die »Nothwendigkeit der neuen Creatur« wird als eigener Punkt genannt. J. E. Petersen verweist dabei auf ihr gleichnamiges Buch von 1699, A5r. J. W. Petersen gibt in seiner Autobiographie ebenfalls einen Überblick über seine theologische Entwicklung, der große Übereinstimmung mit der Darstellung seiner Ehefrau aufweist. Er nennt zuerst kurz die Themen, um sie dann ausführlich zu entfalten. Das Stichwort »Geheimnis« spielt bei ihm die gleiche Rolle wie bei J. E. Petersen: »Jetzo aber will ich nur dem geliebten Leser kund thun, wie GOtt der HErr nach seiner Liebes=Weißheit nach und nach, von Zeit zu Zeit ein Geheimniß nach dem andern, als von dem noch künfftigen Fall Babels, von der Juden=Bekehrung in der letzten Zeit, von dem Zustande der Seelen nach dem Tode, von dem Reiche JEsu Christi in der siebenden Posaunen, von der Wiederbringung aller Dinge und von dem Geheimniß des Erstgebohrnen aller Creatur, und von dem Geheimniß des Vaters, und des Sohns, und des heiligen Geistes aus seinem Worte mir entdecket habe«, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 343; dieser Passus reicht bis 368. 8 Zu allen Zeiten der Kirchengeschichte beschäftigte die Frage nach dem Heil der ungetauften Kinder Männer und Frauen; dabei richtete sich der Blick sowohl auf die ohne Taufe verstorbenen Kinder christlicher Eltern als auch auf Heidenkinder, die in keiner Weise mit dem Christentum in Berührung gekommen waren, s. etwa die Briefe Bernhards von Clairvaux, ep. 77, Werke 2, 1992, 624; Katharina Zell, Ein Brieff, 1557, Hiijv, Jijr; E. Winkler, Motivation, 1975, 60f. Zu Speners Position, der von seinem Straßburger Lehrer Dannhauer die Hoffnung auf die Seligkeit der ungetauften Kinder übernahm, s. P. Grünberg, Spener 1, 1893, 139. Auch für Jakob Böhme spielte diese Frage eine wichtige Rolle, wobei seine Lösung nicht in die Apokatastasis mündete, s. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 229. 9 J. E. Petersen verwendet an einigen Stellen ihres Werkes Umschreibungen für die Rechtfertigungslehre; so spricht sie etwa von der Rechtfertigung des Lebens oder sie gibt deren Inhalt wieder als das »heilige umsonst«, Ewiges Evangelium, 1698, 62, 77f; Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701, 3, 7; Einige Send=Schreiben, 1714, Vorrede A6v. Die letztere Formulierung
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Petersen ihr Offenbarungsverständnis, das ihr gesamtes Werk kennzeichnet, nicht als eigenes Thema. Ebenfalls nicht als eigene Thematik benannt werden ihre Überlegungen zu weiblichen Aspekten Gottes.10 Zwei Gedankenstränge dieses Motivkomplexes scheinen es zu sein, mit denen die pietistische Schriftstellerin sich beschäftigte: mit der Weiblichkeit und Mütterlichkeit des Heiligen Geistes11 sowie mit der Gestalt der göttlichen Weisheit, die weibliche Attribute zugewiesen bekommt.12 Die von ihr verwendete weibliche Metaphorik und deren Auslegung zu biblischen Symbolen wie Taube, Mutter und Stadt Jerusalem bedarf noch weiterer Analysen; insbesondere ist zu klären, wie diese Motive mit ihrer Konzeption der Weisheit verknüpft sind.13 Im Anschluss an ihre Ausführungen zur himmlischen Gottmenschheit berichtet die Autorin in ihrer Zusammenstellung der theologisch wichtigen Erkenntnisse ausführlich über einen Traum, dessen Deutung auf die Weiblichkeit des Heiligen Geistes abzielt.14 wird auch von J. W. Petersen verwendet, Mystische Hall-Jahrs-Posaune, in Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 24. 10 M. H. Jung, Laientheologin, 2004, 53–55, behandelt in einem eigenen Abschnitt die »Sophia-Lehre« J. E. Petersens, obwohl er einräumt, dass sie »diese Lehre in ihren im Druck erschienenen Schriften nicht mehr ausführlich entfaltet«, 54. 11 Bei Zinzendorf finden sich Überlegungen zur Mütterlichkeit des Heiligen Geistes, s. M. Meyer, Mutter-Amt, 1983; P. Zimmerling, Gott in Gemeinschaft, 1991, 29–34, 61, 95f, 123f, 172, 198, 232, 278; C. D. Atwood, Mother, 1999. W. Nordmann, Theologische Gedankenwelt, 1929, 16, weist darauf hin, dass J. W. Petersen für Christus das Bild der Mutter verwendet. 12 J. A. Wagenmann/C. Bertheau, Petersen, 1904, 174, erfassen die »Abweichung Petersens und seiner Frau von dem orthodoxen Lehrbegriff der lutherischen Kirche« unter vier Aspekten: Chiliasmus, Wiederbringung, der himmlische Gottmensch sowie »die Überzeugung, daß noch heutzutage außerordentliche und unmittelbare Offenbarungen Gottes geschehen.« 13 J. E. Petersen, Verklärte Offenbahrung, 1706, 162–164, 176f. 14 J. E. Petersen, Leben, 1718, 48; sie beruft sich dabei auf den alttestamentlichen Terminus für Geist, »der nach dem Hebräischen in den weiblichen Genero, als eine fruchtbare Mutter und ausbrütende Taube ausgesprochen wird«. Zu dieser alttestamentlichen Tradition s. H. SchüngelStraumann, Ruah, 1992; G. Baumann, Weisheitsgestalt, 1996; S. Schroer, Weisheit, 2002. Zur frühchristlichen Tradition s. G. Winkler, Gottesgeist, 1990. Obzwar sich im Blick auf J. W. Petersen ebenfalls nicht von einer ausgestalteten Sophia-Lehre sprechen lässt, so geht doch aus seiner Autobiographie hervor, dass er weibliche Aspekte der Trinität sehr viel enger mit der Gestalt der Weisheit verknüpfte, Lebens=Beschreibung, 1719, 343, 359–362; s. auch Geschehene Wiederbringung, 1715, 59, wo es heißt, dass »die gesalbete Weisheit Christus JEsus der Gott=Mensch« sei; ferner Jesus Christus, 1721, 8; Petachia, 1727, 103. Die Publikationsprojekte seiner letzten Lebensjahre unterstreichen, dass er sich mit diesem Thema eingehender befasste. Im Verzeichnis seiner noch ungedruckten Werke finden sich dazu folgende Titel, Lebens=Beschreibung, 1719, 378f: Die von Ewigkeit, vom Anfang und vor der Erden gesalbete Weißheit (unter Einbeziehung von Spr 8); 384: eine Verteidigung der Sophiologie G. Arnolds; 390: Das Geheimniß der Schöpffung Adams und Evä (die ursprüngliche Androgynität beider wird darin angesprochen). In seinem Traktat Gründliche Antwort, 1702, 9f, in: Mysterion Apokatastaseos 2, 1703, teilt er mit, dass er »schon bey drey Jahren her solche holde Weißheit erkandt« habe. Ferner erwähnt er hier G. Arnolds Sophia, 1700, sowie einen Traktat des Engländers John Pordage, Sophia, 1699. Pordage (1607–1681) war ein Anhänger Böhmes und gründete mit Leade
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Das theologische Werk Johanna Eleonora Petersens Frühschriften
2. Frühschriften 2.1 Das Spektrum der Erbauungsliteratur Das 17. Jh. kann als Blütezeit der evangelischen Erbauungsliteratur gelten, wobei insbesondere an Autoren wie Johann Arndt,15 Johann Gerhard (1582– 1637),16 Joachim Lütkemann (1608–1655),17 Heinrich Müller,18 Christian Scriver (1629–1693)19 sowie an Theodor Undereyck zu denken ist. Das spezifische Anliegen dieser Literaturgattung, nämlich die individuelle Frömmigkeit zu gestalten und möglichst zu intensivieren, weist eine große Bandbreite von Gemeinsamkeiten mit der Tradition des mystischen Schrifttums auf und legte es nahe, gerade hier Anleihen zu machen.20 Während die ältere Forschung solcher Rezeption katholischer Mystik mit einer negativen Einschätzusammen die Philadelphische Sozietät; er machte die Sophia-Mystik zum Zentrum seiner Lehre, s. auch N. Thune, Behmenists, 1948, 47–49. 15 Zu seinen wichtigsten Erbauungsschriften gehören die Vier Bücher vom Wahren Christentum, 1605–1609, sowie das Paradiesgärtlein, 1612. Zur Verbreitung dieser Texte s. M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 149f. Eine – allerdings unvollständige – Bibliographie liegt vor bei W. Koepp, Johann Arndt, 1912, 297–306. Zu Person und Werk s. ferner F. J. Winter, Arndt, 1911; E. Weber, Untersuchung, 1978; M. Schmidt, Johann Arndt, 1979; H. Wimmel, Sprachliche Verständigung, 1981; C. Braw, Bücher im Staube, 1986; M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 130–151; J. Wallmann, Johann Arndt, 1995. Die Bedeutung Arndts für den Pietismus ist unbestritten, als strittig gilt in der Forschungsdebatte allerdings, inwieweit er selber dieser Bewegung zuzurechnen ist. M. Brecht plädiert dafür, Arndt als einen »Vater« des Pietismus zu betrachten, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 151. 16 Gerhard wirkte als Theologieprofessor in Jena. Für die Nachwelt ist sein Name vor allem mit der Dogmatik Loci Theologici verbunden, dem bedeutendsten Werk der altprotestantischen Orthodoxie. Seine Erbauungsschriften sind die zunächst lateinisch erschienenen Meditationes Sacrae sowie die Schola Pietatis; vgl. hierzu M. Honecker, Gerhard, 1984; J. Baur, Johann Gerhard, 1994; J. A. Steiger, Johann Gerhard, 1997. 17 Zunächst Pastor und Professor in Rostock, wirkte Lütkemann später als Hofprediger und Generalsuperintendent in Wolfenbüttel. Der Vorschmack göttlicher Güte und die Apostolische Aufmunterung bilden die wichtigsten Erbauungswerke, vgl. M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 170f; D. Klahr, Lütkemann, 1999; W. Sommer, Klassiker, 1999. 18 Der Schüler Lütkemanns und Freund Speners veröffentlichte u. a. die Geistlichen Erquickstunden sowie den Himmlischen Liebeskuß. Vgl. ferner O. Krabbe, Müller, 1866; H. Beck, Müller, 1903; R. Mohr, Heinrich Müller, 1964; I. Dorchenas, Müller, 1993; T. Kaufmann, Universität, 1997, behandelt Müller im Rahmen einer Kollektivbiographie der Rostocker Theologieprofessoren, 131–177, 494–507, 538–571. 19 Scriver, ebenfalls ein Freund Speners, war Pastor in Stendal, Magdeburg und Quedlinburg. Neben dem Seelen-Schatz kommt auch dem Buch Gottholds Zufällige Andachten eine Bedeutung als Erbauungswerk zu. Vgl. M. Schmidt, Pietismus, 1983, 20; E. Eichler, Christian Scriver, 1926; D. Peil, Emblematik, 1978, 77–85; W. Tepfenhardt, Emblematische Strukturen, 1980; M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 175f. 20 Die Anknüpfung an die mittelalterliche Mystik lässt sich bereits für die Reformationszeit belegen; hierbei ist insbesondere an Luthers Edition der Theologia Deutsch zu denken, s. hierzu B. Hägglund, Mystik, 1967; E. Iserloh, Mystik, 1967; A. Louth, Mystik, 1994; H. Rosenau, Mystik, 1994.
Frühschriften
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zung begegnete,21 zeichnen sich neuerdings differenzierte Fragestellungen ab, die zu anderen Beurteilungen gelangen.22 Die allmählich beginnende Einbeziehung von Literaturformen, die dem Gebiet der Frömmigkeit zugeordnet werden können, in den Radius kirchengeschichtlicher Aufarbeitungen erweitert zunehmend den Horizont der Wahrnehmungsmuster.23 Da der breite Strom evangelischer Erbauungsliteratur nicht mehr grundsätzlich unter dem Verdikt konfessioneller Grenzziehung betrachtet wird, lässt sich etwa zeigen, dass Arndt und Gerhard die von ihnen verarbeiteten Werke und Topoi der mystischen Tradition nicht unkritisch übernahmen, sondern sie »durch den Filter lutherischer Dogmatik« leiteten, bevor diese integraler Bestandteil ihrer Erbauungsbücher wurden.24 Der enorme Verbreitungsgrad der vornehmlich auf Deutsch verfassten erbaulichen Werke weist auf die Bereitschaft des zeitgenössischen Lesepublikums hin, sich mit der Gestaltung der Frömmigkeitspraxis zu beschäftigen. Die einflussreichsten Erbauungsschriften wurden von Theologen verfasst, die sich z. T. auch auf dem Gebiet wissenschaftlicher Theologie einen Namen machten, also nicht ausschließlich als Erbauungsschriftsteller gelten können. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass die Gattung der Erbauungsliteratur auch für Autorinnen ein zunehmend wichtiges Terrain darbot, da hier nicht die Fülle des erworbenen Wissens im Vordergrund stand, sondern vielmehr die Fähigkeit, Leser und Leserinnen zu eigenen Erfahrungen hinzuführen.25 Zudem kam den Frauen entgegen, dass diese Literaturgattung keine lateinischen Sprachkenntnisse erforderte. Bereits für das 16. Jh. sind etliche Werke von Frauen nachweisbar,26 im Laufe des 17. Jh. nahm die Anzahl der auf geistlichem und theologischem Gebiet tätigen Autorinnen beträchtlich zu. Schriftstellerinnen und Dichterinnen wie Anna Elisabeth von Schleebusch, Anna Sophie von Hessen-Darmstadt (1638–1683),27 Catharina Regina von Greif21 P. Althaus, Gebetsliteratur, 1927, 142, spricht von einer »Zurückdrängung evangelischen Sonderguts« durch römisch-katholische Gebetbücher, die vornehmlich der Mystik verpflichtet waren. Diese Elemente sieht er als »von außen zugeführt« und »künstlich eingepflanzt«, 61. Bis zum Ende des 18. Jh. sei die evangelische Gebetsliteratur »völlig von römischen Produkten überwuchert« worden, 65. Vgl. auch E. Seeberg, Arnold, 1923; O. Uttendörfer, Mystik, 1950. 22 Vgl. etwa C. Braw, Bücher im Staube, 1986; J. A. Steiger, Johann Gerhard, 1997. 23 Vgl. etwa B. Jaspert, Frömmigkeit und Kirchengeschichte, 1995. 24 R. Mohr, Erbauungsliteratur, 1982, 58. 25 Obwohl P. Althaus, Gebetsliteratur, 1927, 8, betont, dass sich neben den Theologen auch Laien, »Männer und Frauen jegliches Berufs«, an der Herausbildung der von ihm untersuchten Gattung beteiligten, erwähnt er im Fortlauf seiner Darstellung für den Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jh. nur zwei Autorinnen, 43f, 51, Anm. 2. 26 Zum Witwentrostbuch der Herzogin Elisabeth von Calenberg-Göttingen, s. I. Mager, Witwentrostbuch, 1994; die Unschuldigen Nachrichten 1750, 489–493, besprachen sehr wohlwollend das Gebetbuch der Herzogin Susanna von Sachsen-Weimar (†1592). 27 Von 1681 an bis zu ihrem Tod war sie Äbtissin des Stiftes Quedlinburg. Ihr Werk Der Treue Seelen Freund, 1675, kann der Emblematik zugerechnet werden. Als Dichterin wird sie erwähnt bei Erdmann Neumeister, De poetis Germanicis, 1695, 8.
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Das theologische Werk Johanna Eleonora Petersens
fenberg,28 Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt (1637–1706)29 und Ludämilie von Schwarzburg-Rudolstadt (1640–1672)30 hatten mit ihren Werken Anteil an der Ausgestaltung des protestantischen geistlichen Schrifttums. Die Formenvielfalt, die die auf Erbauung und Andacht abzielende Literatur im Laufe des 17. Jh. errungen hatte, setzte sich im Pietismus fort. Neben Liedern, Gebeten und Auslegungen der Bibel erhielt die biographische Exempelliteratur einen neuen Stellenwert. Wenn auch diese Entwicklung die spezifisch pietistischen Anliegen widerspiegelt, so lässt sich doch insgesamt feststellen, dass die pietistischen Erbauungsschriften sich vielfach bereits erprobter Meditations- und Gebetsweisen bedienen konnten. Neben den Klassikern lutherischer und reformierter Provenienz übten Erbauungsschriften englischer Puritaner wie Lewis Baylys (ca. 1573–1631) Practice of Piety31 oder John Bunyans (1628–1688) The Pilgrim’s Progress32 einen bedeutenden Einfluss auf den deutschen Pietismus aus. Ein weiterer Schwerpunkt pietistischer Bemühungen um Erbauungsliteratur zeichnet sich in der Verarbeitung und Verbreitung von mystischem Schrifttum ab,33 wobei Editionen und Übersetzungen eine wichtige Rolle spielten. A. H. Francke übersetzte beispielsweise zwei Werke des Spaniers Miguel de Molinos (1628–1696),34 dessen Texte durch 28 Die österreichische Adlige schrieb außer Gedichten geistlichen Inhalts Betrachtungen über die Menschwerdung, das Leben und Sterben Jesu: Andächtige Betrachtungen, 1678; Zwölf Andächtige Betrachtungen, 1683; Sechs Andächtige Betrachtungen, 1693; vgl. R. M. Browning/G. Teuscher, Deutsche Lyrik, 1980, 252–254. 29 M. H. Jung, Frauen, 1998, 11–26. 30 Vgl. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 81; M.-L. Wolfskehl, Jesusminne, 1934, 81. 31 Bayly war anglikanischer Theologe mit einer Neigung zum Puritanismus, s. W. L. Mc Clelland, Bayly, 1998. Spener kannte dieses Werk seit seiner Jugend; im Frankfurter collegium pietatis wurde dieser Text Baylys zwischen 1670 und 1674 gelesen, s. J. Wallmann, Spener, 1986, 46ff, 177, 264. Zu den deutschen Übersetzungen s. J. Wallmann, Labadismus, 1978, 151; vgl. ferner A. Lang, Puritanismus, 1941, 186–203; K. Deppermann, Puritanismus, 1993, 29f; U. Sträter, Rezeption, 1987. 32 Bunyan war ursprünglich Calvinist, wurde später jedoch Prediger der Baptisten. Er hatte Kontakte zu Quäkern und Dissentern und war von 1660–1672 inhaftiert, s. R. L. Greaves, Bunyan, 1998. Als Allegorie schildert der Autor in The Pilgrim’s Progress die Reise der Seele bis an das Tor des Himmels. Vgl. ferner A. Lang, Puritanismus, 1941, 204–272; W. Zeller, Protestantismus, 1962; E. H. Pältz, John Bunyan, 1979; U. Stadler, Studien, 1980; G. Rupp, Bunyan, 1981; zu Bunyans Bekehrungsbericht von 1666 s. L. Kuld, Lebensgeschichten, 1997, 148–162. 33 Vgl. hierzu P. Alverdes, Mystischer Eros, 1921; K. Reinhardt, Mystik, 1925; H. Bornkamm, Mystik, 1926. 34 Zusammen mit Fénelon (1651–1715) und J.-M. Guyon wird Molinos zu den Vertretern einer quietistischen Mystik gerechnet, die in der katholischen Kirche auf heftigen Widerstand stieß, s. hierzu E. Pacho, Molinos, 1980; J. I. T. Idigoras, Molinos, 1994; A. Meredith, Quietismus, 1997. Zu Fénelon s. R. Spaemann, Fénelon, 1990. Zu der Übersetzung aus dem Italienischen ins Lateinische wurde Francke durch eine Leipziger Disputation sowie durch den Leipziger Theologieprofessor Johann Benedikt Carpzov angeregt, s. H. Stahl, Francke, 1939; E. Peschke,
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die quietistischen Auseinandersetzungen in Frankreich eine große Verbreitung erfuhren.35 G. Arnold brachte u. a. Texte von Dionysios Areopagita und Jeanne-Marie Guyon heraus.36 Insbesondere Arnold ging es darum, die konfessionellen Abgrenzungen zu überwinden und die mystische Tradition als einheitliche Überlieferung zu betrachten, deren Rezeption nicht durch konfessionelle Vorbehalte beeinträchtigt werden sollte.37 Die Integration der mittelalterlichen Mystik-Literatur in das Geschichtsbild des Pietismus ist u. a. daran abzulesen, dass Mystiker-Biographien in den pietistischen Sammel-Biographien mit abgedruckt wurden.38 Wie bereits oben ausgeführt, bewegte sich J. E. Petersen mindestens seit den Frankfurter Jahren in einem Umfeld, in dem die Werke J. Taulers39 und J. Arndts eine große Rolle spielten. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird sich zeigen lassen, wie groß ihre Vertrautheit mit Motiven der spiritualistisch-mystischen Tradition war; auf welche Weise sie im Einzelnen jedoch ihre Kenntnisse erwarb, ist bisher kaum zu belegen. Im Hinblick auf formale Kriterien können neben den Gesprächen des Hertzens vier weitere Werke J. E. Petersens der Erbauungsliteratur zugerechnet Studien 1, 1964, 16f; ders., Mystik, 1966; ders., Bekehrung, 1977, 13–40; M. Brecht, Francke, 1993, 442f. Die wichtigste Schrift von Molinos, Der geistliche Wegweiser, den auch Francke übersetzt hatte, erlebte weitere deutsche Ausgaben, u. a. Frankfurt 1699. 1704 äußerte sich Francke ausführlich zur Mystik, jetzt, um gegenüber spiritualistisch ausgerichteten Studenten »die mystische Theologie vereinfachend zur Praxis des inneren Christentums« herabzuspielen, M. Brecht, Francke, 1993, 471f. Der Verlag der Franckeschen Stiftungen brachte zunächst eine Reihe von Mystik-Klassikern wie Bernhard von Clairvaux und Tauler heraus, später nur noch weniger umstrittene Autoren wie Arndt oder Thomas von Kempis. In den Jahren 1706/07 griff der Pietismus-Gegner J. F. Mayer diese Publikationen im Rahmen seiner Vorwürfe gegen die Hallenser Pietisten auf, s. ebd., 485, 507. Zu einem Konflikt kam es 1697 in Württemberg, als dem Pietisten Paul Achatius Banz seine Hochschätzung von Molinos zum Vorwurf gemacht wurde, s. M. Brecht, Württembergischer Pietismus, 1995, 231. 35 J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 2, 1734, 983–995; K. v. Orde, Quietismus, 2002. 36 Arnold übersetzte außerdem den von Francke ins Lateinische übertragenen Guida spirituale des Molinos ins Deutsche, s. E. A. Schering, Mystik, 1980, 117; zu den Editionen und Übersetzungen Arnolds s. G. Dünnhaupt, Personalbibliographien 1, 1990, 314–352. 37 Dieser Ansatz wird besonders deutlich in Arnolds Buch Mystische Theologie, 1703; vgl. hierzu E. Seeberg, Arnold, 1923. Diese Linie setzte sich fort bis zu Gerhard Tersteegen (1697–1769), der mystische Texte in mehreren Sammlungen herausgab, s. C. P. van Andel, Tersteegen, 1973; G.d. Croce, Tersteegen, 1979; J. F. G. Goeters, Reformierter Pietismus, 1993, 393–402. 38 J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 1–70, 70–80 (Tauler und Thomas von Kempis). 39 E. Koch, Taulerrezeption, 1992, 1244, kommt zu dem Ergebnis, »daß die Rezeption Taulers einschließlich der Rezeption der Theologia Deutsch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht nur über den sog. linken Flügel der Reformation vor sich gegangen ist, sondern auch über den theologischen Hauptstrom der Wittenberger Reformation«. Zur Taulerrezeption im 17. Jh. s. etwa die Ausgabe von Paul Kaim, G. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie III, 1729, 21f.
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werden, und zwar: Glaubens=Gespräche, 1691; Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715; Kurtze Betrachtungen von der Nutzbarkeit, 1717, sowie Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, [1717]. Genau wie die Gespräche des Hertzens erweisen sich diese Bücher als Kurzmeditationen, die sich an einen Bibelvers anschließen und in die Sprachform des Gebetes gekleidet sind. Dieser Gestaltungsduktus kann als Charakteristikum des literarischen Oeuvres von J. E. Petersen gelten.40 Die Entscheidung, auf die vier letztgenannten Werke erst in den folgenden Kapiteln einzugehen, erfolgt einerseits unter inhaltlichen Gesichtspunkten. Denn trotz formaler Gleichheit des Aufbaus überlagert die theologische Entwicklung der Autorin zunehmend die auf Förderung der Meditation und des Gebetslebens hinlenkende Intention der Erbauungsliteratur. In das Gewand der geistlichen Betrachtung und der Auslegung eines Bibelwortes gekleidet, wirbt J. E. Petersen immer intensiver um die Zustimmung zu ihren spezifischen eschatologischen und christologischen Überzeugungen. Auch die Reaktionen auf diese Publikationen beleuchten, dass sie nicht als Hilfe zur Erbauung gelesen wurden, sondern als pointierte und z. T. provozierende Stellungnahmen zu theologischen Streitfragen. Andererseits fällt bei einem Blick auf das Gesamtwerk J. E. Petersens auf, dass Stilformen und -elemente der Erbauungsliteratur vor allem in ihrem Spätwerk wieder aufgenommen wurden, so dass diese Schriften der chronologisch letzten Phase im Schaffen dieser pietistischen Autorin zugeordnet werden können. Die Einbeziehung des Buches Die Nothwendigkeit der Neuen Creatur aus dem Jahr 1699 in diesen Untersuchungsabschnitt durchbricht zwar die chronologische Anordnung des gesamten Kapitels, sie erfolgt jedoch wegen der großen inhaltlichen Nähe zu den Gesprächen des Hertzens. Wie unten im Einzelnen zu erläutern sein wird, sprechen auch manche Gründe dafür, die Entstehung dieses Textes etliche Zeit vor der Publikation im Jahr 1699 anzunehmen. 2.2 Gespräche des Hertzens, 1689 Das erste Buch J. E. Petersens wurde zwar in der Pietismus-Forschung als wichtiger Beitrag dieser Schriftstellerin gesehen, eine eingehende Analyse steht jedoch noch aus.41 Dieses Werk greift auf die westliche mystisch-geistliche 40 Johann Arndt entfaltet seine Lehre vom Gebet in seinem Paradiesgärtlein, s. hierzu C. Braw, Gebet, 1987. In seinen Vier Büchern vom Wahren Christentum steht die Darlegung des Gebetes im Zusammenhang mit Texten Valentin Weigels, ebd., 9. Anders als bei J. E. Petersen sind jedoch bei Arndt biblisches Votum, geistliche Auslegung und Gebet deutlich voneinander abgehoben, vgl. z. B. Wahres Christentum 1, 1708, 93–97. Auch in den mystischen Schriften von Johann Porst von 1722/23 sind Bibelwort, Betrachtung und Gebet voneinander getrennte Schritte, s. B. Altenburg, Mystik, 1931, 57. 41 M. Matthias, Hermeneutik, 1991, legte die erste detaillierte Studie dazu vor. A. Ritschl,
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Tradition zurück, indem das lateinische Andachtsbuch Pia desideria des flämischen Jesuiten Hermann Hugo (1588–1629)42 als Vorlage für den ersten Teil der Gespräche des Hertzens dient.43 Mit dieser Anleihe steht die Verfasserin in einem breiten Strom protestantischer Rezeption, die in Hugos Werk eine überkonfessionell lesbare Anleitung zur geistlichen Betrachtung sah. Die hier geschilderte Art, wie die Seele ihren Weg zu Gott findet, eindrücklich unterstrichen durch die beigefügten Darstellungen, war anscheinend in der Lage, suchende Menschen auch über die Konfessionsgrenzen hinweg anzusprechen.44 Allerdings ließ sich die Übernahme der für Hugos Buch charakteristischen Kupferstiche45 erst für eine weitere Auflage von J. E. Petersens Erstlingswerk realisieren, die im Jahr 1715 erschien.46 Der Inhalt der Meditationen Geschichte des Pietismus 2, 1884, 231f, äußerte die Vermutung, dass die Entstehung bereits vor der Frankfurter Zeit liegen könnte. W. Nordmann, Eschatologie, 1930, 93, Anm. 55, streift dieses Buch nur kurz und nennt es »durchaus mystisch«. 42 Die 1632 in Antwerpen erschienenen Pia desideria Hugos erfuhren verschiedene Übersetzungen und Bearbeitungen: eine stammt aus der Feder von Andrea Presson, s. M.-L. Wolfskehl, Jesusminne, 1934, 71; eine andere von Erasmus Francisci, s. D. Peil, Emblematik, 1978, 63f; AGL 2, 1750, 1763f, erwähnt weitere Ausgaben von 1701, 1707 und 1721. In Speyer erschien 1657 eine im reformatorischen Sinn überarbeitete Fassung, s. M. Greschat, Emblem, 1968, 156, Anm. 10. Ferner weist Greschat auf eine weitere Edition in der Bearbeitung durch J.-M. Guyon von 1717 hin. Die Verbreitung von Hugos Werk lässt sich u. a. daran ablesen, dass J. W. Petersen als Professor in Rostock dieses behandelte, Lebens=Beschreibung, 1719, 28. Dieses Buch gehörte zum Lektüreprogramm in den Schulen der Franckeschen Stiftungen, s. R. Breymayer, Theologia Emblematica, 1978, 259f, Anm. 16. P. Poiret, Klugheit der Gerechten, 1693, 28, empfiehlt Hugos Text zur Lektüre. 43 Vgl. auch M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 39. In der Auswahl der Bibelstellen für den ersten Teil der Gespräche des Hertzens lehnt sich J. E. Petersen größtenteils an den Aufriss der Pia desideria an. Die biblische Grundlage für die letzten vier Meditationen ist nicht der Vorlage von Hugo entnommen; eine weitere eigene Akzentuierung J. E. Petersens liegt darin, dass sie eine andere Auswahl für das erste biblische Votum vornahm. Sie setzt Ps 38,10 an den Beginn, Gespräche des Hertzens, 1689, 1, und folgt erst von der zweiten Andacht an Hugos Textgrundlage. 44 Vgl. E. T. Reimbold, Geistliche Seelenlust, 1978; ders., Pia desideria, 1980; G. D. Rödter, Via piae animae, 1992. 45 Zur Bedeutung und Verbreitung der künstlerischen Ausgestaltung durch emblematische Darstellungen in der Erbauungsliteratur s. D. Peil, Emblematik, 1978. In den 1670/80er Jahren entstanden ebenfalls die ersten Ausgaben von Arndts Wahrem Christentum mit emblematischem Bildmaterial. E. Müller-Mees, Emblematik, 1974, untersuchte den 1678/79 in Riga unter Mitarbeit von Johann Fischer herausgegebenen Druck, 19–35, sowie die unter Anregung von Spener zustande gekommenen Ausgaben von 1679 und 1686, 227–302. M. Greschat, Emblem, 1968, macht auf eine Verknüpfung von Arndts Werk mit der emblematischen Bildtradition bereits in einer Schrift Johann Valentin Andreäs aus dem Jahr 1621 aufmerksam, 157. Allerdings handelt es sich bei diesem Buch Andreäs nicht um eine vollständige Textausgabe, sondern nur um einen Auszug. 46 Die Erstausgabe enthält lediglich zwei Darstellungen, die im ersten und zweiten Teil vor das Titelblatt eingebunden sind. Der erste dieser Stiche bietet in der Mitte ein stilisiertes Herz, das eine Taube umschließt; um diese beiden Bildelemente formen sich ein Dreieck und dann ein Kreis. Die Buchstaben A und Ω sind in diese Formelemente hineingeschrieben. Röm 8,26
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Hugos und J. E. Petersens hat hingegen fast nichts miteinander gemeinsam.47 In den Pia desideria steht eine Pictura mit einem biblischen Vers am Anfang, dann leitet ein poetisches Textstück die Betrachtungen ein, darauf folgen Auszüge aus den Kirchenvätern, vornehmlich aus den Werken Augustins.48 Der direkte Gebetscharakter, der das Buch J. E. Petersens kennzeichnet, war durch diese Vorlage nicht inspiriert.49 Der Aufbau des zweiten Teils der Gespräche des Hertzens orientiert sich an dem ebenfalls der Emblematik entstammenden Meditationszyklus von Antoon Wierix, der J. E. Petersen vermutlich in der Bearbeitung durch Christian Hoburg (1607–1675) vorlag.50 Einige der Texte Hoburgs weisen große Ähnlichist als Spruchband drapiert. Das zweite Blatt zeigt in seiner Mitte ein Kreuz mit einem flammenden Herzen im Zentrum der Kreuzbalken. A und Ω finden sich am Fuß des Kreuzes. Auf einem Spruchband ist zu lesen: »Der Stein, den die Bau=Leuthe verworffen, ist zum Eck=Stein worden. Auff daß ihr begreiffen möget welches da sey die braite u. die länge die tieffe und die höhe u. die Liebe Christi, so das Wissen übertrifft.« Als Illustrator wird der Lüneburger H. Mosting angegeben. 47 Hugos Werk weist einen streng systematisierten Aufbau auf: die drei Teile sind in je 15 Abschnitte gegliedert, wobei Teil 1 der büßenden Seele gewidmet ist, 1–139, Teil 2 die »Vota animae sanctae«, 140–289, darbietet und Teil 3 die »suspiria« (Liebesseufzer) der Seele schildert, 290–419. 48 An deren Spitze stehen dessen Soliloquia, H. Hugo, Pia desideria, 1632, 3f, 22f, 37, 47f, 60, 76f, 80, 94, 97, 128 u. ö.; häufig zitiert werden ferner Chrysostomos, Ambrosius, Hieronymus, Gregor d. Gr., Bernhard von Clairvaux; gelegentlich begegnen Origenes, Clemens Alexandrinus, Basilius d. Gr., Gregor von Nazianz, Anselm von Canterbury, Paulinus von Nola, Hugo von St. Victor, Bonaventura und andere. 49 Vgl. M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 49–51, der zutreffend beobachtet, dass das Gebet »Authentizität demonstrieren« will, 50. Die von ihm vorgetragenen Überlegungen zum Gebet als unwissenschaftlicher Gattung erscheinen mir allerdings als zu einlinig. Die Form des Gebets kann zu Recht als der »theologischen Denkweise angemessene und eigentümliche Form« J. E. Petersens gelten, 49. Diese Beobachtung schließt aber nicht aus, wie Matthias dies darstellt, dass Schriftstellerinnen eher zu einer unwissenschaftlichen Form griffen, gerade weil sie vom wissenschaftlichen Diskurs ausgeschlossen waren. Zudem lässt sich auch an diesem Punkt J. E. Petersens Tendenz zu einer gewissen Übersteigerung des für sie Bedeutsamen festmachen. Während die christliche Tradition Bibellektüre und Gebet in einem engen Zusammenhang sah, meist jedoch beide unterschied, verwischen sich bei dieser pietistischen Autorin die Grenzen zwischen Lesung, Betrachtung und Gebet. Im Vergleich zeigen etwa Franckes Ausführungen zu Gebet und Bibellektüre, dass beide eng aufeinander bezogen sind, dennoch als einzelne Schritte unterschieden werden, s. M. Brecht, Francke, 1993, 467f. 50 Vgl. M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 39. Hoburg begann als Schüler Arndts in Lüneburg und beendete seinen Weg nach vielen Stationen als Prediger der Mennoniten in Altona. M. Schmidt, Theologische Erscheinung, 1984, 91, bezeichnet ihn als »Wortführer des mystischen Spiritualismus«. Neben Jakob Böhme wirkte die Mystik Taulers auf sein Werk ein. Als seine Hauptschriften können gelten Spiegel der Mißbäuche, 1644, und Apologia Praetoriana, 1653. Vgl. ferner M. Schmidt, Speners Pia Desideria, 1969, 151–158; E. Gröschel-Willberg, Christian Hoburg, 1954; M. von Nerling, Streit, 1949; M. Schmidt, Hoburg, 1959; ders., Spiritualistische Kritik, 1960; M. Kruse, Hoburg, 1971; F. W. Bautz, Hoburg, 1990. M. Schmidt sah Speners Pia Desideria unter starker Beeinflussung durch Hoburg, Wiedergeburtslehre, 1969. Dieser Auffassung wurde aber widersprochen, s. M. Brecht, Wahres Christentum, 1979, 150–153.
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keit sowohl im Stil, der Diktion als auch in der literarischen Gestaltung mit J. E. Petersens Buch auf, so dass sich die Frage stellt, ob die Verfasserin der Gespräche des Hertzens diese kannte.51 Zwischen 1670 und 1700 erschienen Nachdrucke von Hoburgs Werken, die z. T. von dem Verleger H. Betke herausgebracht wurden, mit dem J. J. Schütz zusammenarbeitete.52 Von daher ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass J. E. Petersen in den Frankfurter Jahren Gelegenheit hatte, Hoburgs Schriften kennen zu lernen. In Hoburgs Lebendiger Hertzens=Theologie verwenden die einzelnen Andachten durchgängig den Stil der Gebetssprache; der Dialog, den die Seele mit ihrem »Hertzens JEsu« führt, nimmt seinen Ausgangspunkt nicht bei einem Bibeltext, sondern bei der emblematischen Darstellung.53 In den Emblemata Sacra ist die Pictura mit einem biblischen Votum verbunden, das durch kurze poetische Textstücke, »Seufftzer« genannt, kommentiert wird.54 Im Januar 1686 bat J. E. Petersen in einem Brief den Kieler Theologieprofessor Christian Kortholt darum, ein beigefügtes »wercklein« durchzulesen unter der Fragestellung, »ob etwas darinn anstössig oder wieder unser Glaubens Articul streite«.55 Die Briefschreiberin teilt mit, dass etwa vor zwei Jahren ein Freund sie angeregt habe, Kupferstiche von Hermann Hugo zu kommentieren. Bisher lässt sich nicht identifizieren, um wen es sich dabei handelte; zu denken ist auf jeden Fall an die Frankfurter Freunde.56 Erst im vergangenen Herbst, also im Jahr 1685, sei sie dann dazu gekommen, diese Texte niederzuschreiben. So datiert J. E. Petersen den Anstoß zu ihrem ersten Buch in das Jahr 1684, den Beginn der schriftstellerischen Arbeit in den Herbst 1685. Sie bittet Kortholt darum, dass seine Lektüre möglichst bald geschehen möge, da der Druck noch vor Ostern fertig sein solle. Die Publikation verzögerte sich dann allerdings noch um ganze drei Jahre. In einem weiteren Brief bedankt sich J. E. Petersen für Kortholts sorgfältige Lektüre und versprach, die von ihm gemachten Änderungsvorschläge einzuarbeiten.57 Die erste Ausgabe der Ge51 C. Hoburg, Emblemata Sacra, 1692; Lebendige Hertzens-Theologie, 1696; Theologia Mystica, 1700. 52 Vgl. A. Deppermann, Schütz, 2002, 343. 53 C. Hoburg, Lebendige Hertzens=Theologie, 1696, 7, 15, 51. 54 Alle 45 Kurzandachten dieses Buches sind nach dem gleichen Schema aufgebaut und bestehen jeweils aus zwei Druckseiten, C. Hoburg, Emblemata Sacra, 1692, 28–125. 55 Dieser Brief ist als Abschrift erhalten: Hamburg SUB Sup.ep. 4° 52, 372v, 19.1.1686. Die Zuweisung an Kortholt als Empfänger erfolgte durch M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 41, Anm. 24. Das Manuskript selber enthält keine Empfängerangabe, im Sup.ep. wurde P. J. Spener als Briefpartner angenommen. J. E. Petersen berichtet ferner, dass ihr Mann zwar einen Blick auf das Manuskript geworfen habe, aber ihren Entwurf »aus mangel der Zeit nicht eigentlich uberlesen«; deswegen wende sie sich jetzt auch auf sein Anraten hin an den Kieler Freund, 373r. 56 Aufgrund von Speners Engagement für die Ausstattung von Arndts Wahrem Christentum mit Emblemen ist eine Anregung von seiner Seite aus durchaus möglich. 57 Dieser undatierte Brief ist ebenfalls nur als Abschrift erhalten, Sup.ep. 4° 52, 365–379. M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 41f, Anm. 24, ermittelte gleichfalls Kortholt als Empfänger.
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spräche des Hertzens enthielt eine auf den Dezember 1687 datierte Vorrede Kortholts, in der er die Autorin als mustergültige Bibelkennerin und empfehlenswerte Erbauungsschriftstellerin vorstellte.58 Im Frühjahr 1689 schickte J. E. Petersen von Lüneburg aus sechs Exemplare des frisch gedruckten Buches als Dank an den Kieler Freund.59 Die Gespräche des Hertzens erschienen in Plön bei dem Buchdrucker Tobias Schmidt, der sich nicht durch besondere Kontakte zu einer pietistischen Klientel auszeichnete.60 Das erste Buch J. E. Petersens besteht aus drei Teilstücken, wobei die ersten beiden Meditationen enthalten, während der letzte Teil die autobiographische Skizze Eine kurtze Erzehlung umfasst.61 Die beiden ersten Teile dieser Schrift weisen in inhaltlicher sowie in formaler Hinsicht die gleichen Merkmale auf, sie können jedoch jeweils für sich als geschlossenes Werk gelesen werden. Im ersten Teil entstammen die ausgewählten Bibeltexte mehrheitlich den Psalmen und dem Hohenlied. Im zweiten Teil stammen insgesamt acht Bibelverse aus dem Alten Testament, die übrigen 16 verteilen sich auf zehn neutestamentliche Bücher, so dass hier kein eindeutiger Schwerpunkt zu erkennen ist.62 Soweit ausdrückliche Adressierungen der Gebete vorkommen, wenden sich diese in der Mehrzahl an Chris58 Einer der Gegner des Ehepaares Petersen, J. H. Feustking, überlieferte, dass J. E. Petersen weitere Eingriffe in ihren Text vorgenommen habe, nachdem sie Kortholts Änderungsvorschläge und sein Vorwort erhalten habe, ohne ihn darüber zu informieren. »Darüber beschwerete sich D. Kortholt schriftlich gegen ihren Ehemann/ wolte es auch im Druck public machen/ ist aber darüber gestorben. Aus welchem so viel erhellet/ daß der seelige D. Kortholt/ der Petersin ihre Schwärmerey/ und fanatische Bücher niemahls gebilliget hat«, Gynaeceum, 1704, 470f. Diese Vorwürfe wiederholte G. C. Eilmar, Gründliche Erörterung, 1704, L2r–L3r. Feustkings Angabe, Gynaeceum, 1704, 470, dass J. E. Petersen nur den ersten Teil ihres Buches zur Begutachtung bei Kortholt vorgelegt habe, stimmt mit den Ausführungen des erhaltenen Briefwechsels nicht überein, da der Kieler Theologieprofessor auch auf Passagen reagierte, die in der gedruckten Fassung in Teil 2 erscheinen, s. Sup.ep. 4° 52, 377r–379r. 59 Dieser Brief ist handschriftlich erhalten in Kiel, UB, S. H. 406, ep. 14, 7.3.1689. Zu dem Buchprojekt heißt es in diesen Zeilen: »Hat lange geweret, weil mit kupffern hat sollen getruckt werden, aber weil es noch länger geweret hette, so habe resolviret dass nur 2 Kupffer dafür komen«. 60 Vgl. hierzu J. Benzing, Buchdrucker, 1982, 382; T. Schmidt war von 1673 bis 1702 als Hofbuchdrucker und Verleger tätig. Vgl. ferner F. Stender/H.-J. Freytag, Plön, 1986, 166; D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 230. T. Schmidt brachte hauptsächlich Werke regional bedeutender Theologen heraus, wie z. B. Kortholts Weiblicher Tugend=Spiegel, 1682; Theologische Tractätlein, 1679. Der größere Teil der Schriften Kortholts erschien bei Joachim Reumann in Kiel. 1685 waren zwei Bücher J. W. Petersens bei Schmidt in Plön gedruckt worden: Spruch=Catechismus und Gaubens=Bekäntniß. 61 Teil 1 enthält 50 Kapitel, 1–164, Teil 2 besteht aus 24 Kapiteln, 167–234; die fortlaufende Paginierung wird auch in Teil 3 fortgesetzt, 235–295. Die insgesamt 74 Kurzandachten von Teil 1 und 2 weisen im Oktavformat einen Umfang von einer bis zu acht Druckseiten auf. 62 Auf die Psalmen entfallen 23 Voten, auf das Hohelied 14, das Buch Hiob ist mit vier Versen vertreten, jeweils einmal erscheinen Dtn, Jes, Jer, ferner Röm, 2Kor, Phil, 1Joh und Hebr.
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tus, sehr viel weniger an Gott als Vater.63 Den Eindruck von zwei selbstständigen Textcorpora unterstreichen auch die Dedikationen, die sich an zwei unterschiedliche Frauen richten. Die Widmung des ersten Teils an die Herzogin Christina von Holstein-Gottorf (1656–1698),64 die Ehefrau des Lübecker Fürstbischofs August Friedrich, der J. W. Petersens oberster Dienstherr war, erklärt sich aus der Entstehungszeit des Textes in Eutin. Der Ton dieser Dedicatio bleibt recht unpersönlich.65 Den zweiten Teil widmete die Verfasserin einer Weggefährtin und engen Freundin, der sie sich durch die gleiche Ausrichtung der Frömmigkeit verbunden fühlte: Gräfin Benigna von SolmsLaubach. J. E. Petersen unterstreicht hierin, dass die Gräfin »in der Liebe Christi« stehe und ihren »Wandel darinnen« bezeuge.66 Das Motto des Herzens, das Gespräche mit Gott führt, entstammt der Tradition geistlicher Literatur.67 J. E. Petersen gestaltet in ihrem ersten Buch die Zwiesprache einer betenden Person mit dem göttlichen Gegenüber. In den Gesprächen des Hertzens spricht eine Seele in inniger Vertrautheit mit ihrem »Heyland«.68 Die Seele beklagt ihre Anfechtungen und beschreibt ihren Jammer und ihre Not angesichts des Fernbleibens Gottes. In den Prüfungen, die Gott zumutet, ringt das betende Ich um Gelassenheit, Geduld und Demut. Die sprechende Person umgibt sich kaum mit biographischen Angaben,69 die meisten Gebete sind so offen formuliert, dass unterschiedliche Beter und Beterinnen sich darin wiederfinden können. 63 In Teil 1 wenden sich 22 der 50 Meditationen an Jesus Christus, 24 an Gott als Vater, die restlichen weisen keine Anrede auf. Im zweiten Teil richten sich 19 an Christus und vier an Gott den Vater. Angesichts dieses Befundes erscheint es mir nicht nachvollziehbar, wenn M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 40, Anm. 19, wegen der »häufige[n] Anrede ›Vater‹« eine Einordnung dieses Buches »in die Tradition der Seelenfreundliteratur«, wie A. Ritschl sie vorgenommen hatte, zurückweist, vgl. ebd., 51. 64 Sie stammte aus der Linie Sachsen-Weißenfels; ihr Vater war Herzog August von SachsenWeißenfels (1614–1680), ihre Mutter Anna Maria von Mecklenburg-Schwerin (1627–1669), s. D. Schwennicke, Europäische Stammtafeln NF I.1, 1998, Tafel 171. 65 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, )(2r–4v: die Autorin äußert sich zum Thema des Gebets. 66 Ebd., Teil 2, Vorrede, )(1v. 67 Bei J. Arndt bedeutet Herz nicht nur das Innerste, sondern den ganzen Menschen, s. C. Braw, Bücher im Staube, 1986, 86. 68 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 167, 182, 207, 224f, u. ö. Motive der mystischen Bildersprache wie »Bräutigam«, »verliebte Seele«, »geistliche Ehe« und »Seelenkuß« unterstreichen diesen Eindruck, 87, 110, 129. W. Halfmann, Kortholt, 1930, 56, nennt die Gespräche des Hertzens »ein Buch pietistischer Jesusliebe«. 69 In zwei Passagen spielt die Verfasserin auf die schwierigen Erfahrungen an, die sich für sie aus dem Stil des höfischen Lebens ergaben, ebd., 56–64, 71–74. Auch die Geschlechtszugehörigkeit der Verfasserin wird nur äußerst selten sichtbar; im Anklang an Mk 3,35 spricht sie etwa davon, dass sie Jesu Schwester sei, so wie er ihr Bruder, 86. Gelegentlich spricht sie betont von beiden Geschlechtern, von Knecht und Magd bzw. Sohn und Tochter Gottes, 71, 216.
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Die Gespräche des Hertzens vermitteln ein Modell christlichen Lebens, das sich durch Abgrenzung gegen die »Welt« und das »Getümmel der Menschen« auszeichnet.70 Das angestrebte Ideal besteht darin, als »Pilgrim Christi« und »Frembdling« in der Welt zu leben; Stille und Einsamkeit gelten als die notwendigen Bedingungen dafür.71 Gebet und Schriftlektüre haben den höchsten Stellenwert als Mittel, um diesem Ziel nahe zu kommen.72 Wenn auch die einzelne Seele im Vordergrund der Betrachtungen steht, so ist doch erkennbar, dass diese in gemeinschaftliche Strukturen eingebunden ist. Während J. E. Petersen in späteren Veröffentlichungen den Begriff »Kirche« nicht mehr in positiver Bedeutung verwendet, ist hier an einigen Stellen von der Kirche als einer Größe die Rede, der sich die Seele zuordnet.73 Daneben tauchen bereits die Umrisse des in den folgenden Jahren immer stärker in den Vordergrund tretenden Interesses an der Hervorhebung einer elitären Struktur auf.74 Der von Spener vertretene pietistische Grundansatz, durch die »ecclesiola« die »ecclesia« zu verändern,75 erfuhr bei J. E. Petersen eine zunehmende Verengung des Blickes nur auf die ecclesiola.76 In den Gesprächen des Hertzens lassen sich noch beide Optionen wiederfinden, wobei allerdings die Verlagerung ausschließlich zur kleinen Gruppe ihre ersten Spuren zeigt.
70 Ebd., 79, vgl. 66, 124. Ein negativer Weltbegriff kann als eines der Kennzeichen des gesamten Pietismus gelten, s. M. Schmidt, Theologische Erscheinung, 1984, 20. 71 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 32, 124. 72 Ebd., 93. 73 Ebd., 4, 144; ähnliches gilt für das Wort »Christ«, 124, 168. In ihren später publizierten Büchern spricht die Autorin nur noch in negativer Weise von den Christen. Im Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 3, heißt es, dass »das meiste von denen Christen ins Anti=Christenthum« übergegangen sei, vgl. 61. Zu der in positivem Licht betrachteten Geschichte der Kirche gehören für J. E. Petersen die ersten Christen und die Märtyrer als Zeugen wahrer Nachfolge, Gespräche des Hertzens, 1689, 220, 223, 227. Konkrete Formen kirchlichen Lebens wie Gottesdienst, Abendmahl oder Taufe kommen in den Betrachtungen ihres ersten Buches nicht vor. Nur der autobiographische Anhang beleuchtet in einer Erinnerungsskizze das Abendmahl. 74 Die Beterin sieht sich zugehörig zu den von Gott »Außerwehlten«, die besondere Leiden auf sich nehmen. Sie will Gott loben »mit dem Hauffen deiner wahren Kinder« und rechnet sich zur »Gemeine der Erstgebohrnen«, 125, 129, 140. Der Rückgriff auf neutestamentliche Bezüge wie 1Kor 6,2 und Apk 2,26 erhält in J. E. Petersens Diktion eine zur Selbstüberhebung neigende Tendenz, wenn sie etwa schreibt: wir werden »Mit=Richter seyn/ wenn die Heiligen die Welt richten werden. O wie reichlich wird da aller Hohn und Spott ersetzet werden«, 107. 75 P. J. Spener, Briefe 2, 1996, 352; Theologische Bedencken 3, 1702, 116; Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 704. Obwohl Francke stärker als Spener den Unterschied zwischen den Kindern der Welt und den Kindern Gottes hervorhob, ging er dennoch davon aus, dass sich die »rechte Kirche . . . innerhalb der äußerlichen« befindet. »Francke wollte, anders als die Radikalen, diese Verbindung mit ihren Wirkungsmöglichkeiten nicht aufgeben«, M. Brecht, Francke, 1993, 464. Brecht, ebd., 466, rechnet diese »polarisierende Ekklesiologie« zum »Kernbestand« der Theologie Franckes. 76 Dieser Begriff kommt bei ihr nicht vor, da sie keine lateinischen Terminologie verwendet.
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Während große Teile der Meditationen J. E. Petersens als Fortschreibung der mystisch-erbaulichen Literatur gelten können, zeigen sich an etlichen Stellen die spezifisch pietistischen Akzentuierungen. In die fromme Auslegung der Bibeltexte hinein flocht die Verfasserin ihre Anliegen, die bereits zu Kontroversthemen zwischen den Pietisten und ihren Gegnern avanciert waren. Das Thema der Rechtfertigung, das in J. E. Petersens frühen Texten eine wichtige Rolle spielt, behandelt sie vornehmlich im Hinblick auf ihr Interesse an der Heiligung.77 Auf der einen Seite lassen sich bei dieser Thematik deutliche Übereinstimmungen mit den führenden Vertretern des Pietismus wie Spener und Francke ablesen, andererseits zeichnet sich die Schriftstellerin J. E. Petersen dadurch aus, dass sie die für wichtig erachteten Themen in den Vordergrund rückt und andere Aspekte wie das forensische Verständnis des Rechtfertigungsgeschehens zwar streift, jedoch nicht in ihre Erörterungen als eigenständiges Problem einbezieht.78 Für den gesamten Pietismus erweist es sich als charakteristisch, dass der effektive Aspekt der Rechtfertigungslehre betont wird.79 Während bei Spener die Übereinstimmung mit der forensischen und imputativen Sichtweise noch deutlich zu Tage tritt, steigern sich bei Francke und insgesamt in der zweiten pietistischen Generation die Optionen für eine ausschließlich effektive Auffassung der Rechtfertigung.80 77 Bereits in der frühen reformatorischen Phase gehörte die Verständigung über die Rechtfertigungslehre zu den Dissenspunkten. Andreas Osiander setzte dem vor allem von Melanchthon betonten forensischen Charakter des Heilsgeschehens eine effektive Auffassung entgegen, die sich u. a. aus Traditionen der Mystik speiste, vgl. hierzu A. Ritschl, Rechtfertigung 1, 1882, 217–255. Zur veränderten Betrachtung der Rechtfertigung im Pietismus s. O. H. Pesch/A. Peters, Gnade, 1981, 227–248. 78 Das Abrücken von der forensischen Auffassung der Rechtfertigung und die entsprechenden Gefahren lassen sich auch bei Francke beobachten, dennoch treten die Unterschiede zu J. E. Petersen deutlich genug hervor. E. Winkler, Exempla fidei, 1975, 26, bemerkt, dass, obwohl Francke zweifelsohne an der lutherischen Rechtfertigungslehre festhielt und »sie gelegentlich sogar mit Begriffen der imputativen Rechtfertigung« ausdrückte, er zu einem Synergismus neigte, »der die Rechtfertigung sola fide gefährdet«. Vgl. auch E. Peschke, Studien 1, 1964, 155. Anhand der Analyse eines pietistischen Stammbuches aus den Jahren 1712/13 kann M. Schmidt, Stammbuch, 1975, 78, »das deutliche Zurücktreten des Rechtfertigungszusammenhanges« nachweisen. 79 Vgl. hierzu O. Ritschl, Dogmengeschichte 2.1, 1912, 325–500. Strittig ist hingegen, ob es sich hierbei um eine »Zersetzung« der reformatorischen Rechtfertigungslehre handelt, s. A. Ritschl, Rechtfertigung 1, 1882, 347–356, oder ob hier ein genuin lutherisches Anliegen aufgenommen wird, vgl. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 146. Vgl. ferner F. Mildenberger, Theologie, 1983, 40f, 141f. M. Schmidt, Theologische Erscheinung, 1984, 16–19, der die Wiedergeburt als theologisches Zentrum des Pietismus ansah, meinte zwar nicht eine Verdrängung der Rechtfertigung, jedoch eine Einordnung derselben in das Schema der Wiedergeburt erkennen zu können. Zum Widerspruch gegen diese Hypothese s. J. Wallmann, Wiedergeburt, 1977. 80 G. Hornig, Lehre und Bekenntnis, 1998, 103, konstatiert für Francke: »An die Stelle der für Luthers Rechtfertigungslehre charakteristischen Formel ›simul iustus et peccator‹ tritt die Lehre von der Ablösung des ›Standes der Natur‹ durch den ›Stand der Gnaden‹«. J. K. Dippel vertritt seit 1696/97 eine Auffassung der Rechtfertigung, nach der diese den Zwang beseitigt, neue Sünden zu begehen, s. S. Goldschmidt, Dippel, 2001, 144, 178, 193, 226.
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Obwohl J. E. Petersen in den Gesprächen des Hertzens den forensischen Charakter der Rechtfertigung nicht leugnet, so tritt doch ihre Betonung der Gerechtmachung auffallend hervor. Ihre besondere Aufmerksamkeit richtet sich auf die Aspekte der Inhabitatio Christi81 und der daraus abgeleiteten Heiligung des Menschen. Ganz im Duktus biblischer Sprache formuliert sie etwa in der Gebetsanrede an Christus: »Du wohnest durch den Glauben in unserm Hertzen/ und wilt mit dem Vater zu uns kommen/ und Wohnung bey uns machen. Wir sind Tempel deines heiligen Geistes worden«.82 J. E. Petersen will sich nach ihren Aussagen gegen ein oberflächliches Verständnis der Rechtfertigung absetzen, das sie um sich herum beobachtet. Sie wendet sich an Gott den Vater mit der folgenden Zusammenfassung ihrer Kritik: »Aber wie sehr irret die Welt in dieser heil. Lehre! wie falsch rechnet sie ihr zu deine wahre Zurechnung/ indem sie bey aller bleibenden Ungerechtigkeit sich der Gerechtigkeit deines Sohnes getröstet/ von welchem sie zwar gläubet/ daß Er für sie gestorben/ nicht aber haben will/ daß Er in ihnen wohne und über sie herrsche.«83 Dieser von ihr konstatierten Leichtfertigkeit im Umgang mit der Rechtfertigungsbotschaft hält J. E. Petersen ihre Betonung der tiefgreifenden Umwandlung entgegen, die von Seiten des Menschen ernsthaftes Mitwirken erfordere. Sie war sich durchaus der Brisanz ihrer Stellungnahme bewusst, denn bereits vor der Veröffentlichung ihres Buches hatte sie in ihrem Brief an Kortholt diese Schwierigkeit angesprochen. Ihm gegenüber betonte sie, dass sie der forensischen Rechtfertigungsauffassung zustimme. Sie habe in vielen Passagen ihres Werkes geschrieben, »daß ich die rechtfertigung eines armen Sunders für Gott von Hertzen bekenne, und die Zugerechnete Glaubens Gerechtigkeit für wahr halte.«84 Dieser an die Adresse des Kieler Freundes zum Ausdruck gebrachte Minimalkonsens spiegelt sich insofern in den Meditationen der Gespräche des Hertzens wieder, als J. E. Petersen die Anerkennung der imputativen Rechtfertigungslehre nicht bestritt, ihre Aufmerksamkeit jedoch ausschließlich deren effektivem Verständnis zuwandte. Dieses Vorgehen, wenn auch etwas weiter zugespitzt, lag auf der Linie der pietistischen Mahnungen, sich 81 Diese Betonung ist nicht als typisch pietistisch anzusehen; bei Philipp Nicolai (1556–1608) spielt die Einwohnung Christi eine zentrale Rolle, s. A. Steinmeier-Kleinhempel, Einheit Gottes, 1991, 218–240. 82 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 231. Die enge Verbindung der Gläubigen mit Christus beschreibt sie auch durch eine auf Eph 5,30 beruhende Weiterführung der Metapher des Leibes Christi, die Gen 2,23 mit aufgreift. Sie formuliert an Christus gewandt: du hast »mich deines Fleisches und Blutes theilhafftig gemachet/ daß ich nun Fleisch bin von deinem Fleisch/ und Gebein von deinen Gebeinen«, 86. M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 52, Anm. 62, weist auf das Vorkommen dieser gleichen Kombination bei Christian Hoburg hin. Beide Petersen ziehen diese Interpretation oft heran. 83 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 139. 84 Hamburg SUB Sup.ep. 4° 52, 374r.
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nicht mit der durch Christus geschehenen Gerechtsprechung zu begnügen und dabei das Ziel der Heiligung aus den Augen zu verlieren.85 Die in J. E. Petersens Verständnis der Rechtfertigung hervorstechenden Charakteristika dürfen allerdings nicht von ihrem Bildungsgang und von ihrer Position als Frau losgelöst werden. Männer wie Spener und Francke waren mit der Tradition ganz anders vertraut als sie; auch wenn sie neue Akzentuierungen betonten, so bildete doch der Lehrkonsens der lutherischen Kirche einen Verständnishorizont, demgegenüber sie sich verpflichtet fühlten.86 Die Erbauungsschriftstellerin J. E. Petersen diskutierte umstrittene Theologoumena kaum anhand der in der theologischen Tradition ausgebildeten Begrifflichkeit, sondern vornehmlich in der Auseinandersetzung mit biblischen Voten. So führt die Autorin in der Druckfassung ihres ersten Buches keine kritische Auseinandersetzung mit der dogmatischen Lehrüberlieferung, obwohl ihr diese durchaus geläufig war, wie der Briefwechsel mit Kortholt zeigt. Die bei ihr in der der Interpretation von Kap. 7 des neutestamentlichen Römerbriefes zusammengezogenen Aspekte wurden in der theologischen Diskursliteratur den Problemkomplexen des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium, von Glauben und Werken sowie von Rechtfertigung und Heiligung zugeordnet. Allerdings gaben die paulinischen Aussagen von Röm 7 in allen Epochen der Kirchengeschichte Anlass zu konträren Deutungen, zu der Frage nämlich, ob Paulus über das gläubige oder das vorgläubige Ich spreche.87 In ihrem Brief an Kortholt formulierte J. E. Petersen, dass ihre Auslegung von Röm 7 anstößig sein könne. Ihr sei bewusst, dass sie von »der gemeinen Erklärung« abweiche, sie wolle damit jedoch nicht leugnen, »daß wir noch Sunde haben, und noch viel sündliches an uns ist.«88 Diese Erläuterung zeigt, dass sie sehr wohl mit der traditionellen lutherischen Lehre vertraut war, die in Röm 7 die bleibende Verhältnisbestimmung des simul iustus et peccator sah.89 Ihr gehe es aber darum, so in ihrem 85 Zu Speners Verständnis der Heiligung s. J. O. Rüttgardt, Heiliges Leben, 1978. 86 Spener wurde seit seiner Frankfurter Zeit vorgeworfen, dass er von der lutherischen Rechtfertigungslehre abweiche, indem er »den Leuten den Trost aus Christi Verdienst und dem Glauben« nehme und stattdessen auf die Ausübung von Werken dränge und so in gefährliche Nähe zur katholischen Lehre gerate, P. J. Spener, Sendschreiben, 1677, 12f. G. Hornig, Lehre und Bekenntnis, 1998, 101, betont, dass Spener an der lutherischen Auffassung der Rechtfertigungslehre festhielt, obwohl sein Hauptaugenmerk der Heiligung galt. 87 Zur exegetischen Diskussion um Röm 7 s. R. Bultmann, Römer 7, 1932; K. Kertelge, Exegetische Überlegungen, 1971; W. G. Kümmel, Römer 7, 1974; G. Bader, Römer 7, 1981; H. Lichtenberger, Das Ich Adams, 2004; zur Geschichte der Auslegung s. M. Schmidt, Theologische Erscheinung, 1984, 19. 88 Hamburg SUB Sup.ep. 4° 52, 373r. In diesem Schreiben teilt sie Kortholt außerdem mit, dass sie von ihrem Ehemann erfahren habe, »daß alle Patres der 3 Ersten hundert jahren und noch viel hernach« darin übereingestimmt hätten, dass Paulus in Röm 7 nicht die christliche Glaubensexistenz, sondern den Zustand vor seiner Umkehr beschreibe, 373v. Von diesem historischen Wissen machte J. E. Petersen in der Darstellung ihres Buches jedoch keinen Gebrauch, da ihr allein daran lag, ihre Ansichten als Ergebnis der Bibellektüre herauszustellen.
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Schreiben an den Kieler Freund, dass die Sünde nicht über diejenigen herrschen könne, in denen Christus durch den Glauben wohne. Röm 7 sei als Rückblick des Apostels auf einen überwundenen Zustand zu verstehen. Für J. E. Petersens nach Eindeutigkeit drängendes Glaubensverständnis konnte es das paulinische Ineinander von Schwachheit und Stärke nicht geben, da sie den Glauben als reale Veränderung des Menschen verstand. Ihr zweiter Brief an Kortholt erhellt, dass dieser Einwände gegen ihre Darstellung erhoben hatte, die sie zu weiterer Präzisierung zwangen.90 So führt sie nun aus, dass Paulus nach ihrer Auffassung drei Haltungen gegenüber dem Gesetz kenne, nämlich: »vor dem gesetz, unter dem gesetz, und nach dem gesetz«.91 Ein wiedergeborener Christ befinde sich in dem dritten Status, in dem das Gesetz keine Gültigkeit mehr habe, da er durch Christus ein neuer Mensch geworden sei.92 Das gleiche Verständnis von Röm 7 als zeitliches Nacheinander, das die Wiedergeborenen von ihrem vorherigen Zustand trennt, kommt auch bei J. W. Petersen und bei A. H. Francke vor.93 In der gedruckten Fassung der Gespräche des Hertzens betont die Autorin, dass die Einhaltung der göttlichen Gebote für die Menschen möglich sei, und dass daraus die Sündlosigkeit der Bekehrten resultiere, wie sie es auch gegenüber Kortholt angesprochen hatte.94 Die vom Apostel Paulus in Röm 7,24 beschriebene Ambivalenz der glaubenden Existenz löst J. E. Petersen in Ein89 Zum lutherischen Verständnis s. R. Hermann, Luthers These, 1960; H. Beintker, Glaube, 1961; E. Hirsch, Hilfsbuch, 1964, 117–135. 90 Hamburg SUB Sup.ep. 4° 52, 375–379. J. E. Petersen bedankte sich: »Ich weiß nicht mit was worten ich seiner liebe danken soll, das Er meiner kleinen arbeit mitten in seiner großen und überhäufften geschafften so viel Zeit gegeben, nicht allein zu überlesen, sondern auch genaw zu betrachten, was etwann hin und wieder könte anstoßlichen seyn«, 375r. Sie versprach seine Ratschläge zu berücksichtigen und schickte eine überarbeitete Fassung des Manuskripts mit, »welches hiebey kommet, welches mein geliebter H. Doctor durch zu lesen, und so was darinnen zu endern darbey zu setzen unbeschwert belieben wollen«, 375r. Sie beschloss den Brief mit dem Vorsatz, »die worte zu moderiren daß Sie ohne Anfechtung Lesen mögen«, 379r. 91 Ebd., 375v. 92 Diese Auffassung vertrat J. E. Petersen auch weiterhin, s. Ewiges Evangelium, 1698, 56. S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1697, 109, der sich äußerst kritisch mit pietistischen Äußerungen zur möglichen Sündlosigkeit auseinandersetzte, verwies als Beleg für diese Auffassung auf J. E. Petersens Buch Geistlicher Kampff von 1696. 93 Bei Francke steht diese Deutung im Zusammenhang mit seiner Bekehrung und begegnet seit 1688, A. Sellschopp, Neue Quellen, 1913, 139–144; J. Wallmann, Pietismus, 1990, 64; s. auch M. Brecht, Francke, 1993, 444; M. Matthias, Petersen, 1993, 175. J. W. Petersen wiederholte noch in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 75, 309–313, die gleichen Positionen zur Interpretation von Röm 7; er fasst hier den Inhalt einer Predigt zusammen, die er 1708 gehalten hatte. S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1967, 30, machte darauf aufmerksam, dass J. W. Petersen ein Buch geplant habe mit dem Titel Das sanffte Joch Christi oder Beweiß/ daß seine Gebothe nicht schwer sind. Zu Zinzendorfs ganz eigener Deutung von Röm 7 s. M. Schmidt, Zinzendorf, 1984, 310f. 94 J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 31, übertrug das bei einigen Pietisten und Pietistinnen zu beobachtende Gesetzesverständnis auf die gesamte Bewegung und beklagte, dass die Pietisten »meynen/ daß ein Wiedergebohrner das Gesetz vollkömmlich halten könne«.
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deutigkeiten auf. Der paulinischen Frage »wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes« setzt sie das Bekenntnis entgegen: »MEin Herr Jesu/ du bist es/ der mich erlöset hat«.95 Nach J. E. Petersens Darstellung schließen sich die Zugehörigkeit zu Christus und das Begehen von Sünden aus. Sie formuliert: »Wo wir aber Sünde thun . . . so sind wir nicht in Christo/ sondern vom Teuffel/ und werden als Ubertreter verurtheilet«.96 Gleichwohl räumt sie ein, dass auch die Gläubigen »noch von der Sünde gereitzet werden« und »mit der gantzen Macht der Sünden kämpffen müssen«.97 Obwohl J. E. Petersen die bleibende Anfechtbarkeit durch die Sünde nicht leugnet, zeigt sie sich davon überzeugt, dass die Gesetze und Gebote Gottes eingehalten werden können, da sie zu diesem Zweck gegeben wurden.98 Die Annahme der real möglichen Sündlosigkeit beruht auf einem Konzept fortschreitender Heiligung und Heiligkeit.99 Die zunächst von der Schriftstellerin noch eingeräumte Gefährdung durch die Macht der Sünde weicht nach ihrer Meinung einer zunehmenden Bewegung der Läuterung, die unumkehrbar ist.100 In dem breiten pietistischen Spektrum wurde J. E. Petersens Position von noch radikaleren Auffassungen einer völligen Sündlosigkeit der Glaubenden überboten,101 denen auf der an95 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 126. Allerdings lässt die Verfasserin keinen Zweifel daran aufkommen, dass Christus es ist, der die Erlösung von Sünde und Tod durch seinen Tod bewirkt hat. Das folgende Zitat, 132, markiert den Balanceakt, auf der einen Seite am Heilswerk Christi festzuhalten, und auf der anderen Seite die Notwendigkeit menschlicher Aktivität zu fordern: »Du bist es/ mein Jesu/ der uns zu neuen Creaturen machet/ durch deine Krafft ziehen wir den alten Menschen mit seinen Wercken aus/ und ziehen den neuen Menschen an/ der nach dir erneuert wird/ und solche neue Schöpffung darinn beweisen/ daß wir dir dienen in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit die dir gefällig ist/ und aus dir und deinem Verdienst/ immer neue Kräffte fassen völliger zu werden.« Insbesondere das Stichwort des »Beweisens« schreibt dem frommen Lebenswandel eine hohe Bedeutung zu. 96 Ebd., 191. 97 Ebd., 190f. 98 In ihrem Buch Glaubens=Gespräche, 1691, 11, 14, definiert sie den Glauben als die Fähigkeit, die Gebote einzuhalten. Die Consilia und Responsa Theologica, 1705, 739, 766, vertreten die Auffassung, dass die Wiedergeborenen gar nicht sündigen können. J. Winckler ließ 1697 eine Predigt über Röm 7 drucken, in der er gegen die Vorstellung einer völligen Sündlosigkeit argumentierte, s. J. Geffcken, Winckler, 1861, 356f. 99 Mit diesem Thema befasste sich der Spener-Freund und Pietist Balthasar Köpke (1646–1711), der 1695 sein Geistliches Gespräch von der Heiligung mit einer Vorrede Speners erscheinen ließ, nachdem er vorher bereits eine lateinische Ausgabe in den Druck gebracht hatte. Köpke ging von einem dreistufigen Wachstumsprozess aus. Spener verteidigte in seiner Vorrede die Beschäftigung mit der Frage nach der Heiligung und Vollkommenheit, indem er zum einen unterstrich, dass auf Erden keine vollkommene Heiligung zu erreichen sei. Zum anderen bestehe die christliche Vollkommenheit nicht in eigenen Werken, sondern beruhe auf der Rechtfertigung durch Christus und gehe als Folge daraus hervor. Zu Köpke s. AGL Erg. 3, 1810, 670f; M. Brecht, Spener, 1993, 357, 367. 100 Bekehrung und Reinigung stehen am Beginn dieses Prozesses, der von J. E. Petersen als geistliches Wachstum verstanden wird: »MEin liebster Heyland! wie gehest du doch mit deinen Kindern von einem Grad zum andern«, J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 225. 101 Bernhard Peter Karl, der sich an G. Arnold anlehnte und wegen seiner radikalpietistischen
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deren Seite des pietistischen Milieus allerdings auch eindeutige Bekenntnisse zur dauerhaften Sündhaftigkeit gegenüberstanden.102 Neben den Themen Rechtfertigung als Gerechtmachung sowie der Erläuterung ihres Verständnisses von Sünde kennzeichnen Andeutungen zu einer chiliastischen Zukunftserwartung das Erstlingswerk J. E. Petersens. Markus Matthias, der für den zweiten Teil der Gespräche des Hertzens »Elemente einer pietistischen Eschatologie« konstatiert, betrachtet insgesamt jedoch dieses Buch »als Quelle für Johanna Eleonora Petersens religiöse Gedankenwelt vor ihrer Hinwendung zum Chiliasmus«.103 Dieser Einschätzung soll keineswegs widersprochen werden; für die Rekonstruktion der theologischen Entwicklung dieser Pietistin scheint mir allerdings die hier zu gewinnende Beobachtung wesentlich zu sein, dass sich auf subtile Weise die chiliastische Sicht mit den auch im zweiten Teil der Gespräche des Hertzens fortgeführten Dialogen der Seele mit ihrem »Heyland« vermischt.104 An der Auslegung von 2Kor 6,16 lässt sich dieser Neuansatz deutlich zeigen.105
Äußerungen aus dem Pfarrdienst in Osnabrück entlassen wurde, wird von M. Schmidt, Pietistischer Katechismus, 1974, 47, folgendermaßen charakterisiert: »Er lehrte, daß ein aus Gott wiedergeborener und durch den heiligen Geist erneuerter Mensch völlig heilig und gerecht sei vor Gott und hier auf Erden nicht nur engelgleich, sondern göttlich leben könne, so daß er seiner selbst wegen die fünfte Bitte des Vater Unsers, die Bitte um die Sündenvergebung, nicht mehr zu beten brauchte.« Die perfektionistische These, dass die Wiedergeborenen die Gebote Gottes halten können, wurde auch von der radikalpietistischen Zeitschrift Geistliche Fama vertreten, vor allem in den Jahrgängen 1731 und 1732, s. W. Zeller, Geschichtsverständnis, 1975, 97. Die Labadisten gingen von einer völligen Sündlosigkeit der als Heilige von der Welt abgesonderten Frommen aus, s. J. de Labadie, Declarationsschrift, 1671, 17: an diesen könne man sehen, »daß sie könige seyen über die sünde/ über die welt und creaturen/ und daß sie denselben nicht mehr dienen sondern über dieselbe herrschen; daß sie der heiligung nicht nur allein nach jagen/ sondern daß sie damit als mit einem königlichen kleide schon angethan und prächtig verzieret« seien. 102 Dies bringt P. J. Spener mit Entschiedenheit zum Ausdruck, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 277. 103 M. Matthias, Hermeneutik, 1991, 42; als Beleg für die pietistische Eschatologie nennt er das Thema der Judenbekehrung, 42. Da in den mit Kortholt gewechselten Briefen, jedenfalls soweit die Antworten J. E. Petersens erhalten sind, das Thema der chiliastischen Zukunftserwartung nicht vorkommt, liegt die Vermutung nahe, dass die Verfasserin diese Passagen später einarbeitete, ebd., 42, Anm. 29. In Teil 2 der Gespräche des Hertzens stammen nur noch vier biblische Voten aus den Psalmen und dem Hohenlied, 176–178, 180–182, 201, 220–224. Zwei Texte sind der Apk entnommen: 174, 226–229. Bei den als Randglossen angefügten Bibelstellen zeigt sich, dass J. E. Petersen bereits für Teil 1 in insgesamt 11 Fällen die Apk herangezogen hat, für Teil 2 kommen vier Verweise hinzu, 14, 28, 34, 107, 130, 139f, 146, 148, 160, 162, 181, 185, 189, 229. 104 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 167, 172, 182, 184, 207, 214, 220, 225. Alle diese Belege stammen aus Teil 2. 105 2Kor 6,16 (Text nach der revidierten Lutherbibel von 1984): »Wir aber sind der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.« Mit diesem Vers lässt B. Köpke seine Überlegungen zur Heiligung beginnen, Geistliches Gespräch, 1695, 1.
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Zunächst paraphrasiert J. E. Petersen, dass Christus in den Herzen der Gläubigen wohnt und dort regiert. Mit der Hinzufügung des Stichwortes »König« erfolgt dann ein Übergang zur chiliastischen Deutung. Die Autorin wendet sich an Christus: »Du bist ein König/ und machest uns alle zu Königen und Priestern für Gott deinem Vater/ und wir werden auch Könige sein auff Erden; nicht auff dieser Erden/ die unter dem Fluch lieget/ sondern in der neuen Erden/ da dir alles wird unterthan seyn/ da wir mit dir regieren werden. Weil wir denn sind das auserwehlte Geschlecht/ das Königliche Priesterthum/ das Volck des Eigenthums«.106 Der Gedankengang kehrt am Schluss wieder zu dem eigenen Herzen zurück, für das die Autorin um Gnade bittet, um dann noch einmal die Perspektive des »Reiches« aufzugreifen: »Ach du König/ mein Jesu! du König der Ehren/ gib du mir Gnade/ dass ich hier in dieser Zeit/ durch deine Krafft/ mein eigen Hauß und mein eigen Hertz göttlich regieren möge/ auff daß ich in deinem herrlichen Reich/ als ein König und Priester/ offenbar werde/ und mit dir regieren möge in großer Herrlichkeit.«107 Die hier anklingende Sprach- und Bildwelt bezieht sich auf Apk 20,4–6, wo davon die Rede ist, dass die standhaften Nachfolger Christi während des tausendjährigen Reiches mit Christus und Gott gemeinsam regieren werden. Die Auswahl und Kombination der biblischen Versatzstücke kennzeichnet die eschatologische Perspektive als chiliastisch, obwohl keine eindeutige Terminologie von der Verfasserin benutzt wird. In dieser Art der Interpretation sehe ich das eigentliche Proprium der Gespräche des Hertzens:108 J. E. Petersen schrieb ihre chiliastische Erwartung in die ihr zutiefst vertraute Denkhaltung hinein, so dass eine auf die Herzensfrömmigkeit gerichtete mystische Innerlichkeit sich mit der Rezeption völlig anders gearteter Interpretamente fast nahtlos verbinden konnte. Sie stellte nicht einfach unbedacht zwei Interpretationslinien nebeneinander. Der Schlüssel für dieses Vorgehen liegt in der Vorstellung, dass das Reich Christi und das Herz des Menschen als Makro- und Mikrokosmos einander entsprechen.109 Das Zuordnungsmodell sieht so aus, dass analog zu der Aufgabe des Menschen, bei sich selbst, sozusagen in seiner kleinen Welt, über die Sünde zu herrschen, es die Aufgabe der Auserwählten sein werde, 106 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 185. 107 Ebd., 185f. Anders als in dieser Meditation wird Apk 3,20 nur auf die innerliche Seelenhaltung gedeutet, bei der es darauf ankomme, den vor der Tür des Herzens stehenden Christus einzulassen, 174. 108 Ihre Vorgehensweise entsprach in gewisser Weise der Speners, der seine Hoffnung künftiger besserer Zeiten sorgfältig, auch gerade in sprachlicher Hinsicht, von missdeutbaren Aussagen eines in CA 17 als Irrlehre gebrandmarkten Chiliasmus abhob, P. J. Spener, Pia Desideria, 1675, 43; s. auch J. Wallmann, Chiliasmus, 1981, 253–258. 109 Diesen Gedankengang verfolgt J. E. Petersen weiter und widmet ihm einen kurzen Traktat, der als Anhang zur Anleitung, 1696, abgedruckt ist. In den Gesprächen des Hertzens, 1689, bezeichnet sie das Reich Christi als »gantze Welt«, der sie den Menschen als »kleine Welt« gegenüberstellt, 185.
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als Könige und Priester im tausendjährigen Reich über die ganze Welt die Herrschaft auszuüben. Die Hoffnung auf die bevorstehende Bekehrung großer Teile des jüdischen Volkes zum christlichen Glauben bildete in den Pia Desideria eines der Momente, an denen Spener seine Erwartung der künftigen besseren Zeiten für die Kirche auf Erden festmachte.110 Bei J. E. Petersen kennzeichnet diese Thematik ebenfalls ihren chiliastischen Erwartungshorizont, der sich in Teil 2 der Gespräche des Hertzens ausspricht. Als Meditation zu Jer 31,3 wendet sich die Autorin an das jüdische Volk: »O Israel! . . . O wie freuen wir uns auff deine Bekehrung! . . . Was für Freude und Wonne wird auff Erden seyn/ wenn alles in dem Frieden und Liebe wandeln/ und Gerechtigkeit und Friede sich küssen werden.«111 Bei der Auslegung von Jes 61,10 ist ebenfalls zu sehen, wie geistliche und chiliastische Deutung sich miteinander verbinden. Unter Einbeziehung von Röm 11,25f spricht J. E. Petersen zum einen von der Bekehrung Israels.112 Gleichzeitig werden zum anderen die bei Jes genannten »Kleider des Heyls« und der »Rock der Gerechtigkeit« auf die Seele bezogen: diese Kleidungsstücke weisen für die Verfasserin als Bilder darauf hin, dass Christus das gläubige Herz einhüllt.113 Die für den Pietismus charakteristische Beobachtung der eigenen Person, die sich in der autobiographischen Literatur niederschlug, kennzeichnet neben den Meditationen das erste veröffentlichte Buch J. E. Petersens. Die als dritter Teil den Gesprächen des Hertzens angefügte autobiographische Kurtze Erzehlung erhellt, wie die Autorin die in den Meditationen vorgetragenen Auffassungen einer vorbildhaften christlichen Existenz biographisch verankert sah. Weder der Glaube daran, dass Gott sie geführt und bewahrt habe, noch die pietistische Betonung des tätigen Christentums bilden das Spezifikum dieser autobiographischen Skizzen. Dieses liegt vielmehr in einem ethischen Rigorismus, der in Verbindung mit der Konzentration auf die Person der Autorin diese zu einem herausragenden Exempel der wahren Nachfolge Christi stilisiert. Obwohl Demut und Selbstverleugnung wichtige Kennzeichen des von J. E. Petersen angestrebten Lebensentwurfes sind, 110 Er zeigt sich überzeugt, »daß GOTT noch einigen bessern zustand seiner Kirchen hier auff Erden versprochen habe . . . Daß also/ wo eben nicht das gantze/ gleichwol ein merckliches grosses theil/ der biß daher noch so verstockt gewesenen Juden zu dem HERRN bekehret werden sollen«, Pia Desideria, 1675, 43. 111 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 217, vgl. 193. 112 Ebd., 207f: »MEin Heiland! wie köstlich wird alsdann dein Israel seyn/ wenn deine Gerechtigkeit sich an ihnen wird offenbahren . . . so wird’s auch gehen dem Israel/ an dem das Geheimnis/ davon Paulus redet/ alsdenn wird erfüllet werden.« Für Spener lag in Röm 11,25f ebenfalls der wichtigste neutestamentliche Beleg für seine Hoffnung auf eine Bekehrung der Juden, Pia Desideria, 1675, 43. 113 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, 208.
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vermitteln die geschilderten Episoden in krassem Gegensatz dazu den Eindruck einer stellenweise überzogenen Selbsteinschätzung. Die Beschreibung der eigenen Person als »Jüngerin Christi«114 geht bei dieser Schriftstellerin einher mit einer Negativbewertung fast aller anderen christlich begründeten Optionen, die sie als ungenügend hinstellt.115 Wie in den Meditationen der Gespräche des Hertzens, so vertritt J. E. Petersen auch in der Kurtzen Erzehlung ein Modell christlichen Lebens, das sich an der mystisch-asketischen Tradition orientiert. Dem Gebet und der Lektüre der Bibel kommen eine zentrale Rolle zu.116 Die autobiographische Erzählerin sieht sich selbst als Prototyp freiwilliger Leidensnachfolge, die, wenn die von Gott auferlegten Prüfungen angenommen werden, zur Erfahrung sich steigernder göttlicher Gnade führt.117 Das Ziel aller Bemühungen besteht für J. E. Petersen darin, »Christi theilhafftig zu werden« bzw. die göttliche Natur zu erlangen.118 Luther konnte zwar durchaus von der Vergottung des Menschen sprechen, allerdings nicht in einem ontologischen Sinn.119 Diese Idee war jedoch bei der Weiterentwicklung der lutherischen Theologie in den Hintergrund getreten. Mystischer Spiritualismus und Pietismus indessen stellten die Theosis teilweise in den Mittelpunkt ihrer Soteriologie.120 J. E. Petersen zitiert 2Petr 1,4 in einer charakteris114 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 272. 115 Ihre christlichen Zeitgenossen beschreibt sie pauschal als »die Scheinfrommen«, ebd., 241, vgl. 236. Ihre Begegnung mit J. J. Schütz schildert sie mit folgenden Worten: »ja ich fand an demselben Freund das/ woran ich gezweiffelt/ an einigem Menschen in der Welt zu finden/ weil ich mich so lange darnach umgesehen/ ob auch wahre thäter des Worts seyn könten/ und hatte mich daran auffgehalten/ weil ich keinen fand . . . da wurde ich aber von dem gedachten Freunde bestärcket/ daß nicht auff das Exempel der Menschen/ sondern auff das Exempel des HErrn zu sehen wäre/ und auff das Wort der Warheit/ dagegen alle Menschen Lügner«, 268f. 116 Ebd., 236f, 243, 245, 258, 260. 117 Ebd., 235; nach des »Heylandes Exempel« habe sie »viele und mancherley Lästerungen und Lügen« über sich ergehen lassen müssen; vgl. 238. 118 Ebd., 272. Auch in den ersten beiden Teilen des Buches spielt die Theosis eine Rolle, Gespräche des Hertzens, 1689, 62, 231. M. Brecht, Berleburger Bibel, 1982, 188, nennt die zugrunde liegende Bibelstelle 2Petr 1,4 geradezu »die pietistische Lieblingsstelle«. Zu ihrer Auslegung in der Berleburger Bibel s. ebd., 198. Zur zentralen Bedeutung dieses Verses für den Pietisten B. P. Karl s. M. Schmidt, Pietistischer Katechismus, 1974, 47, 52, 54, 57, 62; ders., Stammbuch, 1975, 76. Der orthodoxe Lutheraner Feustking, Miscellan-Predigten 2, 1726, 8, äußerte sich folgendermaßen über diesen Bibeltext: »Ich gestehe gerne: Würde ich diese Worte nicht in den Schrifften des Apostels lesen, nimmermehr würde sie einer aus meinem Munde hören.« 119 M. Luther, WA 54, 540: das Herz eines Christen wird »gar durchgottet«, wenn es Christus als seinen wahren Herrn und Heiland begreift. In der neueren Lutherforschung hat insofern eine Neuakzentuierung stattgefunden, als die ökumenischen Dialoge, insbesondere die mit der Russischen Orthodoxen Kirche, zu einer intensiven Beschäftigung mit der Theosis bei dem Reformator geführt haben. Vor allem finnische Lutheraner haben diese Arbeit vorangetrieben, s. etwa T. Mannermaa, Gegenwärtiger Christus, 1989. Zur grundlegenden Bedeutung der Theosis für die orthodoxen Kirchen s. M. Lot-Borodine, Déification, 1970. 120 Zur Theosis bei C. Hoburg s. M. Schmidt, Spener und Luther, 1984, 173, Anm. 54. In
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tischen Zuspitzung. Während das Neue Testament die Teilhabe an der göttlichen Natur mit der durch Christus für die Menschen vollzogenen Heilstat verbindet,121 formuliert J. E. Petersen einen ethisch bestimmten Imperativ, der von der ständig neu zu erbringenden menschlichen Leistung ausgeht: »Denn als Gott das Wort 2 Petr.I. in meinem Hertzen lebendig machte: Ihr werdet Göttlicher Natur theilhafftig/ so ihr fliehet die vergängliche Lust der Welt; sprach ich bey mir selbst: um solche schnöde vergängliche Lust sich Göttl. Natur berauben/ nein/ ich will mit Gottes Hülffe durchdringen/ es koste was es koste.«122 Insgesamt kann festgestellt werden, dass der dritte Teil der Gespräche des Hertzens, der den Zeitraum bis ins Jahr 1682 umfasst, die Linien der in den Andachten dokumentierten Schwerpunkte fortsetzt. Allerdings lässt die subjektive Perspektive einige der für J. E. Petersen charakteristischen Auffassungen in schärferem Licht erscheinen. Außer der ersten Ausgabe von 1689 erfuhren die Gespräche des Hertzens noch zwei weitere Auflagen: 1694 und 1715.123 In beiden Fassungen blieben die Texte der Meditationen und der autobiographischen Erzählung unverändert. Die Vorrede Kortholts wurde dadurch hervorgehoben, dass sie nun auf dem Titelblatt Erwähnung fand. Nicht wiederholt wurden die beiden Widmungen, so dass das persönlich-biographische Gepräge zurücktrat hinter dem Charakter eines Andachtsbuches.124 Die in diesen beiden Auflagen enthaltenen bildlichen Darstellungen können der Tradition der Emblematik zugeordnet werden.125 Bezug auf die Bedeutung der Theosisvorstellung im Rahmen der Wiedergeburtslehre entspann sich eine Kontroverse in der neueren Pietismusforschung: Während M. Schmidt die Wiedergeburt als Zentrum der Reformideen Speners betrachtete und damit der aus 2Petr 1,4 abgeleiteten Vergöttlichung des Menschen einen hohen Stellenwert für den gesamten Pietismus zumaß, widersprach insbesondere J. Wallmann, Wiedergeburt, 1977, dieser Auffassung. M. Schmidt sprach davon, dass die Teilhabe an der göttlichen Natur »vollgültig« aufgenommen worden sei und nannte neben Spener insbesondere J. E. Petersen, G. Arnold und A. H. Francke als Belege für diese These, Spener und Luther, 1984, 173. Vgl. ders., Göttliche Natur, 1969; Theologische Erscheinung, 1984, 18. Anhand des Stammbuches eines Hallenser Studenten aus dem frühen 18. Jh. konnte er die Vorliebe für 2Petr 1,4 nachzeichnen, Stammbuch, 1975, 76. M. Brecht, Francke, 1993, 465, beschreibt als Zielvorstellung Franckes: »Intendiert ist ein Leben in der Vereinigung mit Christus oder die Einwohnung Gottes im Herzen. Die mystischen Vorstellungen werden aber nicht sonderlich formiert oder präzisiert.« C. Braw, Bücher im Staube, 1986, 189, macht darauf aufmerksam, dass bei Arndt der Terminus Vergottung nicht vorkommt. »Damit ist jedoch nicht gesagt, daß ihm die Wirklichkeit fremd sei, die damit gemeint ist.« 121 2Petr 1,4 (nach der revidierten Luther-Übersetzung von 1984): »Durch sie sind uns die teuren und allergrößten Verheißungen geschenkt, damit ihr dadurch Anteil bekommt an der göttlichen Natur, die ihr entronnen seid der verderblichen Begierde der Welt.« 122 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 270. 123 AGL Erg. 5, 1816, 2000, spricht von einem dritten Teil der Gespräche des Hertzens, der 1721 in Frankfurt unter einem neuen Titel erschienen sei; es konnte nicht geklärt werden, was damit gemeint ist. 124 Die Auflagen von 1694 und 1715 erschienen bei dem Leipziger Buchhändler und Verleger Johann Heinrich (1694–1719), s. D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 101. 125 Vgl. A. Henckel/A. Schöne, Emblemata, 1996. Die Kupferstiche, die in Bildaufbau und
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Im Vergleich zu späteren Veröffentlichungen J. E. Petersens erzielte ihr erstes Buch keine spektakuläre öffentliche Aufmerksamkeit.126 Kritische Stimmen richteten sich nicht so sehr gegen die Meditationen als vielmehr gegen die beigefügte Kurtze Erzehlung.127 Noch im Erscheinungsjahr besprach Christian Thomasius das Buch in der von ihm redigierten Zeitschrift Monats=Gespräche.128 Der zunächst mit den Pietisten auf einer gemeinsamen Linie kämpfende Thomasius schrieb über die Gespräche des Hertzens, dass aus ihnen »so eine brünstige Andacht und klug einfältige Gottes=und Schrifft=Gelahrtheit herfür leuchtet/ dergleichen wohl in 1000. ich will nur sagen Candidatis Theologiae, sive veteranis sive junioribus, wie man dieselbigen nach heutigen Schrot und Korn zu probiren pflegt/ kaum anzutreffen ist.«129 Trotz seines emphatischen Lobes war Thomasius nicht blind für die Schwächen des Werkes, wenn er vermutete, dass der autobiographische Bericht Anlass zu Spott bieten werde.130 Die entsprechenden Reaktionen, die sich vor allem auf die Ereignisse um die Geburt des Sohnes des Ehepaares Petersen bezogen, sind oben im Zusammenhang des Lebenslaufes referiert worden. Im Vorwort zu ihrem zweiten Buch, den Glaubens=Gesprächen, ging J. E. Petersen auf diese Kritik ein und resümierte, dass der autobiographische Anhang als Ausdruck von »Hoffarth« gedeutet worden sei.131 Stil große Ähnlichkeit mit den bei H. Hugo, Pia desideria, 1632, wiedergegebenen Stichen aufweisen, jedoch mit diesen nicht identisch sind, zeigen deutliche Spuren ihrer nachträglichen Einfügung. Alle 48 Kupferstiche von Teil 1 der Gespräche des Hertzens (zu den Meditationen Nr. 48 und 49 liegen keine Abbildungen vor) bieten den der Pictura zugeordneten Bibelvers in lateinischer Sprache, der zudem bei der Zählung der Psalmen der Vulgata folgt. Die in Teil 2 eingefügten Stiche unterscheiden sich erheblich von den Ersteren und sind viel stärker auf den Text J. E. Petersens bezogen. Sie weisen jeweils in ihrem Zentrum die Abbildung eines Herzens auf, das mit einem erläuternden Satz in deutscher Sprache versehen ist, wie »Jesus klopfft an das Hertz« (zu Nr. 4, Apk 3,20) oder »Jesus züchtigt das Hertz« (zu Nr. 18, Tit 2,11f). Ähnlich wie in den Gesprächen des Hertzens wurden die Hugos Pia desideria beigegebenen Kupferstiche für J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen weiterverwendet, s. H.-J. Schrader, Nachwort, 1982, 177, Anm. 92. 126 Ohne weitere Kommentierung erwähnt werden die Gespräche des Hertzens in AGL 3, 1751, 1425. 127 Bereits im September 1689 äußerte sich Spener in einem Brief an A. E. Kißner über das Buch und berichtete, es habe »hier bei einigen Seelen Frucht geschafft«. Er erhob jedoch Einwände gegen die autobiographische Skizze: »Den Lebenslauf hätte, wo gefragt worden wäre, nicht geraten. Da es aber geschehen, hoffe ich doch auch Gutes davon; jedoch hätte von einen oder andern Dingen lieber gesehen geschwiegen zu sein«, zit. bei A. Nebe, Dresdner Briefe, 1934/35, 290. 128 Ich benutze eine Ausgabe von 1690, die Nachdrucke von 1688 und 1689 enthält: C. Thomasius, Monats=Gespräche, 1689, 854–874; im selben Band wurde J. W. Petersens Spruch=Catechismus, 1685, ebenfalls positiv rezensiert, 835–854. Zur Bedeutung der Monats=Gespräche im Kontext der frühen Aufklärung s. E. Peter, Verhaltensethik, 1997, 783f. 129 C. Thomasius, Monats=Gespräche, 1689, 858. 130 Ebd., 859. 131 J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, Vorrede, )(5v.
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Die Gespräche des Hertzens konnten als Erstlingswerk einer Autorin gelesen werden, die sich überlieferter Formen und Inhalte der Gebets- und Andachtsliteratur bediente. Christian Kortholts Einreihung der Verfasserin in die Geschichte vorbildhafter Frauen legte es nahe, J. E. Petersen als eine derjenigen zu betrachten, die die Tradition weiblichen Schreibens weiterführte. Unter Anknüpfung an die mystische Christus-Frömmigkeit, die auch in protestantischen Kreisen weiten Eingang gefunden hatte, stellt die Autorin Konturen eines christlichen Lebens vor Augen, das mit Nachdruck nach größtmöglicher Heiligung strebt. Unter Aufnahme des Rechtfertigungsgedankens versucht sie, sowohl ihre Übereinstimmung mit der lutherischen Tradition zu markieren als auch gleichzeitig ihre pointierte Absetzung dagegen nicht zu verhehlen. Überwiegend der effektive Aspekt der lutherischen Lehrbildung kommt bei ihr zum Tragen. Dadurch, dass J. E. Petersen alle Meditationen im Gebetsmodus vorträgt, zeigt sie modellhaft auf, wie ihrer Vorstellung nach gebetet werden sollte. Nur mit wenigen Andeutungen taucht die Hoffnung auf einen völlig anders gearteten Zustand von Welt und Kirche auf, der als »herrliches Reich« und »neue Erde« umschrieben wird. Lediglich zwei Elemente dieser Hoffnung erscheinen in deutlicheren Umrissen: Das Volk Israel wird sich in diesem Reich zu Christus bekehrt haben und es wird ein königliches Priestertum geben, das mit Christus regiert. Diese in den Gesprächen des Hertzens angedeutete Erwartung gibt sich noch nicht als geschlossenes chiliastisches Denksystem zu erkennen, sondern klingt lediglich in der Gestalt von biblischen Bildern und Umschreibungen an. Die als dritter Teil angefügte autobiographische Erzählung bricht aus dem Strang der Hinführung auf eine innige Frömmigkeitshaltung insofern aus, da hier eine Autorin spricht, die bereits einen ganz eigenen Ton gefunden hat. Ihr Selbstbewusstsein, das sich auch in der Ausbreitung ihrer Lebensgeschichte vor einem öffentlichen Lesepublikum ausspricht, schreckt nicht vor massiver Kritik an kirchlichen und gesellschaftlichen Ordnungen zurück. Schilderung und Diktion werden dort am eigenständigsten, wo sich die Verfasserin im Bereich des autobiographischen Gestaltens bewegt. Der Erstlingswerk J. E. Petersens zeugt davon, dass sie sowohl mit der Welt mystischer Gebetsfrömmigkeit als auch mit den durch den Pietismus angeregten Infragestellungen der dogmatischen Lehrtradition, insbesondere hinsichtlich der Soteriologie, vertraut war. Sie hat sich Denkansätze unterschiedlicher Herkunft zu Eigen gemacht, die in die gleiche Richtung weisen: Im Leben des getauften und gerechtfertigten Menschen darf es nicht bei frommen Absichten bleiben, sondern es muss sichtbare Zeichen der Heiligung geben. Christologie und Gotteslehre J. E. Petersens fußen vor allem auf den Denkmodellen, die sich mit der Vereinigung von Gott und Mensch beschäftigen und deren Erfahrbarkeit auf Erden herausstellen.
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2.3 Die Nothwendigkeit der Neuen Cretatur, 1699 Der kleine Traktat von 71 Druckseiten im Doudozformat132 wendet sich als Brief an zwei Schwestern der Autorin, an Christina Sybilla Maria Philippina von Praunheim und Charlotte Auguste Philippina von Dornfelden.133 Diesem Schreiben gingen eine Begegnung und ein Abschied zwischen den drei Schwestern voraus, worauf die Verfasserin im Traktat anspielt.134 Im Stil eines geistlichen Ermahnungsschreibens135 legt die Autorin das Stichwort der neuen Kreatur in Christus aus 2Kor 5,17 aus und entwirft anhand dieses neutestamentlichen Mottos ihr pietistisches Reformanliegen.136 Obwohl keine Angaben über die Auflagenhöhe des ersten Druckes vorliegen, spricht der Umstand, dass dieser Traktat eine Neuauflage erfuhr, dafür, dass er auf positive Resonanz bei der Leserschaft stieß.137 Zwar nicht in der formalen Gestaltung, jedoch von der thematischen Schwerpunktsetzung her weist dieses Werk große Ähnlichkeit mit dem ersten Buch J. E. Petersens auf. Hier wie dort bemüht sich die Verfasserin darum, ihre Leserinnen und Leser zu einem verinnerlichten Glaubensverständnis zu führen, das im Alltag konkrete sichtbare Formen annimmt.138 Wenn sich auch J. E. Petersen in der Nothwendigkeit der Neuen Creatur nicht ständig der Gebetssprache bedient, so schreibt sie dem Gebet gleichwohl eine entscheidende Bedeutung für das Leben in der Nachfolge Christi zu. Das Herz steht auch 132 Dieses Werk erschien ohne Angabe eines Druckortes; die Drucktypen und die Schreibweise des Geburtsnamens als »Merlaw« weisen große Ähnlichkeit mit den Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, 1717, sowie mit Einige Send=Schreiben, 1714, auf, die beide ebenfalls den Druckort nicht angeben. 133 Die älteste Schwester war 1689 nicht mehr am Leben, da J. E. Petersen in ihren Gesprächen des Hertzens, 1689, 249f, von ihr als »seel. Schwester« spricht. Zur Heirat der mittleren Schwester mit Johann Heinrich von und zu Praunheim s. M. Matthias, Petersen, 1993, 81. Die jüngste Schwester heiratete den Hofmeister Johann Reinhard von Dornfelden, ebd., 81; A. Deppermann, Schütz, 2002, 116. Am Ende des ihren beiden Schwestern gewidmeten Büchleins spricht die Verfasserin von einem Stiefbruder, »der von meinen leiblichen Vatter gezeuget/ ob er gleich nicht leiblicher Weise von meiner Mutter mit mir geboren«, Nothwendigkeit, 1699, 71. 134 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 68. Es kann nicht genauer eingegrenzt werden, wann diese Begegnung stattfand. 135 Die Verfasserin beruft sich auf ihre Glaubenserfahrungen, die sie ihren Schwestern weitergeben möchte, ebd., 44. So formuliert sie mit Paulus: »Ich glaube/ darum rede ich«, 29. Diese Bibelstelle, 2Kor 4,13, spielte für Francke eine wichtige Rolle als Quintessenz seines Bekehrungsprozesses, s. M. Brecht, Francke, 1993, 446. 136 Neben diesem Hauptmotiv prägen andere biblische Texte diesen Traktat, wie Mt 25, das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, ebd., 31–33. Dieses Gleichnis spielte auch in späteren Schriften J. E. Petersens eine bedeutsame Rolle, Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715, 112, 127, 215; Verklärte Offenbahrung, 1706, 157, 163. J. W. Petersen widmete der Auslegung von Mt 25 ein ganzes Buch, Hochzeit des Lammes, o. J. Vgl. auch F. Breckling, Speculum, 1660, Vorrede, 201, 273, 294. 137 Der Nachdruck wurde 1714 in den Traktat Einige Send=Schreiben aufgenommen. 138 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 8, 38.
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hier stellvertretend für das Innere des Menschen, in dem der Umwandlungsprozess zur neuen Kreatur stattfindet.139 Dieser Traktat beklagt wie viele Reformschriften des 17. und 18. Jh. die Mängel des Christentums140 und schlägt als Abhilfe die Intensivierung der persönlichen Frömmigkeit vor. Bei J. E. Petersen klingt eine Idealvorstellung an, die sich eng mit G. Arnolds Entwurf des Urchristentums als Maßstab der pietistischen Kirchenkritik berührt.141 Sie umschreibt ihre Vision folgendermaßen: »Dann so dieses geschehen/ so würde ein ander Christenthum hervorkommen/ daß nicht mehr in so viele Secten zertheilet/ sondern als ein Hertz und eine Seele/ gleich den ersten Christen/ sich wieder finden würde«.142 Die als richtig erkannten Worte der Heiligen Schrift sollen nach ihrer Vorstellung in die Tat umgesetzt werden; es komme darauf an, die »Glaubens=Lehren . . . ins Leben« zu bringen.143 J. E. Petersen bemängelt, dass die meisten ihrer Zeitgenossen äußere »Ubungen der Gottseligkeit« wie »Kirchengehen/ Beten/ Lesen/ Beicht=und Abendmahl gehen/ Allmosen geben/ die Glaubens=Artickel nach den Worten der Schrifft zu fassen/ was durch das Versühnungs=Opffer Christi uns zu gut geschehen/ sich zueignen« für ausreichend hielten, um sich selbst als gute Christen zu sehen.144 Der Verfasserin dieses Büchleins geht es jedoch primär um die innere Haltung; gemeinsam mit den pietistischen Reformern drängt sie darauf, dass in jedem Christen eine ständige Bemühung um die Umgestaltung des alten natürlichen zum neuen, von Christus bestimmten Menschen stattfinden müsse.145 Nach der Darlegung J. E. Petersens beginnt der Prozess der Umgestaltung von der alten zur neuen Kreatur mit der Taufe, die als Auftakt des geistlichen Wachstums gesehen wird. »So nun die Tauff das Bad der Wiedergeburt ist/
139 Durch das Gebet muss von Gott die Kraft erfleht werden, »damit wir diesen alten Menschen auß dem Hertzen herauß bringen/ auff daß Christus eine Gestalt in uns gewinne«, ebd., 55. Zur empfohlenen Selbstbeobachtung des Herzens, 52–59. 140 Zu den Reformideen, die von der lutherischen Orthodoxie ausgingen und den Pietismus mitbestimmten, s. H. Leube, Reformideen, 1924; A. Schleiff, Selbstkritik, 1937. 141 G. Arnold, Erste Liebe, 1732. Das frühe Christentum als ideale Gemeinschaft wird auch von anderen Pietisten als Maßstab benannt, s. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 118, 126. 142 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 17. Zum Vergleich heranziehen lässt sich auch ihre Beschreibung der Frankfurter Wohn- und Lebensgemeinschaft mit J. M. Baur von Eyseneck, die ebenfalls mit dem Ideal aus Apg 4,32 charakterisiert wird. 143 Ebd., 66. Nach ihrer Vorstellung entscheidet nicht die »reine Lehre« über die Wahrhaftigkeit eines christlichen Lebens, sondern vielmehr ein »reines Leben«, 66. Diese Impulse kennzeichnen nahezu alle der auf Arndt und Spener zurückgreifenden Reformschriften, s. G. Hornig, Lehre und Bekenntnis, 1998, 100. 144 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 10f, vgl. 30f. 145 Den Weg der Nachfolge sieht J. E. Petersen als unaufhörlichen Kampf um inneres Fortschreiten: »Darbey aber muß ich nimmer still stehen/ sondern wachsen an dem inwendigen Menschen/ und auff meiner Hut seyn/ daß der alte Mensch mich nicht übertäube«, ebd., 52.
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so müssen wir ja auch trachten/ den Zweck derselben zu erhalten/ daß wir die neue Creatur/ darzu wir getauffet/ anlegen/ und den alten Menschen/ den wir durch die Tauffe in den Todt geben/ ablegen«.146 Luthers Erklärung im Kleinen Katechismus zum Taufsakrament147 wird in diesem Zusammenhang von der Autorin herangezogen und dokumentiert ihr Bemühen, ihre Position als lutherisch zu kennzeichnen. Taufe und Wiedergeburt werden nur kurz berührt, das Hauptaugenmerk J. E. Petersens richtet sich auf den weiteren Weg der Getauften: Sie werden aufgefordert, selber an der Umwandlung des alten Menschen mitzuarbeiten.148 Dieser vom Menschen mit Hilfe des Heiligen Geistes zu erbringenden Vorbereitung korrespondiert das Entgegenkommen Christi, der diesen »seine[n] Freunde[n]« seine Einwohnung zuteil werden lässt.149 In dem von J. E. Petersen verwendeten Motiv des »Christus in Uns« schwingt der paulinische Satz aus Gal 2,20 (»Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir«) mit, den die Autorin des Öfteren zitiert.150 Wie in den Gesprächen des Hertzens tritt auch in dieser Schrift die Betonung des Rechtfertigungsgeschehens als Gerechtmachung hervor.151 Während die Verfasserin dieses geistlichen Briefes auf der einen Seite nachdrücklich unterstreicht, dass die ernsthafte Nachfolge Christi ständiger Auf146 Ebd., 26f. An diesem Punkt lassen sich Übereinstimmungen mit Spener festmachen, der seinen Blick ebenfalls nicht in erster Linie auf die Wiedergeburt richtete, sondern auf den sich daraus ergebenden Erneuerungsprozess, s. G. Hornig, Lehre und Bekenntnis, 1998, 101; zu Speners Verständnis der Wiedergeburt s. auch M. Kruse, Christ werden, 1989. 147 J. E. Petersen zitiert in leicht abgewandelter Form: »Der alte Mensch in uns soll ersäufft werden durch tägliche Reu und Buß/ und ein neuer Mensch hervor kommen«, Nothwendigkeit, 1699, 13; vgl. den Wortlaut in BSLK, 1967, 516, vierte Frage. 148 J. E. Petersen entwirft dabei keine stringente Abfolge eines stufenweisen Aufstiegs, sie bedient sich jedoch etlicher Elemente der mystisch-asketischen Tradition. Genannt werden hier Selbstverleugnung, Willenlosigkeit und Unterwerfung gegenüber Gott sowie Zurückgezogenheit, Nothwendigkeit, 1699, 19, 45, 51, 53. Dass Spener in den Pia Desideria, 1675, 17, ebenfalls die Selbstverleugnung zu den nötigen Umkehrschritten zählte, wurde von seinem Gegner S. Schelwig, Sectirische Pietisterey 3, 1697, 57f, heftig kritisiert. J. E. Petersen empfiehlt darüber hinaus, möglichst »daheim zu bleiben«, und wenn dies nicht möglich sei, mit der inneren Haltung »eingekehrt zu seyn«, und dann die notwendigen Verrichtungen zu erledigen, Nothwendigkeit, 1699, 57, vgl. 54. Bei zuviel Zerstreuung bestehe die Gefahr, »auß seiner eigenen Vestung herauß gelocket« zu werden, 57. Bei diesem Bild ist an die Innere Burg Teresas von Avila, zu erinnern, die bedeutendste Schrift der Mystikerin, in der sie ihre Gebetslehre in der Bildersprache von verschiedenen Wohnungen entwirft; vgl. hierzu A. Auer, Seelenburg, 1982; W. Herbstrith, Verweilen vor Gott, 1982. Ob allerdings J. E. Petersen mit den Ideen dieser Mystikerin vertraut war, lässt sich nicht nachweisen. Während Francke zu einer streng schematischen Auffassung des Ablaufs der Bekehrung bzw. der Wiedergeburt neigte, lehrte Spener die Taufwiedergeburt, s. H. Obst, Bekehrungsprozeß, 1975, 34. 149 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 18f, vgl. 24, wo sie davon spricht, Christi »theilhafftig« zu werden. 150 Ebd., 15, 67. H.-J. Schrader, Heiland, 1994, verfolgt das Motiv des »Christus in uns« sowohl in pietistischer Poesie als auch in den dazugehörigen emblematischen Darstellungen. 151 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 21–23.
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merksamkeit in einer gewissen kämpferischen Haltung bedarf,152 so lässt sie auf der anderen Seite anklingen, dass nach ihrer Auffassung eine Erfahrung göttlicher Gegenwart möglich sei, die nicht mehr von Zweifel und Anfechtung gefährdet wird. Das pietistische Drängen auf greifbare Glaubenserfahrungen führt bei ihr dazu, den Glauben so zu verstehen, dass er zur Vergöttlichung der Menschen führt. J. E. Petersen beschreibt ihre Heilsgewissheit folgendermaßen: »so kombt es doch durch GOttes Gnad nach mancherley Ubung dahin daß der alte Mensch nicht mehr über uns herrschen kan/ ja daß wir der Gegenwart Christi also geniessen/ daß eine grosse Zuversicht zu GOtt im Hertzen ist/ und wir mit allerley Göttlicher Erkantnüß erfüllet werden zu allem Reichtumb Gottes/ und wachsen können zu Göttlicher Grösse/ sind Tempel GOttes und Christi/ darinnen der Vatter Sohn und H. Geist wohnet/ wandelt/ lehret/ zeuget/ und öffnet eine Tieffe nach der andern.«153 Die in diesem Zitat anklingenden Motive der Unio-Mystik unterliegen bei J. E. Petersen einer entscheidenden Veränderung gegenüber dem traditionellen Verständnis.154 Die meisten Umschreibungen oder Andeutungen von mystischen Einheitserfahrungen mit dem Göttlichen gehen einher mit Reflexionen über die Momenthaftigkeit und Gebrochenheit, die diesen extraordinären Widerfahrnissen anhaftet.155 Die pietistische Schriftstellerin hingegen entwirft das Ideal des neuen Menschen, der den alten Adam endgültig überwunden hat und nicht mehr in den vorherigen Zustand zurückfallen kann. Obgleich das Datum der Drucklegung dieses Buches eindeutig in das Jahr 1699 verweist, sprechen einige Beobachtungen für ein früheres Entstehungsdatum des Manuskriptes. Die bereits erwähnte Ähnlichkeit mit den Gesprächen des Hertzens bezieht sich auf mehrere Themenbereiche. Die Erfahrungen des Hoflebens, die in Spannung stehen zu einem pietistisch-christlichen Lebensstil, bilden für die Verfasserin den Erlebnisbereich, auf den sie zurückgreift, um das von ihr Gemeinte zu illustrieren.156 In späteren Texten treten diese autobiographischen Bezüge in den Hintergrund. In beiden Werken wird die chi152 Das Stichwort Kampf begegnet einige Male, ebd., 9, 37, 50, 63. Bei Francke ist der Bußkampf hingegen vor allem mit den Phasen vor der Bekehrung verbunden, s. G. Hornig, Lehre und Bekenntnis, 1998, 103. M. Schmidt, Stammbuch, 1975, 87, stellt als beherrschendes Thema der Einträge in das Stammbuch des Hallenser pietistischen Studenten »die Grundauffassung des Glaubens als Kampf« heraus. Schmidt, Reich Gottes, 1984, 243, weist ebenfalls darauf hin, dass das Motiv des Kampfes zwischen altem und neuem Menschen kennzeichnend für C. Hoburg sei. Er führt dieses Element auf den Einfluss Böhmes zurück. 153 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 56f, vgl. 41, 60. 154 Zur Verwendung des Unio-Mystica-Topos in der lutherisch-orthodoxen Theologie s. W. Koepp, Wurzel, 1921; O. Ritschl, Unio Mystica, 1921; zur nachreformatorischen Entwicklung s. O. Bayer, Wunder, 1995; M. Repo, Unio, 1996. 155 Vgl. hierzu A. M. Haas, Gott leiden, 1989, 42f; M. Figura, Unio mystica, 1989. J. E. Petersen deutet diesen Erfahrungskomplex als »Verbergung Gottes« zwar auch an, äußert sich jedoch nicht eingehend dazu, Nothwendigkeit, 1699, 50. 156 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 47f.
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liastische Hoffnung auf eine ganz ähnliche Art und Weise thematisiert.157 Festgehalten werden muss außerdem, dass die bereits in der Anleitung von 1696 anklingende Vorstellung der Apokatastasis in diesem Text nicht in der leisesten Andeutung hervortritt. In keinem anderen Werk greift die Autorin in so positiver Weise Elemente auf, die zum Fundament der lutherischen Kirche gehören, wie die Sakramente Taufe und Abendmahl158 sowie den Kleinen Katechismus Martin Luthers. Zwar kritisiert J. E. Petersen den Missbrauch, der sich nach ihrer Meinung sowohl im Hinblick auf die Bekenntnisüberlieferung als auch für die Praxis des Sakramentsgebrauchs konstatieren lässt; sie betrachtet jedoch Taufe und Abendmahl als heilsnotwendige Basis christlichen Lebens.159 Diese hier genannten Akzente können auf einen Abfassungszeitraum in den 1680er Jahren hinweisen. In Betracht zu ziehen ist auch, dass nur eine der beiden Schwestern sich zeitweise am Rande des pietistischen Kontaktnetzes bewegte, während für die andere keinerlei pietistische Neigungen nachzuweisen sind.160 Eventuell legte sich eine Rücksicht hinsichtlich sehr stark pietistisch konnotierter Themen wegen der angesprochenen Adressatinnen nahe, die vermutlich stärker im Milieu lutherischer Frömmigkeit zu Hause waren. Neben diesen inhaltlichen Erwägungen lässt sich ein weiteres gewichtiges Argument für eine Frühdatierung anführen. Im Jahr 1772 erschien dieser Traktat in London in englischer Übersetzung, und zwar in zwei Auflagen innerhalb eines Jahres.161 Beide Auflagen, die keine Abweichungen vonein157 Sie spricht ganz vage davon, dass Gott ihr »viele Geheimnüsse/ und Verheissungen von den künfftigen Zeiten nach und nach auffgeschlossen« habe, ebd., 50. Sie erwähnt ferner die erste Auferstehung sowie die tausendjährige Herrschaft der als Priester Erwählten mit Christus. Diese eschatologische Hoffnung werde jedoch »nicht also bald geschmecket«, 62. 158 M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 43, beschränkt seine Ausführungen zum Abendmahlsverständnis J. E. Petersens nur auf einen Text von 1711. Um die Bandbreite und Entwicklung jedoch zu würdigen, sind gerade diese frühen Äußerungen mit heranzuziehen. 159 J. E. Petersen, Nothwendigkeit, 1699, 26–29. In den späteren Werken werden die Sakramente nur noch selten erwähnt, in den Kurtzen Betrachtungen über die Sprüche, 1715, 196, erscheinen sie unter dem Terminus »Geheimnisse«. Die inflationäre Verwendung des Begriffs Geheimnis lässt sich seit dem Traktat Ewiges Evangelium von 1698 bei J. E. Petersen beobachten. M. Schmidt, Spener und Luther, 1984, 169, Anm. 39, streicht eine völlig entgegengesetzte Interpretation heraus. Er vergleicht J. E. Petersens Sakramentsverständnis mit dem Speners und kommentiert diese Textpassage der Nothwendigkeit wie folgt: Speners »Schülerin Eleonore Petersen geb. v. Merlau verschärft seine Entwertung des Sakramentes, indem sie Taufe und Abendmahl ohne Anlegung der neuen Kreatur als Heidentum verurteilt«. Zu Franckes Hochschätzung des Abendmahls bei gleichzeitiger Kritik an der Sakramentspraxis s. M. Brecht, Francke, 1993, 465f. 160 Zu ihrer Freundschaft mit J. J. Schütz s. A. Deppermann, Schütz, 2002, 116f. J. E. Petersen sieht allerdings eine gemeinsame Glaubensbasis zwischen sich und den beiden Schwestern, denn sie spricht von ihrer Hoffnung, »daß Wir vor dem Stuhl Gottes und deß Lamms zu seiner Zeit uns finden/ und einander umbfassen werden/ als die/ so nicht nur von einer irdischen Mutter geboren/ und von einem irdischen Vatter gezeuget/ sondern die von Gott und von dem Obern Jerusalem geboren und gezeuget sind«, Nothwendigkeit, 1699, 69f. 161 Natur and Necessity, 1722. Okely macht keine Angaben dazu, warum in so kurzer Zeit
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ander in der Textbasis aufweisen, geben als Autorin an: J. E. de Merlau. Wie das Vorwort erläutert, wusste der Übersetzer, Francis Okely, so gut wie nichts über die Verfasserin.162 Er beschreibt, wie er zu dem Manuskript kam: »That a copy of this letter, transcribed by one J. Philip Dorre in 1741, came as a soiled manuscript into my hands«.163 Okely hatte früh Deutsch gelernt und auf zwei Reisen Deutschland besucht.164 Erst acht Jahre später ergänzte er in einem anderen Buch, dass J. E. von Merlau im Jahr 1680 J. W. Petersen geheiratet habe und fügt dann hinzu: »She was the Author of one and another good Piece in the religious Way; and particularly of a remarkable LETTER, adressed to her two Sisters; which eight years ago, was done into English from an old German Manuscript.«165 Diese Notiz macht es wahrscheinlich, dass das Manuskript der Nothwendigkeit der Neuen Creatur sowie die weiteren Abschriften unter dem Mädchennamen Merlau kursierten. Somit sprechen innere und äußere Hinweise dafür, dass dieser Traktat eventuell der früheste aus der Feder J. E. Petersens ist, der erhalten blieb und in die Zeit vor 1680, also in die Frankfurter Jahre vor der Eheschließung, zu datieren ist. Weiter zu verfolgen ist auch die Überlegung, ob eventuell bereits in Wiesenburg die Anfänge für diese Art der geistlichen Literatur zu suchen sind. Für die späte Drucklegung nahm die Autorin anscheinend, bis auf die Veränderung des Namens, keine größeren Eingriffe in den Text vor; das legen jedenfalls die Grundzüge der theologischen Implikationen sowie der Vergleich mit der englischen Übersetzung nahe. Die Nothwendigkeit der Neuen Creatur beleuchtet in jedem Fall den Impetus der Schriftstellerin J. E. Petersen, nach einer persönlich glaubwürdigen Frömmigkeit zu suchen. Sie gab sich nicht damit zufrieden, dass das Neuwerden der menschlichen Kreatur in und durch Christus bereits geschehen sei, soneine zweite Auflage erschien. Die Übersetzung folgt relativ stringent der deutschen Vorlage, nur an einigen wenigen Stellen sind Anmerkungen zur Erläuterung hinzugefügt worden. 162 Ebd., Preface, VII: »Let me just observe, that I know no more of the Author, than that she appears to have been a Lady of some rank in life«. Aus dem Nachwort, ebd., 33, geht hervor, dass Okely die Autorin mit R. J. von Asseburg verwechselt, denn er liefert ein paar Hinweise zu J. W. Petersen und der von Francis Lee erstellten Übersetzung der Species facti, die 1695 auf Englisch erschien. Okely stand nicht in der Tradition der englischen Böhme-Anhänger, die im 17. und frühen 18. Jh. direkte Kontakte zu dem Ehepaar Petersen gepflegt hatten. Er selber gehörte zu den Herrnhutern – »minister of the Moravian Church« – wie der anonym veröffentlichte Band mit Briefen Okelys und anderer Herrnhuter mitteilt, Truth, 1874, Vorwort, IX. 163 Natur and Necessity, 1722, Preface, VII. 164 In seinem Buch Memoirs, 1780, Preface, XIV, gibt Okely an, dass er seit 37 Jahren mit der deutschen Sprache vertraut sei; in Divine Visions 1, 1780, Preface, XXII, spricht er über seine Deutschland-Besuche. Das Buch Memoirs befasst sich mit Jakob Böhme, in Divine Visions 1–2 übersetzt er die Visionen von Hans Engelbrecht. Eine Biographie Engelbrechts (geb. 1599) ist abgedruckt bei G. Arnold, Leben der Gläubigen, 1732, 621–683. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 201, berichtet vom Kauf eines Buches mit den Visionen Engelbrechts. 165 F. Okely, Divine Visions 2, 1780, Postliminous Note. Hier erwähnt er ferner, dass er von einem Freund in Deutschland die Autobiographien der beiden erhalten habe.
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dern sie fragte beständig danach, was die Einzelnen dazu beitragen könnten, um diese Veränderung irreversibel zu gestalten. ThemenderHaupt schaffensperiode
3. Themen der Hauptschaffensperiode 3.1 Chiliasmus Wie die Forschungen der letzten Jahre eindrücklich belegen, waren chiliastische Spekulationen in der Frühen Neuzeit sehr viel weiter verbreitet als lange angenommen wurde. Dabei reicht der Bogen von nur sehr vage formulierten Zukunftshoffnungen bis hin zu eindeutig chiliastischen Modellen, die ein tausendjähriges Friedensreich auf Erden detailliert beschreiben. Neben exegetisch orientierten Argumentationen begegnen Zeitdeutungen, die besondere Himmelserscheinungen zum Anlass apokalyptischer Zukunftsentwürfe nehmen.166 Es bestand kein Konsens darüber, was mit dem Begriff Chiliasmus genau gemeint war. So beklagte z. B. Spener, »daß der name Chiliasmus ein solcher name seye/ welcher von vielerley lehrern nicht einerley meynungen gegeben zu werden pfleget«.167 Diese Vielschichtigkeit sowohl im Hinblick auf die begriffliche Definition als die große Unterschiedlichkeit der chiliastischen Denksysteme stellt die kirchengeschichtliche Forschung bis in die Gegenwart vor Probleme, so dass keine befriedigenden Gesamtdarstellungen zum Problem des frühneuzeitlichen Chiliasmus vorhanden sind.168 Die im Neuen Testament in Apk 20,4–6 beschriebene Version eines tausendjährigen Friedensreiches auf Erden allein reicht nicht aus, um das Entstehen chiliastischer Denksysteme und Bewegungen zu erläutern, die sich vor allem in Umbruchzeiten zu Wort meldeten.169 Dabei sind sowohl als negativ erlebte Krisen170 wie positiv bewertete Aufbrüche, die mit einer chiliastischen Erwartung 166 Vgl. z. B. A. Sehmann, Muthmaßliche Zeit=Bestimmung, 1684. 167 P. J. Spener, Freyheit der Gläubigen, 1691, 73. 168 E. Staehelin, Reich Gottes 5, 1959, bietet zwar eine umfangreiche Quellenzusammenstellung, ordnet aber eschatologische Spekulationen unterschiedlicher Couleur nebeneinander. Für den englischen Bereich nennt er u. a. George Fox, John Bunyan und Jane Leade, ebd., 1–112. Die Niederlande sind mit J. Coccejus, Jean de Labadie und Campegius Vitringa vertreten, 127–195. Aus der »Welt des deutschen Protestantismus« dokumentiert er Textauszüge u. a. aus Werken Speners, beider Petersen, G. Arnolds, H. Horches sowie der Berleburger Bibel, 197–382. W. Kinzig bietet im Rahmen seiner Überlegungen zum Philosemitismus einen guten Überblick vor allem über die Forschungen zum englischen und niederländischen Millenarismus, Philosemitismus, 1994, 365–376; s. ferner W. M. Lamont, Millennium, 1979; E. G. E. v. d. Wall, Chiliasmus sanctus, 1983. 169 Vgl. hierzu M. Karrer, Chiliasmus, 1986, 656: »in seiner Eigenart ist Apk 20,4–6 eine religionsgeschichtliche Innovation«; s. auch O. Böcher, Chiliasmus, 1981. Vgl. ferner H. Bietenhard, Tausendjähriges Reich, 1955; N. Cohn, Millennium, 1970. 170 Den Krisen und Katastrophen vor allem des 17. Jh. wird in der neueren Literatur viel Be-
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besetzt wurden, in Rechnung zu stellen. Die Hoffnung auf ein tausendjähriges Reich trat insbesondere bei den Taboriten, beim linken Flügel der Reformation, in der englischen Revolution um 1650 sowie im Pietismus des 17. und 18. Jh. hervor.171 Die westliche theologische Tradition wurde weitgehend von Augustin geprägt, der die Kirche als irdisches Reich Gottes betrachtete.172 Nachdem der Chiliasmus von der Alten Kirche173 mehrheitlich abgelehnt und jahrhundertelang nur von Randgruppen vertreten worden war,174 wurde ihm im Laufe des 17. Jh. eine bis dahin nicht gekannte Anerkennung sowohl in der reformierten als auch in der lutherischen Kirche zuteil.175 Der eindeutigen Verurteilung der Hoffnung auf ein chiliastisch konnotiertes »weltlich Reich« in den reformatorischen Bekenntnisschriften176 versuchte die lutherische Lehrbildung durch die Unterscheidung zwischen einem abzulehnenden »chiliasmus crassus« und einem akzeptablen »chiliasmus subtilis« zu entgehen.177 Außer den sozialen und politischen Faktoren kam der breiteren Akzeptanz chiliastischer Denkmodelle auch ein veränderter Stellenwert der Exegese zugute.178 Als folgenreichste Vertreter dieses exegetischen Neuansatzes können der englische Puritaner Thomas Brightman (1562– 1607), der Reformierte Johann Heinrich Alstedt (1588–1638) sowie der englische Theologe Joseph Mede (1568–1638) gelten.179 Nicht nur Pietisten, sondern achtung zuteil, s. etwa R. Vierhaus, Problem, 1978; H. Lehmann, Erforschung, 1992, 5–8; M. Hagenmaier/S. Holtz, Krisenbewußtsein, 1992; H. Lehmann/A. C. Trepp, Krise, 1999; M. Jakubowski-Tiessen, Krisen, 1999; vgl. ferner K. Jaitner, Pfalz-Sulzbacher Hof, 1988, 275; R. Rotermundt, Ende, 1994, 5. Auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Aufblühen des Chiliasmus und den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges wies bereits H. Corrodi, Geschichte des Chiliasmus 3.2, 1793, 26, hin. Vgl. auch R. Haase, Chiliasmus, 1933. 171 Vgl. hierzu B. W. Ball, Great Expectation, 1975; R. Bauckham, Chiliasmus, 1981, 737–741; R. Konrad, Chiliasmus, 1981, 735f; B. S. Capp, Radical Chiliasm, 1988. 172 G. G. Blum, Chiliasmus, 1981, 732: »Die Kirche ist also jetzt schon das Reich Christi und das Himmelreich«, Augustin, De civ. Dei 20,6–9. Der in der Alten Kirche durchaus vorhandene Chiliasmus, etwa bei Kerinth, Justin und Laktanz, verlor mit der konstantinischen Wende seine Aussagekraft, s. ebd., 729–732. 173 Zur positiven altkirchlichen Chiliasmus-Rezeption s. G. Kretschmar, Offenbarung, 1985, 71f. 174 Vgl. hierzu A. Strobel, Apokalypse, 1978, 184f. 175 Zur gegenwärtigen Debatte über den Chiliasmus, die auch eine kritische Inblicknahme der Tradition beinhaltet, s. H. F. Geißer, Eschatologie, 1994, 32–44. 176 BSLK, 1967, 72, CA 17. 177 Vgl. W. Sparn, Chiliasmus, 1992. 178 R. Bauckham, Chiliasmus, 1981, 740: »Die übliche protestantische Auslegung der Apokalypse des Johannes als prophetische Voraussage des gesamten Ablaufes der Kirchengeschichte wurde mit zunehmender Genauigkeit und Gelehrsamkeit durchgeführt, wobei der Schluß unabweisbar wurde, daß die Prophezeiung auf keine tausendjährige Periode der Vergangenheit wirklich paßte und daß der Aufbau des Buches die Ansetzung des Millenniums am Ende der Kirchengeschichte forderte.« 179 Ebd., 740. Diese Werke wirkten auf den deutschen Pietismus ein. Zu Alstedt s. AGL 1, 1750, 302f; J. Staedtke, Alstedt, 1978; W. Schmidt-Biggemann, Apokalyptische Universalwissenschaft, 1988; M. R. Antognazza/H. Hotson, Alstedt and Leibniz, 1999.
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auch einige der sich dezidiert als Lutheraner verstehenden Theologen zeigten sich geneigt, sich mit chiliastischen Aspekten zu beschäftigen und diese zu vertreten.180 Die größte Breitenwirkung war dem Chiliasmus im 17. und 18. Jh. im Gefolge der pietistischen Bewegung beschieden. Johannes Wallmann kommt das Verdienst zu, die Eschatologie Speners als eine der tragenden Säulen seines pietistischen Reformkonzeptes herausgearbeitet zu haben.181 Er vermutet, dass der englische Millenarismus dabei eine wichtige Rolle spielte.182 Auch wenn Spener in seinen Formulierungen Zurückhaltung übte und sich selber nicht als Chiliasten sah, so hielt er nachdrücklich an seiner Hoffnung auf einen »bessern zustand der Kirchen hier auff Erden« fest, der er in den Pia Desideria Ausdruck gegeben hatte.183 Speners Zurückhaltung wurde zumal von den Gegnern des Pietismus als nicht glaubhaft empfunden, da er ja z. B. in der Öffentlichkeit nicht von den Petersen abrückte, nachdem diese sich ausschließlich auf den Chiliasmus konzentriert hatten.184 Sowohl bei den Zeitgenossen als auch aus späterer Sicht galten Spener und J. W. Petersen als die exponiertesten Vertreter des pietistischen Chiliasmus.185 Gemäßigte Pietisten wie die Hamburger Johann Winckler und Abraham Hinckelmann lehnten sowohl Speners chiliastisch gefärbte Hoffnung als auch den zum System erweiterten Chiliasmus der Petersen ab und hielten wie 180 Vgl. hierzu M. Brecht, Chiliasmus, 1988, der drei Württemberger Theologen des 17. Jh. vorstellt. Zum Chiliasmus bei J. V. Andreae s. D. Korn, Jüngster Tag, 1957, 122. Vgl. auch J. Wallmann, Reich Gottes, 1982; H. Lehmann, Endzeit, 1992; E. Koch, Chiliasmus, 2000; I. Mager, Chiliastische Erwartungen, 2000. 181 J. Wallmann, Spener, 1986, 325; ders., Anfänge, 1979, 52; Reich Gottes, 1982. Vgl. auch M. Greschat, Hoffnung besserer Zeiten, 1977. 182 J. Wallmann, Pietismus, 1990, 49. Eine Mittlerfunktion schreibt er dabei J. J. Schütz zu. Umstritten ist nach wie vor die Frage, ob auch der Chiliasmus Labadies auf Spener und den deutschen Pietismus einwirkte, s. J. T. Saxby, New Jerusalem, 1987, 148–150. Zum Chiliasmus bei J. Leade s. N. Thune, Behmenists, 1948, 78. 183 P. J. Spener, Pia Desideria, 1675, 43. Vgl. ders., Erzehlung, 1697, 127–129; Briefe 1, 1992, 27–29, ep. 5, 1667, an Elias Veiel. Vgl. hierzu D. Blaufuß, Speners Chiliasmus, 1988. 184 In der gegen J. F. Mayer gerichteten Streitschrift Freyheit der Glaubigen, 1691, verteidigte Spener u. a. J. W. Petersen als seinen Freund und christlichen Bruder, obwohl dieser eine merklich andere chiliastische Hoffnung vertrat als Spener selber, 20–46. In diesem Zusammenhang schreibt Spener, dass seiner Meinung nach kein Anlass dazu bestehe, jemanden, der den Chiliasmus vertritt, aus der Kirchengemeinschaft auszuschließen. In CA 17 sei nicht jedweder Chiliasmus, sondern die mit diesem einhergehenden Irrtümer verurteilt worden, 52. Obwohl Spener sonst kaum Gebrauch von der Vokabel Chiliasmus macht, gibt er hier eine Minimaldefinition vor: »daß auffs wenigste ein Chiliasmus müsse eine göttliche warheit seyn/ nemlich darinnen nichts mehr enthalten wird/ als was der H. Geist mit seinen eigenen worten Offenb. Joh. c.20. außdrukket«, 73. Vgl. auch M. Brecht, Spener, 1993, 363–365. Brecht nennt Speners eschatologische Hoffnung eine »chiliastisch gefärbte ›Hoffnung besserer Zeiten‹«, 363. 185 J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 42, berücksichtigt nur diese zwei Personen. H. Corrodi, Geschichte des Chiliasmus 3.1, 1793, 7, erwähnt als bedeutendste Vertreter des 17. Jh. Comenius, Spener, J. W. Petersen sowie den Hallenser Joachim Lange. Ferner geht er auf den Chiliasmus bei A. Bourignon ein, 42–469.
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Augustin die in Apk 20,2.7 genannten tausend Jahre für bereits vergangen.186 Die pietistischen Chiliasten fanden in der neutestamentlichen Offenbarung ein Deutungssystem, das ihnen half, sowohl die kritischen Aspekte ihrer Zeiterfahrungen zu interpretieren, als auch Hoffnungen und Kräfte für die Gestaltung der Zukunft zu aktivieren.187 Die Johannes-Apokalypse erfuhr insgesamt eine breite Rezeption in der pietistischen Bewegung, ohne jedoch immer eindeutig chiliastisch ausgelegt zu werden.188 Wie M. Matthias vor allem für J. W. Petersen nachweisen konnte und für beide Ehepartner annimmt, »vollzog sich in den späten Eutiner Jahren die Hinwendung der Petersens zu einem ausgeprägten Chiliasmus.«189 In ihrem ersten autobiographischen Entwurf von 1689 berichtet J. E. Petersen, dass bereits zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung im Jahr 1680 Gerüchte verbreitet wurden, die ihnen einen besonderen Bezug zur Offenbarung des Johannes nachsagten.190 In der erweiterten Fassung ihrer Autobiographie benennt sie einen genauen Termin für den Beginn ihrer Beschäftigung mit dem letzten Buch der Bibel: »Im Jahre 1685. bekam ich aufs erste den Aufschluß der heiligen Offenbahrung JEsu Christi, da ich niemahls Gedancken darauf gehabt, sondern solches grosse Buch immer vorbey gegangen, meynende daß ich nichts daraus verstehen könte.«191 Diese Vertiefung in die Apokalypse ist verbunden mit der Hinwendung zum Chiliasmus.192 Ein Brief Speners aus dem Jahr 1687 beleuchtet, in welch breitem Ausmaß die Beschäftigung mit der Johannes-Apokalypse die theologischen Arbeiten J. E. Petersens in der Eutiner Zeit bestimmte. Spener muss neben Briefen ein Manuskript vorgelegen haben, denn er bat darum, »mit dieser und dergleichen schrifften/ genau an sich zu halten/ und sie in keine untreue hände kommen zu lassen«.193 Sein Lob für der »werthen Schwester fleiß die schrifft zu untersuchen«, war gemischt mit deutlicher Reserve sowohl gegenüber einzelnen Deutungen als auch gegenüber dem märtyrerhaften Überschwang, mit dem 186 A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 123; J. Geffcken, Winckler, 1861, 98–103; zu den antichiliastischen Schriften Wincklers s. AGL 4, 1751, 2008f. 187 Vgl. hierzu H. Schneider, Unerfüllte Zeit, 1999, 208f. 188 Vgl. etwa die Hinweise bei M. Schmidt, Stammbuch, 1975, 69, 76–78. 189 M. Matthias, Petersen, 1993, 183. 190 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 287f: »es hätte sich der Heil. Geist in dem Gemach/ da wir getrauet wären worden/ in Feuers=Gestalt sehen lassen/ da hätten wir die Offenb. Johannis/ (darinnen ich damahls das Liecht nicht hatte/ was ich itzo aus seiner Fülle habe/ und die Gerichte Gottes/ und darauff folgende Herrlichkeit für seiner Kirchen allhie auff Erden mit großer Gewißheit erkenne/ welches zur Vergeltung der Schmach/ die wir um Christi willen erlitten) ausgeleget«. 191 J. E. Petersen, Leben, 1718, 39. 192 Ebd., 41: »Anno 1685. . . . ist mir das gesegnete tausend=jährige Reich in der Heil. Offenbahrung JEsu CHristi aufgeschlossen worden«. 193 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 272, 9.6.1687. Im Fall der Verbreitung fürchtete er große Schwierigkeiten für das Amt J. W. Petersens.
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J. E. Petersen anscheinend bereit war, Konflikte auf sich zu ziehen, die sie dann als Verfolgungen um Christi willen deutete.194 Aus Speners Brief geht hervor, dass sie daran arbeitete, prophetische Texte des Alten Testamentes auf die Apk zu beziehen. Ferner war sie davon überzeugt, dass der römische Papst nicht der Antichrist sein könne. Aus Apk 12 schloss sie die Bekehrung der Juden. Manche ihrer Interpretationen hielt Spener für ungesichert, andere für eindeutig falsch. Er empfahl ihr dringend, mit einem Kenner der Materie wie dem Lüneburger Superintendenten Kaspar Hermann Sandhagen Kontakt aufzunehmen.195
3.1.1 Glaubens=Gespräche, 1691 Nachdem sich im Jahr 1690 die Klagen über J. W. Petersens Amtsführung und seine theologischen Auffassungen in Lüneburg gehäuft hatten, veröffentlichten sowohl er als seine Frau im Jahr 1691 Schriften, die den Konflikt noch erheblich verschärften. Bei den Verhandlungen, die zu seiner Amtsenthebung führten, wurde auch über J. E. Petersens Glaubens=Gespräche gesprochen, die als »Bekänntniß des Reiches« verstanden wurden. J. W. Petersen nahm seine Ehefrau folgendermaßen in Schutz: »Man warff mir vor, es wäre doch von der Obrigkeit verbothen worden, man solte davon nichts gedencken. Ich antwortete: Es wäre das Buch schon, welches ziemlich groß wäre, dem Druck vor dem Verboth übergeben worden. Sie könte auch gegen die Obrigkeit nicht gesündigt haben, die Christo gehorsam gewesen wäre.«196 J. W. Petersen gab die Species facti in Druck, in der er einigen Freunden die Offenbarungen J. R. von Asseburgs unterbreitete. Er ging davon aus, dass diese Äußerungen der jungen Frau wörtlich von Gott »in die Feder dictiret« worden seien.197 Obwohl das Problem der Glaubwürdigkeit neuer göttlicher Offenbarungen im Vordergrund stand, kam auch das tausendjährige Reich in den Bezeugun194 Ebd., 273. 195 Ebd., 272. Bevor J. W. Petersen 1688 dessen Nachfolger wurde, hatten beide Petersen ihn besucht und sich mit ihm u. a. über den Chiliasmus unterhalten, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 79–81. J. W. Petersen unterstrich in seiner Autobiographie, dass eine seiner Hoffnungen bei der Annahme der Lüneburger Superintendentur darin bestanden habe, sich ungehindert zum Thema des Chiliasmus äußern zu können, da ja Sandhagen dies bereits getan habe, ebd., 82. Zu dem durchaus konfliktträchtigen Verhalten Sandhagens gegenüber seinem Nachfolger s. M. Matthias, Petersen, 1993, 255. Jahre später nannte J. W. Petersen als die drei wichtigsten »Lehrer/ welche die Materie von dem gesegneten tausend jährigen Reiche Christi in den Augen der Christlichen Kirche tractiret haben«, Sandhagen, Spener und sich selbst, Vergebliche Dämme, 146, in: Mysterion Apokatastaseos 3, 1710. 196 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 198f. 197 J. W. Petersen, Species facti, 1691, Aiijv, Cir. Datiert ist diese Schrift auf den November 1691, ebd., Gijr. Vgl. auch M. Matthias, Petersen, 1993, 320f.
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gen von Asseburgs vor.198 Die Antworten, die die junge Frau auf Nachfragen gab, wurden als unmittelbare Zeichen Gottes gedeutet.199 Dabei wurden ihr u. a. Fragen zur Auslegung von einzelnen Symbolen und Textstellen der neutestamentlichen Offenbarung vorgelegt. Auf J. E. Petersens Frage danach, wie insbesondere die Philadelphische Gemeinde aus Apk 3,7ff zu verstehen sei, erging die Antwort: »Friede sey mit dir/ liebe Johanna. Wie solte ich mit dir zürnen/ daß du für mir redest? . . . So höre nun mein Wort du Täublein . . . die Philadelphische Gemeine/ worinnen ihr itzo stehet/ endet sich herrlich mit Geist und Krafft in den Gläubigen«.200 J. E. Petersens Glaubens=Gespräche präsentierten die Verfasserin eindeutig als Vertreterin des Chiliasmus. Ein direkter Bezug in der Art der Konzeption oder literarischen Gestaltung besteht nicht zu J. W. Petersens Species facti. Trotz dieser theologischen Zuspitzung knüpft die Autorin an ihr Erstlingswerk, die Gespräche des Hertzens, insofern an, als die Auslegung von Bibelversen die literarische Gestalt auch dieses Buches bestimmt.201 Obwohl J. E. Petersen in formaler Hinsicht die Methode der geistlichen Schriftauslegung fortführt, steht in diesem Buch nicht mehr die Hinführung zum Gebet, das die Seele stellvertretend für die potenziellen Leserinnen und Leser mit ihrem Heiland führt, im Vordergrund, sondern die programmatische Entfaltung ihrer theologischen Überzeugungen.202 Der Gebetsmodus, der in 198 J. W. Petersen, Species facti, 1691, Aiijr, Bijr. 199 Ebd., Ciijv; J. W. Petersen berichtet: »Meine Liebste hat auch in Demuth ihres Hertzens/ und im Glauben durch das außerwehlte Fraulein den HErrn befragen lassen/ . . . darauff der HErr also geantwortet«. 200 Ebd., Ciijv; ähnlich Ciiijv, Dir. 201 Auch wenn J. E. Petersen zur Vorbereitung dieses Werkes anscheinend nicht noch einmal die Hilfe C. Kortholts in Anspruch nahm, so sandte sie ihm zu Beginn des Jahres 1691 Teile der Glaubens=Gespräche. In einem Brief vom 3.2.1691 kommt sie darauf zurück, dass sie sich vor einigen Wochen »die freyheit« genommen habe, dem Freund etwas »über die Gesprache des glaubens« zuzusenden, so folge nun eine zweite Sendung zum ersten Teil. Aus den wenigen Zeilen dieses Briefes wird nicht deutlich, ob es sich bereits um Teile der Druckfassung oder noch um Entwürfe handelt. Jedenfalls bittet die Autorin nun nicht mehr um Beratung und Hilfe, sondern übermittelt anscheinend das Erarbeitete als fertiges Produkt. Der Ton dieses Schreibens scheint die weiter bestehende Freundschaft zwischen Lüneburg und Kiel wieder zu spiegeln. Das Schreiben ist im Original erhalten, Kiel UB, S. H. 406, ep. 15. 202 Die Glaubens=Gespräche nennen auf dem Titelblatt als Erscheinungsorte Frankfurt und Leipzig. Ein Buchdrucker oder -händler mit Namen Michael Brodthagen ist aber weder bei D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, noch bei J. Benzing, Buchdrucker, 1982, nachgewiesen. Das Buch hat im Oktavformat einen Umfang von fast 1000 Seiten, wobei etwa 200 Textseiten von den ausführlichen Registern in Anspruch genommen werden. Das Stichwort Seele kommt noch vielfach vor, Glaubens=Gespräche, 1691, 133, 136, 167, 217f, 230, 256, 268, 537, 561; es begegnet auch noch die Topik von Braut und Bräutigam: 167, 217, 747; das Verhältnis zu Christus wird als Verlobung bezeichnet, 128; der Topos Braut wird hier jedoch öfter auf die Gruppe der Erwählten angewandt, die mit dem Bräutigam Christus das tausendjährige Reich als Hochzeitsfest feiern wird: 795, 833, 849, 868, 890, 929.
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ihrem ersten Werk zu den inhaltlichen Ausführungen in einem stimmigen Verhältnis stand, wird hier beibehalten und gerät in diesem Buch in Spannung mit der Absicht, gleichzeitig für eine umstrittene theologische Auffassung zu werben. Der Autorin geht es nach ihren eigenen Worten hauptsächlich darum, »das gesegnete tausend=jährige Reich/ als ein warhafftiges Reich/ als ein Reich/ das uns nahe ist (in welchem das Reich Israel auff Erden auffgerichtet seyn wird/ und die überkleideten und verherrlichten Uberwinder mit CHristo im Paradieß Gottes über dasselbe regieren werden) mit einer Posaune in der gantzen Welt auszublasen.«203 Das Bild der Posaune kann als Symbol ihrer gewonnenen Sicherheit sowie des Willens zur Verbreitung des Chiliasmus verstanden werden.204 Eine Veränderung gegenüber den Gesprächen des Hertzens liegt auch darin, dass kein bekannter Theologe als Gewährsmann ein Vorwort beisteuerte, sondern dass die Autorin selber in der Vorrede spricht. Sie widmet dieses Buch nicht wie das erste hoch stehenden Persönlichkeiten, sondern ihrem »Hertz=geliebten Mann«, weil der ihre Ansichten in Bezug auf die chiliastische Erwartung teile. Er habe zwar zunächst versucht, ihr von der Veröffentlichung abzuraten; sie habe ihn jedoch überzeugen können, dass sie nicht durch »eigenes Gutdüncken«, sondern durch die Einwirkung Gottes zu diesem Schritt getrieben werde.205 Diese Darstellung könnte dem Wunsch entsprungen sein, ihren Mann in der Öffentlichkeit in Schutz zu nehmen, und sich einer unangreifbaren Autorität zu bedienen. Insbesondere die Vorreden lassen den Eindruck entstehen, dass es sich bei den Glaubens=Gesprächen in erster Linie um ein Programm zur Verbreitung und Verteidigung des Chiliasmus handelt. Der Inhalt des größten Teiles der einzelnen Andachten jedoch bezieht sich auf Ausführungen zum Verständnis des Glaubens. Die drei Hauptteile des Buches weisen unterschiedliche Schwerpunkte auf.206 In Teil 1 und 2 enthalten alle ausgewählten Bibelverse 203 Ebd., Zuschrifft. Auch an anderen Stellen spricht sich ein großes Sendungsbewußtsein der Verfasserin aus, wenn sie z. B. schreibt, ebd., 4: »O mein Jesu! weil es vor dir wolgefällig gewesen/ daß auch ich deine Magd/ die an sich selbst so schwach und elend ist/ in diese letzte Zeiten kommen solte/ so gib mir doch desto mehr Krafft/ daß ich mich durch dich in dem allerheiligsten Glauben bewahren kan/ und . . . andern im Glauben vorleuchten und sie zum Glauben auffwekken möge«. Ebd., 56, bittet sie darum, dass ihr »Exempel« nicht unfruchtbar sein möge; s. auch 18, 529. 204 P. J. Spener, Erzehlung, 1697, 52, sprach im Rückblick auf seine Pia Desideria davon, dass diese Schrift wie eine Posaune gewirkt habe. 205 J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, Zuschrifft. Datiert ist diese auf den 11.7.1691. Einen weiteren Akzent in Richtung auf die gewonnene Eigenständigkeit setzt die »Anrede an Christum Jesum«, den J. E. Petersen für den einzigen Lehrer hält, dessen Autorität sie anerkennt, )(2r–4v. 206 Wie in den Gesprächen des Hertzens wird in diesem Buch in jedem Abschnitt jeweils ein Bibelvers ausgelegt. Der Umfang der einzelnen Texteinheiten beträgt etwa zwei bis zehn Druckseiten. In Teil 1 richten sich 58 Gebete an Christus, 13 an Gott als Vater, lediglich eine Andacht
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das Stichwort Glauben,207 wobei Teil 2 sich auf die Interpretation von Versen des Hebräerbriefes konzentriert, so dass hier vor allem die alttestamentlichen Gerechten als Vorbilder des Glaubens charakterisiert werden.208 Der dritte Teil wendet sich schwerpunktmäßig der Auslegung von Versen der Apk zu.209 Die theologischen Grundanliegen, die J. E. Petersen in ihrem ersten Buch markiert hatte, treten auch in den Glaubens=Gesprächen hervor: die Rechtfertigung begegnet ausschließlich unter ihrem effektiven Aspekt.210 Der Glaube, der mit der Taufe als »Bad der Wiedergebuhrt« beginnt, nimmt eine unaufhörliche Aufwärtsentwicklung, so dass die Wiedergeborenen »immer heiliger/ immer gerechter und frömmer« werden und schließlich zur Deifikatio gelangen.211 J. E. Petersen sah sehr wohl, dass sie sich dem Missverständnis aussetzte, das von ihr entfaltete Glaubensverständnis könne als Rückfall in die katholische »Werckheiligkeit« betrachtet werden.212 So versuchte sie unter Hinweis auf Gal 2,20 die von ihr eingeforderten Glaubensfrüchte als alleinige Auswirkung des Handelns Christi im Menschen zu skizzieren. »Alle Wercke die nicht CHristus JESUS in uns würcket/ gehören zur Werckheiligkeit; der Gläubige aber hat CHristum JESUM in sich wohnend/ und lebet in CHristo und CHristus in ihm/ daß er mit Paulo sprechen kan: Ich lebe/ doch nun nicht Ich/ sondern CHristus lebet in mir/ denn was ich jetzt lebe im Fleisch/ das lebe ich in dem Glauben deß Sohnes GOttes.«213
enthält keine Gebetsanrede. Von den 59 Meditationen des Teils 2 sprechen 37 Christus an, 22 Gott den Vater. In Teil 3 liegt der Schwerpunkt mit 48 Anreden bei Christus, nur vier wenden sich an Gott. In manchen Textstücken wechseln die Anredeformen während der Ausführungen. 207 In Teil 1, ebd.,1–279, verteilen sich die 72 biblischen Voten auf Röm (15), Joh (11), 1Tim (7), Apg (7), Jak (4), sowie Mk, Lk, 1Kor, 2Kor, Gal, Phil, Kol, 1Thess, 2Thess, 1Petr, 1Joh und Hebr jeweils ein- bis dreimal. 208 Ebd., 371–615: von den 59 Meditationen haben 25 Verse des Hebr als Ausgangspunkt; die übrigen verteilen sich auf weitere 13 Schriften des NT, wobei Joh mit neun Votierungen hervorsticht. Neben den »gläubigen Patriarchen« des AT, 614, kommen auch einige Frauengestalten des NT wie Martha, die blutflüssige Frau und die Kanaanäerin vor, 495, 603. 209 Ebd., 739–962: 25 Meditationen schließen sich an Apk-Verse an; 1Kor kommt fünfmal vor, Röm dreimal; 15 weitere Schriften des NT werden ein- oder zweimal herangezogen. 210 Ebd., 89: »Denn der Glaube machet gerecht/ nicht allein daß uns die Gerechtigkeit Christi zugerechnet wird/ sondern daß man auch durch Christum die Gerechtigkeit vollbringet«. 211 Ebd., 7, 64; vgl. auch 33, 37, 60, 86, 119, 136, 157, 255. Die Autorin fordert die Leserinnen und Leser auf: »Erforschet euch auch und prüffet euch/ ob ihr im Glauben seyd/ der nicht allein anfängt/ sondern auch fort wächset/ und durch Christum vollendet wird/ da aus dem schwachen Glauben ein starcker Glaube wird/ und darauff die Krafft und endlich die Herrligkeit des Glaubens sich darstellen/ daß also ein Grad des Glaubens nach dem andern folget/ und demjenigen offenbahr wird/ der im Glauben stehet«, 275. Die neutestamentliche Bitte aus Mk 9,24 »Ich glaube, hilf meinem Unglauben« formuliert sie um in den Satz: »Mein JEsu: Ich gläube; stärcke meinen Glauben«, 113. 212 Ebd., 54. 213 Ebd., 56; vgl. auch 123.
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Während diese Aussagen als Fortführung der Gespräche des Hertzens betrachtet werden können, die lediglich dadurch ein anderes Gepräge erhalten, dass sie auf das Thema des Glaubens bezogen werden, hat sich J. E. Petersens Kritik an den kirchlichen Verhältnissen ihrer Zeit erheblich verschärft.214 In ihrem ersten Buch stand das Verhältnis der einzelnen Seele zu ihrem Bräutigam Christus im Vordergrund, in den Glaubens=Gesprächen dagegen treten Konturen eines alternativen Kirchenkonzeptes hervor. J. E. Petersen bezeichnet an vielen Stellen die ihrer Meinung nach wahrhaft Glaubenden als »Kinder« Gottes und Christi, die sie auch »Glaubens=Kinder«, »wiedergeborene Kinder«, »gläubige Kinder« oder »Creutz=Christen« nennt.215 Die Gemeinschaft dieser Christen beschreibt sie mit Anklängen an das Apostolische Glaubensbekenntnis als die wahre Kirche und Gemeinschaft der Heiligen.216 Als Struktur dieses Kirchenmodells wird lediglich verdeutlicht, dass dieses sich in Treffen kleiner Gruppen konkretisiert, die das geistliche Priestertum aneinander ausüben.217 Der dritte Teil der Glaubens=Gespräche stellt, neben den Vorreden, den für einige Zeitgenossen provokantesten Teil dieses Buches dar, da hier die chiliastische Erwartung der Verfasserin deutlich zum Ausdruck kommt.218 J. E. Petersens eschatologisches Denken hat systemhafte Züge angenommen. Das tausendjährige Reich wird nach ihrer Darlegung mit der Wiederkunft Christi und der ersten Auferstehung beginnen, an der nur die wahrhaft Gläubigen teilhaben werden.219 Diese werden entweder mit den Propheten und Aposteln auferweckt oder, wenn sie noch am Leben sind, verwandelt werden.220 Die 214 So ist sie der Ansicht, um sich herum nur »Schein=Glauben«, »Mund=Bekäntniß« und geheuchelten Glauben wahrnehmen zu können, ebd., 21, 145, 159, 191. Sie beurteilt die meisten Christen als ruchlos, 4, 9; ja, sie bescheinigt ihnen, noch Heiden zu sein. In der Gebetsanrede an Christus formuliert sie: »Offenbahre auch den Betrug so vieler Hertzen/ die bey den Worten vom Glauben doch noch unter dem Gesetz/ ja wol offt ohne Gesetz und Heyden seyn/ und das Evangelium als eine andere Secte annehmen und so schändlich mißbrauchen/ daß sie sich bey allen ihren Gelüsten des Fleisches als Erlösete von Sünden desselben getrösten wollen/ welches ja ärger als alles Heydenthum ist. Der wahre Glaube aber verändert den Menschen/ und machet eine neue Creatur«, 392. 215 Ebd., 41, 56, 65, 72, 92f, 106, 109, 253, 377f, 403, 407, 433. 216 Ebd., 146f: »O was für eine Freude hat meine Seele/ wenn sie bedencket/ daß diese Gemeinschafft der Heiligen/ welche wir in unsern Glaubens=Artickeln bekennen/ wieder sol empor kommen/ wenn die allgemeine Christliche Kirche sich wieder wird herfür thun . . . da wird die Menge der Gläubigen die im Himmel und auf Erden sind/ nur ein Hertz und eine Seele haben/ und werden allzusammen ein vollkommen Mann seyn nach der Massse des vollkommenen Alters JESU CHRISTI«. Gal 3,28 und das Ideal der frühen Christen werden herangezogen, um deren Verbindung untereinander und mit Christus zu umschreiben. 217 Ebd., 236. 218 Auch in Teil 1 und 2 begegnen Elemente einer chiliastischen Zukunftshoffnung, ebd., 16, 112, 147, 153, 158, 208, 411, 413, 597, 600. 219 Ebd., 794, 797; dieses Motiv bezieht sich auf Apk 20,5f. 220 Ebd., 597, 769.
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Erde wird weiter bestehen und die Stadt Jerusalem wird das Zentrum des Reiches bilden, in dem vornehmlich die zu Christus bekehrten Juden leben werden.221 Die bis dahin nicht Bekehrten erhalten in den tausend Jahren die Gelegenheit zur Buße. Allerdings werden sie, anders als die Elite der mit Christus Regierenden, weiterhin der Sterblichkeit unterworfen sein.222 Diejenigen, die mit Christus als Könige und Priester über die Welt regieren, bilden die »Kirche im Himmel«, von der die »Kirche auff Erden« zu unterscheiden sei.223 Erst nach Ablauf der genau auf 1000 Jahre bemessenen Zeitspanne wird nach J. E. Petersens Konzeption die allgemeine Auferstehung mit dem Gericht über alle Menschen stattfinden.224 Das von ihr entworfene eschatologische Schema stellt J. E. Petersen in den Glaubens=Gesprächen als gesicherten Ereignisablauf dar, an dessen Faktizität es keine Zweifel geben kann. Das als Deutung der Heiligen Schrift vorgetragene Konzept lässt an keiner Stelle die Möglichkeit zu einer anderen Auslegung offen. Der durchgehend als Gebet eingekleidete Entwurf versucht zudem, den Eindruck gläubiger Authentizität zu vermitteln. So formuliert die Autorin an Christus gerichtet: »Aber deine gesegnete tausend Jahr/ sind der Tag der Hochzeit und der Erbschafft/ darinnen wird das Erbe empfangen/ als Söhne und Töchter angenommen/ und die Erbschafft die wir hier im Glauben schon besitzen/ alsdenn aber völlig antreten werden/ darinnen sie alles vererben/ in den tausend Jahren die Paradiesische Herrlichkeit/ und nach den tausend Jahren die unausdenckliche Ewigkeit/ darin deine tausend Jahre gehören/ die sich nicht in der Ewigkeit/ sondern nur nach der Zeit=Rechnung die auff Erden ist/ enden/ da alsdenn/ die in das Königreich Israel gehören/ auch in des Vaters Hauß/ ein jeglicher nach seinem Grad/ versetzet werden.«225 Auch wenn dieses Buch nach formalen Gesichtspunkten der Erbauungsliteratur zugerechnet werden kann, so klingt hier der Ton an, der die weiteren Publikationen J. E. Petersens in den folgenden Jahren bestimmen sollte. Die Schriftstellerin formuliert eine eigene theologische Programmatik, deren Verbreitung ihre Werke dienen. Mit dieser Veröffentlichung verlässt die Autorin die Spuren der aus der Mystik herkommenden pietistischen Frömmigkeit, die vor allem auf eine Läuterung der Inneren gerichtet ist. Sie besetzt vielmehr in markanter Weise umstrittene theologische Themenfelder, zu denen Frauen sich nur selten öffentlich äußerten.
221 Ebd., 536, 803, 847, 893, 908, 950, 953, 960. 222 Ebd., 790, 957. 223 Ebd., 820, 960f; auf diese Gruppe bezieht J. E. Petersen die in Apk 14,1 genannte Zahl der 144000 und bezeichnet sie u. a. als »Leib=Guardie« Christi, ebd., 761–763, 766. 224 Ebd., 872. 225 Ebd., 961f.
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Die Glaubens=Gespräche zogen in ganz anderer Weise öffentliche Aufmerksamkeit auf sich als das erste Buch J. E. Petersens, denn diese Gespräche wurden nicht als Andachtsbuch wahrgenommen, sondern in erster Linie als demonstratives Bekenntnis zum Chiliasmus. Die Reaktionen auf das Buch spiegeln die jeweilige Wertung des Chiliasmus wieder. Im Frühjahr 1690 war von der Fürstlichen Regierung in Celle angeordnet worden, dass J. W. Petersen sich sowohl mündlicher als auch schriftlicher Äußerungen zum Chiliasmus zu enthalten habe.226 J. W. Petersens Darstellung, dass das Buch seiner Ehefrau bereits vor dem Bekanntwerden des Verbotes gedruckt worden sei, wirkt kaum glaubhaft.227 So wurden denn die Glaubens=Gespräche als belastendes Indiz auch in den Prozess gegen J. W. Petersen, der mit der Amtsenthebung endete, einbezogen.228 Die abwertenden Äußerungen über die Glaubens=Gespräche kamen eindeutig aus dem Lager der pietismuskritischen Lutheraner. Georg Meyer, einer der Lüneburger Kollegen J. W. Petersens,229 sprach von diesem Buch als von den »Chiliastischen Gesprächen der Petersenschen Frauen« und beurteilte sie als Geschwätz.230 Darüber hinaus versuchte Meyer, die beiden Petersen gegeneinander auszuspielen, indem er J. W. Petersen vorwarf, einen »groben Chiliasmum« zu vertreten, während seine Ehefrau eine subtilere Variante darböte.231 Der Lübecker Superintendent August Pfeiffer, der den Chiliasmus J. W. Petersens einer Analyse unterzog, ging hierbei auch auf J. E. Petersens Glaubens=Gespräche ein.232 Seine Begründung für dieses Vorgehen lautete, dass sie mit ihrem Ehemann »aus einem Geiste und Munde redet«.233 Für den dezidierten Pietismusgegner J. H. Feustking gehörte das neue Buch J. E. Petersens zu den verwerflichen Erscheinungen des Pietismus, da es ketzerische Lehren verbreite.234 Als Anstifter zu den chiliastischen Ideen sah er J. W. Petersen.235 Außerdem beschuldigte er die Autorin, 226 Vgl. M. Matthias, Petersen, 1993, 240f. 227 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 156; in Betracht zu ziehen ist z. B. der Umstand, dass die Widmung J. E. Petersens auf den 11.7.1691 datiert ist. 228 M. Matthias, Petersen, 1993, 320, 326. 229 AGL 3, 1751, 366; zur Rolle Meyers als Lüneburger Senior in den Konflikten um J. W. Petersen s. M. Matthias, Petersen, 1993, 229, 233, 237f, 280, 308–310, 312, 314, 329. 230 G. Meyer, Geistlicher Brief=Wechsel, 1692, 23, 55. 231 Ebd., 26, 133. 232 A. Pfeiffer, Scepticismus Spenerianus, 1696, 366–373; AGL 3, 1751, 1490–1492; im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Spener vollzog Pfeiffer durchaus eine Differenzierung zwischen dem Chiliasmus J. W. Petersens und der Spenerschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Kirche auf Erden. Zu Pfeiffers ursprünglich positiver Haltung Speners Reformprogramm gegenüber s. M. Brecht, Spener, 1993, 364. 233 A. Pfeiffer, Scepticismus Spenerianus, 1696, 368. Trotz dieser Sicht nahm Pfeiffer das Buch J. E. Petersens als eigene Stimme zum Thema wahr. 234 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 464f. 235 Ebd., 52: dieser habe »durch seine Johannam Eleonoram von Merlauen . . . in denen Glaubens=Gesprächen die ausgepeitschte Lehre von dem Tausendjährigen Reich behauptet«.
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dass sie mit dieser Publikation die Amtsenthebung ihres Ehegatten bewirkt habe.236 Ferner stellte er einen Zusammenhang zwischen diesem Buch und dem Fall der württembergischen Pfarrerstochter Christina Regina Bader her. Diese hatte 1698 mit Berichten über Visionen und Engelserscheinungen von sich reden gemacht, wurde unter die Aufsicht des Stuttgarter Hofpredigers Johann Reinhard Hedinger (1664–1704) gestellt und schließlich zu drei Jahren Festungshaft verurteilt.237 Bei Befragungen habe sie angegeben, dass ein Engel ihr ein Exemplar der Glaubens=Gespräche gebracht habe. Für Feustking stellt sich der Sachverhalt so dar, dass C. R. Bader durch diese Lektüre dazu verführt worden sei, eigene visionäre Erlebnisse vorzutäuschen.238 Feustkings Strategie besteht darin, J. E. Petersen auf jede Weise zu desavouieren, obwohl ihr ja nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie direkt Einfluss auf die Württembergerin genommen habe. Spener, der zunächst die Beschäftigung des Ehepaares Petersen mit Fragen des Chiliasmus begrüßt hatte, äußerte sich ein Jahr nach Erscheinen der Glaubens=Gespräche mit verhaltener Kritik zur Veröffentlichung dieses Buches. Er selber hielt zwar unverbrüchlich an seiner Hoffnung auf eine von Gott herkommende Erneuerung der Kirche auf Erden fest, billigte die Radikalität seiner Freunde jedoch nicht. Vor allem fürchtete er öffentliche Beunruhigung.239 Fast enthusiastisch auf die Glaubens=Gespräche reagierte hingegen Justinus Töllner (1656–1718), der sich als Schüler der Petersen verstand.240 Be236 Ebd., 472. 237 Ebd., 162–170; Feustking teilt mit, ebd., 169, dass die Inhaftierte »zu weiblichen Geschäfften angehalten« worden sei. Diese kurze Notiz unterstreicht das bei Feustking zugrunde liegende Frauenbild, wonach bestimmte Sphären für das weibliche Geschlecht bestimmt sind. Wenn Frauen diese verlassen und sich z. B. auf das Gebiet der Literaturproduktion begeben, dann gefährden sie das ganze Geschlechter-Gefüge. Zu Hedinger, der selber dem Pietismus zugerechnet werden kann, s. AGL 2, 1750, 1430f; M. Brecht, Württembergischer Pietismus, 1995, 227–229, 231–234; W. Sommer, Hedinger, 1999. 238 Anders als Feustking führt H. Corrodi, Geschichte des Chiliasmus 3.2, 1793, 8f, die vorgeblichen »englischen Erscheinungen« Baders darauf zurück, dass diese »durch das Lesen der Offenbarungen des Fräulein von Asseburg« auf den Gedanken gekommen sei, sich als Prophetin auszugeben. 239 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 663: »Dieses bekenne ich/ daß nicht gern gesehen habe/ daß sowol sie die Fr. D. Petersin ihr buch/ da diese lehre weitläuftig getrieben wird/ als er die speciem facti und sendschreiben betreffend die gerühmte offenbarung der Frl. Rosamundä von der Asseburg offenlich heraus gegeben habe«. Er betonte in diesem Brief, dass er an der Freundschaft zu J. W. Petersen festhalte, aber nicht darin übereinstimme, dass die Hoffnung auf das tausendjährige Reich zur Seligkeit nötig wäre, 662. 240 Nachdem Töllner 1696 sein Pfarramt in Kursachsen wegen rigoristischer pietistischer Positionen verloren hatte, wurde ihm in Halle 1698 die Aufsicht über die Schulen anvertraut, s. AGL 4, 1751, 1231; K. Weiske, Pietistische Stimmen, 1929, 199f; M. Brecht, Francke, 1993, 477. Töllner veröffentlichte 1696 anonym die Schrift Einfältiger Unterricht, zu der er sich in seinem nächsten Buch Unrechtmäßige Absetzung, 1697, 164f, bekannte. Über den Chiliasmus der beiden Petersen schrieb er: »Denn diesem Christlichen und Gottseeligen Ehe=Paar hat der Barmhertzige Vater/ von dem alle gute und vollkommene Gabe von oben herabkömt/ aus Gnaden
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sonders den dritten Teil des Buches hob er hervor, denn in diesem sei »vielen Einwürffen der Widersacher und so genanten Anti-Chiliasten mit Gründen der heiligen Schrifft mächtig begegnet« worden.241 Für den Pietisten und Chiliasten Töllner bedeutete dieser Text eine Bestätigung seiner eigenen Position, die ja im Wesentlichen mit derjenigen der Autorin übereinstimmte.
3.1.2 Anleitung, 1696 Das dritte Buch J. E. Petersens stellt ihr Hauptwerk zur chiliastischen Deutung der Apk dar.242 Stärker als bei den bisher besprochenen Schriften lassen sich in diesem Buch Hinweise auf eine inhaltliche Zusammenarbeit mit ihrem Ehegatten finden; dennoch kann die Anleitung als Werk der Autorin J. E. Petersen gelten.243 Das Neue an der Anleitung zu gründlicher Verständniß der Heiligen Offenbahrung Jesu Christi lag nicht so sehr im Inhalt, sondern stärker noch in der Form. Sowohl das literarische Genus als auch der Umfang von mehr als 300 Seiten im Folioformat signalisierten, dass hier eine Frau beanspruchte, auf autoritative Weise einen Teil der Heiligen Schrift auszulegen, und zwar den, der nach der in der lutherischen Orthodoxie verbreiteten Ansicht als der schwerste galt.244 Auch wenn die Anleitung keineswegs der klassischen Form des Kommentars entsprach und diesen terminus technicus weder im Titel noch an irgendeiner Stelle des Buches nannte, so rechneten sowohl Befürworter als auch Gegner dieses Buch zur Kommentarliteratur. Seit den Zeiten der Kirchenväter galt der Kommentar als das Genus der exegetisch-theologischen Lehre. Die patristische Literatur der Spätantike griff für ihren erläuternden Zugang zur Heiligen Schrift auf Methoden zuin den meisten Stücken dieser Lehre ein Herrliches Licht und ungemeine Erkäntnis durch seinen Geist verliehen/ daß nächst GOtt dero guten Anweisung mit mir viele Kinder Gottes das meiste zu dancken haben/ was sie hievon in dem Licht des HErrn bißher erkennen und wissen«, Einfältiger Unterricht, 1696, 202. In der anonym gedruckten Schrift Göttliche und Himmlische Offenbahrung, 1697, D2r, die sich vor allem gegen den Chiliasmus der Petersen wandte, wurde diese Passage zitiert und als Verfasser einer »von dieser Chiliastischen bande« vermutet. 241 J. Töllner, Einfältiger Unterricht, 1696, 202. 242 Der Druck nennt Frankfurt und Leipzig als Verlagsorte sowie den Namen Johann Daniel Müller (1670–1726). Dieser war als Buchdrucker und Verleger in Magdeburg tätig, erhielt Privilegien des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. und brachte die offiziellen Verordnungen der Stadt heraus, s. J. Benzing, Buchdrucker, 1982, 313; D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 182. 243 T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 158, Anm. 39, druckt einen Brief F. Brecklings an H. Betke vom Mai 1695 ab, in dem Ersterer seine Erwartung ausspricht, dass die Auslegung J. W. Petersens über die Johannes-Offenbarung doch bald erscheinen möge. In seinem Traktat Gantze Welt, 1717, 65, verweist J. W. Petersen auf seinen Kommentar zur Apk. 244 M. Luther bezeichnete in einem Brief vom 4.10.1523 dieses biblische Buch als »liber . . . obscurus et incertus«, WAB 3, 164; vgl. auch F. C. Bücher, Treuhertzige Warnung, 1700, 45.
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rück, die bei der Interpretation antiker Texte entwickelt worden waren.245 Der zunächst mit der im Gottesdienst gebräuchlichen Form der Textauslegung, der Homilie, eng verwandte exegetische Kommentar246 erfuhr seine prägende Gestalt durch die Kommentarwerke großer Kirchenväter wie Augustinus, Ambrosius, Hieronymus und Johannes Chrysostomos. Der terminus technicus Kommentar bezeichnet von dieser Zeit an in der Regel Erläuterungen, die ein ganzes biblisches Buch Vers für Vers vollständig auslegen. Gelegentlich wurde von dieser Einzelvers-Orientierung abgewichen, indem mehrere Verse als Sinnabschnitte kommentiert wurden.247 Da die mündliche und schriftliche Auslegung biblischer Texte im Verlauf der Ausgestaltung kirchlicher Strukturen zu einem Vorrecht der Berufstheologen wurde, liegen weder aus der Zeit der Spätantike noch aus dem Mittelalter regelrechte Kommentarwerke von Frauen vor.248 Noch bevor J. E. Petersens Anleitung im Druck erschien, machte die Zeitschrift Monatliche Unterredungen in den 1690er Jahren darauf aufmerksam, dass es bei einer großen Fülle neuer Werke zur neutestamentlichen Apokalypse neuerdings auch Verfasserinnen gebe: Wir haben »bißher nur Commentatores gehabt/ . . . itzo auch Commentatrices . . . indem Weibs=Personen sich unterfangen/ die schweresten Sprüche der Offenbarung Johannis zu erklären«.249 Gewidmet ist die Anleitung zwei verwitweten Kurfürstinnen, Anna Sophia von Sachsen (1647–1717) und ihrer Schwester Wilhelmine Ernestine von der Pfalz (1650–1706), die beide als Gönnerinnen der pietistischen Bewegung auftraten.250 J. E. Petersen lobt diese zwei Frauen als »Liebhaberinnen der H. Schrifft«.251 245 Vgl. hierzu C. Schäublin, Pagane Prägung, 1992; C. Markschies, Origenes, 2000. 246 Die altkirchliche Zusammengehörigkeit von Homilie und Kommentar lässt sich ebenfalls anhand der lateinischen Terminologie für die Tätigkeit des Predigens ablesen, die als »docere« bezeichnet wird. Erst im Frühmittelalter tritt der Begriff »praedicare« an diese Stelle, während das »docere« von der Scholastik in den Unterricht verlegt wird, vgl. hierzu R. Zerfaß, Laienpredigt, 1974, 98. 247 Bereits in der Spätantike existierten diese beiden Formen nebeneinander, s. C. Schäublin, Pagane Prägung, 1992, 153f. 248 Dieser Tatbestand muss nicht bedeuten, dass Frauen keine Kommentare verfasst haben. Generell kann nicht ausgeschlossen werden, dass von Autorinnen stammende Werke unter männlichen Namen publiziert wurden oder dass ihre Arbeiten in die Werke männlicher Autoren einflossen. 249 W. E. Tentzel, Monatliche Unterredungen, 1692, 103f; damit ist allerdings kein klassischer Kommentar gemeint, sondern diese Beobachtungen beziehen sich auf die Offenbarungen J. R. von Asseburgs, die »zum Theil unerhörte Auslegungen von rebus Apocalypticis« enthalten, ebd., 104. 250 Beide stammten aus dem dänischen Königshaus: Wilhelmine Ernestine heiratete Karl I. von Pfalz-Simmern (1651–1685), Anna Sophia Johann Georg III. von Sachsen (1647–1691), s. B. Sokop, Stammtafeln, 1993, 21, 46. Zur Freundschaft Speners mit beiden Frauen s. M. Brecht, Spener, 1993, 332f. Er sorgte z. B. dafür, dass F. Breckling eine finanzielle Unterstützung von
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Anders als in den Glaubens=Gesprächen von 1691 gibt J. E. Petersen in diesem Buch zu erkennen, dass sie sich der Brisanz ihrer Position bewusst ist. So weist sie die Bezeichnung des Chiliasmus für die von ihr vorgetragenen Hoffnungen zurück. Der Begriff taucht in dem gesamten Werk nur in seiner negativen Verzerrung auf. Diejenigen, die die tausend Jahre noch als zukünftig erwarten, würden von ihren Gegnern »mit dem verhaßten Nahmen der Chiliasten« verspottet und ihnen würde unterstellt, dass sie einen »recht=groben Chiliasmum« lehrten.252 Die Verfasserin der Anleitung möchte hingegen nach ihren eigenen Worten darlegen, dass es sich bei der von ihr vertretenen Interpretation um »die wahre göttliche und alte Theologie/ die zu allen Zeiten immer nur eine gewesen« ist, handele.253 Denen, die nicht bereit sind, ihr zu folgen, hält sie entgegen, dass sie »vom Glauben irre gegangen« seien und einem »selbst=gemachten Schein=Glauben« folgten.254 Sie schreckt nicht einmal davor zurück, ihr Buch auf eine Ebene mit alttestamentlicher Gerichtsprophetie zu stellen, wenn sie schreibt: »Der Löwe brüllet/ wer sollte sich nicht fürchten? Der HErr HErr redet/ wer sollte nicht weissagen? Wer es nun nicht hören will zum Leben/ sondern mit bösem Sinn dagegen tobet und lästert; der dürffte dieses zum Zeugniß und Gericht hören.«255 Diese Haltung, zudem vorgetragen von einer Frau, musste auf erbitterten Widerstand stoßen. J. E. Petersen wagte sich auf ein Gebiet vor, das als Proprium männlicher Theologen galt. Bei diesem Vorstoß fügte sie sich nicht ein in die anerkannte Tradition der Apokalypse-Deutung, sondern präsentierte in Inhalt und Form ein Werk, das in der deutschsprachigen Literatur der Frühen Neuzeit für sich stand der sächsischen Kurfürstin Anna Sophia erhielt, s. M. Brecht, Spiritualisten, 1993, 232. Ihr widmete Spener seine Kurzen Katechismuspredigten von 1689, s. P. Grünberg, Spener 3, 1906, 222; vgl. auch A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 219. J. W. Petersen erwähnt beide Kurfürstinnen dankbar in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 21. Die Sympathie für den Pietismus hinderte die Kurfürstin Anna Sopia allerdings nicht daran, von 1710 an den orthodoxen Lutheraner J. H. Feustking als ihren Hofprediger an die kursächsische Schlosskapelle nach Lichtenburg zu berufen, s. J. H. Feustking, Miscellan-Predigten 1, 1726, 901–932. 251 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, Widmung, )(2r. Sie vergleicht sich selbst mit dem altkirchlichen Schriftsteller Laktanz und die beiden Fürstinnen mit der Person Kaiser Konstantins; sie mache das gleiche wie Laktanz, der sein Werk über den Chiliasmus dem Kaiser gewidmet habe. Zum Chiliasmus von Laktanz s. B. Altaner/S. Stuiber, Patrologie, 1978, 185. 252 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 282. 253 Ebd., 307: »darumb/ ob es gleich bißher nicht von allen ist erkannt worden/ so ist es doch deßwegen keine neue/ sondern alte Theologie/ welche durch Menschen=Lehre und Erklärung nur also ist verdunckelt worden/ daß sie nun/ da sie wieder ans Liecht kömmt/ eine neue Theologie heissen muß. Wir sind aber auff keine menschliche Theologie gewiesen«. Den Einwand, dass es sich bei ihrem Entwurf um »eine neue Theologie« handele, machte z. B. der anonyme Traktat Gründliche Untersuchung, 1697, 19. 254 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, Vorrede, b4r. Ihre Interpretation »ist der wahre Sinn des heiligen Geistes/ dessen bin ich aus der Schrifft in meinem Hertzen göttlich überzeuget«, ebd., 78. 255 Ebd., a4v. In dieser Formulierung klingt Am 3,8 an.
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und beanspruchte, die einzig richtige Interpretation darzubieten. Obwohl J. E. Petersen in dem ganzen umfangreichen Buch keine direkte Auseinandersetzung mit anderen Kommentaren führt, wird deutlich, dass sie durchaus mit den geläufigen Auffassungen vertraut war.256 Ihr war bewusst, dass sie sich an vielen Stellen gegen die in der lutherischen Tradition verbreitete Apokalypse-Deutung aussprach.257 Trotz des eindeutig chiliastischen Schwerpunktes bleibt J. E. Petersen ihren schriftstellerischen Anfängen insofern treu, als sie auch von einer mystischen und geistlichen Bedeutung der Johannes-Offenbarung ausgeht. Obwohl die Anleitung darauf abzielt, den baldigen Beginn des Reiches Christi auf Erden zu belegen, kann J. E. Petersen die Leser daran erinnern, dass das »Reich Christi zuerst in eurer Seele auffgerichtet werde«.258 Der eigenwillige Aufbau der Anleitung erklärt sich daraus, dass es sich bei diesem Werk im Grunde genommen nicht um einen Kommentar zur neutestamentlichen Apokalypse, sondern um einen Kommentar zu der von J. E. Petersen entwickelten Tabelle handelt.259 Diese Tabelle ordnet die im letzten Buch des NT beschriebene Abfolge der apokalyptischen Geschehnisse zu ei256 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den chiliastischen Schriften J. W. Petersens, der einen seiner Schwerpunkte auf die Auseinandersetzung mit Zeugnissen der Patristik legt. J. E. Petersen erwähnt nur drei Theologen: Laktanz, Justin d. Märtyrer und ihren Ehegatten, ebd., Widmung, )(2r; Vorrede, a1r, b4r. In Bezug auf die in Apk 13,18 genannten Zahlen schreibt sie, dass sie diese nicht zu deuten vermöge, jedoch »der liebe GOtt meinem lieben Ehe=Herrn sehr viele Auffschliessung gegeben/ welche er vielleicht einmal . . . in einer eigenen Schrifft an den Tag geben möchte«, 190. J. E. Petersens Versuch, jegliche außerbiblische Anregung auszublenden, kommentiert H. Corrodi, Geschichte des Chiliasmus 3.2, 1793, 136, Anm., folgendermaßen: »Daß die E. P. Kommentare über die Apokalypse oder sonst dahin einschlagende Schriften gelesen, wird niemand zweifeln, wer ihre Anleitung . . . gelesen hat. Die kabbalistische Spitzfündigkeiten, die gekünstelten, und weither geholten Erklärungen, die darinn vorkommen, der Coccejanismus, der darinn herrscht, da die ganze Apokalypse theils buchstäblich, theils mystisch ausgelegt wird, beweisen das hinlänglich.« Außerdem bemerkte er, dass es unwahrscheinlich sei, dass das Ehepaar, das sich mit denselben Themen beschäftigte, darüber keine Gespräche geführt haben sollte. 257 So hob sie ihr Verständnis von Apk 20,6 als leibliche Auferstehung von einer Deutung dieses Verses als Aussage über die geistliche Befreiung von der Sünde ab, wie »man wol insgemein saget«, J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 241. Die in Apk 20,6 erwähnten Namen Gog und Magog vermochte sie mit keinem bestimmten Volk zu identifizieren; sie widersprach jedoch »der bekandten Erklärung vieler Ausleger«, dass es sich hierbei um die Türken handele, 233; vgl. auch 116, 178f. 258 Ebd., Vorrede, b1v. Die Verfasserin versteht dieses Buch als Anwendung des historischen und prophetischen Modus der Auslegung; die geistliche und mystische Schriftdeutung will sie dagegen jedoch nicht abwerten, auch wenn in der Anleitung die Interpretation des in ihrem Sinne prophetischen Aspektes im Vordergrund steht, ebd., Vorrede, a1r. H. Horche, Schrifftmässige Untersuchung, 1693, 6, plädiert für ein Nebeneinander von historischem und prophetischem Ansatz bei der Auslegung der Johannes-Offenbarung. 259 Die anonym publizierte Kritik an diesem Buch in dem Traktat Gründliche Untersuchung, 1697, 5,7, spricht von der Tabelle der Frau Petersen und meint damit, wie aus den Ausführungen hervorgeht, die Anleitung.
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nem linearen Prozess, der vom Beginn der christlichen Kirche bis zur Ewigkeit reicht. Die Verfasserin war sich dabei der Schwierigkeit durchaus bewusst, dass sie Aussagen der Johannes-Apokalypse entgegen dem wörtlichen Sinn interpretierte. Sie führte eine Unterscheidung ein zwischen einem Anfang der Erfüllung und der vollständigen »wircklichen Erfüllung« der vom Seher Johannes beschriebenen Geschehnisse.260 Andere pietistische Autoren, die ebenfalls vor allem an der Johannes-Offenbarung als Instrumentarium der Zeitdeutung interessiert waren, ordneten ähnlich wie sie die Bilderwelt der Apokalypse zu einer zeitlich stringenten Abfolge von Ereignissen.261 J. E. Petersens Erläuterungen zur Apk wählen nur die Verse und Bilder aus, die für den von ihr konzipierten Verlauf von Bedeutung sind.262 Dass die Anleitung trotz dieses eklektizistischen Vorgehens dennoch als Kommentar gesehen wurde, gehört zu den spannenden Inkongruenzen der Kirchengeschichte. Anders als bei radikalpietistischen Auslegungen zur Apokalypse der 1690er Jahre,263 die vor allem auf einen Nachweis für den unmittelbar bevorstehenden Beginn des tausendjährigen Reiches abzielten, spielte diese Terminierungs-Dimension bei J. E. Petersen nur eine untergeordnete Rolle.264 Als ihren Hauptimpetus sah sie, »zu zeigen/ was zu der Prophetie gehöret/ das ist/ wie es mit dem Reiche 260 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 79–81. H. Corrodi, Geschichte des Chiliasmus 3.2, 1793, 137, Anm., urteilt über dieses Vorgehen: »Petersen und seine Gemahlin verwirren die Zeitfolge der in der Apokalypse geweißagten Veränderungen mehr als keine anderen Ausleger, die ich kenne«. 261 H. Horche, Schrifftmässige Untersuchung, 1693, 101, ordnete die vielfältigen Symbole und Bilder der Apk den Stadien der sieben Gemeinden zu, die er gleichfalls als Aussage über den Ablauf der Kirchengeschichte sah. Seine Zuordnung der historischen Epochen zu den sieben Gemeinden weist große Ähnlichkeiten mit J. E. Petersens Entwurf auf, ebd., 9–11. Spener legte in einer Predigt von 1701 eine Einteilung der Kirchengeschichte nach Jahrhunderten vor, die seine Hoffnung auf eine baldige endzeitliche Veränderung dokumentiert, s. M. Jakubowski-Tiessen, Alte Welt, 1999, 178–185. 262 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 30f: »Auch wird es den geliebten Leser nicht befrembden/ daß ich unterschiedliche in diesem heiligen Buche vorkommende herrliche Materien/ zum Exempel/ die Geheimnisse der Zahlen/ die Geheimnisse der unterschiedlichen Farben/ das Geheimniß der sieben Geister Gottes/ das Geheimniß der vier Thiere/ das Geheimniß der vier und zwantzig Aeltesten/ das Geheimniß des gläsern Meers mit Feuer vermenget/ und dergleichen mehr/ entweder gar vorbey=gegangen/ oder doch nur hin und wieder und zuweilen mit gar wenigen berühret habe: Denn dieses dienet theils meinem Zwecke nicht . . . theils ist es auch so eigentlich meine Gabe nicht/ dieses alles so völlig/ wie das andere/ was die Prophetie betrifft/ einzusehen.« 263 H. Schneider, Unerfüllte Zeit, 1999, 194–196, analysiert diese Publikationen, in deren Umfeld auch J. E. Petersens Opus gesehen werden muss. 264 An einer Stelle nennt sie das Jahr 1709 als möglichen Beginn des tausendjährigen Reiches, sie warnt jedoch davor, dieses Datum für sicher zu halten, Anleitung, 1696, 26. H. Horche, Schrifftmässige Untersuchung, 1693, Vorrede, rechnete viel intensiver mit dem Beginn der chiliastischen Veränderungen um das Jahr 1700 herum. Den Beginn des tausendjährigen Reiches zu diesem Zeitpunkt erwarteten ebenfalls J. K. Dippel und J. Leade, s. H. Schneider, Unerfüllte Zeit, 1999, 187f, 194.
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Gottes und mit dem feindseeligen Reiche der Finsterniß von Zeit zu Zeit habe ergehen müssen/ und sonderlich in der letzten Zeit des neuen Testamentes noch ins künfftige ergehen werde.«265 Der ganze Text der Anleitung ist nach Rubriken aufgeteilt, die nur verständlich sind, wenn die Tabelle eingesehen wird. Als Grundgerüst lehnt J. E. Petersen sich an das in Apk 1–3 entworfene Schema der sieben Gemeinden an; zum einen deutet sie diese als prophetische Voraussagen für den Ablauf der gesamten Kirchengeschichte von der Zeit der ersten Christen bis in ihre unmittelbare Gegenwart. Zum anderen benutzt sie das Modell von sieben aufeinander folgenden Phasen als Struktur für ihre Idee der sieben »General=Rubricken«,266 die den Ablauf der Welt bis zur »Schöpffung des neuen Himmels und der neuen Erde« bestimmen.267 Die Beschreibung und inhaltliche Füllung der »General=Rubricken« stellen den Kern von J. E. Petersens chiliastischem Entwurf dar. Die erste Phase dieser sieben General-Rubriken, die »Sieben Zeiten der Erniedrigung«, die sich an die sieben kleinasiatischen Gemeinden von Apk 1,4 bis 3,22 anlehnen,268 beleuchtet die großen Epochen der Kirchengeschichte.269 Als zweite Phase bezeichnet sie den »Vorschein des Reiches Christi«.270 Bei dieser zweiten Rubrik zeigen sich die eigenwilligen Zuordnungen: das Stichwort der philadelphischen Gemeinde von Apk 3,7ff taucht später noch einmal auf und gleichzeitig werden dieser Phase die in Apk 6,1ff genannten Siegel zugeschrieben. Dabei geht J. E. Petersen davon aus, dass nicht sechs Siegel in ihrer Folge, sondern zunächst nur fünf eröffnet werden. Die von ihr erwartete Gemeinschaft wahrer Christen wird sich während der Zeit Philadelphias zusammen finden. Die dritte Rubrik »Von dem Anbruch der letzten Gerichte«271 wird ebenfalls mit der Zeit Philadelphias in Zusammenhang gebracht. Der hier verwendete Terminus Gericht meint nicht das vor dem Beginn der tausend Jahre erwartete erste grosse Welt-Gericht, sondern die Verfolgungen der wahren Christen, die auf das durch Christus eröffnete Gericht bei seiner Wiederkunft voraus weisen. Die vierte große Abteilung und Zeitphase wird überschrieben: »Von der letzten grossen Trübsal und völligen Offenbahrung des Antichrists«.272 Dieser Abschnitt des apokalyptischen Geschehens wird mit Laodicea (Apk 3,14ff), der letzten der sieben Gemeinden, in Verbindung gebracht; ferner werden die fünfte und sechste 265 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 31. 266 Ebd., 4–21. 267 Ebd., 353. 268 Ebd., 5f; vgl. auch 36–40, 44–63. 269 J. E. Petersen geht davon aus, »daß man in den sieben Gemeinen einen rechten kurtzen Entwurff der Kirchen=Historie findet/ wie es wircklich mit der streitenden Kirche neues Testaments von Zeit zu Zeit ergangen ist«, ebd., 45. 270 Ebd., 7–9. 271 Ebd., 9–11. 272 Ebd., 12f; vgl. 104–107.
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Posaune, das fünfte Siegel und das erste und das zweite Weh genannt. Für diese Phase nimmt J. E. Petersen einen kurzen Zeitabschnitt von viereinhalb Jahren an. Die fünfte »General=Rubrik« widmet sich »dem grossen Tage des Zorns und der Zukunfft Christi zum Gerichte dieser Welt«.273 Während auch diese Rubrik noch weiter mit dem Bild der Gemeinde von Laodicea zu tun hat, werden ihr gleichzeitig alle in Apk 17 bis 19 geschilderten Schrecknisse zugewiesen. Für die Gläubigen wird nach der Meinung J. E. Petersens zu diesem Zeitpunkt die erste Auferstehung stattfinden, bei der diese von der Erde entrückt werden sollen.274 Die sechste Rubrik bildet das tausendjährige Reich, »da nach dem Untergange des antichristischen Reiches das Reich Christi auff dem gantzen Erdboden blühet«.275 Israel wird dabei nach der Hoffnung der Anleitung als Königreich restituiert werden und von Jerusalem aus über die anderen Völker herrschen.276 Die wahrhaft Gläubigen, von J. E. Petersen in diesem Buch vornehmlich als »Braut Christi« bezeichnet,277 werden in diesen genau tausend Jahren eine Art von Hochzeitsfest erleben. Die siebte und letzte Rubrik handelt von der »Heimführung der Braut/ und Uberantwortung des Reiches«.278 Dass J. E. Petersen zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Buches bereits die Apokatastasis vertrat, geht nur aus wenigen Andeutungen hervor.279 Neben diesen General-Rubriken gliedern 27 Spezial-Rubriken den Aufbau der Anleitung, wobei einige der Themen sich überschneiden und wiederholen.280 Die Autorin erläutert hierzu: »Zwar wird der geliebte Leser unter diesen 27 Special=Rubricken unterschiedliche Gesichte der H. Offenbahrung vermissen; zum Exempel: die Versiegelung der Knechte Gottes/ Kap. 7/ den Engel mit dem offenen Büchlein . . . Aber diese sind nur deßwegen ausgelassen/ weil sie in die 27 oben=gesetzte Special=Rubricken miteinfliessen; dass also nicht nöthig gewesen ist/ durch Vermehrung dieser Special=Rubricken die Tabelle noch weitläufftiger zu machen/ da unter denselben das andere füglich hat können begriffen werden.«281 In einem komplizierten System einzelner Unterabteilungen legt sie dann ihre Interpretation der Johannes-Apokalypse vor. 273 Ebd., 14–16. 274 Ebd., 92, 270. 275 Ebd., 16. 276 Ebd., 62, 110 277 Ebd., 6, 18, 23, 30, 40, 146. 278 Ebd., 19f. 279 Ebd., Vorrede, b1r, 265, 285; sie spricht von »Wiederbringung« und »Herwiederbringung aller Dinge«. 280 Diese nehmen den umfangreichsten Teil der Darlegungen ein, ebd., 31–353. 281 Ebd., 30. Die Themen dieser Rubriken lauten etwa: 1. Von Christo Jesu, 31–43; 2. Von den sieben Gemeinen, 44–63; 3. Von den sieben Siegeln, 64–79; 4. Von den sieben Posaunen, 79–93; 5. Von den sieben Zornschalen, 93–100: 6. Von den sieben Donnern, 100–103; 7. Von der einen Zeit, zwo Zeiten und einer halben Zeit, 103–108; 8. Von der zertretenen H. Stadt, 108–166; 21. Von der Zeit des grossen Zorn-Tages, in welches Siegel er gehöre, 280f; 22. Von
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Anhand von drei Themenbereichen lässt sich die Ausformung ihres chiliastischen Denkschemas skizzieren. Während die Hoffnung auf eine Judenbekehrung von Anfang an ein zentrales Element ihrer eschatologischen Erwartung bildete, spiegelt die Anleitung die nunmehr gewonnene Verknüpfung dieses Aspektes mit Apk 12 wieder.282 Nach ihrer Deutung weist die Frau, die mit ihrem Kind vor der Bedrohung durch den Drachen in die Wüste flieht, auf die zum christlichen Glauben bekehrten Juden hin.283 Die vielfältige und mehrschichtige Symbolik dieses Kapitels der neutestamentlichen Offenbarung erfuhr in allen Epochen eine besondere Aufmerksamkeit.284 C. Hoburg sah in der Gestalt der in die Wüste fliehenden Frau kein Zeichen für eine Bekehrung von Juden, sondern einen Hinweis auf die »wahre Kirche«: diese »muß in dieser Welt immer in Exilio, im Elend fliehen/ ist in steter Flucht/ ist allhie in der Frembde/ ja die Welt mit allen ihren Wesen ist ihr eine rechte Wüste/ sie fleucht das Welt=Wesen/ sie wird verfolget.«285 Die Verfasserin der Anleitung möchte ihre Deutung von Apk 12 allerdings nicht als Einverständniserklärung mit dem jüdischen Volk sowie seinen Lebens- und Glaubensweisen interpretiert wissen.286 Sie verwahrt sich dagegen, so verstanden zu werden,
den tausend Jahren des Reiches, 308–319; 27. Von dem neuen Himmel und der neuen Erde, 345–353. 282 J. E. Petersen geht kurz auf die Deutung der apokalyptischen Frauengestalt als Maria ein, um diese zurückzuweisen. Es lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass sie sich selber mit dieser Frau aus Apk 12 identifizierte, wie dies A. Bourignon und J. Leade taten. Zu Bourignon s. Leben, 1684, 391; Christian de Cort, Vorwort zu A. Bourignon, Erneuerung des Evangelischen Geistes 1, 1681; M. v. d. Does, Bourignon, 1974, 139. Zu Leade s. J. G. Gichtel, Theosophia Practica 7, 1722, 446, der hervorhob, dass in Apk 12 die Gestalt der Sophia gemeint sei und keinesfalls Leade. Vgl. ferner B. Andersson, Prophetin, 1991, 30, der auf eine Applikation der apokalyptischen Frauengestalt auf E. M. Frölich aufmerksam macht. Auch auf Anna vom Büchel und die Geburt ihres Sohnes im Jahr 1734 wurde Apk 12 bezogen, s. J. F. G. Goeters, Reformierter Pietismus, 1995, 413. Im Mittelalter begegnete die mariologische Deutung von Apk 12 kaum, die Frauengestalt wurde als Personifikation der Kirche gesehen, W. Kamlah, Apokalypse, 1935, 130f; vgl. auch O. Karrer, Geheime Offenbarung, 1940, 102; M. Böckeler, Das große Zeichen, 1941, 505–543; M. Koch, Drachenkampf, 2004. M. Friedrich, Abwehr, 1988, 141f, berührt in seiner Studie über die Haltung sowohl von Vertretern der lutherischen Orthodoxie als auch besonders Speners gegenüber den Juden nur ganz am Rande das Ehepaar Petersen. Er konstatiert in Bezug auf J. W. Petersen: »Sowohl Petersens Gesamtkonzeption vom Tausendjährigen Reich, die sich allein auf ein sehr wörtliches Verständnis von Apk 20 stützte, als auch seine spezielle Hoffnung auf die Wiederherstellung des jüdischen Königreiches in Palästina unterscheiden ihn von der Orthodoxie ebenso wie vom Pietismus. Seine Gedanken müssen aus einer anderen Tradition stammen«, 142. 283 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 121–129. 284 Zur altkirchlichen Tradition s. W. Bousset, Antichrist, 1895, 169–173. 285 C. Hoburg, Theologia Mystica, 1700, 279. H. Horche, Schrifftmässige Untersuchung, 1693, 41, sieht die Frau als Sinnbild für die »Christl. Kirche unter der Verfolgung«. Für J. G. Gichtel liegt darin ein Hinweis auf den inneren Kampf, der in jedem Menschen stattfinden muss, Eine kurze Eröffnung, 1779, 78, 102, 115. 286 Die Erläuterung von M. Jung, Laientheologin, 2003, 36, dass J. E. Petersen jede Form von Antisemitismus abgelehnt habe, greift zu kurz.
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als ob sie bedingungslos auf der Seite der Juden stehe: »Und hieraus soll Niemand schliessen/ als wenn ich den Juden in ihrem Unglauben das Wort sprechen/ und hingegen die Christen verdammen wollte: Denn nach dem Evangelio halte ich die Jüden für Feinde/ aber nach der Wahl habe ich sie lieb umb der Väter willen; und welcher rechtschaffene Christ sollte sich nicht freuen/ daß der verlohrne Sohn wiederkehren wird?«287 Diese Haltung, die zwar eine aktive Missionierung ablehnt, aber gleichwohl an der Überzeugung festhält, dass die Juden sich zum christlichen Glauben bekehren werden, teilt J. E. Petersen mit anderen Vertretern des pietistischen Spektrums.288 Stärker konturiert hat sich J. E. Petersens Vorstellung eines eschatologischen Priestertums, das sich auf Apk 20,6 bezieht.289 Den Auserwählten wird die Aufgabe zugeschrieben, während des tausendjährigen Reiches mit Christus als Könige und Priester zu regieren. J. E. Petersen deutet an, dass es nach ihrer Vorstellung bereits »bey Leibes=Leben« ein verborgenes geistliches Priestertum gebe; den »vollkommenen Grad der Herrlichkeit« erreichen die dazu bestimmten Personen jedoch erst bei Anbruch des Reiches Christi.290 Diese Priester und Könige werden in der von ihr angenommenen oberen Kirche 287 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 127. Diese Haltung korrespondiert den Äußerungen J. E. Petersens gegenüber dem zum Judentum konvertierten J. P. Späth. J. W. Petersen deutete wie seine Ehefrau Apk 12 auf die endzeitliche Judenbekehrung, Jesus Christus, 1721, 121. In seinem Traktat Apocalyptisches Weib, 1708, 14, schreibt er, »daß solches eigentlich ein Vorbild auf die letzte geistliche Geburt der mystischen Rahel/ und der Jüdischen Kirchen sey«. Maria könne nicht gemeint sein, wie dies die Katholiken interpretieren, da ja Apk 12 eine zukünftige Zeit bezeichne, ebd., 36. Er räumt ein, dass »gemeiniglich dieses Apocalyptische Weib dafür« gehalten werde, »daß es die allgemeine Christliche Kirche bedeute/ die von dem Teuffel/ dem Drachen und der alten Schlange je und je verfolget werde«, ebd., 34. Genau diese Auffassung wird z. B. in den Erbauungsschriften von Anna Elisabeth von Schleebusch vertreten, Geistliche Ehren=Pforte, 1677, 445. Die Berleburger Bibel sah hierin ebenfalls die Bekehrung der Juden vorhergesagt, s. H.-J. Schrader, Sulamiths verheißene Wiederkehr, 1988, 106, Anm. 106. Schrader weist auf die Ähnlichkeit der Konzeptionen von Berleburger Bibel und J. E. Petersen in diesem Punkt hin, Philadelphian Hope, 2002, 204. 288 H.-J. Schrader, Sulamiths verheißene Wiederkehr, 1988, 83–88. Schrader spricht für J. W. Petersen davon, dass seine zunächst »missionsorientierte Haltung« später »einer gelassenen Erwartung des künftigen Wiederbringungsakts Gottes« wich, ebd., 93, Anm. 64. Zum gesamten Komplex der Beziehung des Pietismus zum Judentum s. M. Schmidt, Judentum und Christentum, 1988; J. Wallmann, Bund, 2004. 289 Das Motiv des Priestertums spielt auch bei J. W. Petersen eine Rolle, allerdings fällt bei ihm eine andere Gewichtung auf. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass er zwar von seinem Predigeramt suspendiert worden war, jedoch davon ausging, in einer Kontinuität dieses Amtes weiterhin zu stehen. »Ich weiß/ daß mein Priesterliches Ampt vor GOtt durch die äußerliche Remotion ein neues Siegel der Warheit und Treu empfangen habe/ da ich umb seiner Warheit willen von Menschen desselben bin entsetzet worden«, Öffentliche Stimme, 1692, D2r. Zur Heranziehung der Idee des Priestertums im Rahmen seiner Eschatologie s. J. W. Petersen, Apocalyptisches Weib, 1708, 3. 290 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 146.
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den höchsten »Gradus der Herrlichkeit« einnehmen, den sie auch in der Ewigkeit nicht mehr verlieren werden.291 Zu dieser Ausgestaltung tritt die Idee der männlichen Jungfrauschaft hinzu, nach der die Auserwählten die Geschlechtlichkeit überwinden, »da doch in Christo weder Mann noch Weib/ weder verehelicht noch unverehelichet nach dem Fleisch/ etwas gilt«.292 Während J. E. Petersen sich in ihren bisher veröffentlichten Schriften eher zurückhaltend im Hinblick auf den Gebrauch des Begriffs Kirche zeigte, entwickelt sie in der Anleitung eine Ekklesiologie, die alle konfessionellen Bestimmungen außer Acht lässt. In diesem Buch spricht sie pointiert von der wahren Kirche, die auch die »wahre Gemeine der Heiligen« ist. Diese auch als heilige bezeichnete Kirche existiert nur im Verborgenen und hat nichts mit der »äusserlichen verdorbenen Kirche« gemein.293 Ohne eine bestimmte Kirche oder Konfession von ihrer scharfen Kritik auszunehmen, unterteilt sie alle kirchlichen Gemeinschaften in zwei antagonistische Lager. Dabei dienen die Bilder und Symbole der Apk zur Ausgestaltung: »Es sind nach der Wahrheit nur zweyerley Religionen/ welche der Tag des Gerichts voneinander scheiden wird/ Nehmlich der Schafe und der Böcke/ der Frommen und der Gottlosen/ der Anbeter Christi und der Anbeter des Thiers/ der Kinder Jerusalems und der Kinder Babel . . . der Christen und der Antichristen/ der jungfräulichen Braut des Lammes und der grossen Hure: In diese zweyerley Sorten theilen sich alle Secten und Religionen/ und darnach wird ein jeglicher sein Urtheil empfangen.«294 Die in den Glaubens=Gesprächen von 1691 massiv artikulierte Kirchenkritik hat hier ihren Höhepunkt erreicht. Während in ihren späteren Schriften zur Apokatastasis die Ekklesiologie keine eigenständige Rolle spielt, lässt sich in den Veröffentlichungen von 1711 an eine gewisse Rückwendung zur lutherischen Kirche beobachten. Dem eigentlichen Textcorpus der Anleitung sind drei Anhänge beigefügt, von denen der erste, der Geistliche Kampff, auch als gesonderte Publikation erschien und als solche besprochen wird. Der zweite Anhang versucht, mit Hilfe der Mikro- und Makrokosmos-Typologie295 den Chiliasmus mit der mystisch inspirierten Bibeldeutung zu verbinden.296 291 Ebd., 290. 292 Bei dieser Interpretation verbinden sich Apk 14,4 und Gal 3,28 miteinander. 293 Ebd., 27. 294 Ebd., 204. 295 Dieses im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit weit verbreitete Denkschema spielte für J. Arndt eine wichtige Rolle, s. G. A. Benrath, Spiritualisten, 1980, 600; C. Braw, Bücher im Staube, 1986, 78. Zur Bedeutung bei J. Leade s. H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 65. S. Wollgast, Theologie, 1992, 1199f, geht auf die Verbreitung dieses Denkmodells in Philosophie und Naturwissenschaft der Frühen Neuzeit ein. Vgl. auch W. Janke/G. Siegmann, Mikrokosmos/Makrokosmos, 1991, bes. 751f, zur Verwendung dieser Idee bei Paracelsus und V. Weigel; zu Weigel s. auch S. Wollgast, Weigel, 1978, 104. 296 Der Titel des Anhangs lautet: »Von der Harmonie der grossen und kleinen Welt nach der
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J. E. Petersen setzt in diesem zweiten Anhang zur Anleitung das Reich Gottes als die große Welt und den Menschen als die kleine Welt zueinander in Beziehung.297 Das Reich Gottes wird nach ihren Vorstellungen in der großen Welt erscheinen, es muss sich aber auch im Inneren des Menschen ausbreiten. Dieses bipolore Modell wendet sie auch auf den Menschen mit der Unterscheidung von Äußerem und Innerem an. Der äußere Mensch bleibt Gefährdungen und Anfechtungen ausgesetzt, »damit ein geistlicher Uberwinder dadurch mercke und empfinde/ daß er nach dem äussern Menschen noch nicht paradiesisch verherrlichet/ sondern noch im Fleisch sey«.298 Das Heilshandeln Gottes unterteilt J. E. Petersen in drei Phasen, die sowohl für die Welt als auch für den Menschen gelten. Die drei Phasen des Makrokosmos ordnet sie dabei den drei göttlichen Personen zu: die Erschaffung der Welt geschah durch den Vater, die Erlösung bewirkte der Sohn. Und »die dritte Bewegung wird geschehen nach der Majestät und Herrlichkeit/ zur gäntzlichen Wiederbringung und Verklärung der Welt in der Eigenschafft des H. Geistes.«299 Bemerkenswert ist, dass die Wiederbringung dem Wirken des Heiligen Geistes zugeordnet wird. In den späteren Schriften zur Apokatastasis wird an dieses Denkmodell jedoch nicht angeknüpft.300 Das in den Gesprächen des Hertzens markierte Gesetzes- und Sündenverständnis, das vor allem in der Interpretation von Röm 7 hervortrat, findet seine Anwendung auch im Mikro- und Makrokosmos-Modell. Allerdings geht die Autorin hier nicht von drei verschiedenen Statusmodellen aus, sondern ergänzt das Schema um einen weiteren Aspekt. Hieran lässt sich deutlich die Weiterentwicklung ihres gedanklichen Systems ablesen. Sowohl für die Welt als auch für den Menschen postuliert J. E. Petersen vier verschiedene Zustände, die in einer zeitlichen Abfolge zueinander stehen.301 Zunächst befinden sich Welt und Mensch in einem Zustand ohne Gesetz, sodann unter dem Gesetz, dann unter dem Evangelium vom Kreuz und schließlich unter dem Evangelium vom Reich. Hier deutet sich bereits die Ausweitung des Einführung des Reiches GOttes in dieselben«, 53–58. Diese Erläuterungen spielten bei der Beurteilung der Anleitung keine Rolle und wurden auch nicht noch einmal gedruckt. 297 Ebd., 53: »Durch die grosse Welt verstehe ich sowol das grosse Welt=Gebäu des Himmels und der Erden/ als auch die Menschen/ die in diesem grossen Welt=Gebäude sich befinden . . . Durch die kleine Welt verstehe ich einen jeglichen Menschen insonderheit«. 298 Ebd., 57. 299 Ebd., 54. Dieses Modell weist große Ähnlichkeit mit dem Konzept Joachim von Fiores († 1202) auf; ob J. E. Petersen dessen Gedanken kannte, lässt sich nicht nachweisen. Zu Fiores drei Zeitaltern, bei dem das letzte das des Heiligen Geistes sein werde, s. R. Konrad, Chiliasmus, 1981, 735f. 300 Analog zu den drei Stufen des Makrokosmos konzipiert J. E. Petersen auch drei, den drei göttlichen Personen zugeordnete Stufen des menschlichen Lebens. Die Geburt wird als Wirken des Vaters verstanden; durch Christus wird dem Menschen das Heil angeboten und der Heilige Geist bewirkt die Verwandlung des Menschen zur neuen Kreatur. 301 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 55.
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Evangeliumsbegriffes an, die im Ewigen Evangelium fortgeschrieben wird, so dass dort von drei aufeinander folgenden Evangelien die Rede ist. Den von ihr vertretenen Chiliasmus qualifiziert die Verfasserin der Anleitung als Evangelium vom Reich, das auf dem Evangelium, das Jesus Christus verkündet hat, aufbaut und es gleichzeitig überbietet.302 Der dritte Anhang bildet eine Art von Vorarbeit für die Bibelinterpretationen der Anleitung.303 In 27 Rubriken werden biblische Abschnitte dem von J. E. Petersen entworfenen apokalyptischen Schema zugeordnet. Die Verfasserin weist darauf hin, dass »mehrentheils die teutsche Ubersetzung des lieben Lutheri beybehalten worden« sei; an einigen Stellen jedoch habe sie eine eigene Übersetzung verfertigt, da »ettliche Zeugnisse in der Grund=Sprache nachdrücklicher lauten«.304 Die auch an anderen Stellen ihres Werkes hervortretende Kenntnis der griechischen und hebräischen Sprache kam hier zur Anwendung. Mit ihrer Kritik an der Luther-Übersetzung stand J. E. Petersen keineswegs alleine da; sie berührte damit jedoch ein höchst umstrittenes Themenfeld.305 Ihren eigenen Bemerkungen nach zu schließen, hielt J. E. Petersen die Anleitung für das Wichtigste ihrer Bücher, auf das sie später noch des Öfteren hinwies.306 Die Entstehung einer weiteren Schrift zur Johannes-Apokalypse erläuterte sie damit, dass sie gebeten worden sei, ihr Buch von 1696 noch einmal in einer Kurzfassung herauszugeben.307 302 Der Begriff Evangelium des Reichs als Umschreibung des Chiliasmus begegnet auch bei J. W. Petersen, Öffentliche Stimme, 1692, B4v. 303 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, Dritter Anhang, 59–86: »Von ettlichen zusammen=getragenen Zeugnissen der heiligen Schrifft/ wodurch unterschiedliche bißher=vorgestellte Wahrheiten bestättiget werden.« Die erste Rubrik trägt die Überschrift »Die Hand des HErrn an seinen Knechten«; dann folgen mehrere thematische Einheiten, die auf die chiliastische Hoffnung der Verfasserin hindeuten, wie »III. Der herrliche Vorschein des tausendjährigen Sabbaths in der Philadelphischen Gemeine.« Unter dieser Überschrift erfasst sie u. a. Bibeltexte wie Apk 3,8; 4,1f; Ri 5,31; Sach 14,7; Mt 16,2f; Hhld 2,10–13. Die ersten biblischen Voten geben jeweils das Thema vor, das die übrigen Verse unterstreichen sollen. In den letzten beiden dieser Rubriken versammelt sie Texte zur »neuen Schöpffung« und zur »Herrlichkeit der Macht und Klarheit des HErrn . . . die sich in den künfftigen Zeiten . . . auch noch grösser als in den vorigen Zeiten/offenbaren will«, ebd., 85. 304 Ebd., 59. 305 A. H. Francke veröffentlichte von 1712 an eine Folge von Revisionsvorschlägen zu Luthers Übersetzung, stieß damit jedoch auf herbe Kritik und Ablehnung sowohl im pietistischen als auch im orthodoxen Lager, s. K. Aland, Bibel, 1970, 92–118. Die Halleschen Bibeldrucke folgten dem Luther-Text, s. B. Köster, Bibelausgabe, 1980; dies., Lutherbibel, 1984. Andere Bibelausgaben wie die von Johann Reinhard Hedinger oder die Berleburger Bibel boten eigene Übersetzungen, erreichten jedoch keine Breitenwirkung. Zur radikalpietistischen Biblia Pentapla, die von dem Gichtel-Anhänger Johann Otto Glüsing ediert wurde, s. H.-J. Schrader, Sulamiths verheißene Wiederkehr, 1988, 81–83; zu weiteren Übersetzungen im pietistischen Umfeld, ders., Biblia Pentapla, 1996, 201–206. M. Brecht, Bedeutung der Bibel, 2004, 102–107, analysiert die Rolle der Bibel in der frühen pietistischen Bewegung. 306 So etwa in Einige Send=Schreiben, 1714, 54f, 95. 307 Dabei handelt es sich um die Verklärte Offenbahrung, 1706, die mit den chiliastischen
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Das Ehepaar Petersen unternahm eigene Anstrengungen, um die Anleitung bekannt zu machen. Nach J. W. Petersens Bericht schickte er dem Freund Friedrich Breckling ein Exemplar nach Den Haag, wofür dieser sich am 24.8.1696 brieflich bedankte.308 Breckling lobte das Buch: »Ich habe es mit grosser Freude/ und Auffmerckung durchgelesen/ und bißher nichts bessers/ noch erbaulichers über die H. Offenbahrung gesehen . . . so daß wir Gott für seine Gnade höchlich zu dancken haben«.309 Insbesondere hob er die Deutung der sieben Gemeinden aus Apk 2–3 als prophetische Ankündigungen für die noch bevorstehenden apokalyptischen Abläufe hervor. Seinen Dank verband der Briefschreiber mit einer bemerkenswerten Beobachtung, in der er die Geschlechtszugehörigkeit der Verfasserin reflektierte. Vor allem die Gegner J. E. Petersens waren es, die die Geschlechterfrage aufgriffen, um damit ein weiteres Argument zur Herabsetzung der Anleitung anzuführen. Breckling dagegen konstatierte einen positiven Zusammenhang zwischen diesem Buch und seiner weiblichen Verfasserin. Nachdem er im Einzelnen ausgeführt hatte, worin die Verdienste dieses Kommentars seiner Meinung lagen, schrieb er: »Weil unsere Männer hierinnen deficiret/ hat Gott eine Debora zu solchen Werckzeuge erwehlet/ und einer Jael den Preiß gegeben umb den Sieg der Uberwinder zu befordern«.310 Dieses Urteil besagt, dass Breckling J. E. Petersens Kommentar ganz bewusst mit der von Männern verfassten Kommentarliteratur vergleicht, um ihre Leistung höher zu bewerten. So wie die alttestamentlichen Frauengestalten Debora und Jael in der sonst von Männern beherrschten Domäne der kämpferischen Auseinandersetzung Siege erzielten und dabei den Heldenmut der männlichen Krieger bei weitem übertrafen, so siegte die Verfasserin der Anleitung auf literarischem und theologischem Gebiet. Eventuell war eine ähnliche Initiative des Ehepaares Petersen auch der Grund für eine sehr frühe uneingeschränkt positive Reaktion auf dieses Buch im englischen Sprachraum. Denn bereits im Frühsommer 1697 erschien in der Zeitschrift der Philadelphischen Sozietät in London ein kurzer Auszug der Anleitung, und zwar wurden große Teile der 23. Spezial-Rubrik über das Neue Jerusalem übersetzt.311 Lediglich der Titel des Buches, der Name der Autorin Interpretationen Elemente der Apokatastasis verbindet. Auch J. W. Petersen kam später auf die Anleitung zurück und sah darin genauso seine Ansichten zum Chiliasmus repräsentiert. In seiner Lebens=Beschreibung, 1719, Vorrede, b1v, erinnerte er einen seiner Gegner, den sächsischen Hofprediger Carl Gottfried Engelschall daran, dass dieser seine Interpretationen der Apk nachlesen könne »in der von meiner Liebsten verfertigten Einleitung in die heilige Offenbahrung«. 308 Für diesen Vorgang liegen nur die Angaben J. W. Petersens in seiner Schrift Ausbreitung, 1697, 34, vor. Danach erhielt Breckling die Anleitung durch die Vermittlung Meschmanns, ebd., 34. Zu Meschmann, den das Ehepaar Petersen auf der Reise in die Niederlande im Jahr 1680 besuchte, s. M. Matthias, Petersen, 1993, 129, Anm. 63. 309 J. W. Petersen, Ausbreitung, 1697, 34. 310 Ebd., 35. 311 Die Überschrift für diesen Passus lautet: »Of the Heavenly New JERUSALEM«, abgedruckt in den Theosophical Transactions, 1697, 142–151; vgl. Anleitung, 1696, 319–328. Die übersetzte
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sowie Erscheinungsorte und Jahreszahl werden mitgeteilt,312 sonst erfolgen keine weiteren Angaben zu dem ganzen Werk. Dieses Verfahren lässt auf eine Zustimmung schließen, die keiner inhaltlichen Erläuterung bedurfte. Unmittelbar nach Erscheinen des Buches erfolgten heftige Reaktionen, die sich am chiliastischen Inhalt313 und noch mehr an der weiblichen Autorschaft entzündeten. Die literarische Bestreitung erfolgte in ganz unterschiedlichen Textgattungen. Neben einer Predigt, die der sächsische Superintendent Samuel Schröer (1652–1726) hielt,314 konzipierten die Gegner eigene Traktate gegen die Anleitung oder gingen im Zusammenhang größerer Entwürfe auf dieses Buch ein.315 Der Traktat Mundus vult decipi stellt die ausführlichste Auseinandersetzung sowohl mit der Person der Autorin als auch mit ihrem Werk dar. Die im Jahr 1697 anonym publizierte Streitschrift Mundus vult decipi,316 zu der sich der Magdeburger Pastor Christian Gottlieb Koch († 1736)317 Passage wird als »Extract« bezeichnet, obwohl die Textvorlage, bis auf ganz wenige Auslassungen, wörtlich und vollständig wiedergegeben wurde. Ich danke Markus Matthias für den Hinweis auf diese Übersetzung. 312 Theosophical Transactions, 1697, 142. 313 August Pfeiffer, Scepticismus Spenerianus, 1696, 35, ging im Rahmen seiner Kritik an Speners Bibelauslegung auch auf die biblische Begründung des Chiliasmus bei J. E. und J. W. Petersen ein: »Mehr dergleichen wird der Christliche Leser mit grosser Bestürtzung in angezogenen beyden Büchern D. Petersens antreffen/ wie denn auch in der so genannten Anleitung zur gründlichen Verständniß der Heil. Offenb. St. Johannis/ welche seine Ehe=Frau F. Johanna Eleonora Petersen unter ihrem Namen neulich heraus gegeben«. 314 Seit 1690 war er in Klöden tätig und verstarb auch dort; diese Angaben stammen vom Evangelischen Pfarramt in Klöden, Mitteilung vom 1.7.1999. Vgl. ferner GVUL 35, 1743, 1233f; G. Schröer, Samuel Schröer, 1994. Zur sächsischen Stadt Clöden, heute Klöden, s. GVUL 6, 1733, 455. In zwei Predigten über Jes 63 formulierte Schröer seine Abgrenzung gegen die chiliastische Interpretation Speners und J. W. Petersens. Dabei wies er auf die Anleitung hin, in der eine Frau die gleiche Auffassung vertrete wie die beiden Männer, Predigten, 1697, 64. In einer weiteren Schrift wandte sich Schröer gegen Dippel: Anti-Dippelius, 1701. 315 Der anonym veröffentlichte Traktat Gründliche Untersuchung, 1697, bezog sich zwar, dem Titel nach, hauptsächlich auf eine Kontroverse zwischen J. W. Petersen und J. F. Mayer zum Chiliasmus, setzte sich dabei aber auch ausführlich mit J. E. Petersens Anleitung auseinander. 316 Diesem Titel liegt ein altes Sprichwort zugrunde, das bereits für das 15. Jh., etwa in Sebastian Brants Narrenschiff, nachgewiesen werden kann, s. G. Büchmann, Geflügelte Worte, 1972, 135f. Zum Vorkommen bei Luther s. WA 23, 571; WA 29, 40. Die Hallenser Kollegen verwendeten dieses Diktum in Kanzelpolemiken gegen A. H. Francke, s. G. Kramer, Neue Beiträge, 1875, 95. Zur Verbreitung s. ferner F. Breckling, Speculum, 1660, 200. 317 C. G. Koch war zunächst als Prediger in Magdeburg tätig, 1698 ging er nach Kiel und 1700 als Propst nach Apenrade, s. GVUL 15, 1737, 1185f; J. Moller, Cimbria Literata 2, 1744, 426–428; AGL 2, 1750, 2130f; O. F. Arends, Gejstligheden 1, 1932, 158. Er war der Sohn von Christoph Koch (1633–1719), der seit 1690 Pastor an der Magdeburger Jacobi-Kirche und seit 1706 Senior war, AGL 2, 1750, 2131. C. G. Koch veröffentlichte weitere Schriften gegen J. W. Petersen, u. a. Chiliasta Judaizans, 1697; Desperata Chiliasmi Caussa, 1697; Labyrinthus Chiliastarum, 1697. Die Unschuldigen Nachrichten 1746, 424–449, dokumentieren einen Konflikt aus dem Jahr 1734, bei dem C. G. Koch sich gegen pietistische Versammlungen in Bredstedt wandte.
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in späteren Schriften bekannte, problematisierte in erster Linie den von der Autorin reklamierten Offenbarungsvorgang als einzige Quelle ihrer Interpretationen. Mit Hilfe von zwei Argumentationslinien versuchte Koch, seinen Vorwurf des Betruges zu erhärten. Zum einen wies er nach, dass etliche Elemente von J. E. Petersens Apokalypse-Deutung keineswegs neu seien, sondern mit bereits vorhandenen Werken übereinstimmten: »Ich will so viel sagen: Es ist ein zusammen geschmoltzenes Werck/ da dem berühmten Coccejo, Forbesio, Moro, Brigtham, Medo, Durhan, Friderich, Seidenbecher, Breckling &c. das Ihrige entwendet/ und vor dessen Arbeit ausgegeben werde/ der diese Federn entlehnet und als ein hochmüthiger Pfau damit stutzen will.«318 So führte er u. a. an, dass die Anordnung der Tabelle Berührungen mit den Berechnungen Joseph Medes aufweise; die in der Vorrede eingenommene kirchenkritische Position stimme in vielem mit Friedrich Breckling überein; die Deutung der sieben Gemeinden als Phasen der Kirchengeschichte sei von vielen vor ihr vorgetragen worden, so von Coccejus, Forbesius, Morus und Mede.319 Die zweite Strategie Kochs bestand darin, nicht J. E. Petersen, sondern ihren Ehemann als Autor für die Anleitung verantwortlich zu machen: »Es ist eben die Art außzuschreiben in diesem Wercke zu finden/ daß ich entweder meinen solte/ alß daß dieses der Hr. D. Petersen zusammen geraspelt habe/ oder die Frau Doctorin habe eben die Kunst und Hand=Griffe meisterlich von ihrem Herrn gelernet.«320 Der Magdeburger Prediger zeigte sich davon überzeugt, »daß dieses Kind vielmehr ein Sohn des Vaters/ als eine Tochter der Mutter sey«.321 In Kochs Augen war J. W. Petersen derjenige, der die Verbreitung des Chiliasmus ganz und gar zu seiner Aufgabe gemacht habe, seine Ehefrau assistiere ihm, indem ein Buch unter ihrem Namen erschien, das Frauen ansprechen solle.322 Seine pointierte Stellungnahme gegen dieses Buch wollte Koch jedoch nicht so verstanden wissen, als ob er »dem Weiblichen Geschlechte alle erudition« abspräche.323 Einer »soliden erudition« bei Frauen könne er durchaus zustimmen, nicht jedoch J. E. Petersens Inanspruchnahme eines angeblichen Offenbarungsempfangs.324 Die oben skizzierte Arbeitsteilung des Ehepaares Petersen lässt sich auch bei den weiteren literarischen Kontroversen im Gefolge der Veröffentlichung der Anleitung beobachten. Noch im selben Jahr 1697 wehrte sich J. W. Petersen 318 C. G. Koch, Mundus vult decipi, 1697, A3v. 319 Ebd., A4r–B1r; s. auch B1r–B1v. 320 Ebd., A3r. 321 Ebd., A3v. 322 Koch formulierte, dass die Autorin der Anleitung »die Meinung von dem 1000jährigen Reiche denen Leuten von ihrem Geschlecht« habe einflößen wollen, ebd., A2v. 323 Ebd., A2r. 324 Ebd., A2r; er verwies auf Schriften zur Gelehrsamkeit von Frauen, auf die er allerdings nicht weiter einging, ebd., A2v.
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heftig gegen die in dem Traktat Mundus vult decipi artikulierten Unterstellungen.325 Dem anonymen Autor hielt J. W. Petersen vor, dass er sich gegen Gott versündigt habe, indem »er so liederlich meine Liebste herdurch gezogen«.326 Der Ehegatte beschwor in der ihm eigenen Pathetik die völlige geistige Eigenständigkeit seiner Frau, die es »gantz nicht nöthig gehabt/ daß ich/ oder ein ander ihr solche Warheit hätte beybringen müssen«.327 Bei dem Versuch, alle Anwürfe der Schmähschrift als haltlos zu erweisen, argumentierte er mit dem Offenbarungscharakter des Buches seiner Ehefrau. Er gehe davon aus, dass Gott sein Wort in ihr Herz geschrieben habe und dass sie außer der Bibel kein anderes Buch benötige.328 Der anonym veröffentlichte Traktat Göttliche und Himmlische Offenbahrung, der mittels einer Ironisierung seine Ablehnung des Chiliasmus zum Ausdruck brachte, hob darauf ab, dass weder die biblische Offenbarung noch die Anleitung klare Aussagen träfen. »Indeß will ich nur ein einziges Exempel anführen/ wie dieses Buch auch vor denen Augen deß Hr. D. und F. D. Petersen verschlossen sei. Den in der Anleitung zur Offenbarung Joh. p. 25 ist diesen Leuten unbekant/ waß durch die zwey Flügel des grossen Adlers/ mit welchen daß Weib in die Wüsten fliehet/ würde angedeutet . . . Wie aber/ ist das Buch klar/ deutlich und hell/ daß man alle andere darnach reguliren muß/ und ein Patriarch der Chiliasten ist selbst so unverständig/ daß er es nicht einmahl weiß.«329 An dieser Art der Rezeption zeigt sich, dass die Mitarbeit J. E. Petersens an der Anleitung zwar vermutet wurde, dass das ganze Buch jedoch als gemeinschaftliches Werk des Ehepaares galt. Die von der Autorin eingeräumte Unwissenheit in Bezug auf Apk 12,14330 wurde hier beiden angelastet. Der Anonymus hatte, wie seine Ausführungen belegen, die konzeptionellen Schwächen der chiliastischen Apokalypse-Deutung, die bei J. E. und J. W. Petersen in ähnlicher Weise vorlagen, klar erfasst. Die eklektizistische Auswahl der kommentierten Textstellen ließ viele Fragen und Probleme offen, die J. E. Petersen allerdings als nicht so relevant hinstellte, da es ihr vornehmlich um die prophetische Deutungslinie ging. Die literarische Gattung der Anleitung, die als Kommentar rezipiert wurde, erfuhr heftige Kritik insbesondere von J. H. Feustking und Friedrich Christian Bücher. Feustking, der dieses Buch einen »Weibische[n] commentarius apo325 Ihm war bekannt, dass der Magdeburger Prediger Christoph Koch, gegen den sich sein Traktat Ausbreitung, 1697, vor allem wandte, den Verfasser der Schmähschrift Mundus vult decipi kannte; dass es sich dabei um dessen Sohn handelte, blieb J. W. Petersen verborgen. C. Koch hatte auch mit einem eigenen Traktat in die Debatte eingegriffen: Chiliasta Plagiarius, 1697. 326 J. W. Petersen, Ausbreitung, 1697, 77. 327 Ebd., 77. 328 Ebd., 78. 329 Göttliche und Himmlische Offenbahrungen, 1697, § 10, C2r. 330 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, 207.
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calypticus« nannte,331 führte vor allem drei Argumente als Einwände an: die Autorin habe mit der Johannes-Offenbarung ein zu schweres Sujet gewählt; der Kommentar sei in deutscher Sprache geschrieben worden; der Druck sei »ohn alle Censur des Predigt=Ampts« vorgenommen worden.332 Nach seinem Urteil stellte die Abfassung eines Kommentars durch eine Frau einen völlig unberechtigten Eingriff in das den Männern vorbehaltene Recht zu theologischer Lehre dar. Feustking schrieb: »Das hat man ja wohl gesehen und gehöret/ daß Weibes=Personen/ wenn sie darzu geschickt seyn/ sich in ascetis hervor gethan/ und geistliche Betrachtungen geschrieben/ daß sie aber öffentlich den elenchum führten/ und der Männer Substituten seyn wollen/ als wie die Petersin, ist contra decorum ecclesiae und nicht zu billigen.«333 Mit den Stichworten elenchus und decorum appellierte der orthodoxe Lutheraner an die Regeln der kirchlichen und gesellschaftlichen Ordnung. Das Recht auf die Ausübung des Elenchus, die öffentliche Bestreitung falscher Lehre und die Zurechtweisung der falsch Lehrenden, war fest mit dem kirchlichen und akademischen Amt verknüpft, das nur von Männern ausgeübt werden durfte.334 Ursprünglich bezeichnete Elenchus eine Redefigur der antiken Rhetorik, im 17. und 18. Jh. entwickelte sich dieses Stichwort zu einem terminus technicus für die gesamte lehrmäßige Aufgabe der Theologie, insofern sie kontroverstheologische Abgrenzungen vollzog sowie innerhalb des eigenen Bekenntnisses über die Rechtmäßigkeit der Lehre wachte.335 Während hier einer Pietistin
331 J.H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 463; dasselbe Argument verwendet er in Arnoldus, 1704, 68. 332 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 461; für die Formulierung seiner Kritik berief er sich auf Bücher, der seinen Unwillen mit ähnlichen Argumenten zum Ausdruck gebracht hatte, und zitierte ihn: »Daß eine Frau unter den Pietisten/ Johanna Eleonora Petersen sich unterstanden über das allerschwerste Buch der Offenbahrung Johannis einen deutschen Commentarium zu schreiben/ und eigenmächtig ohn alle Censur des Predigt=Ampts zu publiciren/ dergleichen von Anbeginn der Welt in der Kirchen GOTTes weder gesehen noch gehöret worden«, ebd., 100f. H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 429, Anm. 44, beruft sich auf dieses Zitat, um Reflexionen über die Art der Veröffentlichung von J. E. Petersens Anleitung anzustellen. Dabei datiert er die Publikation dieses Buches bereits in das Jahr 1692 und vermutet dadurch eine erhöhte Konfliktträchtigkeit. Denn bei dieser Datierung wäre es ja unmittelbar im Gefolge der Amtsenthebung J. W. Petersens erschienen. 333 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 101. 334 Der Dresdner Oberhofprediger Bernhard Walther Marperger legte ein zweibändiges Werk zum Elenchus vor, Wahrer Lehr=Elenchus, 1727/1729. Obwohl er betont, dass auch erleuchtete »Personen, die nicht im Lehr=Stande stehen«, in der lutherischen Kirche den Elenchus ausüben durften, hat er dabei keine Frauen im Blick, sondern bezieht diese Aussage nur auf Männer, ebd., Bd. 1, 1727, 95. Marperger kann einem gemäßigten Pietismus zugerechnet werden, s. T. Wotschke, Marperger, 1932; J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 287, berichtet, dass er diesen in Nürnberg bei einem Konventikeltreffen kennen lernte. Zu den Kontroversen um den Elenchus in Sachsen, in deren Kontext Marpergers Werk entstand, s. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 1013–1017. K. Petzoldt, Sieger, 2001, 143–148. 335 GVUL 8, 1734, 772; J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, Vorrede, e6v; er betrachtet den Elenchus als einen Teil der Polemischen Theologie. Zur Bedeutung der Verurteilung falscher
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die ungerechtfertigte Anwendung des Elenchus vorgehalten wird, bestand insgesamt gegenüber dem Pietismus eher der Verdacht, dass er den Elenchus zu gering bewerte.336 Das Decorum,337 die öffentliche Übereinkunft über Sittlichkeits- und Verhaltensregeln, verwies in der Frühen Neuzeit Frauen auf die Unterordnung unter das männliche Geschlecht.338 Feustking unterstellte hier, dass J. E. Petersen durch die Publikation ihres Buches Männer aus ihren angestammten und rechtlich abgesicherten Positionen verdrängen wollte, um selber deren Platz einzunehmen. Der Danziger Theologe Bücher konstruierte eine ähnlich geartete Alternative zwischen legitimem und illegitimem Schreiben und Publizieren von Frauen. »Die Auslegung der Frau Petersin über das schwerste Geheimniß=Buch/ welche sie eigenmächtig publiciret/ liegt am Tage. Sie hätte aber besser gethan/ wenn sie ja ihre Weißheit nicht bergen können/ daß sie aus dem Büchlein Ruth ihrem Frauenzimmer Hauß=Reguln fürgeschrieben/ wie sie ihres Thuns warten sollen.«339 Wie Feustking erbauliche Literatur für die einzige Gattung hielt, die Frauen erlaubt sei zu verfassen, so verwies Bücher die Autorin der Anleitung auf Textsorten, die der Belehrung des eigenen Geschlechtes dienten und sich auf Fragen der Haushaltsführung beschränkten. Das alttestamentliche Buch Ruth, das Bücher als Vorbild für die Abfassung von »Hauß=Reguln« vorschlug, zeigt die weiblichen Hauptfiguren in sehr unterschiedlichen Facetten und mit durchaus eigenwilligem und selbstständigem Verhalten.340 Vermutlich spielte Bücher vornehmlich auf die Schilderung Lehre bei Luther und in den reformatorischen Bekenntnisschriften s. H.-W. Gensichen, Damnamus, 1955. 336 J. G. Walch, Einleitung 2, 1734, 528, fasst den Vorwurf gegenüber den Pietisten folgendermaßen zusammen: es werde moniert, »dass dieselbigen keinen wahren Gebrauch des Elenchi anstellten und die irrenden nicht so, wie es seyn solte, wiederlegten; sondern vielmehr alzugelind gegen dieselbige wären und insbesondere die Schwärmer und fanatische Dinge heegten.« S. Schelwig, Itinerarium Antipietisticum, 1695, 44, beklagte als eine der falschen Behauptungen der Pietisten, »dass auch die Frauen/ nach der Wiedergeburth/ geschickt wären/ alle Glaubens=Irrthümer gründlich zu wiederlegen«. Zum Gesamten s. M. Gierl, Pietismus, 1997, 266–417, der erstmals zusammenhängend die Bedeutung des Elenchus im Kontext der pietistischen Kontroversen erhoben hat. 337 GVUL 58, 1748, 82–92; P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 182, gibt Decorum als »zimlichkeit« wieder. Christian Thomasius hielt von 1700–1702 in Halle Vorlesungen über das Decorum, das eine wesentliche Kategorie seiner Philosophie und Ethik bildete, s. M. Brecht, Francke, 1993, 503f; vgl. auch P. Schröder, Thomasius, 1999, 91–97. 338 Zum Unterschied der Erfordernisse des Decorum im Hinblick auf Männer und Frauen s. GVUL 58, 1748, 85. Das Decorum wurde nicht nur in Bezug auf die Geschlechter entfaltet, sondern auch für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und Stände. Zum Decorum für Gelehrte s. M. Beetz, Gelehrte, 1987. Zum gesamten Komplex der frühneuzeitlichen Kommunikationsregeln, in die das Decorum eingeordnet werden muss, s. ders., Frühmoderne Höflichkeit, 1990. 339 F. C. Bücher, Treuhertzige Warnung, 1700, 45. 340 Die Schriftstellerin Anna Ovena Hoyers verfasste eine Nachdichtung des Buches Ruth,
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der auf dem Felde Ähren auflesenden Ruth an, die in das von dem Theologen für wünschenswert erachtete Verhalten von Frauen passte.341 Wie die Bemerkungen Georg Christian Eilmars aus dem Jahr 1705 zeigen, wurde die Auseinandersetzung im Lager der lutherischen Orthodoxie mit diesem Buch J. E. Petersens auch etliche Jahre nach dessen Erscheinen fortgeführt. Eilmar betrachtete die Anleitung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des in ihr ausgesprochenen Plädoyers für den Chiliasmus.342 Die Unschuldigen Nachrichten reagierten im Jahr 1703 auf die Anleitung. Die Rezension wandte als Hauptmonitum gegen die »Fr. Urheberin« ein, dass sie all ihre Interpretationen »mit der grösten Dreustigkeit vor unmittelbahre göttliche Offenbahrungen« ausgebe.343 Sowohl die Ausgangshypothese der Autorin, dass der Beginn des tausendjährigen Reiches unmittelbar bevorstehe, als auch alle sich daraus ergebenden Folgerungen wurden nachdrücklich zurückgewiesen. Auf etliche Ungereimtheiten des von der Verfasserin entwickelten apokalyptischen Schemas wurde aufmerksam gemacht, wie auf die lange währende Phase der Philadelphischen Periode und die dagegen nur auf wenige Jahre begrenzte Zeit des Laodiceischen Abschnittes.344 Diese Rezension urteilte, dass die Anleitung insgesamt »viel gefährliche Sachen« enthalte, weil sie grundlegenden Theologumena der lutherischen Lehre widerspreche.345 Ein späterer Beitrag in dieser Zeitschrift fasste seine Polemik gegen J. E. Petersens Werk in eine Umformung des Titels, indem von der »Ableitung« gesprochen wird.346 Im Vergleich zu den bisher besprochenen Werken J. E. Petersens stellt die 1696 publizierte Anleitung insofern eine Neuakzentuierung dar, als die literarische wobei sie vornehmlich auf den Aspekt der Witwenschaft abhob, Das Buch Ruth, in: Geistliche und Weltliche Poemata, 1650, 77–120. Zum Buch Ruth s. auch I. J. Petermann, Buch Rut, 1998. Zu Hoyers s. A. D. Roe, Poetess, 1915; H.-J. Schoeps, Hoyers, 1952. 341 Ruth 2,1–23. In einem späteren Werk kam Bücher noch einmal auf die Anleitung zurück und nannte sie »der Fr. D. Petersen Traum=Buch über die Offenbahrung Johannis«, Zieroldus, 1708, 86. 342 G. C. Eilmar, Gerechte Sache, 1705, 5; dieses Buch, das sich namentlich gegen den Pietisten Johann Adolph Frohn richtete, widmete der Autor seinen beiden Kollegen und Freunden S. Schelwig und F. C. Bücher, ebd., 2. 343 Unschuldige Nachrichten 1703, 500f. 344 Ebd., 503. 345 Genannt werden u. a. die Annahme des Fegfeuers und die Leugnung der creatio ex nihilo, ebd., 504. Auf eine weitere kritische Stellungnahme zur Anleitung machen die Unschuldigen Nachrichten 1703, 240f, aufmerksam. Ein unter dem Pseudonym Vigilantius Plusius sich verbergender »gelehrter Prediger« verwerfe »der Petersin Erklährung über die Offenbahrung Johannis«. Erwähnt wird die Anleitung auch AGL 3, 1751, 1425. Unter G. Arnolds Bücherbesitz befand sich ein Exemplar dieses Buches, allerdings gibt der Catalogus, 1714, 3, Nr. 14, als Erscheinungsjahr 1693 an. Eine solche Ausgabe konnte nicht nachgewiesen werden, vermutlich handelt es sich hierbei um einen Irrtum. 346 Unschuldige Nachrichten 1718, 1158f.
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Gattung nicht mehr dem Erbauungsschrifttum zugerechnet werden kann. Mit diesem Buch greift die Autorin Elemente eines Kommentars auf, ohne jedoch im klassischen Sinn des Wortes einen Kommentar zu verfassen. Sehr viel stärker noch als mit ihren vorher veröffentlichten Schriften exponierte sie sich mit diesem Werk, das in mehrfacher Hinsicht eine Grenzüberschreitung darstellte. Wenn dieses Buch, obwohl es nicht der klassischen Form des Kommentars folgte, dennoch als solcher gelesen wurde, zeigt sich darin vor allem, dass der Anspruch, den die Autorin mit diesem Buch verband, die Zeitgenossen erreichte. Die Grenzüberschreitung bestand nicht nur allein darin, dass es sich hier um ein ausgesprochen chiliastisches Werk handelte, sondern zusätzlich darin, dass dessen Autorin eine Frau war. Die Ausformung des chiliastischen Denkschemas hat hierin seinen Höhepunkt erreicht; in den folgenden Publikationen wandte sich J. E. Petersen neuen Themengebieten zu, ohne jedoch die chiliastische Grundüberzeugung preiszugeben.
3.1.3 Der Geistliche Kampff, 1696 Die der Anleitung als erster Anhang beigefügte Schrift Der Geistliche Kampff erfuhr nach der Erstveröffentlichung mindestens drei weitere Nachdrucke.347 Im Unterschied zur Anleitung, die die erwarteten apokalyptischen Ereignisse in ihrer kosmischen Dimension betrachtete, richtet sich im Geistlichen Kampff die Perspektive auf den Glaubensweg der Einzelnen; die Stichworte Herz und Seele dominieren alle Ausführungen. Die in Apk 1,4–3,22 genannten sieben kleinasiatischen Städte werden als Bilder für den individuellen Prozess der fortschreitenden Heiligung gedeutet.348 Albrecht Ritschl, der dieses Werk als »Andachtsbuch« einstufte, sah hierin die »Abwendung von Spener« und die gleichzeitige Hinwendung zur Mystik dokumentiert.349 Dieser Einschätzung ist nur zum Teil zuzustimmen, da bereits in den Gesprächen des Hertzens die klassischen Themen der mystischen Tradition, die auch hier wieder vorkommen, wie Gelassenheit, Selbstverleugnung und Absterben,350 entfaltet wurden. Große Teile der sieben Kapitel des Geistlichen Kampffes machen den Eindruck, 347 Die erste selbstständige Publikation erfolgte 1698. Diese Ausgabe mit 238 Druckseiten im Format 12° erschien in Halle bei Christopf Henckel, dem akademischen Buchdrucker. Henckel war von 1694 bis 1733 in Halle tätig, er kam mit der Eröffnung der Universität von Wittenberg dorthin, s. J. Benzing, Buchdrucker, 1982, 177; D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 104. 1706 und 1717 erschienen erneute Abdrucke des Geistlichen Kampffes gemeinsam mit der Verklärten Offenbahrung. 348 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 14. 349 A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 243. Er erwähnt nur die 1698 erschienene Separatausgabe; die Erstveröffentlichung als Anhang zur Anleitung scheint ihm entgangen zu sein. 350 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 19, 21, 22f, 24, 25, 29f.
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als ob sie völlig unberührt von der chiliastischen Überzeugung der Autorin konzipiert worden seien. Die hier dokumentierte Betrachtungsweise entspricht dem in der Vorrede zur Anleitung beschriebenen »mystische[n] und geistliche[n] Sinn« der Schriftauslegung, dem nach den eigenen Worten J. E. Petersens »der eigentliche historische und propetische« Sinn, d. h. die chiliastische Interpretation, vorzuziehen sei.351 Lediglich die Vorrede und das Schlusswort verklammern diese mystischen Ausdeutungen mit dem Gesamtansatz der Anleitung. Die in der Vorrede akzentuierten Stichworte Erbauung und Erweckung kennzeichnen die Intention der Autorin; sie wendet sich an ein Lesepublikum, das auf der Suche nach geistlichen Erfahrungen ist und dafür eine Anleitung braucht. Dieses Ziel unterstreicht auch die Aussage, dass sie sich mit dieser Schrift ihren »Mitgliedern«352 zuwendet. Die nachweisbaren ekklesiologischen Vorstellungen J. E. Petersens gingen dahin, die Zugehörigkeit zur lutherischen, reformierten oder römisch-katholischen Kirche formal aufrecht zu erhalten, das Schwergewicht indessen auf die Errichtung einer geistlichen Gemeinschaft zu legen, die sich jenseits aller Strukturen etablieren sollte.353 Wenn hier von Mitgliedern die Rede ist, dann können damit nur die in gleicher Richtung sich bewegenden Christinnen und Christen gemeint sein, die gerade keiner Organisation mit fester Zugehörigkeit bedurften. Der das ganze Buch als Grundmotiv begleitende Topos der »Erstgebuhrt« bzw. der »erstgeborenen Gerechten« verbindet vor allem zwei biblische Motivstränge, die im Denkansatz J. E. Petersens den Nährboden für die Idee einer von Gott auserwählten Elite bildeten. Zum einen handelt es sich dabei um die im Alten Testament bezeugte Praxis, die Erstgeburt bei Mensch und Tier Gott zu weihen bzw. die ersten Feldfrüchte ihm zu opfern.354 Zum anderen beruht dieses Motiv der Erstgeburt auf den neutestamentlichen Epitheta für Christus, der sowohl in Bezug auf die gesamte Schöpfung der Welt als auch in Bezug auf die Auferstehung von den Toten als der Erstgeborene und Erstling gilt.355 Insbesondere diese christologische Verankerung wirkt sich als entscheidend für die Motivbildung J. E. Petersens aus, da nach ihrem soteriologischen Verständnis Christus eine Art korporative göttliche Größe darstellt, in der alle wiedergeborenen Gerechten enthalten sind.356 Da die besondere Verpflichtung und Würde derer, die nach der Definition der Autorin Christus mit allem Ernst nachfolgen, darin besteht, ihm ähnlich zu werden, so können 351 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, Vorrede, a2r. 352 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 3. 353 Vgl. ebd., 35, 43. 354 Vgl. Ex 13,2; 13,13; 23, 19; Num 18,12f. 355 Kol 1,15; 1Kor 15,20. 356 Dieses gedankliche Element wird in der Christologie des himmlischen Gottmenschen weiter ausgebildet.
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diese Auserwählten mit Christus zur Erstgeburt gezählt werden. Das in Hebr 12,23 gebrauchte Bild der »Gemeinde der Erstgeborenen«, das die christliche Kirche als Gesamtgröße umfasst, wird im Geistlichen Kampff verengt zu der Umschreibung einer elitären Gruppe: »Also sind nun die Erstgebohrnen dazu verordnet/ daß sie dem Ebenbilde Christi ihres erstgebohrnen Bruders/ welcher der Erstgebohrne ist unter den Erstgebohrnen/ vor allen andern sollen gleich seyn.«357 Diese Erwählten werden nach der Auffassung J. E. Petersens einen besonderen »Grad der Herrlichkeit« bei Gott einnehmen.358 Nur ihnen kommt die Ehre zu, während des tausendjährigen Reiches mit Christus als Könige und Priester über die übrige Menschheit zu herrschen.359 Obwohl die Autorin betont, dass die Abfolge des siebenstufigen Weges, von Ephesus bis Laodicea, nicht als gesetzliche Richtschnur missverstanden werden dürfe,360 skizziert sie den idealtypischen Weg eines Nachfolgers Christi, der sich in verschiedenen Kämpfen und Versuchungen zu bewähren hat. In jedem Kapitel wird zunächst die in der Anleitung mit dem Städtenamen verknüpfte kirchengeschichtliche Epoche kurz wiederholt, um deren Grundsituation dann auf individuelle innere Problemkonstellationen zu übertragen.361 Stand der Name Smyrna für die Verfolgungszeit der christlichen Kirche im zweiten Jh., so arbeitet die Verfasserin als Thema der Nachfolge-Ethik das Bestehen von Anfeindungen und Verleumdungen heraus. Die Seele wird durch Versuchungen geführt, die »eine Art des inwendigen geistlichen Marter=Todes« darstellen.362 Mit dem Gemeindenamen Pergamon verband J. E. Petersen in der Anleitung die Zeit der Bekehrung von Kaiser Konstantin, die der Kirche äußerlich gesehen Anerkennung und Ehre brachte und viele Kirchenleute den Versuchungen der Macht verfallen ließ. Für den Einzelnen geht es darum, die Verlockungen der Welt zu erkennen und ihnen standzuhalten. Neben der Gefährdung von außen durch die Anziehungskraft von Macht und Reichtum lauert im Inneren »das inwendige antichristische Thier«, das dem geistlichen Streiter auf dem Weg der Nachfolge Christi zusetzt.363 357 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 4. 358 Ebd., 5. 359 Ebd., 23; dieses Motiv bezieht sich auf Apk 20,6. 360 Ebd., 50. 361 Ein ähnliches hermeneutisches Vorgehen lässt sich bei Christoph Seebach (†1745) beobachten, der das Hohelied ebenfalls mit einem zweigliedrigen Interpretationsmodus auslegt. Er betrachtet das Hohelied als prophetisches Buch, das die sieben Perioden der Kirchengeschichte vorhersagt. Es heißt bei ihm, »daß ein Text zugleich den innern Zustand des Hertzens/ und auch die unterschiedene Begebenheiten so sich in denen sieben Periodis zu getragen haben/ vorstellet«, Erklärung, 1706, Vorrede )(8v. Zu Seebach, der zeitweise als Pfarrer in Berleburg arbeitete, aber 1731 dieses Amt verlor, s. H.-J. Schrader, Pietistisches Publizieren, 1988, 75. Seine Schriften wurden kritisch besprochen in den Unschuldigen Nachrichten 1710, 299–301; er galt dieser Zeitschrift als Anhänger J. W. Petersens. 362 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 22. 363 Ebd., 26.
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Während J. E. Petersen in der Anleitung das Reich Gottes als äußere auf Erden sichtbare Größe umschreibt, richtet sich im Geistlichen Kampff ihr Blick auf eine innerliche Auffassung des Reiches Gottes: »Darumb soll eine Seele GOtt nicht allein von aussen suchen/ sondern/ weil das Reich GOttes innwendig ist/ so soll der Mensch vornehmlich in sich selbst kehren: und mit je grösserer Innigkeit er in sich selbst gekehret ist/ je mehr findet er GOtt in dem tieffsten Grunde seiner Seelen/ in welchen er sich gantz und gar mit Verstand und Willen versencken/ und mit solcher versunckenen Liebe an GOtt hangen soll.«364 Die Verfasserin bedient sich hier der klassischen Terminologie mystischer Überlieferung, die auch in den Gesprächen des Hertzens präsent war. Das Kapitel über die Gemeinde von Thyatira wird geprägt von der Anwendung des Lichts-Symbols.365 J. E. Petersen erläutert hier beispielsweise die Inhabitatio Christi durch die Licht-Metaphorik. Sie spricht dabei von Christus als »dem wahrhafftigen Liecht/ welches im Fleisch offenbar worden/ und in allen gläubigen und heiligen Seelen wohnet und leuchtet/ obgleich zuweilen gar verborgen.«366 Diese Einwohnung des Lichtes kann auch als Vereinigung mit Christus beschrieben werden. Um das Licht in sich zu bewahren, muss die Seele durch Demut und »Vernichtigung ihrer selbst« stets auf dem Weg der Heiligung voranschreiten.367 In den Kapiteln über Sardes und Philadelphia richtet sich der Blick nicht so sehr auf die einzelnen »Streiter Christi«,368 sondern mehr auf deren Gemeinschaftsbildungen. Die Verfasserin kritisiert alle vorhandenen Kirchen, warnt jedoch gleichzeitig vor der Einrichtung neuer Gruppen, die sie als »Secten« bezeichnet. Die vor ihr als wahre Nachfolger Christi avisierten Christen sollen sich »nach dem Geist absondern« und »warten/ biß der HErr Selbst sein Volck aus dem verwirrten Babel aller verfallenen Secten zu seiner Zeit auch äusserlich erlösen wird«.369 Das alle bisherigen Kirchenbildungen übersteigende Neue nennt J. E. Petersen »das Philadelphische Zion« oder »das neue Philadelphische Jerusalem«.370 Bei der Skizzierung des neuen Jerusalem klingt ein überindividueller Rahmen an, denn dieses wird nach Erwartung der Autorin
364 Ebd., 17f. 365 Zum Gebrauch der Licht-Metaphorik in Speners Pia Desideria s. J. Wallmann, Geistliche Erneuerung, 1995, 224. Bei J. Arndts Beschreibung Gottes als Licht liegt eine Anknüpfung an die Lichtlehre des Areopagiten und Taulers vor, s. C. Braw, Bücher im Staube, 1986, 61–63. Zur Licht-Metapher bei A. Bourignon s. Warnung, 1683, Vorrede, 1v; Leben, 1684, 40. Die Lichtmetaphorik spielte in der Lyrik der Barockzeit eine große Rolle, s. V. Fässler, Hell-Dunkel, 1971. 366 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 29; vgl. auch dies., Glaubens=Gespräche, 1691, 543–546, als Auslegung zu Joh 12,46. 367 J. E. Petersen, Geistlicher Kampff, 1696, 30. 368 Ebd., 33. 369 Ebd., 35. 370 Ebd., 38.
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auch öffentlich sichtbar werden.371 Zuvor jedoch muss dieses Jerusalem von den Gläubigen »in sich selbst« erbaut und gepflegt werden.372 Die Ausführungen zu den sieben geistlichen Entwicklungsstufen schließen mit der Frage, ob dem Menschen ein sündloses Leben möglich sei. In ihrer Stellungnahme bejaht J. E. Petersen diese Möglichkeit eindeutig und konstatiert: »es könne ein Mensch bey Leibes=Leben einen solchen Zustand erreichen/ daß er ohne empfindlichen Kampff der Sünde sey/ und als ein siegender Uberwinder mit Christo im Geist regiere und Hochzeit halte.«373 Denselben Sachverhalt umschreibt sie noch einmal mit anderen Worten: es handele sich darum, »daß ein gewisser triumphirender Zustand des Reiches Christi im Geist bey Leibes=Leben könne erreichet werden.«374 Eine Einschränkung dieses Vollkommenheits-Ideals nimmt die Verfasserin des Geistlichen Kampffes nur insofern an, als sie einräumt, dass der nahezu »paradiesische Zustand« nur im Inneren des Menschen erreicht werden könne, während der äußere Mensch weiterhin Versuchungen ausgesetzt bleibe.375 Diese Unterscheidung von innerem und äußerem Menschen spielt für das gesamte Denken J. E. Petersens keine tragende Rolle, sie begegnet nur in diesem Text.376 Der anonyme Traktat Gründliche Untersuchung widmete sich bereits im Jahr nach dem Erscheinen diesem Traktat. In Bezug auf die Licht-Metaphorik stellte der Verfasser eine große Ähnlichkeit mit »der Qvacker Haupt=Irrthum« fest.377 Insgesamt wird vor dieser Schrift gewarnt, da sie etliche Irrtümer und Lästerungen enthalte.378 Erst im Jahr 1707 rezensierten die Unschuldigen Nachrichten das in Verbindung mit einer weiteren Schrift J. E. Petersens neu aufgelegte Werk in wenigen Zeilen.379 Der Autorin wurde attestiert, »etwas besser als sonst« über den Unterschied der christlichen Kirchen und über die Vollkommenheit des christlichen Lebens zu schreiben.380 12 Jahre nach der Erstveröffentlichung kommentierte die Zeitschrift dieses Buch ausführlicher.381 Die positive Einschätzung, dass es begrüßenswerte Aussagen über »den Wandel im Christenthum« enthalte, betraf jedoch nur die Elemente des Buches, 371 Ebd., 42. 372 Ebd., 44. 373 Ebd., 51. 374 Ebd., 51. 375 Ebd., 52. 376 Parallelen liegen in der bei ihr anklingenden Makro-Mikrokosmos-Idee. 377 Gründliche Untersuchung, 1697, 8. 378 Ebd., 8f, 10. 379 Es handelt sich um eine Ausgabe zusammen mit der Verklärten Offenbahrung. 380 Unschuldige Nachrichten 1707, 843f. AGL 3, 1751, 1425, erwähnt den Geistlichen Kampff unter den Werken J. E. Petersens. 381 Unschuldige Nachrichten 1718, 914; der Titel von J. E. Petersens Buch wird als Kampff der Erstgebohrnen wiedergegeben.
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die auch aus einer lutherischen Perspektive als Ermahnung zu einer ernsthaften Nachfolge Christi gelesen werden konnten. Insgesamt wurde diese Schrift J. E. Petersens als Verbreitung von Irrlehren gewertet. Die Rezension griff die von der Autorin vorgetragene Ekklesiologie als besonders problematisch heraus und hielt ihr vor, dass sie die lutherische Kirche als verfallenes Babel hinstelle.382 J. W. Petersen wies in seinen Schriften mehrfach auf dieses Werk seiner Ehefrau hin.383 Ebenfalls eine positive Rezeption erfuhr der Geistliche Kampff bei dem Begründer Herrnhuts. In seinem Gedicht anlässlich des Todes von J. E. Petersen erwähnte N. L. von Zinzendorf als Einziges ihrer Werke dieses Buch und betonte, dass es ihn gestärkt habe. Da er die Verstorbene in dem ganzen Gedicht persönlich anspricht, lautet hier sein Dank: »Du hast mich durch die Schrift vom Kampf der Erst=gebornen// Genehret und gelabt: Sey von dem Auserkornen// Dem süssen GOttes=Lamm, auch dafür angeblikt!«384 Durch den ganz auf das Innere des Menschen gerichteten Duktus konnte dieses Werk als Erbauungsbuch gelesen werden, in dem das chiliastische Denksystem nur ganz am Rande anklingt.
3.1.4 Zusammenfassung J. E. Petersens Schriften der Jahre 1691 und 1696 gewinnen ihr Profil durch die Konturierung der chiliastischen Hoffnung, wobei jedoch die geistlichmystische Schriftdeutung keineswegs aufgegeben wird. Mit der Anleitung von 1696 ist der Höhepunkt der Schematisierung ihres Chiliasmus erreicht, wobei sogar ein konkretes Datum für den Anbruch des tausendjährigen Reiches genannt wird.385 J. E. Petersen blieb dabei, ihre theologische Überzeugung als Interpretation der Heiligen Schrift vorzutragen, visionäre Erlebnisse kommen in diesen Texten der 1690er Jahre nicht vor. Ihre Beschäftigung mit der Johannes-Apokalypse führt sie auf ein göttliches offenbarendes Eingreifen zurück, von Träumen oder Visionen ist allerdings explizit nicht die Rede. Erst im Jahr 1714 begegnet zum ersten Mal rückblickend die Verknüpfung der theologischen Erkenntnis mit visionären Erlebnissen.
382 Ebd., 915. Zudem fordere sie dazu auf, auf ein Neues Jerusalem hinzuwirken, das aus Mitgliedern aller Kirchen und Sekten bestehen solle. Die Annahme J. E. Petersens, dass Gott selber der »Baumeister« dieser eschatologischen Kirche sein werde, verurteilte die Rezension als verwerflichen Missbrauch des Gottesnamens, ebd., 916. 383 J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 279, 314. 384 N. L. Zinzendorf, Gedichte, 1766, 100. 385 J. W. Petersen nimmt keine chronologischen Berechnungen vor, sondern äußert, dass er nicht wisse, wann das tausendjährige Reich beginne, Zukünfftiges herrliches Reich Christi, 1693, E1r.
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Zwischen J. E. und J. W. Petersen besteht Übereinstimmung in den tragenden Strukturelementen ihres Chiliasmus. Wie seine Ehefrau versteht auch J. W. Petersen die erste Auferstehung von Apk 20,5, die nur die Vollkommenen betrifft, als leibliche Auferstehung.386 Er unterscheidet zwei Gerichte voneinander, das eine wird vor und das zweite nach den tausend Jahren angenommen.387 Die Trennung einer oberen von der unteren Kirche spielt für seine eschatologische Hoffnung die gleiche Rolle.388 Die dennoch zu erhebenden Unterschiede ergeben sich aus den verschiedenen literarischen Gattungen, in denen beide ihre Ideen entfalteten.389 J. W. Petersens wichtigste Schriften zum Thema Chiliasmus stellen außer den Streitschriften die Species facti von 1691 und das dreibändige Werk Nubes testium von 1696 dar. In der Species facti veröffentlichte er die Offenbarungen J. R. von Asseburgs, die die Hoffnung auf ein Reich Christi erkennen lassen. J. W. Petersen sah in diesen Äußerungen eine Übereinstimmung mit seiner chiliastischen Hoffnung, die er allerdings ausschließlich exegetisch begründete. In seinem Werk Nubes testium versammelte er alle ihm erreichbaren Stimmen, die Zukunftshoffnungen artikulierten und die er alle unterschiedslos als Zeugnis »Pro Regno Christi glorioso, in septima Tuba futuro & Resurrectione prima« ansah.390 Im dritten Buch führt er unter dieser genannten Maßgabe folgende Gruppen und Personen jeweils mit Textauszügen an: die Waldenser, Nikolaus von Kues, Luther, Sebastian Castellio, Paracelsus, Nikolaus Selneccer, Tycho Brahe, Thomas Campanella, Valentin Weigel, Jakob Böhme, Alstedt, Christian Hoburg, Joseph Mede, Georg Calixt, J. Coccejus, Seidenbecher, A. Bourignon, 386 J. W. Petersen, Vester Grund, 1692, 90. 387 Ebd., 86. 388 Ebd., 57–60; Zukünfftiges herrliches Reich Christi, 1693, E1r. W. Temme, Leiblichkeit, 1998, 435–440, stellt die Unterscheidung von einer oberen und einer unteren Kirche als Denkelement der Gruppe um Eva von Buttlar dar. Die Ähnlichkeiten mit J. W. Petersen belegt er mit dessen Schrift Apocalyptisches Weib, 1708. 389 J. W. Petersen verteidigte seine chiliastischen Überzeugungen vor allem in Streitschriften, in denen er jeweils einzelne Aspekte heraus griff, s. Ablehnung der schändlichen Aufflagen, 1692; Vester Grund, 1692, Auseinandersetzung mit Sandhagen; Öffentliche Stimme, 1692, gegen die Magdeburger Geistlichen gerichtet; Zukünfftiges herrliches Reich Christi, 1693; Freymüthige Anrede, 1693, gegen J. J. Wolf; Schrifftmässige Erklährung, 1693; Rettung der Worte Christi, 1696, gegen C. G. Koch; Wichtigkeit der Verkündigung, 1696; Oeffentliche Bezeugung, 1696; Gründe, 1696, gegen J. F. Mayer; Ausbreitung, 1697, gegen C. Koch. Eine sprachliche Nuance liegt darin, dass J. W. Petersen fast stereotyp vom Reich Christi spricht, das mit dem Erklingen der siebten Posaune (Apk 11,15) beginnen werde, Vester Grund, 1692, 92, 101; Zukünfftiges herrliches Reich Christi, 1693, A2r, B1r; Ausbreitung, 1697, 32. Auch bei J. Leade kommt dieses Motiv vor: Acht Welten, 1696, 211. Bei J. E. Petersen hingegen begegnet diese Formulierung nur selten, Glaubens=Gespräche, 1691, 16, 825; Verklärte Offenbahrung, 1706, 65, 75. 390 J. W. Petersen, Nubes testium 3, 1696, 1. Im ersten Buch nennt er alttestamentliche Zeugen, wobei er seine Reihe mit Adam beginnt. Das zweite Buch ist dem NT sowie den Kirchenvätern gewidmet. Am Schluss von Buch 3, 178–180, führt er 13 Schriften an, die er zwischen 1691 und 1696 zur Verteidigung des Chiliasmus verfasst hatte.
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F. Breckling, J. Taube, A. M. van Schurman, Johannes Lobwasser, Jacobus Alfingius, P. Jurieu, J. Leade, Spener, Jacob Wächtler, J. A. Frohn und zum Schluss sich selbst und seine Ehefrau. Diese Zusammenstellung zeugt zum einen von der Belesenheit J. W. Petersens, zum anderen jedoch auch von seinem Versuch, jede eschatologische Zukunftshoffnung als Beleg für den Chiliasmus heranzuziehen.391 J. E. und J. W. Petersen vertraten ein chiliastisches Denkmodell, das sich vor allem auf die Johannes-Offenbarung stützte. Mit größtem Nachdruck verbreiteten sie ihre Überzeugung mittels ihrer Veröffentlichungen. Der Chiliasmus beider fand nicht Ausdruck in unmittelbaren Aktionen zur Weltgestaltung, wie dies bei Spener oder Francke der Fall war.392 Beide Petersen sahen ihre Aufgabe darin, mittels literarischer Arbeit für die Verbreitung des Chiliasmus zu sorgen, damit die endzeitliche Umgestaltung möglichst bald von Gott heraufgeführt werden könne.393
3.2 Apokatastasis 3.2.1 Zur Geschichte der Hoffnung auf Allversöhnung Die Dichotomie von ewiger Seligkeit für die Erlösten einerseits und ewigen Höllenstrafen für die Verdammten andererseits gehört zu den Grundzügen christlicher Eschatologie. Mit der pietistischen Bewegung verbreiteten sich eschatologische Denkmodelle, die einen »Untergang der Hölle«394 implizierten, um für alle Geschöpfe und Kreaturen eine endzeitliche Erlösung einzufordern. J. W. Petersen zählte sich und seine Ehefrau »zu den Ersten allhie in Teutschland«, die die »Warheit der Wiederbringung aller Dinge« im Auftrag Gottes verkündeten.395 Die Zustimmung zum Chiliasmus zog in der Geschichte der christlichen Theologie keineswegs, wie dies bei J. E. und J. W. 391 Zur Kritik an diesem Vorgehen und dem gesamten dreibändigen Werk s. W. E. Tentzel, Monatliche Unterredungen 1696, 80f, 109, 152. 392 F. de Boor, Francke, 1983, 315f, zeigt für Francke auf, in welcher Weise dessen chiliastische Hoffnung Eingang in die Hallenser Reformprojekte fand. Bevor er diesen eigenen Weg beschritt, neigte er, zumindest eine Zeit lang, dem von den Petersen vertretenen chiliastischen Ideengut zu, s. G. Kramer, Francke, 1880, 156–161. Vgl. ferner M. Schmidt, Verständnis, 1984. H. Schneider, Unerfüllte Zeit, 1999, 197–201, weist auf die Aktivitäten hin, die die chiliastischen Erwartungen bei einigen der Radikalpietisten in Gang setzten. 393 O. Böcher, Johannesapokalypse, 1988, 1–6, der die aus späterer Sicht wesentlichen Positionen des 18. Jh. zur Interpretation der Apokalypse darstellt, greift auf Coccejus, Vitringa, Lange und Bengel zurück; das Ehepaar Petersen findet in diesem Überblick keine Erwähnung. 394 So lautet der Titel eines Aufsatzes: W. Sommer, Untergang der Hölle, 1999; hierbei werden u. a. der Pietismus, 189–191, sowie J. W. Petersen als dessen Vertreter berührt, 191–195. 395 J. W. Petersen, Zweyer in einem Geiste abgefaste Antwort, in: Mysterion Apokatastaseos 1, 1700, 3.
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Petersen geschah, unweigerlich die Überzeugung von der Wiederbringung aller Kreaturen nach sich.396 In den Bekenntnisschriften der Lutheraner sind diese zwei Lehrmeinungen deswegen miteinander verbunden und gemeinsam verurteilt worden, weil beide für einige der Täufer-Gruppen der Reformationszeit relevant waren. Die Bestimmung in Confessio Augustana 17 hält als dogmatische Grundlage der lutherischen Kirche fest, dass es am Ende der Geschichte keine Versöhnung für alle geben wird, sondern dass die Gottlosen und die Teufel ewig zur Hölle verdammt sind. Verworfen wird mit gleicher Schärfe die Annahme, dass es vor der Auferstehung der Toten ein irdisches Friedensreich gebe.397 Origenes (ca. 185–ca. 251) kann als der bedeutendste Vertreter der Apokatastasislehre gelten.398 Seine Vorstellung zielte auf eine Aufeinanderfolge von Welten ab, bei der alle Wesen Gelegenheit erhalten sollten, sich zu Gott zu bekehren. Die Verurteilung dieses Heilsuniversalismus im 6. Jh. verhinderte jedoch nicht, dass im Osten wie im Westen weiterhin die Apokatastasis vertreten wurde.399 In der Reformationszeit verbreitete sich der Gedanke der Wiederbringung bei einigen Täufern, unter denen insbesondere Hans Denck 396 A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 349f, macht an diesem Faktum eine Absetzung der beiden Petersen gegen den radikalen Pietismus fest. Dieser habe sich mehrheitlich stärker mit der Wiederbringung als mit dem tausendjährigen Reich beschäftigt. Ritschl führt als Erklärung für diese Beobachtung an, dass J. E. und J. W. Petersen »von Haus aus nicht in der Richtung sich bewegt haben, welche von Weigel und Böhme ausgeht«. Der Terminus Apokatastasis begegnet zwar im NT (Apg 3,21), er steht hier jedoch nicht für eine universalistische Allversöhnungsidee. Für die inhaltliche Begründung der Hoffnung auf eine Wiederbringung aller Geschöpfe spielt etwa 1Kor 15,24–28 eine tragende Rolle. Auf diese Verse, die auch bei beiden Petersen vorkommen, bezog sich bereits Origenes, s. K. Lüthi, Allversöhnungslehre, 1956, 365. Lüthi, der von einer barthianischen Position ausgeht, wandte sich als einer der Ersten der Apokatastasislehre der beiden Petersen zu, ohne diese von vornherein aus dogmatischen Gründen abzulehnen. Allerdings stellte er deren Konzept vornehmlich anhand der Schriften J. W. Petersens dar. 397 BSLK, 1967, 72. Zu den geschichtlichen Hintergründen der Reformationszeit s. K. Lehmann/H. G. Pöhlmann, Wiederkunft Christi, 1980, 70–72; W. Maurer, Historischer Kommentar 1, 1976, 64, 66f; 2, 1978, 40–44. Zur Ablehnung der Apokatastasis bei Calvin s. R. Lülsdorff, Zukunft Jesu Christi, 1996. 398 Das Stichwort des Ewigen Evangeliums aus der Johannes-Apokalypse interpretiert Origenes als geistiges Evangelium; mit diesem Terminus stellt er keine Verbindung zur Apokatastasis her, s. M. Fiedrowicz, Prinzipien der Schriftauslegung, 1998, 53, Anm. 2. 399 Ein Edikt Kaiser Justinians aus dem Jahr 543 sprach zum ersten Mal die Verurteilung aus, festgeschrieben wurde sie dann auf dem 5. Ökumenischen Konzil von Konstantinopel 553, s. E. Junod, Origenismus, 1992, 937f. Zu den wichtigsten Vertretern der Apokatastasis in der Alten Kirche gehören Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa, ebd., 937. Zum Fortwirken dieser Vorstellung in der östlichen Orthodoxie, insbesondere bei Pawel Florenskij, Leo Karsawin und Stefan Zankow s. E. Staehelin, Wiederbringung, 1960, 12f; zu Isaak dem Syrer und Sergej Bulgakow s. W. Hryniewicz, Hoffnung, 1996, 21–41. Im westlichen Mittelalter gehört Johannes Scottus Eriugena zu den Verfechtern dieser Überzeugung, s. H. Rosenau, Allversöhnung, 1998, 323; G. Schrimpf, J. Scottus Eriugena, 1988.
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hervortritt.400 Im 17. und 18. Jh. gehören die beiden Petersen sowie die Engländerin Jane Leade401 zu denjenigen, die am intensivsten für die Allversöhnung eintraten.402 Anders als zu Zeiten J. E. und J. W. Petersens mehren sich seit Schleiermacher und Karl Barth die Stimmen, die die Frage nach der Apokatastasis als legitimes Thema theologischen Nachdenkens betrachten.403 Diejenigen dagegen, die gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jh. für die Apokatastasis eintraten, wurden mit dem Häresievorwurf bedacht, der sich auf die altkirchlichen Entscheidungen gegen Origenes berufen konnte und in CA 17 erneuert worden war.404 J. E. Petersens Schriften von 1698 und 1701 propagieren zum ersten Mal öffentlich ihre Annahme der Apokatastasis. Die 1706 in den Druck gegebene Verklärte Offenbahrung stellt eine Verbindung der Apokatastasis-Lehre mit der chiliastischen Deutung der Johannes-Apokalypse dar. 400 Vgl. E. Staehelin, Wiederbringung, 1960, 18f. 401 Vgl. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 232: »Sie hat damit die kirchliche Vorstellung von einer ewigen Verdammnis und ewigen Hölle aufgelöst und ist die Erneuerin der Lehre von der ›Wiederbringung aller Kreaturen‹ geworden.« 402 Im Rahmen seiner mentalitätsgeschichtlichen Studie über die Herausbildung des modernen, autonomen Gewissens widmet H. D. Kittsteiner einen Abschnitt der Apokatastasisvorstellung der beiden Petersen, Gewissen, 1992, 136–139. E. Staehelin, Wiederbringung, 1960, 20, spricht von »eindrucksvollen Schriften«, in denen die Petersen ihre Überzeugung vortrugen. Johann Christian Edelmann, Drittes Sendschreiben, 1749, 63, trat zeitweise für die Wiederbringung ein. Johann Konrad Dippel setzte sich von Böhme herkommend ebenfalls für diese Lehre ein, s. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 281f. A. Bourignons Eintreten für die Apokatastasis wurde von dem Labadisten Pierre Yvon heftig bekämpft: Wahre und reine Lehre, 1673. Gegen Bourignon protestierte ebenfalls der Tübinger J. W. Jäger, Examen, 1708, s. hierzu G. Müller, Identität, 1968, 97, Anm. 34. 403 G. Müller, Identität, 1968, 321–337, bietet eine Bibliographie zur Apokatastasisfrage. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 233, geht davon aus, dass die Apokatastasis »im evangelischen Deutschland wohl als kirchlich gleichberechtigt mit der Vorstellung einer ewigen Hölle und Verdammnis gelten« darf. Für ihn ist der Gedanke der Wiederbringung »vielleicht der bedeutendste theologiegeschichtliche Beitrag des schwärmerischen Pietismus«. Zu den exemplarischen Positionen von Schleiermacher und Barth s. W. Joest, Dogmatik 2, 1987, 668–670; 679–682. Zur gesamten Apokatastasis-Debatte s. O. Weber, Dogmatik 2, 1983, 502; J. M. Lochman, Apokatastasis, 1986; C. J. Janowski, Eschatologischer Dualismus, 1994; dies., Allerlösung 1–2, 2000; H. Rosenau, Allversöhnung, 1993; zu seiner Begründung für den Begriff »Allversöhnung« s. ebd., 34f. Unter den drei theologiegeschichtlich relevanten Varianten der Allversöhnung ordnet er die beiden Petersen dem christologischen Begründungsversuch zu, zu dem er u. a. Gregor von Nyssa, Hieronymus, David Joris, Jane Leade sowie Ernst Christoph Hochmann von Hochenau rechnet, 111. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, lässt sich J. E. Petersen nicht so eindeutig zuordnen, da sie sowohl von der Christologie als auch von der Gotteslehre her für die Wiederbringung argumentiert; ders., Wiederbringung aller, 2003. W. Härle, Dogmatik, 1995, 628, bestätigt, dass es »eine ›Affinität‹ der christlichen Botschaft zur Apokatastasis gibt«, macht jedoch gleichzeitig auf die diesem Konzept inhärenten Schwierigkeiten aufmerksam, 624–628. Vgl. ferner M. Bieler, Allversöhnung, 1987; ders., Versöhnung, 1998, bes. 232, 236, wo er für eine Hoffnung auf Allversöhnung plädiert. 404 Zur Verbreitung der Apokatastasisvorstellung im England des 17. Jh. s. D. P. Walker, Decline of Hell, 1964.
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3.2.2 Ewiges Evangelium, 1698 Das 1698 fanalartig vorgetragene Bekenntnis J. E. Petersens zur Allversöhnung lässt sich in seiner allmählichen Entwicklung bei beiden Petersen nachzeichnen. In ihrer Autobiographie stellt J. E. Petersen den Sachverhalt so dar, dass sie bereits seit vielen Jahren davon überzeugt gewesen sei, »daß auch eine Erlösung aus der Höllen sey«,405 während sie die eigentliche ApokatastasisLehre erst später kennen gelernt habe. Den Anstoß zur Rezeption dieser Überzeugung habe ein aus England stammendes Manuskript gegeben, das ihr und ihrem Mann zur Beurteilung vorgelegt wurde.406 Jane Leades Schrift Acht Welten, auf die J. E. Petersen sich hier bezieht, erschien 1695 in London im Druck und 1696 in Amsterdam in deutscher Übersetzung.407 Der Übermittler des Manuskriptes war Dodo von Knyphausen, der sich, wie oben bereits erwähnt, um eine Vermittlung der Ideen Leades nach Deutschland bemühte.408 Seit 1692, dem Jahr, in dem nachweislich der Kontakt mit Knyphausen begann, lassen sich bei J. W. Petersen Hinweise auf eine Beschäftigung mit der Apokatastasis finden.409 Allerdings wurde dieser Themenkomplex vor 1698 weder von J. E. noch von J. W. Petersen ausführlich behandelt.410 405 J. E. Petersen, Leben, 1718, 36. 406 Ebd., 41–44. Sie benutzt hier den Terminus »geschriebene Schrift«, der auf ein handschriftliches Manuskript hinweist. H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1983, 140, Anm. 274, macht aufmerksam auf ein handschriftliches Manuskript der englischen Philadelphier vom Mai 1695, das sich unter den Göttinger Acta Pietistica befindet. 407 J. E. Petersen, Leben, 1718, 41, nennt den Titel der Schrift, sagt jedoch nichts über die Verfasserin. Zu Leades Apokatastasisvorstellung s. auch N. Thune, Behmenists, 1948, 111; E. Staehelin, Wiederbringung, 1960, 19f. In Bezug auf die Apokatastasis spaltete sich die BöhmeSchule; Jakob Böhme selber lehrte die Wiederbringung nicht, die englische Böhme-Schule mit J. Leade an der Spitze erhob diese zu einem ihrer zentralen Themen. Der Amsterdamer Böhme-Anhänger Gichtel hingegen lehnte diese Entwicklung Leades strikt ab, N. Thune, Behmenists, 1948, 111, nachdem er ihr zunächst Sympathien entgegenbrachte, wie seine Briefe zeigen. Zu Böhmes Position s. K. Lüthi, Allversöhnungslehre, 1956, 364; E. H. Pältz, Böhme, 1979, 113. E. Benz, Sympathie aller Dinge, 1956, 158, sieht das Ehepaar Petersen als die Führer der deutschen Böhme-Schule. 408 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 298. J. E. Petersen, Leben, 1718, 41, erwähnt den Namen Knyphausens nicht, sondern spricht nur von einem vornehmen Herrn. Im Jahr 1695 kannte J. Leade auf jeden Fall J. W. Petersens Species facti von 1691 und fühlte sich mit dessen Autor verbunden. Das bringt ein als Anhang ihres Buches Garten=Brunn, 1697, 368–375, abgedruckter Brief zum Ausdruck, der unter dem Datum des 9.9.1695 »Ein Erläuterungs=Schreiben« zu diesem Buch J. W. Petersens und dessen Position darstellt. Leade bejaht genau wie der deutsche Autor die Möglichkeit unmittelbarer göttlicher Offenbarungen. Aus diesen Zeilen geht jedoch nicht deutlich hervor, ob bereits ein persönlicher Kontakt zwischen beiden Seiten bestand. 409 In seinem Traktat Öffentliche Stimme, 1692, B1r, spricht J. W. Petersen von der »Wiederbringung aller Dinge«. 410 Im Briefwechsel mit J. G. Gichtel muss J. E. Petersen die Frage nach dem Verbleib der Verstorbenen angeschnitten haben. Denn der Amsterdamer Theosoph antwortete im Januar 1693, dass er die sonst bei »uns Lutherischen« unbekannte Überzeugung teile, dass Gebete für Verstorbene »auch wol in die Hölle eindringen« könnten, Theosophia Practica 3, 1722, 1924,
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Bereits in J. E. Petersens Anleitung im Jahr 1696 war expressis verbis von der Apokatastasis die Rede, diese bildete jedoch noch kein grundlegendes Element der dort entfalteten Eschatologie. Bei einer sorgfältigen Lektüre fällt auf, dass es etliche Hinweise auf die vermutlich bereits vorhandene Wiederbringungshoffnung der Autorin gibt, dass sie diese jedoch in eine traditionelle Sprachgestalt einkleidet, so dass es sich nicht um ein offenes Bekenntnis zu dieser Lehre handelt.411 So hebt sie die »allgemeine Liebe Gottes«, die im Ewigen Evangelium zur tragenden Argumentationsbasis wird, bereits hier als treibende Kraft bei den eschatologischen Geschehnissen hervor. Diese Liebe »ist so groß/ daß sie alles von dem Verderben erretten will«.412 Gleichzeitig benutzt sie noch die mit der lutherischen Lehre übereinstimmende Sprachregelung, wenn sie von der »völligen Verdammniß« einerseits und der »völligen Herrlichkeit« andererseits spricht.413 Während beide Petersen in ihren gedruckten Schriften auf Knyphausen und Leade414 hinweisen, um die Herkunft ihrer Hoffnung auf eine Erlösung aller zu markieren, nennen beide in diesem Zusammenhang einen Namen auffallenderweise nicht, dem in diesem Kontext vermutlich sogar die größere Bedeutung zukommt. Wie der Briefwechsel Johann Georg Gichtels mit J. E. Petersen dokumentiert, spielten Motive dieses Themenkomplexes bereits zu Beginn der 1690er Jahre eine Rolle. Gichtel selber jedoch votierte nicht eindeutig für eine Hoffnung auf die Erlösung aller Geschöpfe. Nach einer anfänglichen Bereitschaft, diese Idee aufzunehmen und zu verbreiten,415 grenzte er sich im Zuge seiner Abwendung von Leade auch zunehmend heftig gegen alle Denkelemente der Apokatastasis ab.416 Zunächst unterrichtete der Amsterdamer Theosoph seine Briefpartnerin umgehend über die Schriften Leades, die ihm bekannt wurden und deren deutsche Übersetzung sowie Drucklegung er organisierte.417 Da die Freundschaft zwischen Gichtel und dem Ehepaar ep. 13. Gichtel war, wie J. E. Petersen, in einer lutherischen Kirche, und zwar in Regensburg, getauft worden. J. W. Petersen entfaltete in einem Brief an F. Breckling vom 20.10.1697 seine Gedanken über den Zustand der Seelen nach dem Tod, wobei das Stichwort der Apokatastasis panton Verwendung fand, FLB Gotha, Chart B 198, 352r. Vgl. auch J. W. Petersen, Wichtigkeit der Verkündigung, 1696, 10, wo von der »Zeit der Wiederbringung« die Rede ist, »da GOTT durch Christum alles wiederbringen und herrlich zieren würde«; ähnlich: Der Geist Diotrephes, 1697, 37f. In diesem Werk spricht J. W. Petersen bereits von der »Warheit deß ewigen Evangelii«, 77. 411 J. E. Petersen, Anleitung, 1696, Vorrede B1r, 265, 285, 342–353. 412 Ebd., 331. 413 Ebd., 336. 414 In J. W. Petersens Traktat Untersuchung der Gründe, 1705, 7, findet sich ein sehr wohlwollender Verweis auf »die Englische Leade/(die jetzo im HErren entschlaffen/ und den guten Kampff des Glaubens gekämpffet hat/)«. 415 J. G. Gichtel, Theosophia Practica 7, 1722, 148. 416 J. G. Gichtel, Theosophische Sendschreiben 3, 1710, 560, 563, 574. 417 J. G. Gichtel, Theosophische Sendschreiben 2, 1710, 111, 133; Theosophia Practica 3, 1722, 1997f.
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nach 1695 zerbrach, lag vermutlich beiden Petersen daran, diese Spur möglichst zu verwischen.418 Zieht man die brieflichen Mitteilungen Gichtels zur Rekonstruktion von J. E. Petersens Apokatastasis-Lehre heran, dann ergibt sich daraus der Eindruck, dass sie vermutlich bereits seit 1693 mit Leades Positionen vertraut war und mindestens seit 1694 deren Texte kannte. In ihrem Traktat Acht Welten beschreibt Leade, dass es für die Seelen der Verstorbenen verschiedene Aufenthaltsmöglichkeiten gebe.419 Sie unterscheidet dabei vier untere Stufen bzw. Welten, in denen die Sünder sich aufhalten, von den vier oberen, die nur von den Gerechten erreicht werden können.420 Das Ziel bestehe darin, zur letzten Stufe zu gelangen. Allerdings entfaltete sie keine Methodik, wie dieser Aufstieg der Seelen zu bewältigen sei. Den Referenzrahmen für Leades Bilder- und Symbolwelt bilden die kosmologischen Spekulationen Jakob Böhmes, die sie weiterentwickelte.421 Ihre Beschreibung des Verbleibs der Seelen der Verstorbenen deklarierte sie als Ergebnis unmittelbarer Offenbarungen, der Bezug zu biblischen Texten spielt bei ihr dagegen eine untergeordnete Rolle.422 J. E. Petersen hält aus späterer Sicht zwei Punkte fest, an denen sich ihr Konzept der Wiederbringung maßgeblich von dem Leades unterscheide. Zum einen lehnte sie Leades alleinige Berufung auf neue Offenbarungen ab und sah ihr Proprium darin, die Apokatastasis aus der Heiligen Schrift zu entwickeln. Zum anderen nahm sie eine Korrektur in der zeitlichen Abfolge der Wiederbringung vor. Der Satan werde nicht, wie Leade dies erwarte, bereits nach 8000 Jahren erlöst werden, sondern erst nach 50000.423 Obwohl auch J. E. Petersen von der Rettung des Teufels ausgeht, mutet sie diesem eine längere Phase der Bestrafung zu. Diese Zahlenspekulationen fanden keinen Eingang in das Ewige Evangelium.
418 Nach dem Abbruch der Beziehungen formulierten beide Seiten ihre polemischen Abgrenzungen: J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 335–339; J. G. Gichtel, Theosophia Practica 7, 1722, 328. Vgl. hierzu auch J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 649. 419 J. Leade, Acht Welten, 1696, 169–240; dieser Traktat erschien in einem Buch mit anderen Schriften Leades. Wie die beiden Petersen war auch sie von der Hoffnung auf ein unmittelbar bevorstehendes tausendjähriges irdisches Reich geprägt, ebd., 212. 420 Die vier unteren Stufen beschreibt sie folgendermaßen: »Die Erste derselben ist diese sterbliche oder vergängliche und sichtbare Welt; die Andere ist die Astralische oder Lufft Welt; die Dritte ist die Wässerig Elementarische Welt; und die Vierdte ist die feurig finstere Welt«. Die sich hier nach ihrem Tod aufhaltenden Sünder müssen durch »das Mitler=und Versöhnungs Amt Christi des Allmächtigen Erlösers« noch gereinigt werden. Die vier oberen Stufen unterscheidet sie als Paradies, Berg Zion, »Königliche Haupt Residentz« und als Letztes und Oberstes die »Stille Ewigkeit«, 178f. 421 Vgl. hierzu E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 208–255. Zu den englischen Böhme-Übersetzungen des frühen 17. Jh. s. W. Struck, Einfluss, 1935, 142ff; zur gesamten Wirkung Böhmes in England s. N. Thune, Behmenists, 1948. 422 J. Leade, Acht Welten, 1696, 169f. 423 J. E. Petersen, Leben, 1718, 41f; J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 297, kritisiert an Leades Entwurf nur, dass dieser sich »plat auf die Offenbahrung gründete«.
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Während beide Petersen rückblickend diesen einen Traktat Leades als auslösenden Anstoß anführen, bleibt ein anderer unerwähnt, der möglicherweise noch stärker auf J. E. Petersens Ewiges Evangelium eingewirkt hat.424 1697 erschien in Amsterdam in deutscher Übersetzung Leades Schrift Eine Offenbarung der Bottschafft des EWIGEN EVANGELII. In diesem Buch beschreibt die englische Autorin ihre visionären »Gesichte«,425 die sie zur Überzeugung der allgemeinen Liebe Gottes und daraus folgend der Apokatastasis brachten. Jesus Christus selber habe sie zu den Toten geführt, die sich an unterschiedlichen Orten aufhielten; sie habe mit Adam und Eva sprechen können.426 Erst nachdem sie durch das visionäre Erleben von der Wiederbringung überzeugt worden sei, habe sie begonnen, »auch in der Schrifft zu forschen/ was ich etwa/ dasselbe auch äusserlich zu beweisen/ darinnen finden möchte.« Als Schriftstellen werden dann von ihr Röm 5,14; 11,19.21; 1Kor 15,22 und 1Tim 2,6 genannt.427 Auf eine längerfristige Annäherung des Ehepaares Petersen an den Themenbereich der Apokatastasis deuten auch Aussagen Speners hin. Im September 1695 wandte er sich mit der Bitte um Zurückhaltung wegen des »tertio loco« brieflich an J. W. Petersen. Allem Anschein nach befürchtete er, dass J. E. Petersen bereits in ihrer Anleitung zu diesem Thema eindeutig Stellung beziehen könnte.428 Ein Schreiben an A. H. Francke vom Oktober 1695 lässt erkennen, dass der alte Freund der beiden Petersen über deren Sympathie für die Wiederbringungsidee informiert war und sich bemühte, seinen Einfluss dahin gehend geltend zu machen, öffentliche Äußerungen darüber möglichst zu verhindern.429 Aus Speners Formulierung lässt sich schließen, dass bereits 424 J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 1, 1700, Gespräch zwischen Philathea und Agathophilo, 1, nennt diese Schrift sowie das Ewige Evangelium als die wichtigsten Bücher über die Apokatastasis. Zitate aus diesem Text Leades finden sich bei ihm in: Zweyer in einem Geiste abgefaste Antwort, in: ebd., 1700, 127. 425 J. Leade, Offenbarung, 1697, 17; ebd., 16: »Denn ich wol mit Wahrheit sagen mag/ daß ichs nicht von Menschen=Weißheit/ oder aus einer alten Tradition und menschlichen Satzung/ sondern allein aus lautrer Offenbarung der Liebe/ die ihr eigne Tieffen in mir erbrochen/ empfangen habe.« Sie berichtet von mehreren Offenbarungserlebnissen, die sie z. T. genau datiert, ebd., 20. 426 Ebd., 17f. 427 Ebd., 18f. N. Thune, Behmenists, 1948, 206, beschreibt Leades Apokatastasisvorstellung mit folgenden Worten: »In fact, her entire doctrine of apocatastasis . . . is by no means to be considered an expression of a desire for logical consequense, but principally a theology of a kind and compassionate heart«. 428 P. J. Spener an J. W. Petersen, 2.9.1695, Halle AFSt C 146, 487: Er habe gehört, dass in dem vorbereiteten Buch J. E. Petersens sich Aussagen zu diesem Thema fänden und er bitte »um Gottes und der Kirche willen« solche Formulierungen nicht im Druck erscheinen zu lassen. Den Hinweis auf diesen Brief verdanke ich Heike Krauter-Dierolf. 429 Ep. vom 19.10.1695, zit. nach G. Kramer, Beiträge, 1861, 337: »Ich habe deswegen bereits geschrieben, schreibe auch heut nochmal an die liebe Frau Petersin, sie flehentlich bittende, diese sache in ihren comment. über Apocalypsin nicht zu setzen, als woran sich allzuviele, auch gute seelen, mächtig stoßen, und gar von allem abwendig machen laßen würden.«
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zum Zeitpunkt der letzten Vorbereitung für die Anleitung die Apokatastasis zum festen Bestand der Überzeugungen J. E. Petersens gehörte. Falls ihm die Nötigung zur Zurückhaltung nicht gelänge – so Spener weiter an Francke – wolle er eine anonyme Publikation vorschlagen.430 So wie es aussieht, folgte J. E. Petersen dieser Anregung. Ob das Verfahren der anonymen Publikation des Ewigen Evangeliums allerdings allein auf Speners Drängen zurückzuführen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit erweisen; jedenfalls verteidigte dieser anderen gegenüber nach der Veröffentlichung das Verschweigen des Verfassernamens.431 Zeitweise fürchtete Spener, dass auch Francke der neuen Ausrichtung des Ehepaares Petersen folgen könnte.432 Jahre später beklagte Spener noch einmal, dass J. E. und J. W. Petersen seine Warnungen nicht genügend zur Kenntnis genommen hätten; er sei nicht mehr gefragt und einfach vor vollendete Tatsachen gestellt worden, indem ihm das fertige Buch zugeschickt worden sei.433 Ein Brief J. E. Petersens, den sie am 19.3.1698 von Halle aus schrieb und dessen Empfänger nicht vermerkt ist, könnte an Spener gerichtet sein. Die Briefschreiberin sendet nämlich kommentarlos »in eil ein Exempel von dem Ewigen Evangelium«. Zum Inhalt des Druckwerkes fügt sie hinzu: »Es ist zur Ehre Gottes dessen erkenntnis zu diesen zeiten besser alß in den vorigen zeiten bekand werden muß. Da dem teuffel solche macht zu geschrieben worden, daß er mehr als hundert mahl so viel bekommen als der, so schöpfer aller seiner creaturen ist. Die Zeit der unwissenheit ist vorbey«.434 Das Ewige Evangelium erschien anonym,435 wurde jedoch bereits in den ersten veröffentlichten Repliken den beiden Petersen zugeschrieben, manchmal 430 Ebd., 337. 431 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 666f. 432 Spener an Francke, 31.12.1695: »will doch nicht glauben, das geliebter Bruder auch die reinigung der seelen und vergebung nach dem tode statuieren werde. . . . Auffs wenigste wolte nicht, das geliebter Bruder darvon gegen iemand meldung thäte«, zit. bei G. Kramer, Beiträge, 1861, 342; vgl. auch 343–345. 433 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 666: Er könne berichten, »daß diese meinung der guten freunde/ welche in solchem tractat behauptet wird/ meistentheils denselben schon zimliche zeit/ sonderlich was den statum intermedium anlanget/ beygewohnet/ also daß ich mehrere jahre mit aller sorgfalt und so viel ich vermochte/ sie davon abzuhalten getrachtet/ daß sie darmit aufs wenigste nicht ausbrechen und so viele motus, die ich daraus billich besorgte/ veranlassen möchten: auch hat man mir eine zeitlang gefüget/ bis man endlich dafür gehalten/ man könte die von GOtt empfangene warheit nicht länger mehr hinterhalten/ sondern müste sie endlich offentlich vorstellen.« In demselben Brief gab Spener zu verstehen, dass auch seiner Meinung nach einige biblische Textstellen so aufgefasst werden könnten, als ob sie für einen »mittlern Stand« sprächen; in Bezug auf die Wiederbringung habe er jedoch größere Vorbehalte, ebd., 667. 434 J. E. Petersen, AFSt A 140, 36r-v. Eventuell könnte in dieser Briefnotiz ein Hinweis auf den Druckort des Buches liegen, da die Verfasserin von Halle aus den Traktat und den Brief abschickte. 435 Auf dem Titelblatt ist lediglich von einem »Mit=Gliede D.Ph.G.« die Rede; das gleiche
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ihm, manchmal ihr.436 Obwohl J. E. Petersen sich an keiner Stelle ihres gedruckt erhaltenen Werkes zu ihrer Verfasserschaft ausdrücklich bekannte, lässt zum einen die inhaltliche Argumentation unzweideutig ihre Handschrift erkennen. Zum anderen gibt es eindeutige Aussagen J. W. Petersens zu dieser Frage. In einem Brief vom September 1698, der allerdings erst 1749 publik gemacht wurde, erwähnt er einen Traktat seiner Ehefrau, bei dem es sich nur um das Ewige Evangelium handeln kann.437 Im dritten Band des Mysterion Apokatastaseos spricht er an mehreren Stellen zunächst noch zurückhaltend von der Übereinstimmung mit seiner Ehefrau in Bezug auf die allgemeine Wiederbringung.438 Dieser Band enthält ferner eine Entgegnung auf Valentin Ernst Löscher, der in den Unschuldigen Nachrichten die Apokatastasis als Irrlehre hingestellt hatte.439 Im Laufe dieser Erwiderung bezeichnet J. W. Petersen seine Ehefrau zum ersten Mal öffentlich ausdrücklich als Verfasserin des Ewigen Evangeliums.440 In späteren Schriften wiederholt er, dass dieser Traktat »aus Kryptonym begegnet am Ende der Vorrede, J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 19. Aufgelöst werden kann dieses Kürzel als: Mitglied der Philadelphischen Gemeinde. 436 J. W. Pistorius, Das ewige Zorn=Gerichte, 1700, 4, der anscheinend keinen Zugang zu pietistischen Interna hatte, sprach von einem männlichen Verfasser im Umkreis des Ehepaares Petersen. V. E. Löscher, Vollständiger Timotheus Verinus 2, 1726, 757, und J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 763f, halten J. E. Petersen für die Verfasserin; vgl. auch ebd., 2, 1733, 640; ähnlich: C. Mylius, Bibliotheca Anonymorum, 1740, 273. GVUL 27, 1741, 1052, referiert lediglich die nicht geklärte Verfasserschaft, ohne ein eigenes Urteil abzugeben. AGL 3, 1751, 1425, führt das Ewige Evangelium unter den Schriften J. E. Petersens an. Bis in die neuere Forschung lassen sich diese unterschiedlichen Zuschreibungen verfolgen: A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 244, Anm. 2, schreibt über den Beginn der Apokatastasis-Lehre bei J. W. Petersen: »Die erste Schrift von Petersen über dieses Thema, welche seine Frau verfaßt haben soll: ›Das ewige Evangelium . . .‹ erschien 1700.« K. Lüthi, Allversöhnungslehre, 1956, 362, schreibt, dass dieses Werk vielleicht von J. E. Petersen stamme; E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 232, und M. Matthias, Petersen, 1993, 384, rechnen diesen Traktat zu den Werken J. W. Petersens. J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 90, führen dieses Buch unter der Kategorie der nicht mit Sicherheit J. E. Petersen zurechenbaren Werke. W. Nordmann, Eschatologie, 1931, 2, Anm. 2, schreibt: »An der Verfasserschaft der Frau kann nach Stil und Bezeugung keinerlei Zweifel sein«; genauso votieren B. Becker-Cantarino, Der lange Weg, 1989, 123, und M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 18f. 437 Die Unschuldigen Nachrichten 1749, 203–206, drucken einen Brief J. W. Petersens an Ferdinand Helferich Lichtscheid ab, der am 20.9.1698 in Niederndodeleben verfasst wurde. Hierin geht es um mitgeschickte Bücher, die die Wiederbringung zum Inhalt haben. J. W. Petersen schreibt: »davon auch beygelegter Traktat, so meine Johanna, quod tamen sub rosa, auf gesetzet, davon ich gerne meines vielgeliebten Bruders Christliche Gedancken hören mögte«, 203. 438 J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, Vorrede )(2r; Mystische Hall-Jahrs-Posaune in demselben Band, 4, 21. 439 J. W. Petersen, Gründliche Antwort, in: Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 204, weist zunächst auf die Gemeinsamkeiten hin, die zwischen ihm und seiner Ehegattin bestehen: »Ich und meine Liebste aber wissen in Göttlicher Gewißheit/ daß die Lehre von dem in der siebenden Posaune zu erwartenden Reiche/ darinnen die Wiederbringung aller Dinge/ in Vollendung der Gemeine der Erstgebohrnen/ den Anfang nimbt/ . . . eine ewige Wahrheit sey«. 440 Ebd., 207: »das Buch meiner Eheliebsten«; vgl. auch Unschuldige Nachrichten 1718, 913.
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meiner Feder nicht geflossen«, sondern dass seine Frau dieses Buch geschrieben habe.441 Die Zusammenarbeit beider schlug sich beim Ewigen Evangelium darin nieder, dass J. W. Petersen mit großer Wahrscheinlichkeit als Verfasser der Vorrede anzunehmen ist. J. E. Petersen, obzwar zunächst verdeckt, übernahm die Vorreiterrolle, um das Thema der Apokatastasis in den öffentlichen Diskurs einzubringen. J. W. Petersen wahrte ebenfalls in den ersten Jahren seine Anonymität und unterstützte die Verbreitung der Wiederbringungsidee mit einer Flut von erläuternden und kämpferischen Publikationen. Das dreibändige Folio-Werk Mysterion Apokatastaseos stellt seinen bedeutendsten Beitrag zu diesem umstrittenen Aspekt der Eschatologie dar.442 Das Ewige Evangelium nimmt den Verbleib der Verstorbenen als Ausgangspunkt, um für eine über den Tod hinausreichende Möglichkeit der Bekehrung zu plädieren, die auf eine Erlösung aller Geschöpfe abzielt. Der Traktat lässt keinen Zweifel daran, dass das Interesse am Aufenthaltsort der Toten eingebunden ist in die Hoffnung auf die Wiederbringung aller. Wie in ihren anderen Büchern auch präsentiert J. E. Petersen ihre Ansicht von der Wiederbringung zunächst allein als Auslegung von biblischen Texten. Der Name Jane Leades oder anderer Repräsentanten der Apokatastasis kommt im Ewigen Evangelium nicht vor. Das Stichwort des ewigen Evangeliums,443 unter 441 J. W. Petersen, Untersuchung, 1701, 37; Geheimniß der siebenden Posaune, 1719, 133f, 166; Lebens=Beschreibung, 1719, 297: Ihnen beiden sei gemeinsam die »Wahrheit des ewigen Evangelii« offenbart worden, seine Frau habe jedoch als Erste »davon was in Octav aufgesetzet, und solches zum Druck übergeben, welches ich darnach in dreyen Tomis in Folio vertheidiget habe«. Ferner ist zu berücksichtigen, dass J. W. Petersen in seinem Bücherverzeichnis das Ewige Evangelium nicht erwähnt, Lebens=Beschreibung, 1719, 368–402. 442 Bd. 1, 1700 und Bd. 2, 1703, erschienen anonym, erst in Bd. 3, 1710, Vorrede, bekannte sich J. W. Petersen zu seiner Autorschaft für alle drei Bände. Neben eigenen Traktaten und denen seiner Ehefrau druckte er u. a. Texte von Georg Paul Siegvolck, Bd. 1, und Christoph Seebach, Bd. 3, 468–479, ab. Diese beiden erwähnte er in Bd. 3, Mystische Hall-Jahrs-Posaune, 21, als »theure Zeugen« der Wiederbringung. J. W. Petersen sah nach eigenen Angaben, Untersuchung, 1701, 37f, den Zweck der Herausgabe des ersten Bandes darin, den Widerspruch gegen das Ewige Evangelium durch seine literarische Unterstützung zum Schweigen zu bringen. GVUL 27, 1741, 1051, schreibt ein Werk mit dem Titel Geheimniß der Wiederbringung aller Dinge der Autorschaft J. E. Petersens zu. Dabei kann es sich nur um das Mysterion Apokatastaseos handeln; diese Zuschreibung war im 18. Jh. nicht verbreitet und wurde auch nicht weiter diskutiert. G. Müller, Identität, 1968, 331, erwähnt in seiner Bibliographie zur Apokatastasis dieses Werk als die »materialreichste Stoffsammlung in deutscher Sprache«. Weitere Titel der beiden Petersen führt er nicht auf. Zum Mysterion Apokatastaseos s. auch J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 641–648. J. E. Petersen, Einige Send=Schreiben, 1714, 67, wies auf dieses Werk ihres Ehegatten hin. 443 Bei F. Brecklings Ewiges Evangelium, 1660, handelt es sich um eine der Anklageschriften dieses Autors, der die Kirchen wegen ihres nicht-christlichen Lebenswandels heftig kritisiert. Breckling vertrat keine Apokatastasis-Hoffnung. Ob dieser Titel als Vorlage eine Rolle für J. E. Petersens Werk spielte, lässt sich nicht nachweisen.
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dem dieser Traktat berühmt wurde, bezieht sich auf Apk 14,6, wo von einem Engel die Rede ist, der allen Nationen auf Erden ein ewiges Evangelium zu verkünden hat. In Vers 7 heißt es, dass er dazu auffordert, Gott zu fürchten und ihm die Ehre zu geben. J. E. Petersen hingegen entnimmt diesen Versen, dass das ewige Evangelium des Engels die Botschaft der Wiederbringung enthalte.444 Sie konstruiert eine Abfolge von drei Evangelien, die »nach der Oeconomie der Zeiten« den Menschen in jeweils unterschiedlicher Zuspitzung das Heil vermitteln. Die in den neutestamentlichen Schriften enthaltene Heilsbotschaft versteht sie dabei als Evangelium vom Glauben, das Evangelium vom Reich umfasst den Chiliasmus. Indem sie drei Evangelien postuliert, wertet sie die von ihr vertretenen, in der Kirche jedoch umstrittenen, Überzeugungen zu einer Heilsbotschaft auf. »Daß aber das ewige Evangelium die Wiederbringung aller Dinge in sich fasse/ ist selbst in der Benennung ausgedruckt/ zum Unterschied des Evangelii vom Glauben/ das nach Auffahrt CHristi verkündiget würde/ und des Evangelii vom Reich/ das bereits erschollen/ darauff dieses ewige Evangelium folget/ nicht als ein anderes/ welches seiner Natur nach/ mit dem ersten stritte.«445 J. E. Petersen qualifiziert mit dieser Postulierung von drei Evangelien ihre eschatologischen Deutungen als heilsnotwendige Verkündigungsinhalte. Der Traktat von insgesamt 144 Druckseiten im Oktavformat, der ohne Angabe von Drucker oder Druckort erschien, setzt ein mit einer Vorrede, die mutmaßlich von J. W. Petersen verfasst wurde.446 Dieses Vorwort weist auf den beschränkten Themenausschnitt des Textes hin, es werde vornehmlich der Weg der Menschen verfolgt, die während ihres irdischen Lebens den Glauben nicht angenommen haben.447 In der ihnen nach dem Tod eingeräumten Chance, die Seligkeit doch noch zu erlangen, liege die gedankliche Basis
444 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 8, 91, 94. J. Roloff, Offenbarung, 1987, 152, schreibt zu der Verwendung des Evangelium-Begriffs in Apk 14,6: »Hier dürfte vielmehr ein alter palästinisch-judenchristlicher Sprachgebrauch vorliegen, der hinter das paulinische Verständnis von euangelion (= Heilsbotschaft von Christus) zurückgreift und unmittelbar an Jes. 52,7 anknüpft. Nach ihm ist euangelion die Botschaft vom Kommen Gottes zu Gericht und Heil, die Ankündigung des Herolds, daß Gott sich anschickt, seine Welt für sich wieder in Besitz zu nehmen«. J. E. Petersen verwendet in diesem Traktat unterschiedliche Formulierungen um die Apokatastasis zu bezeichnen: Wiederbringung aller Dinge, 79, 84, 90, 94, Wiederbringung, 80, 91, 101, Wiederherstellung aller Dinge, 84, allgemeine Versöhnung, 92, Wiederersetzung, 100, allgemeine Wiederbringung aller Creaturen, 78, 102, Wiedererstattung aller Geschöpfe und Kreaturen Gottes, 19; vgl. ferner ebd., 3, 8, 10. 445 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 94f. 446 Ebd., 3–10; diese Vorrede ist unterzeichnet mit dem Kryptonym A. C. L., 10. Etliche Beispiele der Kirchengeschichte mit Verweisen auf Augustin, Ambrosius, Chrysostomus, Irenäus, Origenes sowie Bernhard von Clairvaux werden angeführt, 3,7. Diese Kenntnisse sprechen für J. W. Petersen als Verfasser der Vorrede. Im weiteren Text J. E. Petersens hingegen wird nur einmal summarisch auf die gottseligen Väter verwiesen, die »schon vor Alters« die Überzeugung von einem besonderen Aufenthaltsort der Toten geteilt hätten, 72. 447 Ebd., 9.
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für die Erwartung der allgemeinen Wiederbringung. Unterstrichen wird, dass das Ewige Evangelium aus »Christlicher und demüthiger Forschung der gerühmten H. Offenbahrung Johannis« entstanden sei.448 Eine weitere Vorrede, die »Treuhertzige Warnung an den Leser«, trägt die stilistische Handschrift J. E. Petersens und geht auf die mit der Apokatastasis verbundenen möglichen Missverständnisse ein.449 Die Gewissheit der allgemeinen Wiederbringung dürfe nicht zu einer falschen Sicherheit verführen, als ob für die Umkehr noch ewige Zeiten zur Verfügung stünden. Wie in ihren bisherigen Schriften fordert die Verfasserin in der für sie typischen Manier eindringlich zur Buße auf, da sie weiterhin von einer Rangfolge der Bekehrten ausgeht. Nur wer zu Lebzeiten in der Nachfolge Christi Leiden auf sich genommen habe, werde vor dem Gericht Gottes bewahrt und könne seiner Errettung sicher sein.450 Die Autorin nennt die von ihr propagierte Erkenntnis eine »heilsame Lehre«, deren Ablehnung den Zorn Gottes nach sich ziehen werde.451 Der Hauptteil des Ewigen Evangeliums argumentiert zunächst für einen Zwischenstatus derjenigen, die nicht als Gläubige und Wiedergeborene gestorben sind.452 Diese sollen nach J. E. Petersen die Möglichkeit erhalten, sich in diesem mittleren Zustand, der weder als Leben noch als Tod zu begreifen sei, zu bekehren.453 Der umfangreichste Teil des Traktates besteht aus der Beantwortung von Einwänden, die sowohl gegen das Plädoyer für den Zwischenzustand als auch gegen die Apokatastasis-Lehre erhoben worden waren.454 Wie in an448 Ebd., 9. Die Vorrede bezeichnet die Verfasserin des Traktates als »eine gottselige Person«, »die geliebte Person« sowie die »liebe Person«, 8–10. 449 Ebd., 11–19. 450 Ebd., 11–13. Joh 5,24 bildet einen oft zitierten Beleg, auf den sich die Autorin für diese Vorstellung beruft, 35, 50, 55, 57, 64, 75f. Das Stichwort der »Erstgeburth« sowie die Motive von Priestertum und Königtum werden ebenfalls auf diese Gruppe der Gläubigen bezogen, 64, 73. 451 Ebd., 11, 14. 452 Ebd., 20–34. 453 Die Unschuldigen Nachrichten 1703, 833–845, rezensieren einen anonymen Traktat, der die gleiche Auffassung vertritt: Betrachtung von dem mittlern Zustand der Seelen/ nach ihrem Abschied, 1703. Dieses Werk wird mit J. W. Petersens Mysterion Apokatastaseos in Zusammenhang gebracht, als Autor wird G. Arnold vermutet, 834. In diesen Betrachtungen wird an einigen Stellen auf Bücher Arnolds verwiesen, 8, 23, 29. Ähnlich wie bei J. E. Petersen gilt Luther als Befürworter einer Veränderung des Status auch noch nach dem Tode, 29, 43f. Die Annahme des Fegefeuer wird wie im Ewigen Evangelium sehr kritisch beurteilt, 33–38. Nach den Angaben von J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 4.2, 1736, 1123, war Johann Otto Glüsing der Verfasser dieses Traktates, der 1725 in einer erweiterten Auflage erschien. 454 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 34–102. Diese Ausführungen machen den Eindruck, als ob J. E. Petersen auf Anfragen und Bedenken eingeht, die ihr mündlich oder schriftlich entgegengehalten wurden. Denkbar ist, dass sie einen Entwurf des Manuskriptes an Freunde und Gesprächspartner verteilt hatte. Zu diesem Teil des Ewigen Evangeliums merkte Spener kritisch an, »daß nemlich eine meinung noch nicht genug bestätiget seye/ wann auf viele einwürffe
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deren Fällen auch, beließ J. E. Petersen ihre Überzeugung in einer literarisch uneinheitlichen Form, ohne daraus ein durchgestaltetes Textkorpus zu schaffen.455 Bereits in ihren Schriften zum Chiliasmus hatte J. E. Petersen die Idee eines zweifachen Gerichtes verfochten: Eines sollte am Beginn der tausend Jahre stattfinden, das zweite nach Ablauf dieser Frist.456 Im Ewigen Evangelium wandte sie sich gegen die im 17. Jh. verbreitete Annahme, dass sich das Gericht bereits unmittelbar nach dem Tod der Einzelnen ereigne.457 Denn sowohl in der Frömmigkeit als auch in der theologischen Lehrbildung hatte sich der Schwerpunkt von der universalen Eschatologie zugunsten des »iudicium particulare« verschoben, obwohl weiterhin das Jüngste Gericht als endgültige Entscheidung über Heil oder Unheil erwartet wurde.458 Die von der lutherischen Orthodoxie ausgebildete Lehre ging davon aus, dass die Seelen in einer Art von Vorgericht unmittelbar nach dem von Gott getroffenen Urteil entweder zu Gott oder in die Hölle kamen.459 Die leibliche Auferstehung wurde erst als Folge des Jüngsten Gerichtes angenommen.460 J. E. Petersen wich insofern von dieser Vorstellung ab, als sie das individuelle Urteil nur für die Erwählten gelten ließ und für die Unbekehrten auch nach dem Tod das Fortbestehen der Zusammengehörigkeit von Leib und Seele postulierte.461 Auf diese Weise wollte sie erreichen, dass die unbekehrt geantwortet wird.« Er bedauerte, dass in dem Traktat zu viel Gewicht auf die Bestätigung des Neuen gelegt worden sei und viel zu wenig auf eine gründliche Auseinandersetzung mit »der bisherigen gemeinen lehre«, Brief vom 24.4.1699, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 667. 455 Dies ist auch der Fall in ihrem Buch Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711. V. E. Löscher attackierte neben dem Inhalt des Ewigen Evangeliums auch diese literarische Gestalt. J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 206, führte dagegen zur Verteidigung seiner Ehefrau an, sie habe dieses Buch »ordentlich gnug geschrieben/ ob es nicht gleich secundum quatuor causarum genera, oder auch nach Aristotelischer Art ausgeführet ist.« Das Werk, »so wohl mit zimlicher moderation, und vielen Zeichen der Gottseligkeit geschrieben/ auch allerhand Merckmahle der Gelehrsamkeit blicken lasse«, verdiene es, genau untersucht zu werden, ebd., 207. 456 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 28. 457 Ebd., 28. Nicht nur die lutherische Orthodoxie vertrat diese Auffassung, auch Spener ging davon aus: »Es folgt nach dem abscheid nur entweder seligkeit/ oder verdamnus; . . . aufs wenigste sind gradus und stuffen der seligkeit und verdamnus«, P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 277, undatierter Brief. 458 Vgl. hierzu W. Joest, Dogmatik 2, 1987, 617. Erst für das letzte Gericht wurde die Wiedervereinigung von Leib und Seele angenommen, bis dahin ruhe der Leib in der Erde, die Seele jedoch entweder bei Gott oder in der Hölle. Luther hatte vom Tod eher als von einem Zustand des Schlafes gesprochen, s. E. Hirsch, Hilfsbuch, 1964, 263. 459 Vgl. hierzu H. Schmid, Dogmatik, 1979, 394–401. 460 Ebd., 401–407. In den eschatologischen Schriften von Johann Matthäus Meyfart (1590– 1642) spiegelt sich dieser Erwartungshorizont, der den eigenen Tod als Entscheidungssituation aufgewertet hat, wieder, s. E. Trunz, Meyfart, 1987, 113–162. 461 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 30f. Berichte von Geistern und Erscheinungen von Verstorbenen bilden ihrer Meinung nach ein weiteres Indiz für die Annahme dieses Zwischenzustandes, ebd., 34. Aus Apk 20,13–15 schloss sie, dass die dort erwähnten Begriffe Meer, Tod und Hölle unterschiedliche Aufenthaltsorte der Toten bezeichneten, 20f. Mt 5,25, wo von
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Verstorbenen von der Gnade Christi erreicht werden könnten. Allerdings hätten diese lange Phasen der Strafen zu bestehen, bevor die Gnade an ihnen wirksam werde.462 J. E. Petersen war sich darüber im Klaren, dass ihr Plädoyer für eine Veränderung des Gnadenstandes auch noch nach dem Tod in große Nähe zur katholischen Lehre vom Fegefeuer kam.463 Mit scharfer Polemik gegen die katholischerseits vertretene Möglichkeit, durch gute Werke anderer diesem Läuterungsfeuer zu entkommen, versuchte sie eine Abgrenzung zu markieren.464 Ihrer Auffassung nach bestand der fundamentale Unterschied zwischen ihrer Konzeption und der der römisch-katholischen Kirche darin, dass sie selbst an der Bedeutung der Gnade Christi für die Erlösung auch der Verstorbenen keinen Zweifel lasse.465 Im Gegensatz zur scharfen Grenzziehung gegenüber den Katholiken hoffte J. E. Petersen hingegen, den Reformierten eine Verständigungsmöglichkeit anzubieten, da nach ihrer Meinung die Wiederbringungsidee die innerreformatorischen Streitigkeiten hinsichtlich der Prädestination beseitigen könne.466 J. E. Petersens Konzeption der Wiederbringung bemüht sich durchaus darum, die strafende Gerechtigkeit Gottes als Element der traditionellen Lehre zu wahren. Den Gesichtspunkt von Gottes allumfassender Liebe, die sich schließlich durchsetzen werde, betrachtet sie jedoch eindeutig als den Leitgedanken ihrer Gottesvorstellung.467 Es ging ihr keineswegs darum, eine für alle Menschen ohne Anstrengungen zu erreichende Erlösung zu fordern. »Und einem Gefängnis die Rede ist, jedoch nicht von Toten, diente ihr als weiterer Beleg für Orte der Toten, ebd., 20. 462 Ebd., 13f. Die Autorin fordert die Leser auf, sich vorzustellen, »wenn endlich dein Leben in solchem ohnbekehrten Wesen oder Zustand sich endiget/ dein Leib und Seel verderbet werde in der Hölle«. 463 Zur Entstehung dieses Topos s. E. Koch, Fegfeuer, 1983; W. Sommer, Untergang der Hölle, 1999, 179f. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 231f, macht auf die Idee eines reinigenden Feuers für die Seelen bei J. Böhme aufmerksam. Zu den lutherischen Abgrenzungen gegen dieses von der römisch-katholischen Kirche vertretene Modell s. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 169–171; 2, 1734, 377–387. 464 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 26f, 103–105. 465 Ebd., 58–61. Der Rechtfertigung durch Christus werde kein Abbruch getan, da die Menschen durch ihre Leiden nicht das Heil verdienten, sondern durch die Qualen der Gerichte nur »mürbe« gemacht und so zu Christus hingetrieben würden, der dann seine Gnade an ihnen wirksam werden lasse, 60. Ähnlich argumentiert J. W. Petersen, Untersuchung der Gründe, 1705, 197. 466 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 95–102. Diese Idee der Überwindung konfessioneller Abgrenzungen wird weiter ausgeführt in ihrer Schrift Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711. Zum Unterschied zwischen calvinistischer und lutherischer Prädestinationslehre s. F. Mildenberger, Theologie, 1983, 156–158. 467 W. Sommer, Untergang der Hölle, 1999, 182, weist darauf hin, dass diese Argumentation bei Pietisten verbreitet war. Die Gegner hielten dem Ehepaar in den Kontroversen um die Apokatastasis gerade diesen Punkt vor, dass sie sich beide ausschließlich auf die Liebe Gottes beriefen, s. J. W. Petersen, Zweyer in einem Geiste abgefaste Antwort, in: Mysterion Apokatastaseos 1, 1700, 20.
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wer da lehren wolte/ daß Gott die muthwilligen Sünder nicht straffen würde/ der hat eine verfluchte böse Lehre/ damit ich keine Gemeinschafft habe.«468 Auf diese Weise versuchte sie, die Anknüpfung an die lutherische Dogmatik aufrechtzuerhalten. Ihr pietistischer Rigorismus macht sich gerade darin bemerkbar, dass sie die viel zu schnelle Verwendung der Formel des seligen Todes durch die meisten Geistlichen kritisiert.469 Durch die Hervorhebung der von ihr als Erstgeburt bezeichneten Auserwählten und durch die Annahme von unterschiedlichen Orten auch für die gläubig Gestorbenen konstruierte sie eine Hierarchie der Geretteten.470 Die Argumentation für die Apokatastasis erfolgt bei J. E. Petersen sowohl von der Gotteslehre als auch von der Christologie her. Das theologische Hauptargument liegt für sie in der Liebe Gottes, die sich in ihrer Kraft gerade auch an der Einbeziehung des Teufels erweisen müsse. Als zweiten Hauptgesichtspunkt führt sie an, dass die Erlösung durch Christus ihre wahre Bedeutung erst zeige, wenn sie alle Menschen umfasse, und nicht nur wie bisher angenommen einen kleinen Teil.471 Die Einbeziehung des Teufels bildete von vornherein einen integralen Bestandteil der von J. E. Petersen vertretenen Wiederbringungsidee.472 Sie sah diesen nicht als Inbegriff der Gott feindlichen Mächte, sondern als ein gefallenes Geschöpf Gottes, das zu der Gesamtheit der Kreatur dazugehört. Apk 21,5 bildete für sie dabei einen der biblischen Belege. Nicht als Teufel solle der Teufel erlöst werden. »Nachdem man aber erkennet/ daß der Teuffel erst müsse gantz vernichtet werden/ und kein Teuffel mehr seyn/ ehe der gefallene Engel wieder zu Gnaden kommen kan; so kan es uns eben so wenige befrembden/ oder abscheulich vorkommen/ als wenn wir hören/ daß der gefallene Mensch/ der ein Kind des Zorns und der Finsterniß gewesen/ wieder zur Seeligkeit gelanget.«473 Ein als Anhang bezeichneter Teil des Ewigen Evangeliums enthält neben der Zusammenstellung und Kommentierung von Bibelstellen474 ein »Verzeichniß« von Luther-Texten,475 das die Autorin mit folgenden Worten einleitet: Aus 468 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 40. 469 Ebd., 47. 470 Ebd., 52; 102: »Siehe/ geliebter Leser/ das ist nun die kurtze Vorstellung der Wiederbringung aller Creaturen/ wie solche nach und nach geschiehet durch Aufflösung der unterschiedlich=gefänglichen Behältnisse der noch ungeheiligten und zum Gericht behaltenen Geister und Seelen/ welche den lieblichen und vielen Wohnungen der im HERRN entschlaffenen Heiligen und Gerechten (Psalm 84/v.2. Joh.14/v.2.) entgegen gesetzet werden.« 471 Ebd., 55–58. 472 Ebd., 79–82, 89–93. Zur Problematik des Bösen s. J. B. Hygen, Das Böse, 1981; B. J. Claret, Geheimnis des Bösen, 1997. 473 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 91. 474 Ebd., 108–114. 475 Dabei handelt es sich um Äußerungen Luthers über das Fegefeuer sowie um Auslegungen von Bibelstellen, die den Verbleib der Toten zum Inhalt haben. In geradezu strikter Entgegensetzung zu J. E. Petersens Interpretationen warnt der Reformator davor, die bildlichen Andeu-
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den Zitaten sei zu ersehen, »daß/ obgleich der sel. Mann GOttes zu seiner Zeit noch kein gnugsam unterschiedenes und gewisses Erkäntniß von dem Zustande der Seelen nach dem Tode gehabt/ er dennoch von dieser und andern verwandten Materien bereits nach seinem Maaß viele Wahrheit gesehen/ und dahero zu besondern Nachdencken an verschiedenen Orten davon geschrieben habe.«476 Zwar behauptete J. E. Petersen nicht direkt, dass Luther die Apokatastasis vertreten habe, aber der Ansatz dafür sei bei ihm vorhanden gewesen. Diese Inanspruchnahme Luthers für Positionen, die in den Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche als häretisch verurteilt worden waren, musste die lutherischen Gegner empören.477 Das geschah auch, denn J. H. Feustking verfasste gegen diesen Teil des Ewigen Evangeliums eine Protestschrift.478 Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Ewigen Evangeliums protestierte er im Namen der rechtgläubigen Lutheraner gegen diese Vereinnahmung Luthers. Es sei die Verpflichtung seines Berufes, »diesen Zeug[en] des lebendigen Gottes wieder einen unbenanten Hohnsprecher« zu verteidigen.479 Die Identität der Verfasserin scheint ihm zu diesem Zeitpunkt noch verborgen gewesen zu sein.480 Für Feustking steht ohne jeden Zweifel fest, dass Luther die Apokatastasis »in ihrem eigendlichen Sinn und Verstand vielmehr verworffen/ als bestätiget habe.«481 Der 68seitige Traktat entwirft zunächst eine tungen der Bibel in theoretische Konstrukte zu übertragen. Der als Abschluss abgedruckte Brief an Hans von Rechenberg, WA 10.2, 322–326, belegt Luthers eindeutige Ablehnung der Apokatastasis. Allerdings räumt Luther ein, dass Gott auch noch ganz anders handeln könne. Zu der Frage, »ob auch die, so on glawben sterben, gott müge oder werde selig machen« äußert Luther: »Wer wolt daran zweyffeln, das er das thun kunne. Aber das ers thue, kan man nicht beweyßen«, ebd., 325; J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 140. Genau in diesem Punkt besteht die Differenz zwischen Luther und J. E. Petersen, dass sie nämlich der Meinung war, diesen Erweis führen zu können. 476 J. E. Petersen, Ewiges Evangelium, 1698, 114; das Verzeichnis reicht bis 144; vgl. auch ebd., 27. 477 Vergleichbares geschah bei B. P. Karl, der zwei Schriften Luthers für seine radikal-pietistischen Auffassungen in Anspruch nahm, s. M. Schmidt, Pietistischer Katechismus, 1974, 43. In seinem Buch von 1706, Catechismus ex Catechismo, wollte Karl die Übereinstimmung des Kleinen Katechismus Luthers mit seiner mystisch-spiritualistischen Auffassung zeigen. »Die lutherische Orthodoxie mußte nicht nur in den vorgetragenen Anschauungen, sondern noch mehr in dem Verfahren, Luther als Gewährsmann zu bemühen, einen direkten Angriff auf ihre heiligsten Güter und auf ihre Treue gegen das reformatorische Erbe sehen«, ebd., 43. 478 G. Arnold besaß nach Ausweis seines Bibliothekskatalogs ein Exemplar dieses Werkes von Feustking, s. G. Arnold, Catalogus, 1714, 48, Nr. 216; s. hierzu H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 492, Anm. 91. J. W. Petersen kam später auf diese Sammlung von Luther-Texten zurück und sprach dabei von einem gemeinsamen Werk. Er verteidigte sich und seine Frau und unterstrich, dass sie »in diesem Stücke Lutherum dem Luthero entgegen setzen« würden, Mysterion Apokatastaseos 2, 1703, Vorrede )()()(v. 479 J. H. Feustking, Abgenöthigte Rettung, 1699, 67. 480 Er spricht von »Neuling«, »Scribent«, »Gegener« und »Wiederpart«, ebd., Zuschrifft, 6, 13, 21. 481 Ebd., 3.
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Hermeneutik zum Umgang mit den Schriften des Reformators, die auch nach Feustkings Sicht z. T. durchaus missverständlich sind, um dann die einzelnen Interpretationen des Ewigen Evangeliums zurückzuweisen. Obwohl keine Angaben über die Höhe der Druckauflagen zu eruieren waren, gehört das Ewige Evangelium zu den Schriften J. E. Petersens, die eine ausgesprochen schnelle und weite Verbreitung erfuhren. Drei Druckausgaben lassen sich nachweisen: eine noch im selben Jahr 1698, eine in separater Form 1699 und eine weitere im Rahmen des ersten Bandes von J. W. Petersens Mysterion Apokatastaseos aus dem Jahr 1700.482
3.2.3 Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701 Ebenfalls anonym erschien 1701 ein Text, der das Ewige Evangelium namentlich gegen den Hamburger Pastor und alten Jugendfreund Johann Winckler verteidigte, und der aufgrund inhaltlicher und stilistischer Kriterien auch eindeutig J. E. Petersen zugewiesen werden kann.483 Winckler reagierte in der Öffentlichkeit auf die theologische Entwicklung seiner früheren Weggefährtin kritisch, ohne sie jedoch mit scharfer Polemik zu behandeln.484 482 Die beiden Drucke von 1698 und 1699 nennen ebenfalls keinen Erscheinungsort, s. dazu die Werkbibliographie. Nach dem Ausweis des Bibliothekskataloges besaß G. Arnold das Ewige Evangelium in einer Ausgabe von 1698 sowie die ersten beiden Bände von J. W. Petersens Mysterion Apokatastaseos – im Katalog bezeichnet als Wiederbringung aller Dinge, Arnold, Catalogus, 1714, 4, Nr. 94–95; 44, Nr. 184. 483 Der Traktat umfasst 42 Druckseiten im Folioformat, dazu kommt eine anderthalbseitige Vorrede. Wieder abgedruckt wurde diese Schrift im zweiten Band des von J. W. Petersen herausgegebenen Mysterion Apokatastaseos, 1703. Im Titel und am Schluss der Vorrede erscheint dasselbe Kryptonym, das auch beim Ewigen Evangelium die Autorschaft angibt bzw. verhüllt: »Ein Mitglied der Philadelphischen Gemeine« bzw. »E. M. G. D. P. G.«. J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 643, referierte über diese Schrift, dass sie, »wie man gemuthmasset, von der Frau D. Petersin aufgesetzet.« Als eigene Beobachtung fügte er hinzu, dass im Vergleich zu J. W. Petersens Erwiderung auf J. Winckler »die Schreib=Art gelinder und sanftmüthiger« sei. J. Mylius, Bibliotheca Anonymorum, 1740, 278, meint vermutlich auch diesen Traktat, obwohl er den Titel in einer etwas anderen Fassung wiedergibt: Erwegung des Ewigen Evangelii. Die Autorin sei »sine dubio domina Petersin«. In späteren Jahren äußerte sich J. W. Petersen, Geheimniß der siebenden Posaune, 1719, 166, auch zu der Verfasserschaft seiner Ehefrau in Bezug auf diesen Traktat; sie habe den »exclamationes des Hamburgischen Wincklers« geantwortet und ihn widerlegt. Ein Indiz für die Identifizierung der Verfasserin liegt auch darin, dass sie Winckler gegenüber geltend machte, dass er sie seit langer Zeit und besonders gut kenne, J. E. Petersen, Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701, 30, 32. J. W. Petersen veröffentlichte viele Jahre später zwei Schriften mit ähnlich lautenden Titeln: Bewährung des Ewigen Evangelii gegen Theophilum, 1726, sowie Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, s. hierzu AGL Erg. 5, 1816, 1996. Eventuell handelt es sich bei dem letzteren Werk allerdings um eine Verwechslung mit einem Text, der um 1715 erschien und gegen H. Horche gerichtet war. 484 Unmittelbar nach Erscheinen von J. W. Petersens Species facti hatte er dagegen Stellung bezogen: J. Winckler, Schrifftmäsziges Bedencken, 1692. Er betonte darin jedoch auch seine
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Ein Jahr nachdem das Ewige Evangelium veröffentlicht worden war, setzte er sich mit dessen Inhalt in einer Vorrede für Passionspredigten seines Hamburger Kollegen und Freundes Johann Heinrich Horb auseinander, die er postum herausgab.485 Winckler wahrte die Anonymität der Verfasserin; für die Zeitgenossen war jedoch klar, dass er darin J. E. Petersen angriff.486 Soweit aus den bisher bekannten Quellen ersichtlich, reagierte diese nur zweimal öffentlich auf Angriffe, einmal gegenüber Winckler und das andere Mal, Jahre später, gegenüber Heinrich Horche. Bei beiden handelt es sich um ehemalige Freunde, die ihr vermutlich viel bedeuteten. Nicht nur J. E. Petersen, sondern auch ihr Ehegatte antwortete auf Wincklers Veröffentlichung.487 Sehr viel polemischer als sie wies er dessen Einwände zurück. Neben der unmittelbaren Reaktion auf Wincklers Schrift enthält dieser Traktat J. W. Petersens Passagen zur Sophiologie, die nicht in direktem Bezug zu den Ausführungen des Hamburger Seniors stehen.488 Winckler setzt sich nicht mit der Frage nach dem Zwischenzustand der Toten auseinander, sondern vor allem mit der Behauptung des Ewigen Evangeliums, dass auch der Teufel in die Wiederbringung einbezogen sei.489 In Gen
persönliche Verbundenheit, 3: »Nun bekenne ich gerne/ daß mir dieses zu thun sondernlich daher bedencklich fället/ weil ich den Herrn Autorem dieses Send=Brieffs von vielen Jahren her in unserm GOTT geliebet/ und auß solcher Liebe mein tägliches Gebet für Ihn vor GOtt unserm Vater offenbahr ist«; vgl. auch 121. P. J. Spener schrieb damals an Francke: »Ach das doch Hr. D. Petersen sich bereden ließe, Hrn. Wincklern in causa revelationum nicht zu antworten: ich thue mein vermögen ihn zu persuadiren, vielleicht wo ich von andern secundiret würde, möchte etwas zu erhalten sein«, 23.7.1692, abgedruckt bei G. Kramer, Beiträge, 1861, 238. 485 Vielfältiges und schmertzliches Leiden, 1700; Wincklers Vorrede ist auf den 3.5.1699 datiert, ebd., e3v. Horb war am 26.1.1695 verstorben. Winckler warnte in seiner Vorrede J. E. Petersen ausdrücklich davor, den verstorbenen Freund für die Wiederbringung vereinnahmen zu wollen, e1r. Aus den erhaltenen Schriften J. E. Petersens lässt sich nicht erkennen, dass sie dieses getan hätte. 486 C. Bussingius, Johannes Winckler, 1705, 36, erwähnt in seinem Verzeichnis der Schriften Wincklers diese Vorrede und teilt mit, sie handele »von der Fr. El.Wilh. Petersen Ewigen Evangelio«. J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 481, teilt im Zusammenhang mit dem Ewigen Evangelium mit: »Der Herr Senior Winckler in Hamburg/ hat sich über diß erschreckliche Beginnen/ und über diese Teuffels=Lehre der Peterseniae, dermassen betrübet/ daß er in der Vorrede über die Horbische Paßions=Predigten/ von GOtt ein seeliges Stündlein wünschet/ daß er solchen Jammer nicht länger zusehen/ noch solche erschreckliche und graße Irrthümer mehr erleben dürffte.« Wincklers Aussage ist insofern von Feustking überzogen worden, als dieser um ein »seeliges Stündlein« angesichts der Gesamtlage der evangelischen Kirche bittet. Die Auseinandersetzung mit dem Ewigen Evangelium schließt sich erst daran an, Vorrede, 1699, a3v. 487 J. W. Petersen, Gründliche Antwort, 1702, in: Mysterion Apokatastaseos 2, 1703. Eventuell verbreitete J. W. Petersen diesen Traktat zunächst als Separatdruck, da J. E. Petersen in der Bewährung des Ewigen Evangelii von einer bereits erfolgten Antwort ihres Ehegatten auf Winckler spricht, 32. Wie Winckler, so wahrte auch J. W. Petersen in seiner Gründlichen Antwort die Anonymität der Verfasserin und sprach nur von der Autorin, 6f, 17, 39. 488 Ebd., 9f. 489 Als Hauptinhalt des Ewigen Evangeliums sieht er die Aussage, dass »die Autorin bemühet
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3,14f liegt für ihn das Hauptargument für eine ewige Feindschaft zwischen dem Satan und Gott.490 Gott bleibe bei dem, was er einmal gesagt habe.491 Der Autorin des Traktates wirft er vor, dass sie eine eigene »vorgefaßte Meynung« der klaren Aussage des biblischen Textes entgegenstelle und dadurch den Heiligen Geist lästere. Als Erklärung führt er an, dass J. E. Petersen die Schwere der Sünde nicht begriffen habe.492 Indem im Ewigen Evangelium erklärt werde, dass erst der Inhalt der Apokatastasis-Idee dazu führe, Gott richtig zu erkennen, stelle sich eine einzelne Person gegen die Tradition der Kirche.493 Polemisch wird Winckler nur an der einen Stelle, wo er fragt, ob J. E. Petersen sich vielleicht selber für den in Apk 14,6 erwähnten Engel halte, der das ewige Evangelium verkünde: »Es ist ja ein Engel und keine Engelin.«494 In diesem Zusammenhang erinnert er auch an das paulinische Schweigegebot für Frauen, geht aber nicht ausführlicher darauf ein.495 Ferner weist er J. E. Petersen auf die Gefahr hin, sich selbst und die eigenen Einsichten zu überschätzen.496 An seiner Ablehnung der Apokatastasis lässt Winckler keinen Zweifel, in der Sache ist er unerbittlich. Im Ton jedoch wahrt er die Achtung vor einer Frau, die seiner Meinung nach eine falsche theologische Auffassung vertritt, jedoch persönlich nach wie vor durchaus zu schätzen ist.497 In der Bewährung des Ewigen Evangelii beantwortet J. E. Petersen Wincklers Angriffe in einem persönlichen Anschreiben498 sowie in einem Katalog von ist/ die Krafft der Versöhnung JEsu Christi zu künfftiger endlichen Erlösung der Teuffel zu behaupten«, J. Winckler, Vorrede, 1699, a4v. Gegen J. E. Petersens Interpretation macht er geltend, dass der in Apk 14,6f erwähnte Engel kein anderes Evangelium verkünde, sondern dass der folgende Vers 7 den Inhalt seiner Botschaft abbilde, d3r. 490 Ebd., a5r–a7v. 491 Ebd., b8r. 492 Ebd., a7v: »Gewiß die Autorin gibt zu verstehen mit solchen Worten/ daß sie die Sünde in ihrer Krafft noch nicht verstehe/ und erfahren habe. In Anfechtungen siehet man/ wie überaus sündig die Sünde sey.« 493 Ebd., c2r-v: »Liebster GOtt! ist das nicht ein Urtheil über deine Knechte und Kinder/ über welche du das Licht deines Antlitzes so hell leuchten lassen/ die auff dein Heil. Wort so hertzlich acht gehabt/ als auf ein Licht/ das scheint in einem duncklen Ort . . . Heisset dieses nicht sich über die Glieder Christi erheben/ und GOttes Liebe und Treue kräncken«. 494 Ebd., d3r. Diese Vermutung trifft auf J. E. Petersen nicht zu, denn in ihren schriftlichen Äußerungen spricht nichts dafür, dass sie sich für diesen Engel hielt. J. Leade hingegen gibt eher Anlass zu dieser Vermutung. In Acht Welten, 1696, 211, spricht sie zunächst über das »ewige Evangelium der Liebe«, um dann fortzufahren: »Es fliegt wircklich über dir/ o Stadt Londen! ein mächtiger Engel mit dieser ausdrücklich ruffenden Donner Stimme: verachte die Prophezeyhung nicht«. 495 J. Winckler, Vorrede, 1699, d6v: »Sollen denn nun Frauen die Engel der Gemeine seyn/ die doch in der Gemeine sollen schweigen.« Dieser kurze Hinweis passt zu der in Wincklers Schrift Wohlgemeintes Sendschreiben, 1690, H4r, deutlich werdenden Praxis, dass in den von ihm geleiteten pietistischen Versammlungen keine Frau das Wort ergreifen durfte. 496 J. Winckler, Vorrede, 1699, d4v–d5r; in diesem Zusammenhang geht er auf Leade ein. 497 So erwähnt er etwa das »edle Gemüth der Autorin«, ebd., d4r; vgl. d2v. 498 J. E. Petersen, Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701, 29–44. Aus diesem Brief geht hervor,
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12 Punkten unter dem Titel »Send=Schreiben«.499 Die kritischen Nachfragen bewegen die Autorin an keiner Stelle dazu, ihre Ansichten zu korrigieren oder gar zurückzunehmen; sondern sie beklagt ihrerseits die innerpietistische Reserve bzw. Ablehnung gegenüber der Wiederbringung.500 In der Sache erfährt ihre Apokatastasisvorstellung hier jedoch keine Veränderung, lediglich einige Präzisierungen ergeben sich. J. E. Petersen beharrt darauf, die Schrift richtig auszulegen; Winckler sei es, der vom »Winde der Lehre« hin- und hergetrieben werde.501 Ihrer Meinung nach schließt Apk 21,5 auch den Teufel mit ein. Um dies zu begründen, argumentiert sie schöpfungstheologisch. Ihr eschatologischer Universalismus beruht darauf, dass es keine antagonistischen Mächte gibt. Hier deutet sich ein Schöpfungs- und Gottesverständnis an, das in die von 1711 an vertretene Christologie des himmlischen Gottmenschen einmündet. Der »Essentz« nach sei nichts von Gott Geschaffenes böse. »Es wird auch die Creatur/ und folglich der Engel durch den Fall/ nicht in das Böse verwandelt. Dann wie wolte etwas/ das von dem Willen Gottes das Wesen hat/ also können zu einem pur böses werden?«502 Wie Spener es befürchtet hatte, rief das Ewige Evangelium eine Flut von Publikationen hervor, die zum größten Teil von Ablehnung und Empörung gekennzeichnet waren.503 Dabei bezogen sich die Reaktionen auf den ersten Traktat, das Ewige Evangelium, während die Bewährung des Ewigen Evangelii in der öffentlichen Auseinandersetzung keine Rolle spielte.504 Erste theologische
dass sie sich persönlich getroffen fühlte. Winckler sei der »fürnehmste« unter den Kritikern und habe sie »gar hart angeklaget«. 499 Ebd., 1–28. 500 Mit dem Zitat von Hhld 1,6 (meiner Mutter Kinder zürnen mir) beschreibt sie die Reaktionen im Kreis ihrer bisherigen Freunde auf diese Erweiterung ihrer Überzeugungen: Wenn sie davon rede, »so wollen sie es nicht hören/ sondern begehren man soll ihnen weder davon sagen/ noch schreiben/ sondern ihre gemachte Einwürffe unberühret lassen/ oder sie wollen der Sache nicht nachforschen/ damit sie keine Verantwortung bekommen/ welches dann nicht ein geringer Kampff ist/ von denen dasselbe zu ertragen die man liebet/ und von denen man sich ein bessers versehen hätte«, ebd., 14. J. W. Petersen benutzte diesen Vers, um ablehnende Reaktionen auf sein Bekenntnis zum Chiliasmus zu beklagen, Verkündigung, 1696, 4. 501 J. E. Petersen, Bewährung des Ewigen Evangelii, 1701, 41. 502 Ebd., 31. 503 Spener verteidigte in einem Brief vom 24.4.1699 die anonyme Publizierung des Ewigen Evangeliums ausdrücklich und verschwieg auch selber den Namen der Autorin, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 667. In einem Brief vom August 1699 lehnte er die Idee eines Mittelzustandes für Verstorbene eindeutig ab, ebd., 1, 1711, 74–76. 504 Zur gesamten Debatte s. J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 637–658; 5.2, 1739, 957–973; er schrieb, dass »der ärgerliche Streit« durch J. E. Petersen veranlasst worden sei, die »grosse Unruhe« hervorgebracht habe, 1, 1733, 763. J. W. Petersen, Geheimniß der siebenden Posaune, 1719, 166, griff in seiner Auseinandersetzung mit C. G. Engelschall auf J. E. Petersens Bewährung des Ewigen Evangelii zurück und betonte insbesondere, dass sie mit ihrer Interpretation von Gen 3,15 Winckler widersprochen habe.
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Gegenschriften stammen von Johann Joachim Wolf_505 und Johann Werner Pistorius.506 Wolf wies auf die Nähe des Ewigen Evangelium zu Texten Friedrich Brecklings hin507 und unterstrich, dass dieser Traktat im Widerspruch zu den Glaubensüberzeugungen der reformatorischen Kirchen stehe, insofern diese einhellig davon ausgingen, »daß die Pein der eigentlich Verdammten/ werde unendlich=ewig seyn/ und daß sie nimmermehr davon werden erlöset werden«.508 J. W. Pistorius hingegen führte die Positionen, die das Ewige Evangelium einnahm, auf Jakob Böhme zurück.509 Der Pastor an der Stendaler St. Marienkirche betonte in Abgrenzung gegen die Gotteslehre, die der kritisierte Traktat enthielt, dass Gott zwar barmherzig, jedoch auch gerecht sei und sich deshalb an seinen Feinden rächen werde.510 Am Schluss seiner Gegenschrift monierte er, dass das Ewige Evangelium in deutscher Sprache verfasst worden sei und so besonders die »Einfältige[n]« zu falschen Auffassungen verführe.511 Spener selber beurteilte die Veröffentlichung des Traktates als Zeichen für »ein zorn=gericht GOttes über unsere kirche«,512 weil sich dadurch viele Menschen mit unnötigen und schädlichen Gedankengängen abgeben müssten. An anderer Stelle seiner Briefe nahm er eindeutig Stellung zu der inhaltlichen Frage nach dem Verbleib und Schicksal der Verstorbenen, ohne dabei J. E. Petersen zu erwähnen. Spener ist der Überzeugung: »Es folgt nach dem abscheid nur entweder seligkeit/ oder verdamnus, was GOtt unter beyden orten vor unterscheid habe/ mag viel fürwitzige fragen geben; aufs wenigste sind gradus und stuffen der seligkeit und verdamnus.«513 Zu denen, die sehr früh öffentlich auf das Ewige Evangelium reagierten, gehört Ferdinand Helferich Lichtscheid (1661–1707), Prediger in Zeitz.514 Er bringt diesen Traktat nicht in Verbindung mit dem Ehepaar Petersen, obwohl er beide kannte, mit ihnen freundschaftlich korrespondiert hatte und über die Hintergründe der anonymen 505 Das Buch Wolfs gegen das Ewige Evangelium erwähnt J. W. Petersen in Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, Gründliche Antwort, 204. 506 GVUL 28, 1741, 539, erwähnt nur diesen einen Traktat aus seiner Feder; AGL 6, 1819, 298: Die Angaben enthalten ebenfalls nur den Hinweis auf diese eine Publikation, Lebensdaten werden nicht genannt. 507 J. J. Wolf, Kurtze Anmerckungen, 1699, 18. 508 Ebd., 106. 509 J. W. Pistorius, Das ewige Zorn=Gerichte, 1700, 19, 128f. An diesem Argument zeigt sich u. a., wie undifferenziert Böhme zur Diffamierung zeitgenössischer Positionen herangezogen wurde, da ja von ihm die Apokatastasis gar nicht vertreten wird. 510 Ebd., 67. 511 Ebd., 155. Pistorius argumentiert weiter, es sei gefährlich, »daß man bey dieser Grundsuppe der bösen Welt/ da es so viel Atheisten/ Epicureer und Heuchler giebt/ solche Meynungen auf die Bahn zu bringen . . . Ich sorge/ daß mancher sich in seiner Leichtfertigkeit und Boßheit damit stärcken werde.« 512 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 3, 1711, 712. 513 P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 277, undatiert. Aus dem Kontext des Briefes ergibt sich nichts Näheres zu diesem Themenkomplex. 514 Zu seiner Person s. auch K. Weiske, Pietistische Stimmen, 1929, 188.
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Schrift orientiert war.515 In unpolemischen Ausführungen diskutiert er jeden Absatz des Werkes und lässt dabei durchblicken, dass es seiner Meinung nach eventuell einen Mittel-Zustand für die Verstorbenen geben könnte; das sei jedoch kein Thema für Predigten oder literarische Veröffentlichungen.516 Abschließend wirft er dem Verfasser des Ewigen Evangeliums jedoch vor, dass dieser zu Unrecht die Wiederbringung als göttliche Wahrheit ausgegeben habe, die anerkannt und geteilt werden müsse.517 Den Gegnern der Reformbewegung war diese Schrift ein willkommener Anlass, um den gesamten Pietismus mit der Apokatastasis-Lehre zu identifizieren und als ketzerisch zu desavouiren.518 So sprach etwa F. C. Bücher vom »ewige[n] Evangelium der Pietisten«, das »eine Erlösung nicht nur der Menschen/ sondern auch der Teuffel aus der Hölle« verkündige.519 Insbesondere protestierte er dagegen, dass Luther in diesem Traktat als Befürworter der Apokatastasis ausgegeben werde.520 H. J. Feustking nannte dieses Buch eine 515 Außer dem oben erwähnten Brief vom September 1698 druckten die Unschuldigen Nachrichten, 1749, 200–203, ein weiteres Schreiben J. W. Petersens an Lichtscheid vom November 1697. Durch den Aufenthalt der beiden Petersen in Zeitz hatten sie Lichtscheid persönlich kennen gelernt und fühlten sich ihm freundschaftlich verbunden, wie der Ton der Briefe nahelegt. 1699 gab es einen Briefwechsel zwischen Spener und Lichtscheid über das Ewige Evangelium, den die Unschuldigen Nachrichten ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich machten, ebd., 206–217. Im selben Jahrgang 1749 druckt diese Zeitschrift zwei Briefe Brecklings an Lichtscheid ab, in denen dieser das Vorgehen des Zeitzer Predigers begrüßt. Breckling schreibt u. a.: »Herr D. Spener hat einmahl von mir begehret, ob ich D. Petersen Meynung von der Teuffel Seligmachung widerlegen wollte, so wollte er drucken lassen. Aber ich antwortete ihm, daß meine Feder zu scharf, und der L. Bruder ihm genugsam begegnet, und ein ieder ihn von seiner Meynung abbringen müsse, der mit ihm umgieng«, ebd., 525. 516 F. H. Lichtscheid, Christliche Gedancken, 1700, 611. Er spricht durchgehend von dem »Autor« dieses Buches, ohne Überlegungen über die Identität des Verfassers anzustellen. Lichtscheid streift nur kurz die Frage, ob der Verfasser möglicherweise zur englischen philadelphischen Sozietät gehöre; eine Antwort lässt er jedoch offen. 517 Ebd., 616. Eine in der ablehnenden Position zwar klare, aber dennoch unpolemische Reaktion stellt die Schrift Theatrum Mysterii, 1708, von Ludwig Melchior Fischlin (1672–1729) dar. Er geht davon aus, dass J. E. Petersen das Ewige Evangelium verfasst habe, Vorrede )(6r, setzt sich jedoch in seinen Ausführungen fast ausschließlich mit J. W. Petersen und Paul Siegvolck auseinander. An einer Stelle bezieht er den Vornamen der Autorin auf ihr Plädoyer für die Erlösung aller Geschöpfe, auch des Teufels: »die Frau Eleonoram (welche diesen Mystischen Nahmen nicht vergeblich zu führen scheinet/)«, 149. 518 Diese Strategie verfolgte J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 42, wenn er die Frage, was die Pietisten von der ewigen Höllenqual lehrten, folgendermaßen beantwortet: »Sie leugnen sie/ und glauben/ daß nach Verfliessung etlicher Jahre die Teuffel und Verdammten würden selig werden. Dieses bezeuget der Pietisten Ewiges Evangelium/ dessen Schreiberin D. Petersens Frau soll gewesen seyn.« Von pietistischer Seite aus wurde eine Gegenstrategie verfochten, indem das Ewige Evangelium als Option ganz bestimmter Einzelner hingestellt wurde. So nahm ein Anonymus A. H. Francke davor in Schutz, in irgendeiner Weise mit diesem Traktat belastet zu werden, Christliche und bescheidene Antwort, 1699, A4r. 519 F. C. Bücher, Lutherus Anti-pietista, 1701, 191. 520 Ebd., 191; in diesem Zusammenhang wies er auf die Gegenschrift Feustkings hin, der Luther
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»Mißgeburth«, dessen »Mutter« J. E. Petersen sei.521 J. F. Mayer sah das Ewige Evangelium, zu dessen Verfasserschaft er keine eindeutige Auffassung vertrat, als Beleg dafür, dass die Pietisten insgesamt die Ewigkeit der Höllenqual leugneten.522 Nicht nur diejenigen Vertreter der lutherischen Orthodoxie, die alle Äußerungen des Pietismus mit Vehemenz bestritten, sondern auch territoriale Obrigkeiten, die im Prinzip die pietistische Bewegung begrüßten oder zumindest duldeten, schritten teilweise gegen die Verbreitung des Ewigen Evangeliums ein. Da dieser Traktat gegen Grundaxiome des lutherischen Dogmas verstieß, konnte er legitimerweise von den zur Buchzensur berechtigten Institutionen verboten werden. Der Verkauf dieses Schriftstückes wurde u. a. in Brandenburg-Preußen untersagt. Ein Edikt vom Juni 1700 beklagte, dass »irrige und ketzerische Lehr=Schrifften« im Herzogtum Magdeburg verbreitet würden. »Absonderlich wurde das so genannte aeternum euangelium in die Churfürstlichen Lande zu bringen, den Buchhändlern bey zwey hundert Gülden Straffe verbothen.«523 J. W. Petersen stellt diesen Sachverhalt in seiner Autobiographie allerdings so dar, als habe lediglich ein Einzelner, nämlich der ihm feindlich gesonnene Johann Fischer wegen der Verbreitung der Wiederbringungslehre beim preußischen König interveniert »und sub-& opreptitie ein Mandat vom Hofe aus expractisiret, man solte solches abusives sogenanntes ewiges Evangelium nicht lehren noch dulden.« Bei einem Gespräch in Berlin mit der preußischen Königin und dem Geheimrat Paul von Fuchs habe er hingegen Verständnis für seine Position gefunden, dass die Strafen Gottes nicht unendlich währen könnten. Fuchs habe geäußert, »daß man ihn hintergangen hätte, ich solte solches nach wie vor vertheidigen. Worauf das Buch zu Berlin in allen Buch=Läden ist zu finden und zu bekommen gewe»gerettet« habe. Die Identität der Verfasserin des Ewigen Evangeliums scheint Bücher verborgen geblieben zu sein, denn er nennt keine Namen. Der für ihn anonyme Autor wird als »der Licht=scheuende Bösewicht« verunglimpft, ebd., 191. 521 J. H. Feustking, Gynaeceum, 1704, 480. Zum Inhalt dieses Werkes schreibt Feustking: »dieses muß ich nur erinnern/ daß darinnen die Gnaden=Thür allen Teuffeln und verdammten in der Hölle nach diesem Leben von ihr auffgeschlossen . . . ja sie giebet vor/ daß alsdenn das Blut JEsu allererst an seiner vollkommenen Krafft werde erkant werden/ wenn selbiges die Teuffel aus der Höllen erlösen/ vom Tode erretten/ reinigen/ heiligen und gerecht machen wird! Mein! wie muß Satan in der Höllen sich ergötzen/ daß ihm durch die Petersin eine Erlösung aus der Höllen versprochen wird«, 480f. 522 J. F. Mayer, Kurtzer Bericht, 1706, 42. Ähnlich verallgemeinernd wird in der anonymen antipietistischen Streitschrift Idea Pietismi, 1714, 12, 46, dieser Sachverhalt dargestellt. 523 Abgedruckt bei J. G. Walch, Einleitung 1, 1733, 777f. J. W. Petersen, Untersuchung, 1701, 37f, verteidigte sich ausdrücklich damit, dass er mit der Veröffentlichung des ersten Bandes des Mysterion Apokatastaseos nicht gegen das am 25.6.1700 in Halle verkündete Verbot verstoßen habe, da er sein Buch bereits im Jahr 1699 zum Druck gegeben habe. Der Druck sei verzögert worden und deswegen sei dieses Buch erst 1700 erschienen. Nachprüfen lässt sich diese Behauptung allerdings nicht. Ein württembergischer Entwurf von 1703 für ein verschärftes PietistenEdikt, das dann aber nicht in Kraft trat, belegte sogar die Lektüre des Ewigen Evangeliums mit einer Strafandrohung, s. F. Groth, Wiederbringung, 1984, 57f.
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sen.«524 In Württemberg und im Gebiet des schweizerischen Bern erschien das Ewige Evangelium zusammen mit anderen mystisch-spiritualistischen Schriften auf dem Index verbotener Bücher.525 Der Rat der Stadt Nürnberg erließ 1707 ein Edikt, in dem neben anderen Texten auch die Verbreitung des Ewigen Evangeliums verboten wurde.526 Jahrzehnte später, nämlich 1735, griff Valentin Ernst Löscher den Themenkomplex des Verbleibs der Verstorbenen noch einmal auf, um in einem umfangreichen Konvolut Texte lutherisch-orthodoxer Provenienz zu dieser Frage zu präsentieren. Hier wird die Auseinandersetzung mit dem »Petersenischen Irrthum« weitergeführt, daneben werden jedoch auch Gottfried Arnold und Ferdinand Helfrich Lichtscheid angegriffen.527 Trotz dieser Beschränkungen übte die von den beiden Petersen propagierte Wiederbringungslehre ihren Einfluss aus. Im Laufe des 18. Jh. trat ihre Wirkung allerdings zurück und andere Entwürfe der Apokatastasis bestimmten die Diskussion, die keinen Bezug mehr auf dieses pietistische Ehepaar nahmen.528 Besonders intensiv lässt sich der Einfluss der Apokatastasis Petersenscher Provenienz bei dem Rostocker Magister Ludwig Gerhard (1709–1738) verfolgen. In zwei Schriften legte er seine Interpretation vor, wobei er sich allerdings in seiner Argumentation als durchaus eigenständig erweist.529 In die Berleburger Bibel fand die Apokata524 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 296f. 525 Vgl. hierzu H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 123, 430, Anm. 48; G. Franz, Bücherzensur, 1977, 164. 526 J. W. Petersen entwarf eine Protestschrift gegen dieses Verbot, Vergebliche Dämme, in: Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 125–174, in der er große Teile des Ratsmandates abdruckte; zum Ewigen Evangelium ebd., 129. 527 V. E. Löscher, Auserlesene Sammlung, 1735; zum Bezug auf das Ehepaar Petersen s. ebd., Vorrede, D4r. 528 Das gilt bereits für Stellungnahmen aus der ersten Hälfte des 18. Jh gegen die Apokatastasis, s. G. Müller, Identität, 1968, 97, Anm. 34. Das Stichwort des Ewigen Evangeliums scheint zu einem Topos geworden zu sein, unter dem die Apokatastasis diskutiert wurde, ohne noch eine Verbindung mit den beiden Petersen herzustellen. Dies zeigt sich etwa bei Johann David Schäfer, Ewiges Evangelium, 1725, und Christoph Schütz, Ewiges Evangelium, 1725. Schütz veröffentlichte einen poetischen Text, in dem er die Erlösung aller besingt. Die Unschuldigen Nachrichten 1730, 1119–1127, die mehrere Werke dieses Predigers besprechen, stufen ihn als Anhänger von Bourignon, Arnold und J. W. Petersen ein. Sie weisen allerdings darauf hin, dass er an Letzterem Kritik übte: Schütz »stößt sich daran, daß Petersen sich Doctorem genennet, und seine Msta den Verlegern theuer verkauffet habe«, 1127. Zu Schütz s. J. G. Walch, Einleitung 5.2, 1739, 1062f. Schäfer entfaltet ein eschatologisches Szenario, das mit der Beschreibung des tausendjährigen Reiches beginnt und mit der Wiederbringung endet. Obwohl er eindeutig für die Apokatastasis eintritt und diese als »herrlich und treffliche Lehre« darstellt, Ewiges Evangelium, 1725, 132, hält er gleichwohl fest, dass die Seligkeit auch ohne diese Überzeugung erlangt werden könne, da die Apokatastasis nicht zum »Glaubens=Grund selbst« gehöre wie etwa die Rechtfertigungslehre, 129, 134. Zu Schäfers Position vgl. J. G. Walch, Einleitung 5.2, 1739, 955f. 529 L. Gerhard, Systema Apokatastaseos, 1727, und Kurtzer Begriff des Ewigen Evangelii, 1729. In diesem zweiten Buch bezieht er sich an keiner Stelle auf J. E. oder J. W. Petersen. Zur Bedeutung Gerhards s. E. Peschke, Pietismus in Dargun, 1974, 84, 86. Gerhard übte einen intensiven Einfluss auf Prinzessin Augusta von Mecklenburg-Güstrow aus, die in ihrer Residenz Dar-
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stasis ebenfalls Eingang, ohne dabei ausdrücklich auf das Ehepaar Petersen Bezug zu nehmen.530 Eine besonders intensive und lange Wirkung war der Apokatastasis in Württemberg beschieden. Johann Albrecht Bengel lehrte dieses eschatologische Theorem nicht direkt, Friedrich Christoph Oetinger hingegen machte die Hoffnung auf Allerlösung auch zu einem Thema seiner öffentlichen Verkündigung.531 Für David Friedrich Strauß (1808–1874), der 1831 eine Dissertation zur Frage der Apokatastasis verfasste, spielte die Argumentation der beiden Petersen keine Rolle mehr.532
3.2.4 Verklärte Offenbahrung, 1706 Während J. E. Petersens Traktate von 1699 und 1701 ausschließlich der Apokatastasis gewidmet waren, knüpfte sie mit der nächsten Publikation von 1706 an ihre exegetischen Arbeiten zur neutestamentlichen Johannes-Offenbarung an. Das Neue an der Verklärten Offenbahrung liegt nicht in der Textdeutung, sondern in der literarischen Gestaltung.533 Der Text des Neuen Testamentes und die Erläuterungen J. E. Petersens sind so ineinander verschränkt, dass der Eindruck entsteht, als ob die johanneische Apokalypse in einer etwas erweiterten Form vorliegt. Diese Einschübe schließen sich jeweils an die grammatikalischen Strukturen des vorliegenden Textes an, so dass diese, wie die Verse des NT, den Charakter einer prophetisch-auktoritativen Aussage erhalten.534 gun ein pietistisches Zentrum installierte. Zur Kritik an Gerhard s. Unschuldige Nachrichten 1730, 254–259, 1133–1138. Erdmann Neumeister veröffentlichte ebenfalls eine Gegenschrift, in der sowohl Gerhard als »auch D. Petersen und sein weniger Anhang zur Genüge eingetrieben« werde, ebd., 684–686. Zu Gerhard s. ferner J. G. Walch, Einleitung 3.1, 1734, 259–533; H. D. Kittsteiner, Gewissen, 1992, 139–141. Obwohl Walch sehr ausführlich auf Gerhards Schriften eingeht, streift er dessen Verhältnis zu J. W. Petersen nur sehr kurz, Einleitung 3.1, 1734, 432, 515. 530 Vgl. hierzu E. Staehelin, Wiederbringung, 1960, 21. 531 Ebd., 21–24; F. Groth, Wiederbringung, 1984, 82, 118–146. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 196, formuliert über Bengel, dass dieser »heimlich an die Wiedereinbringung aller glaubte«. Trotz der verbreiteten Akzeptanz kam es auch in diesem Herzogtum zu Konflikten wegen der Apokatastasis, s. C. Kolb, Disziplinarverfahren, 1903; T. Schön, Pietismus, 1909. Zur Sympathie, die Johann Heinrich Jung-Stilling (1740–1817) für die Apokatastasis hegte, s. M. Hirzel, Lebensgeschichte, 1998, 86f. 532 Abgedruckt ist diese Dissertation bei G. Müller, Identität, 1968, 50–82. Strauß bezieht sich vornehmlich auf die Origenes-Schule, auf Schleiermacher sowie auf die Hegel-Schule. 533 M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 18, übersieht das Spezifikum dieses Buches, wenn er es einfach als Auslegung der neutestamentlichen Apokalypse darstellt; denn charakteristisch ist hier die Verknüpfung von Chiliasmus und Apokatastasis als Grundlagen für die Interpretation der Offenbarung. 534 Die Unschuldigen Nachrichten 1707, 841, erläutern dieses Vorgehen folgendermaßen: Das Buch »bestehet in einer fortlauffend alsobald zu jedem vers oder phrasi deß Texts gesetzten Paraphrasi«.
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Lediglich durch die Verwendung von unterschiedlichen Drucktypen und durch die Einklammerung der Zusätze bleibt das biblische Textcorpus zu erkennen.535 Obwohl hier, anders als in der Anleitung, der gesamte Text der neutestamentlichen Offenbarung abgedruckt ist, bleibt auch in diesem Buch die Auslegung eklektizistisch: Einige Verse werden gar nicht kommentiert, andere dagegen ausführlich durch Hinzufügungen von mehreren Druckseiten. In einem Brief des Jahres 1704 berichtete J. W. Petersen an einen Freund: »Meine Liebste ist itzo darüber/ daß sie von Wort zu Wort die Apocalypsin vor sich nimmt/ und sie in Kürtze erläutert/ was sie in ihrem grossen Buche weitläufftig außgeführet hat«.536 Zwei Jahre später erschien dann dieses Buch im Druck, das die Apokatastasis in die chiliastische Deutung der JohannesApokalypse einarbeitet.537 J. E. Petersen hatte ja seit 1698 keinen Zweifel daran gelassen, dass die Rezeption der Allversöhnung den Chiliasmus voraussetzte. In der Vorrede erläutert sie, dass sie gebeten worden sei, eine Kurzfassung der Anleitung zu erstellen. Das sei ihr jedoch nicht gelungen, stattdessen habe sie »aufs neue« geschrieben.538 Wenn sie in Bezug auf die Anleitung hervorhebt, dass diese von ihr »selbst geschrieben« worden sei,539 so ist dieser Satz auf dem Hintergrund der frühneuzeitlichen Debatte über schreibende Frauen zu sehen. Nicht nur über J. E. und J. W. Petersen und nicht nur im Kontext der pietistischen Kontroversen wurde gemutmaßt, dass Frauen die unter ihrem Namen publizierten Schriften nicht selbst verfasst hätten, sondern dass ein männlicher Autor sich dahinter verberge.540 Um darlegen zu können, dass die Johannes-Apokalypse in allen Versen auf das tausendjährige Reich und die Apokatastasis abziele, musste J. E. Petersen zu unterschiedlichen Methoden der Interpretation greifen.541 Dabei kam es 535 Herzog August von Braunschweig-Wolfenbüttel ging in seiner 1646 gedruckten Evangelischen Kirchenharmonie in formaler Hinsicht ähnlich vor. In diesem Lektionar für Sonn- und Festtage paraphrasierte und erläuterte er den Text der Lutherausgabe, wobei die Lutherübersetzung durch Großdruck hervorgehoben blieb. Als er diese Kirchenharmonie zum verbindlichen Lektionar für das Gebiet seines Herzogtums erheben wollte, protestierten lutherische Fakultäten. Das Gutachten der Leipziger Universität sprach »von unzulässiger Vermischung des göttlichen und menschlichen Wortes«, K. A. Stisser, Beobachtungen, 1981, 59. Die Helmstedter Universität erblickte in dieser Maßnahme »einen Verstoß gegen das reformatorische Schriftprinzip«, I. Mager, Beziehung, 1981, 95. 536 J. W. Petersen, Sieg der Warheit, 136, in: Mysterion Apokatastaseos 3, 1710. 537 Das Buch mit einem Umfang von 180 Seiten im Oktavformat erschien ohne Angabe des Druckortes. 538 J. E. Petersen, Verklärte Offenbahrung, 1706, Vorrede a2r. 539 Ebd., a2r. 540 Vgl. etwa P. Crawford, Women’s published writings, 1985, 218. 541 Bereits die Unschuldigen Nachrichten 1707, 843, machten auf die uneinheitliche hermeneutische Methode aufmerksam. Während J. E. Petersen vieles »auffs allergenaueste nach dem literal-Verstand ohne einigen Tropum erklähren« wolle, wie z. B. die Heuschrecken in Apk 9,3, so folge sie in anderen Fällen einer dem Literalsinn völlig entgegenstehenden Idee. Besonders mokierte sich die Rezension darüber, dass die in Apk 9,17 beschriebenen Rosse, aus deren
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z. T. zu Deutungen, die dem Text der neutestamentlichen Apokalypse schlichtweg widersprechen.542 In geradezu paradoxer Verschränkung kommentiert J. E. Petersen die Warnung aus Apk 22,18f, den Worten des Sehers Johannes etwas hinzusetzen, dadurch, dass sie Christus sprechen lässt: »Es ist nicht ein geringes/ so diejenigen von diesem Buch abthun/ welche die tausend Jahr verläugnen/ und theils schon für erfüllet halten/ theils aber als ein Phantastisch Reich gar verwerffen/ mit allerley Schmähworten lästern/ und die klaren Worte auf die unendliche Ewigkeit ziehen wollen/ da doch der Geist es deutlich ausgedrucket/ daß solche tausend Jahr noch auf Erden fliessen . . . und ich habe in diesem Buch es deutlich gesaget«.543 Die Apokatastasis wird von J. E. Petersen in die Johannes-Apokalypse hineingeschrieben; die Verfasserin unterstreicht z. B. an mehreren Stellen die Bedeutsamkeit der Verkündigung des ewigen Evangeliums, für dessen Inhalt sie ohne jeden Zweifel die Wiederbringungslehre hält.544 So führt sie etwa die Aussage von Apk 1,8 folgendermaßen fort: »Ich bin das A und das O/ der Anfang und das Ende/ spricht der HErr/ der da ist und da war und der kommt/ der Allmächtige/ (der mit dem Vatter gleiche Ehre/ Namen und Herrlichkeit hat/ durch welchen alles im Anfang kommen/ und alles wird vollendet werden/ durch welchen alles geschaffen/ und alles wird wiedergebracht und hergestellet werden.)«545 Die Wiederbringung wird in diesem Buch zum Ziel des Erlösungswerkes Christi erklärt.546 Präzisiert wird von J. E. Petersen, wie sich die Idee der Wiederbringung für die Elite der Gläubigen auswirkt, die nach Apk 1,6; 5,10; 20,6 als Priester und Könige mit Christus regieren werden. Sie schreibt nun dieser Gruppe der Erwählten ein Amt zu, das nicht nur tausend Jahre lang, sondern bis an das Ende des Prozesses der
Mäulern Feuer, Schwefel und Rauch kamen, als »heutige Geschütze« gedeutet werden, ebd., 843; Verklärte Offenbahrung, 1706, 72. 542 In Apk 22,5 ist z. B. die Rede davon, dass im Neuen Jerusalem keine Nacht mehr sein wird. Da J. E. Petersen diese Aussage aber auf das Jerusalem während des irdischen tausendjährigen Reiches bezieht, muss sie eine Unterscheidung einführen: »Und wird keine Nacht da (in der Stadt) seyn/ (ob sie gleich noch ausser der Stadt sich findet)«, 171. In Apk 22,17 kommen nach dem biblischen Text der Geist und die Braut vor; für J. E. Petersen sind beides Metaphern ein und derselben Sache, so dass sie hinzu fügt: »Und der Geist und die Braut sprechen: Komm: (es ist zwar der Geist und die Braut nichts unterschiedliches/ in Ansehung/ daß das obere Jerusalem die Braut heisset/ so auch der Geist ist . . .)«, 176f. Bei den in Apk 6,15 erwähnten Königen führt sie eine Unterscheidung ein, da sie annimmt, dass einige Könige während des tausendjährigen Reiches zu Christus gehören, andere hingegen sich noch nicht bekehrt haben werden, 54, 77. 543 Ebd., 179; s. auch 159, wo die Verfasserin schreibt, dass der biblische Text nicht durch »Glossen« in seiner Bedeutung verändert werden dürfte – während sie ständig solche Glossierungen vornimmt. 544 Ebd., 107ff, 159f, 173. 545 Ebd., 4f; s. auch 44. 546 Ebd., 46: Christus sei »nur um derselben Wiederbringung herab unter die Geschöpffe gestiegen/ und erniedriget« worden.
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Erlösung aller Geschöpfe reichen wird.547 Ihre Vorstellung, dass es unterschiedliche Abstufungen sowohl bei den Ungläubigen als auch bei den Gläubigen gebe, wirkt sich vor allem auf die Heraushebung der Priester aus. Die pietistische Idee des allgemeinen Priestertums, der es in gewisser Hinsicht um eine Aufhebung der Unterschiede zwischen Geistlichen und Laien geht, wird von ihr geradezu ins Gegenteil verkehrt. Denn sie spricht hier von der Unterscheidung zwischen Priestern und Laien als einer unüberwindlichen Barriere, wobei sie den Priesterbegriff anders füllt, als dies bei dem von Spener vertretenen Konzept geschieht. »Es ist aber die Würde Könige und Priester vor GOtt zu seyn/ mit keyner Zunge auszusprechen/ und gegen der allgemeinen Seeligkeit/ so die/ welche noch endlich seelig werden/ doch so als durchs Feuer/ unvergleichlich geringer/ als ein König hier auf Erden gegen einen Unterthan/ und als ein rechtschaffener Priester gegen einen gemeinen Laien/ denn diese werden als Könige regieren/ und als Priester die Tieffen GOttes allezeit zuerst mit grosser Herrlichkeit empfahen . . . auch werden sie ihr Priesterthum in der Wiederbringung gebrauchen«.548 Im Jahr 1706 erschien noch eine weitere Druckausgabe, die die Verklärte Offenbahrung und den Geistlichen Kampff in einem Band vereinigte.549 Auf die Publikation der Verklärten Offenbahrung hin erfolgten keine nennenswerten Reaktionen.550 J. W. Petersen war es wiederum, der in späteren Jahren noch öfter auf dieses Buch zurückkam und es gegen Angriffe verteidigte.551 547 Ebd., 172: Sie spricht dabei von deren »Amt in der Wiederbringung«. 548 Ebd., 148; s. auch 138; ähnliche Vorstellungen entfaltet J. W. Petersen, Untersuchung der Gründe, 1705, 174–177. 549 Der Rezension der Unschuldigen Nachrichten 1707, 841–844, lag ein solches Exemplar zu Grunde. Für 1717 lässt sich ein Nachdruck dieser Ausgabe nachweisen. Die Unschuldigen Nachrichten 1717, 898, machten nur in einer kurzen Notiz auf diese Neuauflage aufmerksam. 550 Die Unschuldigen Nachrichten 1707, 842, hoben als Hauptmonitum hervor, dass in diesem Buch »die Wiederbringung aller Dinge . . . und der Chiliasmus regieren«. Ein anonym bleibender Anhänger beider Petersen, dessen Traktat Allgemeine Liebe GOttes J. W. Petersen in Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 377–467, zum Abdruck brachte, bezieht sich neben der Anleitung auch auf die Verklärte Offenbahrung, die er als »Compendium« über die Apokalypse bezeichnet, 464. Er verteidigt J. E. und J. W. Petersen gegen den Angriff des Essener Pastors Johannes Mercker (1659–1728). Nach Meinung des Anonymus »werden die Zeugnisse des Herrn D. Petersen und seiner Frau Eheliebsten überall den Preiß behalten/ als welche die Offenbahrung Johannis nicht nach wunderlichen und offt weit hergeholten Einfällen des Gemüths erklähren/ wie herr Mercker thut/ sondern vielmehr einen Spruch der Schrifft durch den anderen erläutern«, 464. Mercker war zwar Pietist und verlor sein Pfarramt in Essen. Er trat jedoch vor allem für eine radikale Auslegung der allgemeinen Priestertums ein, wonach allen Gläubigen das Recht zukomme, zu predigen, Sünden zu vergeben sowie die Sakramente zu spenden, s. C. Peters, Pietismus in Westfalen, 1995, 361; Unschuldige Nachrichten 1705, 789–797; 1708, 661–666; J. G. Walch, Einleitung 5.1, 1739, 121–136. Gegen Mercker hatte sich J. W. Petersen bereits mit seinem Traktat Untersuchung der Gründe, 1705, gewandt. AGL 3, 1751, 1425, erwähnt die Verklärte Offenbahrung als eines der Werke J. E. Petersens. 551 J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 3, 1710, 278; hier wendet er sich gegen V. E. Löscher.
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3.2.5 Zusammenfassung J. E. und J. W. Petersen gelangten zur Aneignung der Wiederbringungs-Idee im Zuge ihrer intensiven Beschäftigung mit der chiliastischen Deutung der Johannes-Apokalypse. Als weiterer Anstoß kam die Auseinandersetzung mit Jane Leade und anderen Gesprächspartnern wie Johann Georg Gichtel hinzu. Die chiliastisch bestimmte Eschatologie des Ehepaares Petersen unterschied zwischen den Erwählten, die im tausendjährigen Reich eine Vorzugstellung erhalten sollten, und den übrigen Christen, die nach diesem Modell einfach Anteil haben sollten an dem Friedensreich auf Erden. Große Hoffnung richteten sie darauf, dass sich unmittelbar vor Beginn dieses Reiches Juden und Heiden in auffallender Zahl bekehren sollten. Die bereits hier sichtbar werdende Struktur, eine kleine Gruppe von Auserwählten von einer größeren Menge abzuheben, verschärft sich erheblich bei der Ausweitung der Eschatologie zum universellen Heil für alle Kreaturen. Auf der einen Seite bleibt nun kein Geschöpf mehr ausgeschlossen, selbst der Teufel nicht. Auf der anderen Seite wird die Rangstellung der Elite erhöht, indem diese nicht nur für tausend Jahre, sondern für alle Ewigkeiten einen herausgehobenen Platz erhält.552 Trotz der Ausweitung des Denksystems bis an die Grenze aller zeitlichen Dimensionen und trotz der Einbeziehung alles je Geschaffenen bleibt eine differenzierte Struktur erhalten. H. D. Kittsteiner, der anhand der Veränderungen des Paradigmas von der Hölle exemplarisch die Entstehung des autonomen Gewissensbegriffs verfolgt, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis in Bezug auf die Aufhebung des alten Dualismus von Seligkeit und Hölle und der Entstehung einer neuen Strukturanalogie. »Das neue Denken, erwachsen in den Krisen des 17. Jahrhunderts, beginnt sich gegen diesen Dualismus zu wenden. Es tritt zuerst auf bei Sektierern, bei Abspaltungen vom noch herrschenden Diskurs der normsetzenden Schichten; hier werden die neuen Probleme aufgegriffen und im Rückgriff auf eine gegenläufige Tendenz verarbeitet.«553 Die von ihm herangezogenen »Leugner der Hölle« und Vertreter der Apokatastasis konstruieren ideale neue Gesellschaftsformen, die auf der Basis gemeinsamer Übereinstimmung beruhen.554 Genau hier zeichnet sich die Problematik eines neu codierten Dualismus ab, der bei J. E. und J. W. Petersen in extremer Ausprägung zu beobachten 552 H. D. Kittsteiner, Gewissen, 1992, 138, weist auf die Verschränkung von allgemeiner Strafminderung mit neuer Strenge bei J. W. Petersen hin: »Es müssen mehr Menschen selig werden, als man bisher angenommen hat. . . . Unmittelbar in die Seligkeit gehen nur die ›Erstgeborenen‹ ein; die Masse der ›Zweitgeborenen‹ im Geiste müssen durch das Feuer selig werden. Sie kommen in die ›Gefängnisse‹, wo sie dem immer noch qualvollen Läuterungsprozeß unterworfen werden. Was diese Qualen betrifft, ist Petersen durchaus nicht kleinlich.« 553 Ebd., 154f. 554 Ebd., 155. Kittsteiner skizziert diese Entwicklung unter dem Aspekt der Gewissensbildung und deutet sie insgesamt positiv.
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ist. Während beide auf der einen Seite vehement für die Erlösung aller Menschen eintreten, konstruieren sie auf der anderen Seite eine Hierarchie der Erwählten, die unter anderem Vorzeichen den Gegensatz von Seligen und Verdammten in gewisser Weise perpetuiert. Ulrich Gäbler, der das eschatologische System der Petersen im Rahmen der pietistischen Konzeptionen von Geschichte, Gegenwart und Zukunft würdigt, attestiert dem Denken beider eine »merkwürdgie Doppelheit« und »eigentümliche Gegensätzlichkeit«.555 Das fast ausschließliche Interesse sowohl J. E. als auch J. W. Petersens an der zukünftigen Zeit bis hin zu den kaum noch vorstellbaren Ewigkeiten löst sie, so Gäblers Analyse, aus den Bindungen an die Gegenwart. »Die Petersens setzen deshalb die Tradition von Apokalyptikern fort, die die Konkretheit von Kirche und Gesellschaft vernachlässigen und damit sich selber in ihrer sozialen Stellung marginalisieren.«556 Auch auf einer anderen Ebene lässt sich festhalten, dass die Hinzugewinnung der Apokatastasis neue Verwerfungen für die beiden Petersen nach sich zog. Spener, der dem Kerngedanken des Chiliasmus eigene Sympathien entgegenbrachte, wenn er auch die Radikalität seiner Freunde nicht teilte, war bestürzt über die öffentliche Verkündigung der Wiederbringung durch das Ewige Evangelium. Er betrachtete den Zeitpunkt und die Art der Publikation als Schaden für die Kirche und war darin nicht weit entfernt von der Reaktion der lutherischen Orthodoxie.557 Auch Francke distanzierte sich nach anfänglichem Zögern deutlich.558 Wichtige Freunde des Ehepaares Petersen559 wie 555 U. Gäbler, Geschichte, 2004, 28f. 556 Ebd., 29. 557 Zur letztlich unentschiedenen Haltung Speners s. F. Groth, Wiederbringung, 1984, 35–51. Noch 1734 wurde J. W. Petersen mit erheblicher Polemik für die Ausbreitung der Apokatastasis durch »sein Satans=Evangelium, daß alle Teuffel noch solten seelig werden« verantwortlich gemacht; der Traktat Angebührliches Verhalten, 1734, 11, erschien anonym. 558 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 307; er nennt den Namen Franckes nicht, sondern spricht von Halle, das nichts von der Wiederbringung habe hören wollen. In Halle sei man zu der Überzeugung gekommen, »es wäre ihnen besser, wenn sie öffentlich bezeugeten, daß sie mit der Lehre von der Wiederbringung nicht einig wären, welches sie in einem Scripto gegen den Hrn. D. Meyer erwiesen«, ebd., 327f. Vgl. hierzu T. Wotschke, Petersen, 1930. E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 196, stellt fest, dass die hallischen Theologen »in allen wichtigen Aussagen von den letzten Dingen mit der Orthodoxie übereinstimmen.« 559 G. Arnolds Einstellung in Bezug auf die Apoktastasis ist, soweit ich sehe, bisher nicht gründlich untersucht worden. Einige Formulierungen weisen darauf hin, dass auch er eine Allversöhnung vertrat, ohne diese jedoch lehrmäßig auszuformulieren, s. etwa seine Schrift Sophia, 1700, Anhang, 9, wo er ausdrücklich von der Wiederbringung spricht; Kirchen- und Ketzerhistorie II, 1729, 727. J. Büchsel, Arnold, 1970, 101f, bezieht die an der letzteren Stelle beschriebene Hoffnung auf eine »herwiederbringung« auf die Erneuerung der Gottebenbildlichkeit und sieht darin einen Gegensatz zur forensischen Auffassung der Rechtfertigungslehre, s. auch ebd., 105, 124. In seinem Werk Erste Liebe, 1732, 140–145, überschreibt Arnold einen Abschnitt »Von der Herwiederbringung des göttlichen Ebenbildes« und entfaltet hier Aspekte der Vergöttlichung des Menschen, ohne dabei eine endzeitliche Perspektive einzubeziehen.
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J. G. Gichtel, F. Breckling560 und H. Horche wendeten sich an diesem Punkt ab und kündigten die Freundschaft auf. J. E. und J. W. Petersen jedoch ließen sich nicht beirren und verbreiteten die Apokatastasis weiterhin in ihren Schriften.561
3.3 Christologie 3.3.1 Einleitung Die Veröffentlichungen J. E. Petersens aus den Jahren 1691 bis 1706 kreisten um eschatologische Fragen. Nachdem dieses Themenfeld durch Chiliasmus und Apokatastasis abgeschritten war, trat ein gedankliches Element in den Vordergrund, das in allen Werken J. E. Petersens vom schriftstellerischen Beginn an nachzuweisen ist, nämlich das Interesse an der Vergöttlichung des Menschen. In den vor 1711 gedruckten Texten ist zwar erkennbar, dass ihr an einer realen Veränderung der Wiedergeborenen lag, die als Abschluss der Umgestaltung auf die Vergöttlichung abzielte. Gegen ein nur forensisches Verständnis der Rechtfertigung hatte sie kontinuierlich Stellung bezogen, um die Einwohnung Christi in den Gläubigen hervorzuheben, die nach ihrer Auffassung mit einer augenfälligen Umgestaltung der menschlichen Person einhergehen müsse. Die Bündelung dieser Anliegen in einem christologischen Konstrukt tritt zum ersten Mal in diesem Buch hervor. Die Suche nach einem Denkmodell, das Gottheit und Menschheit nicht nur durch die Schöpfungs- und Erlösungslehre miteinander verband, führte sie zur Entwicklung einer Christologie, die der zweiten göttlichen Person bereits vor der Inkarnation menschliche Anteile, nämlich eine himmlische Menschheit und himmlisches Fleisch, zuschreibt. Das Konzept einer himmlischen Menschheit und eines himmlischen Fleisches Christi dürfte den beiden Petersen durch ihre breit gefächerten Kontakte sowie durch ihre umfangreichen Literaturkenntnisse frühzeitig begegnet sein. Allerdings lässt sich nicht genau ermitteln, wann die Beschäftigung mit diesem Gedankenkomplex begonnen hat.562 Die 1711 erfolgte Propagierung dieses 560 An Brecklings Korrespondenz lässt sich ablesen, wie er die Konflikte um die ApokatastasisThematik weiterhin aufmerksam verfolgte und sich über Neuerscheinungen sowie wichtige mündliche Stellungnahmen informieren ließ, s. T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 172, Anm. 67, 186, Anm. 81. 561 J. W. Petersen, Geschehene Wiederbringung, 1715; Gantze Welt, o. J. Neben der Auslegung von Apk 3,10 bildet die Verteidigung des Ewigen Evangeliums den Inhalt dieser letzteren Schrift, die 1717 entstanden sein muss, ebd., 66. Gegen die Angriffe Jakob Härtels konzipierte J. W. Petersen noch sein Werk Gerettete Wahrheit des Ewigen Evangelii, das dann postum von Christian Pagencopen 1727 publiziert wurde, s. Unschuldige Nachrichten 1730, 253. Pagencopen selber hatte sich bereits in einer anonymen Schrift zur Wiederbringung bekannt: Gründliche Erkänntniß, 1726. 562 J. W. Petersen war eventuell bereits seit den 1680er Jahren mit Aspekten dieser Idee vertraut.
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christologischen Konzeptes bedeutete allerdings weder für J. E. noch für J. W. Petersen, dass die Eschatologie als Schwerpunkt aufgegeben wurde. Vielmehr erschloss sich ihnen gewissermaßen ein Pendant zur Apokatastasis, indem sie nun eine präexistente Verbindung von Gottheit und Menschheit in Jesus Christus annahmen. Ähnlich wie beide bis an die Grenze aller denkbaren Möglichkeiten die Zurückführung aller Geschöpfe zu ihrem Schöpfer entfaltet hatten, gewannen sie jetzt eine bereits in der Präexistenz vorhandene Verbindung der Menschen mit Gott. J. E. Petersen spricht an einer Stelle denn auch von einem Kreis, der mit der Schöpfung begonnen habe und sich mit der Wiederbringung schließe.563 1711 veröffentlichte das Ehepaar zwei Schriften mit fast identischem Titel, J. E. Petersen Geheimniß des Erst=Gebornen und J. W. Petersen Geheimniß des Erst=Gebohrnen,564 und gleich lautendem Ideengut. Sie traten für eine bereits präexistente Vereinigung von Gottheit und Menschheit in Jesus Christus ein und bezeichneten diesen vorzugsweise als himmlischen Gottmenschen. Beide betonten, dass sie sowohl an der Gottheit als auch an der Menschwerdung Christi festhielten. Christus sei bereits vor der Schöpfung zu einem Mittler zwischen Gott und den Menschen geworden, da die Menschen nicht nach dem Ebenbild der »puren Gottheit« hätten erschaffen werden können. Vielmehr habe es eines präexistenten Mittlers bedurft, damit alle Menschen, auch Adam und Eva, von ihm erlöst werden könnten. Nach J. W. Petersens Ansicht sei der Sohn Gottes folgender-
In seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 23, berichtet er über Briefe Speners, die in Eutin bekannt wurden und Verwirrung stifteten. »Unter andern war auch die Frage de praeexistentia antemundana animae Christi beantwortet und geschrieben, daß zwar nicht er, sonder der Herr Lic. Schütze solches glaubete, und daß der Herr Schütze nicht davor hielte, daß solche Meynung wieder die Gründe des wahren Evangelii lieffe.« Diese Darstellung besagt, dass J. W. Petersen die Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Präexistenz Christi zu denken sei, mit Anstößen durch J. J. Schütz, den Frankfurter Juristen, verknüpft. Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass diese Schilderung mehr als 30 Jahre später niedergeschrieben wurde. 563 J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, Vorrede )()(2r: Die von ihr vertretene Christologie bekräftige, »was wir von der allgemeinen Liebe GOttes glauben/ denn weil alles durch ihn und zu ihm erschaffen/ so erbarmet er sich auch aller seiner Wercke/ und siehet alles/ was verlohren ist/ weil alles zu ihm/ als dem uhrsprünglichen Kreiß/ gehöret/ und nicht unendlich kan noch wird verlohren gehen.« Vgl. ebd., 6. 564 Die Titelblätter sind fast identisch gestaltet. J. E. Petersens Buch umfasst im Oktavformat 95, das ihres Ehegatten 351 Seiten. Beide Bücher nennen Frankfurt a. M. als Publikationsort und erschienen bei denselben Verlegern: Samuel Heyl und Gottfried Liebezeit. S. Heyl wirkte von 1705–1736 in Hamburg als Buchhändler und Verleger, s. D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 109. Über J. G. Liebezeit lässt sich feststellen, dass er von 1705–1711 als Hamburger Verleger erscheint, es ist jedoch nicht klar, in welcher Weise er mit dem von 1683–1703 nachweisbaren Verleger gleichen Namens zusammenhängt, s. ebd., 156. Ein Brief J. E. Petersens aus dem Jahr 1715 an Samuel Heyl belegt, dass es noch weitere Projekte gab, die mit diesem Verleger realisiert werden sollten, jedoch nicht zustande kamen, s. T. Wotschke, Petersen, 1930, 383, Anm. 4. J. W. Petersens Buch Apocalyptisches Weib, 1708, nannte ebenfalls Frankfurt als Erscheinungsort sowie die Namen von S. Heyl und J. G. Liebezeit als Verleger.
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maßen zu betrachten: »nach seiner Gott=Menschheit ein ens medium, oder mediam naturam inter DEum & creaturam, das ist eine mittlere Natur zwischen der göttlichen und geschöpflichen/ das ist/ eine Theanthropische göttliche und menschliche Natur/ die in der Vereinigung betrachtet/ weder absolut GOtt/ noch absolut Mensch/ und doch GOtt und Mensch zugleich sey«.565 Die Gestalt der Weisheit, wie sie insbesondere in den Sprüchen Salomos beschrieben wird, spielt eine wichtige Rolle bei beiden Autoren für die biblische Verankerung dieses neuen Entwurfes.566 Diese Gleichzeitigkeit der Buchpublikationen unter Verwendung des gleichen Titel-Mottos gab Anlass zu Verwechslungen.567 Bei der Veröffentlichung der Autobiographien wählte das Ehepaar noch einmal ein ganz ähnliches Verfahren; diese beiden Texte waren jedoch eindeutiger voneinander zu unterscheiden. Die Parallelität der beiden Traktate von 1711 wird dadurch unterstrichen, dass das Schriftstellerehepaar seine Bücher dem preußischen Königspaar widmete: J. E. Petersen wandte sich in ihrer Dedicatio an Königin Sophie Luise und J. W. Petersen an Friedrich I. J. E. Petersen nennt im Vorwort ihres Buches das Jahr 1708 als entscheidendes Datum für das plötzliche Hervortreten der christologischen Erkenntnis. Sie habe an einem Disput zwischen einem Lutheraner und einem Reformierten teilgenommen und die konfessionellen Missverständnisse zutiefst bedauert. Dieses Erlebnis habe zur Entstehung dieses Werkes geführt.568 In ihrer Autobiographie rechnet sie den christologischen Ansatz zu den ihr unmittelbar von Gott mitgeteilten Offenbarungen. Bestürzt durch den konfessionellen Streit habe sie Gott um Einigkeit gebeten. »Als ich nun so inniglich geseuffzet, wurde mir das Geheimniß der himmlischen Gott=Menschheit JESU CHristi recht lebendig in meinem Hertzen, und ward im Geist versichert, daß solche Erkänntniß ein wahres Mittel seyn würde, diese beyde Re565 J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 18f. 566 Ebd., 16, 341; J. E. Petersen, Einige Send=Schreiben, 1714, 73, 76, 83. Zur exegetischen Diskussion s. G. Baumann, Proverbien, 1996. 567 Unschuldige Nachrichten 1727, 1165f; H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 128. 568 J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, Vorrede. J. W. Petersen kommt in diesem Zusammenhang nur insofern vor, als sie mitteilt, er habe sich mit ihr an demselben Ort, einer nicht genannten Stadt, befunden. In ihrem Buch Einige Send=Schreiben, 1714, Vorrede A5r, spricht sie bereits von einem Offenbarungsempfang: »Das Geheimnüß der himmlischen GOtt=Menschheit ist mir Anno 1708. von der Salbung gelehret und mitgetheilet worden.« Die Umstände spezifiziert sie dahingehend, dass sie ihren Ehegatten in eine benachbarte Stadt begleitet habe, von wo aus er seine Reise nach Schlesien antrat. In diesem Buch lässt sie auch ihren Ehegatten in der Ferne an der Offenbarung teilhaben: »Nachdem nun mein lieber Mann wieder aus der Schlesie kam/ hatte es ihm der liebe GOtt in der Zeit gleichfals auffgeschlossen,« A5v. Der konfessionelle Disput, von dem J. E. Petersen berichtet, könnte in Leipzig stattgefunden haben, denn von dort aus brach J. W. Petersen nach Schlesien auf, s. J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 308. M. H. Jung geht fälschlicherweise davon aus, dass J. E. Petersen ihren Mann nach Schlesien begleitete, Laientheologin, 2003, 38f.
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ligionen zu vereinigen«.569 J. W. Petersen macht in seinem Buch Geheimniß des Erst=Gebohrnen keine Angaben über das Zustandekommen dieser Auffassung. In seiner Autobiographie hingegen gibt auch er an, dass es sich dabei um eine göttliche Offenbarung gehandelt habe.570 Ein Zusammenhang mit J. W. Petersens Reise nach Schlesien, die er 1708 antrat, könnte insofern bestehen, als er dort nach eigenen Angaben auch auf Schwenckfeldianer traf. Er spricht sich nachdrücklich für eine Tolerierung dieser Gruppe aus.571 Eventuell bildeten diese Begegnungen und Gespräche den Anlass, sich mit dem christologischen Konzept einer himmlischen Menschheit Christi zu befassen. Mit der 1711 proklamierten spezifischen Christologie rezipierten J. E. und J. W. Petersen einen weiteren Baustein heterodoxer Lehrmeinungen, die seit der Zeit der Alten Kirche in unterschiedlichem Gewand nachweisbar sind.572 In seiner 1951 vorgelegten Monographie zum Thema des himmlischen Fleisches Christi machte Hans-Joachim Schoeps bereits darauf aufmerksam, dass eine Untersuchung dieses Ideenkomplexes fehle;573 daran hat sich bis in die Gegenwart nichts geändert. Er konzediert, dass es durchaus biblische Anhaltspunkte für die Entwicklung dieser Lehre gebe und dass diese auf die Schwierigkeiten insbesondere der in Chalcedon verabschiedeten christologischen Bestimmungen reagiere, die rational nicht nachvollziehbar seien, sondern ein Mysterium blieben.574 Schoeps verfolgt die Verbreitung dieses Theologumenons bei Kaspar von Schwenckfeld, Melchior Hoffmann, Menno Simons, 569 J. E. Petersen, Leben, 1718, 45. Im Kontext der Autobiographie erwähnte J. E. Petersen ihren Ehegatten mit keiner Silbe. Bei der Besprechung der Autobiographie J. E. Petersens bemerkten die Unschuldigen Nachrichten 1718, 678, dass ihr als erster »die himmlische Menschheit eingefallen« sei, »also, daß sie auch die Ehre der Erfindung ihrem Ehemann, der sonst so viel daraus gemacht hat, hinwegnimmt.« 570 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 358. Das Geheimnis des himmlischen Gottmenschen sei seiner »Liebsten zugleich, da ich doch von ihr abwesend war, von GOtt aus der Schrifft eröffnet worden, und deswegen von uns beyden in einem Buche solches bezeuget, und in der Freudigkeit unserer Gewißheit dem Könige und der Königin in Preussen ohne alle Furcht dediciret haben,« ebd., 360. 571 Ebd., 321f. Er äußerte sich sehr irenisch über die Schwenckfeldianer, die in der Nähe von Lemberg siedelten: »Haben sie einige Dinge, die mit uns noch nicht übereinstimmen, so solten wir gedencken, es möchten bey uns auch noch solche seyn, die für der göttlichen Censur nicht bestehen möchten. Tolerandi sunt, non persequendi.« Zu dieser Gruppierung in Schlesien s. auch H. Weigelt, Spiritualistische Tradition, 1973. 572 H.-J. Schoeps, Himmlisches Fleisch, 1951, 5–8, nennt Gnostiker wie die Valentinianer, Marcion, Apelles und Basilides als erste Vertreter dieser Idee. Eine erste gewichtige Ausprägung erfuhr sie bei Apollinaris von Laodicea, ebd., 9–14. Zur Gnosis s. H.-M. Schenke, Gott, 1962; A. Grillmeier, Jesus 1, 1982, 193. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 660, notierte bei seinem Referat über diese Entwicklung beider Petersen: »Die Sache selbst ist an sich nichts neues, indem verschiedene Fanatici Christo einen zweyfachen Leib, einen himmlischen und irrdischen, beygelegt haben, ob sie wohl in verschiedenen Umständen besonders, wie dieser zweyfache Leib von einander unterschieden seyn soll, sich nicht auf einerley Art erklären«. 573 H.-J. Schoeps, Himmlisches Fleisch, 1951, 5. 574 Ebd., 19, 21.
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Sebastian Franck, Paracelsus, Michael Servet, Valentin Weigel, Nicolaus Teting und Paul Felgenhauer.575 Von Bedeutung für das Ehepaar Petersen war zweifelsohne Kaspar von Schwenckfeld (1489–1561), der das Motiv des himmlischen Fleisches Christi zur tragenden Idee seiner Christologie entwickelte.576 Die Konzeption der zweifachen Menschwerdung Christi sowie seines himmlischen Fleisches wurde ferner von Jakob Böhme,577 Valentin Weigel,578 Antoinette Bourignon579 und Pierre Poiret580 vertreten. Zumindest J. W. Petersen war mit Schriften dieses Personenkreises vertraut. J. E. Petersens Lektüre ist sehr viel schwerer zu bestimmen, da ihre Hinweise nur indirekte Rückschlüsse auf ihre Kenntnisse zulassen. So kann bei ihr kaum rekonstruiert werden, welche Autoren sie selber las und welche gedanklichen Zusammenhänge ihr durch ihre Gesprächspartner nahe gebracht wurden. Wenn J. W. Petersen sich auch auf Johann Arndt beruft,581 so liegt darin keine rein willkürliche Interpretation. Wilhelm Koepp geht davon aus, dass Johann Arndt durch seine Beschäftigung mit Paracelsus und Weigel der Idee des himmlischen Fleisches Christi zeitweise zugeneigt habe. In einem Brief, dessen Echtheit allerdings umstritten ist, versuchte Arndt zu erklären, »daß wie Christus als der himmlische Adam auch himmlisches, doch menschliches Fleisch und Blut gehabt, also auch die wahren Wiedergeborenen mit einem neuen himmlischen Geist und geistli575 Letzteren hält Schoeps für den bedeutendsten Vertreter dieser »valentinisch-apollinaristischen Christologie«, er habe »geschlossener und konsequenter als irgendeiner seiner Vorgänger« gedacht und argumentiert, ebd., 80. Zu Felgenhauers Vorstellung des himmlischen Fleisches Christi s. auch E. A. Schering, Adam, 1958, 103; zu Felgenhauer (1593–ca. 1677) s. ferner F. Bautz, Felgenhauer, 1990. J. W. Petersen wird als Letzter bei Schoeps nur kurz gestreift, J. E. Petersen findet gar keine Erwähnung. Nur namentlich genannt werden ferner noch Anders Peterson Kempe, Theodor Undereyck sowie Johann Konrad Dippel, s. H.-J. Schoeps, Himmlisches Fleisch, 1951, 80. 576 Vgl. hierzu H.-J. Schoeps, Himmlisches Fleisch, 1951, 28–36. Christus wurde nach seiner Vorstellung zwar von Maria geboren, sei aber »in ihrem Leib nur zu Gast gewesen«, ebd., 28. Schwenckfeld geht es darum, die Vergöttlichung des Menschen zu sichern. Diesem Ziel dient das Festhalten an der Göttlichkeit Jesu, die eine Menschwerdung mit menschlichem Fleisch und Blut als undenkbar erscheinen ließ. Vgl. auch G. Maron, Schwenckfeld, 1961; M. Schmidt, Göttliche Natur, 1969, 239–243; ders., Theologische Erscheinung, 1984, 27f; G. A. Benrath, Spiritualisten, 1980, 589; A. Séguenny, Christology, 1987, bes. 79–115; M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung 1993, 118–123. Schwenckfeld hatte großen Einfluss auf die Theologie J. K. Dippels, jedoch nicht im auf Hinblick diesen christologischen Entwurf, s. S. Goldschmidt, Dippel, 2001, 231–233. 577 W. Nordmann, Widerstreit, 1931, 158, führt diesen Gedankenkomplex J. W. Petersens vor allem auf den Einfluss Böhmes zurück. 578 Zur Ausprägung dieser Idee bei ihm, Poiret und Bourignon s. H. Corrodi, Chiliasmus 3.1, 1793, 498, 973; vgl. auch M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 125–127 579 J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 622; E. A. Schering, Adam 1958, 103. 580 Vgl. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 4.2, 1735, 972–974. Hier wird Poirets Übernahme dieser Vorstellung mit der Abhängigkeit von Bourignon erklärt. 581 J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 219f.
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chen Leib in und aus Christo angetan werden, mit dessen wesentlichem Leib und Blut sie gespeist und bis zur göttlichen Größe ernähret werden.«582 Koepp unterstreicht, dass Arndt diese Anschauung jedoch nicht in Gänze übernahm und bei allem signalisierten Verständnis »eine leise feine Grenze« zog.583 Dieser Brief Arndts wurde als Anhang mit abgedruckt in einer Neuauflage von C. Hoburgs Theologia Mystica,584 wodurch der Eindruck erweckt wurde, als ob Arndt zu Recht als ein Vertreter mystischer Geheimlehren gelten könne.585 J. G. Walch erwähnt im Kontext seiner Darstellung dieses christologischen Streites nur J. W. Petersen, obwohl er auch die entsprechende Schrift J. E. Petersens kannte.586 Dieser Abschnitt soll im Zusammenhang zitiert werden, da der gelehrte Lutheraner des 18. Jh. ohne jede zugespitzte Polemik auf die Schwächen dieses Ansatzes aufmerksam macht. Beide Petersen betonten zwar, dass sie weder die Göttlichkeit noch die Menschlichkeit Christi in Zweifel ziehen wollten, beides geschah jedoch. Sie bestritten die Inkarnation des Gottessohnes nicht direkt, lösten jedoch deren Heilsfunktion unter der Hand auf. Walch schreibt: »Wir bemercken davon nur dreyerley an: einmal daß sich diese Meynung von der himmlischen Gott=Menschheit selbst dadurch verdächtig macht, als eine Grille und Geburth der zu weit ausschweiffenden Einbildungs=Krafft, weil sie so dunckel vorgetragen wird, daß man nicht wissen kan, worauf das Wesen dieser himmlischen Gott=Menschheit beruhen solle, auch daraus zu schliessen, daß Herr D. Petersen habe solches selbst nicht gewußt. Es soll nichts unerschaffenes; auch nichts erschaffenes seyn, und da hält wol die Vorstellung eines solchen entis medii sehr schwer. Nebst dem scheints was bedenckliches zu seyn, daß man die biblischen Sprüche, so die ewige Gottheit Christi erweisen, auf dessen himmlische Gott=Menscheit ziehet, womit man den Socinianern gar leicht vieles einraumen kan. Und endlich muß auch die Wahrheit der Menschwerdung darunter leiden.«587
582 W. Koepp, Johann Arndt, 1912, 31. Es handelt sich um einen Brief an Erasmus Wolfart, s. ebd., 31f. J. G. Walch, Einleitung 3.1, 1733, 182–186, der als orthodoxer Lutheraner für Arndt eintrat, bestreitet die Echtheit dieses Briefes. 583 W. Koepp, Johann Arndt, 1912, 32. In einer Stelle des Wahren Christentums II, 36,2, sieht Koepp, ebd., 32, einen Nachklang dieser zeitweiligen Beschäftigung: »Darum ist er Mensch geworden und hat unser Fleisch und Blut angenommen, daß durch sein lebendigmachendes Fleisch auch wir lebendig gemacht würden.« Vgl. hierzu auch M. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 1993, 132. 584 C. Hoburg, Theologia Mystica, 1700, Anhang, 504ff. 585 J. J. Schütz sprach sich gegen diesen Abdruck aus, den der Verleger H. Betke dem Nachdruck von Hoburgs Werk beifügte, s. A. Deppermann, Schütz, 2002, 341. 586 J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 721. 587 Ebd., 662f.
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3.3.2 Johanna Eleonora Petersens Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711 J. E. Petersens Traktat von 1711 erweckt als Ganzer einen aphoristischen, teilweise unfertigen Eindruck. Er enthält außer der Erläuterung der Christologie des himmlischen Gottmenschen exegetische Ausführungen zu alt- und neutestamentlichen Schriften, die z. T. wie Vorarbeiten für die Darlegung des neu angeeigneten christologischen Entwurfes wirken.588 Daneben prägen zwei weitere Themenstränge diesen Traktat, die von der Verfasserin als Konsequenz bzw. als Fortführung der Idee des himmlischen Gott-Menschen präsentiert werden, nämlich die Apokatastasis sowie das Postulat der Zusammenführung von Lutheranern und Reformierten. Die von ihr als Grundlage der Argumentation herangezogenen Bibelstellen Joh 1 sowie Kol 1,16ff bilden seit der Zeit der Alten Kirche die Ausgangspunkte für christologische Debatten, aus denen sich die Logos-Christologie und die Entscheidungen des Konzils von Chalcedon entwickelten.589 Biblische Textstellen, die traditionell als Aussage über die Präexistenz Christi verstanden wurden,590 bezieht J. E. Petersen auf ihre Idee der himmlischen Gott-Menschheit und stellt ihre Deutung als die einzig Richtige hin.591 Das Herausfordernde an diesem Traktat besteht darin, dass die Verfasserin ihre Interpretation nicht als einen Diskussionsbeitrag neben anderen darbietet, sondern dass sie ihre Überzeugungen als theologisch abgesicherte Lehre formuliert. So fordert sie von den Lutheranern und Reformierten
588 Der erste Teil beschäftigt sich mit der Christologie, J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 1–46; darauf folgen eine geraffte Auslegung des ganzen Römerbriefes sowie zu Joh 17, ebd., 47–82 (hier liegt das Schwergewicht der Ausführungen auf den Kapiteln 7/8 sowie 9–11) und Ausführungen zu Micha 5,1, Joh 1,1–3, Kol 1,15–19, ebd., 82–95. Insbesondere die Überlegungen zum Römerbrief erwecken den Eindruck, als ob sie bereits in einer früheren Schaffensphase der Autorin entstanden sein könnten, da nur an einer Stelle auf den himmlischen Gott-Menschen, die Apokatastasis und die Vereinigung der Konfessionen Bezug genommen wird, ebd., 62. Dieser Entwurf belegt das bereits im ersten Buch J. E. Petersens dokumentierte Interesse an einigen Aussagen dieses paulinischen Briefes, gravierende Abweichungen von der 1689 vorgetragenen Sichtweise über Röm 7/8 sowie 9–11 sind nicht festzustellen. Die für Joh 17, ebd., 67–82, gewählte Methode der Fortschreibung des biblischen Textes wird in J. E. Petersens Buch Verklärte Offenbahrung, 1706, für die gesamte Apk angewandt. 589 Vgl. hierzu F. Mildenberger, Theologie, 1983, 54–65. Im Kontext seiner Darstellung der christologischen Irrtümer, die die Sozinianer vertreten, verweist J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 4.1, 1736, 404, u. a. auf diese Bibelstelle, die von den Lutheranern als Beleg für die ewige Geburt des Gottessohnes betrachtet wurde. 590 Einer der lutherisch-orthodoxen Gegner der beiden Petersen, J. H. Feustking, ging z. B. in einer Predigt über Lk 8,4–15 kurz auf Micha 5,1 ein, für J. E. Petersen eine der Hauptbelegstellen ihrer besonderen Christologie. Feustking sieht in diesem alttestamentlichen Vers eine Aussage über Jesus Christus, ohne jedoch im Geringsten der von den Petersen vorgetragenen Idee zuzuneigen, Miscellan-Predigten 2, 1726, 283f. 591 In ihrer Autobiographie nennt J. E. Petersen folgende Bibelstellen als wichtigste Belege: Kol 1,18; Joh 1,1; 6,51.53.56; 1Kor 10,14; Eph 3,9; Hebr 13,8; Gen 32,28; Spr 8,22 sowie Mi 5,1, Leben, 1718, 45f.
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schlichtweg, von ihren Grundlagen der Schriftauslegung abzurücken, da diese nach ihrer Meinung zu falschen Ergebnissen führen.592 In ihrer Widmung an die preußische Königin spielt die Verfasserin darauf an, dass sie die Mutter und die Großmutter der Regentin während ihres Hofdienstes in Wiesenburg persönlich kennen lernte.593 J. E. Petersen spricht in der Dedicatio ein Grundmotiv dieses Werkes an, nämlich die Hoffnung, zu einer Vereinigung der beiden aus der Reformation hervorgegangenen Konfessionen beitragen zu können. Das preußische Königspaar stellt sie als Vorbild der gelungenen Verständigung von lutherischem und reformiertem Bekenntnis hin. Davon konnte allerdings im Jahr 1711, als diese Huldigung gedruckt wurde, keine Rede mehr sein. Die dritte Eheschließung Friedrichs I. mit der wesentlich jüngeren Prinzessin Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin, die sich ausbedungen hatte, lutherisch bleiben zu können, stand von Anfang an unter politischen und persönlichen Spannungen.594 Völlig unabhängig von dieser Ehe hatte Friedrich I. mit Unterstützung seines Hofpredigers Daniel Ernst Jablonski (1660–1741)595 mehrere Vorstöße unternommen, um die beiden protestantischen Konfessionen wieder zusammenzuführen.596 Dieses Vor592 J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 4f, 7f. 593 Ebd., Vorrede )(3r-v. 594 Die Eheschließung erfolgte 1708, drei Jahre nach dem Tod von Sophie Charlotte, der bedeutenden zweiten Ehefrau des brandenburgischen Kurfürsten und ersten preußischen Königs, s. B. Sokop, Stammtafeln, 1993, 25. Zu den Hintergründen dieser Eheschließung s. C. Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 1941, 350–355, 387, 395; K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 158–160. Sophie Luise neigte einem schwärmerischen Pietismus zu, der von ihrem lutherischen Hofprediger Johann Porst befördert wurde, s. C. Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 1941, 585; ders., Preußentum, 1971, 91–95; K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 29; L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984, 81f, 152; M. Brecht, Francke, 1993, 500. Zunächst fand Francke Unterstützung durch die Königin, s. G. Kramer, Francke 2, 1882, 133–135; bei seinem Aufenthalt im Jahr 1709 in Berlin geriet er jedoch in die Spannungen hinein, die zwischen König und Königin bestanden, s. ders., Neue Beiträge, 1875, 126. Als 1713 eine Geisteskrankheit der Königin offenkundig wurde, brachte man sie nach Mecklenburg zurück, wo sie sich bis an ihr Lebensende aufhielt, C. Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 1941, 668–670; L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984, 82. 595 Dieser kam aus der Unität der Böhmischen Brüder und dehnte sein ökumenisches Engagement auch auf die Anglikaner aus, s. H. Dalton, Jablonski, 1903; R. v. Thadden, Hofprediger, 1959; K. Deppermann, Hallescher Pietismus, 1961, 31; L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984, 150f. 596 Diese vom Beginn seiner Regierungszeit an verfolgten Pläne müssen im Kontext ähnlicher Unternehmungen betrachtet werden, die z. B. besonders intensiv von Baron Justinian von Weltz (1621–1668) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) betrieben wurden, s. hierzu M. Schmidt, Einheit der Kirche, 1984, 104f. Auch der Schotte John Durie verschrieb sich den Einheitsbemühungen, ebd., 102–104. Zinzendorf war ebenfalls mit wechselnden Ideen auf der Suche nach einer Vereinigung der getrennten Kirchen, s. D. Meyer, Zinzendorf, 1995. Vgl. auch C. W. Herring, Unionsversuche 1–2, 1836–1838; P. Schreyer, Unionsversuche, 1938; R. Catsch, Unionsbestrebungen, 1989; W.-D. Schäufele, Kirchenunionsbestrebungen, 1998; H. Otte/R. Schenk, Reunionsgespräche, 1999. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 3.2, 1734, 1041–1126, der ausführlich über die Unionsprojekte zwischen Lutheranern und Reformierten berichtet,
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gehen lag auf der Linie der brandenburgischen Kurfürsten seit ihrem 1613 vollzogenen Wechsel zur reformierten Kirche, die Gegensätze zwischen den Konfessionen möglichst abzumildern.597 Unter den Lutheranern in Brandenburg-Preußen formierte sich heftige Gegenwehr gegen diese Unionspläne. Obwohl die pietistische Bewegung zum Teil neue Wege der interkonfessionellen Begegnung betrat, lehnten etwa Spener und Francke alle derartigen Initiativen der brandenburgisch-preußischen Herrscher entschieden ab.598 Das von J. E. Petersen 1711 vorgetragene Bemühen um eine Überwindung der konfessionellen Grenzziehungen berührte sich mit keinem der übrigen Projekte, da sie ja ausschließlich die von ihr vertretene Christologie als Mittel der Verständigung sah.599 Während sie in ihren vorherigen Schriften einen Standpunkt eingenommen hatte, der einer Nivellierung aller Konfessionen zugunsten eines philadelphischen Kirchenideals entsprach, präsentierte sie sich als Lutheranerin ausgerechnet in der Schrift, die die Distanz vom Bekenntnis der lutherischen Kirche auf die Spitze trieb.600 So sind denn auch keine Hinweise darauf vorhanden, dass ihre Unionspläne irgendwelche praktischen Konsequenzen zeitigten.601 Am prägnantesten entwickelt J. E. Petersen ihre Vorstellung der Christologie des himmlischen Gott-Menschen in sieben Punkten, in denen sie den Nutzen dieser Idee zusammenfasst.602 Als Erstes geht sie davon aus, dass man mit Hilfe dieses Konzeptes »GOtt und Christum viel eigentlicher erkeñen lernet«. Dieser Satz enthält den Anspruch, dass weder altkirchliche noch reformatorische Theologie noch die pietistischen Neuansätze in Bezug auf Gotteslehre und Christologie zur wahren Erkenntnis geführt hätten. Die Grundlagen des Bekenntnisses macht geltend, dass vor allem die Reformierten eine solche Union anstrebten, da sie die theologischen Unterschiede zwischen den Konfessionen als unerheblich erachteten, 1065. 597 Vgl. hierzu W. Gericke, Glaubenszeugnisse, 1977. 598 Vgl. P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 114f, 28.12.1686; M. Beintker, Bekenntniswechsel, 1987. Auch gegenüber Verhandlungen zur Annäherung zwischen Katholiken und Lutheranern blieb Spener abweisend, s. H. Dechent, Kirchengeschichte 2, 1921, 99. Zu Speners Position vgl. ferner E. Hirsch, Geschichte 2, 1964, 136–138. Francke und die Universität Halle weigerten sich, wie von Berlin gewünscht, einen reformierten Theologen unter die Professoren aufzunehmen, s. M. Brecht, Francke, 1993, 499. Zur Gesamteinschätzung dieses Themas s. M. Brecht, Pietismus und Irenik, 2003. 599 Trotz dieses Vorstoßes in Richtung auf eine theologische Konsensbildung blieb J. E. Petersen ihrem pietistischen Grundansatz treu, das praktizierte Christentum der Lehre vorzuordnen. Das »Haupt=Werck« sei der »Glaube/ so durch die Liebe thätig ist«, dennoch habe »die Einigkeit in der Religion doch auch grossen Nutzen«, J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 6. 600 So bezieht sie sich eindeutig in die Gemeinschaft der Lutheraner ein, wenn sie von einem »wir« spricht, ebd., 6. 601 M. Schmidt, Nordwestdeutschland, 1984, 210, würdigt diese Initiative zur Versöhnung der Konfessionen: »Aus derartigen Darlegungen sprach eine fast majestätische Überlegenheit, die von der scharfen Polemik, aber auch der in sich versunkenen Mystik eines Christian Hoburg abstach.« 602 J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 40–45.
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der lutherischen Kirche sind damit in Frage gestellt. Gleiches gilt für den zweiten Punkt, dass »man auch die H. Schrifft besser verstehen« lerne, wenn die von ihr vorgeschlagene Christologie den hermeneutischen Schlüssel bilde. Als Drittes führt J. E. Petersen das Abendmahl an, das für sie zu einer Teilhabe am himmlischen Fleisch und Blut Christi wird.603 Dieses Abendmahlsverständnis hat nichts mehr mit lutherischer Praxis und Lehre gemein; auch der pietistische Rigorismus, das Abendmahl nur den Wiedergeborenen vorzubehalten, zielt in eine völlig andere Richtung.604 Das vierte Argument für ihren christologischen Entwurf sieht J. E. Petersen darin, dass das seit der Reformation strittige Problem der Allgegenwart Christi gelöst werden könne, da ja die Göttlichkeit Christi zu jedem Zeitpunkt gesichert sei. Im fünften Punkt spricht die Verfasserin ihr Anliegen der Vereinigung von Lutheranern und Reformierten an und schlägt die Christologie des himmlischen Gott-Menschen als Lösung für die Kontroversthemen Abendmahl, Ubiquität und Prädestination vor.605 Die Reformierten müssten schlicht von ihrer Vorstellung der Vorherbestimmung zur Verdammung abrücken, da »nichts von den Geschöpffen/ daß durch den Willen GOttes das Wesen hat . . . Und durch Christum und zu Christum geschaffen ist/ zur ewigen Verdammniß erschaffen sey«.606 Wie dieser Satz zeigt, besaß J. E. Petersen gute Kenntnisse der Kontroverstheologie ihrer Zeit. Den sechsten Nutzen ihres christologischen Entwurfes sieht sie darin, dass den Sozinianern eine Brücke dargeboten werden könne, damit diese außer der von ihnen einzig angenommenen menschlichen Natur Christi auch seine Göttlichkeit akzeptieren könnten.607 Die als religiöse Außenseiter in den meisten Ländern des frühneuzeitlichen Europa verfolgten Sozinianer stellten wie keine andere Gruppierung die Grundlagen christlichen Denkens in Frage.608 Für die meisten Pietisten gab es keinen Anlass, eine Verständigung mit den Sozinianern zu suchen.609 603 Den biblischen Beleg hierfür sieht sie in Joh 6, 50f.53.62f, ebd., 42. 604 Zur Absonderung einiger Frankfurter Pietisten vom öffentlichen Abendmahl s. A. Deppermann, Schütz, 2002, 182–184. Wenn in pietistischen Kreisen das Thema der Sakramentsausteilung an Unwürdige zur Debatte stand, dann schwang dabei – wenn auch nicht immer direkt ausgesprochen – die Fragestellung mit, ob die wahrhaft Gläubigen sich von einer aus Würdigen und Unwürdigen gemischten Gemeinde lieber fernhalten sollten. Bereits die Briefe Speners aus dem Jahr 1673 an die Wiesenburger Hofjungfer beleuchten, dass J. E. Petersen sich mit Fragen des Abendmahls und insbesondere mit dem Problem der Teilnahme von Unwürdigen befasste, s. P. J. Spener, Briefe 1, 1992, 666f, vgl. 611; s. auch ders., Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 140f. 605 Damit sind die seit der Reformation im Vordergrund der Kontroversen stehenden Themen benannt, s. F. Mildenberger, Theologie, 1983, 150–158. 606 J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 43. 607 Ebd., 42f; auch Atheisten wollte sie in ihre Einigungsbemühungen einbeziehen; vgl. auch 7, 21. 608 Die auf den Italiener Fausto Sozzini (1539–1604) zurückgehende Strömung bildete die bedeutendste Gruppe der Antitrinitarier, die zudem einen rationalistischen Ansatz verfochten, s. J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten, 1, 1733, 562–567; 4.1, 1736, 236–644; J. Wallmann, Sozinianismus, 1995; G. A. Benrath, Antitrinitarismus, 1998, 66–70.
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Das letzte Argument macht am deutlichsten, was J. E. Petersen mit der Entwicklung dieser Christologie erreichen wollte: die Vergöttlichung der Menschen. »Vors siebende/ so machet uns solche Erkäntniß ein grosses Vertrauen zu GOtt wenn wir daraus erkennen/ wie nahe wir unsern GOtt durch Christum geworden/ und lernen auch eigentlicher erkennen/ daß wir nach unserm besten Theil ein Bild und Gleichniß GOttes und Göttliches Geschlechtes sind/ so durch Christum der Göttlichen Natur theilhafftig worden.«610 Die in die Präexistenz verlegte Vereinigung von Gottheit und Menschheit, nach der Christus himmlischer Gott-Mensch mit himmlischem Fleisch war, soll dazu verhelfen, dass die Menschheit Anteil an dieser Göttlichkeit gewinnt.611 So wie die wahre Menschheit Christi in seiner himmlischen Menschheit besteht, so werden nach J. E. Petersen auch die Gläubigen in diese Art von Menschsein verwandelt, wenn sie durch den Prozess der Reinigung und Heiligung zur Neuen Kreatur in Christus gelangen. Ähnlich wie dieses Modell die Menschlichkeit Christi herabmindert, so spricht sich hierin auch eine negative Einschätzung der menschlichen Kreatürlichkeit aus.612
3.3.3 Johann Wilhelm Petersens Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711 Dieses Buch mit dem fast vierfachen Umfang des Werkes von J. E. Petersen macht im Vergleich beider Werke einen sehr viel strukturierteren und stringenteren Eindruck. Der geschulte Theologe entwickelt seine Position, indem er in breitem Maß Kirchenväterliteratur aufgreift, die er allerdings als eindeutige Hinweise auf die von ihm vertretene Christologie liest. J. W. Petersen gibt zu verstehen, dass er sich mit den ähnlich gearteten Vorstellungen von Kaspar von Schwenckfeld, Valentin Weigel, Melchior Hoffmann und Johann Arndt beschäftigte. Er kritisiert deren Entwürfe, da sie nur Ansätze enthielten, jedoch nicht konsequent genug durchgeführt worden seien. Gerade J. Arndt würde sich nach J. W. Petersens Überzeugung freuen, wenn er noch am Leben wäre 609 Die letzten Schriften Speners waren der Abgrenzung gegen die Sozinianer gewidmet, s. P. Grünberg, Spener 1, 1893, 346–348, 494–496. M. Schmidt, Nordwestdeutschland, 1984, 210, Anm. 46, hebt hervor, dass J. E. Petersen die Sozinianer »als eigenständige Konfession« betrachtete und damit eine für den Pietismus einzigartige Perspektive einnahm. 610 J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 45, unter Hinweis auf Apg 17,29; 2Petr 1,4. 611 Die Theosisvorstellung J. E. Petersens geht so weit, dass Menschheit und Gottheit unterschiedslos miteinander vereinigt werden. Als Interpretation zu Joh 17,22 lässt sie Christus zu seinem Vater sprechen: »denn weil ich/ der ich mit dir eines Wesens bin/ mit ihnen so genau mich vereiniget habe/ daß ich ihr Haupt/ und sie meine Glieder/ ja ein Geist mit mir sind/ so sind sie auch mit dir vereiniget/ daß sie also mit uns eines sind/ gleich wie wir eines sind/ da sie allzusammen in eines verfasset/ und mit uns eines sind«, ebd., 77. 612 Ebd., 37: »so bestehet doch die wahre Menschheit nicht in dem natürlichen oder irrdischen Menschen/ sondern in der himmlischen Menschheit/ nehmlich in dem Ebenbilde GOttes«.
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und die Verbreitung der richtigen Lehre vom himmlischen Gott-Menschen erleben könnte.613 J. W. Petersen Geheimniß des Erst=Gebohrnen ist in fünf Teile untergliedert: Der erste Teil besteht aus 25 bekenntnisartigen Voten, die jeweils mit der Formel beginnen »Ich gläube und bekenne«.614 Der zweite Teil bildet eine gewissen Parallele zum Buch J. E. Petersens; ähnlich wie sie stellt J. W. Petersen seinerseits den Nutzen der Idee des himmlischen Gott-Menschen in sechs Punkten dar.615 Als dritten Teil präsentiert er »Einige Zeugnissen/ Von dieser GOtt=Menschheit JEsu Christi«.616 Ein Dialog zwischen den Protagonisten Timotheus und Paulus bildet den vierten Teil, worin Ersterer die Fragen stellt und Letzterer weit ausholend seinen christologischen Entwurf vorstellt.617 Der letzte Teil bildet ein Pendant zum ersten, indem J. W. Petersen noch einmal in bekenntnishaftem Frage- und Antwortmodus die wichtigsten Punkte seiner Überzeugung zusammenfasst.618 Bereits in der Widmung an den preußischen König taucht das Stichwort des Glaubensbekenntnisses auf, das diesem Buch J. W. Petersens seinen bestimmenden Charakter gibt.619 Hierin liegt gleichzeitig die zugespitzte Problematik dieses Werkes. Während die parallel erschienene Schrift J. E. Petersens eher den Charakter eines Entwurfes trägt, hüllt J. W. Petersen die umstrittene Christologie in bekenntnisähnliche Formulierungen ein und gibt ihnen durch diese literarische Einkleidung den Akzent einer Glaubenswahrheit. J. E. Petersen setzt alles daran, die Christologie des himmlischen Gottmenschen als alleiniges Resultat ihrer Bibellektüre erscheinen zu lassen, die zusätzlich durch ein Offenbarungserlebnis gesteuert wurde. J. W. Petersen hingegen wendet alle ihm zur Verfügung stehenden intellektuellen Mittel an, um diese Christologie mit Hilfe seiner umfassenden Kenntnisse darzulegen: Neben biblischen Belegstellen dienen auch rabbinische Vorstellungskomplexe wie die der Sephirot und des Adam Kadmon620 sowie solche antiker und spätantiker Philosophen dazu, seine Ideen zu untermauern.621 Nach seiner 613 J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 219f. 614 Ebd., 1–181. 615 Ebd.,181–250. 616 Ebd., 251–266: Neben einem anonymen Dialog druckt er vornehmlich Zitate aus einem Werk von Henrich Bernhard Küster ab. 617 Ebd., 267–338: Neben weiteren werden die Kirchenväter Dionysius Areopagita, Ambrosius, Gregor von Nazianz und Ephräm der Syrer ausführlich zitiert. 618 Ebd., 339–351. 619 Ebd., Dedicatio )(2v. 620 Bei den zehn Sephirot handelt es sich um »Sphären göttlicher Manifestationen, in denen Gott aus seiner Verborgenheit hervortritt«, G. Scholem, Mystik, 1957, 232. J. Dan, Adam Kadmon, 1998. Die Symbolfigur des Adam Kadmon meint den Urmenschen, der zugleich zur Umschreibung Gottes dient, ebd., 234, 291. Das Symbol das Adam Kadmon kommt bereits früher bei J. W. Petersen vor: Mysterion Apokatastaseos 2, 1703, Vorrede )()(2r. 621 So erwähnt er Hermes Trismegistos, Pythagoras, Plato und Plotin, J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 187. S. Luft, der nur am Rande auf diese Schrift eingeht, stellt
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Meinung könnten Juden, Türken und Heiden auf diese Weise für das Christentum gewonnen werden, da er bei diesen Gruppen Annäherungspunkte für die Konzeption Christi als des himmlischen Gottmenschen meinte finden zu können.622 Das Schwergewicht der Argumentation beruht allerdings bei ihm wie bei seiner Ehefrau auf der Neuinterpretation biblischer Texte. Noch deutlicher als bei J. E. Petersen tritt in seinem Werk zu Tage, dass das Motiv für die Ausbildung dieser Christologie darin liegt, die Göttlichkeit der Menschen abzusichern.623 Viel häufiger als bei J. E. Petersen taucht bei J. W. Petersen eine Formel auf, die beide auf Eph 5,30–32 zurückführen: Während dort von den Gliedern des Leibes Christi sowie dem Bild des einen Fleisches, das die Gemeinschaft von Frau und Mann versinnbildlicht, die Rede ist, wird daraus von den beiden Petersen der Satz abgeleitet, dass die Gläubigen Fleisch vom Fleisch Christi und Gebeine von seinen Gebeinen seien.624 J. W. Petersen entwickelt die Vorstellung der Göttlichkeit so weit, dass er schreibt, den von Gott erwählten Gläubigen komme die Aufgabe zu, »das Geschlecht und Linie Gottes« fortzusetzen, indem sie sich vermehren.625 Anders als seine Ehefrau legt J. W. Petersen mehr Gewicht darauf, den himmlischen Gottmenschen als androgynes Wesen zu entwerfen. Bei J. E. Petersen klingt das Stichwort der himmlischen Eva nur kurz an, ohne dass recht deutlich wird, was darunter zu verstehen ist.626 J. W. Petersen hingegen erläutert die Androgynie Christi dahingehend, dass die himmlische Menschheit den weiblichen Anteil darstelle und die himmlische bzw. göttliche Eva bilde.627 Mit Hilfe dieser himmlischen Eva sei erst die Vermehrung des diese beiden Zugänge als Alternativen einander gegenüber. An einer Stelle weist er darauf hin, dass die »aus der Kabbala stammende Lehre vom Adam qadmôn« das Hauptthema dieses Buches bilde, Leben, 1994, 157. An anderer Stelle schreibt er, dass die Christologie des himmlischen Gottmenschen sich auf neuplatonische Spekulationen beziehe, ebd., 300. Weder das eine noch das andere bilden jedoch das Hauptthema von J. W. Petersens Buch. 622 J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 32. 623 Ebd., 185. 624 Ebd., 8, 16, 34, 231, 233, 235, 241, 249. J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 9, 13, 34, 37f, 78, 93; Glaubens=Gespräche, 1691, 758. F. C. Bücher, Treuhertzige Warnung, 1700, 39, hielt J. W. Petersen zu dieser Interpretation entgegen: »Das stehet nirgend geschrieben.« Die gleiche Formulierung wie bei den Petersen begegnet auch bei J. G. Gichtel, Theosophia Practica 2, 1722, 1250; dieser Brief ist an Susanna Maria Sprögel gerichtet. P. J. Spener, Letzte Theologische Bedencken 1, 1711, 120–123, äußerte sich anhand dieses Bibeltextes über die Art der Gegenwart Christi im Abendmahl. 625 J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 233. 626 J. E. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebornen, 1711, 78f: Sie spricht hier von der geistlichen Eva. 627 J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 232: »die himmlische Menschheit des göttlichen Weibes«; s. auch 236. W. Temme, Leiblichkeit, 1998, 326–330, der den Kontext für die Sophia-Mystik der Gruppe um Eva von Buttlar versucht zu erhellen, rezipiert die Schrift J. W. Petersens nur unter dem Aspekt der Aussagen zur Androgynie Christi. M. E. läuft er Gefahr, die Verbindungslinien zu stark herauszustellen, wenn er schreibt, 329: »Wüßte man bei Petersens
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menschlichen Geschlechtes möglich geworden.628 Obwohl J. W. Petersen in diesem Zusammenhang nicht auf Jakob Böhme hinweist, liegt die Vermutung nahe, dass dieser androgyne Ideenkomplex entweder auf eine direkte Beschäftigung mit ihm zurückgeht oder dass der Einfluss Jane Leades zur Annäherung an eine Androgynie Christi führte.629 Bei den Argumenten, mit denen J. W. Petersen für die Plausibilität der Christologie des himmlischen Gottmenschen wirbt, zeigen sich sowohl die Übereinstimmungen mit seiner Ehefrau als auch ebenso deutlich die andersartigen Akzentuierungen. J. W. Petersen nennt als ersten Nutzen das bessere Verständnis der Heiligen Schrift.630 Als Beispiel erwähnt er den Hymnus aus Kol 1,16ff, der nur in seiner Beziehung zum himmlischen Gottmenschen adäquat verstanden werden könne. Sein zweites Argument signalisiert das Interesse am Judentum; er trete für diese spezifische Christologie ein, »weil die Juden dadurch allgemählig zum Christenthum konnen gelocket werden.«631 In diesem Zusammenhang kommen die rabbinischen Kenntnisse des Verfassers zum Tragen.632 Die Überwindung der konfessionellen Gegensätze wertet J. W. Petersen genau wie seine Ehefrau als weiteren Nutzen der Christologie des himmlischen Gottmenschen. Sehr viel pointierter als J. E. Petersen bringt er zum Ausdruck, dass die Reformierten in Bezug auf die Streitpunkte Gnadenwahl, Allgegenwart Christi und Abendmahl irriger Meinung seien und von den Lutheranern mit Leichtigkeit widerlegt werden könnten.633 Dass seine Position auch der lutherischen Lehre entgegensteht, reflektiert J. W. Petersen nicht. Die Tendenz, andere religiöse Gruppierungen zunächst auf ihre Irrtümer hinzuweisen, um dann eine Umkehr zum Bekenntnis des himmlischen Gottmenschen zu fordern, tritt ebenfalls gegenüber Katholiken und Sozinianern hervor.634 J. W. Petersen nennt als fünften Nutzen, »daß gantze Artickeln Buch nicht um seine späte Entstehungszeit – es ließe sich lesen wie ein Programm für die chiliastischen Lehren der Evischen Sozietät, denn hier wie da wird die Idee einer hypostasierten Eva verbunden mit einer eschatologischen Wegbeschreibung hin zur Restituierung des Menschen in seine androgyne Ganzheit.« 628 J. W. Petersen, Geheimniß des Erst=Gebohrnen, 1711, 233: »auf daß der Sohn Gottes/ der ohne diesem himmlischen Weibe sich nicht vermehren könnte/ durch diese seine Hauß=Ehre/ das Hauß voll Kinder kriegte«. 629 J. W. Petersen zitiert an einigen Stellen aus Schriften Leades, die er hier nicht mit Namen nennt, sondern als eine englische Gräfin einführt, s. ebd., 27, 41. Die Vorstellung der Androgynie Christi wirkt sich auch auf die Konzeption der Gläubigen aus, indem diese als männliche Jungfrauen beschrieben werden, ebd., 229f. 630 Ebd., 181–185. 631 Ebd., 186–196; s. auch ebd., 32. 632 So bezeichnet er die himmlische Menschheit Christi als »die Schechina, durch welche GOtt herunter steiget/ und seine göttliche Gegenwart zeiget«, ebd., 71. 633 Ebd., 196f. 634 Die Ersteren könnten ihre Transsubstantiationslehre aufgeben, wenn sie sich die Überzeugung vom himmlischen Fleisch und Blut Christi aneigneten, ebd., 217. Er verwahrt sich ausdrücklich davor, als Sozinianer verstanden zu werden, ebd., 6.
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des Glaubens daraus erläutert werden« könnten,635 insbesondere die Frage der Ubiquität Christi, das Abendmahlsverständnis sowie die Gotteslehre. Wie bei J. E. Petersen besteht auch bei ihrem Ehegatten das abschließende Argument für die von ihnen vorgetragene Christologie darin, auf die Vergöttlichung der Gläubigen hinzuweisen.636 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die konzeptionellen Versatzstücke J. E. und J. W. Petersens große Übereinstimmung aufweisen. Die deutlich sichtbaren Unterschiede der beiden Traktate beruhen vornehmlich auf den durch Persönlichkeit und Geschlecht bestimmten Eigenheiten. Wenn in der weiteren Rezeption beide Traktate des Öfteren nicht voneinander unterschieden wurden, so liegt dies neben der verwirrenden Parallelität auch an der inhaltlichen Ähnlichkeit. Diese beiden Bücher bestätigen den oft beschriebenen Eindruck, dass das Ehepaar sich einen Arbeits- und Schreibstil angeeignet hatte, bei dem die Vorarbeiten beider Ehepartner ineinander flossen. Wie diese Analyse gezeigt hat, bleibt die je eigene Handschrift jedoch trotz aller Gemeinsamkeiten erkennbar. Sowohl J. E. als auch J. W. Petersen bezogen sich in ihren nach 1711 veröffentlichten Schriften auf diesen spezifischen Ansatz der Christologie, eine Veränderung oder Fortschreibung ist dabei nicht zu erkennen.637 In seiner Autobiographie gibt J. W. Petersen zu verstehen, dass die Publikationen des Jahres 1711 heftige Reaktionen nach sich zogen. Ohne Namen zu nennen, spricht er von einigen, die »sich von ihrem Bruder in diesem Stück abgesondert wissen wollen«.638 V. E. Löscher hingegen, der diese Lehren verurteilte, vermisste die innerpietistische Distanzierung: »Der Petersenischen Lehre, vom Himmlischen Fleisch oder Menschheit Christi, hat keiner von Hrn D. Speners Freunden und Nachfolgern wiedersprochen.«639 Nicht aus dem pietistischen Bereich der ehemaligen Freunde der Petersen, sondern von Seiten der nicht-pietistischen Theologen erfolgten schriftliche Stellungnahmen; J. G. Walch nennt aus den Jahren 1712 bis 1729 vier Schriften, die insbesondere J. W. Petersen entgegentraten.640 Dieser verfolgte die christolo635 Ebd., 221–233. 636 Ebd., 234–250. 637 In seinem Buch Jesus Christus, 1721, 5, 39, erwähnte J. W. Petersen seinen Traktat von 1711. 638 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 361. An anderer Stelle seiner Autobiographie schreibt er, dass von Halle bzw. Francke her eine distanzierende Reaktion erfolgt sei, ebd., 328. 639 V. E. Löscher, Vollständiger Timotheus Verinus 2, 1726, 90. 640 J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 662; Religions-Streitigkeiten 4.2, 1735, 974, nennt folgende Autoren: 1712 D. Gebhard, 1715 Ludwig Melchior Fischlin, Johann Franz Buddeus (1667–1729) sowie seine eigene Schrift von 1729: De corpore Christi Caelesti. H.-J. Schoeps, Himmlisches Fleisch Christi, 1951, 80, Anm. 2, erwähnt, dass der Greifswalder Neutestamentler Brandanus Henricus Gebhardi durch D. G. Droysen eine Disputation habe abhalten lassen: De coelesti humanitate Christi ante secula assumta, Greifswald 1721.
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gische Thematik weiter: In der zweiten Auflage seiner Autobiographie kündigte er ein dreibändiges Werk zum Geheimniß des Erstgebohrnen an, das als Manuskript vorläge, lediglich noch nicht gedruckt worden sei.641 Die von beiden Petersen propagierte Christologie führte in den Jahren von 1724 bis 1727 zu einer Kontroverse auf höchster politischer Ebene, indem die protestantischen Reichsstände in Regensburg Protest gegen die Verbreitung dieser Lehre einlegten.642 Die radikalpietistische Berleburger Bibel, die in den Jahren von 1726 bis 1742 in acht Foliobänden erschien,643 hatte zur Erläuterung von Gen 1,27 das Interpretament des himmlischen Gottmenschen herangezogen, wie es von den Petersen dargelegt worden war. Bereits vor der Drucklegung des ersten Bandes waren die ersten Kapitel der Genesis separat publiziert worden. Das Corpus Evangelicorum protestierte mit einem Schreiben vom 5. Dezember 1724 beim Berleburger Grafen Casimir gegen das gesamte Vorhaben und hob als gefährliches Beispiel »das Petersenische Schwarm=Gedichte von der Menschheit GOttes« hervor.644 Der erste Band der Berleburger Bibel, der zwei Jahre nach der Beanstandung der Öffentlichkeit übergeben wurde, enthielt zur fraglichen Stelle nicht mehr den Namen J. W. Petersens, wohl aber den Hinweis auf zwei Tractate, die »erleuchtete Seelen« über das »Geheimnis des Erstgebohrnen« verfasst hätten.645
641 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 378, Nr. 1, vgl. ebd., 361. 642 Vgl. hierzu H.-J. Schrader, Pietistisches Publizieren, 1988; ders., Literaturproduktion, 1989, 126–129. 643 Unter Federführung von Johann Friedrich Haug (1680–1753) wurde unter Mitarbeit von Graf Casimir von Sayn-Wittgenstein (1687–1741) neben dem deutschen Text ein Kommentar zusammengestellt, der vornehmlich auf den Schriften der französischen Mystikerin Jeanne-Marie Guyon beruhte. Vgl. M. Hofman, Theologie, 1937; J. Urlinger, Berleburger Bibel, 1969; M. Brecht, Berleburger Bibel, 1982; H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1995, 161. 644 Unschuldige Nachrichten 1725, 819, zu den Einzelheiten dieses Falles s. ebd., 819–882 sowie 1727, 1164f. H.-J. Schrader, Pietistisches Publizieren, 1988, 82, geht fälschlicherweise von zwei Teilen einer Schrift J. W. Petersens über das Geheimniß des Erst=Gebohrnen aus; ihm scheint nicht aufgefallen zu sein, dass der eine Traktat aus der Feder J. W., der andere jedoch aus der Feder J. E. Petersens stammte. 645 H.-J. Schrader, Pietistisches Publizieren, 1988, 84, unter Zitation von Berleburger Bibel 1, 1726, 12. In G. Arnolds Bibliothek befand sich ein Exemplar, das vermutlich die Schriften beider Petersen enthielt: G. Arnold, Catalogus, 1714, 57, Nr. 377. J. W. Petersens Schrift wird mit dem korrekten Titel angegeben, J. E. Petersens Buch wird folgendermaßen beschrieben: »Petersin Erklärung der 3ten an die Röm«.
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3.3.4 Einige Send=Schreiben, 1714 Die hier vorzustellende Schrift J. E. Petersens führt zwar das Thema der Christologie fort, im Mittelpunkt der sich an diese Send=Schreiben anschließenden literarischen Kontroverse steht jedoch die Apokatastasis. Der Traktat J. E. Petersens bringt drei Briefe aus unterschiedlichen Schaffensperioden der Autorin zum Abdruck.646 Der Vorbericht stellt in gewisser Weise eine Überleitung zum Spätwerk der Autorin dar, da hier zum ersten Mal ein zusammenfassender Blick auf ihre theologische Entwicklung erfolgt, der dann in der Autobiographie von 1718 ausgebaut wurde.647 Das Erste dieser Schreiben stellt einen Nachdruck der Nothwendigkeit der Neuen Creatur von 1699 dar.648 Das zweite Schreiben soll im Folgenden detaillierter betrachtet werden. Der dritte Brief, auf dessen ursprünglichen Empfänger es keinen Hinweis gibt, beschäftigt sich ausschließlich mit Aspekten des tausendjährigen Reiches.649 Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt er aus einer früheren Schaffensperiode der Autorin, denn die hier vertretene Eschatologie kennt keine Apokatastasis, sondern geht davon aus, dass nach Ablauf der tausend Jahre das Endgericht für alle stattfinden werde.650 Ferner ist bemerkenswert, dass J. E. Petersen das von ihr erwartete Reich hier als »bessere Zeit« bezeichnet; diese Formulierung begegnet bei ihr nur selten.651 Der zweite Brief dieser Send=Schreiben, der das theologische Spektrum der Autorin aus der Zeit um 1711 widerspiegelt, bringt keine substanziell neuen Aussagen, sondern lediglich einige leicht variierte Nuancen..652 Dieses Schreiben richtet sich an Heinrich Horche, wie sich anhand der weiteren Kontroversen belegen lässt, auch wenn dessen Name hier nicht ausdrücklich genannt wird. Verschärft wird von J. E. Petersen die Dringlichkeit ihrer Anliegen: Chiliasmus,653 646 J. E. Petersen, Einige Send=Schreiben, 1714: Das kleine Buch, das ohne Angabe eines Druckortes erschien, besteht aus 96 Druckseiten in 8°. Ich konnte zwei verschiedene Auflagen nachweisen, eine mit der Jahreszahl 1714 und eine undatierte. Eine an Christus gerichtete Dedicatio, Vorrede und Vorbericht leiten den Traktat ein, A1v–A6v. 647 J. E. Petersen, Einige Send=Schreiben, 1714, A4r–A6v. 648 Ebd., 14–49. J. W. Petersen gibt als Grund für diese zweite Auflage an, dass dieses Buch »also abgegangen/ daß kein Exemplar mehr davon übrig geblieben« sei, Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, o. J., 161. 649 J. E. Petersen, Einige Send=Schreiben, 1714, 87–96. 650 Ebd., 91. 651 Ebd., 87, 89. Allerdings unterscheidet sie sich von Speners Umschreibung seiner Hoffnung, der von einem »bessern zustand« der Kirche auf Erden spricht, Pia Desideria, 1675, 43. 652 Die pietistische Kirchenkritik leuchtet in aller Schärfe hervor, J. E. Petersen, Einige Send=Schreiben, 1714, 65. Unterstrichen wird die Forderung nach einer ständig fortschreitenden Heiligung; ihrer Erlösung gewiss sein können nach J. E. Petersen nur diejenigen, die »die Heiligung vollendet« haben, ebd., 66. 653 J. E. Petersen betont hier noch einmal, dass das tausendjährige Reich unmittelbar bevorstehe; in den Spätschriften tritt dieser Aspekt zurück, ebd., 56.
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Wiederbringung654 und die Christologie des himmlischen Gott-Menschen655 müssen geglaubt und verkündigt werden.656 Eine Zuspitzung zeichnet sich darin ab, dass sie davon ausgeht, »unsere Evangelische Glaubens=Lehre« und ihre Positionen befänden sich in vollkommener Übereinstimmung.657 Gleichzeitig lässt sich in diesen Formulierungen jedoch auch die Zurückwendung zu ihrer Konfession erkennen, die das Spätwerk insgesamt kennzeichnet. Obzwar sie nach wie vor die »Evangelische Glaubens=Lehre« anders füllt als die lutherische Kirche, indem sie an ihren heterodoxen theologischen Überzeugungen festhält, so wird doch ihr Bemühen sichtbar, sich selbst in stärkerem Maß als bisher als Lutheranerin zu kennzeichnen. Die Unschuldigen Nachrichten, die sowohl 1714 als auch 1717 als Publikationsdatum dieses Textes angeben,658 verwerfen die Send=Schreiben als schädliche Irrlehren. Während der Chiliasmus als eine zwar falsche, aber »noch erträgliche Lehre«659 beurteilt wird, gilt der massivste Vorwurf ihrer Christologie, die eine »von der Apostel Zeiten her höchst=verdammte Lehre«660 darstelle. Die Rezension endet mit dem Satz: »Es ist zu sorgen, wenn diese beyde Eheleute länger leben, daß sie endlich mit dem völligen Deismo heraus brechen werden.«661 654 Die Apokatastasis wird hier ebenfalls sowohl von der Christologie als auch von der Gotteslehre her begründet, ebd., 60f. 655 In diesem Traktat verwendet J. E. Petersen das Symbol des »Mystischen Christus«, um die Zusammengehörigkeit des menschlichen Geschlechtes mit dem himmlischen Gottmenschen auszudrücken. Sie referiert, dass nach ihrer Auffassung die Erschaffung der Menschheit nach dem »Eben=Bild des Himmlischen Gott=Menschen« erfolgt sei. »Und also ist in CHristo nur eine Menschheit zu erkennen/ darin auch die unsrige bestehet und gegründet ist/ da Er dan als der Mystische CHristus und das gantze betrachtet wird/ wir aber sind die Particuln so als seine Gliedmassen zu ihm gehören«, ebd., 78f. 656 Ebd., 51, 58. 657 Ebd., 80f: Zum einen trifft sie diese Aussage für die Christologie des himmlischen Gottmenschen und belegt dies mit der lutherischen Abendmahlsauffassung: »Es bestätiget auch diese Wahrheit unsere Evangelische Glaubens=Lehre/ dan da wir nach der Heil. Schrifft glauben daß CHristus uns auch nach seiner Menschheit allgegenwärtig sey/ welches solcher gestalt aufs beste kan verstanden werden/ was wir ferner glauben/ daß Wir im Heil. Abendmahl seinen Leib und Blut warhafftig empfangen«. Zum anderen greift sie auf das zwischen Reformierten und Lutheranern strittige Thema der Prädestination zurück. Auch in Bezug auf diese Überzeugung könnte »klar gemacht werden . . . wie unsere Evangelische Lehre dadurch aus heil. Schrifft zu befestigen/ und gegen die streitige Partheyen mainteniret werden könnte«, ebd., 85. 658 Unschuldige Nachrichten 1718, 123–125; 670–672; dieses Werk J. E. Petersens wird im selben Jahrgang zweimal besprochen, ohne dass den Rezensenten zu Bewusstsein kam, dass es sich um dasselbe Buch handele. Einen Druck von 1717 konnte ich nicht nachweisen. In der ersten Rezension wird der Autorin vorgeworfen, dass sie mit diesen Briefen lediglich »in andern Schrifften vielmahl vorgebrachte Dinge wieder auffgewärmet« habe, 125. 659 Ebd., 671. 660 Ebd., 672. 661 Ebd., 672.
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Diese Send=Schreiben J. E. Petersens zogen eine Kontroverse nach sich, die im Wesentlichen ihr Ehegatte und der reformierte Theologe Heinrich Horche662 miteinander austrugen und die sich bis 1721 hinzog.663 Horche hatte zunächst sowohl die Ideen des Ehepaares Petersen geteilt als auch diesem persönlich nahe gestanden.664 Er sprach sich in seinen Schriften für den Chiliasmus, neue Offenbarungen und die Apokatastasis aus.665 Wegen dieser Positionen verlor er 1698 seine Professur in Herborn.666 Nach einem unsteten Wanderleben näherte er sich seit etwa 1700 wieder der reformierten Kirche an.667 Wenn er öffentlich die Wiederbringungslehre angriff, so zeigte sich darin sein Wille, von den früheren Überzeugungen und Freunden erkennbar abzurücken.668 Ein Jahr nach dem Erscheinen von J. E. Petersens Send=Schreiben druckte Horche in seinem Buch Filadelfische Versuchungs=Stunde mehrere Texte ab, die seine kritische Auseinandersetzung mit der Apokatastasislehre und den 662 Neben dieser Namensschreibung begegnet auch die Form Horch. Zu Biographie und Werk s. C. F. L. Haas, Lebensbeschreibung, 1769; AGL Erg. 2, 1787, 2138–2141; C. W. H. Hochhuth, Horche, 1876; N. Fehringer, Philadelphia, 1971; F. Bautz, Horche, 1990; H. Schneider, Radikaler Pietismus, 1993, 395. Die Unschuldigen Nachrichten 1707, 380, berichteten kritisch über ihn. 663 Zu dieser Kontroverse und den dazu veröffentlichten Schriften s. den Überblick bei C. F. L. Haas, Lebensbeschreibung, 1769, 202–209. Diese Texte von beiden Seiten enthalten mehrere Briefe, die darauf hinweisen, dass zwischen Horche und den beiden Petersen phasenweise ein reger Austausch stattgefunden haben muss. In seiner Filadelfischen Versuchungsstunde, 1715, 75f, druckt Horche einen Brief an J. W. Petersen ab, der am 28.8.1714 in Kirchhayn geschrieben wurde. 664 In seinem Mysterion Apokatastaseos 1, 1700, Teil 3, 123f hatte J. W. Petersen ihn noch als Gleichgesinnten begrüßt, der neben dem Chiliasmus auch die Wiederbringungslehre teile. In der Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, o. J., wirft J. W. Petersen ihm nun einen »Abfall von dieser Warheit« vor, 1, 4, 9. H. Horche, Gegensatz, 1716, 20f, bezieht sich auf einen nicht lange zurückliegenden Besuch bei J. W. Petersen, der sich allerdings nicht genauer datieren lässt. 665 Bei dem Traktat Schrifftmässige Untersuchung, 1693, handelt es sich um eine Auslegung der in den ersten Kapiteln der neutestamentlichen Offenbarung enthaltenen Sendschreiben an die sieben kleinasiatischen Gemeinden. Horche verknüpft hier seine chiliastische Zukunftshoffnung mit einer auf die Epochen der Kirchengeschichte bezogenen Deutung der Kapitel 2 und 3 der Apk. Darüber hinaus engagierte er sich in zwei Traktaten auch für eine Union zwischen Reformierten und Lutheranern, s. N. Fehringer, Philadelphia, 1971, 33–71; vgl. auch A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 1, 1880, 402. 666 Zur Bedeutung Herborns für die reformierte Theologie s. G. Menk, Herborn, 1981; N. Hammerstein, Schule, 1987, 102–105. 667 Zur Biographie Horches s. N. Fehringer, Philadelphia, 1971, 1–195. 1706 wurde in Hessen-Darmstadt ein antipietistisches Dekret verkündet, das sich namentlich gegen die von Horche ausgehenden Wirkungen vor allem auf die Gruppe um Eva von Buttlar richtete, denn diese hatte Impulse aus der radikalen Phase Horches aufgenommen, s. hierzu F. Ackva, Pietismus in Hessen, 1995, 203; zu den weiteren Wirkungen Horches in Hessen s. ebd., 209, 212f. Zur Bedeutung Horches für E. von Buttlar s. W. Temme, Leiblichkeit, 1998, 88–103. 668 A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 363, sah in diesen Konflikten einen Beleg dafür, dass die als »philadelphisch geltenden Gruppen« keine dauerhaften Strukturen und Beziehungen schufen.
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beiden Petersen markieren. Ähnlich wie J. E. Petersen sich in einem publizierten Brief an ihn gewandt hatte, so antwortete er ihr in einem Abschnitt dieses Werkes.669 Horche geht darin vor allem auf den zweiten Teil der Send= Schreiben J. E. Petersens ein und trägt zunächst Argumente für die Ewigkeit der Höllenstrafen zusammen. Der Verfasserin der Send=Schreiben hält er vor, dass sie sich zu sehr auf ihre Vernunft verlasse, anstatt auf das Wort Gottes zu hören.670 Neben der inhaltlichen sachlichen Abgrenzung greift Horche jedoch auch zum Mittel der Polemik und persönlichen Diffamierung. Beiden Petersen wirft er Verführung vor: Sie führten »viele unschuldige Seelen/ ja auch selbst die Knechte GOttes« vom Evangelium ab.671 J. E. Petersen macht er zum Vorwurf, dass sie ihren adligen Geburtsnamen von Merlau an mehreren Stellen der Send=Schreiben nenne.672 An diesen Umstand knüpft Horche zwei Gedankengänge an, indem er die Angesprochene zum einen mit ihrem eigenen Ideengut konfrontiert und ihr zum anderen den Verstoß gegen kirchliche und gesellschaftliche Normen vorhält. Horche erinnert an die von J. E. Petersen vertretene Vorstellung eines geistlichen Priestertums nach der Ordnung Melchisedeks, das seinen »priesterlichen Schmuck« gerade nicht aus der weltlichen Bedeutung herleite, sondern vielmehr »gantz Vatter=Mutter=und Geschlechtslos« sei.673 Darüber hinaus habe J. E. Petersen mit der Erwähnung ihrer adligen Herkunft ihre Rolle als Ehefrau nicht beachtet, denn der Name des Mannes sei »des Weibes Ehre«.674 Diese Ausführungen beschließt Horche mit einem Hinweis auf Gal 6,12, wo von einer falsch verstandenen Nachfolge Christi die Rede ist, bei der die Verfolgung vermieden wird, um das »Ansehen 669 H. Horche, Filadelfische Versuchungsstunde, 1715, 49–63. Dieses Werk besteht aus mehreren unabhängig voneinander entstandenen Traktaten, die jedoch alle der gleichen Thematik gewidmet sind. Das Ehepaar Petersen bezeichnet er zu Beginn als »Patronen dieses neuen Evangelii«, Vorbericht b2v. 670 Ebd., 50, 52, 59. Das Thema des Vernunft-Begriffes hatte J. E. Petersen ihrerseits in den Send=Schreiben, 1714, 52, aufgegriffen und von »einer verfinstert gebliebenen Vernunfft« gesprochen, die die göttlichen Geheimnisse und Ordnungen nicht erfassen könne. 671 H. Horche, Filadelfische Versuchungsstunde, 1715, 55. Er betont zwar auch die Verbundenheit miteinander als Glieder eines geistlichen Leibes, 49, im gesamten Kontext seiner Diktion wirkt diese Formulierung jedoch eher als rhetorische Floskel, die ihn als gutwillig und bemüht ausweisen soll. 672 Auch Anna Elisabeth von Schleebusch druckte auf den Titelblättern ihrer Werke jeweils ihren adligen Geburtsnamen mit ab: von Eickin, Geistliche Ehren=Pforte, 1677; Würtz=Garten, 1702; Biblischer Extract, 1703; Geistliche Andachten, 1703. W. Temme, Leiblichkeit, 1998, 197, weist darauf hin, dass auch Eva von Buttlar noch 1704 ihren Adelstitel führte. M. H. Jung, Laientheologin, 2003, 20, reflektiert ohne Bezug auf diesen konkreten Konflikt über J. E. Petersens Umgehen mit ihrem Adelsnamen. 673 H. Horche, Filadelfische Versuchungsstunde, 1715, 54. Eventuell gehört zu dieser Art der Polemik auch Horches Hinweis auf ein »priesterliches Gebät« J. E. Petersens, ebd., 53, womit er einen im Vorwort der Send=Schreiben, 1714, A2r, als Gebet formulierten Passus dieser Autorin meint. 674 Ebd., 54.
Themen der Hauptschaffensperiode
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. . . nach dem Fleisch« zu wahren. Diese Formulierung wird auf griechisch zitiert und folgendermaßen in Richtung auf J. E. Petersen kommentiert: »welches ihr Ehe=Herr wird erklären«.675 Mit dieser Wendung verschärft Horche den Angriff auf J. E. Petersen, indem er ihr eigene Sprachkenntnisse abspricht und somit gleichzeitig ihre theologische Kompetenz in Frage stellt. Horche bringt hiermit im Grunde zum Ausdruck, dass eine Frau nicht das Recht habe, im eigenen Namen theologische Deutungen vorzutragen. Mit dieser Polemik greift der reformierte Theologe die stereotypen Zuweisungen der frühneuzeitlichen Geschlechterdebatte auf. Er verwendet diese, um die inhaltliche Abgrenzung von der ehemaligen Weggefährtin und Freundin mit zusätzlichem Gewicht zu versehen. Damit war diese Kontroverse jedoch noch nicht beendet, denn sowohl Horche als auch J. W. Petersen führten den literarischen Streit durch die Publikation mehrerer Schriften fort,676 während sich J. E. Petersen, soweit bisher ersichtlich, nur zweimal mit kurzen Statements dazu äußerte. Zum einen handelt es sich dabei um die Zugab von 1716, die im folgenden Abschnitt besprochen wird. Die zweite Reaktion erfolgte in einem Brief, der 1718 gedruckt wurde und sich hauptsächlich damit beschäftigt, wie Visionen und Offenbarungen einzuordnen seien.677 J. W. Petersen übernahm die Rolle, sowohl die Allerlösung als auch seine Ehefrau Horche gegenüber zu verteidigen. Den von diesem erhobenen Vorwurf der Verwendung des adligen Geburtsnamens von Merlau konterte J. W. Petersen mit einer ähnlich gearteten Spitze: »da er doch wol mehr von seinem Doctor halten mag/ als sie von ihrem Adel/ dem sie längst abgestorben/ und aus vielen Ursachen in den Adelstand/ da viele nach ihr gefreyet/ sich nicht hat wollen verheurathen«.678 Er charakterisierte seine »Liebste« als eine »Tochter Abrahams im Glauben«, die »bey GOtt und seinem Worte bleibet«.679
675 Ebd., 55. 676 Von Seiten Horches: Gegensatz, 1716; Zeugniß Jesu, 1718; von Seiten J. W. Petersens: Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, o. J.; Beweiß, 1716; Gantze Welt, o. J.; Zeugniß der Warheit, 1718. 677 H. Horche, Zeugniß Jesu, 1718; ihr Brief ist gedruckt in der Schrift von J. W. Petersen, Zeugniß der Warheit, 1718, 6–9. 678 J. W. Petersen, Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, o. J., 181, s. auch 162. 679 Ebd., 138. Während Horche unter Bezug auf biblische Motive von der Schlange gesprochen hatte, die die Menschen verführe, Filadelfische Versuchungsstunde, 1715, 8, ohne dabei eine direkte Verbindung zu den Petersen herzustellen, sah J. W. Petersen seine Ehefrau als Eva diffamiert, die ihn verführt habe, Bekräfftigung des Ewigen Evangelii, o. J., 138.
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3.3.5 Zugab einiger erbaulichen Fragen, 1716 In der Auseinandersetzung mit Horche erschien 1716 ein weiterer Traktat J. W. Petersens. Ohne Hinweis auf dem Titelblatt enthält dieses Werk auch einen kurzen Text J. E. Petersens, die Zugab einiger erbaulichen Fragen.680 Die Vorgehensweise, dass ein Schriftstück J. E. Petersens in einem Buch abgedruckt wurde, das unter dem Namen ihres Ehegatten erschien, lässt sich nur in diesem einen Fall nachweisen.681 In acht Fragen und Antworten spezifiziert J. E. Petersen ausschließlich die Frage, wie Versöhnungslehre und Apokatastasis nach ihrer Meinung vereinbar seien. Sie betont, dass nicht die zu erleidenden Strafen der unbekehrt Sterbenden schließlich zur Erlösung führten, sondern allein Christi Gnade diese bewirke.682 Neben dem Mittleramt Christi, das bis in die Ewigkeit fortbestehe, streicht die Verfasserin auch hier die Bedeutung der zum Priestertum Berufenen heraus.683 Wie in den übrigen Äußerungen zur Apokatastasis, so wird der Teufel als gefallener Engel betrachtet, der zur Kreatur Gottes gehöre. Der besonderen Rolle des Bösen versucht sie dadurch gerecht zu werden, dass sie ihm die längste Phase der Strafe zurechnet. »Denn weil er der Verführer/ so alle andere Creaturen in den Fall gebracht; so muß er/ nachdem ihm alle seine Gefangene geraubet/ den Schwefel=Pfuhl alleine schmäcken/ und die tausend Jahr/ als das mystische fünffzigste Jahr/ seinen Stoltz in solcher Quaal innen werden; biß er auch mürbe geworden/ und von dem königlichen priesterlichen Geschlecht/ durch die Erbarmung GOttes/ erfähret/ daß die theure Erlösung JEsu Christi auch für ihn geschehen/ weil er auch zu der gantzen Welt gehöret. Da wird er denn sich gerne und mit grosser Nidrigkeit unter das ursprüngliche Haupt Christum JEsum bringen lassen/ und in Gnaden wieder heimgesuchet werden.«684 Diese 1716 veröffentlichten Sätze stellen die letzten pointierten Äußerungen J. E. Petersens zur Wiederbringungsidee dar. Wie im Weiteren zu zeigen sein wird, gibt sie zwar die Hoffnung auf eine Allerlösung nicht auf, diese tritt jedoch deutlich hinter die wieder stärker betonte individuelle Frömmigkeit zurück. 680 J. W. Petersens Beweiß, 1716, 102–111. Das Buch enthält keine Angaben über den Erscheinungsort, so dass J. E. Petersens Zugab nur zeitlich zugeordnet werden kann. 681 Allerdings ist dabei zu bedenken, dass eventuell noch weitere Funde ausstehen, da für diese Studie nicht alle Publikationen J. W. Petersens systematisch durchsucht wurden. 682 J. E. Petersen, Zugab, 1716, 103f: »Die Straffe aber würcket keine Vergebung der Sünden/ sondern würcket nur/ wie das Gesetz thut/ Erkäntniß der Sünden. Denn die Vergebung der Sünden bestehet allein in der theuren Erlösung/ die in Christo JEsu geschehen ist . . . Es wird aber dises theuren Versühnopffers niemand theilhafftig/ so lange er solches von sich stösset/ und gleichsam dem heiligen Geist widerstrebet/ der solchen Glauben würcken muß.« 683 Ebd., 102f: »Wenn also die Verdammten ihre gerechte Straffe empfangen/ um des willen/ daß sie die Gnade in Christo JEsu nicht angenommen/ sondern dem guten Geist GOttes widerstrebet haben; so wird ihnen das Evangelium von dem Königlichen Priesterlichen Geschlecht in den Gefängnissen geprediget«. 684 Ebd., 110f.
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4. Altersschriften Die unter dieser Rubrik vorzustellenden vier Texte J. E. Petersens können aus verschiedenen Gründen als das Alterswerk dieser Autorin betrachtet werden. Die Schriftstellerin hatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen ihr 70. Lebensjahr überschritten und erweiterte ihr Themenspektrum nicht mehr, sondern wiederholte lediglich ihre bereits der Öffentlichkeit dargelegten Standpunkte. Die Autobiographie blickt in spezifischer Weise auf das gesamte Werk zurück. Die drei in den Jahren 1715 bis 1717 gedruckten Bücher, die zunächst besprochen werden sollen, spiegeln eine Entwicklung wieder, die bereits bei der biographischen Rekonstruktion anklang. J. E. Petersen vollzog zwar keine radikale Abkehr von ihren eschatologischen und christologischen Themen, diese traten jedoch zurück zugunsten einer stärkeren Aufnahme von nichtheterodoxem Gedankengut.685 Sowohl in thematischer als auch in formaler Hinsicht knüpfte die Autorin an ihren schriftstellerischen Beginn an und griff die Gebetssprache wieder auf. Die drei als Betrachtungen bezeichneten Werke enthalten kurze in sich abgeschlossene Meditationen über biblische Texte. Bei dem im Augenblick vorhandenen Überblick über das literarische Werk J. E. Petersens sieht es so aus, als ob die Autorin nach 25 Jahren publizistischer Tätigkeit wieder auf dieses Modell zurückgreift.686 Allerdings muss auch in Betracht gezogen werden, dass sie möglicherweise diese Art der erbaulichen Bibelauslegung ihr Leben lang beibehielt und dass eventuell nicht alle Manuskripte in den Druck gelangten. Zu erwägen ist ferner, dass nicht alle Drucke erhalten blieben oder dass zu einem frühen Zeitpunkt verfasste Meditationen erst sehr viel später publiziert wurden. Die literarisch-theologische Öffentlichkeit nahm kaum noch Notiz von diesen Spätschriften der einst so viel Aufsehen erregenden Pietistin. J. W. Petersen blieb auch im Alter derjenige von beiden, der eine Fülle von Schriften verfasste und zum Druck brachte. Bei ihm lässt sich keine vergleichbare Rückwendung zu Inhalten oder Literaturgattungen seines schriftstellerischen Beginns feststellen. Anders als seine Ehefrau jedoch, die seit 1711, der 685 R. Dellsperger beschrieb eine ähnliche Bewegung für Samuel König. In seinen Schriften der Jahre 1703 bis 1706 wird dieser Umschwung greifbar. »Alle kämpferisch-aggressiven Töne der Kirche gegenüber verstummen vorübergehend, vom Tausendjährigen Reich ist nicht mehr die Rede. König will nur noch eines: lernen, was es heißt, Christus anzuziehen. Er übt sich in der Nachfolge«, R. Dellsperger, Samuel König, 1984, 173. Dellsperger macht einsichtig, dass König nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Einsicht zur Kirche und ihrer Lehre zurückkehrte. In gewisser Hinsicht blieb er jedoch radikaler Pietist: »Immer noch forderte er von Grund auf die Erneuerung des Einzelnen und der Kirche, und er fing damit bei sich selber an. Aber er tat das nun nicht mehr so, wie er es früher getan hatte«, ebd., 177. 686 In der Vorrede der Kurtzen Betrachtungen über die Sprüche, 1715, A2r, schreibt sie, dass dieses Buch aus Aufzeichnungen zu ihrer »eigenen Erbauung« hervorgegangen sei; vgl. ebenso Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, [1717], Vorrede, A2r.
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Verbreitung der Christologie des himmlischen Gottmenschen, keine neuen Themenbereiche mehr aufnahm, widmete sich J. W. Petersen in seinen letzten Lebensjahren verstärkt der Frage des nicht abgeschlossenen Offenbarungsprozesses687 sowie der Sophia-Mystik.688 Chiliasmus und Apokatastasis traten als eigenständige Themen nach wie vor hervor,689 da er in literarischen Fehden weiterhin dazu Stellung nahm. Als Schwerpunkt zeichnet sich ab, dass J. W. Petersen exegetische Schriften verfasste, in denen er fortlaufend einzelne biblische Bücher unter Hinzuziehung seiner eschatologischen und christologischen Deutehorizonte erläuterte.690 Darüber hinaus verfertigte er in dieser letzten Schaffensperiode ein umfangreiches lateinisches Dichtwerk, Uranias, das auf Anregung von Leibniz zurückging und durchaus Anerkennung fand.691 Diese Beobachtungen führen dazu, für die letzte schriftstellerische Phase der Ehepartner eine größere Unabhängigkeit beider voneinander anzunehmen.
4.1 Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715 Alle Andachten dieses Buches692 zentrieren sich um Aussagen der Evangelien über die Person Jesu Christi, dessen Lebensweg die Autorin in der Art einer Evangelienharmonie darlegt.693 Teil 1 richtet das Augenmerk vornehmlich auf 687 Diese Frage beschäftigte ihn bereits seit der Herausgabe der Offenbarungen von Asseburgs. In den späten Jahren umkreiste er diesen Komplex unter dem Stichwort der »Ökonomie« Gottes, s. Jesus Christus, 1721. 688 J. W. Petersen, Petachia, 1727, 17, 58f; den Umstand, dass die Weisheit »in genere Foeminino, als etwas Weibliches ausgesprochen wird«, berührt er nur kurz, ohne daraus Konsequenzen für eine weibliche göttliche Gestalt zu ziehen, ebd., 65. 689 Von seinen umfangreichen Publikationen seien nur genannt: Wiederbringung aller Dinge, 1715; Stunde der Versuchung [1717]; Geheimniß der siebenden Posaune, 1719, gerichtet gegen den sächsischen Hofprediger Carl Gottfried Engelschall, gegen den er sich auch in der Vorrede seiner Lebens=Beschreibung, 1719, wandte. Die Unschuldigen Nachrichten 1718, 903; 1724, 549f, reagierten positiv auf Engelschalls Veröffentlichungen. 690 Z. B. Mystischer Joseph, 1717; Petachia, 1727; Vollständige Erklärung des Hohen Liedes, 1728; s. auch die Ankündigung der Projekte über die Bücher Josua und Richter in seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 396. 691 J. W. Petersen, Uranias, 1720: hierin beschreibt er die Schöpfung von ihrem Beginn bis zur Apokatastasis; vgl. E. Staehelin, Wiederbringung, 1960, 20f. Aus seiner Autobiographie geht hervor, dass er diese Dichtungen zu seinen herausragenden Leistungen zählte; er spricht hier von einem »Buch von Heroischen Versen, die sich über vierzehn tausend belauffen«, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 280f. 692 J. E. Petersen, Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715; das Werk hat einen Umfang von 247 Druckseiten im Oktavformat und gliedert sich nach einer Vorrede in drei Teile: Teil 1, 43 Abschnitte, 7–112; Teil 2, 39 Abschnitte, 113–201; Teil 3, 22 Abschnitte, 201–245; Schlussgebet, 245–247. Ein Druckort ist nicht angegeben. 693 Allerdings handelt es sich nicht um eine vollständige Harmonie, da J. E. Petersen nur einzelne Abschnitte aufnimmt. Zur Verbreitung und Bedeutung der Evangelienharmonien s. D. Wünsch, Evangelienharmonie, 1982. Das Buch Jesus Christus, 1721, von J. W. Petersen hat einen ähnli-
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die »Hoheit« Christi, Teil 2 auf seine »Niedrigkeit«; im dritten Teil steht das Leiden Christi im Vordergrund.694 In diesem Werk präsentiert sich J. E. Petersen als eine Autorin, die ihre Überzeugungen nach wie vor in belehrendem Tonfall vorträgt, die jedoch gleichzeitig die traditionelle Gebetssprache wieder öffentlich verwendet. Ganz anders als in den Schriften der Jahre zuvor wird die Persönlichkeit der Schriftstellerin in ihren individuellen Bezügen sichtbar. J. E. Petersen gibt etwa zu verstehen, dass sie sich heftigen Angriffen ausgesetzt sieht und sich im Gegenzug der Solidarität ihrer Familie, der Wohltäter und Freunde versichert.695 Die kirchliche Gemeinschaft taucht als Bezugsgröße am Rande auf, zu der sie jedoch eine distanzierte Haltung einnimmt; eine offene Separation lehnt sie allerdings ab.696 Am Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit J. E. Petersens waren die Kritik an der forensisch verstandenen Rechtfertigungslehre sowie das Drängen auf Heiligung, die zur Sündlosigkeit hinführen sollte, zentrale Aspekte ihres pietistischen Selbstverständnisses. Etwa 25 Jahre später erhält die durch den Gottessohn den Menschen angebotene Erlösung einen anderen Akzent; obwohl die Gerechtmachung nach wie vor ihr Rechtfertigungsverständnis prägt, spricht sie ausdrücklicher als vorher von der Gnade.697 Sie formuliert im Gebet: »Mein liebster Heyland/ du hast mir deine elende [!] Magd vieles aufgeschlossen/ und deine Geheimnisse wissen lassen/ dafür ich dir von gantzem Hertzen dancke/ am aller empfindlichsten und theuresten aber ist mir das Geheimniß von dem Heiligen umsonst/ da du mich hast erkennen lassen/ daß wir alles aus Gnaden sind/ was wir sind«.698 Indem J. E. Petersen sich an das lutherische »sola gratia« annähert, nimmt sie die z. B. in den Gesprächen des Hertzens vorgetragene Interpretation von Röm 7 faktisch zurück.699 Die in ihren früheren chen Ansatz. Deutlicher als J. E. Petersen nennt er das Stichwort der »Harmonie der Evangelisten« bereits im Titel und grenzt sich mit seinem Werk gegen ähnliche Projekte des Nürnberger Reformators Andreas Osianders d. Ä. sowie seines Lüneburger Vorgängers K. H. Sandhagen ab, ebd., 130. 694 Der ausführliche Titel macht diese Angaben. 695 J. E. Petersen, Kurtze Betrachtungen über die Sprüche, 1715, 67, 93, 114. 696 An Christus gewandt, folgert J. E. Petersen, »daß wir nicht geheissen sind äuserlich auszugehen . . . weil es offt nur dahin gedeyet/ daß neue Secten daraus entstehen/ sondern einen Ausgang unseres Gemüthes nehmen müssen/ und uns von der Unreinigkeit loß machen/ mit heiligem Wandel als Lichter mitten unter den verkehrten und unartigen Geschlecht wandeln sollen . . . so lange sie noch dein Wort lehren/ daß wir alsdann in die Kirche und zum Abendmahl gehen mögen/ wo wirs dir thun können/ und darbey in der Freyheit bleiben«, ebd., 45. 697 Ebd., 160. 698 Ebd., 194. 699 Ebd., 194, 206; sie betet an Gott gewandt, ebd., 98f: »lasse mich hinfort nicht mehr mir/ sondern dir leben/ und lasse mich gantz dein eigen seyn/ daß kein Wille mehr in mir bleibe/ der anders wil/ als du wilt/ schiebe dein GOTTES willen/ in mein Hertz/ daß alles/ was ich wil/ daraus entspringe/ und anders nichts/ weder in Worten/ noch Wercken/ von mir geschehe/ und was die alte Schlange in und gegen mich erreget/ daß vertilge du/ daß es nicht zum Vorschein komme«.
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Schriften im Vordergrund stehenden Themen wie die Einwohnung Christi im Menschen und die Deificatio als Ziel des Glaubens werden kurz gestreift.700 Der eschatologische Schwerpunkt J. E. Petersens bleibt gleichwohl erhalten und zeichnet sich auch in diesen Betrachtungen ab. Die Terminologie der chiliastischen Erwartung begegnet mit ihren bekannten Stichworten: Bekehrung von Juden und Heiden, oberes und unteres Jerusalem sowie die mit Christus herrschenden Könige und Priester.701 Während in ihren übrigen Schriften die in Apk 1,6 sowie 5,10 genannten Priester vornehmlich unter der eschatologischen Perspektive betrachtet werden, fällt in diesem Buch auf, dass das Priestertum bereits eine gegenwärtige Dimension hat. Die Verfasserin wendet sich im Gebet an Jesus: »O wohl uns/ daß wir deiner sind theilhafftig worden! nun sind wir eine Behausung GOTTES im Geist/ und wohnen schon in der Hoffnung in dem Hause/ so ohne Hände gemacht/ und sind auch deine Priester/ und dienen dir im Geist in deinem Tempel«.702 An die Stelle der mit dem Chiliasmus verknüpften Naherwartung tritt eine präsentische Eschatologie, die die Verwirklichung des Priestertums bereits als gegenwärtig realisierbar annimmt. Gleichzeitig weist die inhaltliche Füllung des Priesterbegriffs Ähnlichkeiten mit Speners Verständnis des geistlichen Priestertums auf. Die vorher stark ausgeprägte Hoffnung, den Beginn des tausendjährigen Reiches noch zu erleben, wird durch den Blick auf den eigenen Tod verdrängt.703 Die Apokatastasis wird an einigen Stellen dieses Textes durch 1Kor 15, 28 bezeichnet, die Hoffnung darauf, dass Gott alles in allem sein werde. Neben dieser betont biblischen Einkleidung der Allversöhnung unterstreicht die Verfasserin, dass der Gerichtsaspekt durch die endzeitliche Wiederbringungslehre gerade nicht ausgeschlossen sei.704 In einer Textpassage jedoch spricht die Autorin ausdrücklich von der »Wiederbringung aller Dinge«. Bei der Auslegung von Mt 1,20 stellt sie eine Parallelität zwischen dem zögernden Joseph im Hinblick auf die schwangere Maria und ihrer eigenen Person in Hinsicht auf die Apokatastasis her. Joseph sei unsicher gewesen, »gleich wie deine Magd das grosse Geheimniß der Wiederbringung aller Dinge vormahls vor irrig ansahe/ als ich mich aber zum Gebet wendete/ und dich anrieffe mir Wort und Krafft mitzutheilen . . . da hast du mein Gebet dermassen erhöret/ daß du mich deiner Warheit göttlich versichert/ und aus den Worten der heiligen Schrifft überführet/ daß 700 Ebd., 114, 141, 208. 701 Ebd., 54, 89, 174. 702 Ebd., 62. 703 So bittet sie Jesus: »O sey doch hoch gelobet vor dein gesegnetes Leiden/ lasse mein Geist stets in deinen Händen seyn/ so wird mir nichts fehlen/ daß ich in meine letzten Todes=Stunde dahin mich erheben werde/ lasse mich doch um deines Todes willen/ einen gesegneten Abschied von dieser Welt nehmen/ und in vollem Glauben an dich meinen Odem auslassen/ und meinen Geist aufgeben/ damit die Meinigen an meinem Tod mögen gestärcket werden/ im Glauben und Vertrauen zu dir/ thue es um deiner ewigen Lieben willen/ Amen«, ebd., 90. 704 Ebd., 85, 143.
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solches Geheimniß nicht irrig/ sondern eine göttliche Warheit sey«.705 Wenn sich J. E. Petersen mit Joseph vergleicht, dann kann darin ein Hinweis darauf gesehen werden, welch großen Wert sie der Wiederbringungsidee weiterhin zumaß. Josephs heilsgeschichtliche Aufgabe bestand darin, Maria mit dem göttlichen Kind zu schützen, damit der Sohn Gottes das Evangelium verkünden könne. J. E. Petersen sieht sich vor die Aufgabe gestellt, auch mit diesem Buch die Wahrheit der Apokatastasis zu verkündigen.706 Ebenso wie die Eschatologie kennzeichnet auch die christologische Spekulation über den Gottmenschen diese Betrachtungen J. E. Petersens. Die im Geheimniß des Erst=Gebornen vorgelegten Deutungen des Johannes-Prologs und zu Micha 5,1f werden hier lediglich wiederholt. Die Konturierung Christi als präexistente Weisheit erfolgt ausschließlich unter Bezugnahme auf Spr 8,23, so dass die Autorin hierin ihrem Interpretationsansatz treu bleibt und die Weisheitschristologie nicht zu einer umfassenden Sophiologie fortschreibt.
4.2 Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, [1717] Obwohl Erscheinungstermin und Druckort nicht genannt werden, können diese Betrachtungen der Spätphase J. E. Petersens zugewiesen werden.707 Publiziert wurde das Werk mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 1717, da die Unschuldigen Nachrichten 1718 auf diese Schrift eingingen und eben dieses Datum als Erscheinungsjahr angeben.708 Wie diese Rezension zu Recht anmerkte, gibt der Titel den Inhalt nicht adäquat wieder, da es sich nicht um Briefe oder Traktate handelt, sondern um »Seufftzer und Gebete«. Während alle anderen Schriften J. E. Petersens in dieser Zeitschrift eine vernichtende Kritik erfuhren, lautet deren Urteil über diese Sendschreiben erstaunlich moderat: »Sie sind gar fein abgefasset, und siehet man nur dann und wann dunckle Spuhren der Petersenischen Irrthümer«.709 Die in den Kurtzen Betrachtungen über die Sprüche von 1715 bereits erkennbare Tendenz hat sich in diesem Buch noch weiter verstärkt: In einer weithin traditionellen Gebets705 Ebd., 116. 706 Ebd., 116; in einem Gebet bringt die Verfasserin ihr Verständnis dieses an sie ergangenen Verkündigungsauftrags zum Ausdruck: »da hast du mein Gebet dermassen erhöret/ daß du mich deiner Warheit göttlich versichert/ und aus den Worten der heiligen Schrifft überführet/ dass solches Geheimniß nicht irrig/ sondern eine göttliche Warheit sey/ damit ich andere auch nachmahls stärcken/ und deine Warheit ihnen verkündigen möchte«. 707 Die auf dem Titelblatt angegebene Namensform »Merlaw« für den Geburtsnamen findet sich auch in ihrem Traktat Einige Send=Schreiben, 1714, bei dem der Publikationsort gleichfalls nicht genannt wird. Das Buch umfasst 71 Seiten im Oktavformat. 708 Unschuldige Nachrichten 1718, 672. Allerdings ist es mir nicht gelungen, ein Exemplar mit dieser Angabe nachzuweisen. 709 Ebd., 672.
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sprache ringt das angefochtene Ich um seinen Glauben. Die in den früheren Publikationen vorgetragene Selbstsicherheit einer Glaubenden, die die Sünde überwunden hat und sich ihres ewigen Heiles ohne jeden Zweifel gewiss ist, ist einer bittenden »Sünderin«710 gewichen, die sich um das Heil ihrer Angehörigen sorgt und den eigenen Tod vor Augen hat.711 In Erwartung ihres Endes bittet sie Christus darum, »du wollest mich treu machen biß an mein letzt Ende, und mich dann in Frieden heimfahren lassen.«712 Im Angesicht des Todes wird der Blick auf die Angehörigen differenzierter, denn wie in einem geistlichen Vermächtnis zählt J. E. Petersen die ihr nahestehenden Menschen auf: ihren Ehegatten, den Sohn mit Ehefrau und Kindern sowie ihre verwitwete Schwester.713 Die dieses Buch prägende Intensität der Gebetssprache lässt sich mit den Gesprächen des Hertzens vergleichen.714 Nur in diesen beiden Schriften fehlt der belehrende Gestus, der so bezeichnend ist für das literarische Schaffen J. E. Petersens. Die Aufgabe Menschen zu unterrichten kommt nach Aussage dieses Werkes Gott zu; dieser ist es, der die Glaubenden zur Verkündigung beruft.715 Die Verfasserin sieht sich selbst nur als verantwortlich für ihre Nachkommen, denen sie die rechte Gotteserkenntnis vermitteln möchte.716 Die größte Veränderung in J. E. Petersens theologischem Denken lässt sich in Bezug auf die Glaubensthematik erkennen. In den früheren Werken verstand sie den Glauben und die mit ihm gemachten Erfahrungen ausschließlich als eine kontinuierliche Aufwärtsbewegung zu immer größerer Glaubensgewissheit und Heilssicherheit. Die Anfechtungen betrachtete sie als notwendige Herausforderungen, um den Prozess der Heiligung bis zur Deificatio voranzutreiben. Gegen Ende ihrer schriftstellerischen Laufbahn spricht J. E. Petersen nun von der Ungewissheit, die das Vertrauen zu Gott bedroht. Nach ihren Worten macht »die alte Schlange . . . uns . . . im Glauben schwach, . . . daß wir offte nicht wißen, ob wir im Glauben sind«.717 Während die Autorin der Glaubens=Gespräche betete »Mein JEsu: Ich gläube; stärke meinen Glauben«,718 bittet sie nun unter Aufnahme des neutestamentlichen Sprachgebrauchs: »HErr ich glaube, hilff mein Unglau-
710 J. E. Petersen, Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, [1717], 32. 711 Ebd., 43: »Und weil die Zeit meines Abschiedes herbey nahet, so laß mich in der von dir bestimmten Zeit also in wahren Glauben an dich von hinnen scheiden«. 712 Ebd., 39; vgl. auch 15, 21, 24f, 33. 713 Ebd., 23f. 714 Diese Betrachtungen bestehen neben einer Vorrede aus drei Teilen, die unterschiedliche Schwerpunkte haben. Im ersten Teil steht die Glaubensthematik im Vordergrund, bei Teil 2 handelt es sich um Auslegungen zu den Seligpreisungen von Mt 5 und in Teil 3 bilden die Wehe-Rufe aus Mt 23 den Skopus der Meditationen. 715 Ebd., 35f, 55f. 716 Ebd., 65. 717 Ebd., 7. 718 J. E. Petersen, Glaubens=Gespräche, 1691, 113.
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ben.«719 Bildete bisher die eigene Erfahrung eine Art von spürbarer Garantie dafür, dass der Glaube lebendig sei und auf das Heil hinführe, so bittet sie jetzt darum, glauben zu können. Als Gebet formuliert die pietistische Schriftstellerin: »mache meinen Glauben feste in dir, daß ich glaube, wo nichts zu glauben scheinet, und hoffe, wo sich die Hoffnung gleich verbirget, daß ich dennoch über alles fühlen und begreiffen, mich fest an deine Wahrheit halte, und deinen Wort mehr glaube als meinen schmecken und fühlen«.720 Die Einwohnung Christi in den Herzen der Glaubenden erscheint nicht mehr als selbstverständliche Konsequenz, wenn nur die Heiligung recht vorangetrieben wird, sondern taucht als Hoffnung auf, um deren Verwirklichung Gott gebeten wird.721 Ähnliches gilt für die Thematik der Deificatio: Diese wird nicht einfach für erreichbar gehalten, sondern erscheint ebenfalls als Gegenstand des Bittgebetes.722 An einer Stelle allerdings, und zwar im Hinblick auf den Chiliasmus, meldet sich noch einmal J. E. Petersens spezifisches Offenbarungsverständnis, das von einem besonderen Akt individueller Geistmitteilung ausgeht. Die Seligpreisung aus Mt 5,10 über die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten liefert ihr das Stichwort, um diesen Vers mit ihrer Biographie zu verknüpfen. »MEin liebster Heyland, wie offte haben diese geseegnete Worte mein Hertze erfreut, da es nach deinem Wohlgefallen geschehen, daß dein Knecht und deine Magd von dir sind gewürdiget worden, um der Verkündigung deines Reiches ausgestoßen uñ verfolget zu werden. . . . Denn du allein weißest es, daß wir nichts anderes verkündiget, als was uns dein Geist selber aufgeschloßen, und zu der Verkündigung deiner so großen Wahrheit angetrieben«.723 Während die Christologie des himmlischen Gott-Menschen nur in vagen Andeutungen in diesem Text anklingt,724 kommt der eschatologischen Spekulation ein bedeutender Stellenwert zu. Allerdings erscheint auch diese vornehmlich im Gewand biblischer Sprache und nicht mehr als Element einer zum System ausgebauten Eschatologie. Ihre Ausführungen hierzu knüpft J. E. Petersen bezeichnenderweise an das Stichwort des »Jüngsten Tages« an – ein Terminus, der in ihren früheren Schriften kaum vorkommt. Die Verfasserin, die jetzt damit rechnet bald zu sterben, bittet Christus darum, »daß du uns wollest aufferwecken 719 J. E. Petersen, Betrachtungen in Drey Send=Schreiben, [1717], 31. In Mk 9,24 spricht der Vater eines besessenen Knaben Jesus gegenüber diese Bitte aus. 720 Ebd., 7f; s. auch 38. 721 Ebd., 14, 16, 19. 722 Ebd., 8. Den Eindruck der Zurücknahme spezifisch radikalpietistischer Zuspitzungen erwecken auch die wenigen Sätze über die Gebote; hier ist keine Rede mehr davon, dass alle zweifelsfrei von den Gerechtfertigten erfüllt werden können. Der Ton ist sehr viel vorsichtiger, ebd., 48: »Daher wir erkennen lernen, daß deine Gebohte nicht schwehr, sondern so lieblich und leicht sind, und du uns nichts gebohten, als das, was uns an Seel und Leib nützlich und erqvicklich ist. Gib uns daher Gnade, daß wir lauffen mögen den Weg deiner Gebohte, und wir dancken, daß du uns solche heilsahme Geboht gegeben hast.« 723 Ebd., 51; das Stichwort »Magd« begegnet öfter: 11, 22f, 43, 46. 724 Ebd., 34f: Christus wird als »Original« und als »Mittler von Anbeginn der Welt« beschrieben.
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am jüngsten Tage, da du an demselbigen dieser sündlichen Welt, deine Auserwehlten zur ersten Aufferstehung auffweckest, wenn du erscheinen wirst, . . . und die du aufferwecken wirst, am jüngsten Tage, deine Mitregierer, Könige und Priester in deiner Herrligkeit erfunden werden.«725 Die Bilder der ersten Auferstehung sowie der Herrschaftsbeteiligung von Königen und Priestern stammen aus der Johannes-Apokalypse und stellen in dieser Zitation keine ausgesprochen heterodoxe Verwertung dar. Wenn J. E. Petersen mit diesen Inhalten ihre eschatologische Hoffnung füllt, dann wird deutlich, dass sie an der Vorstellung einer Elite der Auserwählten festhielt. Gleichwohl ändert sich auch hier der Ton. Nicht mehr die stolze Sicherheit zu den Erwählten zu gehören klingt in diesem Text an, sondern diese weicht der Bitte: »Mache mich würdig unter den Erstgebohrnen des Lammes erfunden zu werden mit allen die mir angehören.«726 Die Betrachtungen in Drey Send=Schreiben klingen aus in einer eschatologischen Vision, die zunächst Bildelemente der neutestamentlichen Apokalypse wie die Hochzeit des Lammes, Braut Christi und Jerusalem als Mittelpunkt des Friedensreiches aufgreift, um dann zur Apokatastasis hinzulenken, freilich in einer sozusagen gemäßigten Sprachform: »Nun HErr, du bist Gerecht, und deine Gerichte sind gerecht, und deine Barmhertzigkeit ist unaussprechlich, die sich endlich über alle deine Wercke erbarmet, und ihre Flügeln darüber ausbreitet, wenn du erstlich einem jeden vergolten nach seinen Wercken, und sie durch deine gerechte Gerichte hast schmecken laßen, was sie für ein großes Heil von sich gestossen haben, und drob sich selbst anklagen und dein Heil durch deine Gnad erwiesen werden, sey dafür mit dem Vater und H. Geist hochgelobet über alles in Ewigkeit, Amen.«727 Der Einschätzung der Unschuldigen Nachrichten, dass sich in diesem Buch nur »dann und wann dunckle Spuhren der Petersenischen Irrthümer« bzw. der charakteristischen Themenschwerpunkte J. E. Petersens wiederfinden, ist zuzustimmen. Die theologische Schriftstellerin hat gerade mit diesem Werk eine Bewegung vollzogen, die ihre Anliegen in verkirchlichtem Gewand präsentiert. Wenn hierin eines ihrer spätesten Bücher oder vielleicht sogar die letzte Schrift vorliegt, dann lässt sich verfolgen, dass die Eschatologie ihre schwerpunktmäßige Bedeutung für diese Schriftstellerin gleichwohl behielt.
4.3 Kurtze Betrachtungen von der Nutzbarkeit, 1717 Dieses Buch ist das einzige unter den Schriften J. E. Petersens, das nachweislich in Berleburg, einem Zentrum radikalpietistischer Buchdrucke, veröffentlicht 725 Ebd., 18. 726 Ebd., 32f. 727 Ebd., 71.
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wurde.728 Das mit 80 Druckseiten im Oktavformat kurze Buch umfasst neben einer Vorrede, die als Gebet stilisiert ist, 50 Meditationen,729 die den Blick darauf richten, wie die Nachfolge des Gekreuzigten verwirklicht werden kann. Obwohl die Verfasserin angibt, dass sie diese Betrachtungen »zu ehren« der »heiligen fünff Wunden« Christi verfasst habe,730 finden sich in den Texten keine Anhaltspunkte eines speziellen Wundenkultes.731 Diese Meditationen sind insofern nicht der auch in den lutherischen Kirchen verbreiteten Passionsfrömmigkeit zuzurechnen,732 sondern sie greifen vielmehr die Nachfolge-Thematik auf, die das Denken dieser Autorin von Anfang an bestimmte.733 Dieses als Letztes zu besprechende Werk der Altersschriften hebt sich in mehreren Hinsichten von den beiden vorhergehenden Büchern ab. Wie im Einzelnen zu zeigen sein wird, belegen diese Betrachtungen von 1717 den Stand der theologischen Entwicklung, der in den 1690er Jahren bei J. E. Petersen zu beobachten war. Die paränetischen Ausführungen zur wahren Nachfolge sind durchsetzt von einer chiliastischen Naherwartung. Apokatastasis und die Christologie des himmlischen Gott-Menschen kommen mit ihrer spezifischen Terminologie nicht vor, allenfalls lassen sich verdeckte Hinweise auf diese Überzeugungen ausmachen. Der eigene Tod kommt nicht als so nahe gerück728 1715 war bereits ein Traktat J. W. Petersens bei demselben Drucker Christoph Konert erschienen, s. hierzu H.-J. Schrader, Literaturproduktion, 1989, 184f, 202. Unter den Druckerzeugnissen dieser Stadt kommt der Berleburger Bibel die größte Bedeutung zu. Zu Konert, der von 1716–1722 in Berleburg tätig war, s. auch D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 140. 729 Der Schwerpunkt der zugrunde gelegten Bibelstellen liegt bei Apk (11), gefolgt von weiteren Akzentuierungen in der Briefliteratur: 1Petr (7), Hebr (6), Röm (5) und 1Kor (3). Jeweils mit ein oder zwei Meditationen sind Mt, Lk, Joh, Eph, Phil, Kol, 2Thess, 2Petr, 1Joh, Tit und Jak vertreten. 730 J. E. Petersen, Kurtze Betrachtungen von der Nutzbarkeit, 1717, 79. Von den neutestamentlichen Passionsberichten enthält nur Joh Passagen, die von den Nägelmalen Jesu an seinen Händen und der Wunde an seiner Seite berichten (Joh 19, 34; 20, 25.27). Aus der Art der Kreuzigung konnte gefolgert werden, dass sich an den Füßen auch zwei Wundmale befanden, so dass sich daraus die Zahl der fünf Wunden ergab. 731 Zur mittelalterlichen Tradition der Passionsfrömmigkeit, die auch eine Betrachtung der Wundmale Christi einschloss, s. A. Rayez, Humanité du Christ, 1969. Ausgeprägt ist der Wundenkult vorhanden bei N. L. von Zinzendorf, z. T. in einer problematischen Zuspitzung, s. hierzu D. Meyer, Zinzendorf, 1995, 49. H. Schneider, Zinzendorf, 1994, 353, macht darauf aufmerksam, dass Zinzendorf hinsichtlich dieser Form der Frömmigkeit von den an der thüringischen Residenz Ebersdorf zentrierten Pietisten beeinflusst worden ist. Das Ehepaar Petersen pflegte seinerseits Kontakte mit Ebersdorf, ebd., 353. 732 Zur lutherischen Passionsfrömmigkeit s. J. A. Steiger, Passionsfrömmigkeit, 1999; G. Butzer, Rhetorik der Meditation, 2000. Zur Passionsfrömmigkeit bei J. Arndt, die tief geprägt ist von der mittelalterlichen Mystik, s. C. Braw, Bücher im Staube, 1986, 119–121; E. Axmacher, Passionsgebete, 1999. Einer der Briefpartner F. Brecklings, B. Köpke, tauschte mit diesem Erfahrungen über Passionsandachten aus, die beide angesichts des Verlustes naher Angehöriger lasen, Brief vom 15.9.1706, s. hierzu T. Wotschke, Märkischer Freundeskreis, 1928, 168. 733 Zur Bedeutung der christlichen Andachtsliteratur als Form von Leidensbewältigung s. R. Schenda, Leidensbewältigung, 1991.
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tes Ereignis in den Blick wie in den gerade besprochenen Betrachtungen.734 Da der Text keine eindeutigen Hinweise auf seinen Entstehungshintergrund gibt und bisher keine weiteren Quellen vorliegen, die diesen Sachverhalt erhellen, können nur Vermutungen geäußert werden. Denkbar wäre, dass J. E. Petersen diese Meditationen bereits sehr viel früher als Manuskript verfasst hat, sich jedoch erst 1717 eine Gelegenheit zum Druck fand.735 Gerade dieses Buch, und nicht die Anleitung oder das Geheimniß des Erst=Gebornen, erschien in Berleburg, einem der Zentren des radikal-pietistischen Buchdrucks in Deutschland. Viele der in diesen Betrachtungen abgedruckten Meditationen stimmen in ihren Grundanliegen mit den Gesprächen des Hertzens, der ersten Schrift J. E. Petersens von 1689, überein. Das Denken ist von einer dualistischen Struktur geprägt, die die »Kinder Gottes« von der Welt abgrenzt. Für diese Kinder Gottes kommt es darauf an, »der wahren Gottseeligkeit ernstlich« nachzustreben.736 Dieser anzustrebende Lebenswandel soll von Tugenden, insbesondere von Geduld, Demut und Sanftmut, geprägt sein. Die Verfasserin stellt eine Herzensfrömmigkeit vor, die sich im Rückzug von der Welt und im Gebet entfaltet.737 Wie in ihrem Erstlingswerk erfährt auch hier der Erfahrungsbegriff eine positive Konnotation, da die Glaubenserfahrungen, zu denen auch die Anfechtungen gehören, zur Heilsgewissheit führen.738 Die von J. E. Petersen vorgetragene Rechtfertigungslehre betont die Gerechtmachung der Glaubenden, wodurch aus dem »Christus für uns« der »Christus in uns« werde.739 Die wahrnehmbare Einwohnung Gottes im Menschen und die Vergöttlichung des Menschen stellen das Ziel der Nachfolge dar.
734 J. E. Petersen, Kurtze Betrachtungen von der Nutzbarkeit, 1717, 7, 38, 41, 65, 71, 73; im Schlussgebet, ebd., 80, heißt es: »und wenn die Zeit meiner Walfahrt zu ende/ so lasse mich auch durch die Vorstellung deiner grossen Verheissungen die Schmertzen des Todes überwinden und in dem Glauben an dich von dem Tod zum Leben hindurch dringen/ und mit Freuden meinen Abschied aus diesem Jammerthal nehmen/ weil ich weiß daß ich alsdan daheim bey dir seyn sol/ und dein allerliebstes und allerheiligstes Angesicht sehen . . . ob ich gleich noch hier zu bleiben und Frucht zu schaffen/ auch nach deinem heiligen Wohlgefallen willig gewest.« 735 Die auffallend häufige Benutzung inklusiver Sprachformulierungen wie Diener und Dienerinnen, Söhne und Töchter Gottes, Jünger und Jüngerinnen, ebd., 2, 8, 14, 78, könnte vielleicht ein Indiz auf eine bestimmte Gruppe bilden, die J. E. Petersen hiermit ansprechen möchte. Zu denken wäre an die Frankfurter Zeit, in der J. E. Petersen sehr intensiv in freundschaftliche Bezüge zu Männern und Frauen eingebunden war, mit denen sie gleichzeitig in einem engen theologischen Austausch stand. Allerdings lässt sich aufgrund der Quellenlage nichts darüber ausmachen. 736 Ebd., 26. 737 Ebd., 59. 738 Ebd., 37. 739 Ebd., 2f; vgl. auch 66. Ein Berührungspunkt zu den Kurtzen Betrachtungen über die Sprüche, 1715, besteht darin, dass J. E. Petersen auch in diesen Betrachtungen von der Nutzbarkeit die Rechtfertigung ein »heiliges umsonst« nennt, ebd., 2.
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Der Schwerpunkt sowohl der biblischen Voten als auch der Ausführungen J. E. Petersens liegt auf der Kreuzesnachfolge für die Gläubigen, die als Anfechtungs- und Läuterungserfahrungen durchlaufen werden müssen. Zur Nachfolge des Gekreuzigten gehören Leiden, Anfechtungen und Verfolgungen. Anders als in den Gesprächen des Hertzens steht in diesen Meditationen nicht so sehr Christus als der Seelenfreund und Bräutigam im Vordergrund, sondern vielmehr Gott der Vater, der »Züchtigungen« anwendet, um die Gläubigen zu erproben.740 Den Leiderfahrungen misst J. E. Petersen großes Gewicht bei, da diese eine conditio sine qua non des wahren Glaubens und wahrer Nachfolge darstellen. Obwohl die Verfasserin einräumt, dass Hass und Missgunst der Mitmenschen teilweise schwer zu verkraften sind, so gibt sie doch allem Leiden eine positive Deutung, da es auf Seiten der wahrhaft Glaubenden immer nur »ein unschuldiges Leiden« sei.741 Darüber hinaus sieht sie die von Gott und den Menschen zugefügten »Züchtigungen« als notwendigen Läuterungsprozess, um dann im tausendjährigen Reich die Umkehr der Verhältnisse zu erleben: Nur wer mit und für Christus gelitten hat, wird berechtigt sein, mit ihm an der Herrschaft über die ganze Welt teilzuhaben.742 Aus den Formulierungen dieses Textes geht hervor, dass J. E. Petersen darauf hofft, den Anbruch des tausendjährigen Reiches mitzuerleben. Sie bittet den »Heyland« um »Kraft und Gnad daß wir uns durch die kleine und tägliche Trübsahlen von dir also zubereiten lassen/ daß/ wo es dir gefallen solte/ daß wir solche Zeiten/ die uns schon nahe zu seyn scheinen/ erleben solten/ wir auch in der aller grösten Trübsahl durch deine Kraft bestehen/ und durch deine GOttes Liebe weit überwinden/ und den Sieg behalten mögen/ um auch hernachmahls mit dir zu herrschen und zu regieren in die Ewigkeiten der Ewigkeiten«.743 Wie dieses letzte Zitat belegt, präsentiert sich das eschatologische Gedankengebäude J. E. Petersens in der Gestalt, die es bereits in ihren Schriften der 1690er Jahre angenommen hatte. Die Apokatastasis hat in diesen 1717 veröffentlichten Betrachtungen ihren Platz nicht als Erweiterung des Chiliasmus, sondern begegnet nur in der Auslegung zu Tit 2,11f, gleichsam als Entfaltung der dort erwähnten Gnade Gottes für alle Menschen. Zunächst nimmt die Verfasserin Stellung gegen die Idee, als »sey der meiste Theil der Menschen zur Verdamniß praedestiniret/ ja gar zur Verdamniß erschaffen worden«.744 Mit diesem Votum kritisiert sie die doppelte Prädestination, die im Laufe der konfessionellen Auseinandersetzungen neben den Differenzen in der Abendmahlsauffassung zu einem Inbegriff calvinistischer Propria ge740 741 742 743 744
Ebd., 23, 65, 71. Ebd., 50. Ebd., 34. Ebd., 69; vgl. auch 30–34, 72–79. Ebd., 12.
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worden war.745 Aus dem Zusammenhang der Betrachtungen wird nicht ersichtlich, warum gerade dieser Topos der reformierten Theologie die Zielscheibe ihrer Abgrenzung bildet, denn sie geht an keiner Stelle auf Fragen einer Annäherung der Konfessionen ein wie etwa im Geheimniß des Erst=Gebornen. Die konfessionelle Lage in Brandenburg-Preußen seit dem vom Kurfürsten Johann Sigismund vollzogenen Übertritt zum Reformiertentum zeichnete sich gerade durch eine Abschwächung des sog. absolutum decretum aus.746 Als Denkfigur allerdings steht die doppelte Prädestination der Apokatastasis diametral entgegen.747 Ihre Andeutung der Apokatastasis kleidet J. E. Petersen in die Worte, dass Gott durch Christus beschlossen habe »alles wieder neu zumachen« und dass am Ende von allem Christi »Erbarmung alles ümfassen« werde.748 Diese Ausführungen belegen zum einen, dass J. E. Petersen über den Stand der kontroverstheologischen und dogmatischen Streitigkeiten mit seinen speziellen Topoi informiert war. Zum anderen bediente sie sich unterschiedlicher Argumentationsfiguren ohne Rücksicht auf deren konfessionelle Verankerung. In eklektizistischem Zugriff schuf sie ein theologisches Konstrukt ganz eigener Art, das nur ihren primären Interessen verpflichtet war. Die soziale Ortlosigkeit ihrer theologischen Existenz und diese Ausführungen scheinen mir in einem reziproken Verhältnis zueinander zu stehen. Ein ähnlicher Befund wie für die vorsichtige sprachliche Einkleidung der Apokatastasis ergibt sich für die Behandlung der Christologie. J. E. Petersen erwähnt, dass Christus »von Anbegin« dagewesen »und nicht erst nach Maria gekommen« sei749 – eine Formulierung, die ein Bekenntnis zur kirchlichen Lehre von der Präexistenz Christi darstellen könnte. Ein weiterer Hinweis auf die für diese Autorin typische Ausprägung lässt sich daran ablesen, dass sie Christus das »Original« nennt, nach dem die Menschen von Gott erschaffen worden seien.750 Im Kontext der Betrachtungen von der Nutzbarkeit fällt diese Aussage kaum auf, in früheren Büchern der Jahre von 1711 bis 1714 jedoch kommt der Betrachtung Christi als präexistente Verbindung von Gottheit und Menschheit, nach deren Vorbild die Menschen erschaffen wurden, die Funktion eines tragenden Elementes für Christus als den himmlischen Gottmenschen zu.
745 Zu Calvins Prädestinationslehre s. E. Hirsch, Hilfsbuch, 1964, 169–172; O. Weber, Dogmatik 2, 1983, 519. 746 Die Confessio Sigismundi von 1614, die diese Einschränkungen enthält, ist abgedruckt bei W. Gericke, Glaubenszeugnisse, 1977, 129–131. 747 Zu Luthers Prädestinationsvorstellung s. E. Hirsch, Hilfsbuch, 1964, 156–159; zur lutherischen Orthodoxie ebd., 340–347. 748 J. E. Petersen, Kurtze Betrachtungen von der Nutzbarkeit, 1717, 12. 749 Ebd., 56. 750 Ebd., 66.
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Die Kurtzen Betrachtungen von der Nutzbarkeit stellen innerhalb des schriftlichen Gesamtwerks der Autorin keinen augenfälligen Beitrag zur theologischen Profilierung J. E. Petersens dar. Sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht repräsentieren sie ein zeitlich schwer einzuordnendes Erbauungsbuch, das Ethik und Mystik der Nachfolge mit chiliastischer Erwartung verknüpft. 4.4 Autobiographie 4.4.1 Zur autobiographischen Literatur Autobiographische Quellen haben gerade in den letzten Jahren in der historischen, literaturwissenschaftlichen und auch theologischen Forschung große Aufmerksamkeit erfahren.751 Dabei signalisiert die Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen den mittlerweile ausdifferenzierten Blick auf einen nur in Umrissen erschlossenen Quellenfundus, der lange vor allem in die zwei Kategorien der Tagebücher752 einerseits und der Autobiographien753 andererseits unterschieden wurde. Begriffe wie »Ego-Dokumente«754 oder »Selbstzeugnisse«755 markieren den Versuch, eine Fülle von Gattungen selbstreflexi751 Vgl. etwa D. Ebner, Autobiography, 1971; B. Neumann, Identität, 1971; R.-R. Wuthenow, Erinnertes Ich, 1974; G. von Graevenitz, Innerlichkeit, 1975; H. Winter, Selbstbiographien, 1985; J. Jessen, Bibliographie, 1987; A. Völker-Rasor, Bilderpaare, 1993, bes. 25–65; B. v. Krusenstjern, Selbstzeugnisse, 1997; M. Holdenried, Autobiographie, 2000; K. von Greyerz, Europäische Selbstzeugnisse, 2001. G. A. Benrath, Autobiographie, 1979, 772, beklagt als Defizit: »Die kirchengeschichtliche Forschung befindet sich, wie mit der Erforschung des christlichen Denkens und der Frömmigkeit im allgemeinen, so mit der Erschließung der religiösen Selbstzeugnisse und der christlichen Autobiographie, einer wichtigen Quellengattung, auf diesem Gebiet, im Rückstand.« M. Hirzel, Lebensgeschichte, 1998, untersucht Autobiographien des Spätpietismus und der Erweckungszeit; W. Sparn, Lebensgeschichte, 1990, und L. Kuld, Lebensgeschichten, 1997, signalisieren das Erwachen der theologischen Betrachtung autobiographischen Schrifttums. 752 Vgl. P. Boerner, Tagebuch, 1969; G. R. Hocke, Tagebücher, 1978; K. Pestalozzi, Tagebuch, 1982; R.-R. Wuthenow, Tagebücher, 1990. Zur Analyse und Edition von Frauentagebüchern s. L. Koch-Schwarzer, Tagebuchfragment, 1999; M. Scheutz/H. Tersch, Trauer und Gedächtnis, 2003. Die Bedeutung von Tagebüchern im Pietismus lässt sich z. B. daran ablesen, dass J. W. Petersen von einem »Büchlein« berichtet, das er anlegte, um darin aufzuzeichnen, »was ich von dem Wege der wahren Gottseeligkeit von Frommen hörete«, Lebens=Beschreibung, 1719, 19; vgl. auch J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 122. Zinzendorf schrieb in den Jahren 1716 bis 1719 regelmäßig Tagebucheintragungen, die der Forschung zugänglich sind, Tagebuch, 1907, 1908, 1910. 753 Vgl. T. Klaiber, Selbstbiographie, 1921; G. Misch, Autobiographie, 1–4, 1949–1969; B. Pascal, Autobiographie, 1965. 754 Vgl. W. Schulze, Ego-Dokumente, 1992. 755 Dieser Terminus wird beispielsweise verwendet von K. von Greyerz, Vorsehungsglaube, 1990; s. ferner T. Wagner-Simon/G. Benedetti, Sich selbst erkennen, 1982; A. Hahn/V. Kapp, Selbstthematisierung, 1987; R. M. Dekker, Ego-documents, 1989.
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ven Schreibens nicht mehr länger nur den an den klassischen Mustern gewonnenen Idealtypen zuzuordnen. Diese Umorientierung der Forschung kommt insbesondere den von Frauen verfassten autobiographischen Texten zugute, da diese sich mit den bisherigen Kategorien nur unzureichend erfassen ließen.756 Nach mittlerweile umfangreichen Untersuchungen weiblicher und männlicher Selbstzeugnisse unter Gender-Aspekten muss die Frage, »ob es so etwas wie eine spezifisch weibliche Tradition der autobiographischen Selbstdarstellung gibt«, als nur schwer eindeutig zu beantworten gelten.757 Denn neben einigen geschlechtsspezifischen Merkmalen, die für eine gewisse Übereinstimmung und Vergleichbarkeit sprechen, sind gleichzeitig bei der Ausweitung der Quellenbasis jeweils neue Differenzierungen zu vermerken. Obgleich es Zeugnisse autobiographischen Schreibens bereits seit der vorchristlichen Antike gibt und die Confessiones Augustins Modellcharakter für die christliche Autobiographik gewannen,758 formten sich sowohl der Begriff als auch das spezifische literarische Genus erst in der klassischen Epoche der deutschen Literaturgeschichte.759 Autobiographische Aufzeichnungen des 17. und frühen 18. Jh. hingegen weisen eine breite Formenvielfalt auf. Mit dem Aufkommen des Pietismus geht ein Aufblühen der autobiographischen Literatur einher.760 Bereits für das 17. Jh. lässt sich in England, bedingt durch den Puritanismus und vergleichbare Aufbruchbewegungen, eine ähnlich hohe Verbreitung dieser Schriftgattung feststellen.761 Hieran hatten Frauen, die z. T. auch als Prophetinnen auftraten, mit der Veröffentlichung eigener Texte einen großen Anteil.762 Die pietistische Frömmigkeit integrierte eine aufmerksame Selbstbeobachtung in das Konzept ihres Erneuerungsprogrammes. Männer und Frauen dokumentierten sowohl in privaten als auch in veröffentlichten Literaturgattungen die penible Umsetzung ihrer Praxis pietatis. 756 Vgl. hierzu E. C. Jellinek, Women’s Autobiography, 1980; dies., Tradition, 1986; K. Goodman, Weibliche Autobiographien, 1985; dies., Disclosures, 1986; E. Sagarra, Quellenbibliographie, 1986; D. C. Stanton, Female Autograph, 1987; E. Graham, Her Own Life, 1989; M. Holdenried, Autobiographik von Frauen, 1995; M. Heuser, Autobiographien von Frauen, 1996. 757 M. Wagner-Egelhaaf, Autobiographie, 2000, 94, insgesamt zu Gender-Fragen: 93–99. 758 Vgl. hierzu G. Niggl, Geschichte, 1977, 8; H. Luther, Unruhiges Herz, 1990. 759 Vgl. hierzu G. Niggl, Pietistische Autobiographie, 1974; ders., Geschichte, 1977; ders., Autobiographie, 1998; K.-D. Müller, Autobiographie, 1976. 760 Vgl. hierzu W. Mahrholz, Selbstbekenntnisse, 1919; ders., Pietismus, 1921; M. Beyer-Fröhlich, Entwicklung, 1930; dies., Selbstzeugnisse, 1930; I. Bertolini, Autobiographie, 1968; I. Bernheiden, Individualität, 1988. 761 Dies dokumentiert auch J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen, 1698; dieser erste Band der Sammelbiographie brachte Bekehrungszeugnisse aus dem englischen Puritanismus in deutscher Übersetzung zum Abdruck. In London waren diese Berichte 1653 in zweiter Auflage erschienen; einige dieser Exempel hatte Theodor Undereyck bereits in seiner 1670 veröffentlichten Schrift Braut Christi herausgebracht, s. H.-J. Schrader, Nachwort, 1982, 169*. 762 E. Graham, Women’s writing, 1996; H. Hinds, God’s Englishwomen, 1996; E. Botonaki, Spiritual diaries, 1999.
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J. E. Petersens erstmals 1689 gedruckter »Lebens=Lauf«,763 der als eigenständige autobiographische Erzählung ihrem ersten Buch angefügt war, gehört in diesen Rahmen der pietistischen Aufmerksamkeit für die Entwicklung der individuellen Frömmigkeit. Ihr Lebenslauf kann der Frühphase des pietistischen autobiographischen Schrifttums zugeordnet werden, während hingegen die Autobiographien von A. H. Francke,764 P. J. Spener,765 G. Arnold766 und J. W. Petersen erst zu späteren Zeitpunkten entstanden.767 Als J. E. Petersen die erste Fassung ihrer autobiographischen Reflexionen veröffentlichte, lagen nur wenige gedruckte Lebensrückblicke vor, die sie beeinflusst haben könnten.768 Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass sie die Eukleria Anna Maria van Schurmans kannte, die 1673/1685 erschien.769 Nachdem van Schurman sich der separatistischen Gemeinde Jean de Labadies angeschlossen hatte, verteidigte sie mit der Eukleria diesen Schritt.770 Obwohl dieses Buch auf Latein geschrieben wurde, wird J. E. Petersen zumindest Kenntnisse dieses Werkes gehabt haben, da sie von 1674 bis 1678 mit Schurman korrespondiert hatte.771 Die Autobiographie An763 Diese Formulierung begegnet nicht in der Überschrift, sondern erst in den einführenden Sätzen zur Kurtzen Erzehlung, 1689, 235. 764 Er verfasste einen Bericht über seine Bekehrung von 1690/91 sowie mehrere Kurzentwürfe zu einer Lebensgeschichte, s. Lebensläufe, 1999; vgl. auch M. Maier-Petersen, Fingerzeig, 1984, 197–302. 765 Er schrieb seinen Lebensbericht um 1680 mit der ausdrücklichen Maßgabe, dass dieser bei seiner Beerdigung Verwendung finden solle, s. M. Maier-Petersen, Fingerzeig, 1984, 117–196. 766 Der von ihm selbst vorbereitete Lebensüberblick erschien postum zum erstenmal im Jahr 1716, gemeinsam mit einer weiteren Fassung seiner Biographie, Gedoppelter Lebenslauf, 1716. Vgl. hierzu die bei D. Blaufuß/F. Niewöhner, Arnold, 1995, 415, abgedruckte Bibliographie der Arnold-Werke. 767 G. A. Benrath, Autobiographie, 1979, 781, nennt als einflussreichste der pietistischen Selbstzeugnisse daneben die von J. K. Dippel und J. H. Reitz; vgl. ferner M. Maier-Petersen, Fingerzeig, 1984. Die für den deutschen Pietismus wichtige Autobiographie von Jeanne-Marie Guyon wurde erst 1709 abgeschlossen und 1720 in die von P. Poiret herausgegebene Gesamtausgabe ihrer Werke aufgenommen; es existieren zahlreiche Nachdrucke, La Vie, 1791. Die autobiographischen Skizzen von Johann Friedrich Rock stammen aus dem Beginn des 18. Jh., s. J. F. Rock, Autobiographische Schriften, 1999. Der Lebenslauf des Hallensers Joachim Lange wurde unmittelbar nach seinem Tod 1744 gedruckt. 768 Die 1666 veröffentlichte Bekehrungsgeschichte John Bunyans übte keinen nachweislichen Einfluss auf die deutsche pietistische Autobiographik aus; eine deutsche Übersetzung ist nicht bekannt, s. L. Kuld, Lebensgeschichten, 1997, 148–162. 769 J. Wallmann, Spener, 1986, 125, und T. J. Saxby, New Jerusalem, 1987, 227, gehen davon aus, dass die Lektüre dieses Buches für J. E. Petersen und die frühen Frankfurter Pietisten von weit reichender Bedeutung war. E. Scheenstra, Right Choice, 1996, 124, hingegen schreibt: »If von Merlau was influenced in any way by van Schurman, the effects were probably not very far-reaching«. Zur Bedeutung der Eukleria für J. J. Schütz s. J. Wallmann, Spener, 1986, 307–311. 770 Vgl. J. Irwin, Self-Reflections, 1980; M. de Baar, Autobiography, 1996. 771 J. J. Schütz besaß ein Exemplar der Eukleria, s. J. Wallmann, Labadismus, 1978, 164. J. W. Petersen hatte in seiner Jugend mit seinen Eltern die »berühmte Jungfer« van Schurman in Holland besucht, Lebens=Beschreibung, 1719, 5. Er habe später die Eukleria geschätzt wegen der »darinnen bezeigten wahren Gottseligkeit, und des netten köstlichen Lateins«, 5.
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toinette Bourignons erschien 1684 in deutscher Sprache und wurde ebenfalls vom deutschen Pietismus rezipiert.772 Aufgrund der Kontakte seit der Frankfurter Zeit ist davon auszugehen, dass J. E. Petersen auch dieses Werk kannte. Erst einige Jahre später setzte die für den Pietismus so bezeichnende Sammlung exemplarischer Lebensläufe mit den Werken von Johann Henrich Reitz, Gottfried Arnold, Erdmann Graf Henckel und anderen ein.773 Neben diesen umfangreichen Biographiensammlungen erschien gleichzeitig eine große Anzahl von Einzeltexten auf dem Büchermarkt, z. B. als Anhang zu einem theologischen Traktat.774 Für die Programmatik dieser Werke ist es bezeichnend, dass sie gewissermaßen die Idee des Priestertums aller Gläubigen nachvollzogen, indem Personen beider Geschlechter und der unterschiedlichen sozialen Gruppierungen vorkamen. Außer männlichen Geistlichen und Adligen, deren Biographien auch außerhalb des Pietismus dokumentiert wurden, wurde von und über Frauen unterschiedlicher Stände sowie Männer aus Handwerks- und Dienstbotenkreisen geschrieben.775 In diesen Sammelbiographien vermischten sich die Gattungen Autobiographie und Biographie, indem z. T. in die biographischen Berichte autobiographische Textstücke aufgenommen wurden.776
772 A. Bourignon, Leben, 1684; das Buch wurde von P. Poiret redigiert und veröffentlicht. G. Arnold druckte Auszüge daraus in seiner Kirchen- und Ketzerhistorie IV, 1729, 1065–1088; s. auch J. G. Walch, Religions-Streitigkeiten 1, 1733, 620–624. 773 Die von Reitz begonnene Sammlung der Historie der Wiedergebohrnen wuchs von 1698 bis 1753 auf sieben Bände an, s. hierzu den von H.-J. Schrader veranstalteten Nachdruck, der 1982 erschien, Bd. 4, Nachwort 125*–203*, sowie ders., Literaturproduktion, 1989. Es gibt keine Hinweise darauf, dass J. E. Petersen von dieser autobiographischen Literatur beeinflusst war. Die von Reitz herausgegebene Biographiensammlung gehört mit mindestens 10 000 gedruckten Exemplaren »zu den verbreitetsten Büchern in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts«, H.-J. Schrader, Nachwort, 1982, 175*. G. Arnold, Leben der Gläubigen, 1701; G. Tersteegen, Auserlesene Lebens=Beschreibungen, 1733ff, s. hierzu J.F. G. Goeters, Reformierter Pietismus, 1995, 393–402; E. Graf Henckel, Letzte Stunden 1–2, 1722–1723; zu Henckels Sammlung s. H.-W. Erbe, Zinzendorf, 1928, 25–30; U. Witt, Biographiensammlung, 1995; R. Albrecht, Anfang, 2003, 90–93. Zu weiteren Sammelwerken s. G. Niggl, Geschichte, 1977, 217f; M. Hirzel, Lebensgeschichte, 1998, 153–201. 774 J. G. Walch, Einleitung 5.2, 1739, 1063, weist hin auf den Lebenslauf des Pietisten Christoph Schütz. 775 J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen, II, 1701, 10–18, 74–81, 154–160; III, 1701, 52–61, 112–123;VI, 1730, 387; VII, 1745, 166–231; vgl. auch die Analyse zu Henckels Sammlung bei U. Witt, Biographiensammlung, 1995, 190–193, 216f. 776 J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen, IV, 1716, 230–241; VI, 1730, 374; VII, 1745, 117–143, 168f, 173f, 232–249.
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4.4.2 Johanna Eleonora Petersens Leben, 1718/19 Im hohen Alter brachte J. E. Petersen die Aufzeichnungen aus ihrer ersten schriftstellerischen Arbeitsphase, versehen mit einer Texterweiterung, erneut zum Druck.777 1718 erschien die erste Auflage, 1719 die zweite.778 Der erste umfangreichere Teil wurde dabei um einen deutlich anders gearteten kürzeren zweiten Teil ergänzt.779 Die Autobiographie stellt das Werk J. E. Petersens dar, das kontinuierlich die meiste Aufmerksamkeit fand, wobei allerdings die Einschätzungen weit auseinanderliegen.780 Mit der Niederschrift und Publikation wichtiger Erlebnisse und Stationen ihrer Biographie verfolgte die Autorin ein religiöses Ziel; nicht die Dokumentation äußerer Geschehnisse stand im Vordergrund, sondern vielmehr die Reflexion von eigenen Erfahrungen unter der Maßgabe, dass sich darin die Gnade Gottes widerspiegele.781 Als Ausdruck dieses Impetus kann auch das Leitmotiv verstanden werden, das den autobiographischen Erinnerungen als Titel vorangestellt ist: »Eine kurtze Erzehlung/ Wie mich die leitende Hand Gottes bißher geführet/ und was sie bei meiner Seelen gethan hat.«782 Das Symbol der Hand Gottes signalisiert im biblischen 777 Die Feststellung von I. Bernheiden, Individualität, 1988, 196, dass der ursprüngliche Text nicht verändert wurde, ist nicht ganz korrekt. Die einzige Veränderung besteht darin, dass die Verfasserin 1718 auf kritische Reaktionen bezüglich der Schilderung ihres Sohnes reagierte und diese Passage neu formulierte, J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 294f. Die Beschreibung der ersten Lebenstage des Sohnes geht direkt über in die Schlussformulierungen: »Als er aber zu der bestimten Zeit/ und sehr klein gebohren war/ und nur einen Tag alt/ hub er sein Haupt in der Wiegen auff/ und sahe rings umher/ hat auch manch gutes Merckzeichen von sich gegeben/ also/ daß wir hoffen/ daß es ein Sohn der Verheissung seyn soll. Uber diß hat der gütige Gott an mir so viel Gutes an meiner Seelen gethan/ und sein theures Wort also auffgeschlossen«, 295. In J. E. Petersen, Leben, 1718, 34, heißt es direkt im Anschluss an diese Sätze: »Es sind einige, die sich an diese Worte gestossen, und gemeynet, ich hätte aus mir etwas besonders machen wollen«. 778 Ich beziehe mich in der Regel auf die erste Auflage von 1718. Inhaltiche Abweichungen beider Textfassungen voneinander sind nicht festzustellen. 779 Nach der Ausgabe von J. E. Petersen, Leben, 1719, besteht der erste Teil aus 48 Seiten im Oktavformat und der zweite aus 22 Druckseiten. 780 W. Mahrholz, Selbstbekenntnisse, 1919, 162f, notiert: »Die ganze Lebensgeschichte ist nur in Hinsicht auf die religiösen Erlebnisse geschrieben«; später charakterisiert er diesen Text mit den Worten, dass sich hierin »weiche Gefühligkeit« abzeichne, während er in J. W. Petersens Autobiographie das Zeugnis für eine »tapfere und aufrechte Lebenshaltung« sah, Pietismus, 1921, 7. I. Bernheiden, Individualität, 1988, 195, meint feststellen zu können, dass beide Petersen in ihren Autobiographien »keinerlei Auseinandersetzung . . . mit der Religion schildern«. G. Niggl, Geschichte, 1977, 9f, der die pietistischen Autobiographien von dem durch Francke geprägten Typus der Bekehrungsgeschichte ableitet, sieht u. a. in J. E. Petersens autobiographischer Schilderung nach gerade eine Umkehrung des Franckeschen Musters, da ja keine dramatische Wende, sondern eine allmähliche Glaubensentwicklung geschildert werde. Hier treten die Probleme einer zu starken Typisierung der älteren Forschung offen zu Tage. 781 Vgl. U. A. J. Becher, Religiöse Erfahrung, 1991, 318. Das gleiche Moment arbeitet A. Lagny, Francke, 2003, 125–130, für die Autobiographie Madame Guyons heraus. 782 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 235.
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und späteren christlichen Sprachgebrauch das schützende oder auch strafende Eingreifen Gottes.783 Von der Hand Gottes als Ausdruck der Dankbarkeit zu sprechen, ist verbreitet in pietistischen Selbstzeugnissen.784 Dieser theologische Duktus prägt insbesondere den einleitenden Teil der Kurtzen Erzehlung von 1689, denn die ersten acht Seiten bilden im Grunde eine persönliche Auslegung der paulinischen Kreuzestheologie, die die Autorin mit folgenden Worten wiedergibt: »Paulus saget: Alle/ die gottselig leben wollen/ in Christo Jesu/ die müssen Verfolgung leiden.«785 Erst nach dieser Einführung beginnt übergangslos die autobiographische Retroperspektive.786 Das Ehepaar Petersen ging bei der Veröffentlichung der Autobiographien in ähnlicher Weise parallel vor wie bei den Schriften zur Christologie von 1711, allerdings hier noch stärker aufeinander bezogen. J. E. Petersens Leben, sowohl in der Auflage von 1718 als auch in der von 1719, weist jeweils auf dem Titelblatt darauf hin, dass ihr Buch »als ein Zweyter Theil Zu Ihres Ehe=Herrn Lebens=Beschreibung« konzipiert worden sei.787 In der Einführung zu den neu hinzugefügten Abschnitten erwähnt die Verfasserin ausdrücklich den »Lebens=Lauff«, den ihr »lieber Ehe=Herr« verfasse; sie werde etliche Geschehnisse auslassen, da er über diese berichte.788 Die umfangreiche Lebens=Beschreibung J. W. Petersens erschien im Jahr 1717 zum ersten und 1719 zum zweiten Mal.789 J. W. Petersen seinerseits machte ausführlichen Gebrauch von der ersten Fassung der autobiographischen Rückblende seiner Frau, indem er einige Passagen der Kurtzen Erzehlung wörtlich zitierte.790 Während J. E. Petersen mit Hinweis auf die schriftstellerische Arbeit ihres Ehegatten Auslassungen ihrer Darstellung begründete, vermehrte er unter Zuhilfenahme 783 Vgl. S. Schroer/T. Staubli, Körpersymbolik, 1998, 171–204. 784 Vgl. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen III, 1701, 235f; IV, 1716, 231; VII, 1745, 132f; J. Lange, Lebenslauf, 1744, 13, 47, 80. 785 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 238; vgl. hierzu M. Wagner-Egelhaaf, Autobiographie, 2000, 145. Das Verfolgungsmotiv kann als typisch für die Deutung pietistischer Lebenserfahrungen gelten; es begegnet auch bei den Äußerungen zum Tod von Johann Caspar Schade, Joachim Lange, Abdanckungs-Rede, 1698, 356f; vgl. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen VII, 1745, 126, 131, 148. 786 Die Erzählerin führt nur kurz aus, dass Gott ihr bereits »von zarter Kindheit auff« seine Gnade gezeigt habe, um dann die Szene der Bedrohung durch eine Soldatengruppe um das Jahr 1648 heraus zu greifen, J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 242. 787 J. W. Petersen, Heimgang, 1724, berichtet, dass ein Herzog die zweite Auflage des Lebens seiner Ehegattin zum Druck befördert habe. Ferner gibt er an, dass seine Frau noch eine erweiterte Fassung ihrer autobiographischen Aufzeichnungen angefertigt habe, die aber allem Anschein nach nicht zum Druck kam. 788 J. E. Petersen, Leben, 1718, 35; sie erwähnt insbesondere die Konflikte mit ihrem »undanckbahren Schwager«. 789 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719; im Oktavformat umfasst der erzählende Text, ohne Vorrede und Register, 402 Druckseiten. 790 Ebd., 74f; es kommen aber auch Zitate aus seinen eigenen Werken sowie aus denen anderer Autoren vor, 71–74, 335f.
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ihres Schreibens seine Produktivität. Außer direkten Zitaten weisen seine Schilderungen etliche Wiederholungen auf, die sich an die autobiographischen Skizzen seiner Ehefrau anlehnen.791 Die von J. E. Petersen für entscheidend gehaltenen biographischen Stationen werden im ersten Teil ihrer Autobiographie in großer Anschaulichkeit beschrieben; ihr gelingt es, einzelne Szenen lebhaft zu gestalten. Die von ihr ausgewählten Erinnerungen zeigen eine Persönlichkeit, die es gewohnt war, entweder in positiver oder negativer Konnotierung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Diese von ihr beschriebenen Ereignisse bestanden entweder darin, dass sie wegen verleumderischer Aussagen ihrer Mitmenschen in Verdacht geriet,792 oder darin, dass sie durch ihr beherztes Eingreifen gefährliche Situationen löste und dafür Dank empfing. Auch die von ihr am detailliertesten beschriebene Phase ihres Lebens, der Hofdienst in Wiesenburg, ist geprägt von einer dualistischen Gestaltung. Nach ihren Angaben war sie zunächst beliebt und wurde anderen als Vorbild hingestellt, weil sie den höfischen Sitten entsprach und auch ein genehmes Maß von Frömmigkeit praktizierte.793 Nach der Veränderung ihres Lebensstils, der sich über Jahre hinzog, orientierten sich andere an ihr, denen sie als »Jüngerin Christi« durch ihren Lebenswandel das Evangelium predigte.794 Eine von ihr in die Frankfurter Jahre datierte Szene beleuchtet diesen Aspekt ihres Selbstverständnisses. Zunächst schildert sie mit wenigen Worten das bunte Treiben auf dem Marktschiff von Frankfurt nach Hanau. Sie beobachtet um sich herum »auch einige Soldaten/ so mit 4. unkeuschen Weibes=Personen sehr grobe und unzüchtige Schertz=Reden führeten«.795 Ohne dies ganz direkt auszusprechen, deutet sie den heraufziehenden Sturm als Strafe und Warnung Gottes für diese Verhaltensweisen. Inmitten des Sturmes »that mir Gott meinen Mund auff/ daß ich ihnen zeigete/ was vor Angst die Gefahr des Todes machen könte«.796 Die Autobiographin erhöht noch die Drastik ihrer Erzählung, indem sie einen Dialog zwischen sich und einer der Frauen gestaltet. Als die Gefahr vorüber schien, machte sich diese über die aufgetretenen Ängste
791 Ebd., 60: der mit der Geburt des Sohnes in Zusammenhang stehende Besuch bei dem befreundeten Pastorenehepaar Linekogel und das Aufschlagen von Röm 9,9 wird von J. E. Petersen ähnlich geschildert, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 294. 792 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 261. 793 Ebd., 258. 794 Ebd., 272. So beschreibt sie etwa die Auswirkungen ihres Lebenswandels am Wiesenburger Hof, dass die, die vorher über sie spotteten, sie nun achteten, ebd., 276. Da gab »der große wunderbahre Gott eine solche Furcht in aller Hertzen/ so wohl Hohen als Niedern/ daß sie sich scheueten/ in meiner Gegenwart etwas unrechtes zu reden oder zu thun/ ob sie gleich sich nicht scheueten vor dem Hof=Prediger/ so war es doch in meiner Gegenwart gantz still/ auch die sonst wilde Jugend stellte sich still und ehrbar/ wenn sie mich kommen sahen«. 795 Ebd, 281. 796 Ebd., 282; auch hier klingen biblische Sprachbilder an wie Jer 1,9; Spr 31,8; Mt 5,2.
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und die Bereitschaft der anderen Fahrgäste, zum Gebet Zuflucht zu nehmen, lustig. Darauf antwortete ihr J. E. Petersen: »Ihr freches Mensch/ gedencket ihr nicht/ daß uns die Hand des HErrn noch finden könte«.797 Als der Sturm kurz darauf erneut losbrach, bedeutete dies für die Erzählerin einen freudigen Moment, da sie nun damit rechnete zu sterben. Das Schiff landete wider alles Erwarten sicher und J. E. Petersen ging nach ihrer Darstellung als Heldin aus dieser Situation hervor. Nicht die Frauen, sondern die »wilden Soldaten« werden gewählt, um ihre Bewunderung für die Retterin zu bekunden. Diese »nahmen genau acht auff mich/ daß ich wohl zu Land kam/ und dancketen/ daß ich ihnen zu Hertzen geredet«.798 Die Schilderung greift Topoi der neutestamentlichen Evangelienberichte auf, wenn die Szene damit schließt, daß »vielen solches mit Verwunderung erzehlet« wurde.799 Der äußeren Bezeugung dieses Erlebnisses dient der Verweis auf »Doctor Mige« aus Hanau, der auf dem Schiff anwesend war. Auch bei ihm konstatiert die Autobiographin positive Auswirkungen ihres Auftritts; er wurde »dadurch in seinem Gemüth auffgerichtet« und brachte zum Ausdruck, »daß er solche meine Freudigkeit in dieser Todes=Angst nimmermehr vergessen wolte«.800 Vermutlich handelt es sich bei diesem Mann um eine Persönlichkeit, die in pietistischen Kreisen nicht unbekannt war, nämlich Friedrich Miege, der gemeinsam mit Spener in Basel Hebräisch-Studien betrieben hatte.801 Mit der Beschreibung dieser Begegnungen geht es der Autorin darum, sich als beispielhafte Predigerin darzustellen, ohne einen Anspruch auf den Gottesdienst und die Kanzel als Ort der rechtmäßigen Verkündigung anzumelden.802 Der zeitliche Bogen, den die autobiographischen Aufzeichnungen von 1689 umspannen, reicht von der frühen Kindheit der Autorin bis zur Geburt ihres Sohnes im Jahr 1682. Obwohl J. E. Petersen die Abfolge ihres äußeren Lebensganges mit seinen einschneidenden Veränderungen wie z. B. allen Ortswechseln notiert, richtet sich ihr Blick nicht so sehr auf die Darlegung ihrer äußeren Lebensverhältnisse, sondern jeweils darauf, welche innerlichen Prozesse für sie aus diesen Geschehnissen erwuchsen. Während auffällt, dass sie eine Anzahl von Personen mit Namen und genauen biographischen An797 Ebd., 282; zur Konnotation des Sprachgebrauchs »das Mensch« für Frauen s. U. Gleixner, Das Mensch, 1994. 798 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 283. 799 Ebd., 283; vgl. etwa Mk 5,20; 7,37; Mt 8, 27; 9,33; 15,31; Lk 2,18. 800 Ebd., 283. 801 Vgl. J. H. Reitz, Historie der Wiedergebohrnen V, 1717, 308. 802 In diesem Selbstverständnis liegt ein Unterschied zu A. M. van Schurman, die sich nach der Darstellung ihrer Eukleria den männlichen Theologen und Predigern der Labadisten fraglos unterordnete. Sie betrachtete diese als Hirten, sich selbst als Teil der Gemeinde, die deren »cura animarum« anvertraut war, Eukleria 2, 1685, 178, 180f. Bisher wurde nur ein einziges Beispiel dafür bekannt, dass eine zu den Labadisten gehörende Frau eine Predigt hielt, s. R. Albrecht, Konfessionsprofil, 1998, 63–70.
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gaben versieht,803 bleibt die Identität anderer Menschen, die von großer Wichtigkeit für sie gewesen sein müssen, im Dunkel.804 Dieser Sachverhalt kann hier nur beschrieben, jedoch nicht befriedigend gedeutet werden. Dadurch, dass J. E. Petersen konkrete Namen, Daten und Orte angibt, verankert sie ihre Erfahrungen durchaus in der durch andere nachprüfbaren Realität.805 Für die Ungleichgewichtigkeit in Bezug auf die Identifizierung der Personen gibt es bisher keine einleuchtende Erklärung, denn für zeitgenössische Leser waren die beteiligten Personen relativ leicht zu entschlüsseln. Wie die erste Fassung der Autobiographie mit theologischen Reflexionen begonnen hatte, so schließt sie auch mit einer Kompilation verschiedener biblischer Verse: »Der Herr hat grosse Dinge an mir getan; es ist gut/ sich auff den Herrn verlassen . . . Getreu ist Er/ der es verheissen hat/ welcher wirds/ auch thun. Amen.«806 Der zweite Teil der autobiographischen Reflexionen J. E. Petersens807 knüpft nicht an die erzählerischen Skizzen an, sondern konzentriert sich ausschließlich auf den Verlauf ihrer theologischen Entwicklung.808 Dieser in sechs Etappen untergliederte Erkenntniszuwachs wird von der Verfasserin gleich803 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 245: der Praunheimer Pastor, der ihre Nichte taufte, hieß Johann Harff; 253: über die Kammermagd der Gräfin von Solms-Rödelheim werden biographische Details mitgeteilt; 254: die Kammer-Jungfer von Steinling, die an der Hochzeitsreise nach Linz teilnahm, war 30 Jahre alt; 261: ein Herr von Fresen schrieb in Wiesenburg einen Brief an J. E. von Merlau, um sie vor ihrem Verlobten zu warnen; 284: der Kammer-Sekretär von der Strassen und Hofrat Gerhard übermittelten ihr das Angebot, zu besseren Bedingungen in den Dienst an die Residenz im Erzgebirge zurückzukehren; 288: Doctor Heiler war einer der Hochzeitsgäste bei ihrer Eheschließung in Frankfurt; 290: die Herzogin von Gotha verbürgt sich brieflich für ihren rechtschaffenen Lebenswandel, als dieser zunächst in Eutin angezweifelt wird – alle diese Personen spielen für die Lebensgeschichte J. E. Petersens, soweit es anhand der vorhandenen Quellen ersichtlich ist, keine weit reichende Rolle. 804 J. J. Schütz und P. J. Spener werden nicht mit Namen genannt, sondern nur als »zwei gottselige Männer« umschrieben, ebd, 268f. Den Namen Speners erwähnt die Autobiographin nur im Zusammenhang mit ihrer Trauung, 287. Weder J. Winckler, D. von Knyphausen noch J. Leade kommen namentlich vor, obwohl sie sicher erschlossen werden können. 805 Ebd., 32f; hier verteidigt sich die Autobiographin gegen die Unterstellung, dass ihre Nichte ein uneheliches Kind sei. Sie besteht darauf, dass die Wahrheit »gar leicht zu erfahren ist, da ihre Eltern beyderseits im Leben und zu Praunheim, nur eine Stunde von Franckfurt wohnen, auch der Pastor noch lebet, der sie getaufft, und die Fräulein von Salms=Rädelheim, so ihre Tauff=Pate, auch noch leben«. 806 Ebd., 295. 807 Auch van Schurmans Eukleria erschien in zwei Teilen mit einem zeitlichen Abstand von mehr als 10 Jahren; Johann Heinrich Jung-Stilling brachte seine autobiographischen Schriften in Fortsetzungen zum Druck, der sich über die Zeitperiode von 1777 bis 1817 hinzog, s. M. Hirzel, Lebensgeschichte, 1998, 42–62. 808 In beiden Teilen steht als verbindendes Element das theologische Interesse augenfällig im Vordergrund. I. Bernheiden, Individualität, 1988, 196, verkennt diese Grundtendenz, wenn sie schreibt: »Die eigentliche Schilderung des Lebenswegs und die Offenbarungen stehen somit verhältnismäßig isoliert nebeneinander. Aber auch in den Offenbarungen findet keine Reflexion mehr über den Glauben statt.« G. Niggl, Geschichte, 1977, 10, beobachtet zutreffend, dass diese inhaltliche Anordnung des zweiten Teils das »didaktische Moment« verstärke.
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wohl als Fortschreibung zur Dokumentation ihres Lebenslaufes gedeutet. Äußere Ereignisse spielen in J. E. Petersens Leben so gut wie keine Rolle mehr, konkrete Personen und familiäre Lebensumstände werden kaum noch erwähnt; im Mittelpunkt stehen die theologischen Überzeugungen, die auf intensiver Bibellektüre und visionären Erlebnissen beruhen. Genaue Datierungen gelten hier nicht Geschehnissen wie Umzügen, Geburten, Reisen oder ähnlichem, sondern einzig den Träumen und visionären Erlebnissen.809 Die in der Kurtzen Erzehlung so markant hervortretende literarische Gestaltungskraft J. E. Petersens begegnet im Leben wieder in der teilweise sehr plastischen Beschreibung von Trauminhalten. Hier treten einzelne Personen in Dialog miteinander, werden spannungsreich Veränderungen eingeführt, wenn z. B. im letzten Traum eine zunächst verschlossene Tür sich dadurch öffnen lässt, dass die Ich-Erzählerin wie eine Nachtigall zu singen beginnt.810 Die in der autobiographischen Fassung von 1689 bezeugte Wahrnehmung der in der eigenen Seele vorgehenden Geschehnisse, die mit der äußeren Erlebnisebene verbunden war, ist hier einer ausschließlichen Konzentration auf die Herausbildung und Veränderung von Ideen und Traumbildern gewichen. Im Verlauf von fast 30 Jahren schriftstellerischen Schaffens lassen sich bei J. E. Petersen neben der durchgängigen Aufmerksamkeit für die eigene Person als Medium der theologischen Reflexion gravierende Veränderungen beobachten. Während sie sich in der Kurtzen Erzehlung als Persönlichkeit darstellte, die im Kern ihr Selbstverständnis aus ihrer Frömmigkeit bezog, jedoch durchaus beeinflussbar erschien durch positive oder negative Reaktionen ihrer Mitmenschen, so artikuliert sich im Leben eine Frau, die sich völlig unabhängig von intersubjektivem Austausch der Ausformung ihrer Gedankenwelt widmet.811 4.4.3 Johann Wilhelm Petersens Lebens=Beschreibung, 1717/19 Hinsichtlich der Autobiographien der beiden Petersen kann eine ähnliche Einschätzung geltend gemacht werden wie bei den Schriften des Ehepaares zur Christologie von 1711: neben einem Fundus gleicher Ideen treten die unterschiedlichen Schreibstile und Gestaltungskräfte beider schriftstellerischen Persönlichkeiten deutlich zu Tage. J. E. Petersens autobiographische Schriften 809 Von J. Blackwell, Lebenslauf, 1995, 51–53, wird die Bedeutung der visionären Elemente sowohl für J. E. Petersen als auch für andere Pietistinnen überschätzt. 810 J. E. Petersen, Leben, 1718, 37, 48. 811 M. Wagner-Egelhaaf, Autobiographie, 2000, hebt das Selbstbewusstsein J. E. Petersens als insgesamt kennzeichnendes Merkmal ihrer Autobiographie hervor. Sie betont dieses Moment als auffallendes Unterscheidungsmerkmal gegenüber den autobiographischen Texten Speners und Franckes, 140–145. Sie konstatiert für J. E. Petersen, 145: »Pietistisches und auktoriales Selbstbewusstsein kommen hier zusammen.«
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folgen keinem vorgeprägten Muster, J. W. Petersens Lebensbeschreibung hingegen, die 1717 in erster und 1719 in zweiter Auflage erschien, lässt sich eindeutig dem Typus der Schriftsteller- und Gelehrtenautobiographik zuordnen.812 Bereits die Vorrede schlägt einen polemisch-apologetischen Ton an, indem der Verfasser eine Auseinandersetzung mit einem seiner Gegner über die Auffassung des tausendjährigen Reiches führt.813 Eine auf die Erbauung der Leser abzielende Absicht dieses Werkes wird hingegen nur kurz gestreift.814 J. W. Petersen setzt sein Buch in Beziehung zum autobiographischen Schreiben anderer Pietisten, wenn er etwa gleich zu Beginn G. Arnolds Lebenslauf erwähnt.815 Auffallend an diesem Sachverhalt ist, dass er sich nicht in gleicher Weise programmatisch auf die Autobiographie seiner Ehegattin bezieht. J. W. Petersen scheint nach der bisherigen Forschungslage erstmals im Alter einen autobiographischen Rückblick vorgelegt zu haben. In seiner Autobiographie verfolgt er seinen Lebensweg, indem er zunächst über seine Vorfahren informiert,816 um dann chronologisch die Stationen seines Erziehungs- und Bildungsweges abzuschreiten. Ausführlich berichtet er jeweils über öffentliche Auftritte und erste schriftstellerische Erfolge.817 Er greift, anders als J. E. Petersen, keine einzelnen Szenen heraus, um diese dramatisch zu gestalten, sondern 812 Diesen Anspruch unterstreicht der Autor etwa damit, dass er auf den ersten Seiten Seneca auf Latein zitiert, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 2f. G. A. Benrath, Autobiographie, 1979, 782, ordnet als pietistische Analogien die Autobiographien von Justus Breithaupt, Paul Anton und Joachim Lange dem gleichen Genus zu. G. Niggl, Geschichte, 1977, 10, stellt für J. W. Petersen die denkbar größte Entfernung »zum hallischen Bekenntnisschema« fest. Für van Schurmans Eukleria kann das gleiche Moment geltend gemacht werden, das Niggl in Bezug auf J. W. Petersen konstatiert, wenn er schreibt, dass nämlich der »rechtfertigend-didaktische Hauptzweck« im Vordergrund stehe, ebd., 10f. J. W. Petersens Text »ist ein Beispiel dafür, wie von einzelnen sektiererischen Vertretern des Pietismus schon in dessen Frühzeit die religiöse Konfession aus einer Bekehrungsgeschichte in eine Schutz- und Propagandaschrift für die eigene Person und Lehre mehr oder minder bewußt umgewandelt werden kann«, ebd., 11. W. Mahrholz, Pietismus, 1921, 118, der Auszüge aus J. W. Petersens Autobiographie abdruckt, ordnet ihn der Kategorie der »Metaphysiker« zu. 813 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, Vorrede; er wendet sich hier gegen C. G. Engelschall, mit dem er literarische Kontroversen ausgefochten hatte. Angesichts dieses die gesamte Autobiographie bestimmenden Gestus erscheint es als unverständlich, dass I. Bernheiden, Individualität, 1988, 197, schreiben kann: »Überhaupt nutzt Petersen die Lebensdarstellung nicht dazu, seine theologischen Überlegungen darzulegen oder sich etwa zu rechtfertigen«. 814 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 1: seine Freunde hätten gemeint, »es würden viele durch die Fata, die mir begegnet, dadurch GOtt preisen, und zu ihm gezogen werden«. W. Mahrholz, Selbstbekenntnisse, 1919, 155, misst dem erbaulichen Element eine zu große Bedeutung zu, wenn er davon ausgeht, dass die Darstellung der »inneren Entwicklung« bei J. W. Petersen im Vordergrund stehe. 815 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 1; ähnlich verfährt J. Lange, Lebenslauf, 1744, Vorrede, )(7v, der auf die Autobiographie seines Hallenser Kollegen J. Breithaupt verweist. 816 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 3–5. 817 In seiner Schulzeit ließ er bereits »viel Carmina« drucken, ebd., 9; in Eutin veröffentlichte er Predigten, 48.
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er reiht eine Begebenheit an die andere, ohne sie zu gewichten.818 In diese Schilderungen fügt J. W. Petersen kurze Referate über seine theologischen Ansichten, Auseinandersetzungen mit anderen Autoren sowie heftige polemische Fehden ein. Den umfangreichsten Teil seiner Darstellung nimmt die Rekonstruktion der Lüneburger Konflikte, die zu seiner Amtsenthebung führten, ein.819 J. W. Petersen gibt ausführlich Aktennotizen und Aufzeichnungen der einzelnen Verhandlungen vor dem fürstlichen Ausschuss in Celle wieder.820 Nach dem Bericht über die 1692 erfolgte Suspendierung vom kirchlichen Dienst und den Umzug von Lüneburg auf das Gebiet des Kurfürstentums Brandenburg-Preußen wird die Konzeption von J. W. Petersens Autobiographie unstrukturierter. Die chronologische Anordnung wird durch Rück- und Vorblenden unterbrochen. Zwar fasst der Autor Berichte unter eigenen Themensträngen wie Reisen,821 öffentliche Auftritte oder literarische Konflikte zusammen;822 eine Stringenz der Anordnung ist jedoch nicht mehr so deutlich zu erkennen wie im ersten Teil seines Werkes.823 Als auffallend ist weiterhin zu vermerken, dass J. W. Petersen insbesondere seine Kontakte zu hohen Standespersonen ausdrücklich hervorhebt.824 Die in diese Darstellungen eingeschobenen Überlegungen über seine theologische Entwicklung haben nicht 818 Während J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 243f, in dramatischen Szenen schildert, wie sie durch ihre Mutter das Beten lernte, beschreibt J. W. Petersen, dass seine Mutter »eine grosse Betherin« gewesen sei und ihn »alsbald bey erster Auferziehung zum Gebeth« anhielt, Lebens=Beschreibung, 1719, 4. Ähnlich wie seine Ehefrau hält er Gefährdungen in der Kindheit fest, aus denen er wunderbarerweise gerettet wurde, wie einen Sturz aus dem Fenster, ebd., 6. 819 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 124–218. 820 Ebd., 92–100, 109f, 149–152. 821 Ebd., 325f; die Aneinanderreihung erfolgt nicht immer chronologisch. So beginnt der Autor einen Bericht, 324: »Weil ich jetzo an dem erzehlen bin, wie ich dann und wann einige Reise gethan, darzu ich doch allezeit von andern Orten invitiret bin, so muß ich hiebey erzehlen, wie ich, als ich einsmahl nach Carlsbad mit meiner Liebsten fuhr, der Postillion uns den Weg nach Prag acht Meilen hingeführet«. Dann folgt die Schilderung der Gespräche mit dem Postillon. Der Erzählfaden wird fortgesetzt mit dem Bericht über eine Einladung nach Zeitz, der er und seine Ehefrau Folge leisteten, 325. 822 Ebd., 294–296: der Autobiograph schildert die Auseinandersetzungen mit Johann Fischer und mit dem Prediger Johann Friedrich Corvinus aus Hornburg bei Halberstadt. Letzterer hatte ihn und G. Arnold gemeinsam angegriffen und mit den Täufern in Münster gleichgesetzt. Mit Arnold gemeinsam reichte er, so berichtet J. W. Petersen, genauso wie gegen Fischer, Beschwerde in Berlin beim kurfürstlichen Hof ein. 823 Dem Bericht über den Umzug von Niederndodeleben nach Thymer, ebd., 327ff, folgt die Schilderung über Auseinandersetzungen wegen der Wiederbringungsidee, insbesondere mit J. G. Gichtel, 339f; dann kommen Notizen über den Kauf des Gutes Thymer, 340–343. Daran schließt sich relativ unvermittelt der Rückblick auf seine eigene theologische Entwicklung an, 343–368. Dem folgt das Verzeichnis seiner Werke. Auf den letzten Seiten äußert er sich erfreut über seine familiären Verhältnisse und erwähnt seine Ehefrau, den Sohn, die Schwiegertochter sowie die verstorbenen als auch die noch lebenden Enkel, 397ff. 824 Ebd., 82, 178, 219, 224, 236.
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den gleichen herausgehobenen Stellenwert wie in der Autobiographie J. E. Petersens. Dass J. W. Petersen sich mit seinem autobiographischen Text als Gelehrter der Öffentlichkeit präsentieren wollte, wird dadurch nachdrücklich unterstrichen, dass er beiden Auflagen seiner Lebens=Beschreibung ein ausführliches Verzeichnis seiner Werke beifügte.825 Während J. E. Petersen in beiden Fassungen ihrer Lebensbeschreibung von sich das Bild einer weitgehend autonomen Persönlichkeit zeichnet, die sich nur an der göttlichen Autorität bzw. der Schrift orientiert, ist in der Autobiographie J. W. Petersens eine umfangreiche Beziehungsstruktur zu erkennen, in die er sich eingebunden sah.826 Menschen, denen er sich freundschaftlich verbunden fühlte, werden mit Dankbarkeit erwähnt;827 auf zerbrochene Freundschaften geht er an mehreren Stellen ein.828 In negativer Entsprechung dazu steht die Abgrenzung gegen seine Gegner; gerade weil J. W. Petersen an vielen Stellen diese Konflikte nachzeichnet, lässt sich vermuten, dass ihm viel gelegen war an der Anerkennung durch Verwandte, Freunde und Kollegen.829 J. W. Petersen stellt sich dar als einen Gelehrten, der in einen Kosmos eingebunden ist, der letztlich um seine eigene Person kreist. Politische Ereignisse wie die Krönung des brandenburgisch-preußischen Kurfürsten kommen in seinen Erinnerungen nicht vor, sondern nur die öffentlichen Ereignisse, bei denen er eine direkte Rolle spielte.830
4.4.4 Rezeption Die Reaktionen auf die Autobiographien des Ehepaares Petersen fielen sehr unterschiedlich aus. Die anders gearteten Charaktere der beiden Schriftstellerpersönlichkeiten und deren jeweilige öffentliche Wahrnehmung wurden noch einmal deutlich akzentuiert.831 Wie kaum anders zu erwarten, riefen J. W. 825 Ebd., 397–402. 826 Seine Ehefrau wird an vielen Stellen erwähnt, vornehmlich als »meine Liebste« oder »meine Johanna«, ebd., 54, 60, 68, 70, 144, 154, 165, 237, 360. W. Mahrholz, Selbstbekenntnisse, 1919, 157, betont als hervorstechendes Merkmal von J. W. Petersens Autobiographie die »verinnerlichte Auffassung der Liebesbeziehung«. 827 J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 178, 219, 236, 322, 325, 339. 828 Ebd., 334f, 327; aus seiner Sicht waren es jeweils die anderen, die die Freundschaft aufkündigten, er stellte sich selber immer als schuldlos und unbeteiligt hin. 829 Ein Konflikt mit seinem Bruder Heinrich über Erbschaftsangelegenheiten nimmt breiten Raum ein, ebd., 342ff. 830 Als Kurfürst Friedrich III. Magdeburg einen Besuch abstattete, ließ ihm J. W. Petersen durch Eberhard von Danckelmann ein Huldigungsgedicht überreichen, ebd., 280. 831 Unmittelbar nach der ersten Auflage von J. W. Petersens Autobiographie von 1717 erschien eine Gegendarstellung des Niederndodelebener Pastors B. Blümler, Kurtzgefassete Ablehnung, 1718, die sich gegen die verzerrte Darstellung seiner Person wehrte. Darauf antwortete J. W. Petersen umgehend: Kurtze Abfertigung, o. J.
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Petersens Darstellungen wegen der in ihnen enthaltenen Polemik und wegen seiner Art der Selbststilisierung heftige Einwendungen und massiven Protest hervor.832 Die Unschuldigen Nachrichten hoben neben einzelnen aus ihrer Sicht zu korrigierenden Interpretationen und Darstellungen von Ereignissen vor allem auf die unerträglich wirkende Selbstsucht des Verfassers ab.833 J. E. Petersens Leben hingegen erfuhr eine freundlichere Aufnahme. Ihr Lebenslauf sei »in vielen Stücken der Lebens=Beschreibung ihres Ehemannes gleich, doch weit gesetzter, und so zu sagen, männlicher geschrieben, als jene.«834 Als Johann Herdegen 1744 über die Aufnahme der beiden Petersen in den Pegnesischen Blumenorden berichtete, hob er aus den Werken beider die Lebensbeschreibungen hervor, ohne dabei eine kritische Einschätzung zu äußern.835 Vielmehr unterstreicht diese Notiz, dass diese Texte weit über den Kreis des Pietismus hinaus bekannt blieben. Zu Beginn des 19. Jh. wurde J. E. Petersens Autobiographie von Johann Arnold Kanne (1773–1824) in eine seiner Sammelbiographien aufgenommen.836 Kanne, der der Erweckungsbewegung zugerechnet werden kann, sah seine Sammler- und Herausgebertätigkeit als Versuch an, den Glauben seiner Zeitgenossen durch den Blick auf Vorbilder zu stärken. In ganz anderem Zusammenhang dagegen steht der etwa zeitgleiche Rekurs von Franz Horn auf die autobiographischen Schriften des Ehepaares Petersen.837 Im Frauentaschenbuch, das von de la Motte Fouqué begründet worden war, referierte er den 832 Der von 1697 bis 1719 geführte Briefwechsel zwischen Carl Hildebrand von Canstein und A. H. Francke kam nur im Jahr 1718 ausführlich auf den einstigen Weggefährten und Freund Franckes zu sprechen. In seiner Lebens=Beschreibung, 1719, 301, hatte J. W. Petersen nämlich Spener eine Zustimmung zur Apokatastasis unterschoben. Aus den Briefen von Cansteins geht hervor, dass Francke und er sich in der Empörung über diese Deutung der letzten Worte Speners einig waren, C. H. von Canstein, Briefwechsel, 1972, 838–840. Canstein erwog eine Gegendarstellung. Seine Gesamteinschätzung der Autobiographie J. W. Petersens lautete: »Sonst zeiget der arme mann in dem ganzen Scripto die große schweche seine judicii, und wie daßelbige verursachet wird durch die erhebung seines gemüthes und daß man einmahl will was besonders seyn«, ebd., 840; vgl. 850f, 320. C. G. Engelschall, Posaunender Engel, 1720, 11, sprach von dem »bedencklichen« Lebenslauf und verwies auf die gleichfalls negative Einschätzung Erdmann Neumeisters. 833 Unschuldige Nachrichten 1718, 673–678; sie empfahlen, eine Neuauflage mit folgendem Bibelwort zu versehen: »Laß dich einen anden loben/ und nicht deinen Mund, einen Frembden/ und nicht deine eigne Lippen«, Spr. 27,2. 834 Ganz ähnlich lautete das Urteil von J. G. Walch, Einleitung 2, 1733, 590: »Die Einrichtung dieser Lebens=Beschreibung sieht zwar gar lebhafft, und fast noch männlicher aus, als diejenige, die ihr Ehe=Herr aufgesetzet, gleichwol wird auch fast alles zu ihrem eigenen Lobe ausgedrückt«. 835 J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 595, 598. 836 J. A. Kanne, Leben 1, 1816, 184–209. Zu Kannes Herausgebertätigkeit s. M. Hirzel, Lebensgeschichte, 1998, 153–201. In zwei umfangreichen Bänden, die postum noch Nachdrucke erlebten, veröffentlichte Kanne pietistische Biographien und Autobiographien, die aus der Frühzeit des Pietismus bis in die beginnende Erweckungsperiode reichten, Leben 1–2, 1816/17. 837 F. Horn, Erinnerung, 1820, 67–108.
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Inhalt beider Werke, die er als »die alten ehrlichen Bücher vom Jahre 1717 und 18« klassifizierte.838 Horn ließ seine Aufmerksamkeit beiden in gleicher Weise zuteil werden; im Vergleich urteilte er, dass J. E. Petersen als Persönlichkeit »noch höher, klarer und gesicherter und eben deshalb bescheidener dastand, als er«.839 Gegen Ende dieses Jh. erschien ein Bericht über das Leben J. E. Petersens, der sich auf ihre Autobiographie stützt. Der Redaktor und Herausgeber dieses Textes, Christian Friedrich Spittler (1782–1867), kann als wichtiges Bindeglied zwischen dem älteren Pietismus und der beginnenden Erweckungsbewegung gelten.840 Außer den Autobiographien der beiden Petersen verfügte Spittler anscheinend kaum über weitere Informationen über dieses Ehepaar. Er hält sich relativ eng an die Chronologie der Autobiographie und gibt deren Inhalt mit seinen eigenen Deutungen wieder. Die »begabte und begnadigte Jüngerin des HErrn«, die der Erzähler auch als »unsere Eleonora« porträtiert, wird den Lesern und Leserinnen nahegebracht.841 Der Konflikt am herzoglichen Hof in Wiesenburg um die weitere Teilnahme am höfischen Lebensstil wird bei Spittler in Dialogen lebendig. Die Herzogin wendet sich an ihre Hofjungfer: »Liebe Eleonora, erwiederte die Herzogin, schlagen Sie sich doch diese melancholischen Grillen aus dem Sinn.«842 Die Ehe mit J. W. Petersen kam zustande, weil dieser sich angezogen fühlte »von deren Frömmigkeit und anspruchslosem Wesen«.843 In seiner Kommentierung stellt Spittler den Gegensatz zwischen frühem Pietismus und Orthodoxie heraus und sieht J. E. und J. W. Petersen als Verfolgte, die aus der Kirche herausgetrieben wurden.844
838 Ebd., 68. Entsprechend der Ausrichtung an ein weibliches Lesepublikum hob Horn hervor, dass es ihm darum gehe, den Frauen von J. E. Petersen zu erzählen. 839 Ebd., 103. Bei dieser Einschätzung ist das Frauenideal des 19. Jh. zu berücksichtigen, das Publikationen wie das Frauentaschenbuch beeinflussen und formen wollten. 840 Spittler war als Sekretär der Deutschen Christentumsgesellschaft in Basel tätig und er trug wesentlich bei zur Entstehung der Pilgermission mit ihrem Zentrum in St. Chrischona, s. H. Weigelt, Diasporaarbeit, 2000, 125–140; A. Carmel, Spittler, 1981; A. Lindt, Spittler, 1981. 841 C. F. Spittler, Petersen, 1869, 3, 5. 842 Ebd., 12. 843 Ebd., 16. 844 Ebd., 24: »Wir können von diesem edeln Paare nicht scheiden, ohne unsere Freude darüber auszusprechen, daß die vielgepriesene Zeit der alten protestantischen Orthodoxie weit hinter uns liegt, dieser Orthodoxie, die herzlos und grausam zugleich war und in ihrem theologischen Splitterrichten die edelsten Kräfte aus der Kirche stieß und darüber die Balken im eigenen Leben übersah.«
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5. Eine umstrittene Zuschreibung In einigen der oben erwähnten Bibliographien taucht völlig kommentarlos eine Übersetzung von Komödien Molières unter den Werken J. E. Petersens auf.845 Die Stücke des bedeutendsten französischen Lustspieldichters Jean-Baptiste Molière (1622–1673) greifen Aspekte des Alltagslebens wie Betrug in der Ehe, Hypochondrie von Kranken oder gesellschaftliche Themen wie das veränderte öffentliche Auftreten von Frauen in der städtischen bürgerlichen Gesellschaft auf, um sowohl die einzelnen Personen als auch ganze Gruppen in ihrem Habitus zu persiflieren. Auch wenn den Komödien ein gewisser moralisierender Impetus nicht abzusprechen ist, so zielten sie doch vordergründig auf die Unterhaltung und Belustigung des Publikums.846 Deren Lektüre avancierte relativ schnell zum Standardpensum gelehrter Bildung.847 Max Spirgatis war m. W. der Erste, der J. E. Petersen für die Übersetzerin der Komödien Molières hielt, die 1694 zum ersten Mal in deutscher Sprache erschienen.848 Alle drei Bände der Nürnberger Ausgabe geben auf dem Titelblatt an, dass die Übersetzung von »J. E. P.« erstellt worden sei.849 Der Nürnberger Buchdrucker und -händler Johann Daniel Tauber (1665– 1716)850 teilte in seiner Vorrede keine Informationen über die Person des Übersetzers mit, sondern gab lediglich an, dass ihm die verdeutschten Komödien in die »Hände gerathen« seien.851 Als erstaunlich kann in der Tat gelten, dass derselbe Verleger bereits ein Jahr später eine völlig neue Über845 Vgl. J. M. Woods/M. Fürstenwald, Schriftstellerinnen, 1984, 90; M. Matthias, Werkverzeichnis, 1988, 78f; R. Müller, J. E. Petersen, 1988, 1111; B. Becker-Cantarino, Pietismus und Autobiographie, 1992, 933. 846 Während die Komödien vor allem darauf abzielten, bestimmte Verhaltensweisen der Lächerlichkeit preiszugeben, lässt sich zumindest für einen Teil der in Deutschland gespielten Opern feststellen, dass diese die Moralpredigt der Kirche keineswegs untergraben wollten, sondern diese eher mit ihren Mitteln unterstützten. S. Colvin, Social Order, 1997, die frühe deutsche Opern vom Ende des 17. und Beginn des 18. Jh. auf die Wiederspiegelung der gesellschaftlichen Ordnung auf der Bühne hin untersuchte, kommt zu dem Ergebnis, dass christliche Inhalte eine dominante Rolle spielten und dass Frauen darin bestärkt wurden, in der Ehe den Männern zu dienen. Ebd., 694: »A stable society demands that all its members are subject to and defend Christian authority; steadfastness and obedience are therefore required of both sexes. The patriarchal structure further requires that women should voluntarily subjugate themselves to men. Both the text and the music of these operas support such an ideal of social order.« 847 So las Zinzendorf während seines Studiums die Komödien Molières auf Französisch, Tagebuch, 1910, 61. 848 M. Spirgatis, Molièreübersetzungen, 1896. 849 Comödien des Herrn von Molière, 1–3, 1694. 850 Vgl. D. L. Paisey, Buchdrucker, 1988, 261. L. Sporhan-Krempel, Buchdruck, 1980, 34, geht nur sehr kurz auf Tauber ein und unterstreicht lediglich die Notwendigkeit, die anonymen Molière-Übersetzungen einer näheren Analyse zu unterziehen. 851 Comödien des Herrn von Molière 1, 1694, Vorrede )()(3r. Bei Tauber erschien im selben Jahr eine dreibändige französische Ausgabe der Komödien, Les Comedies, 1694.
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setzung herausbrachte,852 die damit erklärt wurde, dass das Vorgängerwerk von 1694 wegen gravierender Mängel auf herbe Kritik gestoßen sei. Der Sinn der französischen Vorlage sei »hundertfältig« falsch wiedergegeben worden.853 Das auf dem Druck von 1694 verwendete Kürzel JEP könnte auf J. E. Petersen hindeuten, da sie selber in Briefen diese Form der Abkürzung benutzte.854 Ihre gedruckten Publikationen hingegen enthielten entweder ihren vollen Namen, immer unter Hinzufügung ihres adligen Geburtsnamens, oder sie erschienen ganz anonym. Die bisher nachweisbaren Kontakte J. E. Petersens nach Nürnberg belegen keine Zusammenarbeit mit Verlagen oder Buchdruckern dieser Stadt. Neben diesen formalen Gründen sprechen vor allem inhaltliche gegen eine Identifizierung J. E. Petersens als erste deutsche Übersetzerin der Komödien Molières. Alle verfügbaren Zeugnisse über ihre Person zeichnen das Bild einer Frau, die mit großer Strenge und Ernsthaftigkeit ihr Leben als Christin verwirklichen wollte. Wie an vielen Stellen ihres Werkes deutlich wird, war sie bereit, Unannehmlichkeiten und Missverständnisse, die sie als Leiden und Verfolgung interpretierte, als Konsequenz dieser Lebensauffassung auf sich zu nehmen. Lektüre von Komödien oder Besuche von Theatern passen in keiner Weise zu dem von ihr formulierten Ideal asketisch gefärbter pietistischer Frömmigkeit und sind auch nirgends bezeugt. Noch viel weniger lässt sich eine Mitarbeit an der Verbreitung von Komödien mit dieser Ausrichtung vereinbaren, es sei denn, dass man von einer völligen Unausgewogenheit zwischen dem beschriebenen Ideal und der eigenen gelebten Realität ausginge. J. W. Petersen hatte sich in Lüneburg vehement gegen Komödienvorstellungen ausgesprochen und deswegen sogar einen Konflikt mit dem Rat der Stadt hervorgerufen.855 Die gesamte pietistische Bewegung zeichnete sich durch ethische Strenge aus, nach der Besuche von Opern und Theatern, dörfliche Festlichkeiten mit viel Alkoholgenuss und Tanzveranstaltungen aller Art abgelehnt wurden.856 Während in der Tradition der lutherischen Orthodoxie solche Vergnügungen als Adiaphora betrachtet wurden, entfaltete der Pietismus gerade an diesem Punkt sein Drängen auf eine Gestaltung aller Lebensbereiche nach christlichen 852 J.-B. Molière, Histrio Gallicus 1–3, 1695. 853 Ebd., Vorrede )(1r. 854 Hamburg SUB Sup.ep. 4° 52, 379v; Halle AFSt A 140, 36f. 855 Den Brand des Opernhauses in Kopenhagen nahm er zum Anlass, in Lüneburg ein Verbot aller Aufführungen zu fordern. Als seine Beschwerden beim Bürgermeister keine Wirkung zeitigten, »trat ich auf die Cantzel, und bestraffte solches öffentlich«, J. W. Petersen, Lebens=Beschreibung, 1719, 130f; vgl. auch M. Matthias, Petersen, 1993, 217–222. 856 Zur Ablehnung von Theater, Tanz und Komödien insbesondere im Halleschen Pietismus s. W. Martens, Literatur, 1989, 24–49, 94f, 105, 119f. H. Thomke, Kritik am Theaterspiel, 2002, untersucht ähnliche Reaktionen bei Pietisten, Jansenisten und Quietisten; zur Kritik der Jansenisten an Molière, ebd., 169.
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Gesichtspunkten besonders scharf.857 Heftige literarische Kontroversen über diese Thematik gehören zur pietistischen Diskurs-Kultur.858 An mehreren Orten, insbesondere in Hamburg,859 kam es wegen der Eröffnung der Oper zu teilweise sehr scharfen Auseinandersetzungen.860 Noch gegen Ende des 18. Jh. bildeten die Komödien Molières Zündstoff zu Auseinandersetzungen in Hamburg.861 Neben der Unvereinbarkeit des von J. E. Petersen angestrebten und auch verwirklichten strengen Lebensmodells mit der Verbreitung von Komödien, die hauptsächlich dem Vergnügen und der Zerstreuung dienten, spricht als weiteres Indiz gegen diese Zuschreibung, dass Zeitgenossen diesen Aspekt ihrer schriftstellerischen Tätigkeit mit keiner Silbe erwähnten. Gerade in der Mitte der 1690er Jahre standen sie und ihr Ehemann im Zentrum der theologischen Dispute, die innerhalb und außerhalb der pietistischen Bewegung geführt wurden. Die gegnerischen Beobachter des Pietismus, die die pietistischen Buchveröffentlichungen akribisch verfolgten, hätten in einer MolièreÜbersetzung dieser Pietistin ein schlagkräftiges Argument für die Unglaubwürdigkeit der gesamten Bewegung gefunden. Bei ihrer Aufnahme in den Nürnberger Blumenorden wurde ihr Verdienst als Übersetzerin nicht als Begründung genannt; genauso wenig erwähnten die gelehrten Lexika dieses Faktum. Die Möglichkeit, dass J. E. Petersen die französische Sprache beherrschte, 857 Vgl. A. Gestrich, Pietistisches Weltverständnis, 2004, 558–565; C. Bunners, Musik, 2004, 440–442. Zu Franckes Einschätzung der Adiaphora s. H. Stahl, Francke, 1939, 298–309. 858 J. G. Walch, Einleitung, 1, 1733, 767f. In einem eigens zu diesem Thema erstellten Traktat gab A. H. Francke seiner Ablehnung des Tanzens deutlichen Ausdruck, Tanzen, 1697. Die Absetzung des pietistisch gesonnenen kursächsischen Pastors Justinus Töllner erfolgte u. a. deswegen, weil er ein örtliches Pfingstfest mit »Pfingstbier« rigoros ablehnte, s. J. Töllner, Unrechtmäßige Absetzung, 1697; s. hierzu auch J. G. Walch, Einleitung 3.1, 1733, 116–126; J. Bulisch, Weggang, 1997/98. Vgl. ferner U. Gleixner, Pfingst- und Hütebiere, 1995. Spener reichte 1703 in Berlin eine Bittschrift an den Hof ein um Schauspiele zu unterbinden, hatte allerdings damit keinen Erfolg, s. K. Gaede, Einflüsse des Pietismus, 1987, 74f. 859 Zur positiven Verbindung von Kirche und Oper in dieser Stadt s. J. Kremer, Gerstenbüttel, 1997. 860 In Hamburg erreichte der öffentliche Streit wegen der 1678 errichteten Oper in den Jahren um 1686/87 seinen Höhepunkt. Die pietistische Fraktion der Pastoren konnte sich nicht gegen einflussreiche Teile der Bevölkerung und des Stadtrates durchsetzen, s. A. Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 174f; G. Daur, Prediger, 1970, 115f; M. Brecht, Spener, 1993, 344–346. Der Pastor an St. Jacobi, Anton Reiser, veröffentlichte im Zuge dieser Kontroversen einen Traktat, in dem er die Stellungnahmen der Kirchenväter dokumentierte, die jede Form von Berührung mit dem antik-heidnischen Theaterwesen als mit einem christlichen Lebensstil für unvereinbar erklärt hatten, Theatromania, 1681. Zum Hamburger Konflikt s. auch W. G. Marigold, Opernkriege, 1987. 861 Der Hamburger Senior Johann Melchior Goeze (1710–1786) bezog 1770 in einem erneut aufgeflammten Streit um die theologische Bewertung von Opern und Komödien Stellung, wobei er diese Vergnügungen ablehnte. In diesem Zusammenhang äußerte er sich auch über Molière: diesen »hielt er zwar für kunstreich, aber nicht für moralisch; er gehöre zu den verdammlichsten Lehrern des Lasters«, G. Daur, Prediger, 1979, 135.
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lässt sich weder völlig ausschließen noch direkt nachweisen. Ob ihre Kontakte zu P. Poiret und A. Bourignon auf entsprechende Sprachkenntnisse hindeuten, muss als ungeklärt gelten.862 Das Französische war relativ weit verbreitet.863 Auch wenn die Erläuterung von Curt von Faber du Faur, dass J. E. Petersen mit dieser Arbeit ihre Familie in der materiellen Notlage nach der Suspendierung ihres Ehegatten habe unterstützen wollen,864 einen historisch denkbaren »Sitz im Leben« anbietet, halte ich es aus den genannten Gründen nicht für plausibel, J. E. Petersen als die erste deutsche Übersetzerin der Komödien Molières anzusehen.865 DastheologischeProfilJohannaEleono raPetersens
6. Das theologische Profil Johanna Eleonora Petersens Die Person und das Werk Johanna Eleonora Petersens sind zutiefst verwurzelt im frühen Pietismus und haben gleichzeitig in dieser Kirchenreformbewegung ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Mit vielen der Männer und Frauen, die die pietistische Bewegung in ihrer Frühzeit entscheidend prägten, war sie freundschaftlich verbunden; sie wurde von ihnen beeinflusst und entwickelte in diesem Kontaktnetz ihre eigenen Charakteristika. Die theologische Schriftstellerin Johanna Eleonora Petersen suchte nach allem, was wir von ihr wissen, zeitlebens den Austausch und das Gespräch und verfolgte dennoch ihren ganz eigenen Weg. Sie suchte Anregungen in Freundschaften und Korrespondenzen, die Einfluss auf die Ausgestaltung ihres Werkes gewannen, ohne dass sie dabei ihre Ziele aus den Augen verlor. In der Anfangszeit ihrer pietistischen Karriere im sächsischen Wiesenburg gehörten die Prinzessin Sophie Elisabeth von Holstein-Sonderburg, Gräfin Benigna von Solms-Laubach sowie Johann Winckler zu ihren Begleitern und Austauschpartnern. In den Frankfurter Jahren spannte sich das Kontakt- und Freundschaftsnetz weit aus; neben dem unmittelbaren Freundeskreis der Weggefährten vor Ort gehörten dazu die ausgedehnten brieflichen und persönlichen Begegnungen mit Männern und Frauen weit über den Rahmen des frühen deutschen lutherischen Pietismus hinaus. Das Zusammenleben mit ihrem Ehemann Johann Wilhelm Petersen 862 Vgl. die Ausführungen hierzu in Kap. II. 3. 863 Am Hof des brandenburgisch-preußischen Kurfürsten und späteren Königs Friedrichs I. wurde französisch gesprochen, s. L. u. M. Frey, Friedrich I., 1984, 61. Auch der niedere Adel richtete sich an französischen Vorbildern des höfischen Lebens aus; zur Bedeutung dieser Sprache im frühen 18. Jh. s. B. Spillner, Grammatik, 1985. Zinzendorf betrieb als Student französische Sprachstudien, wie sein Tagebuch vom Herbst 1716 aufweist, Tagebuch, 1908, 96, 99, 101, 106, 109. 864 C. von Faber du Faur, German Baroque Literature 1, 1958, 461. 865 Bei einem Festhalten an der These, dass J. E. Petersen als Übersetzerin der Komödien Molières gelten könne, wäre als mögliche Hypothese zu überprüfen, ob eine absichtliche Verfälschung des französischen Textes vorgenommen wurde, um etwaige Spitzen zu brechen.
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kann in seiner Bedeutung für die Entwicklung ihrer theologischen Vorstellungen nicht hoch genug eingeschätzt werden; gleichwohl blieben beide Ehepartner selbstständige Schriftstellerpersönlichkeiten mit eigenen Konturen. Bei aller Ähnlichkeit der gedanklichen Systeme sind bei beiden die unterschiedlichen Prägungen zeitlebens zu erkennen; weder wurde sie seine, noch er ihr Mitarbeiter. Im Austausch miteinander entwickelten sie gemeinsam ihre Ideen und gaben diesen jeweils ihren unverwechselbaren Ausdruck. Bei allen Veränderungen, die im theologischen Denken J. E. Petersens im Blick auf ihr Gesamtwerk zu konstatieren sind, gibt es ein grundlegendes Merkmal, das all ihre Veröffentlichungen von der ersten bis zur letzten kennzeichnet: Diese theologische Schriftstellerin verstand ihr Arbeiten und Schreiben als Auslegung der Bibel. Die intensive Beschäftigung mit dem biblischen Text gehört zu den Kennzeichen des Pietismus. Im Rückblick sieht sie die Hinwendung zur Heiligen Schrift als Hauptinhalt ihrer Bekehrung in Wiesenburg. Sie spricht in einem Brief gegenüber der Herzogin von Sachsen-Zeitz von dem Eifer, mit dem sie beide damals begannen, »die schrifft zu lesen«.866 Diese Schriftlektüre zielte darauf ab, »in den wegen unsers gottes zu lauffen.«867 In diesen Formulierungen klingen die beiden Pole an, die die ersten schriftstellerischen Arbeiten J. E. Petersens bestimmen; es geht um die Ausleuchtung der Spannung zwischen Gottes Wort und eigener Erfahrung. Der Text der Bibel wird nach diesem hermeneutischen Verständnis erst durch den Bezug zur eigenen Person wirklich erschlossen. Lektüre und die Umsetzung des Gelesenen in die konkrete Lebenspraxis gehören unabdingbar zusammen; ohne nachweisbare Spuren im gelebten Leben verfehlt jegliche Beschäftigung mit der Bibel nach dieser Auffassung ihren Sinn. Die eigenen Erfahrungen werden zu einer Art von hermeneutischem Schlüssel, um die Heilige Schrift adäquat verstehen zu können. Dem Stichwort Erfahrung kommt eine große Bedeutung im schriftlichen Werk J. E. Petersens zu. Obzwar diese Prämisse den gesamten Pietismus kennzeichnet, sticht bei ihr die Emphase hervor, mit der sie die Notwendigkeit der eigenen Erfahrungen hervorhebt. Der Glaube muss erfahren werden, das Wort Gottes darf nicht nur gehört, es muss auch in die Praxis umgesetzt werden. In einem engen Zusammenhang mit diesem hermeneutischen Ansatz steht die Betonung des Exempels. Ihre christologischen Überlegungen entfaltet J. E. Petersen in ihrer frühen schriftstellerischen Phase vornehmlich unter dem Topos der Nachfolge; es geht darum, dem Exempel Christi nachzueifern und möglichst Christi Erfahrungen am eigenen Leib und Leben nachzuvollziehen. Sich selber sieht die Autorin in der Nachahmung dieses Vorbildes. Sie stilisiert sich, vornehmlich in ihren autobiographischen Darstellungen, als Exempel, an dem andere sich orientierten. 866 M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 87, ep. 7. 867 Ebd., 87.
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Ihre frühen Publikationen verortet J. E. Petersen nicht in erster Linie im gelehrten theologischen Diskurs, sondern sie beansprucht vielmehr, bei ihren Lesern Veränderungen der Ansichten und der Lebensführung zu bewirken. Auf der einen Seite postuliert sie eine scheinbare Simplizität und Verständlichkeit, auf der anderen Seite vertritt sie gezielt umstrittene theologische Positionen, denen komplexe Diskussionen zugrunde liegen. Diese pietistische Autorin entwickelt eine eigene Mischung von Intellektualität und Erfahrungsbezogenheit und entzieht sich dadurch einer eindeutigen Zuordnung. Weder lässt sie sich nur einordnen in die traditionelle geistliche Erbauungs-Literatur noch in die Tradition gelehrter akademischer Dispute. Indem sie so nachdrücklich von ihren eigenen Erfahrungen spricht, zielt sie darauf ab, bei anderen ähnliche Prozesse auszulösen. Dabei geht es nicht so sehr um einzelne spektakuläre Erlebnisse wie radikale Lebenswenden oder Bekehrungen, sondern vielmehr um die kontinuierliche Einbeziehung des praktischen Lebensvollzuges aller Glaubensinhalte. Ihren eigenen Umkehr- und Bekehrungsprozess beschreibt sie mit der Formulierung, dass sie sich darum bemühte, eine »Thäterin« des Wortes Gottes zu werden.868 Die Begriffe Wort und Tat bilden etwas wie ein feststehendes duales Motto im Wortschatz und Gedankenkonstrukt dieser Autorin. Sie spricht etwa davon, dass es darum gehe, das Wort Gottes »werckstellig zu machen«.869 Im Vorwort ihres ersten Buches beschreibt sie ihren Ansatz mit folgenden Worten: »Ich habe . . . solche Gebete und Seufftzer gemachet/ wie ich solche in meiner Praxi erfahren; habe also die Erklärung nicht aus anderen Büchern/ sondern aus meinem Hertzen schreiben und verkündigen wollen/ was der HERR an meiner Seelen gethan/ und wie Er mich geführet hat . . . daß dieses kleine Wercklein nicht bloß Wort/ sondern aus Erfahrung geschrieben sind/ wie man denn billich nichts schreiben oder reden solte/ man habe denn eine Gewissheit vor Gott/ und Erfahrung in seinem Hertzen.«870 Nach Auffassung J. E. Petersens gelten allerdings nicht jedwede Vorkommnisse des Alltags als qualifizierte Erfahrungen, die das Wort der Bibel aufschliessen. Den Maßstab für das, was sie meint, bildet das Vorbild Christi. So betont sie, dass sie wie Christus unter Ablehnung und Verkennung zu leiden hatte.871 Bei der Nachfolge des Vorbildes Christi erleben und erleiden die Nachfolgenden Ähnliches wie dieser. Ihre Erfahrung von Ablehnung und Missverständnissen interpretiert J. E. Petersen als Schritte in der Leidens-Nachfolge: »denn ich weiß/ daß ichs umb seiner heil. Nachfolge willen leyde/ weil ich zuvor gerühmet worden/ als ich nur eine Hörer=und noch keine Thäterin war/ da ich nun gelästert werde von der Stund an/ als ich von Hertzen be868 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 236. 869 Ebd., 236. 870 J. E. Petersen, Gespräche des Hertzens, 1689, Vorrede an den Leser. Ganz ähnliche Gedanken finden sich bei C. Hoburg in seiner Theologia Mystica, 1700, Vorrede )()(7r. 871 J. E. Petersen, Eine kurtze Erzehlung, 1689, 235.
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Das theologische Werk Johanna Eleonora Petersens
gehrete zu thun/ was vor dem Herrn wohlgefällig ist/ so kann ich mich ja billich freuen.«872 Diejenigen, die sich ernsthaft um diese Nachfolge bemühen, werden dann fast automatisch zu Vorbildern für andere. Während diese polare Zusammengehörigkeit von Bibellektüre und Reflexion der eigenen Erfahrungen das Frühwerk J. E. Petersens bestimmte, tritt in ihren späteren Werken ein anderes Element an die Stelle der unmittelbaren Erfahrungsebene. Obwohl diese pietistische Schriftstellerin im Vergleich zu anderen Pietistinnen und Pietisten nicht vornehmlich als Visionärin gelten kann, die mit neuen Offenbarungen an die Öffentlichkeit trat, so räumt sie selber ihren Träumen und visionären Erlebnissen einen entscheidenden Stellenwert für ihre theologische Entwicklung ein. Gemessen am Gesamtumfang ihres theologischen Oeuvres spielt die Beschreibung und Deutung von Träumen und Visionen nur eine geringe Rolle, in den meisten ihrer Texte ist davon überhaupt nicht die Rede. Die wichtigsten Aussagen zu ihrem Verständnis von visionären Elementen finden sich in ihrer Autobiographie. Hier gibt sie einige ihrer Träume wieder, die jedoch keine spektakulären Glaubenswahrheiten enthalten.873 Es handelt sich vielmehr um Bilder und Symbole, die sie selber mit Hilfe der Lektüre biblischer Texte deutet. Im Zusammenhang mit der Aneignung der Wiederbringungs-Idee geht J. E. Petersen auf den Unterschied ein, den sie zwischen sich und Jane Leade sieht. Das Werk der englischen Mystikerin besteht zum großen Teil aus der Beschreibung ihrer Visionen, die sie als unmittelbare Mitteilungen Gottes versteht. Die deutsche Pietistin charakterisiert ihr Vorgehen zur Gewinnung theologischer Erkenntnisse als Kombination aus Schriftlektüre und Vision, wobei dem Text der Heiligen Schrift nach ihrer Darstellung die höchste Autorität zukommt. Sie spricht sich dabei deutlich dagegen aus, visionäre Erlebnisse als alleinige Basis des theologischen Arbeitens zu betrachten. Sie beschreibt in ihrer Autobiographie ihre Reaktion auf ein Manuskript Leades folgendermaßen: »Als ich aber in mein Bet=Stübchen gieng, und zuvor zu meinen GOTT seuffzen wolte, mir Gnade und Krafft zu verleihen, daß ichs also vorstellen möchte, damit diejenige Person mir keine Erhebung über ihre Gaben zuschreiben, sondern daraus erkennen lernen möchte, daß man die Heil. Schrifft denen Visionen vorziehen, und alles genau nach dieser göttlichen Regel prüfen müste. Wie ich denn auch meine Gesichter im Traum nicht zum Grunde der göttlichen Wahrheit setze, ob ich gleich sie für wahre Anleitung halte, wodurch mich GOTT der HERR zur Untersuchung in der Heil. Schrifft hat leiten wollen. . . . Da habe ich nachmahls, als mir diese Wahrheit so gründlich aufgegangen, geantwortet, und aus Heil. Schrifft bewiesen, was jene Person in der Vision gesehen und gehöret«.874 872 Ebd., 292, vgl. 238, 276. 873 J. E. Petersen, Leben, 1718, 35–48. 874 Ebd., 41, 43.
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Dieses hier artikulierte Verständnis J. E. Petersens entspricht durchaus dem Gesamteindruck, den ihr literarisches Werk hinterlässt: Sie legte den Text der Bibel als Wort Gottes aus und bediente sich dazu unterschiedlicher Hilfsmittel wie der Sprachkenntnisse, der Erfahrungsebene oder visionärer Elemente. Im Vordergrund all ihrer Texte steht der Anspruch, Schriften des Alten und Neuen Testamentes für ihre Zeit zu deuten. Ulrich Gäbler weist im Zusammenhang seiner Überlegungen zur Eschatologie des Ehepaares Petersen auf die Gegensätzlichkeit hin, die sich bei beiden feststellen lässt. Die von ihm anhand der eschatologischen Entwürfe gemachte Beobachtung kann gut auf das Bibelverständnis und hermeneutische Vorgehen J. E. Petersens übertragen werden: »Auf der einen Seite gehört zur unabdingbaren Voraussetzung der Eschatologie der Petersens die Autorität der Heiligen Schrift bis in die detailliertesten Aussagen hinein. Auf der anderen Seite steht dieser aus dem Schriftprinzip der Orthodoxie gewonnenen Bedingung ihres Werkes in der Ausführung die enthusiastische Freiheit von aller Autorität gegenüber.«875 Die theologische Schriftstellerin J. E. Petersen legt nach ihrem Verständnis in ihren veröffentlichten Werken den Text der Bibel aus, allerdings unter Heranziehung von Deutungselementen, die sich keineswegs unmittelbar aus den Versen des Alten und Neuen Testamentes ergeben. Die Spannung zwischen dem Bemühen, die Worte der Heiligen Schrift als göttliche Mitteilungen zu verstehen, und diese mit Denkansätzen zu kombinieren, die sie aus zeitgenössischen Problemzusammenhängen bezog, kennzeichnen den Ansatz ihres theologischen Arbeitens. Denkmodelle wie Chiliasmus, Apokatastasis oder die Christologie des himmlischen Gott-Menschen ergeben sich nicht aus der schlichten Lektüre der Bibel; J. E. Petersen jedoch versuchte zeitlebens, eine Brücke zu schlagen zwischen der Textquelle, der sie sich zutiefst verpflichtet fühlte und die nicht durch neue Offenbarungen außer Kraft gesetzt wurde, und den theologischen Konstrukten, die sie für unabdingbar hielt, um den Herausforderungen ihrer Zeit zu begegnen.
875 U. Gäbler, Geschichte, 2004, 29.
Quellen-undLiteraturverzeichnis WerkverzeichnisJohannaEleono raPetersen
Quellen- und Literaturverzeichnis Die hier verwendeten Abkürzungen richten sich nach: Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, zusammengestellt von Siegfried M. Schwertner, Berlin/New York 2 1994. Hilfsmittel ABD = Allgemeine deutsche Biographie, hg. von der historischen Kommission bey der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Bayerischen Staatsbibliothek. Bd. 1–56, Leipzig 1875–1912. AGL = Allgemeines Gelehrten-Lexicon, hg. v. Christian Gottlieb Jöcher. Bd. 1–4, Leipzig 1750–1751; Erg. 1–7, 1784–1897. GVUL = Großes vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, hg. v. Johann Heinrich Zedler. Bd. 1–68, Halle/Leipzig 1732–1754.
1. Werkverzeichnis Johanna Eleonora Petersen 1) Gespräche// des// Hertzens// mit// GOTT/ // Erster Theil.// Auffgesetzet// Von// JOHANNA ELEONORA// PETERSEN,// Gebohrne von und zu Merlau.// PLOEN/ // Verlegts Siegfried Ripenau.// Gedruckt durch Tobias Schmidt/ // 1689. Gespräche// des// Hertzens// mit// GOTT/ // Ander Theil.// Auffgesetzet// Von// JOHANNA ELEONORA// PETERSEN,// Gebohrne von und zu Merlau.// PLOEN/ // Verlegts Siegfried Ripenau.// Gedruckt durch Tobias Schmidt/ // 1689. [als Anhang ohne eigenes Titelblatt, ebd., 235–295]: Eine kurtze Erzehlung/ // Wie mich die leitende Hand Gottes biß=//her geführet/ und was sie bei meiner// Seelen gethan hat. 1a) I. N. I.// Hertzens=Gespräch// Mit// GOTT/ // In// Zwey Theile// abgefasset/ // und// Zu Aufmunterung anderer from=//men Gott=liebenden Seelen ans// Tage=Liecht gestellet// von// Johanna Eleonora// Petersen/ // gebohrnen von und zu Merlau.// Mit einer// Vorrede// Hn. Christian Kortholtens/ // der H. Schrifft Doctoris, und bey der Kielischen Uni=//versität Prof. Prim.// Anietzo zum andernmahl gedruckt und mit// vielen schönen Kupffern gezieret.// Franckfurth und Leipzig/ // Bey Johann Heinichen/ 1694. 1b) I. N. J.// Hertzens=Gespräch// Mit// GOTT/ // In// Zwey Theyle// abgefasset/ // und// Zu Aufmunterung anderer frommen// Gott=liebenden Seelen ans// Tage=Licht gestellet// von// Johanna Eleonora Petersen/ // gebohrnen von und zu Merlau.// Mit einer// Vorrede// Hn. Christian Kortholtens/ // der Heil. Schrifft Doctoris, und bey der Kielischen// Universität Prof. Prim.// Anietzo zum drittenmahl gedruckt und mit// vielen schönen Kupfern gezieret.// Franckfurt und Leipzig/ // Bey Johann Heinichs seel. Wittbe. 1715.
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2) Glaubens=Gespräche// Mit// GOTT/ // In Drey unterschie=//dene Theile abgefasset/ // Also daß// Der I. Theil/ // Das Werck des Glaubens// in der Krafft/ // Der II. Theil/ // Das Zeugniß/ die Macht und// Herrlichkeit des Glaubens/ // Der III. Theil/ // Das Ende des Glaubens/ wel=/ches ist der Seelen Seeligkeit/ // vorstellet/ // In dieser letzten Glaublosen Zeit// zur Auffmunterung und Erweckung des// Glaubens auffgesetzt// Von// JOHANNA ELEONORA Petersen/ // Gebohrne von und zu Merlau.// Franckf. und Leipzig/ // Bey Michael Brodthagen/ im Jahr Christi 1691. 3) Anleitung// zu gründlicher Verständniß// der// Heiligen// Offenbahrung// Jesu Christi/ // welche Er seinem Knecht und Apostel/ // Johanni// Durch seinen Engel gesandt und gedeutet hat/ sofern Sie// in ihrem eigentlichsten letzten prophetischen Sinn und Zweck// betrachtet wird/ // Und in ihrer völligen Erfüllung// in den allerletzten Zeiten/ denen wir nahe kommen sind/ grössten// Theils noch bevorstehet/ // Nach Ordnung// einer dazu gehörigen// TABELLE,// Darinnen die heilige Offenbahrung// in der Harmonie der Dinge und Zeiten// kürtzlich entworffen ist/ // Mit einer zur Vorbereitung dienlichen// Vor=rede// und// Dreyfachem Anhange/ // in wohlmeynender Liebe// nach dem Maaß der Gnade/// mitgetheilet und herausgegeben// von// Johanna Eleonora Petersen/ // gebohrnen von und zu Merlau.// Franckfurt und Leipzig: zu finden bey Johann Daniel Müllern; 1696. 3.1) Dreyfacher Anhang://I.// Von dem geistlichen Kampff// der beruffenen auserwehlten und gläubigen// Uberwinder/ // durch welchen Sie die Krone der Erstgebuhrt// erstreiten müssen;// II.// Von der Harmonie der grossen und// der kleinen Welt/ // nach der Einführung des Reiches GOttes// in dieselbigen;// III.// Von ettlichen zusammen=getragenen// Zeugnissen der H. Schrifft/ // wodurch unterschiedliche bißher vorgestelle Wahrheiten// bestättiget werden:// Zu mehrerer Erläuterung und desto erbaulicherm Gebrauch// des vorhergehenden Werckleins hinbeygefüget// von// Johanna Eleonora Petersen/ // Gebohrnen von und zu Merlau.// Im Jahr Christi 1696. 3.2) [Übersetzung von Anleitung, 23. Spezial-Rubrik]: Of the Heavenly New Jerusalem,// Being an Extract of the XXIIId. Rubric of a Book Intituled,// A Manuduction to a Fundamental Knowledge of the REVE-//LATION of Jesus Christ, which he sent and Signified by// his Angel to his Servant and Apostle JOHN; According// to the Order of a Map: By Johanna Eleonora Petersen of// Merlau. Fol. 1696. Francfurt, and Lipsick. High Dutch. Abgedruckt in: THEOSOPHICAL// Transactions// BY THE// Philadelphian Society.// Consisting// Of Memoirs, Conferences, Letters, Dissertations, Inquiries, &// for the Advancement of PIETY and DIVINE// PHILOSOPHY.// Number III.// For the Months of May and June, 1697.// MATTH.ii.x.// When they saw the STAR they rejoyed with exceeding great Joy.// LONDON:// Printed for the Booksellers of London and Westminster, 1697.// Price One Shilling, Three Pence, 142–151. 4) Der// Geistliche// Kampff// Der beruffenen/ aus=//erwehlten und gläubigen// Uberwinder/ // Durch// Welchen Sie beym Anfange/ // Fortgange und Ausgange ihres// Christenthums die Krone der Erst=//gebuhrt erstreiten müßen/ // Unter dem Bilde der Sieben// Gemeinen dem Johanni in der// Offenbahrung gezeiget/ // Klar und deutlich vorgestellet/ // Und vor einigen Jahren in Druck gegeben// von// Johanna Eleonora
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Petersen// gebohrnen von und zu Merlau/ // Nunmehr aber zu mehrerer Erbau=//ung und kräfftiger Erweckung wahrer Gott=//seeligkeit/ Christl. Gedult und Freudigkeit im// Leiden/ in diese beqveme Form gebracht.// Halle/ Druckts Chr. Henckel/ 1698.
5) Das Ewige Evangelium// Der// Allgemeinen Wiederbringung// Aller Creaturen/ // Wie solche unter andern// In rechter Erkäntnüß// Des// Mittlern Zustandes// der Seelen nach dem Tode// tieff gegründet ist/ // Und nach Außführung// Der endlichen Gerichte GOttes// dermahleins völlig erfolgen wird.// Vorgestellet/ // Und zum Preiß des ewig=liebreichen// GOttes/ auch zur Erweckung einer hei=//ligen Gegen=Liebe verkündiget/ // Von einem Mitgliede// D.Ph.G.// Zu Ende ist beygefüget ein kurtzer// ANHANG// Von einigen harmonischen Schrifft=Stel=//len/ und verschiedenen sonderbahren Zeug=//nüssen LUTHERI.// Gedruckt im Jahr Christi 1698. 5a) Das ewige Evangelium// Der// Allgemeinen Wiederbringung// Aller Creaturen/ // Wie solche unter andern// In rechter Erkäntniß// Des// Mittlern Zustandes// der Seelen nach dem Tode// tieff gegründet ist/ // Und nach Ausführung// Der endlichen Gerichte Gottes// dermaleins völlig erfolgen wird.// Vorgestellet/ // Und zum Preiß des ewig=liebreichen// GOttes/ auch zur Erweckung einer H.// Gegen=Liebe verkündiget/ // Von einem Mit=Gliede// D.Ph.G.// Zu Ende ist beygefüget ein kurtzer// ANHANG// Von einigen harmonischen Schrifft=Stel=//len/ und verschiedenen sonderbaren Zeug=//nissen LUTHERI.// Gedruckt im Jahr Christi 1698. 5b) Das ewige Evangelium// Der// Allgemeinen Wiederbringung// Aller Creaturen/ // Wie solche unter andern// In rechter Erkäntniß// Des// Mittlern Zustandes// der Seelen nach dem Tode// tieff gegründet ist/ // Und nach Ausführung// Der endlichen Gerichte GOttes// dermaleins völlig erfolgen wird.// Vorgestellet/ // Und zum Preiß des ewig=liebreichen// GOttes/ auch zur Erweckung einer H.// Gegen=Liebe verkündiget/ // Von einem Mit=Gliede/ D.Ph.G.// Zu Ende ist beygefüget ein kurtzer// ANHANG// Von einigen harmonischen Schrifft=Stel=//len/ und verschiedenen sonderbaren Zeug=//nüssen LUTHERI.// Gedruckt im Jahr Christi 1699. 5c) Das ewige Evangelium// Der// Allgemeinen Wiederbringung// Aller Creaturen/ // Wie solche unter andern in rechter Erkäntnüs// Des// Mitlern Zustandes// Der Seelen nach dem Tode tieff gegründet ist/ // Und nach Außführung// Der endlichen Gerichte GOttes dermaleins// völlig erfolgen wird.// Vorgestellet/ // Und zum Preiß des ewig=liebreichen GOttes/ auch zur Erweckung// einer heiligen Gegen=Liebe verkündiget/ // Von einem Mitgliede// D.Ph.G.// Zu Ende ist beygefüget ein kurtzer Anhang// Von einigen harmonischen Schrifft=Stellen/ // und verschiedenen sonderbahren Zeugnüssen Lutheri. [abgedruckt in: J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 1, 1700]. 6) Die// Nothwendigkeit// Der// Neuen// Creatur// In// CHRISTO// In einem// Send=Schreiben// Gezeiget// Von// Johanna Eleonora Petersen/ // Gebohrnen von und zu Merlaw.// Gedruckt im Jahr Christi 1699. 6a) THE// NATURE and NECESSITY// OF THE// NEW CREATURE IN CHRIST,//
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STATED and DESCRIBED,// ACCORDING TO// HEART’s EXPERIENCE and TRUE PRACTICE.// BY// JOANNA ELEONORA DE MERLAU.// TRANSLATED FROM THE GERMAN,// BY FRANCIS OKELY, A. B.// Formerly of ST. JOHN’S COLLEGE in CAMBRIDGE.// BY it SHE being dead, yet speaketh. Heb XI.4.// To pin my Faith on any one Divine,// But Man, or Woman, whose’er it be,// That speaks true Doctrine, is a Pope to me.// Where Truth alone is Interest and Aim, Who would regard a Person or a Name? Or in the Search of it impartial, scoff,// Or scorn the meanest Instrument thereof?// Dr. Byrom’s Epistle to a Gentleman of the Temple.// LONDON:// Printed for the EDITOR;// And Sold by M. LEWIS, No. I. in Pater-noster Row; also by J. LACY and// R. SMITH, at Northampton.// MDCCLXXII. 6b) THE// NATURE and NECESSITY// OF THE// NEW CREATURE IN CHRIST,// STATED and DESCRIBED// ACCORDING TO// HEART’S EXPERIENCE and TRUE PRACTICE.// BY// JOANNA ELEONORA DE MERLAU.// TRANSLATED FROM THE GERMAN// BY FRANCIS OKELY, A. B.// Formerly of ST. JOHN’S COLLEGE in CAMBRIGDE.// By it SHE being dead, yet speaketh. Heb. XI.4.// – Not that/ incline/ To pin my Faith on any one Divine; But Man, or Woman, whose’er it be, That speaks true Doctrine, is a Pope to me. Where Truth alone is Interest and Aim, Who would regard a Person or a Name? Or in the Search of it impartial, scoff, or scorn the meanest Instrument thereof? D. Byrom’s Epistle to a Gentleman of the Temple.// THE SECOND EDITION.// LONDON:// Printed for the EDITOR;// And Sold by M. Lewis, No. I, in Pater-noster-Row; also by J. LACY and T. BURNHAM, at Northampton, 1772. 7) Bewährung// Des// Ewigen Evangelii/ // Dem (Tit.)// Herrn Johann Wincklern/ // SENIORI und PASTORI des MINISTERII// zu Hamburg/ // Auß Liebe der Warheit vorgestellet// durch// Ein Mitglied der Philadelphischen// Gemeine.// Gedruckt im Jahr 1701. 7a) Bewährung// des// EWIGEN EVANGELII/ // Dem (Tit.) Herrn Johann Wincklern/ // Seniori und Pastori des Ministerii zu HAMBURG// Aus Liebe der Warheit vorgestellet// durch// Ein Mitglied der Phila-//delphischen Gemeine. [abgedruckt in: J. W. Petersen, Mysterion Apokatastaseos 2, 1703]. 8) Die verklährte// Offenbahrung// JEsu Christi// Nach dem Zusammenhang/ // und// Nach dem Sinn des Geistes/ // deutlich gezeiget// Von// Johanna Eleonora Petersen/ // gebohrne von und zu Merlau.// Im Jahr Christi 1706. 8a) Die verklärte// Offenbahrung// JEsu Christi/ // Nach// dem Zusammenhang/ // und Nach dem Sinn des Geistes;// Mit beygefügtem// Geistlichen Kampff/ // der Erstgebohrnen/ // Zu Siegreicher Erstreitung der// Crone der Erstgeburt/ // Unter dem Bild der sieben Gemeinen// dem Johanni offenbahret.// vorgestellt// von// Johanna Eleonora Petersen/ // Gebohrnen von und zu Merlau./// Gedruckt im Jahr Christi 1706. 8b) Die verklärte// Offenbahrung// JEsu Christi/ // Nach dem Zusammenhang/ // und// Nach dem Sinn des Geistes;// Mit beygefügtem// Geistlichen Kampff/ // der Erstgebohrnen/ // Zu Siegreicher Erstreitung// der Crone der Erstgeburt/ // Unter dem Bild der
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Quellen- und Literaturverzeichnis
sieben Gemei=//nen dem Johanni offenbahret.// Vorgestellt// von// Johanna Eleonora Petersen/ // Gebohrnen von und zu Merlau.// Gedruckt im Jahr Christi 1717. 9) Das Geheimniß// Des// Erst=Gebornen// Der von Anfang ist/ und der da ist// GOTT das Wort// Der GOTT=Mensch// JESUS Christus// Gestern und Heute und Derselbe in Ewigkeit:// Durch dessen seeliges Erkäntniß/ // Die strittige Partheyen in den unterschiedlichen Reli=//gionen unter sich könten vereiniget werden/ // Sammt einer// Summarischen Erklärung// Uber die Epistel an die Römer/ wie auch über// das 17. Cap. Johanniß/ und über einige Schrifft=//Oerter/ so von dem obigen Geheimniß handlen/ // vorgetragen/ // Von// JOHANNA ELEONORA Petersen/ // Gebohrne von und zu Merlau.// Franckfurt/ bey Samuel Heyl und// Gottfried Liebezeit/ Buchhändler 1711. 10) Einige Send// Send=//Schreiben/ // Betreffende// die// Nothwendigkeit// Verschiedener bißher von den meisten// Gelehrten in Verdacht gezogener// Lehren/ // Sonderlich in diesen letzten Zeiten/ da die// Zubereitung zur Hochzeit des Lammes/ // Mit so größerem Eyfer und Fleiß// geschehen soll/ // Auff einiger Freunde Begehren verfertiget.// von// Johanna Eleonora Petersen// Gebohrnen von und zu Merlaw.// Gedruckt im Jahr Christi 1714. 10a) Einige// Send=//Schreiben/ // Betreffende// die// Nothwendigkeit// Verschiedener bißher von den meisten// Gelehrten in Verdacht gezogener// Lehren/ // Sonderlich in diesen letzten Zeiten/ da die// Zubereitung zur Hochzeit des Lammes/ mit so// größerem Eyfer und Fleiß gesche=//hen soll/ // Auff einiger Freunde Begehren// verfertiget.// von// Johanna Eleonora Petersen// Gebohrnen von und zu Merlaw. 11) Kurtze// Betrachtungen// über die Sprüche// Von der// Im Geist des Glaubens// erkannten// Hoch=Heiligen Person// JEsu Christi// Davon// In den vier Evangelisten// Theils nach seiner Hoheit/ // Theils nach seiner Niedrigkeit/ // Theils nach Beyden zugleich// gehandelt/ // Und davon gezeuget/ und mitge=/theilet wird// Von// Johanna Eleonora Petersen// gebohrne von und zu// Merlau.// Gedruckt im Jahr 1715. 12) Zugab// einiger erbaulichen// Fragen und Antworten/ // entworffen// von// Johanna Eleonora Petersenin. [1716; abgedruckt in: J. W. Petersen, Beweiß der allgemeinen Erbarmung, 1716, 102–111]. 13) Kurtze// Betrachtungen// Von der// Nutzbarkeit des lieben// Creutzes/ // Wie solches// Denen fleischlichen Men=//schen eine Thorheit und// Aergerniße/ // Denen Glaubigen aber// Göttliche Weißheit/ und// ein heilsames Mittel zur// Seeligkeit ist.// Vorgetragen// Von// Johanna Eleonora Petersen/ // Gebohrnen von und zu Merlau.// Berleburg/ // Gedruckt bey Christoph Konert/ 1717. 14) Betrachtungen// In// Drey// Send=//Schreiben/ // Das Ite// Uber die Worte CHRISTI// vom Glauben,// Das IIte// Von den 8. Seeligkeiten so CHristus// über die Gläubigen ausgesprochen.// Das IIIte// Von den 8. Wehen, so CHristus den// Unglaubigen
Handschriftliche Quellen
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gedrohet und kund// gemacht// in Einfalt auffgesetzet// Von// Johanna Eleonora Petersen/ // Gebohrnen von und zu Merlaw. 15) Leben// FRAUEN// Joh. Eleonora// Petersen/ // Gebohrnen von und zu Merlau,// Hrn. D. IO.WILH. Petersen// Eheliebsten;// Von Ihr selbst mit eigener// Hand aufgesetzet, und vieler erbau=//lichen Merckwürdigkeiten wegen zum// Druck übergeben, daher es// als ein// Zweyter Theil// Zu Ihres Ehe=Herrn Lebens=Be=//schreibung beygefüget werden kan.// Anno MDCCXVIII.// Auf Kosten guter Freunde. 15a) Nachdruck: Johanna Eleonora Petersen, geb. von und zu Merlau. Leben, von ihr selbst mit eigener Hand aufgesetzet. Autobiographie, hg. v. Prisca Guglielmetti, (Kleine Texte des Pietismus 8) Leipzig 2003. 15b) Leben// Frauen Johannä Eleonorä// Petersen,// Gebohrner von und zu Merlau,// Herrn// D. Joh. Wilh. Petersen// Ehe=Liebsten,// von Ihr selbst mit eigner Hand aufgesetzt// und vieler erbaulichen Merckwürdigkeiten// wegen zum Druck übergeben,// daher es als ein// Zweyter Theil// zu Ihres// Ehe=Herrn// Lebens=Beschreibung// beygefüget werden kan.// Andere Aufflage.// Auf Kosten eines wohlbekanten Freundes.// 1719. Gedruckte Briefe an Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz, 1678–1684, 13 Briefe, hg. v. M. Matthias, Mutua Consolatio, 1996, 69–102. an Markus Daniel Omeis, 1.3.1706, in: J. Herdegen, Historische Nachricht, 1744, 596–598. an Heinrich Horche, undatiert, in: J. W. Petersen, Zeugniß der Warheit, 1718, 6–9. HandschriftlicheQuellen
2. Handschriftliche Quellen Frankfurt am Main, Stadtarchiv Ratsprotokolle 1677 (1678). Rats-Supplikationen 1678. Frankfurter Taufbuch, Microfiches, 1642–1647, Bl. 20/13. Frankfurter Traubuch, Microfiches, 1678–1692, Bl. 44/90. Frankfurt am Main, Stadt- und Universitätsbibliothek Senckenbergische Bibliothek, Nachlass Johann Jakob Schütz, Mappe 330: Briefe von Schütz an Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz und Jungfer von Lindau. Uffenbachische Bibliothek, Epistolae Uffenbachii, J. W. Petersen an Z. K. von Uffenbach, Vol. LXIX, ep. 46, ep. 86, 1725. Gotha, Forschungs- und Landesbibliothek Chart A 296, Briefwechsel zwischen J. E. und J. W. Petersen und J. Leade, 1703. Chart A 297, Catalogus amicorum in Germania; Berichte über das Ehepaar Petersen, anonym, Kopie eines Schreibens von J. E. Petersen. Chart A 293, A 298, B 198, Briefwechsel zwischen J. E. und J. W. Petersen und F. Breckling, 1679–1699.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Halle, Archiv der Franckeschen Stiftungen A 133, 18–19, J. W. Petersen an P. J. Spener, 1704. A 140,36–38, A 299, D 89, 1061a, Briefe J. E. Petersens. A 169, Brief C. Papes an G. A. Francke. A 177, 75, Briefkonzept A. H. Franckes an J. W. Petersen, 1723. A 181, 121, J. W. Petersen an A. H. Francke, 1724. C 146, 10–17, Briefwechsel zwischen J. W. Petersen und P. J. Spener, 1693–1696. C 544, Korrespondenz zwischen G. A. Francke, C. Pape und Frau Weinrich, 1752–1754. D 84, 98–99, Abschrift J. E. Petersen an A. H. Francke, 1690. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Sup.ep. 4° 26, 121–131; 52, 372–379, J. E. Petersen an C. Kortholt und J. P. Späth, Abschriften, 1697–1698. Cod. theol 1234, Bezeugungen von R. J. von Asseburg, A. S. Schwartz, Brief Asseburgs an J. Leade, 1692–1698. Nachlass Johann Winckler, ep. 81, J. W. Kriegsmann an J. Winckler, 12.7.1678. Kiel, Universitätsbibliothek Cod. MS S. H. 406, A 3, 46, Epistolae 46 ad Kortholtum, Briefe J. E. und J. W. Petersens an Christian Kortholt, 1677–1691. Schneeberg Kirchenbuch Register 1684–1720, Archiv Nr. 68. Schönau/Sachsen, Kirchenarchiv Kirchenbuch/ // Zür Hochfürstlichen Holsteinischen Wiesen=//burgischen HoffCapellen gehörig, darinnen die// Nahmen, So wol dero Getauften, und VerEh=//lichten, alß auch Verstorbenen, auffgezeichnet,// Zu finden sindt, auffgezeichnet und gestelt, von// damahligem verordnetem, Hochfürstlichem Hollstin-//Wiesenbürgischem HoffPredigern:// Johanne Jacobe Schwencken,// von Solms Lich, in der// Wetteraue.// Fängst ahn, vom Jahr 1664, biß ins Jahr 1676.// I. die Getauften. 2. die VerEhlichten.// 3. die Verstorbene.// Wiesenbürgk,// den 7. January,// 1675. Wolmirstedt, Evangelische Kirchengemeinde Taufregister von St. Katharinen, Jahrgang 1694.
GedruckteQuellen
3. Gedruckte Quellen Anonym: Weiteres// Nachdenken// Uber einige// Bedencken// von der// Durch// Doct. PETERSEN, Superinten.// Zu Lüneburg außgegebenen// Prophezeyungen// Vom// Chiliastischen Reich und Bekehrung// Der Juden// Gedruckt im Jahr 1692. Anonym: Göttliche und Himmlische// Offenbahrung/ // Von dem// Gesegneten Reich Christi/ // In der VII. Posaune.// Nebst klaren und gründlichen Beweiß . . . Gedruckt im diesem 1697sten Jahr. [o. O.]. Anonym: Die// Gründliche Untersuchung// Des XX. Cap. der Offenb. S. Joh.// Darinne der// Ungrund . . . des Chiliasmi . . . klärlich gezeiget wird . . . 1697. [o. O.]. Anonym: Theosophical// Transactions// by the// Philadelphian Society . . . Number III. For the Months of May and June, 1697. . . . London. [1697].
Gedruckte Quellen
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Anonym: Christliche und bescheidene// Antwort// auf die so genannte aufrichtige und wohlmeynende// Reise=Gedancken// eines ANONYMI A. M. Z. P.C. L. von dem// heutigen so genannten PIETISMO . . . [Halle 1699]. Anonym: Betrachtung// Von dem// Mittleren Zustand// der Seelen/ // Nach ihrem/ Abschied aus dem Leibe . . . Amsterdam 1703. Anonym: Das Geheimniß// Der// Boßheit und Gottseeligkeit:// Erkläret// in Anweisung so wol dessen/ // was zur // Offenbahrung des Abfalls von GOtt/ // als auch/ zur// Offenbahrung desselben// und// Herwiederbringung des Menschen// dienlich seyn kann . . . Im Jahr Christi 1712. [o. O.]. Anonym: Das// Grosse Geheimnis// Der// Offenbahrung// JEsu Christi in uns/ // Welches in aller Menschen Hertzen verborgen liegt/ und wodurch sie alle werden gerichtet werden . . . 1712. [o. O.]. Anonym: IDEA// PIETISMI// Oder// Kurtzer Entwurff// Von der// Pietisten// Ursprung Lehr und// Glauben . . . Franckfurth und Leipzig// MDCCXIV. Anonym: Die durch den Schlüssel Davids// Eröfnete Thür,// Zum Verständnis der Heil.// Offenbarung// JESU CHRISTI.// Das ist:// Eine kurtzgefaßte, aneinanderhangende// deutliche Beschreibung . . . Züllichow . . . 1730. Anonym: Curieuses// Gespräche// Im Reiche der Todten// Zwischen zweyen Hochberühmten Männern,// Johann Friedrich Mayern,// . . . Und// Johann Wilhelm// Petersen,// Erster Teil.// ANNO MDCCXXXI. [o. O.; Zweiter Teil, 1731]. Anonym: Das// Angebührliche Verhalten// Der// Pietisten// Gegen die// Weltliche Obrigkeit,// Bey Gelegenheit// zweyer Befehle . . .. 1734. [o. O.]. Anonym: Der// LABADISMUS,// Die Quelle des// PIETISMI,// Gezeiget// Bey Gelegenheit// Eines Ihro Königl. Majest. In// Groß=Britannien, und Chur=Fürstl. Durchl. . . . 1734. [o. O.]. Anonym: Truth for the simple-minded, or The Gospel a hundred and thirty years ago. London [1874]. Adelung, Johann Christoph: Geschichte// der menschlichen Narrheit,// oder// Lebensbeschreibungen// berühmter Schwarzkünstler, Goldmacher . . . Erster Theil.// Leipzig . . . 1785. [Bd. 2, 1786; Bd. 4, 1787; Bd. 7, 1789]. Alberti, Valentin: D. VAL. ALBERTI . . . VINDICIAE// EXEGETICAE// Joel. II. 28.29.// . . . LIPSIAE,// . . . An. MDCXCV. Arndt, Johann: Herrn Johann Arnds . . . Vier Bücher// Vom// Wahren Christenthum/ // Heilsamer Busse/ herzlicher Reue und Leid über die Sünde . . . Berlin . . . 1708. Arnold, Gottfried: Die Erste Liebe// Der Gemeinen JESU Christi/ // Das ist/ // Wahre Abbildung// Der// Ersten Christen . . . Franckfurt am Mayn . . . 1696. –: Die Erste Liebe . . . Leipzig 51732. –: Das Geheimniß// Der// Göttlichen// SOPHIA// oder// Weißheit/ // Beschrieben und Besungen . . . Leipzig . . . 1700. [Nachdruck Stuttgart-Bad Canstatt 1963]. –: Das Leben// Der// Gläubigen// Oder// Beschreibung solcher Gottseligen// Personen/ welche in denen letzten 200. Jahren// sonderlich bekandt geworden . . . Halle . . . 1701. – Das Leben// Der// Gläubigen . . . Halle 21732. –: Gottfrid Arnolds// Historie und beschreibung// Der// Mystischen// Theologie/ // oder// geheimen Gottes Gelehrtheit . . . Franckfurt . . . 1703. [Nachdruck Stuttgart-Bad Cannstatt 1969]. –: Die geistliche// Gestalt// Eines// Evangelischen// Lehrers// Nach dem Sinn und Exempel// Der Alten// . . . Halle . . . MDCCIV. Dritter Anhang.// Von der Frage:// Ob die Weiber auch öffentlich lehren dürffen?
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Quellen- und Literaturverzeichnis
–: Die// Verklärung// JEsu Christi// in der Seele/ // aus denen gewöhnlichen Sonn=und Fest=Tags=// Episteln . . . Franckfurt . . . 1704. –: Consilia// und Responsa Theologica;// oder// Gottsgelehrte// Rathschläge// und// Antworten/ // über denen wichtigen stücken . . . Franckfurt . . . 1705. –: Historisch=Theologische// Betrachtungen// merckwürdiger// Wahrheiten/ // Auf Veranlassung derer bißherigen// Einwürffe// Gegen// G. Arnolds Schrifften . . . Franckfurt am Mayn . . . 1709. –: CATALOGUS// BIBLIOTHECAE// B. GODOFREDI ARNOLDI . . . 1714. [abgedruckt in: D. Blaufuß/ F. Niewöhner, Gottfried Arnold, 1995, 339–410]. –: THEOLOGIA EXPERIMENTALIS,// Das:// Geistliche// Erfahrungs=Lehre/ // Oder// Erkäntniß und Erfahrung// Von denen vornehmsten Stücken// Des// Lebendigen Christentums . . . Franckfurt am Mäyn . . . ANNO MDCCXIV. –: Seel. Hrn. Gottfried Arnolds// Ehemals Professoris . . . Gedoppelter// Lebens=Lauff// wovon der eine von Ihm selbst projectiret// und auffgesetzet worden . . . 1716. [o. O.]. –: Gottfried Arnolds// Unpartheyische// Kirchen=und Ketzer=//Historie,// Vom Anfang des Neuen Testaments// Biß auf das Jahr Christi 1688. . . . Franckfurt am Mayn . . . 1729. Bengel, Johann Albrecht: D. JOH. ALBERTI BENGELII// GNOMON// NOVI TESTAMENTI . . . SECUNDUM EDITIONEM TERTIAM (1773) . . . BEROLINI 1860. Bertram, Johann Georg: Das Evangelische Lüneburg: Oder Reformations- und KirchenHistorie der Altberühmten Stadt Lüneburg, Braunschweig 1719. Böhme, Jakob: De incarnatione verbi, oder Von der Menschwerdung Jesu Christi, 1620, in: Jakob Böhme, Sämtliche Schriften. Bd. 4, Faksimilie-Neudruck der Ausgabe von 1730, hg. v. Will-Erich Peuckert, Stuttgart 1975. –: Mysterium Magnum, 1624, in: Jakob Böhme, Sämtliche Schriften. Bd. 7, FaksimileNeudruck der Ausgabe von 1730, hg. v. Will-Erich Peuckert, Stuttgart 1960. Blümler, Benjamin: Kurtzgefassete// Ablehnung,// derjenigen falschen// Auflagen,// Womit// D. Joh. Wilhelm Petersen// in seinem nur neulichst publicirten// Lebens=Lauff// mich beschweret hat. . . . 1718. [o. O.]. Bourignon, Antoinette: Die Erneuerung// Des// Evangelischen Geistes.// Erster Theil.// Auffgesetzt durch// Anthoinette Bourignon. . . . Amsterdam . . . 1681. –: Warnung// durch// ANTHOINETTE BOURIGNON.// allen Menschen vorgestellt wieder die Rotte der// Quäker . . . Amsterdam . . . 1683. –: Das// Leben// der Jungfrau// Antoinette Bourignon,// Theils durch Sie selbst/ theils durch einen// von ihren Bekandten geschrieben . . . Amsterdam 1684. –: TOUTES LES// Oeuvres// De Mlle.// ANTOINETTE BOURIGNON,// Contenues// EN DIX-NEUF VOLUMES . . . AMSTERDAM . . . 1717. Breckling, Friedrich: IN NOMINE JESU.// Das// Ewige Evangelium/ // Von der Gewissheit der// Seeligkeit aller bußfertigen// und gläubigen Kinder Gottes . . . Amsterdam . . . 1660. –: SPECULUM// Seu// Lapis Lydius Pastorum:// Darinnen alle Prediger// und Lehrer dieser letzten Welt sich// beschawen/ und nach dem Gewissen . . . Amsterdam . . . 1660. Bücher, Friedrich Christian: RATHMANNUS// REDIVIVUS,// Das ist/ // Pietistische// Ubereinsitmmung// in dem Articul von der// Heiligen Schrifft/ // mit denen Fanaticis . . . Leipzig . . . 1697. –: MYSTERIUM INIQUITATIS// Das ist// Geheimnüß der Boßheit/ // So sich bereits in dem// PIETISTISCHEN// FANATI-//CISMO// reget . . . Dantzig . . . 1697.
Gedruckte Quellen
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–: PLATO MYSTICUS// IN// PIETISTA// REDIVIVUS.// Das ist:// Pietistische Ubereinstimmung// Mit der Heydnischen Philosophia// PLATONIS . . . Dantzig . . . 1699. –: Send=Schreiben// Eines// gewesenen Pietisten/ // Der sich selbst// MOSEN GERMANUM// nennet/ // und vor wenig Jahren// Ein Jude geworden . . . Dantzig . . . 1699. –: Treuherztige Warnung// für dem// Auffrührischen// Qvaker=Geist/ // Eines// Unbeschnittenen Rabbi/ // Welcher// Von dem unlängst publicirten Schreiben// des Mammelucken// MOSIS GERMANI// Anlaß genommen . . . Dantzig . . . 1700. –: LUTHERUS// ANTI-PIETISTA,// d. i.// D. Martin Luthers// Schrifftmäßiges Urtheil// Von dem// PIETISMO . . . Wittenberg . . . MDCCI. –: Gnosis Pseudonymos// h.e.// Dogma fanaticum// DE NOTITI LITERALI// &// SPIRITUALI . . . Wittenberg . . . 1702. –: Friedrich Christian Büchers . . . Nöthiger Vorbericht// Auf die// Pietistische// Monathe// in welchen// die Tieffe des Sathans . . . gezeiget . . . Wittenberg . . . 1705. –: ZIEROLDUS// EAYTONTIMOROYMENOS.// Oder/ // Das Grund=//Böse Gewissen// Herrn D. Johann Wilhelm Zierolden . . . Leipzig . . . 1708. Burchard, Georg Heinrich: Christliche Gründliche// Anmerckungen/ // über// die groben und mehrentheils Gotteslästerlichen// Irrthümer und Lehren . . . in den Schrifften der// Anthoniae Bourignon . . . Hamburg . . . Schleswig . . . 1674. Bussingius, Caspar: Die// Lehrer Sendende und Entwen=//dende Gnade GOttes/ // Wie sie// Die rechtschaffenen Lehrer der Wahrheit . . . JOHANNES// Winckler . . . zum Höchst=verdienten Ehren=Gedächtnüß . . . Hamburg . . . 1705. Canstein, Carl Hildebrand von: Der Briefwechsel Carl Hildebrand von Cansteins mit August Hermann Francke, hg. v. Peter Schicketanz, (TGP III.1) Berlin/ New York 1972. [Carpzov, Johann Benedikt]: Ausführliche Beschreibung// Des// Unfugs/ // Welchen// Die Pietisten// zu Halberstadt// im Monat Decembri 1692 . . . gestifftet. . . . 1693. [o. O.]. Colberg, Ehregott Daniel: Das// Platonisch=Hermetisches// Christenthum/ // Begreiffend// Die Historische Erzeh=//lung vom Ursprung und vielerley// Secten . . . Franckfurt und Leipzig . . . 1690. Corrodi, Heinrich: Kritische Geschichte des Chiliasmus. Teil 1–4, Frankfurt a.M./ Leipzig 1793. Eberti, Johann Caspar: Eröffnetes Cabinet// Deß// Gelehrten// Frauen=Zimmers/ // Darinnen// Die Berühmtesten dieses Ge=//schlechtes umbständlich vorge=//stellet werden . . . Franckfurth und Leipzig . . . 1706. [Nachdruck hg. v. Elisabeth Gössmann, (APTGF 3) München 1986]. Edelmann, Johann Christian: Selbstbiographie 1749–1752, in: Johann Christian Edelmann, Sämtliche Schriften in Einzelausgaben. Bd. XII, hg. v. Walter Grossmann, Stuttgart-Bad Cannstatt 1976. –: Drittes Sendschreiben an Seine Freunde, in: Johann Christian Edelmann, Sämtliche Schriften in Einzelausgaben. Bd. X, hg. v. Walter Grossmann, Stuttgart-Bad Cannstatt 1974. Eilmar, Georg Christian: Gründliche Erörterung// der Lehre// Vom Geistlichen// Priesterthum/ // Nach dessen in der Heil. Schrifft// abgemeßenen Gebrauch . . . Wittenberg . . . 1704.
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Gedruckte Quellen
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Quellen- und Literaturverzeichnis
–: Die// Nun brechende und sich zertheilende// Himmlische Wolcke:// So wol auch des// Herrn Christi// Himmelfahrts=Leiter . . . Amsterdam . . . 1700. –: Die// Kriege Davids/ // und das Friedsame// Reich Salomonis:// vorbildende die// Zeiten des Kriegs und der Erquickung . . . Amsterdam 1700. –: Ein // Geistlicher Alarm// An des// Lamms Heilige Streiter;// Die geistlichen Waffen und Harnisch zu er=//greiffen und Seine Streite zu streiten . . . Amsterdam . . . 1700. –: Eine// Bey lebendigem Leibe gehaltene// LEICH=PREDIG:// Oder// Der im Leben Christi über=//wundene und ersäuffte Tod . . . Amsterdam . . . 1703. –: Die// Auferstehung des Lebens:// oder das// Königliche Merck=und// Kennzeichen/ // so denen aufgetruckt ist/ // Die mit Christo auferstanden sind . . . Amsterdam . . . 1705. –: Der Seelig und aber Seeligen// JANE LEADE// Letzte Lebens=Stunden:// oder// Umständlicher Bericht alles desjenigen was// sich in Ihrer letzten Kranckheit zugetragen . . . Amsterdam . . . 1705. –: Offenbahrung// Der// Offenbahrungen;// Vornehmlich// Als ein Muster und Probe// Zur// Entsieglung/ Offenbahrung und Erklärung// Der// Sieben Siegel/ sieben Donner/ und eigentlicher Beschaffenheit und Zustand des// Neuen Jerusalems . . . Amsterdam 1718. Lehms, Georg Christian: Teutschlands// Galante// Poetinnen// Mit// Ihren sinnreichen und netten// Proben;// Nebst einem Anhang . . . Franckfurt am Mayn . . . 1745. [Nachdruck Leipzig 1973 nach der Ausgabe von 1715]. Lichtscheid, Ferdinand Helferich: Christliche Gedancken// über das Büchlein// vom// Ewigen// Evangelio/ // der allgemeinen Wiederbringung// Aller Creaturen . . . Zeitz .. 1700. Löscher, Valentin Ernst: Vollständiger// Timotheus// Verinus// Oder// Darlegung der Wahrheit// und des// Friedens.// In denen bißherigen// Pietistischen Streitigkeiten . . . Wittenberg . . . 1726. [Bd. 1–2]. –: Auserlesene// Sammlung// Der besten und neuen Schrifften// Vom// Zustand// Der// Seele// nach dem Tod . . . 1735. [o. O.]. Ludwig, Michael Christian: Christ=Fürstlicher// Lebens=Lauff/ // der weiland// Durchlauchtigsten Fürstin und Frauen/ // Frauen Sophien Elisabethen/ // Hertzogin zu Sachsen . . . [Zeitz 1684]. Luther, Martin: Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1ff, Weimar 1883ff, WA. –: KirchenPostilla// das ist:// Auslegung der Episteln// vnd Euangelien/ an Sontagen und furnemesten Festen . . . Wittenberg . . . 1547. Mayer, Johann Friedrich: Eines// Schwedischen Theologi// Kurtzer Bericht// von// Pietisten . . . Leipzig . . . 1706. –: Q.B. V.// Dissertatio// de// Catharina// Lutheri// Conjuge . . . Hamburg . . . 1710. Marperger, Bernhard Walther: Der wahre// Lehr=// Elenchus// Schrifft=mäßig// betrachtet . . . Dresden . . . 1727. [Bd. 2, 1729]. Meuschen, Johann Gerhard: Courieuse// Schau=Bühne// Durchläuchtigst=Gelehrter// DAMES// Als// Käyser=König= Cuhr=und// Fürstinnen auch anderer hohen Durch//läuchtigen Seelen . . . Franckfuhrt und Leipzig . . . 1706. [Nachdruck hg. v. Elisabeth Gössmann, (APTGF 6) München 1994]. Meyer, Georg: Geistlicher Brieff=Wechsel// Darin das// Send=Schreiben/ // An einige// Theologos und Gottes=Gelehrte/ // Betreffend die Frage . . . Goßlar . . . 1692. Molière, Jean-Baptiste Poquelin de: Derer// Comödien// Des Herrn// von// Molière . . . Nürnberg . . . 1694.
Gedruckte Quellen
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–: Histrio Gallicus,// Comico-Satyricus,// sine exemplo:// Oder/ // Die überausanmuthigen und lustigen// Comödien . . . Wieder aufs Neue . . . in das reine Teutsche übersetzt . . . Nürnberg . . . 1695. Molinos, Miguel de: Der// Geistliche// Wegweiser/ // Dienende// Die Seele von den sinnlichen Din=//gen abzuziehen/ und dieselbe durch den in=//nerlichen Weg zu der vollkommenen Be=//schauung und zum innerlichen Frieden// zu führen . . . Franckfurth . . . 1699. Moller, Johannes: Cimbria Literata,// Sive// Scriptorum ducatus utriusque Slesvicensis// et Holsatici . . . Havniae . . . 1744. Müller, Heinrich: Evangelischer// Hertzens=Spiegel// Oder:// Geist=reiche Erklärung und Betrachtung der// Sonn=und Fest=täglichen Evangelien . . . Lüneburg . . . 1727. Mylius, Christoph: Bibliotheca// Anonymorum et psevdony-//morvm detectorum,// ultra 4000 scriptores . . . Hamburg . . . MDCCXL. Neumeister, Erdmann: De poetis Germanicis, 1695. [Nachdruck hg. v. Franz Heiduk/ Günter Merwald, Bern/ München 1978]. Oetinger, Friedrich Christoph: Selbstbiographie. Genealogie der reellen Gedanken eines Gottesgelehrten, hg. v. J. Roessle, Metzingen 31990. –: Die Epistelpredigten: Grundbegriffe des Neuen Testametns, 1852/ 1858, hg. v. Karl C. E. Ehmann, Metzingen 1978. Okely, Francis: The// Divine Visions// of// John Engelbrecht,// A Lutheran Protestant . . . Northampton . . . MDCCLXXX. –: Memoirs// of the// Life, death, burial,// and// wonderful writings,// of// Jacob Behmen . . . London . . . MDCCLXXX. Ouw, Wolfgang: Apocalypsis// Haereseos,// Das ist:// Offenbarung der Ketzerischen// Lügen und Irrthümen/ // Welche// Anthoinette Bou-//rignon// In unterschiedlichen Büchern . . . Außgestreuet . . . Hamburg . . . 1675. [Pagencopen, Christian]: Gründliche// Erkänntniß// der Ewigen Liebe GOttes// in Christo// gegen alle gefallene Creaturen . . . Freystadt/ 1726. Paullini, Christian Franz: Das// Hoch=und Wohl=gelahrte// Teutsche// Frauen=Zimmer . . . Franckfurth und Leipzig . . . MDCCV. Penn, William: The Papers of William Penn, hg. v. Mary Maples/ Richard S. Dunn, Bd. 1–2, Pensylvania 1981–1982. Petersen, Johann Wilhelm: I. N. JESU!// Spruch=Cate=chismus/ // Aus dem Catechismo des sel. Lutheri// in Fragen vorgestellet . . . Plön . . . 1685. –: Ein Christliches// Glaubens=//Bekänntniß/ // Aus dem unmittelbarem Worte// Gottes hergenommen . . . Plön . . . 1685. –: Send=Schreiben// An einige Theologos und GOttes=//Gelehrte/ // Betreffend die Frage/ // Ob GOtt nach der Auffahrt// Christi nicht mehr heutiges Tages durch gött=//liche Erscheinung den Menschenkindern sich// offenbahren wolle . . . Samt einer erzehlten// Specie Facti . . . 1691. [o. O.]. –: Ablehnung// Der Schändlichen// Aufflagen/ // Welche ich// Mit meinem guten Gewissen . . . Hiemit darstelle . . . Franckfurt und Leipzig . . . 1692. –: Eine öffentliche Stimme// Gegen// Das Urtheil eines Licht=scheuenden/ // Damit er// das gesegnete// Reich Christi . . . in unverantwortlicher Weise verurtheilet hat . . . Magdeburg 1692.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
–: Der veste Grund// Des/// In der siebenden Posaunen// annoch zukünfftigen// Reiches Christi . . . Franckfurt . . . 1692. –: Bekäntnüß// Von dem// Zukünfftigen herrlichen// Reiche// JEsu Christi// Und// Der damit verbundenen// Ersten Aufferstehung . . . Magdeburg 1693. –: Freymüthige Anrede/ //An (Tit.) Herrn Licenciat// Johannem Joachimum// Vvolfium . . . Magdeburg . . . 1693. –: Schrifftmäszige// Erklährung// und// Beweis// Der Tausend Jahre . . . Franckfurth . . .. MDCXIII. –: Oeffentliche Bezeugung// Für der gantzen// Evangelischen Kirche:// Daß das Reich// JEsu Christi . . . Weder mit den alten ketzerischen Irrthümern . . . noch mit den Jüdischen Fabeln ei=//nichte Gemeinschafft habe . . . 1696. [o. O.]. –: Gründe// Von dem// Tausend=jährigen// Reiche// JEsu Christi . . . 1696. [o. O.]. –: Nubes Testium// Veritatis// de// Regno Christi// Glorioso . . . Frankfurt a. M. . . . MDCLXXXXVI. –: Rettung// Der Worte Christi . . . wobey zugleich// Hr. Christophorus Koch . . . Als einer durch sich selbst verworffener/ // und überführter Lästerer . . . erwiesen ist . . . Frankfurt a. M. . . . MDCXCVI. –: Die Wichtigkeit// der Verkündigung// des// Reichs Christi// und der// Ersten Auferstehung . . . Frankfurt a. M. 1696. –: Die// Ausbreitung// der Kirchen// in der letzten Zeit . . . Gegen// Herrn Christoph. Koch/ // Welcher das gesegnete Reich Christi feindselig verleugnet . . . Franckfurt und Leipzig . . . XCVII. –: Der Geist// Diotrephes,// der die Brüder nicht lieb hat . . . Berlin . . . MDCXCVII. –: Die// Harmonie// Der Gesichter// der Heiligen// Offenbahrung . . . Franckfurt a. M. . . . 1697. –: Der Geist// Deß// Wider=Christs/ // der da läugnet . . . In// Johann Peter Speeth/ // einem abtrünnigen Christen . . . MDCXCIX. [o. O.]. –: Das// Geheimniß der Gottseeligkeit/ // Christus in Uns// Die Hoffnung der Herrlichkeit . . . Franckfurt und Leipzig . . . 1700. –: Mysterion// Apokatastaseos panton,// Das ist:// Das Geheimniß// Der// Wiederbringung aller Dinge . . . 1700. [o. O., Bd. 2, 1703; Bd. 3, 1710]. –: Der Sinn des Geistes/ // aus dem gantzen sechsten Capitel// Des Propheten Esaiae// In einer oeffentlichen Predigt . . . vorgestellet . . . Franckfurt und Leipzig . . . 1701. –: Untersuchung/ // Ob// Herr Gottfried Arnold// In der Ubersetzung// Nachfolgender Worte . . . Allezeit das Wort Gottes viel reiner vorgetragen . . . Franckfurth am Mäyn/ 1701. –: Gründliche// Antwort// auff . . . Johann Wincklers . . . Vorrede// über des seligen Herrn Horbii// Passions=Predigten . . ., in: Mysterion Apokatastaseos 2, 1703. –: Untersuchung// Der// Gründe/ // Die ein// Prediger zu Essen// Gegen den mittleren Zustand// der Seelen// nach dem Tode . . . herbeygebracht . . . 1705. [o. O.]. –: Die gantze// Oeconomie// Der// Liebe GOttes// in Christo/ // Nach ihrer Breite und Länge/ // Tieffe und Höhe . . . 1707. [o. O.]. –: Das// Geheimniß// Des// In der letzten Zeit// gebährenden// Apocalyptischen Weibes/ // Mit welchem eine// Neue Kirchen=Zeit// angehet . . . Franckfurt . . . MDCCVIII. –: Freymüthige Anrede// An den// Hochgebohrnen// Reichs=Grafen// von Promniß=Sorau/ // und an die Gemeine// daselbst . . . Franckfurt und Leipzig . . . 1708. –: Unfug// Zweyer Superintendenten// zu Zerbst und Sorau/ // Herrn D. Feustkings/ // Und// Neumeisters . . . Berlin . . . 1709.
Gedruckte Quellen
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–: Das Geheimniß// Des// Erst=Gebohrnen// aller Creaturen// Von// Christo Jesu// Dem Gott=Menschen . . . Franckfurt . . . 1711. –: Die schon für GOTT// Geschehene Wiederbring=//gung aller Dinge . . . Franckfurt am Mayn . . . 1715. –: Beweiß// Der// Allgemeinen// Erbarmung// unsers GOttes// in Christo JEsu . . . 1716. [o. O.]. –: Die der gantzen Welt// jetzt=bevorstehende// Stunde// der// Versuchung,// Aus den Worten Christi in der H. Offen=//bahrung . . . [1717, o. O.]. –: Der Mystische// Joseph/ // Da// Aus dem Leben Josephs/ // nach der Ordnung des Mosaischen// Textes . . . Der Mystische Sinn auff Christum . . . deducirt und erwiesen wird . . . Franckfurt am Mayn . . . MDCCXVII. –: Das Leben Jo. Wilhelmi Petersen,// Der Heil. Schrifft Doctoris . . . 1717. [o. O.]. –: Zeugniß der Warheit/ // Von der// Wiederbringung// aller Dinge/ // Wieder einen// Retrolapsarianern . . . Franckfurt am Mayn . . . 1718. –: Lebens=Beschreibung// Johannis Wilhelmi Petersen,// Der Heiligen Schrifft Doctoris . . . 1719. [o. O.]. –: Das// Geheimniß// der siebenden// Posaunen/ // Entdecket . . . In den Tagen der Stimme des siebenden En=//gels . . . Franckfurt und Leipzig . . . 1719. –: Jesus Christus,// Gestern und Heute, und derselbige in Ewigkeit,// Das A, und das O,// Der Erste, und der Letzte . . . Franckfurt am Mayn . . . 1721. –: Meiner theuren und gottseligen// Ehe=Liebsten// Fr. Johannä Eleonorä// Petersen . . . Heimgang zu Christo JEsu,// ihrem Könige und ihrem Bräutigam . . . Leipzig [1724]. –: Petachia,// Oder// Schrifftmäßge Erklärung/ // des Geistreichen und recht gesalbeten Buchs// Der Weisheit// Salomonis . . . Büdingen 1727. –: Vollständige// Erklärung// Des// Hohen Liedes// Salomonis . . . Büdingen . . . 1728. –: Kurtze Abfertigung// Wider eine falsche Ablehnung// der Auflagen,// die ein Prediger zu Nieder-//Dodeleben// gegen meinen// Lebens=Lauff// aufgesetzet hat . . . [o. O., o. J.]. –: Bekräfftigung// Des// Ewigen Evangelii// von der// Wiederbringung aller Dinge . . . [o. O., o. J.]. –: Die// Hochzeit// Des// Lammes und der Braut/ // Bey// Der herannahenden// Zukunfft Jesu Christi . . . Offenbach am Mäyn . . . [o. J.]. Pfeiffer, August: Acht// Catechismus=Predigten// Von der// Besserung// des heutigen// Christenthums . . . Rostock . . . 1693. –: Sceptiscismus Spene-//rianus Tripartitus,// Oder// Gründlicher// Beweiß// Daß Hr. D. Phil Jac. Spener in// Außlegung der H. Schriffft . . . ungewiß und zweiffelhaft verfahre . . . Ratzeburg . . . 1696. –: Klugheit// der// Gerechten/ // Darinnen/ // in acht Catechismus Predigten / // denen Eltern gezeiget wird . . . Lübeck und Leipzig 1697. Pistorius, Johann Werner: Das ewige// Zorn=Gerichte// Gottes/ // In der unaufhörlichen// Höllen=Pein/ // Welches// Die verdamten Teuffel und Menschen// am jüngsten Tage . . . ewig treffen wird . . . Magdeburg 1700. Pordage, Johannes: Sophia:// das ist/ // Die Holdseelige ewige Jungfrau der// Göttlichen Weisheit:// oder// Wunderbahre Geistliche Entdeck=und Offen=//bahrungen . . . Amsterdam . . . 1699. Poiret, Pierre: Die// Klugheit der Gerechten/ // Die Kinder// Nach den wahren Gründen// des Christenthums von der Welt// zum Herrn zu erziehen . . . Altona [1693].
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Gedruckte Quellen
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Sekundärliteratur
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Register Register
Register Die Namen Johanna Eleonora Petersen, geb. von Merlau, und Johann Wilhelm Petersen werden nicht nachgewiesen. Achilles, Andreas 104 Adam (biblisch) 197, 230, 270, 277, 302, 305 Agnes 137 Agrippina 67 Alberti, Valentin 196 Alfingius, Jacobus 271 Alstedt, Johann Heinrich 234, 270 Altenau, M. (Pastor) 119 Ambrosius 210, 246, 281, 312 Andreä, Johann Valentin 209, 235 Anna (biblisch) 167 Anselm von Canterbury 210 Anton, Paul 345 Apelles 304 Apollinaris von Laodicea 304 Aquila (biblisch) 139 Arndt, Johann 23, 48, 50, 53, 59, 119, 192, 204f, 207–211, 213, 224, 228, 254, 267, 305f, 311, 331 Arnold, Anna Maria, geb. Sprögel 13, 109 Arnold, Gottfried 13, 16, 21, 29, 34f, 55f, 64f, 78, 90, 97f, 102, 105, 109, 113f, 116, 127, 140–142, 145–147, 151, 154, 156, 164–166, 168, 171, 176, 182, 193f, 203, 207, 219, 224, 228, 233, 263, 282, 286f, 294, 300, 316, 337f, 345f Asseburg, Juliane Rosamunde von 30, 49, 85, 90–92, 94, 99f, 109, 112f, 124, 127, 146f, 151, 154, 196, 232, 237f, 244, 246, 270, 324 Augustinus 210, 234, 236, 246, 281, 336 Baar, Mirjam de 68 Bader, Christina Regina 244 Banse, Joachim Reinhold 101 Banz, Paul Achatius 207 Barth, Christoph 107
Barth, Johann M. 107 Barth, Karl 273 Barthut, Christoph 97 Bathurst, Anne 182 Basilides 304 Basilius d. Gr. 210 Baumgarten, Jacob 158 Baur von Eyseneck, Johann Vincenz 58f, 65 Baur von Eyseneck, Maria Juliana, geb. von Hynsperg 58–63, 65, 67, 73f, 77f, 136, 140, 178, 228 Bayly, Lewis 206 Becker, Johanna Eleonora 127 Becker-Cantarino, Barbara 29, 31, 33 Beckmann, Detlef 84 Bengel, Johann Albrecht 90, 169, 271, 295 Bernhard von Clairvaux 185, 187, 193, 202, 207, 210, 281 Betke, Heinrich 89, 144, 211, 245, 306 Betke, Joachim 173 Beyreuther, Erich 17, 21 Bierbrauer, Johann Jakob 81 Birken, Sigmund von 133 Björn, Olaus (oder Claus) 108, 144 Blackwell, Jeannine 21, 31 Blanckenhagen, Justus 66, 83 Blanckensee, Joachim Friedrich von 48, 56 Blandina 137 Blaufuß, Dietrich 25 Bleibel, Paul 81 Blümler, Benjamin 106–108, 158, 347 Blumhardt, Johann Christoph 196 Block, Samuel 118 Böhme, Jakob 18, 24, 26, 75, 98, 100, 177, 179, 182, 197, 202f, 210, 230,
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Register
232, 270, 272–274, 276, 284, 291, 305, 314 Bonaventura 210 Bora, Katharina von 151 Bourignon, Antoinette 16, 21, 68, 70, 98, 122, 131, 140–142, 144f, 167, 181f, 235, 252, 267, 270, 273, 294, 305, 338, 353 Brahe, Tycho 270 Brandenburg, Friedrich Wilhelm, Kurfürst von 96–98, 100 Brandenburg, Johann Sigismund, Kurfürst von 96, 334 Brandenburg, Sophie Charlotte, Kurfürstin von 99, 308 Brandenburg, Friedrich III., Kurfürst von, s. Friedrich I., König von Preußen Brant, Sebastian 258 Braunschweig-Wolfenbüttel, Anton Ulrich, Herzog von 93 Braunschweig-Wolfenbüttel, August, Herzog von 296 Braunschweig-Wolfenbüttel, Rudolph August, Herzog von 93 Brecht, Martin 204, 223, 235 Breckling, Elisabeth, geb. Kruse 143 Breckling, Friedrich 36, 75, 89, 93f, 108, 112, 114, 141, 143f, 146f, 153, 162, 173, 245f, 257, 259, 271, 275, 280, 291f, 301, 331 Breithaupt, Justus 94, 345 Brettwitz, N.N. von (Kornett) 47, 54 Brightman, Thomas 234, 259 Brodthagen, Michael 238 Brückner, Georg Heinrich 108 Brummerin von Bährenfeld, Eleonora Sybilla 127, 136 Büchel, Anna vom 87, 252 Bücher, Friedrich Christian 35, 66, 149–151, 153, 260–263, 292f, 313 Bucer, Martin 65 Buddeus, Johann Franz 315 Bulgakow, Sergej 272 Bunyan, John 206, 233, 337 Buttlar, Eva von 22, 87, 116, 151f, 270, 313, 319f Calenberg, Anna Sidonia von 151f Calenberg, Charlotte von 152 Calenberg, Clara von 152
Calenberg-Göttingen, Elisabeth, Herzogin von 172, 205 Calixt, Georg 270 Calvin, Johannes 195, 272, 334 Campanella, Thomas 270 Canstein, Carl Hildebrand von 12, 348 Capannin, Margarethe 127 Carpzov, Johann Benedikt 90, 151, 206 Castellio, Sebastian 270 Claudius, Matthias 48 Clemens von Alexandrien 210 Coccejus, Johannes 233, 259, 270f Comenius, Johann Amos 235 Corrodi, Heinrich 146, 248 Cort, Christian de 141 Corvinus, Antonius 130 Corvinus, Johann Friedrich 346 Crophius, Johann Benedikt 94, 166 Culpis, Sophia Margarethe von 72, 127 Cunitz, Maria 129 Cyprian, Ernst Salomo 106, 140 Dacier, André 129, 139 Dacier, Anne 129, 139 Dalwig, Anna Gertrud von 178 Danckelmann, Cecilie J. Eberhardine von, geb. von Morrien 99 Danckelmann, Eberhard von 99, 347 Daniel (biblisch) 181 Dannhauer, Johann Conrad 202 Debora (biblisch) 144, 167, 198, 257 Denck, Hans 272 Deppermann, Andreas 50f Dhaun-Falckenstein, Charlotte Auguste, Gräfin von 74 Diemar, Marie Sophie Eleonore von 81 Dilfeld, Georg Conrad 163f Dilherr, Johann Michael 51, 135 Dimpel, David Christian 34 Dionysia 137 Dionysius Areopagita 207, 267, 312 Dippel, Johann Konrad 24, 102, 108, 151, 154, 215, 249, 258, 273, 305, 337 Dittmar, Johann 106f, 113 Dobenecker, Catharina Margaretha 133 Döring, Detlef 100 Dörtenbach, Dorothea 127 Dornfelden, Charlotte Auguste Philippina von, geb. von Merlau 38, 61, 227, 231
Register Dornfelden, Johann Reinhard von 61, 81, 227 Dorre, Philip J. 232 Drechsel, Veit 44 Durie, John 308 Eberti, Johann Caspar 131 Edelmann, Johann Christian 78, 273 Edzardi, Esdras 151 Egard, Paul 192 Eilmar, Georg Christian 153, 160, 170f, 180, 263 Elers, Heinrich Julius 56, 105, 116, 170 Elia (biblisch) 181 Eller, Elias 87 Engelbrecht, Hans 232 Engelschall, Carl Gottfried 33, 145, 257, 290, 324, 345, 348 Ephräm der Syrer 312 Erxleben, Dorothea 129 Eulalia 137 Eunike (biblisch) 136 Eustochium 137 Eva (biblisch) 26f, 199, 277, 302, 313, 321 Evodia (biblisch) 175 Faber du Faur, Curt von 353 Falckenstein, Charlotte Auguste, Gräfin von, s. Dhaun-Falckenstein, Charlotte Auguste von Falckner, Daniel 105 Fecht, Johann 95, 151f Felgenhauer, Paul 305 Felicitas 137 Fell, Margaret 73 Fellenberg, N.N. (Frau) 105 Fende, Christian 67, 74, 77f, 108 Fénelon, Francois de Salignac de la Mothe 147, 206 Feustking, Johann Heinrich 16, 29, 32, 70, 104, 110, 132, 145–148, 151–153, 167f, 171, 180, 194–197, 212, 223, 243f, 247, 260–262, 286–288, 292f, 307 Filesacus, Johannes 137 Fischer, Johann 65, 100, 209, 293, 346 Fischer, Loth 112, 182 Fischlin, Ludwig Melchior 292, 315 Flavia Domitilla 137 Florensky, Pawel 272
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Fox, George 73, 233 Francisci, Erasmus 209 Franck, Sebastian 305 Francke, Anna Magdalena, geb. von Wurm 13, 59f, 64, 80f, 136, 138, 156 Francke, August Hermann 12f, 21f, 36, 52, 56, 59f, 62, 71, 79–81, 85, 88–91, 93f, 97, 99, 102, 104f, 108, 111, 114– 116, 118, 128, 130, 138, 155f, 161, 176, 193, 195, 206f, 210, 214f, 217f, 224, 227, 229–231, 256, 258, 271, 277f, 288, 292, 300, 308f, 315, 337, 339, 344, 348, 352 Francke, Gotthilf August 13, 64, 102, 111, 119f Fresen, N.N. von (Herr) 343 Freud, Michael 45 Freylinghausen, Johann Anastasius 87, 122, 137 Freytag, Gustav 26 Friedeborn, Anna Catharina von 81 Friedrich I., König von Preußen 96–102, 245, 293, 303f, 308, 312, 347, 353 Friedrich Wilhelm I., König von Preußen 71, 97, 102, 158 Fritsch, Ahasver 18 Frölich, Eva Margarethe 131, 162, 188, 195, 197, 199, 252 Frohn, Johann Adolph 170, 263, 271 Frydag, Hedwig Oriana, Freiin von, s. Knyphausen, Hedwig Oriana von Fuchs, Paul von 99, 293 Fürstenwald, Maria 33f Furly, Benjamin 117 Gäbler, Ulrich 300, 357 Gebhardi, Brandanus Henricus 315 Geier, Martin 51 Gerhard, Johann 204f Gerhard, Ludwig 294f Gerhard, N.N. (Hofrat) 343 Gerhardt, Paul 97, 110 Gersdorf, Henriette Katharina von, geb. von Friesen 12, 65, 101, 136f, 144 Gertrud von Helfta 16, 186 Geusau, Johanna Ursula von 48, 103 Gichtel, Johann Georg 13, 36, 74f, 95, 112, 141, 177, 182, 252, 256, 274–276, 299, 301, 313, 346 Glüsing, Johann Otto 256, 282
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Register
Gmelin, Wilhelm Christian 36 Goeze, Johann Melchior 352 Gottsched, Luise Adelgunde V. 142f Gregor d. Gr. 210 Gregor von Nazianz 210, 272, 312 Gregor von Nyssa 272f Greiffenberg, Catharina Regina von 13f, 51, 64, 93, 133, 140, 157, 174, 186, 190, 198, 205f Großgebauer, Theophil 174 Gruber, Eberhard Ludwig 114 Grumbach, Argula von 15, 147, 166, 172 Güldin, Samuel 105 Guglielmetti, Prisca 32 Guyon, Jeanne-Marie 21, 31, 68, 140– 142, 147, 154, 181, 183, 206f, 209, 316, 337, 339 Härtel, Jacob 301 Hanna (biblisch) 136, 188, 198 Hanneken, Philipp Ludwig 70, 162 Hardt, Hermann von der 36, 93 Harff, Johann 343 Harsdörffer, Georg Philipp 133 Hattenbach, Johann Salomo 104 Haug, Johann Friedrich 316 Hedinger, Christina Barbara 22 Hedinger, Johann Reinhard 244, 256 Heiler, Günther 82, 343 Heilmann, Georg 42 Heinrich, Johann 224 Henckel, Christoph 264 Henckel, Erdmann Heinrich, Graf von 21, 338 Herdegen, Johann 134, 348 Hessen-Darmstadt, Anna Sophia, Landgräfin von 140, 205 Hessen-Darmstadt, Ernst Ludwig, Landgraf von 102 Hessen-Darmstadt, Ludwig V., Landgraf von 42f Hessen-Homburg, Anna Elisabeth von 39, 82 Hessen-Homburg, Anna Margaretha von, s. Holstein-Sonderburg, Anna Margaretha von Hessen-Homburg, Christine Wilhelmine von 44, 308 Hessen-Homburg, Friedrich I., Landgraf von 42
Hessen-Homburg-Bingenheim, Wilhelm Christoph, Landgraf von 39, 49 Hessen-Kassel, Karl, Landgraf von 170 Heyl, Samuel 32, 302 Hieronymus 136, 138, 210, 246, 273 Hildegard von Bingen 131 Hinckelmann, Abraham 235 Hoburg, Christian 210f, 216, 223, 230, 252, 270, 306, 309, 355 Hochmann von Hochenau, Ernst Christoph 95, 109, 177f, 273 Hoffmann, Melchior 304, 311 Hoffmann, N.N. (Mitbewohner J.G. Gichtels) 75 Hogel, Emanuel 89 Holstein-Gottorf, August Friedrich, Herzog von 84, 213 Holstein-Gottorf, Christina, Herzogin von 213 Holstein-Sonderburg, Anna Margaretha, Herzogin von, geb. von HessenHomburg 42–45, 49, 349 Holstein-Sonderburg, Friedrich, Herzog von 56f Holtstein-Sonderburg, Carl Ludwig von 54 Holstein-Sonderburg, Leopold, Herzog von 56f Holstein-Sonderburg, Magdalene Sophie von 57 Holstein-Sonderburg, Philipp Ludwig, Herzog von 42–44, 49, 56f Holstein-Sonderburg, Sophie Elisabeth von, s. Sachsen-Zeitz, Sophie Elisabeth von Holstein-Sonderburg, Wilhelm Christian von 54 Hoogwant, Anneken 140 Horb, Johann Heinrich 72, 93, 163, 288 Horche, Heinrich 36, 51, 105, 123, 128, 150, 154, 179, 233, 248f, 252, 287f, 301, 317, 319–322 Horn, Franz 348f Hoyers, Anna Ovena 41, 141, 262 Hrotsvitha von Gandersheim 186 Hugo von St. Victor 210 Hugo, Hermann 209–211, 225 Hulda (biblisch) 167 Hynsperg, Achilles von 58 Ingen, Ferdinand von 134
Register Ingolstätterin, Regina 135 Inn- und Knyphausen, Dodo II. von, s. Knyphausen, Dodo von Irenäus von Lyon 281 Isaak der Syrer 272 Ittig, Thomas 151 Jael (biblisch) 144, 257 Jablonski, Daniel Ernst 308 Jahn, Anna Margaretha 104f, 148, 154 Jamblich 150 Jeanne d’Arc 131 Joachim von Fiore 255 Jöcher, Christian Gottlieb 132f Johannes Chrysostomos 71, 210, 246, 281 Johannes Scottus Eriugena 272 Joris, David 273 Joseph (biblisch) 326f Julitta 137 Juncker, Christian 130 Jung, Martin H. 14, 22, 33, 82, 190, 203, 295, 303 Jung-Stilling, Johann Heinrich 295, 343 Jurieu, Pierre 271 Justin der Märtyrer 234, 248 Justinian (Kaiser) 272 Kaim, Paul 207 Kanne, Johann Arnold 348 Karl, Bernhard Peter 98, 219f, 223, 286 Karsawin, Leo 272 Katharina von Alexandrien 130 Katharina von Genua 132 Kempe, Anders Peterson 305 Kerinth 234 Kißner, Anna Elisabeth, geb. Eberhard von Schwind 13, 47, 52, 73, 76, 80, 89, 102, 108, 146, 149, 225 Kißner, Elisabeth 80 Kißner, Johannes 73, 80 Kittsteiner, Heinz D. 273, 299 Klaj, Johann 133 Knyphausen, Dodo von 93, 98f, 101, 112, 274f, 343 Knyphausen, Hedwig Oriana von, geb. Freiin von Frydag 98 Koch, Christian Gottlieb 100, 258–260, 270 Koch, Christoph 100, 124f, 258, 260, 270 König, Samuel 95, 104f, 114, 323
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Köpke, Balthasar 146f, 153, 219f, 331 Koepp, Wilhelm 305f Konert, Christoph 331 Konstantin (Kaiser) 146, 247, 266 Kortholt, Christian 36, 46, 85, 137f, 144, 183, 211f, 216–218, 220, 224, 226, 238 Kortholt, Sebastian 137 Koseritz, Susanne Eleonore von 56 Krause, Michael Ehrenfried 57 Krauter-Dierolf, Heike 277 Kriegsmann, Wilhelm Christoph 77 Küster, Henrich Bernhard 312 Kugelmann, Johanna 55 Kuhlmann, Quirinus 87, 144 Kuhlmann, Rosina 87 Labadie, Jean de 68, 88, 153, 220, 233, 235, 337 Laktanz 234, 247f Lampe, Friedrich Adolph 81 Lange, Joachim 40, 128, 235, 271, 337, 345 Lange, Johann Christian 89f, 94f Langin, Dorothea 135 Launoy, Bonaventura de 127 Lauter, Barbara Cordula von 48, 81 Leade, Jane 30f, 49, 95, 98, 103, 112f, 115, 117, 124, 140–142, 144, 154, 177f, 181f, 196–199, 201, 203, 233, 235, 249, 252, 254, 270f, 273–277, 280, 289, 299, 314, 343, 356 Lee, Francis 232 Lehman, J. (Bürgermeister) 157 Lehms, Georg Christian 131f Leibniz, Gottfried Wilhelm 131, 136, 308, 324 Leiningen, Amalia Hedwig von 36 Lersner, Heinrich Ludwig von 60 Lichtscheid, Ferdinand Helferich 279, 291f, 294 Liebezeit, Gottfried 302 Lindau, Elisabeth von 54 Lindau, N.N. von (Jungfer) 76 Linekogel, Johanna 85f, 341 Linekogel, Johann Christoph 85f, 341 Lobwasser, Johannes 271 Lochmeier, N.N. (Witwe) 105 Löscher, Valentin Ernst 33, 109, 151, 153f, 279, 294, 298, 315 Löwenstein, Anna Catharina 75f
428
Register
Löwenstein, N.N., Baron von 109 Lois (biblisch) 136 Lotzer, Sebastian 172 Ludolf, Hiob 63 Lüders, Justus 60 Lütkemann, Johann 204 Luft, Stefan 29f, 33, 312 Luther, Martin 32, 40, 128, 147, 157, 159f, 162, 169f, 172, 174, 185, 192, 201f, 204, 215, 218, 223, 229, 231, 245, 256, 258, 262, 270, 282f, 285f, 292, 296, 334 Lydia (biblisch) 136 Mahler, Anna Catharina 136 Mahler, Peter 81 Mahrholz, Werner 26 Marcella 132, 136–138, 140 Marcion 304 Maria (biblisch) 136, 187f, 198f, 252f, 305, 326f, 334 Marperger, Bernhard Walther 261 Marquard, Johann Philipp 114 Marsay, Hector de 152 Martha (biblisch) 136, 240 Mathesius, Johannes 137 Matthias, Markus 17, 28–30, 32f, 48, 79, 90, 118, 122, 210f, 220, 236, 258 Maximilla 145–147 May, Catharina 89 Mayer, Johann Friedrich 91, 111, 118, 151, 153, 171, 207, 218, 235, 258, 270, 292f Mecklenburg-Güstrow, Augusta, Prinzessin von 105, 294 Mede, Joseph 234, 259, 270 Melanchthon, Philipp 173, 215 Melber, Agnes Barbara 127 Melchior, Anna Maria 127 Melchisedek (biblisch) 177f, 320 Merck, Adolf Siegfried 158 Mercker, Johannes 298 Merlau, Albert Otto von 40 Merlau, Charlotte Augusta Philippina von, s. Dornfelden, Charlotte Augusta Philippina von Merlau, Christina Maria Philippina von, s. Praunheim, Christina Sybilla Maria Philippina von
Merlau, Georg Adolph von 38f, 42, 55– 57, 61, 81f Merlau, Maria Sabina, geb. Ganß von Utzberg 38–40, 346 Merlau, Philippina von 40, 227 Meschmann, N.N. (Herr) 257 Meurer, Johann Christoph 158 Meyer, Barthold 93 Meyer, Georg 88, 243 Meyfart, Johann Matthäus 283 Michael (biblisch) 181 Miege, Friedrich 342 Miersemann, Wolfgang 119 Mirjam (biblisch) 136 Molière, Jean-Baptiste 350f, 352f Molinos, Miguel de 206f Moller, Johannes 132 Monica 137 Montanus 147 Morata , Olympia Fulvia 64 Morrien, Cecilie J. Eberhardine von, s. Danckelmann, Cecilie J. Eberhardine von Morus, Thomas 259 Mosting, H. (Illustrator) 210 Müller, Barbara Juliana 133 Müller, Heinrich 137, 167, 193, 204 Müller, Johann Daniel 245 Müller, Reinhard 33 Mylius, Christoph 35, 132 Nero (Kaiser) 67 Neubauer, Georg Heinrich 56, 112 Neumeister, Erdmann 14, 109, 137, 151, 153, 205, 295, 348 Nicolai, Philipp 173, 216 Niederstetten, Maria Elisabeth von, geb. Olearius 137 Nikolaus von Kues 270 Nitschmann, Anna 82 Nordmann, Walter 27f Nützel, Anna Maria 133 Ochsenstein, N.N., Baron von 134 Oelgard von Burchersrode, Lucia, Freifrau von, geb. Gräfin von Ranzau 127 Oetinger, Friedrich Christoph 63, 78, 295 Okely, Francis 231f Omeis, Anna Maria 135
Register Omeis, Magnus Daniel 36, 134f Origenes 210, 272f, 281, 295 Osiander, Andreas 215, 325 Ostfriesland, Christine Charlotte, Fürstin von 98 Pagencopen, Christian 301 Pape, C. (Kriegs-Sekretär) 96, 119f Pape, N.N. (Oberamtmann) 96 Paracelsus, Philippus A.T. Bombastus von Hohenheim 254, 270, 305 Parsky, Johann 44 Pastorius, Franz Daniel 74 Paula 137 Pauli, Oliger 127 Paulinus von Nola 210 Paullini, Christian Franz 131 Paulus (biblisch) 159–161, 163–168, 172, 174f, 191f, 194, 196f, 201, 217–219, 227, 340 Penn, William 36, 69, 73f, 76 Peringer, Diepold 172 Persis (biblisch) 175 Petersen, August Friedrich 84–86, 88, 107, 117–119, 225, 328, 341f, 346 Petersen, Heinrich 107, 114, 118, 347 Petersen, Johanna, geb. Carlier 118, 328, 346 Petrus (biblisch) 195 Pfalz, Elisabeth, Prinzessin von der 88 Pfalz, Karl I. Ludwig, Kurfürst von der 77 Pfalz-Simmern, Karl I. von 246 Pfalz-Simmern, Wilhelmine Ernestine von 246 Pfeiffer, August 104, 151, 156, 243, 258 Philo von Alexandrien 66 Phöbe (biblisch) 134f, 168, 175 Pistorius, Johann Werner 279, 291 Plato 312 Plotin 312 Poiret, Pierre 68, 141f, 144, 166f, 305, 337f, 353 Poniatovka, Christina 31 Pordage, John 182, 203 Porst, Johann 99, 208, 308 Prätorius, N. (Frau) 104 Praunheim, Anna Elisabeth Eleonora Magdalena von 61, 83, 343
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Praunheim, Christina Sybilla Maria Philippina von, geb. von Merlau 61, 227, 231, 343 Praunheim, Johann Heinrich Wilhelm von 61, 227, 343 Presson, Andrea 209 Prisca (biblisch) 72, 139, 162, 167, 175 Priscilla 146f Proba Falconia 132 Promnitz-Sorau, Erdmann II., Graf von 109 Pufendorf, Samuel von 98 Pythagoras 312 Quadt, Anna Elisabeth von 72 Rabus, Ludwig 172 Rahel (biblisch) 253 Rechenberg, Hans von 286 Redegett, Friedrich von 106 Regelein, Christoph Michael 118 Regelein, Johann Friedrich 118 Reibnitz, Anna Magdalena von 184 Reichenbach, Marie Sophie von, geb. von Friesen 92, 113, 127 Reiser, Anton 352 Reiske, Ernestine Christine 129 Reitz, Johann Henrich 20f, 137, 154, 225, 336–338 Reumann, Joachim 212 Reuß-Ebersdorf, Benigna Marie, Gräfin von 56 Reuß-Ebersdorf, Erdmuthe Benigna, Gräfin von, geb. von Solms-Laubach 47 Reuß-Ebersdorf, Erdmuthe Dorothea, Gräfin von, s. Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea von Reuß-Ebersdorf, Heinrich X., Graf von 47 Reuß-Greiz, Heinrich II., Graf von 108 Reuß-Schleiz-Köstritz, Heinrich XXIV., Graf von 109, 123 Richardi, Otto 67, 76 Richsner, Ulrich 172 Richter, Christian Friedrich 56 Ritschl, Albrecht 20, 23f, 27f, 264, 272 Rock, Johann Friedrich 114, 337 Rodt, Niklaus von 105 Rosenbach, Johann Georg 16, 18, 154, 162
430
Register
Roth, Albrecht Christian 156 Ruth (biblisch) 262f Sachsen, Anna Sophia, Kurfürstin von 148, 246f Sachsen, Johann Georg III., Kurfürst von 43, 246 Sachsen-Gotha, Friedrich II., Herzog von 110 Sachsen-Gotha, Magdalene Sybille, Herzogin von, geb. von SachsenWeißenfels 343 Sachsen-Weimar, Susanna, Herzogin von 205 Sachsen-Weißenfels, Anna Maria, Herzogin von, geb. von MecklenburgSchwerin 213 Sachsen-Weißenfels, August, Herzog von 100, 213 Sachsen-Zeitz, Sophie Elisabeth, Herzogin von, geb. von Holstein-Sonderburg 32, 36, 48, 50, 53, 55, 57, 76f, 115, 178, 353f Sachsen-Zeitz, Moritz, Herzog von 48 Sachsen-Zeitz, Moritz Wilhelm, Herzog von 108 Sagittarius, Caspar 138, 185 Sandhagen, Johann Gabriel 196 Sandhagen, Kaspar Hermann 87f, 237, 325 Sara (biblisch) 86 Sayn-Wittgenstein, Casimir, Graf von 316 Sayn-Wittgenstein, Christiane Luise, Gräfin von 81 Schade, Johann Caspar 59, 102, 128, 151, 340 Schäfer, Johann David 294 Scharschmied, Anna Katharina 35, 136, 154 Scharschmied, Christian Friedrich 136 Schelwig, Samuel 81, 102, 148f, 151, 153, 169, 229, 263 Schering, Ernst A. 26 Schilling, Johann Andreas 90, 94, 105 Schleebusch, Anna Elisabeth von, geb. von Eickin 14, 154, 156f, 171, 184, 205, 253, 320 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 273, 295 Schlözer, Dorothea 129 Schmidt, Martin 17, 30, 35, 215, 224, 231
Schmidt, Tobias 212 Schneider, Hans 22, 25, 81 Schnorr, Hans Veit 56 Schnorr, Zacharias 48 Schnorr, N.N. (Witwe) 48 Schönichen, Georg 172 Schoeps, Hans-Joachim 304 Schrader, Hans-Jürgen 106f, 253, 261 Schreiber, Eva Maria 127 Schröer, Samuel 258 Schröter, Christoph 157 Schröter, Wilhelm Ulrich 157 Schuchart, Anna Maria 148 Schütz, Catharina Elisabeth, geb. Bartels 82, 108 Schütz, Christoph 294, 338 Schütz, Johann Jakob 24, 36, 50–52, 58, 65, 67f, 74, 76–78, 80f, 211, 223, 231, 235, 302, 306, 337, 343 Schütz, Maria Katharina 78 Schult, Juliana Patientia 65 Schurman, Anna Maria van 12, 29f, 36, 64, 68, 88, 129, 131, 181–183, 271, 337, 342f, 345 Schwartz, Adelheid Sybille 94, 99, 104f, 144 Schwartz, Johann Friedrich 104 Schwartz, Johann Heinrich 104 Schwartz, Josua 86 Schwarzburg-Rudolstadt, Ämilie Juliane, Gräfin von 64, 206 Schwarzburg-Rudolstadt, Ludämilie, Gräfin von 206 Schweinitz, Georg Rudolf von 100 Schwenck, Johann Jakob 43f, 52, 57 Schwenckfeld, Kaspar von 117, 172, 304f, 311 Scriver, Christian 49, 204 Seebach, Christoph 266, 280 Seneca 345 Seidenbecher, Georg Lorenz 259, 270 Selneccer, Nikolaus 270 Servet, Michael 305 Siegvolck, Georg Paul 280, 292 Simon Magus (biblisch) 168 Simons, Menno 304 Sittmann, Margaretha 127 Solms-Laubach, Benigna, Gräfin von 45–47, 136, 213, 353
Register Solms-Laubach, Erdmuthe Benigna, Gräfin von, s. Reuß-Ebersdorf, Erdmuthe Benigna von Solms-Laubach, Friedrich Ernst, Graf von 46 Solms-Laubach, Johann Friedrich, Graf von 45f Solms-Laubach, Magdalene Wilhelmine, Gräfin von 81, 178 Solms-Rödelheim, Eleonora, Gräfin von 42, 343 Sophie Luise, Königin von Preußen 45, 49, 99, 303f, 308 Sozzini, Fausto 310 Späth, Johann Peter 36, 87, 110, 149, 253 Spener, Philipp Jakob 12f, 18, 23f, 36, 41, 45f, 50–56, 58f, 61–72, 74–86, 89– 92, 94f, 97, 99f, 102f, 105, 107f, 110– 112, 119, 129, 132, 137–139, 141, 146, 149, 151, 153f, 156, 161–164, 169–171, 173–178, 180, 185, 192, 196, 202, 204, 206, 209, 211, 214f, 217, 219–222, 224f, 228f, 231, 233, 235–237, 239, 243f, 246f, 249, 258, 264, 267, 271, 277f, 282f, 288, 290– 292, 300, 302, 308, 310f, 313, 315, 317, 337, 342f, 344, 348, 352 Spener, Susanna 12f, 103 Spener, Wilhelm Ludwig 104 Sperling, Benedikt Sebastian 110 Spirgatis, Max 350 Spittler, Christian Friedrich 349 Sprögel, Anna Maria s. Arnold, Anna Maria Sprögel, Johann Heinrich 81, 136, 195 Sprögel, Margaretha Susanna 35, 136, 313 Stammer, Johann Friedrich von 59f Stammer, N.N. von (Stiftshauptmännin) 59f Stefan von Cronstetten, Justine Katharina von 60 Steinling, N.N. von (Kammer-Jungfer) 343 Stenger, Johann Melchior 48 Stilcken, Catharina Elisabeth 105 Stockfleth, Catharina Maria 133 Stockhausen, A.U. (Arzt) 157 Stolberg, Auguste Friederike, Gräfin von 81
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Stolberg-Gedern, Christine, Gräfin von 105 Storch, Johann 128 Stosch, Friedrich Wilhelm 101 Strassen, N.N. von der (Kammer-Sekretär) 343 Strauß, David Friedrich 295 Stryk, Samuel 151 Sturm, Beata 41, 59, 136, 176 Syntyche (biblisch) 175 Tabea (biblisch) 136 Tacitus 67 Taege-Bizer, Jutta 32, 47 Tanner, Fritz 26 Taube, Jacob 271 Tauber, Johann Daniel 350 Tauler, Johannes 68, 207, 210, 267 Temme, Willi 313 Tentzel, Wilhelm Ernst 128, 130 Teresa von Avila 132, 159, 229 Tersteegen, Gerhard 207 Teting, Nicolaus 305 Thomas von Kempis 207 Thomasius, Christian 94, 128, 130f, 151, 170, 225, 262 Tietz, Claudia 77 Titscher, Paul 117f Töchter des Philippus (biblisch) 139, 159, 167, 175, 196, 198 Töllner, Justinus 184, 195, 244f, 352 Tryphäna (biblisch) 175 Überfeld, Johann Wilhelm 75, 177 Uffenbach, Zacharias Konrad von 117 Undereyck, Margarete 72 Undereyck, Theodor 20, 72, 204, 305, 336 Urbich, Maria Elisabeth 36, 89 Veiel, Elias 235 Veltheim, Ursula Hedwig von 133 Vetter, Anna 21, 166 Victoria 137 Vilitz, Johann 173f Vitringa, Campegius 233, 271 Voetius, Gisbert 129, 137 Voss, Anna Sophia von 61 Wachenheim, Philipp Georg von 38
432
Register
Wächtler, Jacob 271 Walch, Johann Georg 153f, 306, 315 Walle, Jacob van de 73f Wallmann, Johannes 24, 215, 224, 235 Walther, Benjamin 116 Ward, Mary 162 Weigel, Valentin 24, 100, 174, 208, 254, 270, 272, 305, 311 Weinreich, N.N. (Frau), geb. Petersen von Greiffenberg 119f Weißenfeld, N.N., Baronesse von 134 Weller von Molsdorf, Jakob 51 Weltz, Justinian, Baron von 308 Wendt, Friedrich 81 Wierix, Antoon 210 Winckler, Johann 54–56, 70, 77, 91, 144, 184f, 198, 219, 235f, 287–290, 343, 353 Winkler, Tobias 72 Wolf, Johann Christian 117 Wolf, Johann Christoph 117 Wolf, Johann Joachim 95, 100, 179, 270, 291
Wolfart, Erasmus 306 Woods, Jean M. 33f Württemberg, Antonia, Prinzessin von 63 Wurm, Anna Magdalena von, s. Francke, Anna Magdalena Yvon, Pierre 16, 273 Zankow, Stefan 272 Zedler, Johann Heinrich 132f, 169 Zell, Katharina 15, 166, 172, 202 Ziegler, Clemens 172 Zierold, Johann Wilhelm 149f Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea, Gräfin von, geb. von Reuß-Ebersdorf 56, 64, 82 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig, Graf von 12, 20, 64, 71, 81, 108, 115–117, 139f, 167, 184, 203, 218, 269, 331, 335, 350, 353 Zunner, Johann David 36 Zwingli, Huldrych 172