Jüdische Bibelauslegung 9783846351352

Einzigartige Verflechtung von Kulturen In diesem Lehrbuch präsentiert Hanna Liss die Geschichte der jüdischen Bibelausle

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German Pages 700 [568] Year 2020

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Table of contents :
Cover
Impressum
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
Transkriptionsregeln
Einleitung
1. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegungstradition
2. Jüdische Bibelauslegung als Teil einer jüdischen Theologie
1. Kapitel: Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter
1.1. Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung
a. Die Bibel als Text und Schriftencorpus
b. Bibelauslegung in Qumran und im jüdischen Hellenismus
c. Von der Kompilationsliteratur zum Autor
d. Wo und wie beginnt das jüdische Mittelalter?
1.2. Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung
a. Der Beginn der philologischen und philosophischen Bibelauslegung
b. Die Herausforderung durch die karäischen Exegeten
c. Die spanischen Hebraisten und die philologische Exegese
1.3. Zusammenfassung
2. Kapitel: Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur
2.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Lateinische Bibelauslegung im christlichen Westeuropa
b. Die jüdischen Gelehrtenzentren im 11. und 12. Jahrhundert
c. Die handschriftliche Überlieferungstradition
d. Glossensammlungen als neue Form literarischer Vermittlung
2.2. Persönlichkeiten
a. R. Schelomo Jitzchaqi (Raschi; ca. 1040 – 1105)
b. R. Schema‘ja (ca. 1060 – 1130)
c. R. Josef ben Schim‘on (Qara; ca. 1050 – 1125)
2.3. Neue Zugänge
a. Bibelerklärungen ad litteram
b. Bündelung von Wissen – der Umgang mit dem Midrasch
c. Erste Anfänge literarischer Narrativität
d. Grammatik, Lexikographie und der Umgang mit der Masora
e. Die Anfänge der Historiographie
2.4. Zusammenfassung
3. Kapitel: Die Bibel als Literatur
3.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Übersetzungen als Wegbereiter des Peschat
b. Höfische Literatur und jüdische Exegese
3.2. Persönlichkeiten
a. R. Schemu’el ben Meïr (Raschbam; ca. 1088 – ca. 1158)
b. R. Eli‘ezer aus Beaugency (Mitte / Ende 12. Jahrhundert)
c. R. Josef ben Jitzchaq (‚Bekhor Schor‘; 1130 – 1200)
3.3. Neue Zugänge
a. Vom Übersetzen zum Erzählen
b. Die Emanzipation von Raschi
c. Auslegung als Rekomposition
d. Die Entstehung einer biblischen Literaturtheorie
e. Wissenschaftsdiskurse und polemische Attacken
f. Bibelstudium in feindlicher Umgebung
3.4. Zusammenfassung
4. Kapitel: Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit
4.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Der Beginn der christlichen Reconquista
b. Jüdische Bildungskultur in Spanien und der Provence
4.2. Persönlichkeiten
a. R. Avraham ben Meïr ibn Ezra (1089 – ca. 1165)
b. R. Josef Qimchi (Riqam; ca. 1105 – ca. 1170)
c. R. Mosche Qimchi (Remaq; st. ca. 1190)
d. R. David Qimchi (Radaq; 1160 – 1235)
e. R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières (Mitte / Ende 12. Jahrhundert)
f. Tanchum ben Josef ha-Jeruschalmi (ca. 1220 – 1291)
g. Menachem ben Schelomo ha-Meïri (1249 – 1316)
4.3. Neue Zugänge
a. Bibelwissenschaft in sefardisch-aschkenasischer Synthese
b. Die Zurückdrängung des Derasch
c. Texterstellung, Textkritik und Sprachwissenschaft
d. Der Beginn polemischer Auseinandersetzungen
e. Philosophische Bibelauslegung
f. Bibelauslegung in Krisenzeiten
4.4. Zusammenfassung
5. Kapitel: Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz
5.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Investiturstreit und innerkirchliche Entwicklungen
b. Die Entstehung der jüdischen Mystik im Rheinland
5.2. Persönlichkeiten
a. R. Jehuda ben Schemu’el he-Chasid (‚der Fromme‘; ca. 1150 – 1217)
b. R. El‘azar ben Jehuda von Worms (1165 – 1230)
5.3. Neue Zugänge
a. Die Bildungsverantwortung der Elite
b. Die dreiundsiebzig Tore der Weisheit
c. Die Schrift als offenbarungstheologische Grundlage
5.4. Zusammenfassung
6. Kapitel: Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie
6.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Die sog. maimonidische Kontroverse
b. Inquisition, Judenmission und Bücherverbrennung
c. Christlich-jüdische Zwangsdisputationen in Paris und Barcelona
6.2. Persönlichkeiten
a. R. Mosche ben Nachman (Ramban; 1194 – 1270)
b. Bachja ben Ascher (13. Jahrhundert)
6.3. Neue Zugänge
a. Das ‚Wesen des Glaubens‘ und die göttlichen Wunder
b. Der Weg der Wahrheit (ha-derekh ha-emet)
c. Die Bibel als corpus symbolicum des Göttlichen
d. Bibelauslegung nach dem vierfachen Schriftsinn
e. Biblische Geschichte als Ausdruck göttlichen Wirkens
f. Typologische Exegese als Gegenentwurf zur christlichen Theologie
6.4. Zusammenfassung
7. Kapitel: Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik
7.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Verfolgungen, Auswanderungen und Re-Organisationen
b. Gibt es eine jüdische Renaissance?
c. Die Bibel zwischen Poesie und Kriegskunst
d. Privater jüdischer und öffentlicher nicht-jüdischer Raum
e. Die Bibel als enzyklopädisches Handbuch
f. Der Siegeszug des hebräischen Buchdrucks
7.2. Persönlichkeiten
a. Jehuda ben Jechi’el Messer Leon (ca. 1420 – ca. 1497)
b. Don Jitzchaq Abravanel (1437 – 1508)
c. Ovadja Sforno (1468 / 73 – 1550)
d. Elijjahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi (1469 – 1549)
e. Azarja (Bonaiuto) ben Mosche dei Rossi (ca. 1511 – ca. 1578)
f. Abraham ben David Portaleone (1542 – 1612)
g. Menachem ben Jehuda de Lonzano (ca. 1555 – ca. 1624)
h. Jedidja Salomon Raphael ben Abraham Nortzi (1560 – 1626)
i. Uriel da Costa (1583 / 84 – 1640)
j. Baruch Spinoza (1632 – 1677)
7.3. Neue Zugänge
a. Die universale Weisheit der Bibel
b. Biblisches Recht als gesellschaftspolitischer Maßstab
c. Bibelauslegung und Naturwissenschaft
d. Die Bibel als Maßstab für Kunst und Kultur
e. Biblische Historiographie und Archäologie
f. Der Beginn der biblischen Textkritik
g. Auf dem Weg zur anti-rabbinischen Religionskritik
h. Bibelauslegung als radikale Traditionskritik
7.4. Zusammenfassung
8. Kapitel: Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)
8.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Das Judentum zwischen Chasidismus und Mitnaggedim
b. Der Beginn der jüdischen Haskala in Westeuropa
c. Die protestantische Bibelwissenschaft des 18. Jahrhunderts
8.2. Persönlichkeiten
a. Moses Mendelssohn (1729 – 1786)
b. Hartwig Wessely (Naphtali Herz Wessely; 1725 – 1805)
c. Benjamin Wolf Heidenheim (1757 – 1832)
d. Jehuda Löw ben Ze’ev (1764 – 1811)
e. Jehuda Löw Jeitteles (1773 – 1838)
f. David und Jechi’el Hillel Altschuler (18. Jahrhundert)
8.3. Neue Zugänge
a. Zwischen göttlicher Offenbarung und universaler Vernunft
b. Von der Bibelwissenschaft zur Schriftauslegung
c. Philologie und Tradition
d. Die Ästhetik der biblischen Poesie
e. Die Anfänge einer jüdischen Einleitungswissenschaft
8.4. Zusammenfassung
9. Kapitel: Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums
9.1. Voraussetzungen und Hintergründe
a. Die Anfänge der Wissenschaft des Judentums
b. Die Gründung der Rabbinerseminare
c. Bibelübersetzungen zwischen Reform und Orthodoxie
d. Die Auseinandersetzung mit der christlichen Pentateuch-Forschung
e. Das Ende der Wissenschaft des Judentums in Europa und der Neubeginn in Israel und in Nordamerika
9.2. Persönlichkeiten
a. Ja‘aqov Tzvi Meklenburg (1785 – 1865)
b. Schemu’el David ben Hiskia Luzzatto (Schadal; 1800 – 1865)
c. Salman Frensdorff (1803 – 1880)
d. Samson Raphael Hirsch (1808 – 1888)
e. Meïr Löw ben Jechi’el Michael Weisser (Malbim; 1809 – 1879)
f. Abraham Geiger (1810 – 1874)
g. Ludwig Philippson (1811 – 1889)
h. Naftali Tzvi Jehuda Berlin (Netziv; 1817 – 1893)
i. Abraham Berliner (1833 – 1915)
j. Kaufmann Kohler (1843 – 1926)
k. David Tzvi Hoffmann (1844 – 1921)
l. Benno Jacob (1862 – 1945)
m. Sigmund Jampel (1874 – 1934)
n. Umberto Mosche David Cassuto (1883 – 1951)
o. Harry Torczyner (Naftali Herz Tur-Sinai; 1886 – 1973)
p. Yehezkel Kaufmann (1889 – 1963)
q. Isac Leo (Arie) Seeligmann (1907 – 1982)
r. Paul Kahles jüdische Schüler und Kollegen
9.3. Neue Zugänge
a. Alt-neue Wege in der rabbinischen Bibelauslegung
b. Die Auseinandersetzung mit der jüdischen Reform
c. Das Studium der Masora
d. Bibelauslegung angesichts der ‚höheren Kritik‘
e. Hebräische Bibel in deutscher Diktion
f. Bibelauslegung als theologische Entfaltung des Prophetismus
g. Mit Archäologie und Altorientalistik gegen die ‚höhere Kritik‘
h. Deutsch-jüdischer ‚Sonderweg‘?
i. Biblische Religions- und Sozialgeschichte
9.4. Zusammenfassung
10. Kapitel: Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
10.1. Bibel und Bibelwissenschaft in (Eretz) Israel
10.2. Jüdische Bibelhermeneutik in Nordamerika und in Israel heute
10.3. Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Allgemeine Bibliographie
1. Online-Datenbanken und Hilfsmittel
2. Moderne Bibelausgaben
3. Rabbinische Literaturen
4. Überblickswerke und Lexika
5. Wörterbücher
6. Einführungen und Überblicksdarstellungen
7. Handschriften
Sonstige Orte / Privatbesitz
Öffentliche Bibliotheken
8. Gedruckte Quellen und Übersetzungen
9. Sekundärliteratur
Anhang
1. Die synagogalen Lesungen aus dem Tanakh
2. Glossar
Indices
1. Handschriftenregister
Sonstige Orte / Privatbesitz
Öffentliche Bibliotheken
2. Stellenregister
2.1. Hebräische Bibel
2.2. Antike Autoren und Werke
2.3. Rabbinische Literaturen
2.4. Kommentarliteratur: Bibelkommentare und zitierte Werke
3. Namensregister
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Jüdische Bibelauslegung
 9783846351352

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Jüdische Studien

herausgegeben von

René Bloch, Alfred Bodenheimer, Frederek Musall und Mirjam Zadoff

Band 4

Hanna Liss

Jüdische Bibelauslegung

Mohr Siebeck

Hanna Liss ist Professorin für Bibel und Jüdische Bibelauslegung an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und der Universität Heidelberg (koopt.).

ISBN 978-3-8252-5135-2 (UTB Band 5135) Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter ww.utb-shop.de. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von pagina in Tübingen gesetzt und von Hubert & Co. in Göttingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

In der Erklärung der biblischen Urkunden prägt sich am schärfsten das religiöse Bewusstsein der Zeit aus. Abraham Geiger (1847)

Vorwort    VII

Vorwort

„Eine Geschichte der Bibelexegese im Zusammenhange mit den zeitlichen Einflüssen, den gleichzeitigen sonstigen geistigen Bewegungen ist daher ein Werk von der größten Wichtigkeit für die ganze Religionsgeschichte.“ Diesen Satz formulierte Abraham Geiger schon beinahe am Ende eines langen Wissenschaftlerlebens (Geiger 1870a, 217) und gestand in diesem Zusammenhang, dass er sich eigentlich viel zu wenig mit der (Geschichte der) Bibelauslegung der Juden, der Parschanut, beschäftigt habe. Zur Entschuldigung führt er gegenüber seinen Lesern an, dass er dies „nicht leisten konnte“. Tatsächlich war es aber vor allem Geiger gewesen, der die Geschichte der jüdischen Bibelauslegung stets als zentralen Teil einer Jüdischen Theologie verstanden und entsprechend kontextualisiert hatte, und erst hierin erschließt sich recht eigentlich auch die Vielfalt und Vielstimmigkeit, wenn nicht sogar die Unübersichtlichkeit einer Reihe sehr unterschiedlicher Literaturen, Genres, Themen und Methoden, die unter dem Topos der Bibelauslegung mehr oder weniger locker an den großen Strang der literarischen Produktivität der Juden angebunden sind. Dieses Lehrbuch zur jüdischen Bibelauslegung entstand auf der Basis einer Vorlesung zur Geschichte der jüdischen Bibelauslegung vom Mittelalter bis in die Moderne und integriert dabei an der einen oder anderen Stelle auch bisherige Veröffentlichungen zu einzelnen Themen und Aspekten der jüdischen Schriftexegese. Für die Entscheidung, den Stoff zu einem Lehrbuch auszubauen, gab es verschiedene Gründe: Zum einen ist insbesondere in den letzten Jahren eine Reihe grundlegender neuer Fragen vor allem in der judaistischen Mediävistik in Einzelstudien bearbeitet worden, die es hier erstmals zu würdigen und zu bündeln galt; zum anderen sehen wir die Beschäftigung mit der jüdischen Bibelauslegung einer wachsenden Beliebtheit ausgesetzt, die allerdings auch dazu geführt hat, dass gerade in jüngster Zeit eine Reihe begeisterter, aber eben fachfremder Monographien oder Aufsätze zu diesem Thema erschienen ist, mit denen dann in anderen Fächern wie der Theologie oder der Geschichte gearbeitet wird, leider nicht immer im Sinne der Sache. Ein Lehrbuch hat formalen Ansprüchen zu genügen, denn sein Aufbau soll verständlich, sein Inhalt möglichst umfassend, das Lesen dennoch nicht mühsam sein. Zwar konnte nicht ganz darauf verzichtet werden, den Stoff auch chronologisch zu sortieren, das

VIII    Vorwort Hauptaugenmerk liegt allerdings auf der problemorientierten und daher systematisch gestrafften Darstellung exegetischer Grundfragen, wie sie zu verschiedenen Zeiten ganz unterschiedlich formuliert sein konnten. Die systematische Einteilung wird dabei zwischen dem zeitgeschichtlichen Kontext, den einzelnen Auslegerpersönlichkeiten sowie den jeweils neuen exegetischen Zugängen unterscheiden, um übergeordnete Entwicklungen mit Themen und jeweils aktuellen exegetischen Herausforderungen in Relation zu bringen. Insbesondere bei den Neuen Zugängen zeigt sich dabei immer wieder, wie einzelne Bereiche überlappen oder fließend ineinander übergehen und so manches Auslegungsbeispiel in mehreren Kategorien gut aufgehoben wäre. Die Darstellungen der hochmittelalterlichen Auslegungsperiode des 12. Jahrhunderts zwischen Raschi (R. Schelomo Jitzchaqi, st. 1105), seinem Enkel Raschbam (R. Schemu’el ben Meïr, st. ca. 1158), dem Spanier R. Avraham ibn Ezra (st. ca. 1165) und R. Eli‘ezer aus Beaugency (Mitte / Ende 12. Jahrhundert) weisen überdies exemplarisch die Dichte und die Schnelligkeit der exegetischen Entwicklungen auf, die sich im 12. Jahrhundert an einem Ort (Nordfrankreich) zu überstürzen scheinen. Die Darlegung in den acht Hauptabschnitten (Kap. 2 – 9) ist wie folgt strukturiert: Nach einer einführenden Beschreibung in das sozio-kulturelle Umfeld der entsprechenden jüdischen Ausleger (Voraussetzungen und Hintergründe) sowie dem jeweils aktuellen Status quo der jüdischen Bibelauslegung geht es neben einer kurzen werk-biographischen Vorstellung einzelner Exegeten (Persönlichkeiten) vor allem darum, die Neuerungen der exegetischen Ansätze möglichst prägnant darzustellen und gegeneinander abzuheben (Neue Zugänge). Diese Darstellungen innovativer und für die Geschichte der jüdischen Exegese wichtiger Auslegungen werden durch Kommentarbeispiele unterfüttert. Dabei wurden solche Textauslegungen gewählt, die entweder maßgeblich auf die ihnen nachfolgende Exegese eingewirkt haben, oder gerade durch ihre quasi ‚nonkonformistische‘ Bibelauslegung von den Späteren ignoriert wurden, den Zeitgeist jedoch besonders gut einfangen. Dieser Teil ist auch für jene Nutzer und Nutzerinnen geeignet, die vielleicht nicht gleich eine exegetische Epoche in allen Einzelheiten erschließen möchten, sondern einfach einmal kursorisch lesend ‚schnuppern‘ wollen, was Bibelauslegung zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten einschließen konnte. Die Darstellung bemüht sich insgesamt darum, das Buch für Anfänger und fachfremde Benutzerinnen noch gut lesbar zu halten, gleichzeitig jedoch auch solche Leserinnen und Leser anzusprechen, die sich bereits mit einzelnen Auslegern beschäftigt, diese jedoch noch nicht unter der hier vorgelegten problemorientierten Erfassung wahrgenommen haben.

Vorwort    IX

Vollständigkeit, soviel sei gleich vorweg gesagt, ist nicht einmal annähernd zu erreichen: Mit Blick auf die europäische Rezeptionsgeschichte wie auch hinsichtlich der intellektuellen Vernetzungen mit den christlichen Gelehrten in Westeuropa wird sich das vorliegende Lehrbuch vornehmlich auf die hebräischen Schriften und Kommentare konzentrieren und die judäo-arabischen Texte zur Grammatik und Bibelauslegung nur insoweit behandeln, als sie für das Verständnis der Hebräisch schreibenden Kommentatoren unabdingbar sind. Hinzu kommt, dass selbst für das hebräische Textmaterial erst allmählich kritische Editionen zur Verfügung stehen. Das judäo-arabische Schrifttum wird erst seit einigen Jahren wissenschaftlich verwertbar aufgearbeitet und ediert. Auch Übersetzungen stehen hier kaum zur Verfügung, die den Leserinnen und Lesern ein weiterführendes Quellenstudium ermöglichen würden. Die Auswahl – und dies gilt schon für das Hochmittelalter und die anschließende Renaissance-Zeit, aber weit mehr noch für die Zeit ab dem 18. Jahrhundert – bemisst sich vor allem daran, inwieweit ein Exponent jüdischer Bibelauslegung zum einen für seine Zeit repräsentativ ist und zum anderen auch in erster Linie als Bibelausleger – nicht als Philosoph, nicht als Kabbalist – wahrgenommen werden soll. Beispielsweise beschäftigt sich auch Maimonides in seinem More ha-Nevokhim ausführlich mit der Hebräischen Bibel. Ihn damit jedoch unter die Bibelausleger zu subsumieren, entspräche wohl kaum seinem eigenen Selbstverständnis, und dies gilt für den Großteil der Exponenten philosophischer oder kabbalistischer Bibelauslegung. So wird es also vor allem darum gehen, Bibelexegeten nicht nur allgemein als Repräsentanten ihrer Epoche, sondern vor allem als Repräsentanten unterschiedlichster Zugangsweisen zur Hebräischen Bibel wahrnehmen zu lernen. Dass das 19. und beginnende 20. Jahrhundert einen deutlich größeren Umfang aufweist, als die vorangehenden Kapitel, hat nicht nur damit zu tun, dass in dieser Zeit in Ost- wie in Westeuropa wichtige Entwicklungen durch eine ganze Reihe außergewöhnlicher Persönlichkeiten vorangetrieben wurden, die eine Vielzahl von unterschiedlichen exegetischen, philologischen und theologischen Entwürfen vorgelegt haben, sondern auch damit, dass unsere Wissenschaftslandschaft bis heute sowohl formal institutionell in ihrer akademischen Ausprägung als auch in inhaltlicher Hinsicht von dieser Zeit nachhaltig bestimmt wird. Deshalb wurde auch der biographische Bogen hier am umfangreichsten gespannt: von Ja‘aqov Tzvi Meklenburg (st. 1865) bis Isac Leo (Arie) Seeligmann (st. 1982). Gemeinsam ist aber all diesen in diesem Kapitel behandelten Gelehrten, dass sie aus der ‚alten Bildungswelt‘ West- und Osteuropas mit den ihr spezifischen religiösen Bildungsinstitutionen stammten, und deshalb auch noch

X    Vorwort Gelehrte wie Naftali Herz Tur-Sinai, Yehezkel Kaufmann und Isac Leo Seeligmann ohne diesen Bildungshintergrund nicht zu verstehen sind, gleichzeitig aber in die ‚Neue Zeit‘ nach der Schoah und nach der Staatsgründung Israels hineinragen und diese bereits an je verschiedenen Orten (USA; Israel) mitgestaltet haben. In diesem Teil finden sich auch längere Textbeispiele: Nicht nur, weil es nicht zum Schreibstil des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gehörte, sich kurz zu fassen, sondern auch weil die Erfahrung mit Studierenden gezeigt hat, dass zum Verständnis eines Gelehrten auch ein noch so gutes Referat seiner Hauptgedanken und -schriften Beispiele für die originale Diktion nicht ersetzen kann. Die Beschäftigung mit der Bibelkommentarliteratur lässt mithin jene Texte, die eigentlich die Bibel als religiöse Quelle des Judentums erklären wollen, selbst zu Quellen werden, also zu Primärliteratur, die selbst wiederum einer Kommentierung bedarf. Dabei wird der Zugriff auf die Kommentartexte weitaus weniger von der einzelnen Bibelstelle her verständlich, sondern bildet sich vor dem Hintergrund jener den Ausleger prägenden soziokulturellen und intellektuellen Herausforderungen ab. Wer von der direkten Bibellektüre herkommt, wird daher immer wieder Fremdheitserfahrungen mit diesen Texten machen: Auslegungen werden dort nicht als exegetische Antworten verstanden, wo der Fragehorizont nicht dem unsrigen entspricht. Zu Beginn eines jeden Kapitels findet sich eine Zusammenstellung der für das jeweilige Thema wichtigsten Überblicks- oder Einzeldarstellungen (natürlich ist auch dies eine subjektive Auswahl). Da das Buch keine Fußnoten enthält, finden sich Kurzverweise auf weitere Sekundärliteratur in Klammern. Hierfür ist auf das ausführliche Literaturverzeichnis am Ende des Buches zu verweisen, das die Quellen der einzelnen Ausleger nach den in ihnen behandelten Kapiteln sortiert, die Sekundärliteratur demgegenüber in einem alphabetisch geordneten Block präsentiert. Soweit nicht anders vermerkt, wurden alle zitierten Originalquellen von mir selbst übersetzt. Die hebräischen Transkriptionen orientieren sich zumeist an der philologisch korrekten Umschrift; an einigen Stellen wurde um der besseren Lesbarkeit willen von diesem Prinzip abgewichen. Die mit * gekennzeichneten Begriffe werden im Glossar näher erläutert. Bedanken möchte ich mich zuerst und vor allem bei allen Studierenden, die diese Vorlesung gehört, nachgefragt, aber auch kritisch begleitet und damit immer weitergebracht haben. Es waren Studierende der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Universität Bern (WiSe 2012 / 13) und der Universität Kassel (SoSe 2017), die alle ihr je eigenes Vorwissen und Vorverständnis einbrachten und mich

Vorwort    XI

nie vergessen ließen, dass ein solches Buch nicht den Ruhm seiner Autorin, sondern die Zahl derer vermehren soll, die sich mit der jüdischen Bibelauslegung beschäftigen. Weiterhin möchte ich meinen (ehemaligen und aktuellen) Assistentinnen und Assistenten Dr. Ingeborg Lederer-Brüchner, Dr. Jonas Leipziger, Dr. Kay Joe Petzold und Dr. Amélie Sagasser danken, die in den verschiedenen Stadien der Entstehung dieses Buches inhaltlich zugearbeitet sowie Korrekturen und Vorschläge eingebracht haben. Kay Joe Petzold hat zudem den Abschnitt zu den jüdischen Kahle-Schülern vorbereitet. Jonas Leipziger war mit der mühsamen Arbeit der Aufarbeitung der umfangreichen Bibliographie betraut. Bettina Burghardt, Johannes Büge, Annabelle Fuchs, Elias Sigmund Jungheim und Hanna-Barbara Rost haben bei der Literaturbeschaffung, den Korrekturen, dem Glossar und dem Register ganze Arbeit geleistet. Besonders danken möchte ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen Prof. Dr. Hannes Bezzel (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Prof. Dr. Christoph Schulte (Universität Potsdam), Dr. Grit Schorch und Dr. Louise Hecht aus dem DFG-Forschungsprojekt Haskala im Dialog. Juda Jeitteles und Juda Leib ben Ze’eb als Exegeten der Aufklärung, die mir aus der noch laufenden Forschungsarbeit Informationen zu Jeitteles und Ben Ze’ev sowie Originaltexte in Transkription zur Verfügung gestellt haben. Den Kolleginnen und Kollegen PD Dr. Elke Morlok (Frankfurt am Main) und Dr. Ze’ev Strauss (Hamburg), vor allem aber Prof. Dr. mult. Dr. h. c. Johann Maier (1933 – 2019) verdanke ich bibliographische Hinweise ebenso wie wertvolle inhaltliche Anregungen zu einer Vielzahl von Einzelaspekten. Dem Sonderforschungsbereich 933 Materiale Textkulturen (Universität Heidelberg / Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg; finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft) verdanke ich ein Freisemester, in dem u. a. einige Teile dieses Buches, insbesondere die Abschnitte zu den biblischen Manuskripten und der jüdischen Masoraforschung im 19. Jahrhundert entstanden sind. Den letzten sieben Jahren gemeinsamer Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem DFG-Graduiertenkolleg 1728 Theologie als Wissenschaft. Formierungsprozesse der Reflexivität von Glaubenstraditionen in historischer und systematischer Analyse (Goethe-Universität, Frankfurt am Main; Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen; Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg; Johannes Gutenberg-Universität Mainz) verdanke ich das intensive Nachdenken über das Verhältnis der jüdischen Bibelauslegung zu einer (wie immer sich formierenden) jüdischen akademischen Theologie. Aus verschiedenen Gründen erscheint das Buch später als ursprünglich geplant, und so danke ich auch nochmals der Herausgeberin, den Herausgebern und dem Verlag für ihre Geduld.

XII    Vorwort Last but not least, hoffe ich, dass dieses Buch, das den Einstieg in die spannende Textwelt des jüdischen Denkens über die Bibelauslegung bieten will, den Studierenden und dem interessierten Laienpublikum eine Anregung zum Weiterlesen und -lernen ist. Wenn es mir gelingt, die Lust am biblischen Text und die Zähigkeit, mit der jüdische Gelehrte schon seit vielen Jahrhunderten mit diesem Text leben und ringen, so zu vermitteln, dass auch heute wieder so etwas wie eine intellektuelle Bibellesekultur entsteht, werde ich mehr erreicht haben, als ich zu hoffen wage. Gewidmet ist das Buch dem verehrten Kollegen Prof. Dr. mult. Dr. h. c. Johann Maier, der das Erscheinen des Buches leider nicht mehr erleben konnte. Oktober 2019 // Simchat Tora 5780 

Hanna Liss

Inhalt    XIII

Inhalt

Vorwort� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � VII Abkürzungen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � XXI Transkriptionsregeln � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � XXVII Einleitung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 1 1.  Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegungstradition � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 1 2.  Jüdische Bibelauslegung als Teil einer jüdischen Theologie � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 4 1. Kapitel: Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter � � � � � � � � � � � 7 1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung� 8 a.  Die Bibel als Text und Schriftencorpus � � � � � � � � � 8 b.  Bibelauslegung in Qumran und im jüdischen Hellenismus � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 19 c.  Von der Kompilationsliteratur zum Autor � � � � � 22 d.  Wo und wie beginnt das jüdische Mittelalter?� � � 25 1.2. Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 26 a.  Der Beginn der philologischen und philosophischen Bibelauslegung � � � � � � � � � � � � � 26 b.  Die Herausforderung durch die karäischen Exegeten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 31 c.  Die spanischen Hebraisten und die philologische Exegese � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 36 1.3. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 41 2. Kapitel: Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibelund Bildungskultur � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 2.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � � a.  Lateinische Bibelauslegung im christlichen Westeuropa� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Die jüdischen Gelehrtenzentren im 11. und 12. Jahrhundert � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

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XIV    Inhalt c.  Die handschriftliche Überlieferungstradition� � � � d.  Glossensammlungen als neue Form literarischer Vermittlung � � � � � � � � � � � � � � � � � � 2.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  R. Schelomo Jitzchaqi (Raschi; ca. 1040 – 1105)� b.  R.  Schema‘ja (ca. 1060 – 1130) � � � � � � � � � � � � � � c.  R. Josef ben Schim‘on (Qara; ca. 1050 – 1125)� � � 2.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a. Bibelerklärungen ad litteram � � � � � � � � � � � � � � � b.  Bündelung von Wissen – der Umgang mit dem Midrasch� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  Erste Anfänge literarischer Narrativität � � � � � � � d.  Grammatik, Lexikographie und der Umgang mit der Masora � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � e.  Die Anfänge der Historiographie � � � � � � � � � � � � 2.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

51

3. Kapitel: Die Bibel als Literatur � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 3.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � � a.  Übersetzungen als Wegbereiter des Peschat� � � � � b.  Höfische Literatur und jüdische Exegese � � � � � � 3.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  R. Schemu’el ben Meïr (Raschbam; ca. 1088 – ca. 1158) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  R. Eli‘ezer aus Beaugency (Mitte / Ende 12. Jahrhundert) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  R. Josef ben Jitzchaq (‚Bekhor Schor‘; 1130 – 1200) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 3.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Vom Übersetzen zum Erzählen� � � � � � � � � � � � � � b.  Die Emanzipation von Raschi � � � � � � � � � � � � � � c.  Auslegung als Rekomposition � � � � � � � � � � � � � � d.  Die Entstehung einer biblischen Literaturtheorie� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � e.  Wissenschaftsdiskurse und polemische Attacken � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � f.  Bibelstudium in feindlicher Umgebung � � � � � � � � 3.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

73 74 74 77 79

54 57 57 60 60 61 61 63 65 67 70 71

79 81 83 83 83 85 87 88 90 94 98

4. Kapitel: Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit � � � � 99 4.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � 100 a.  Der Beginn der christlichen Reconquista � � � � � 100 b.  Jüdische Bildungskultur in Spanien und der Provence � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 101

Inhalt    XV

4.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  R. Avraham ben Meïr ibn Ezra (1089 –  ca. 1165) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  R. Josef Qimchi (Riqam; ca. 1105 – ca. 1170) � � c.  R. Mosche Qimchi (Remaq; st. ca. 1190) � � � � � d.  R. David Qimchi (Radaq; 1160 – 1235)� � � � � � � e.  R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières (Mitte / Ende 12. Jahrhundert) � � � � � � � � � � � � � f.  Tanchum ben Josef ha-Jeruschalmi (ca. 1220 – 1291) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � g.  Menachem ben Schelomo ha-Meïri (1249 – 1316)� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 4.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Bibelwissenschaft in sefardischaschkenasischer Synthese � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Die Zurückdrängung des Derasch � � � � � � � � � � c.  Texterstellung, Textkritik und Sprachwissenschaft � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � d.  Der Beginn polemischer Auseinandersetzungen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � e.  Philosophische Bibelauslegung � � � � � � � � � � � � � f.  Bibelauslegung in Krisenzeiten � � � � � � � � � � � � � 4.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

104 104 110 112 112 115 115 116 116 116 120 122 126 128 132 134

5. Kapitel: Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 135 5.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � 136 a.  Investiturstreit und innerkirchliche Entwicklungen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 136 b.  Die Entstehung der jüdischen Mystik im Rheinland � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 137 5.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 138 a.  R. Jehuda ben Schemu’el he-Chasid (‚der Fromme‘; ca. 1150 – 1217) � � � � � � � � � � � � 138 b.  R. El‘azar ben Jehuda von Worms (1165 – 1230)141 5.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 142 a.  Die Bildungsverantwortung der Elite � � � � � � � � 142 b.  Die dreiundsiebzig Tore der Weisheit � � � � � � � � 145 c.  Die Schrift als offenbarungstheologische Grundlage� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 149 5.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 151

XVI    Inhalt 6. Kapitel: Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie� 6.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � a.  Die sog. maimonidische Kontroverse � � � � � � � � b.  Inquisition, Judenmission und Bücherverbrennung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  Christlich-jüdische Zwangsdisputationen in Paris und Barcelona� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 6.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  R. Mosche ben Nachman (Ramban; 1194 – 1270) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Bachja ben Ascher (13. Jahrhundert) � � � � � � � � 6.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Das ‚Wesen des Glaubens‘ und die göttlichen Wunder � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Der Weg der Wahrheit (ha-derekh ha-emet) � � � c.  Die Bibel als corpus symbolicum des Göttlichen� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � d.  Bibelauslegung nach dem vierfachen Schriftsinn � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � e.  Biblische Geschichte als Ausdruck göttlichen Wirkens � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � f.  Typologische Exegese als Gegenentwurf zur christlichen Theologie � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 6.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 7. Kapitel: Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 7.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � a.  Verfolgungen, Auswanderungen und Re-Organisationen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Gibt es eine jüdische Renaissance? � � � � � � � � � � c.  Die Bibel zwischen Poesie und Kriegskunst � � � � d.  Privater jüdischer und öffentlicher nichtjüdischer Raum � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � e.  Die Bibel als enzyklopädisches Handbuch � � � � f.  Der Siegeszug des hebräischen Buchdrucks � � � � 7.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Jehuda ben Jechi’el Messer Leon (ca. 1420 – ca. 1497) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Don Jitzchaq Abravanel (1437 – 1508) � � � � � � � c.  Ovadja Sforno (1468 / 73 – 1550) � � � � � � � � � � � d.  Elijjahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi (1469 – 1549)� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

153 154 154 158 159 163 163 166 167 167 171 173 177 181 183 185 187 188 188 190 191 192 193 194 198 198 200 204 206

Inhalt    XVII

e.  Azarja (Bonaiuto) ben Mosche dei Rossi (ca. 1511 – ca. 1578) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � f.  Abraham ben David Portaleone (1542 – 1612) � � g.  Menachem ben Jehuda de Lonzano (ca. 1555 – ca. 1624)� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � h.  Jedidja Salomon Raphael ben Abraham Nortzi (1560 – 1626)� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � i.  Uriel da Costa (1583 / 84 – 1640) � � � � � � � � � � � � j.  Baruch Spinoza (1632 – 1677) � � � � � � � � � � � � � � 7.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Die universale Weisheit der Bibel � � � � � � � � � � � b.  Biblisches Recht als gesellschaftspolitischer Maßstab � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  Bibelauslegung und Naturwissenschaft� � � � � � � d.  Die Bibel als Maßstab für Kunst und Kultur� � � e.  Biblische Historiographie und Archäologie � � � � f.  Der Beginn der biblischen Textkritik� � � � � � � � � g.  Auf dem Weg zur anti-rabbinischen Religionskritik � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � h.  Bibelauslegung als radikale Traditionskritik � � � 7.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8. Kapitel: Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)� � � 8.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � a.  Das Judentum zwischen Chasidismus und Mitnaggedim � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Der Beginn der jüdischen Haskala in Westeuropa� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  Die protestantische Bibelwissenschaft des 18. Jahrhunderts � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Moses Mendelssohn (1729 – 1786) � � � � � � � � � � b.  Hartwig Wessely (Naphtali Herz Wessely; 1725 – 1805) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  Benjamin Wolf Heidenheim (1757 – 1832)� � � � � d.  Jehuda Löw ben Ze’ev (1764 – 1811) � � � � � � � � e.  Jehuda Löw Jeitteles (1773 – 1838) � � � � � � � � � � f.  David und Jechi’el Hillel Altschuler (18. Jahrhundert)� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Zwischen göttlicher Offenbarung und universaler Vernunft � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Von der Bibelwissenschaft zur Schriftauslegung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

208 209 211 213 213 214 216 216 219 225 228 231 232 236 237 241 243 244 244 246 248 253 253 262 263 266 268 268 269 269 271

XVIII    Inhalt c.  Philologie und Tradition � � � � � � � � � � � � � � � � � d.  Die Ästhetik der biblischen Poesie � � � � � � � � � � e.  Die Anfänge einer jüdischen Einleitungswissenschaft � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 9. Kapitel: Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 9.1. Voraussetzungen und Hintergründe � � � � � � � � � � � a.  Die Anfänge der Wissenschaft des Judentums� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Die Gründung der Rabbinerseminare� � � � � � � � c.  Bibelübersetzungen zwischen Reform und Orthodoxie � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � d.  Die Auseinandersetzung mit der christlichen Pentateuch-Forschung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � e.  Das Ende der Wissenschaft des Judentums in Europa und der Neubeginn in Israel und in Nordamerika � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 9.2. Persönlichkeiten � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Ja‘aqov Tzvi Meklenburg (1785 – 1865) � � � � � � b.  Schemu’el David ben Hiskia Luzzatto (Schadal; 1800 – 1865) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  Salman Frensdorff (1803 – 1880)� � � � � � � � � � � � d.  Samson Raphael Hirsch (1808 – 1888) � � � � � � � e.  Meïr Löw ben Jechi’el Michael Weisser (Malbim; 1809 – 1879)� � � � � � � � � � � � � � � � � � � f.  Abraham Geiger (1810 – 1874) � � � � � � � � � � � � � g.  Ludwig Philippson (1811 – 1889) � � � � � � � � � � � h.  Naftali Tzvi Jehuda Berlin (Netziv; 1817 – 1893) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � i.  Abraham Berliner (1833 – 1915) � � � � � � � � � � � � j.  Kaufmann Kohler (1843 – 1926) � � � � � � � � � � � � k.  David Tzvi Hoffmann (1844 – 1921)� � � � � � � � � l.  Benno Jacob (1862 – 1945) � � � � � � � � � � � � � � � � m.  Sigmund Jampel (1874 – 1934) � � � � � � � � � � � � n.  Umberto Mosche David Cassuto (1883 – 1951)� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � o.  Harry Torczyner (Naftali Herz Tur-Sinai; 1886 – 1973) � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � p.  Yehezkel Kaufmann (1889 – 1963) � � � � � � � � � � q.  Isac Leo (Arie) Seeligmann (1907 – 1982) � � � � � r.  Paul Kahles jüdische Schüler und Kollegen � � � �

272 280 281 283 285 286 286 288 296 302 304 306 306 307 310 312 314 317 320 322 324 326 328 333 336 338 340 341 344 345

Inhalt    XIX

9.3. Neue Zugänge � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � a.  Alt-neue Wege in der rabbinischen Bibelauslegung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � b.  Die Auseinandersetzung mit der jüdischen Reform � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � c.  Das Studium der Masora � � � � � � � � � � � � � � � � � d.  Bibelauslegung angesichts der ‚höheren Kritik‘� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � e.  Hebräische Bibel in deutscher Diktion � � � � � � � f.  Bibelauslegung als theologische Entfaltung des Prophetismus � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � g.  Mit Archäologie und Altorientalistik gegen die ‚höhere Kritik‘ � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � h.  Deutsch-jüdischer ‚Sonderweg‘?� � � � � � � � � � � � i.  Biblische Religions- und Sozialgeschichte � � � � � 9.4. Zusammenfassung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 10. Kapitel: Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 10.1. Bibel und Bibelwissenschaft in (Eretz) Israel � � � � 10.2. Jüdische Bibelhermeneutik in Nordamerika und in Israel heute � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 10.3. Ausblick � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

347 347 357 362 365 370 375 380 385 392 394 397 398 403 406

Abbildungsverzeichnis � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 409 Allgemeine Bibliographie � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 1.  Online-Datenbanken und Hilfsmittel � � � � � � � � � � � 2.  Moderne Bibelausgaben � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 3.  Rabbinische Literaturen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 4.  Überblickswerke und Lexika � � � � � � � � � � � � � � � � � 5. Wörterbücher � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 6.  Einführungen und Überblicksdarstellungen � � � � � � � 7. Handschriften � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 7.1.  Sonstige Orte / Privatbesitz � � � � � � � � � � � � � � 7.2.  Öffentliche Bibliotheken � � � � � � � � � � � � � � � � 8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen � � � � � � � � � � 9. Sekundärliteratur� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

411 411 412 415 416 417 417 418 418 418 419 453

Anhang � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 501 1.  Die synagogalen Lesungen aus dem Tanakh � � � � � � 501 2. Glossar � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 503

XX    Inhalt Indices � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 1. Handschriftenregister� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 1.1.  Sonstige Orte / Privatbesitz � � � � � � � � � � � � � � 1.2.  Öffentliche Bibliotheken � � � � � � � � � � � � � � � � 2. Stellenregister � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 2.1.  Hebräische Bibel � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 2.2.  Antike Autoren und Werke� � � � � � � � � � � � � � � 2.3.  Rabbinische Literaturen � � � � � � � � � � � � � � � � � 2.4.  Kommentarliteratur: Bibelkommentare und zitierte Werke � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 3. Namensregister � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

513 513 513 513 514 514 519 520 521 531

Abkürzungen    XXI

Abkürzungen

Allgemeine Abkürzungen ad loc.

ad locum (d. h. an entsprechender Stelle / an entsprechendem Ort)

BHS

Biblia Hebraica Stuttgartensia

BHQ

Biblia Hebraica Quinta

ed.

ediert

ELB

Elberfelder Bibel (1993)

engl.

englisch

fol.

Folio

gedr.

gedruckt

griech.

griechisch

hebr.

hebräisch

hi.

Hif‘il

ital.

italienisch

JPS

Tanakh Translation der Jewish Publication Society

JubA

Moses Mendelssohn: Jubiläumsausgabe

Kap.

Kapitel

LXX

Septuaginta

MS / MSS

Manuskript(e)

ND

Nachdruck

NF

Neue Folge

Pers.

Person

Pl.

Plural

port.

portugiesisch

Ps.

Pseudo

r

recto

R.

Rabbi / Rav

Sg.

Singular

SHP

Sefer Chasidim, MS Parma 3280 H

span.

spanisch

st.

gestorben

XXII    Abkürzungen TTP

Spinoza, Tractatus Theologico-Politicus

u. Z.

unsere[r] Zeitrechnung

v

verso

V./Vv.

Vers / Verse

v. u. Z.

vor unserer Zeitrechnung

VUL

Vulgata

Abkürzungen biblischer Bücher Gen

Bereschit / Genesis

Ex

Schemot / Exodus

Lev

Wajjiqra / Leviticus

Num

Bemidbar / Numeri

Dtn

Devarim / Deuteronomium

Jos

Jehoschua / Josua

Ri

Schoftim / Richter

1 / 2Sam

Schemuel / Samuel

1 / 2Kön

Melakhim / Könige

Jes

Jeschajahu / Jesaja

Jer

Jirmejahu / Jeremia

Ez

Jechesqel / Ezechiel

Hos

Hoschea / Hosea

Joel

Joel

Am

Amos

Ob

Ovadja / Obadja

Jona

Jona

Mi

Mikha

Nah

Nachum / Nahum

Hab

Chavaqquq / Habakuk

Zef

Zefanja

Hag

Chaggai / Haggai

Sach

Secharja / Sacharja

Mal

Malachi / Maleachi

Ps

Tehillim / Psalmen

Spr

Mischle / Proverbia

Abkürzungen    XXIII Hi

Ijov / Hiob

Hld

Schir ha-Schirim / Hohelied

Rut

Rut

Klgl

Ekha / Klagelieder

Koh

Qohelet

Est

Ester

Dan

Daniel

Esr

Esra

Neh

Nechemja / Nehemia

Chr

Divre ha-Jamim / Chronik

Abkürzungen von Mischna-, Tosefta- und Talmudtraktaten Bei den folgenden Traktaten wird durch vorangestellte kleine Buchstaben spezifiziert, ob sie Traktate der Talmudim, der Mischna oder der Tosefta sind: b

Talmud Bavli (babylonischer Talmud)

m

Mischna

t

Tosefta

j

Talmud Jeruschalmi (palästinischer Talmud)

Ar

Arachin

Av

Avot

Az

Avoda Zara

BB

Bava Batra

Bekh

Bechorot

Ber

Berachot

Bes

Betza (Jom Tov)

Bik

Bikkurim

BM

Bava Metzia

BQ

Bava Qamma

Dem

Demai

Ed

Edujot

Er

Eruvin

Git

Gittin

XXIV    Abkürzungen Hag

Chagiga

Hal

Challa

Hor

Horajot

Hul

Chullin

Kel

Kelim

Ker

Keritot

Ket

Ketubbot

Kil

Kil’ajim

Maas

Ma‘aserot

Mak

Makkot

Makh

Makhschirin

Meg

Megilla

Meil

Me‘ila

Men

Menachot

Mid

Middot

Miq

Miqwa’ot

MQ

Moed Qatan

MSh

Ma‘aser Scheni

Naz

Nazir

Ned

Nedarim

Neg

Nega‘im

Nid

Nidda

Ohal

Ohalot

Orl

Orla

Par

Para

Pea

Pe’a

Pes

Pesachim

Qid

Qidduschin

Qin

Qinnim

RhSh

Rosch ha-Schana

San

Sanhedrin

Shab

Schabbat

Sheq

Scheqalim

Shevi

Schevi‘it

Shevu

Schevu‘ot

Abkürzungen    XXV Sot

Sota

Suk

Sukka

Taan

Ta‘anit

Tam

Tamid

Tem

Temura

Ter

Terumot

TevY

Tevul Jom

Toh

Toharot

Uq

Uqtzin

Yad

Jadajim

Yev

Jevamot

Yom

Joma

Yom Tov

siehe (Betza)

Zav

Zavim

Zev

Zevachim

Abkürzungen von Midraschim und anderen rabbinischen Werken ARN

Avot deRabbi Natan

AZ

Avoda Zara

BamR

Bemidbar Rabba

BerR

Bereschit Rabba

DevR

Devarim Rabba

EkhaR

Ekha Rabba

EstR

Ester Rabba

MekhSh

Mechilta deRabbi Schimon ben Jochai

MekhY

Mechilta deRabbi Jischmael

MShem

Midrasch Schemuel

MShir

Midrasch Schir ha-Schirim

MTeh

Midrasch Tehillim

PdRK

Pesiqta de Rav Kahana

PesR

Pesiqta Rabbati

PRE

Pirqe deRabbi Elieser

QohR

Qohelet Rabba

XXVI    Abkürzungen RutR

Rut Rabba

ShemR

Schemot Rabba

ShirR

Shir ha-Schirim Rabba

SifBam

Sifre Bemidbar

SifDev

Sifre Devarim

Sof

Soferim

Tan

Midrasch Tanchuma

TanB

Midrasch Tanchuma (Ausg. Buber)

TJon

Targum Jonatan

TO

Targum Onqelos

TPsJ

Targum Ps.-Jonatan (Targum Jerusalem I)

WaR

Wajjiqra Rabba

Yalq

Jalqut Schim‘oni

Transkriptionsregeln    XXVII

Transkriptionsregeln

‫א‬

Alef

’ (Im Wortanlaut oder -auslaut wird ‫ א‬nicht ­transkribiert.)

‫ב‬

Bet

b (‫)ּב‬/v (‫)ב‬

‫ג‬

Gimel

g

‫ד‬

Dalet

d

‫ה‬

He

h

‫ו‬

Waw

w

‫ז‬

Zajin

z

‫ח‬

Chet

ch

‫ט‬

Tet

t

‫י‬

Jod

j / i

‫ך‬/‫כ‬

Kaf

k (‫)ּכ‬/kh (‫)כ‬

‫ל‬

Lamed

l

‫ ם‬/ ‫מ‬

Mem

m

‫ ן‬/ ‫נ‬

Nun

n

‫ס‬

Samekh s

‫ע‬

Ajin

‘ (Im Wortanlaut oder -auslaut wird ‫ ע‬nicht ­transkribiert.)

‫ ף‬/ ‫פ‬

Pe

p (‫)ּפ‬/f (‫)פ‬

‫ ץ‬/ ‫צ‬

Tzade

tz

‫ק‬

Qof

q

‫ר‬

Resch

r

‫ׁש‬

Schin

sch

‫ׂש‬

Sin

s

‫ת‬

Taw

t

1.  Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegungstradition    1

Einleitung

Berlin, Adele / Brettler, Marc Zvi (Hgg.), The Jewish Study Bible. Oxford / New York 22015. Casper, Bernard Moses, An Introduction to Jewish Bible Commentaries. New York / London 1961. Dohrmann, Natalie B./Stern, David (Hgg.), Jewish Biblical Interpretation and Cultural Exchange: Comparative Exegesis in Context (Jewish Culture and Context). Philadelphia 2008. Najman, Hindy / Newman, Judith H. (Hgg.), The Idea of Biblical Interpretation: Essays in Honor of James L. Kugel (Supplements to the Journal for the Study of Judaism, Bd. 83). Leiden / Boston 2004. Neusner, Jacob, Bible Interpretation: How Judaism Reads the Bible. In: Jacob Neusner / William Scott Green / Alan  J. Avery-Peck (Hgg.), The Encyclopaedia of Judaism, Bd. 1. Leiden / Boston 22005, S.  193 – 210. Sperling, Shalom David, Modern Jewish Interpretation. In: Adele Berlin / Marc Zvi Brettler (Hgg.), The Jewish Study Bible. Oxford / New York 22015, S.  1908 – 1919.

Die Beschäftigung mit der Hebräischen Bibel vollzieht sich auf zwei deutlich zu unterscheidenden und dennoch ineinandergreifenden Ebenen: Die erste Ebene betrifft den biblischen Text als solchen, die zweite seine Auslegungen in der jüdischen Traditionsliteratur. Der Anspruch der modernen wissenschaftlichen Bibelforschung und Bibelkritik liegt in der Erfassung und Deutung des ursprünglichen Sinnes eines Textes, seiner Entstehungssituation und -geschichte, der Erarbeitung seiner soziohistorischen Prägung und seiner spezifischen sprachlichen Gestaltung. In diesem Rahmen arbeitet die moderne Bibel-Exegese, ob jüdisch oder christlich, mit den Methoden der historisch-literarischen Kritik (Religions- und Textgeschichte; Archäologie; Literaturwissenschaft und Artefaktforschung), die sich seit dem 19. Jahrhundert in den akademischen Lehranstalten auf christlicher und jüdischer Seite weitgehend, wenngleich auch jeweils unterschiedlich akzentuiert, durchgesetzt hat.

1. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegungstradition In der Folge der exegetischen Diskurse in der rabbinischen* Lehrliteratur des Midrasch* (vgl. Langer 2016) ist die Bibelkommentierung ein Signum der entstehenden süd- und westeuropäischen Kultur- und Wissenschaftstradition, und dies in erstaunlichem,

2    Einleitung wenn auch leicht zeitversetzten Gleichklang zwischen dem Bibelstudium im christlich-lateinischen wie im jüdisch-aschkenasischen* und sefardischen* Westen Europas. Verschiedene Ebenen der Auseinandersetzung mit dem Text der Bibel gilt es dabei zu erschließen und im Prozess der Entstehung eines ‎Kommentars zu verorten: Die Textstandardisierung stellt eine Ebene dar und die grammatisch-linguistische Beschäftigung mit der hebräischen Sprache (vor allem: der biblischen Sprache) eine weitere. Letztere ist vergleichbar mit der Rolle der wesentlich insular geprägten Grammatik für die Formierung der lateinischen Geisteswelt, darf aber gleichzeitig noch nicht mit einer textchronologisch fortlaufenden Kommentierung des biblischen Textes verwechselt werden. Daher bildet erst der ausgebildete diskursive Kommentar seit dem Hochmittelalter in diesem Buch den Schwerpunkt. Er spiegelt die vielgestaltigen Prozesse der Auseinandersetzung mit dem heiligen Text nach innen wie nach außen über viele Jahrhunderte hinweg wider. Die Schwerpunkte für die Bearbeitung der Quellen zur jüdischen Bibelauslegung liegen für den Zeitraum vom 10. bis zum 14. Jahrhundert vor allem in Spanien, der Provence und Nordfrankreich, für die Renaissancezeit in Italien sowie für das 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in Osteuropa und in Deutschland. In der Mitte des 20. Jahrhunderts finden wir die akademische jüdische Bibelauslegung vor allem in Israel und den USA, und erst in den letzten Jahren kehrt die jüdische Bibelauslegung an einige neu gegründete jüdische Institutionen nach Deutschland zurück. Die Juden in allen geographischen Räumen schrieben ihre Bibelkommentare nicht im luftleeren Raum des theologischen Disputs, sondern nahmen in unterschiedlichem Maße Bezug auf die sie umgebenden Kulturen und Literaturen und vor allem: Sie legten die Bibel für sich als eine sich in je unterschiedlichen Kontexten befindliche Gruppe aus. Die Beschäftigung mit jüdischen Kommentaren zur Bibel bedeutet daher gleichzeitig, die intellektuelle Kreativität in unterschiedlichen Epochen und sozialen Räumen darzustellen. Jüdische Denker und Exegeten sollen also weniger als ausschließlich Reagierende auf die durch die nicht-jüdische Gesellschaft gestaltete Geschichte (Kreuzzüge; Almohadenverfolgungen; russische Pogrome; Nazideutschland) wahrgenommen werden, sondern als Autoren, die den Aufbau eigener kultureller und literarischer Räume – allen Widerständen zum Trotz – aktiv mitgestaltet haben. Jüdische Das jüdische Mittelalter wird beherrscht von Persönlichkeiten Bibelauslegung wie den frühen Masoreten, den Geonim Babyloniens wie R. Sa‘adja im Mittelalter Gaon und Schemu’el ben Chofni, für Nordfrankreich R. Schelomo Jitzchaqi (Raschi), R. Schemu’el ben Meïr (Raschbam), für Spanien und die Provence R. Avraham ibn Ezra, den Mitgliedern der Familie

1.  Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegungstradition     3

Qimchi und R. Mosche ben Nachman (Ramban; Nachmanides). Alle diese Exegeten betrieben das Studium und die Auslegung der Bibel nicht nur als eine eigene Disziplin, die eine entsprechende Literaturgattung nach sich zog; vielmehr widmeten sie sich der Bibel auch vor einem bei den einzelnen je unterschiedlichen, aber stets explizit formulierten hermeneutischen Hintergrund und mit einem je verschieden zu bestimmenden exegetischen Anspruch (z. B. die Herausforderung durch die Karäer*, die sog. Peschat-Exegese*; die Auseinandersetzung mit der lateinischen Bibelauslegung usw.). Die Zeit der jüdischen Renaissance in Italien zeichnet sich dadurch aus, dass der jüdische Bibelausleger in seinem zivilen Beruf (beispielsweise als Arzt oder Financier) in die nicht-jüdische Öffentlichkeit tritt und diese Öffentlichkeit wiederum Eingang in seine Bibelkommentare findet. In der Konsequenz entstehen, ausgehend vom biblischen Text, archäologische (Azarja dei Rossi), poetologische (Messer Leon), staatspolitische (Abravanel) oder militärhistorische (Portaleone) Abhandlungen, die oftmals gar nicht mehr einem Bibelkommentar sensu stricto entsprechen. Diese Werke sind aber dennoch in Auswahl vorzustellen, um einen Eindruck davon zu vermitteln, welchen Veränderungen die Bibel und der Umgang mit ihr in diesen Zeiten ausgesetzt war. Im 15. und 16. Jahrhundert finden wir eine Reihe von Hebraisten und Textforschern, die sich vor allem der Masoraforschung und der Erstellung des biblischen Textes widmen. Bei dem italienischen Gelehrten Jedidja Salomon Raphael Nortzi (1560 – 1626; Hauptwerk Minchat Schai; gedruckt in Mantua erst 1742) wird vor allem die orientalische Masora, die auf dem Weg über Spanien nach Italien gelangte und durch den gedruckten textus receptus* vermittelt wurde, zum Instrument für kritische Textforschung: Unter dem Einfluss des wahrscheinlich ebenfalls aus Italien stammenden Gelehrten Menachem b. Jehuda de Lonzano (1555 – 1624; Penkower 2014), bestand Nortzis Interesse darin, die Bibel textkritisch aufzuarbeiten. Hier hat sicher auch die Auseinandersetzung mit der christlichen Hebraistik Pate gestanden. Im 18. Jahrhundert hatten sich die wenigen jüdischen Gelehrten, die sich mit der Bibel und nicht in erster Linie mit dem Talmud* beschäftigten, vor allem mit der beginnenden protestantischen Bibelwissenschaft auseinanderzusetzen, die sich vornehmlich der sog. ,höheren Kritik‘ verschrieben hatte (vgl. Liss 2004). Die T ­ extkritik, die ,niedere Kritik‘, diente ausschließlich der Erarbeitung des ,­ besten‘ Textes, d. h. der Annäherung an einen ,Urtext‘. Demgegenüber und in deutlicher Konkurrenz zur christlichen Exegese suchte Naph­ tali Herz Wessely (1725 – 1805) wiederum unter Einbeziehung der Masora, d. h. vor allem der Vokalisierung, der Akzentsetzung und

Die Juden in der Renaissance

Jüdische Bibelaus­ legung in Neuzeit und Moderne

4    Einleitung weiterer Metatexte, den Bibeltext philologisch gründlich zu kommentieren. Hebräische Philologie und Auslegungstradition werden hier zusammengebunden und die Masora um ihrer exegetischen Qualität willen konsultiert. Das 19. Jahrhundert markiert dann in Teilen endgültig die Umbruchzeit von der traditionellen jüdischen Bibelauslegung zur historisch-literaturkritischen Erforschung der Bibel bzw. die damit einhergehende Auseinandersetzung um diese sehr unterschiedlichen Auslegungsparameter. Die diese Zeit prägenden Auseinandersetzungen um das Verständnis der Hebräischen Bibel können hermeneutisch nicht hoch genug veranschlagt werden und prägen die jüdische Bibelauslegung bis heute.

2. Jüdische Bibelauslegung als Teil einer jüdischen Theologie Bibelkommentare sind ein Produkt der Herausforderung von innen und außen: Sie sind das Ergebnis der Reflexion über eigene Überzeugungstraditionen, und sie dienen der Schärfung der religiösen und sozio-kulturellen Position. Bibelauslegung gehört daher immer in den Bereich der Theologiebildung mit hinein, auch wenn sich gerade die jüdische Bibelauslegung, wie an einer Reihe mittelalterlicher Exegeten zu zeigen sein wird, nicht auf den religiös-theologischen Raum beschränken lässt. Die Auseinandersetzung mit der Bibelkommentarliteratur ist vor allem im Zuge der sich neu formierenden theologischen Fakultäten auf jüdischer wie auch auf islamischer Seite unabdingbar, denn auch für die wissenschaftliche jüdische Theologie sind Arbeitsmaterialien und Grundlagenwerke bereitzustellen. Diese ermöglichen nicht einfach eine religionswissenschaftlich-literaturgeschichtliche und damit eine von außen herangehende Zugangsweise, sondern stellen gleichzeitig Parameter und Denkmuster zur Verfügung, die auch den heutigen Studierenden zu einer theologischen, d. h. einer qualifizierten Urteilsbildung aus der Binnenperspektive verhelfen können. Philologie und Die Auslegung der Hebräischen Bibel wird so auch zur theoreTheologie tischen Reflexion über die Lehre und die Praxis einer bestimmten religiösen Kultur. Schon bei Philo von Alexandrien findet sich der Begriff theologéō (theólogos) ‚von Gott / den göttlichen Dingen reden und / oder diese erklären‘ (Schmid 2013, bes. 13 – 16). Für den christlichen Bereich finden wir seit der Alten Kirche den Begriff der theología (griech., Lehre von Gott), der (neben den klassischen Bezeichnungen der sacra doctrina oder doctrina fidei) seit dem 11. Jahrhundert das ganze Gebiet der christlichen Glaubenswissenschaften

2.  Jüdische Bibelauslegung als Teil einer jüdischen Theologie    5

umfasst. Für das rabbinische* Judentum hat es eine vergleichbare und auf den Theologiebegriff selbst bezogene Debatte nicht gegeben, das heißt aber nicht, dass ihm eine intensive theoretische Durchdringung der eigenen Text- und Lebenstradition nicht zu eigen war. Auch wäre die Annahme falsch, dass Gelehrte des Judentums nicht, wie insbesondere die muslimischen Religionsphilosophen seit dem 10. Jahrhundert, ausgeprägte metaphysische Denkgebäude und eine eigene grammatisch-linguistische Forschungstätigkeit entwickelt hätten. Vielmehr hat sich insgesamt seit dem Mittelalter das ausgebildet, was man als theoretische Reflexion über die Lehre und die Praxis definieren kann. Exemplarisch verdeutlichen lässt sich dies an den spanischen Hebraisten des 10. und 11. Jahrhunderts und den hier geführten lexikographischen Debatten: Bibelauslegung bedeutete für sie in erster Linie Untersuchungen am biblischen Wortschatz und der Grammatik und eher untergeordnet die Klärung einzelner inhaltlicher Motive oder Bedeutungsfelder. So gesehen waren die spanischen Hebraisten die ersten, die sich in ihrer Beschäftigung mit der Bibel einem kritischen Forum stellten und diese den Kategorien von richtig und falsch unterordnen wollten. Was wir hier im Kontext einer intensiven exegetischen Beschäftigung mit der Bibel vorfinden, ist nichts anderes als ein Diskurs der Reflexivität und damit ein genuiner Teil eines Prozesses, der innerhalb der hebräisch-jüdischen Tradition durch Verifizierungsund Falsifizierungsprozesse Wissen generiert und ausdifferenziert. Dabei ist das Ziel, ausgehend von der hebräischen Texttradition, den jüdischen Glaubenshorizont in Auseinandersetzung mit dem arabisch-muslimischen und christlichen intellektuellen Kontext diskursiv zu stabilisieren. Und dieser Kontext implizierte nicht einfach ein freies Spiel intellektueller Kräfte als ‚Wissenschaft um ihrer selbst willen‘ (analog zur tora lischma*), sondern eine nach außen gerichtete Polemik bei gleichzeitig nach innen gerichteter mentaler und intellektueller Aufbauarbeit zum Nutzen der jüdischen Gemeinschaft. Bereits an dieser Stelle wird also deutlich, dass die heute so gerne aufgebotene Unterscheidung zwischen Theologie und Philologie künstlich und der jüdischen Geistesgeschichte nicht angemessen ist. Denn ungeachtet aller philologischen oder philosophischen Waffen kämpften die jüdischen Gelehrten des Mittelalters und der Neuzeit vor allem gegen die Dummheit in den eigenen Reihen, gegen dogmatische Dunkelmänner ebenso wie gegen philologisch nicht versierte „Hohlköpfe“ (reqe moach; ibn Ezra zu Ex 31,18; 34,8 [langer Kommentar]). In diesem Sinne wird die jüdische Bibelauslegung zum bewussten, begründeten und nach außen wissenschaftlich verantworteten Nachdenken über das (eigene) religiöse Erbe, seine heiligen

Stabilisierung des jüdischen Glaubens­ horizontes

Kritischer Umgang mit dem eigenen Erbe

6    Einleitung Schriften und deren Rezeptionsgeschichte. Daher geht es in dem hier vorliegenden Lehrbuch auch darum, nachzuzeichnen, wo die philologische (ab dem 18. und 19. Jahrhundert auch die philologisch-historische) Forschung zu Reibungsverlusten geführt hat, die die Selbstgewissheit einer Tradition oder einer Kultur in Frage stellen konnten. Die Bibelkommentatoren werden also auch darauf hin befragt werden, wo ihre ‎Bereitschaft zur Selbstdistanzierung von liebgewordenen Überzeugungen möglich war (und wo nicht!). Die Auslegungen werden zeigen, welche intellektuellen Möglichkeiten zur Auslotung neuer Interpretationsspielräume zur Verfügung standen.

2.  Jüdische Bibelauslegung als Teil einer jüdischen Theologie    7

1. Kapitel: Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Bloch, Réne, Moses und der Mythos: Die Auseinandersetzung mit der griechischen Mythologie bei jüdisch-hellenistischen Autoren (Supplements to the Journal for the Study of Judaism, Bd. 145). Leiden 2011. Dotan, Aron, Masora. In: Fred Skolnik / Michael Berenbaum (Hgg.), Ency­ clopaedia Judaica, Second Edition, Bd. 13. Detroit u. a. 2007, S. 603 – 656‎. Fischer, Alexander A./Würthwein, Ernst, Der Text des Alten Testaments: Neubearbeitung der Einführung in die Biblia Hebraica von Ernst Würth­ wein. Stuttgart 2009. Goldberg, Arnold, „Die Schrift der rabbinischen Schriftausleger.“ Frankfurter Judaistische Beiträge 15 (1987), S. 1 – 15. Khan, Geoffrey, Exegesis and Grammar in Medieval Karaite Texts (Journal of Semitic Studies Supplement, Bd. 13). Oxford 2001. Langer, Gerhard, Midrasch (Jüdische Studien, Bd. 1). Tübingen 2016. Liss, Hanna / Petzold, Kay Joe, Die Erforschung der westeuropäischen Bibeltexttradition als Aufgabe der Jüdischen Studien. In: Andreas Lehnardt (Hg.), Judaistik im Wandel. Ein halbes Jahrhundert Forschung und Lehre über das Judentum in Deutschland. Berlin / Boston 2017, S. 189 – 210. Maier, Johann, Geschichte der jüdischen Religion: Von der Zeit Alexanders des Großen bis zur Aufklärung. Mit einem Ausblick auf das 19./20. Jahrhundert (Spektrum, Bd. 4116). Freiburg u. a. 1992 (2., vollst. neubearb. Aufl.). Maman, Aharon, The Linguistic School: Judah Ḥayyūj, Jonah ibn Janāḥ, Moses ibn Chiquitilla and Judah ibn Balʿam. In: Magne Sæbø (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000, S. 261 – 281. Polliack, Meira (Hg.), Karaite Judaism: A Guide to Its History and Literary Sources (Handbuch der Orientalistik, Bd. 1,73). Leiden / Boston 2003. Sæbø, Magne (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,1: Antiquity. Göttingen 1996. Stemberger, Günter, Einleitung in Talmud und Midrasch (C. H. Beck Studium). München 2011 (9., vollst. neubearb. Aufl.). Stökl Ben Ezra, Daniel, Qumran: Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum (Jüdische Studien, Bd. 3). Tübingen 2016. Tov, Emanuel, Textual Criticism of the Hebrew Bible. Minneapolis 2012 (3., überarb. u. erw. Aufl.). Vollandt, Ronny, Arabic Versions of the Pentateuch: A Comparative Study of Jewish, Christian, and Muslim Sources (Biblia Arabica, Bd. 2). Leiden / Boston 2015.

8    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

1.1. Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung a.  Die Bibel als Text und Schriftencorpus Der biblische Text wurde im babylonisch-persisch-palästinischen Kulturraum verfasst und über Jahrhunderte hinweg als reiner Konsonantentext überliefert. Seit dem 1. Jahrhundert v. u. Z. wurde der Text sukzessive standardisiert (z. B. Plene- und Defektivschreibung* sowie die besondere Schreibung einzelner Wörter oder Buchstaben). Weltbekannt sind heute die Textfunde von Qumran. Unter ihnen befinden sich die ältesten Bibelhandschriften, die uns erhalten sind (z. B. eine vollständig erhaltene Jesaja-Rolle mit der Signatur 1QIsa: goo.gl/vvx3Gi). In Qumran befanden sich mehr als 200 Bibelhandschriften (Stökl Ben Ezra 2016; VanderKam 2010; 2012; VanderKam / Flint 2002), die zwischen 200 v. u. Z. und 70 u. Z. entstanden sind (Tov 2012; ein gutes Schaubild bietet Fischer / Würth­ wein 2009, 88). Emanuel Tov teilt die Qumran-Bibelhandschriften folgendermaßen ein: 1. Manuskripte mit typischer Qumran-Orthographie 2. Manuskripte aus proto-masoretischer Tradition 3. Manuskripte aus prä-samaritanischer* Tradition 4. Manuskripte als Vorlage der griechischen Septuaginta* (LXX) (Wewers 2005) 5. Sonstige nicht einzuordnende (Lange 2015; 2009; Ulrich 2010). Alle biblischen Texte sind hier unvokalisiert. Auch die in diesen Rollen erhaltenen Abschnittskennungen entsprechen noch nicht unbedingt der heutigen Einteilung in Wochenabschnitte (paraschijjot). Die heutige Forschung zum samaritanischen Pentateuch insistiert darauf, dass dieser Text der samaritanischen Tora auf den prä-samaritanischen Text zurückgeht, wie ihn die Qumran-Handschriften bieten (entspricht der in Tov 2012 genannten Gruppe Nr. 3), und nur eine kleinere Anzahl Abweichungen vom späteren masoretischen Text als spezifisch samaritanische Ideologie zu werten sei (Tal / Florentin 2010, 11 – 42; Fischer / Würthwein 2009, 96 – 111; Schorch 2004, 14 – 75). Der Kanon der Das (deuterokanonische) Buch Ben Sira wurde 190 – 175 v. u. Z. Hebräischen Bibel auf Hebräisch verfasst und durch seinen Enkel nach 132 ins Griechische übersetzt. Durch die Genizafunde* sowie den Fund der Fragmente von Metzada (Masada) durch Yigael Yadin ließ sich ein Großteil des hebräischen Konsonantentextes rekonstruieren (Fischer / Würthwein 2009, 55). Ben Sira spricht in seinem Prolog (I,8) schon vom „Gesetz, den Propheten und den anderen Schriften“, kennt also bereits eine Einteilung in verschiedene Büchergruppen. Wie viele Bücher (d. h. der Textumfang en gros, nicht der genaue Wortlaut) Tora und Propheten hatte, erfahren wir erst aus den Schriften des 1. Jahrhunderts u. Z. Der jüdische Historiker und wichtigste Repräsentant der jüdisch-hellenistischen Literatur,

Die Handschriften­ funde aus Qumran

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    9

Flavius Josephus (ca. 37 / 38 – nach 100 u. Z.), kennt vermutlich bereits die Dreiteilung des biblischen Kanons (vgl. aber die Diskussion bei Mason / Kraft 1996, 232 – 235), rechnet jedoch lediglich die Psalmen, das Hohelied, Proverbia und Qohelet zu den Schriften (ketuvim). Die Anzahl der heiligen Bücher wird bei ihm mit 22 angegeben, was vermutlich auf die Zusammenschau von Richter / Rut einerseits und Jeremia / Klagelieder (Ekha) andererseits zurückgeht (vgl. Josephus, Contra Apionem I, §§ 37 – 41). Die sog. Septuaginta (LXX) enthält nicht nur die Bücher der hebräischen Bibel, sondern weitere griechische Schriften, darunter die Bücher 1. Esra, Judit, Tobit, 1. – 4. Makkabäer; Ben Sira (Sirach) und die Psalmen Salomos (zum Ganzen übersichtlich Fischer / Würthwein 2009, 115 – 118). Die Konsolidierungsprozesse des biblischen Textes bilden ab, wie ernst die rabbinische* Elite die Hebräische Bibel als Text nahm, d. h. zunächst einmal als Zeichenmenge erfasste. Am Anfang standen Zahlen: Nach dem Babylonischen Talmud* (bQid 30a) enthält die Tora (Tora-Rolle) 5888 Verse und 304 805 Buchstaben. Die ersten Masora-Gelehrten aus Tiberias zählten 5845 Verse, 79 856 Wörter und 466 945 Buchstaben. Dieser Unterschied lässt sich dadurch erklären, dass es zu rabbinischer Zeit in Babylonien und Eretz Israel verschiedene Traditionen zum Beginn und Ende kleinerer Sinneinheiten gegeben hat (Liss 2019a, 9; Würthwein 1973). Die Anzahl der Wörter und Buchstaben, der Zahlwert eines Wortes oder Buchstabens kann dabei ebenso ernsthaft in die Auslegung eingehen wie ein inhaltliches Motiv. Komplementär dazu kultivierten die rabbinischen Schriftausleger ein sehr formales Schriftverständnis, das Arnold Goldberg als die rabbinische Unterscheidung zwischen Schrift als Mitteilung und dem in der Schrift Mitgeteilten vorgestellt hat: Die Gültigkeit und damit je neue Aktualisierung der Schrift kann nur durch das erstgenannte Verständnis (Schrift als Mitteilung) erreicht werden. Das in der Schrift Mitgeteilte gehört der Vergangenheit an und kann von daher nie eine absolute Gültigkeit beanspruchen (Goldberg 1987). Das Hebräische war für die Rabbinen leschon ha-qodesch „heilige Sprache“. Sie ist die Sprache der göttlichen Offenbarung. Nach der rabbinischen Tradition wurden auch ha-ketav we-ha-mikhtav, d. h. die Form der Buchstaben und die in die Tafeln eingegrabene Schrift (Gottes) schon vor der Welt am Abend des Schabbat, des sechsten Tages, erschaffen (zum Ganzen Liss 2019c). Auch die Buchstabenform war mithin integraler Bestandteil der Offenbarung. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses von ‚Heiliger Schrift‘ muss auch das jüdische Übersetzungsverständnis erklärt werden. Das rabbinische Verständnis (als Hermeneutik der Tannaiten* seit dem 1. Jahrhundert u. Z. und später der rabbinischen Amoräer*)

Konsolidierung des hebräischen Bibeltextes

Bibelübersetzun­ gen und Targumim

Jüdisch-griechische Übersetzungen der Bibel

10    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Die Septuaginta

Die Übersetzung des Aquila

Der aramäische Targum

Synagogale Lesung und Targum

in Babylonien und Eretz Israel unterscheidet sich dabei grundlegend vom jüdisch-hellenistischen. Bei den jüdisch-hellenistischen Autoren wird das Thema Übersetzung mit Blick auf die adäquate Wiedergabe diskutiert, denn es stand außer Frage, dass eine Übersetzung als gleichwertiger Ersatz des Urtextes galt (Veltri 1994, 20). Die Septuaginta sowie einige Texte von Qumran betonen den Inhalt der Offenbarung. Dieser, und nicht primär die äußere Form, sei auch in der Übersetzung zu bewahren. Die Vorstellung der Unübersetzbarkeit gibt es hier nicht (Veltri 1994, 145). Nach Philo von Alexandrien transportierten die Übersetzer der Septuaginta „Name und Sache“ des Hebräischen, was sie zu hierophántai mache, also solchen, die heilige Geheimnisse enthüllen (Veltri 2002b, 42). Die Septuaginta galt als schriftliche Bibel, die auch im Gottesdienst verwendet wurde (Veltri 2002b, 55). Eine wortwörtliche Übersetzung (verbum e verbo) galt dabei als unpassend, weil die Bibel literarische Texte umfasst. Für die bessere Literatur sollte primär am Sinn orientiert übersetzt werden (sensus de sensu). Dass das rabbinische Judentum sich dennoch im Laufe der Zeit von der Septuaginta abgewandt und sogar eine eigene griechische Übersetzung mit der Übersetzung Aquilas angenommen hat (jMeg 1,11; vgl. zum Ganzen Veltri 2002b, 78), liegt an der Funktion dieser Übersetzung und ihrem Verhältnis zum hebräischen Text: Während die Septuaginta die Hebräische Bibel ersetzte, setzte die Übersetzung des Aquila (1./2. Jahrhundert; fragmentarisch ­überliefert in der Hexapla des Origenes, vgl. Field 1875, und in Fragmenten, vgl. de Lange 2015) sie nicht nur zwingend voraus, sondern definierte sich selbst als dem hebräischen Bibeltext subordiniert und diesem zuarbeitend. Diese Übersetzung ist eine Übersetzung verbum e verbo und soll damit eine Erklärung des hebräischen Textes mehr als eine Übertragung ihres Inhaltes ins Griechische sein, was sich auch daran zeigt, dass das Griechische dem Hebräischen durchgehend angepasst wurde. Dass die griechische Bibel von Juden von der Antike bis ins Mittelalter und darüber hinaus rezipiert wurde, zeigt insbesondere Nicholas de Lange (de Lange 2015; 2010; 1996; Leipziger 2018). Die Übersetzung des Aquila ist daher ein Targum, entsprechend dem aramäischen Targum*, der eben keine schriftliche Bibel in anderer Sprache ist, sondern zunächst mündlich, dann aber auch schriftlich, die Lese- und Rezitier-Performanz des kanonisch genau geregelten hebräischen Textes auslegend begleitet. Darin ist der Targum Teil der mündlichen Tora (bTem 14b; SifDev 161; zum Ganzen Smelik 1999). Die Rabbinen unterschieden sehr deutlich zwischen dem Rezitieren der Tora – also der rituell bis ins Detail festgelegten Wiedergabe

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    11

der Wörter – und der Darlegung ihrer Bedeutung. Dies zeigt sich auch an den Vorgaben zur rituellen Performanz: Vorleser und Übersetzer (meturggeman) dürfen personell nicht identisch sein: Der Vorleser konzentriert sich auf die Tora-Rolle, der Übersetzer muss aus dem Gedächtnis rezitieren (Stemberger 2009, bes. 97 – 104). Auf dieser Linie liegt es daher auch, dass die späteren gaonäischen* Quellen wie Massekhet Sofrim und Massekhet Sefer Tora (Sof I,7 oder SefT I,6), die sich mit Schreiberregularien befassen, eine Übersetzung grundsätzlich ablehnen (Levine 1996). Mit Beginn der rabbinischen Zeit lässt sich ein synagogaler Gottesdienst mit Schriftlesung (Tora; Propheten), Schriftauslegung und Gebet nachweisen (Leipziger 2018; Stemberger 2009, bes. 97 – 104; Schiffman 1999; Maier 1997; Mann 1966). Ist auch das Alter einer festen Leseordnung nicht eindeutig zu bestimmen, so ist eine solche spätestens seit der talmudischen Zeit nachweisbar (vgl. bMeg 29b), ist jedoch auch schon für die Zeit von Mischna* und Tosefta* anzunehmen, wie man an der Nennung der Abschnitte für die sog. ‚vier besonderen paraschijjot‘ (vor Pesach: Scheqalim; Sachor; Para [Aduma]; ha-Chodesch) erkennen kann (tMeg III,1 – 4.10; mMeg III,4 – 6). Aus talmudischer Zeit sind unterschiedliche Einteilungsprinzipien für die Toralesung, die Rezitation der fünf Bücher Moses, bekannt. Der palästinischen Unterteilung in eine Leseordnung, bei der die Abschnitte (sedarim) auf einen dreijährigen Lesezyklus verteilt wurden, stand die babylonische mit Wochenabschnitten (paraschijjot) gegenüber, die auf einen einjährigen Lesezyklus zugeschnitten war und sich in nachtalmudischer Zeit auch sukzessive durchgesetzt hat. Die Mischna legt bereits fest, dass am Montag, am Donnerstag sowie am Schabbat Nachmittag Toralesung stattfinden müsse, und gibt dabei noch eine Reihe zusätzlicher Regularien an (mMeg IV,1 – 4). Das Punktations- und Akzentsystem, für das die sog. Masoreten und ihre Vorgänger verantwortlich zeichnen, wurde sukzessive erst ab dem 5. Jahrhundert u. Z. entwickelt. Dabei waren jeweils unterschiedliche Autoritäten an der schriftlichen Überlieferung des biblischen Textes beteiligt: Die Soferim suchten den Konsonantentext zu stabilisieren, die Naqdanim versahen den Konsonantentext mit den Punktationen für Vokalzeichen sowie den Akzentzeichen (te‘amim). Die Masoreten schließlich stellten die eigentliche Masora an den Rändern des Textes zusammen. Sie notierten dabei Leseund Schreibabweichungen ebenso wie die Häufigkeit bestimmter Wörter, eine abweichende Aussprache oder andere textliche Besonderheiten. Die Masora ermöglichte einerseits eine unbedingte Fixierung des Textbestandes, andererseits jedoch auch die Notie-

Leseordnung im Gottesdienst

Die Toralesung

Das Punktationsund Akzentsystem

12    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Die Anfänge der masoretischen Traditionsbildungen

Die wichtigsten Masoreten-­ Familien

rung grammatikalischer Abweichungen oder textlicher Korruptelen. Darüber hinaus, dies zeigen neuere Studien zur Masora, waren die Masoreten auch darum bemüht, Interpretationen, die sie aus dem Midrasch* kannten und für wichtig genug erachteten, über intertextuelle Bezüge und Anspielungen im Bibeltext selbst zu verankern und auch dies in den masoretischen Anmerkungen festzuhalten (Martín-Contreras / Miralles-Maciá 2014; Martín-Contreras 2005). Aus (west-)europäischer Sicht waren die Zentren der masoretischen ‚Schulen‘ (wohl eher einfach: jeschivot*) im Osten: Da gab es zum einen Tiberias in Eretz Israel, zum anderen die Hochburgen der jüdischen Talmud-Akademien (Jeschivot) in Babylonien: Sura und Pumbeditha. Neben der Erstellung der masoretischen Bibeln verfassten die masoretischen Gelehrten auch erstmals grammatische Sammlungen und masoretische Listen, die auch einzelnen Autoren zugeordnet werden können. Die Bibel zu lesen und zu verstehen, bedeutete für sie in erster Linie, einen philologischen und grammatischen Zugang zum biblischen Text zu wählen. Allerdings zeigt ihre Arbeit, dass sie die rabbinische Tradition gleichfalls sehr ernst genommen haben. Der in bSot 20a formulierte Appell zur Texttreue – „Mein Sohn, sei vorsichtig, denn deine Arbeit ist Arbeit des Himmels: Wenn du auch nur einen Buchstaben auslässt oder einen hinzufügst, würde die ganze Welt zerstört werden“ – wird durch die Fixierung von Ausspracheregeln oder Textstatistiken durch die Masoreten beispielhaft eingelöst. Die ‚Mitte der Tora‘, ein Ausdruck, der heute vor allem im christlichen Auslegungskontext immer wieder zu hören ist und dabei auf zentrale inhaltlich-theologische Themen abzuheben sucht, bestimmten die Masoreten auf der Basis der rabbinischen Zählung gerade nicht inhaltlich, sondern nummerisch. Sie liegt nach dem Codex Leningradensis (fol. 62v) in dem Wort gachon (‚Bauch‘) in Lev 11,42, dessen dritter Buchstabe Waw zur Hervorhebung dieser zentralen Position sogar noch vergrößert geschrieben wird, und diese Schreibung, die sich bereits in dem spätrabbinischen Traktat Massekhet Sofrim (IX,2) findet, hat sich bis in heutige kritische und nicht-kritische Bibelausgaben und Tora-Rollen durchgehalten. Mit den Gelehrtenfamilien Ben Ascher und Ben Naftali treten erstmals einzelne, wenn auch historisch nur schwer greifbare, Individuen der jüdischen Geistesgeschichte auf den Plan. Sie sind die wichtigsten Repräsentanten der tiberiensischen Masora, und wir verdanken ihnen die wichtigsten noch heute erhaltenen orientalischen Bibelhandschriften (Dotan 1990; 1977). Von Ascher dem Älteren (2. Hälfte 8. Jahrhundert), Mosche ben Ascher (2. Hälfte 9. Jahrhundert), Aharon ben Ascher (1. Hälfte 10. Jahrhundert),

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    13

Schelomo ben Buj‘a’a und Mosche ben David ben Naftali (1. Hälfte 10. Jahrhundert) wissen wir kaum mehr als ihre Namen, wie sie in den Kolophonen* der Handschriften begegnen. Mosche ben Ascher schrieb 895 / 96 den Codex Cairensis, Aharon ben Ascher war für die Vokalisierung, Akzentuierung und Masora des Aleppo-Codex verantwortlich, dessen Konsonantentext wiederum von Schelomo ben Buj‘a’a geschrieben wurde (Dotan 2007). Ob sie Karäer* waren, wissen wir nicht (Diskussion bei Zer 2009; D ­ otan 1977). In jedem Fall bildeten die Karäer zu diesem Zeitpunkt (8. – 10. Jahrhundert) ohnehin noch keine religionsgesetzlich eigenständige Gruppierung. Dass sich einzelne Gelehrte mit ihren grammatischen und philologischen Schriften aus einer bis dahin eher kollektiv greifbaren Masse herauszuheben suchten, lag weniger an der Gegenüberstellung von ‚karäisch‘* und ‚rabbanitisch‘* als vielmehr daran, dass sich an der Schwelle zum jüdischen Mittelalter eine formale Veränderung oder besser Verschiebung von der Traditionsliteratur hin zur Autorenliteratur vollzog, die enorme hermeneutische Konsequenzen mit sich brachte (zum Begriff ‚Autorenliteratur‘ im Folgenden Kap. 2.1.c.). Heute kennen wir ca. 2700 datierte hebräische Bibel-Handschriften vor 1540; von diesen wurden 41 in der Zeit vor dem 13. Jahrhundert geschrieben, nämlich sechs im 10. Jahrhundert, acht im 11. Jahrhundert und 27 im 12. Jahrhundert (Tov 2012, 25 f.; nach Beit Arié 1978 waren es im 12. Jahrhundert 22 MSS). Man kann davon ausgehen, dass eine ganze Reihe weiterer Handschriften verloren ging und / oder mutwillig zerstört wurde. Deutlich wird aber, dass die Hochphase der spanischen, provencalischen und nordfranzösischen Bibelauslegung mit einer intensiven Produktion von Bibelhandschriften einherging. In der heutigen Bibelwissenschaft und Exegese finden fast ausschließlich orientalische Bibelcodices Beachtung, die aus der tiberiensischen ben-ascherianischen Schule stammen. Die wichtigsten sind der Codex London, British Library Or. 4445 (925 u. Z., 186 Folia* Pentateuch, unvollständig), der Aleppo-Codex (930 u. Z., 295 Folia Vollbibel, unvollständig), der Codex St. Petersburg, Russian National Library, Firkovich Evr. I B 19a (Codex Lenin­ gradensis, ca. 1008 u. Z.), der Codex S (Jerusalem MS 24o5702; Pentateuch, ca. 10. Jahrhundert), der Codex S1 (früher: Sassoon 1053; Vollbibel, 10. Jahrhundert), und der Kairoer Prophetencodex (Codex Cairensis; ca. 895 u. Z.; zum Ganzen Ofer 2019).

Hebräische Bibel-Manuskripte des Hochmittel­ alters

Die wichtigsten orientalischen Bibelhandschriften

14    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Abb. 1: St. Petersburg, Russian National Library, Firkovich Evr. I B 19a, fol. 118v.

Anders als die Qumran-Manuskripte, die kein einheitliches Schema und insgesamt sehr viel weniger Textstrukturierungen aufweisen (Askin 2019; Pajunen 2019; Schücking-Jungblut 2019), zeigen diese und alle nachfolgenden mittelalterlichen Bibel-Codices eine ­mise-en-texte, bei der der Text vielfach in (Sinn-)Abschnitte eingeteilt wird, die entweder als ‚geschlossen‘ (setuma) oder ‚offen‘ (petucha) ausgezeichnet wurden (Oesch 1979). Erst spätere Handschriften weisen auch Kapitelangaben auf, z. B. das MS Rom Vat. ebr. 468 (La Rochelle; 1215), das die Kapitelzählung in hebräischen Buchstaben bietet. In welchem Verhältnis diese Einteilung zur zeitlich früheren Kapiteleinteilung des Erzbischofs von Canterbury, Stephan Langton (ca. 1155 – 1228), steht, muss noch geklärt werden. Die Masora Die sog. Masora umfasst alle Informationen (Grapheme, Notizen, mise-en-page, Referenzen, Akzent- und Vokalisationszeichen) zum hebräischen Konsonantentext, die in erster Linie den (Muster-) Codex, aber auch den Sefer Tora*, die Tora-Rolle, betreffen und darin eine der Tradition entsprechende Weitergabe des masoretischen Textes gewährleisten. In den orientalischen Bibelhandschrif-

Mise-En-Texte

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    15

ten finden wir masoretische Noten in den vertikalen Marginalien (masora parva), sowie als masora magna die Erläuterungen, Merkverse und Stellenverweise (simanim) am oberen und unteren Rand einer Seite. Zumeist werden als masora finalis die separaten masoretischen Noten und Listen zwischen den Büchern oder am Ende des Manuskripts zusammengestellt. Die westeuropäischen (aschkenasischen*) Bibelhandschriften des 11. bis 13. Jahrhunderts zeigen vielfach schon darin ein anderes Layout, als diese Handschriften häufig den Targum* interlinear integrieren. Auch die Masora nahm oftmals eine andere Form an, als dies in den orientalischen und sefardischen* Codices üblich war (Liss 2018a; S. Offenberg 2016; Attia 2015a; 2015b; Liss 2012; Tahan 2007). Seit dem 12. Jahrhundert tauchen in Frankreich und Deutschland Teil- und Vollbibeln auf, in denen die Listenmasora in ornamentalen Formen auf der Seite platziert und in Form von Fabelwesen, zoomorphen und anthropomorphen Darstellungen als masora figurata gestaltet wurde. Allerdings war diese masora figurata bereits mit den ersten Inkunabeln* und den nachfolgenden Frühdrucken vergessen. Der Druck prägte eine Text- und Layout-Tradition der Masora aus, in der die aschkenasische Tradition sukzessive zugunsten der sefardischen* verdrängt wurde. In vielen Frühdrucken fehlen Masora magna / figurata und ihr Wegfall geht gleichzeitig mit einem Wechsel von Produzenten und Rezipienten (nun auch christliche Drucker und Hebraisten) sowie mit verändertem Text und Layout einher. Erst die Frühdrucke ab 1517 re-integrieren die Masora, allerdings nicht-figurativ und ohne weitere Sinnzuschreibungen. Der Verzicht auf figurative Masora lag zum einen daran, dass sie sich in ihrer künstlerischen Beschaffenheit nicht für handschriftliche oder im Druck erstellte Kopiervorgänge eignete, zum anderen wetterten die Hebraisten – auch die jüdischen – gegen diese aus ihrer Sicht unphilologische und unleserliche Darstellung (vgl. unten Kap. 7.3.f.). Die künstlerischen Darstellungen der Masora – damit aber gleichzeitig ihr eigenes philologisches Profil wie auch ihr exegetisches Potential – gerieten damit endgültig ins Abseits von Textüberlieferung und Bibelauslegung, und erst neuere Forschungen nehmen sich ihrer wieder an. Praktisch zeitgleich mit den Bibelhandschriften entstehen auch die masoretischen Listenzusammenstellungen und Kommentierungen. Neben den aus den Masoretenschulen stammenden Werken wie Diqduqe ha-Te῾amim, Okhla we-Okhla und Sefer ha-Chillufim (‚Buch der Varianten‘; Dotan 1967) begannen auch die Gelehrten des 12. und 13. Jahrhunderts sich intensiv mit den masoretischen Traditionen zu beschäftigen (Ognibeni 1995; Men. Cohen 1986; Díaz Esteban 1975). Wie wir heute wissen, stammt die Rezen-

Die westeuropäi­ schen Bibelhand­ schriften

Masoretische Traktate des Mittel­ alters

16    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Abb. 2: London, British Library, Or. 2091, fol. 203r.

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    17

Abb. 3: London, British Library, Add. 21160, fol. 142r.

18    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Abb. 4: Paris, Bibliothèque Nationale de France, hébr. 5, fol. 119r.

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    19

sion der Hallenser Handschrift von Sefer Okhla we-Okhla aus der Feder des Tosafisten* Menachem aus Joigny (Penkower 1993b). Bereits R. Gerschom Me’or ha-Gola und sein Bruder Makhir ebenso wie Rabbenu Tam, der Bruder des berühmten Tosafisten und Bibelauslegers R. Schemu’el ben Meïr (Raschbam), beschäftigten sich mit der Masora. Und neben dem schon erwähnten Et Sofer ‚Feder des Kopisten‘ von Radaq verfasste auch der Spanier Meïr ben To­dros ha-Levi Abulafia (ca. 1170 – 1244) sein masoretisches Werk Sefer Masoret Sejag la-Tora ‚Das Buch der (masoretischen) Überlieferung als Zaun um die Tora‘ (E. Breuer 1996a, 33 – 76). Neuere Forschungen an den westeuropäischen Bibel- und Kom- Textgeschichte und mentarhandschriften von ihren frühesten bislang bekannten Text- Bibelauslegung zeugen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zeigen dabei, dass die wissenschaftlichen Fragestellungen zur mittelalterlichen Bibel-Rezeption (z. B. Masoraforschung, jüdische Kommentarliteratur) im christlichen Kulturkreis wie insgesamt zur abendländischen Bibeltexttradition und Wissenskultur weniger an den bekannten ben-ascherianischen Handschriften, sondern nur an den westeuropäischen gelöst werden können (Liss / Petzold 2017). Dies zeigt gleichzeitig, dass die sog. ‚Rezeptionsgeschichte‘ des biblischen Textes im Hochmittelalter, ähnlich wie auch bei der Geschichte des Koran, noch unmittelbar zur ‚Text-Geschichte‘ dazu gehört (vgl. auch Neuwirth 2014). b.  Bibelauslegung in Qumran und im jüdischen Hellenismus Die Schriftauslegung von Qumran verbindet sich vor allem mit Die Pescharim aus einem für diese Gruppierung charakteristischen Genre, den sog. Qumran pescharim (sg. pescher; [Traum-]Deutung; vgl. Koh 8,1; Dan 4,3; zum Ganzen ausführlich Stökl Ben Ezra 2016, 228 – 233; Nitzan 2009; Maier 1996). Diese Texte lassen eine klare Differenzierung in gesetzliches Material (‚Tora-Texte‘) und nichtgesetzliche Texte erkennen. Wie auch später in der rabbinischen Literatur gilt auch hier, dass die (richtige) Praxis, die der ‚Rechtsanweiser‘ (vgl. Maier 1996, Bd. 3, 9) grundlegt, die Basis für die richtige Schriftauslegung darstellt. Gesetzliche Texte werden dabei nie einer pescher-Deutung unterzogen. Die Schriftauslegung von Qumran ist ihrem hermeneutischen Anspruch nach weniger an bestimmte Auslegungstechniken (obwohl man diese durchaus ausmachen kann) gebunden, sondern vor allem an bestimmte Personen und Trägerkreise. Die jachadische* Gemeinde von Qumran (Stökl Ben Ezra 2016, bes. 237 – 316) sah in den Schriften der Hebräischen Bibel, v. a. in den Propheten, die Ankündigung der Qumran-Epoche, und entsprechend wurden die biblischen Texte ausgelegt. Oberste exegetische Instanz war

20    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Das Judentum in hellenistischer Umwelt

Demetrios und Aristobul

Philo von Alexandrien

dabei der sog. ‚Lehrer der Gerechtigkeit‘ (more ha-tzedeq). Der biblische Text enthält ein Geheimnis (raz), das nicht einmal den Propheten offenbart wurde. Auf einer zweiten Stufe, vermittels des pescher (zum Unterschied zwischen pescher als Auslegungstechnik und pescher als Genre vgl. bes. Stökl Ben Ezra 2016, 229), der dem more ha-tzedeq mitgeteilt wurde, erschließt sich das ganze Geheimnis, d. h. die ‚eigentliche‘ Bedeutung des biblischen Verses / Wortes (vgl. z. B. 1QpHab VII,1 – 5). Die Hebräische Bibel lag mit der Septuaginta* (LXX) beinahe von Anfang an in Übersetzung vor (Tov 2012, 127 – 147), sie bildete jedoch nie den heiligen Text des rabbinischen, sondern lediglich den normativen Text des hellenistischen bzw. des griechischsprachigen Judentums, und fand nie Eingang in die Rezeptionsgeschichte der Hebräischen Bibel vermittels und in der rabbinischen Traditionsliteratur. Die Auslegungen der jüdisch-hellenistischen Autoren sind daher von den späteren rabbinischen grundverschieden, wie auch ihr intellektueller Kontext ein ganz anderer war. So musste das mosaische Gesetz gegenüber der zeitgenössischen Philosophie gerechtfertigt und seine Observanz dennoch verteidigt werden. Andererseits passte gerade der jüdische Gottesdienst mit seiner Wortbetontheit und seinen ‚unblutigen Ritualen‘ (Siegert 1996, 142) gut zur pythagoreischen und stoischen Weltanschauung. Bibelauslegungen, wenngleich noch keine vers-chronologischen Bibelkommentare sensu stricto, finden sich bereits bei den jüdischen Autoren Alexandriens wie Demetrios und Aristobul (2. Jahrhundert v. u. Z.; zum Ganzen ausführlich Siegert 2016, 397 – 405; Bloch 2011, 149 – 155; Siegert 1996, 154 – 162, 189 – 198). Ihre Quaestiones behandeln einzelne biblische Themen wie auch grundsätzliche theologische Fragen wie beispielsweise die Frage nach der Vernünftigkeit des mosaischen Gesetzes oder seiner Kompatibilität mit der philosophischen Lehre Platons. Ihre Werke sind nur fragmentarisch überliefert (Aristobul beispielsweise in den Schriften des Eusebius). Während Aristobuls Auslegungen immer wieder ein metaphorisches Verständnis der biblischen Anthropomorphismen fordern, gehört Demetrius eher zu den „Historikern“ (Siegert 1996, 190), weil sein Hauptaugenmerk auf der biblischen Geschichte liegt. Auf der Basis der hellenistischen Hermeneutik, deren Vertretern vor allem daran gelegen war, durch allegorische Auslegung dem Leser die verborgene Lehre Homers nahezubringen, suchte auch Philo von Alexandrien (ca. 20 v. u. Z. – 49 u. Z.), die göttliche Weisheit der Tora auf zweifache Weise – durch Allegorie und Auslegung nach dem Literalsinn – darzulegen (Niehoff 2018; Bloch 2017; Amir / Niehoff 2007; Siegert 1996, 162 – 189). Beide Zugänge zur Schrift haben nach Philo ihren Wert, weil sie auf zwei verschiedene

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    21

Lesergruppen abzielen: Der Literalsinn ist auf Breitenwirkung ausgerichtet und gilt all denen, die keine philosophische Ausbildung besitzen. Der in der allegorischen Exegese vermittelte tiefere Schriftsinn spricht die intellektuelle Elite an. Dabei bemühte sich Philo, die Durchführung des Gesetzes, fußend auf dem Literalsinn, nicht zugunsten der allegorischen Exegese zu vernachlässigen. Gottes Wille sollte erfüllt und seine tiefere Weisheit erkannt werden: „Das ganze Gesetz (…) ähnelt einem Lebewesen: der Körper sind die Vorschriften in ihrem einfachen Wortlaut; die Seele ist die unsichtbare Bedeutung, die unter den Worten verborgen liegt“ (De Vita Contemplativa 78; zitiert nach Miletto 2009; vgl. auch Siegert 1996). Philos Bibel war die griechische Septuaginta, obwohl er natürlich wusste, dass diese (ursprünglich) auf Hebräisch vorlag. Seine Auslegungen sind sehr auf den Pentateuch konzentriert (vgl. aber Bloch 2016). Obwohl er nur selten pagane Autoren namentlich zitiert, scheut er sich nicht, Platon als den Heiligsten auszuzeichnen (katà tòn hierótaton Plátona; Siegert 1996, 165), und man sieht deutlich, dass es ihm auch daran lag, die jüdischen Texte den heidnischen Autoren als ebenbürtig an die Seite zu stellen. Philo verfasste Quaestiones zu den Büchern Genesis und Exodus, einen allegorischen Kommentar zum Buch Genesis sowie eine Reihe Abhandlungen zum mosaischen Gesetz. Zu den bekanntesten gehören z. B. De Vita Mosis, De Decalogo, De Specialibus Legibus (Siegert 1996, 166 – 168). Für Philo galt der biblische Mose als ‚Theologe‘ (theólogos), weil er die Menschen über die göttliche Natur belehrte (Sheridan 2015, bes. 61 – 77). Von einigen seiner Schriften ist das griechische Original verloren gegangen. Flavius Josephus (ca. 37 / 38 – nach 100 u. Z., geboren als Joseph ben Matitjahu ha-Kohen) gilt als einer der wichtigsten Repräsentanten des hellenistischen Judentums, und sein Weg von Jerusalem nach Rom spiegelt sich auch in seinen Schriften wider (zum Ganzen Schalit 2007; Mason / Kraft 1996). Sein bekanntestes und erstes (ursprünglich zunächst auf Aramäisch verfasstes und später dann im Griechischen überarbeitetes) Werk ist die in Rom verfasste Geschichte des Jüdischen Krieges (Bellum Judaicum), in der er die Seleukidenzeit unter Antiochus IV. Epiphanes sowie den daraus hervorgegangenen Aufstand der Makkabäer* schildert. Josephus’ umfassendstes Werk sind die Jüdische[n] Altertümer (Antiquitates Judaicae), die in Ant. 1 – 11 die Geschichte des jüdischen Volkes von der Schöpfung bis in die nachexilische Zeit schildern und hierbei die Verarbeitung eines großen biblischen Textumfanges (von Gen 1 – Esra / Nehemia / Haggai; Mason / Kraft 1996) erkennen lassen. Dieses Geschichtswerk ist keine Bibelauslegung

Der jüdische Historiker Flavius Josephus

Bellum Judaicum ‚Der jüdische Krieg‘

Antiquitates Judaicae ‚Jüdische Altertümer‘

22    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter im strengen Sinne; es zeigt vielmehr, dass es Flavius Josephus vor allem darum zu tun war, den nicht-jüdischen Völkern das Judentum als gleichwertige Kultur des Altertums zu präsentieren (Bloch 2011, bes. 23 – 30). So wählte er den Titel Antiquitates Judaicae in deutlicher Anlehnung an die Antiquitates Romanae des Dionysios von Halikarnassos (ca. 54 v. u. Z. – nach 7 v. u. Z.; Schalit 2007). Die biblischen Erzählungen werden dabei paraphrasiert, und Josephus passt einzelne Geschichten immer wieder an den hellenistischen Literaturgeschmack an (Bloch 2011, bes. 105 – 120). Dabei integriert er auch Midraschmaterial*, von dem so manche Überlieferung in den Antiquitates ihre einzige bis heute bekannte Quelle hat (Schalit 2007). Obwohl er sicherlich Hebräisch konnte, zeigen seine Schriften eine deutliche Präferenz für die Septuaginta. Josephus hat offenbar sogar Zugang zu samaritanischen* Überlieferungen gehabt (Schalit 2007). Weitere kleinere (Spät-)Schriften von Josephus sind seine Autobiographie (Vita ‚Biographie‘) und die apologetische Schrift Contra Apionem ‚Gegen Apion‘ (auch: ‚Über die Ursprünglichkeit des Judentums‘; zum Ganzen Siegert 2011; 2008; Schalit 2007). c.  Von der Kompilationsliteratur zum Autor Mischna, Talmud und Midrasch

Ist zwar die Hebräische Bibel die textliche Grundlage für das nachbiblische Israel / Judentum und das Christentum, so sind die literarischen Gründungsurkunden des Judentums seit der rabbinischen Zeit die Mischna* und der Talmud* und – für das antike Palästina – der Midrasch* (zum Ganzen Langer 2016, bes. 19 – 37, 165 – 180; Stemberger 2011; 2009). Alle diese literarischen Werke sind über einen längeren Zeitraum entstanden und stellen die klassischen Vertreter von Traditions- oder Kompilationsliteraturen dar. Das wichtigste formale Charakteristikum der sog. Traditionsliteratur ist ihr literarischer Aufbau als Kompilation (Goldberg 1987; 1982). Eine Kompilation besteht aus vielen einzelnen Textversatzstücken und -abschnitten, die im Gesamtaufbau einer Schrift nicht unbedingt auf einen literarischen Kontext beschränkt sein müssen. Daher können die verwendeten Einzelteile durchaus an mehreren Stellen wieder eingefügt und wiederholt werden. In der Regel waren dabei stets ein oder mehrere Redaktoren oder Kompilatoren am Werke. Zumeist entstammen die Inhalte – Gesetzessammlungen, aggadische Überlieferungen, rabbinische Dicta, halachische Diskussionen und Entscheidungen – selbst wiederum einer schriftlichen Quelle. Der Redaktor oder Kompilator formuliert also nicht eigens eine sachliche Position und deren literarische Ausführung, sondern stellt vorgegebenes Material neu zusammen und bringt damit einzelne Überlieferungen in einen neuen redaktionellen Zusammenhang.

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    23

Der Redaktor oder Kompilator tritt als schreibendes Subjekt dabei nicht selbst in Erscheinung. (Schreibendes) Subjekt und (thematisches) Objekt rücken zusammen. Daraus folgt nun, dass ein kompilierter Text nicht mit dem Anspruch einer bewussten Abgrenzung gegenüber seinen Quellen auftritt. Kompilation ist Kollektion, d. h. die Erstellung textlicher Einheiten durch Addition und Integration. Im Falle des Midrasch besteht das Ziel in der exegetischen „Aneignung des Bibeltextes im Sinne einer (meist, aber nicht immer) für verschiedene Meinungen offenen Interpretation“ (Langer 2016, 33). Natürlich ist damit keine wahllose und rein quantitative Anhäufung von Textbausteinen gemeint; unterschiedliche Auswahlprozesse lassen sich rekonstruieren. Dennoch bleibt es formal bei einer Zusammenstellung und damit der Addition von Zitaten oder Überlieferungen. Für das biblische wie für das rabbinische Schrifttum bis ins Mittelalter hinein kann sich das Anwachsen kleiner und größerer Mikroformen zu einer Makroform entweder genetisch-linear von kleineren zu größeren Texteinheiten vollziehen oder mehrdimensional, d. h. als gleichzeitige Ausprägung unterschiedlicher literarischer Makroformen ohne gemeinsamen Urtext, entwickeln (vgl. auch bereits die biblischen Parallel-Versionen unter den Textfunden in Qumran). Mit Blick auf die Unterscheidung von Kompilations- und späterer Autorenliteratur gilt es also festzuhalten, dass eine Kompilation ihren Ausgangspunkt weniger bei einzelnen systematischen Themen- oder Fragestellungen nimmt. Vielmehr hat die Kompilation ein schriftliches Corpus zur Grundlage, in das auch formale und inhaltliche Unterschiede, im größeren Kontext auch sachliche oder inhaltliche Widersprüche problemlos integriert werden können. Eine Kompilation ist dadurch charakterisiert, dass ein Kompilator mittels der Zusammenstellung von Überlieferungen oder durch eigene Ausführungen etwas Neues formuliert, dieses Neue jedoch so in das bereits Vorhandene integriert, dass sich die Konturen von Altem und Neuem verwischen (Liss 1994). Ein ganz anderes Bild ergibt sich hinsichtlich der Entwicklung von Autorenliteratur, die für die Entstehung der jüdischen Bibelkommentare eine wichtige Rolle spielt. In das aramäisch-hebräischsprachige Judentum findet die Autorenliteratur erst durch die Auseinandersetzung mit dem islamischen Schrifttum (8./9. Jahrhundert) Eingang, sieht man einmal von Ben Sira (vgl. oben Kap. 1.1.a.), Philo von Alexandrien (ca. 20 v. u. Z. – 49 u. Z.) und Flavius Josephus (37 / 38 – nach 100 u. Z.) ab, die aber alle der griechisch-römischen Kulturwelt zuzurechnen sind. Die frühesten Exponenten der jüdischen Autorenliteratur finden wir daher auch nicht zufällig entweder auf dem Gebiet der Philosophie (R. Sa‘adja Gaon, 882 – 942 u. Z.; R. Schelomo ibn Gabirol, 1020 – ca. 1058; R. Jehuda ha-Levi,

Redaktion und Kompilation

Anfänge ara­ bisch-hebräischer Autorenliteratur

24    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter 1075 – 1141 u. a.) oder der Schriftexegese und Grammatik: Neben R. Sa‘adja Gaon sind es hier vor allem die karäischen* Gelehrten sowie die zunächst aramäisch-, dann arabischsprachigen Masoreten des 9. und 10. Jahrhunderts, die andalusischen Grammatiker des 10. Jahrhunderts wie Menachem ibn Saruq und Dunasch ibn Labrat (925 – Ende 10. Jahrhundert; Rabin / Sáenz-Badillos 2007), und seit dem 11. Jahrhundert im christlichen Europa R. Schelomo Jitzchaqi (Raschi; ca. 1040 – 1105), R. Avraham ibn Ezra, R. David Qimchi (Radaq) u. a. Auf dem Gebiet der Halakha* beginnt die Entwicklung zu einer individuellen Auseinandersetzung mit dem halachischen Traditionsstoff mit der Kodifikationstätigkeit von R. Jizchaq ben Ja‘aqov Alfasi (1013 – 1103; Assaf / Ta-Shma 2007). In der gaonäischen* Zeit gehören dazu insbesondere auch die sog. Responsen, d. h. schriftlich abgefasste religionsgesetzliche Entscheidungen anerkannter rabbinischer Autoritäten. Einschränkend sei jedoch erwähnt, dass sich in den Kommentierungen des Bibel- wie des Talmudkommentars von Raschi durch die sog. Tosafisten* (ba‘ale ha-tosafot) eine kollektive Form der Überlieferung behauptet hat, bei der sich jedoch auch Zuschreibungen an die einzelnen Tosafisten finden (vgl. dazu auch Hollender 2008, bes. 10 – 22). Daneben wurden die tosafot der Tosafisten auch in gesonderten, unter ihrem Namen erscheinenden Sammlungen zusammengestellt. Auf christlicher Seite markiert diese Zeit den Beginn der scholastischen Epoche, in der die bis dahin üblichen Sentenzensammlungen, in denen auch zum größten Teil exzerpiert und kompiliert wurde, durch die quaestio (ab 13. Jahrhundert Quaestionen-Sammlungen) bzw. die theologische summa einzelner Magister abgelöst wurde. Bibelkommentare Autorenliteratur wird stets subjektbezogen gestaltet, d. h. sie als Autorenliteratur nimmt ihren Ausgang bei der Idee eines Autors, der ein Thema bearbeitet, das dabei stets in Auseinandersetzung mit einem oder mehreren Autoren oder Texten entwickelt wird. Ein Autor wird immer eine hermeneutische Position formulieren (und sei es auch nur indirekt), in der er sich von anderen Autoren abzugrenzen sucht; auch Inhalt und Themenstellung werden klar umrissen. Das geht so weit, dass R. Sa‘adja Gaon seine Kommentare zu einzelnen biblischen Büchern mit Überschriften versehen hat, die zu den von ihm in einem bestimmten biblischen Buch als zentral herausgestellten Themen passend gewählt wurden (die Übersetzung des Buches Hiob und der dazugehörige Kommentar tragen beispielsweise die thematische Überschrift Das Buch der Theodizee). Andere Quellen werden zur Profilierung der eigenen Argumentation herangezogen oder explizit zurückgewiesen. Der Autor eines Bibelkommentars ist kein Redaktor mehr, sondern derjenige, der in der Explikation seines Traditions- und Auslegungsverständnisses den Traditionsgang

1.1.  Die Hebräische Bibel zwischen Text und Auslegung    25

selbst formal und inhaltlich kommentiert und damit eben jenes hermeneutische Verständnis formuliert, das ein Buch in Relation zu seinem Autor setzt. Bibelkommentare wollen auf ihren Autor zurückverweisen. Deshalb stellen alle Bibelkommentatoren ihren Werken oder zumindest bestimmten Abschnitten eine Einleitung voran (haqdama), in der sie ihre Methode, ihre Gewichtung bei der Auslegung etc., aber auch die Schwächen und Versäumnisse oder gar Fehler der früheren Exegeten darlegen. Dies gilt auch für die halachischen Schriften: Auch Maimonides (Rambam) stellt dem Mischne Tora den sog. Sefer ha-Madda (‚Das Buch der Erkenntnis‘) voran. d.  Wo und wie beginnt das jüdische Mittelalter? Zwar hatte schon die Renaissancezeit das medium aevum, das ‚mittlere Zeitalter‘, als Epoche zwischen der griechisch-römischen Antike und der eigenen Epoche der ‚Wiedergeburt‘ (Renaissance) charakterisiert und damit bereits eine über die christlich-heilsgeschichtliche Betrachtung hinausgehende profangeschichtliche Deutung von Welt und Geschichte eingeläutet, aber erst seit dem 18. Jahrhundert wurde die Geschichte in vollem Umfang nicht mehr als ‚Heilsgeschichte‘, d. h. als göttlich gelenkter menschlicher Handlungsraum verstanden. Man entwickelte vielmehr einen säkularen Zugang zur Geschichte, was auch erstmals eine umfassende Historiographie ermöglichte. In Aufnahme der Idee der Renaissancezeit, wonach die Antike das goldene Zeitalter, die aetas aurea, gewesen war, bekam ‚die Zeit danach‘ jenen Stempel aufgedrückt, der auch heute noch und völlig zu Unrecht, in den Köpfen der Leute spukt, nämlich das Mittelalter als das ‚düstere Zeitalter‘, das saeculum obscurum. Es wird im Folgenden auch darauf ankommen zu zeigen, dass gerade das jüdische Mittelalter nicht nur lebendig und vielschichtig war, sondern wie kaum je in späterer Zeit in der Lage, Spannungen und große Unterschiede religiöser und kultureller Art auszuhalten und durchzuhalten. Das jüdische Mittelalter ist gerade kein saeculum obscurum: so viel ‚Licht‘ und neue Ideen, wie in dieser Zeit entwickelt wurden und auch soziologisch das Judentum für alle weiteren Jahrhunderte geprägt haben, wünschte man sich heute einmal mehr wieder. Cecil Roth hat das jüdische Mittelalter mit dem Jahr 711, der Eroberung Spaniens durch die Umayyaden, beginnen lassen (Roth 1946). Auch nach Gerhard Langer stellt die islamische Eroberung den terminus a quo dar (Langer 2016, 243). Diese chronologische Einteilung wird vor allem dann sinnvoll, wenn man chronologische mit geographischen Faktoren relationiert. Hier bietet sich

Was heißt Mittelalter?

Das jüdische Mittelalter

26    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter als Anknüpfungspunkt der erste sacco di Roma, die erste Plünderung Roms durch die Westgoten 410, an, mit der nachfolgend und vollends dann seit dem 8. Jahrhundert eine Verschiebung des politischen, kulturellen und religiösen Schwerpunktes vom Mittelmeerraum (einschließlich des Nahen Ostens und Nordafrikas) nach Süd- und Westeuropa erfolgte. Die intellektuellen Leistungen, die sich in den jüdischen Literaturen des Mittelalters niederschlugen, entwickelten sich dabei in zwei geographischen Räumen und Kulturkontexten, die erst von der Mitte des 11. Jahrhunderts an langsam zusammenwuchsen: im muslimischen Nordafrika und Spanien (Sefarad*) und im christlichen West- und Mitteleuropa (Aschkenaz*; Tzarfat*). Auf eine kurze Formel gebracht könnte man sagen: Die Bibel ist ein Produkt des Ostens, ihre umfassende Kommentierung und eine anfängliche Verwissenschaftlichung des Diskurses darüber verschiebt sich seit dem 10./11. Jahrhundert zunehmend nach Westen. Eine ganz analoge Entwicklung lässt sich übrigens auch für das Talmudstudium beobachten: „Als die Sonne der östlichen Akademien unterging, ging die Sonne der westlichen Lehrhäuser auf“ (Reichman 2007, 38). Ein wichtiges Bindeglied zwischen dem antiken und spätantiken Judentum in Palästina und Babylonien und den neu aufkommenden Zentren in Nordafrika und Spanien stellt dabei die gaonäische* Bibelauslegung aus den Lehrakademien in Babylonien, vor allem in Sura, dar. Hier finden wir nicht nur erstmals greifbare literarische Spuren der Auseinandersetzung des rabbinischen Judentums mit den Karäern*, sondern auch eine intensive Rezeption der zeitgenössischen islamischen Theologie und Exegese. Damit einhergehend und wiederum unter dem Einfluss der Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Islam treten jetzt erstmals einzelne jüdische Gelehrte als Denker und Autorenpersönlichkeit auf.

1.2. Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung a.  Der Beginn der philologischen und philosophischen Bibelauslegung R. Sa‘adja ben Josef al-Fayyūmī

Die wichtigsten Exponenten für eine beginnende Bibelkommentarliteratur sind gleichzeitig Repräsentanten der letzten Generationen der sog. Geonim* in Sura / Babylonien: R. Sa‘adja ben Josef al-Fayyūmī (882 – 942, auch bekannt als R. Sa‘adja Gaon) und R. Schemu’el ben Chofni (st. 1034). R. Sa‘adja war ein Ägypter, der seinen Weg über Palästina nach Babylonien fand und dort als Gaon* in Sura von 928 an bis zu seinem Tod amtierte. Ca. 998

1.2.  Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung    27

und damit einige Generationen nach R. Sa‘adja folgte als einer der letzten Geonim in Sura R. Schemu’el ben Chofni, der R. Sa‘adjas Werk fortsetzte und sich ebenfalls besonders der Bibelauslegung zuwandte. R. Sa‘adja, der nicht nur als Bibelexeget, sondern gleichermaßen als Philosoph, Sprach- und Rechtsgelehrter die Akademie in Sura wieder zu neuem Glanz gebracht hatte, beschäftigte sich nicht nur intensiv mit der hebräischen Sprache, sondern gleichermaßen mit der Hebräischen Bibel. Sein arabisch-hebräisches Wörterbuch (Egron; verfasst zwischen 905 – 925 u. Z. und bis 930 u. Z. mehrfach überarbeitet) zeigt eine ausgeprägt philologische Beschäftigung mit der Bibel, insofern ca. 80 % der dort gebotenen Einträge dem biblischen Schrifttum entspringen. In seinem Sefer Tzachut ‚Buch der Erlesenheit [der hebräischen Sprache]‘ diskutiert R. Sa‘adja (u. a.) die Buchstaben des Alphabets, diakritische Zeichen wie Dagesch* und Rafe*, die Vokale und Lautgesetze. Darüber hinaus ist er der wichtigste Vertreter der judäo-arabischen Gelehrsamkeit, von dem R. Avraham ibn Ezra später sagen sollte, er war in jeder Hinsicht der führende Kopf (rosch ha-medabberim be-khol maqom). Viele der Bibelkommentare von R. Sa‘adja sind mittlerweile kritisch ediert. Hier waren auch die Funde aus der Geniza* in Alt-Kairo von unschätzbarem Wert (Vollandt 2009). Übersetzungen (außer ins Hebräische) liegen aber bislang für die wenigsten vor. R. Sa‘adjas Schriften zur Bibel zeigen einen deutlichen Einfluss des islamischen Genre des arabischen Tafsīr* (‚Interpretation‘; vgl. Vollandt 2015; 2014). Der Tafsīr ist textchronologisch nach den einzelnen Suren des Koran aufgebaut. R. Sa‘adja übersetzte neben dem Pentateuch (Zucker 1959) das Buch Jesaja, aus den Schriften die Bücher Ester, Mischle (Proverbia) und Psalmen sowie das Buch Daniel ins Mittelarabische und fertigte für einige der biblischen Bücher einen Kommentar an, unter anderem den Kommentar zum Pentateuch (arab. Kitāb al-Azhar ‚Das Buch des Glanzes‘), den fünf Megillot* und dem Buch Ezra. Später arrangierte er noch eine Bibelübersetzung ins Arabische (‚Tafsīr‘), die in großen Teilen paraphrasierend gestaltet ist und darin zwischen Übersetzung und exegetischer Explikation changiert (Vollandt 2015, bes. 80 – 84). Diese kommt dem islamischen Tafsīr als exegetischer Explikation des Koran bis in die Terminologie und Phraseologie hinein sehr nahe, und dies auch äußerlich, denn anders als viele judäo-arabische Gelehrte verwendete er nicht das hebräische, sondern das arabische Alphabet. Als wichtigster Repräsentant der islamischen Koran-Exegeten gilt heute der aus der iranischen Provinz Tabaristan stammende Abû Dscha‘far Muhammad ibn Dscharīr ibn Yazīd at-Tabarī (st. 923 in Bagdad), den R. Sa‘adja nachweislich

R. Sa‘adja als Sprachwissen­ schaftler

Bibelauslegung und Koran-Exegese

28    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Die Rhetorik von Koran und Psalmen

Kalām und Mu‘tazila

gekannt und in seinen Kommentaren verarbeitet hat. Insbesondere im Kommentar zum Buch Hiob lassen sich viele Gemeinsamkeiten mit den arabischen Auslegungen der Hiob-Passagen im Koran feststellen, wie auch umgekehrt Koran-Exegeten den Midrasch* für ihre Auslegungen heranzogen. R. Avraham ibn Ezra zufolge (kurzer Kommentar zu Gen 2,11 [ed. Weiser 1977]) übersetzte R. Sa‘adja Gaon die biblischen Bücher nicht allein für die jüdischen, sondern auch für seine muslimischen Zeitgenossen, damit niemand sagen könne, die Tora enthalte Wörter, deren Bedeutung man nicht kenne. R. Sa‘adjas Psalmen-Kommentar stellt ein Parade-Beispiel dafür dar, dass sich die jüdische Bibelauslegung stets in lebendiger Auseinandersetzung mit gegnerischen oder zumindest konkurrierenden Gruppen vollzieht. Gegen die Karäer*, die die Psalmen zwar liturgisch verwendeten, in ihnen aber keinen göttlichen Anspruch zur moralischen Vervollkommnung des Menschen erkannten, insistierte R. Sa‘adja auf einem Verständnis der Psalmen als göttlicher Offenbarung an David, der sie als Prophet empfing, und stellte sie sogar mit dem Pentateuch auf eine Stufe. Der Pentateuch wie die Psalmen seien von Gott gegeben, um den Menschen zu einem gottgemäßen Leben zu führen. Gegen die muslimischen Zeitgenossen wiederum, die die rhetorische Eloquenz göttlicher Rede mit dem Koran auf dem Höhepunkt angekommen sahen, würdigte er in seinem Vorwort zum Psalmen-Kommentar deren rhetorische Kraft und sprachliche Vollkommenheit. Deshalb folgen in der Einleitung des Kommentars unmittelbar auf die philosophischen Grundlegungen die rhetorischen und sprachlichen Themen. Analog zu seinem Buch über die Elemente der Poesie zählt R. Sa‘adja fünf Grundformen menschlicher Rede auf: Ermahnung (Ps 78,1), (rhetorische) Frage (Ps 106,2), Erzählung (Ps 104,5), Imperativ / Gebot / Verbot (Ps 27,14; 37,1) sowie (Für-)Bitte / Gebet (Ps 90,14 – 15). Wie umfassend R. Sa‘adja seine Bibelauslegung betrieb, zeigt sich überdies auch daran, dass die Einleitung zum Psalmen-Kommentar musiktheoretische und aufführungspraktische Details ebenso diskutiert wie den ‚Sitz im Leben‘ der Psalmen im Tempelkult und ihr redaktionelles Arrangement. Auch im Jesaja-Kommentar zeigt R. Sa‘adja ein gutes literarisches Gattungsempfinden: Danach finden sich in diesem Buch sowohl Unheils- wie auch Trostworte, die einen Ausgleich zwischen Heilszusage als positiver und Strafandrohung als negativer Motivation für den Menschen auf seinem Weg zur Vollkommenheit schaffen. Obwohl beeinflusst durch die dialektische Theologie des Kalām*, steht R. Sa‘adja als Philosoph vor allem in der Tradition der rationalistisch geprägten islamischen Theologie der Mu‘tazila*, und auch seine Bibelauslegung ist ohne diese Denkrichtung nicht zu

1.2.  Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung    29

verstehen. Er war der Meinung, dass Gottes Offenbarung nicht im Widerspruch zur menschlichen Vernunft stehe, und, wiederum analog zur islamischen Koran-Exegese, suchte er daher, die in den biblischen Büchern verwendete (Bild-)Sprache klar und einleuchtend zu erklären. Seine biblischen Kommentare zeigen denn auch immer einen philosophisch-systematischen Zugriff. Die biblischen Bücher stellte er jeweils unter plakative Überschriften, die die Botschaft des Buches am deutlichsten repräsentierten. So betitelte er das Buch Jesaja mit Buch von der Wiederherstellung des rechten Gottesdienstes / Buch des Strebens nach Verbesserung des Gottesdienstes, das Buch Mischle (Proverbia) mit Das Buch für die Suche nach der Weisheit. Hiob repräsentierte für ihn das Buch der Theodizee. Auch der Psalmen-Kommentar beginnt mit grundlegenden philosophischen Darlegungen. Seinem Pentateuch-Kommentar stellte R. Sa‘adja eine lange Einleitung voran, in der er nicht nur die fünf Bücher Mose und ihre wichtigsten Themen vorstellte, sondern auch seine eigene exegetische Zugangsweise. Wichtig ist ihm insbesondere das Verhältnis von Peschat* (bei R. Sa‘adja als Literalsinn definiert) und figürlicher Redeweise. Erste Aufgabe des Auslegers sei die Nachzeichnung und Erklärung des einfachen Wortsinnes. Nur in Ausnahmefällen, wo der biblische Ausdruck nicht wörtlich zu nehmen sei, weil er den Naturgesetzen oder dem Intellekt widerspreche, oder in Fällen, wo explizit eine übertragene Rede vorliege, solle der Ausleger den Bibeltext entsprechend der menschlichen Vernunft und einer den Naturgesetzen gemäßen Weise auslegen. R. Sa‘adja nimmt hier schon methodische Überlegungen vorweg, die sich später bei R. Avraham ibn Ezra, Maimonides u. a. finden und vor allem in Bezug auf die anthropomorphen Gottesbeschreibungen in der Hebräischen Bibel zur Anwendung kommen. So erklärt R. Sa‘adja in der Einleitung zum Pentateuch, dass die Beschreibung Gottes als ‚verzehrendes Feuer‘ (Dtn 4,24) als bildliche Rede zu verstehen sei, denn Feuer sei eine veränderliche und vergängliche Substanz; Gottes Wesen hingegen sei (nach der aristotelischen Gotteslehre) neben den Attributen der Allgegenwart und Unsichtbarkeit ewig und unveränderlich. Man sieht deutlich, dass R. Sa‘adja den Bibeltext an philosophischen Urteilen und Grundsätzen misst. Ähnliches gilt auch für Fragen der Ethik und der Beziehung zwi- Der wahre schen Gott und Mensch. Für R. Sa‘adja ist der Pentateuch das Buch, Gottesdienst das den wahren Gottesdienst lehrt, der vor allem in der Ausübung der Gebote bestehe. Dem Buch Hiob, das ja ohnehin attraktiv ist für theologische Fragen, die die Relation von Gott und Mensch thematisieren, ist ebenfalls eine Einleitung vorangestellt, in der R. Sa‘adja die für ihn wichtigsten Themen des Buches vorstellt. Die Theodizeefrage, die für ihn zentrale Bedeutung hat, wird dabei

30    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Die Gotteslehre R. Sa‘adjas

Der Schöpfer und seine Offenbarung

in den Kontext der göttlichen Wohltätigkeit für den Menschen gestellt, wonach Disziplin und Unterweisung, Reinigung und Strafe, Versuchung und Erprobung die grundlegenden Parameter darstellen, mit denen Gott den Menschen zu einem gottgemäßen Leben führen will. In dieser Ethisierung der biblischen Botschaft zeigt sich gleichzeitig der Anspruch ihrer Universalisierung, was vor allem für die Auseinandersetzung mit dem Islam eine wichtige Rolle spielte. Neben den eigentlichen Bibelkommentaren sind jene Auslegungen von Bibelstellen und biblischen Themen kurz zu erwähnen, die R. Sa‘adja in seinen philosophischen Traktaten ausgeführt hat. Sie sind ebenfalls für die spätere mittelalterliche Rezeptionsgeschichte im aschkenasischen* Raum sehr wichtig geworden. Auch hier spielen die biblischen Ausdrücke, die von Gott in übertragener Rede sprechen, eine große Rolle. Das zweite Kapitel seines philosophischen Hauptwerkes Buch der Glaubenslehren und der Überzeugungen (ursprünglich auf Arabisch Kitāb al-Amānāt wa'l-I'tiqādāt; 1095 von einem anonymen Dichter in einer paraphrasierenden Form ins Hebräische übersetzt; 1186 nochmals von Jehuda ibn Tibbon unter dem Titel Sefer ha-Emunot we-ha-De‘ot ins Hebräische übertragen; ed. Kitorer 1885) behandelt unterschiedliche Themen der philosophischen Gotteslehre, wie Wesen und Attribute der Gottheit (Einheit / Einzigkeit, Unveränderlichkeit, Unsichtbarkeit, Allgegenwart u. a.; vgl. Sefer ha-Emunot we-ha-De‘ot bes. II,2; II,4; II,9 – 13). Am Ende dieses Abschnittes diskutiert R. Sa‘adja die rationale Gotteserkenntnis und die Abwehr der Vorstellung einer sinnlichen Erfahrbarkeit des göttlichen Daseins. Diese philosophische Maxime wird natürlich dort sehr wichtig, wo die Frage nach der göttlichen Offenbarung und Erfahrbarkeit für den Menschen gestellt wird, ein Thema, das in der Bibel an vielen Stellen aufscheint. R. Sa‘adja formuliert deshalb einen ausführlichen Exkurs zu der Bitte des Mosche, die ‚Herrlichkeit‘ Gottes (kavod) schauen zu dürfen (Ex 33,18; R. Sa‘adja, Sefer ha-Emunot we-ha-De‘ot II). R. Sa‘adjas Bibelauslegung ist getragen von dem Bemühen, die philosophische Gotteslehre mit der biblischen zu verbinden. In seiner Interpretation der göttlichen Offenbarung unterscheidet sich R. Sa‘adja grundlegend vom rabbinischen Verständnis (Liss 2001). Hatten die rabbinischen Gelehrten den biblischen Ausdruck der ‚Herrlichkeit (Gottes)‘ (kavod) auf der Basis des Targum* als Schekhina* ‚Einwohnung‘ Gottes vorgestellt und dabei noch nicht zwischen einem unsichtbaren und allpräsenten Schöpfergott und seiner sichtbaren und lokal begrenzten Offenbarung unterschieden (Goldberg 1969), so erfährt diese Konzeption seit R. Sa‘adja eine entscheidende philosophische Wendung: Der kavod galt zwar weiterhin als Offenbarung Gottes. Allerdings wurde sie als geschöpf-

1.2.  Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung    31

liche Offenbarung vorgestellt, die sich darin wesentlich von Gott selbst unterschied. R. Sa‘adja definierte als erster den kavod als geschöpfliche Lichterscheinung, eine Art Engel, die sich den Propheten gezeigt habe. Er argumentierte, dass die anthropomorphen Beschreibungen der Bibel nicht Gott selbst meinen könnten, da Gott sowohl unsichtbar als auch unkörperlich und demnach als mit seinen visuellen Offenbarungen auch nicht identisch vorzustellen sei. Hier ist deutlich zu sehen, dass R. Sa‘adja seinen Ausgangspunkt nicht bei den biblischen Vorstellungen nimmt, sondern bei den philosophischen Vorgaben, in die hinein die biblische Überlieferung eingepasst werden sollte. Formal stellt also die philosophische Bibelauslegung R. Sa‘adjas den Versuch der Integration des Alten, nämlich der biblisch-rabbinischen Tradition, in das Neue (die philosophische Gotteslehre) dar. In diesem Punkt sind ihm auch die nachfolgenden jüdischen Philosophen und Bibelkommentatoren wie beispielsweise Maimonides im Großen und Ganzen gefolgt. Dabei war ihnen eines gemeinsam: ein weitgehend unverbundenes Nebeneinander einer universal gültigen philosophischen Gotteslehre einerseits und des aus der biblischen Offenbarung heraus formulierten partikularen Gebots- und Gebetsanspruchs an Israel andererseits. Horizontale und vertikale Ebene klafften auseinander. b.  Die Herausforderung durch die karäischen Exegeten Wie in wohl keinem anderen Feld der Jüdischen Studien sind die Die Handschriften­ Forschungen zu den Karäern* (qara’im) in den letzten Jahren zu Sammlung des einem wirklichen Aufschwung gekommen (Polliack 2003a; 1997; Avraham Firkovich Khan 2001; 1990), was vor allem durch den seit den neunziger Jahren ermöglichten wissenschaftlichen Zugang zu den Handschriften aus der Sammlung Firkovich in St. Petersburg ausgelöst wurde. Avraham Firkovich (1786 – 1874), eine führende Autorität der Karäer Osteuropas, hatte zwischen 1863 und 1865 eine große Anzahl von Handschriften erworben. Die Sammlung umfasst mehr als 15 000 hebräische, arabische und samaritanische* Schriften und Traktate (zum Ganzen Walfish 2011; Polliack 2003a; 2003b; 1997). Erst jetzt konnten zum ersten Mal kritische Texteditionen in Angriff genommen und der gesamte soziokulturelle Hintergrund der Karäer untersucht werden. Für die Geschichte des Judentums im Mittelalter, insbesondere für die Geschichte der hebräischen Sprachwissenschaft, hat sich dadurch ein vollkommener Paradigmenwechsel gegenüber der älteren Forschung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vollzogen: Die Karäer waren alles andere als eine marginale Sekte, sondern eine kraftvolle intellektuelle Bewegung,

32    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Das Goldene Zeit­ alter der Karäer

Die karäischen Ananiten

die dem ganzen Judentum nachhaltig einen Stempel aufdrückte und vor allem eine grundsätzliche hermeneutische Debatte zum Schriftverständnis und zur Relation zwischen schriftlicher und mündlicher Tora aufzwang. In seiner Anfangszeit war der Karaismus daher eine innerjüdische Bewegung, die sich keinesfalls halachisch vom übrigen (‚rabbanitischen‘) Judentum unterschied. Dies lässt sich bereits daran erkennen, dass wir bis zum frühen 13. Jahrhundert eine Vielzahl von Eheschließungen zwischen Karäern und Rabbaniten beurkundet sehen. Erst seit dem frühen 13. Jahrhundert wurden solche Eheschließungen als ‚Mischehen‘ verboten. Das ‚Goldene Zeitalter‘ der Karäer lag im 10. und 11. Jahrhundert, und ihre wichtigsten Repräsentanten waren Daniel al-Qûmisî, Ya‎‘‎qûb al-Qirqisânî, Benjamin ben Mosche al-Nahawendi oder Jefet ben Eli ha-Levi (Abu Ali ibn al-Hasan ibn Ali al-Basri; st. nach 1004 / 05). Gab es zwar schon vorher karäische Zentren im Gebiet des heutigen Iran und Irak, so muss man doch sagen, dass ein Großteil der karäischen Texte aus ihrer Glanzzeit in Palästina, genauer gesagt: Jerusalem, stammt und ein jähes Ende mit der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1099 fand. Das handschriftliche Erbe wurde in die karäische Gemeinde nach Kairo gebracht, wo es auch Firkovich im 19. Jahrhundert zum größten Teil erwarb. Die karäischen Gründungserzählungen berufen sich zumeist auf Anan ben David (lebte Mitte 8. Jahrhundert in Babylonien / Irak). Im strengen Sinn ist er jedoch der Begründer einer zahlenmäßig viel kleineren und einflussloseren Gruppe, der sog. Ananiten (ananijjim). Anan wird eine Losung zugesprochen, die, wo immer ihre Ursprünge tatsächlich zu suchen sind, sehr gut auf den Punkt bringt, was karäisches Schriftverständnis ausmacht: Forscht ordentlich (selbst) in der Schrift und verlasst euch nicht auf meine Meinung. Dieses Motto verweist nicht nur auf intensives Studium der schriftlichen Tora, sondern relativiert gleichzeitig das Prinzip der mündlichen Tora im Sinne der Hochhaltung der Meinung früherer Tradenten. Die Karäer sind daher auch nicht umsonst immer wieder mit den Masoreten in Verbindung gebracht worden (Zer 2009), denn wie diese zeichneten auch sie sich durch große Texttreue und intensive philologische Arbeit am biblischen Text aus (Polliack 2003b; 1997; Khan 2001). Die Bibel war die Hauptquelle der Autorität, wie schon am hebräischen Namen dieser Gruppe zu sehen ist: qara’im – ba‘ale ha-miqra ‚Meister der Schrift‘ – bene ha-miqra ‚Söhne der Schrift‘. Der Qara war derjenige, der die Bibel studiert und lehrt (auch der spätere Raschi-Schüler Josef ben Schim‘on aus Nordfrankreich trug den Beinamen ‚Qara‘). Untersuchungen an der Bibel gründeten sich nicht auf eine traditionelle Autorität, sondern auf rationale, und hier vor allem auf sprachwissenschaft-

1.2.  Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung    33

liche Faktoren: Lexikographie und Grammatik. Vor diesem Hintergrund wurde die mündliche Tora* in ihrer halachischen Autorität oftmals in Frage gestellt. Passte die rabbinische halachische Entscheidung in dieses Konzept, wurde sie allerdings auch oft genug positiv rezipiert. In ihrem Schrift- und Traditionsverständnis entwickelten die Ka- Die halachische räer eine andere, mit der rabbanitischen rivalisierende Halakha*. Exegese der Karäer Im Vergleich waren karäische Richtlinien in vielen Punkten aber eher erschwerend. Anan, der sich auch im rabbinischen Schrifttum sehr gut auskannte, lehnte zwar einen Teil der rabbinischen hermeneutischen Regeln zur Schriftauslegung ab; anderes wurde jedoch im Zusammenhang mit der karäischen Entwicklung der Halakha modifiziert. Schlussendlich geht es gar nicht um die einzelnen exegetischen middot*, sondern darum, ob sich halachische Begründungen induktiv oder deduktiv ergeben: Dies scheint denn auch der entscheidende Punkt zu sein, an dem sich rabbanitische und karäische Argumentation voneinander unterscheiden. Es ist zwar richtig, dass die Tora stets als Rechtsgrundlage der späteren Halakha behauptet wurde; nicht richtig ist, dass sie es je war, zumindest nicht so geradlinig, wie man es oftmals voraussetzt. Die pharisäisch*-rabbinische* Linie organisierte ihr Rechtsleben in erster Linie auf der Basis der mündlichen Tora und darin auf der Basis auch der gängigen Praxis, zu der im Nachhinein (induktiv) eine exegetische Begründung gegeben wurde. Die rabbinisch-rabbanitische Ideologie sah in der biblischen Tora niemals einfach das ‚jüdische Gesetz‘, sondern die Möglichkeit, aus einer Sammlung von Rechtstexten einen für spätere kreative Applikation(en) offenen Text werden zu lassen. Die von al-Qûmisî gebotene und zumeist mit negativen Konnotationen belegte Charakterisierung der rabbinisch-rabbanitischen Halakha als mitzwat anaschim melummada (‚gelehrtes Menschengebot‘;) trifft daher den Sachverhalt genau: Das rabbinische Diktum ‚Sie [die Tora] ist nicht im Himmel‘ (Dtn 30,12; vgl. auch bBM 59b) implizierte ja gerade, dass die rabbinische Exegese nicht auf prophetische Offenbarungen oder prophetisch inspirierte Lehrer setzte, sondern ihre Interpretationen und theoretische Rechtspraxis im Rahmen von Traditionsliteratur formulierte und sie damit ausschließlich in Auseinandersetzung mit der Tradition und gleichzeitig als ein weiteres Teilstück von ihr gestaltete (… mi-Sinai, von [der am] Sinai [gegebenen Tora abgeleitet]). Demgegenüber insistierten die Karäer auf den ‚Geboten Gottes‘. Eine besondere Rolle für die karäische Ideologie spielte dabei Psalm 119, denn man bezog die in Ps 119,1 genannten ‚im Weg Untadeligen‘ (temime derekh) als die, die ‚im Gesetz des Ewigen

34    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Die Karäer als Grammatiker

Die sog. ‚Trauern­ den von Zion‘

wandeln‘, auf sich. Bereits Anan suchte die Halakha aus der Schrift heraus (deduktiv) zu entwickeln. Die exegetischen Prinzipien, die er dabei anwandte, wirken dabei heute mindestens so sachfremd wie rabbinische Gematria* oder Notariqon*. Dabei wandte er insbesondere das Prinzip einer Analogie (heqqesch*) einzelner Wörter oder Phrasen für seine halachischen Entscheidungen an. Unter den karäischen Grammatikern des 10. Jahrhunderts sind besonders der ursprünglich aus dem Irak stammende Abû Ya‘qûb Yûsuf ibn Nûḥ und Abû al-Faraj Hârûn ibn Faraj zu nennen, die beide zur karäischen Gemeinde Jerusalems gehörten. Ihre Werke sind in den letzten Jahren v. a. durch den britischen Sprachwissenschaftler Geoffrey Allan Khan sukzessive und umfassend erschlossen worden und haben unser Wissen über diese frühe und wichtige Tradition der hebräischen Sprachwissenschaft auf ganz neue Füße gestellt. Abû al-Faraj Hârûn beschäftigte sich in verschiedenen Schriften mit der hebräischen Sprache. So verfasste er beispielsweise einen Traktat Hidâyat al-Qâri’ (‚Leitfaden für den Leser‘), in dem er Ausspracheregeln und Akzente behandelte. Ibn Nûḥ schrieb nicht nur Bibelkommentare, die sich mit übersetzungstechnischen und grammatischen Fragen beschäftigen, sondern auch eine auf Arabisch verfasste Grammatik des Hebräischen (diqduq). Nach Khan gab es im 10. Jahrhundert auch in Isfahan und Basra eine Reihe karäischer Grammatiker, auf die sich auch al-Qirqisânî beruft. Insbesondere in der Theologie al-Qûmisîs avancierte Jerusalem als heilige Stadt zum religiösen Zentrum. Al-Qûmisî war davon überzeugt, dass das Ende der Zeit nahe bevorstand. Daher führte er bestimmte Trauerbräuche und Gebete ein, die das Kommen des Messias beschleunigen sollten. Aus dieser Bewegung gingen im 10. Jahrhundert die sog. ‚Trauernden von Zion‘ hervor (avele tzijjon; vgl. Jes 61,3; vgl. auch bBB 60b). Von al-Qûmisîs exegetischen Schriften liegt der Kommentar zum Zwölfprophetenbuch vor (pitron schenem asar), der neben der vers-chronologischen Auslegung in hebräischer Sprache eine Vielzahl arabischer Glossen bietet. Diese Art des Kommentars ist also vergleichbar mit den später in Nordfrankreich in die Kommentare eingestreuten champagnischen und anglo-normannischen Glossen. Der wichtigste Vertreter der avele tzijjon war Ya‘aqûb al-Qirqisânî, dessen Schriften erst allmählich ediert und bearbeitet werden. Seine (wie auch bei R. Sa‘adja auf Arabisch verfassten) Werke umfassen neben hermeneutischen Schriften zur karäischen Halakha und zum Schriftverständnis (z. B. ‚Das Buch des Lichts‘; ‚Das Buch der Gärten‘) auch Fragmente zu einem eigenständigen Genesis-Kommentar (tafsîr Bereschit).

1.2.  Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung    35

Al-Qûmisîs Prophetenexegese zeichnet sich dadurch aus, dass Die Karäer und die prophetischen Dicta in einer fast ‚Pescher-ähnlichen‘ Weise auf ihr Verhältnis zur die eigene Zeit hin ausgelegt werden. Überhaupt zeigt sich, dass Qumran-Exegese die karäische Exegese sowohl formal als auch inhaltlich eine Reihe von Aspekten mit den pescharim gemeinsam hat (so schon Kahle 1959, 17 – 28). Die Karäer kannten zumindest Teile der Texte von Qumran, die aus den Höhlen bei Jericho nach Jerusalem gebracht worden waren (vgl. bereits Kahle 1959, 17 – 28). Ya‘aqûb al-Qirqisânî nennt neben den Sadduzäern und Pharisäern* eine jüdische Gruppe, die er einfach mit maghārīya (‚Höhlen-Leute‘) betitelt. Die für die sog. Damaskusschrift (Covenant of Damascus CD) und die Gemeinde- oder Sektenregel (1QS) signifikante Vorstellung der zwei Messiasse (einer aus dem Geschlecht Aharons, also priesterlich, sowie einer aus dem Geschlecht Israels, d. h. ein Laie) findet sich auch im karäischen Schrifttum: In seiner Auslegung von Sach 4,14 (Dies sind die beiden Gesalbten …) identifiziert David ben Abraham al-Fasi den priesterlichen Messias als Elija, den anderen hingegen als den davidischen Messias. Auch hinsichtlich des Verständnisses der Prophetenbücher lassen sich erstaunliche Parallelen zwischen den Schriftrollen vom Toten Meer und den Karäern feststellen: Wie in den pescharim zum Buch Habakuk (1QpHab) oder zum Buch Hosea (4Q167), die eine Interpretation ausschließlich in Richtung auf die gegenwärtige Gemeinde in ihrer Auseinandersetzung mit der Umwelt zeigen, weisen auch die Karäer eine Auslegungshermeneutik auf, die die prophetischen Bücher konsequent vor ihrem eigenen – dem karäischen – Hintergrund ausdeutet und darin gleichzeitig behauptet, die Propheten hätten am wenigsten für ihre eigene Generation, sondern mehr für künftige Generationen geweissagt. So erklärt der später auch bei ibn Ezra viel zitierte Karäer Jefet ben Eli (st. nach 1004 / 05) zu Beginn seines Hosea-Kommentars, dass die meisten der Spruchworte des Propheten nicht tradiert worden seien. Es seien nur jene Worte überliefert worden, die für die künftige Gemeinde im Exil von Relevanz sein würden; die an die Zeitgenossen gerichteten Reden habe man gestrichen. Auch terminologisch finden sich enge Anlehnungen in der späteren Auslegungsgeschichte: ibn Ezra zitiert eine Auslegung Jefet ben Elis zu Joel 2,23, die den Lehrer (more) erwähnt, der ein Prophet sei (navi) und Israel den Weg der Gerechtigkeit (tzedeq) lehre. Al-Qûmisî argumentierte in seiner Auslegung zu Ps 74,6, dass jedes Wort in der Bibel nur eine wahre Bedeutung (pitron) haben könne, selbst, wenn die Menschen es unterschiedlich interpretierten. Die endgültige Bedeutung werde mit dem Kommen des ‚Lehrers der Gerechtigkeit‘ (more tzedeq) offenbar werden. Die Anspielungen auf den (prophetischen) ‚Lehrer der Gerechtigkeit‘ aus Qumran sind

36    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter jeweils unüberhörbar (Polliack 2005). Auch mit Blick auf die Psalmenauslegung finden sich Gemeinsamkeiten: so galt den Karäern David als inspirierter liturgischer Dichter, eine Charakterisierung, die sich auch schon in 11Q5 findet. Analog zu den Pescher-Kommentaren aus Qumran spielt die Auseinandersetzung mit feindlichen Gruppierungen auch bei den Karäern eine große Rolle. Nach der Deutung al-Qûmisîs sind mit den im Buch Hosea genannten Ländern Assur und Ägypten die Länder der jüdischen Diaspora gemeint. Die in Hos 8,7 formulierte prophetische Kritik (Ja, Eschkol, und Sturm ernten sie …) bezog al-Qûmisî auf die vom rabbanitischen Judentum etablierten und damit auf der mündlichen Überlieferung gründenden halachischen Vorschriften, die sich durch die Zeiten ändern wie ein vorbeistreifender Wind. Jehuda ben Eliyahu Im 12. Jahrhundert nimmt auch die Polemik gegen das rabbiHadassi nisch-rabbanitische Judentum zu. Jehuda ben Eliyahu Hadassi aus Konstantinopel (Mitte 12. Jahrhundert) hinterließ eine umfangreiche Schrift mit dem Titel Eschkol ha-Kofer, verfasst 1148 / 9. Eschkol ha-Kofer (‚das Büschel der Henna-Rispe‘) gilt als karäische Grundsatzschrift. Hadassi wollte damit ein umfangreiches Handbuch des karäischen Glaubens- und Toraverständnisses herausbringen. Auch im Eschkol ha-Kofer sehen wir, dass die Grammatik eine zentrale Rolle in der karäischen Exegese spielte. Der sechste von den zehn Glaubensartikeln der Karäer verlangt, ‚(tiefere) Einsicht in die Beschaffenheit der (hebräischen) Sprache zu gewinnen‘ (le-haskil leschona mah hi). Der Eschkol stellt die Prinzipien der Schriftauslegung zusammen, die dort als ‚60 Könige der Wörter und ihrer Vokalisierung‘ bezeichnet werden. Daneben integriert der Eschkol eine kleine Abhandlung, die den Titel ‚fünf Prinzipien (‎‎‘iqqarim) der erlesenen Sprache‘ trägt. Dieser Essay beschäftigt sich mit den fünf Vokalen, analog zu R. Sa‘adjas Sefer Tzachut (‚Buch der Erlesenheit [der hebräischen Sprache]‘), und wird auch später bei R. Avraham ibn Ezra wieder aufgenommen. Umgekehrt holte sich Hadassi für seinen Eschkol die Liste der 59 grammatischen Termini, die sich in der Einleitung zu ibn Ezras erstem grammatikalischen Werk, dem Buch Moznajjim (‚Waage‘) finden. c.  Die spanischen Hebraisten und die philologische Exegese Juden gab es auf der iberischen Halbinsel – ‚Sefarad‘* (arab. Al-Andalus) – schon in römischer Zeit sowie auch unter den im 6. und 7. Jahrhundert dort herrschenden Westgoten. Über die intellektuellen Kontakte in dieser Zeit zwischen den Juden und den katholischen Herrschern wissen wir wenig (zum Ganzen zuletzt Heil

1.2.  Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung    37

2018). Allerdings gestalteten die unter den westgotischen Königen massiven Bestrebungen zu Zwangsbekehrung und Zwangstaufe kein Klima, in dem die Juden die intellektuelle Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Tradition suchten. Im Wesentlichen ging es wohl um Strategien, die das Überleben einer zahlenmäßig ohnehin kleinen Gruppe sichern sollten. Unter der muslimischen Herrschaft der Umayyaden (755 – 1031) ab der Mitte des 8. Jahrhunderts änderte sich die Situation zunächst in wirtschaftlicher Hinsicht; relativ schnell nahmen die Juden aber auch die durch die muslimischen Denker gestellten Herausforderungen an. Wie vielleicht niemals mehr in der späteren Geschichte der Juden als Minorität in einem Land, kreuzten sich insbesondere im Spanien des 10. Jahrhunderts die Wege der Wissenschaft und der Politik und nahmen unmittelbar aufeinander Einfluss. Der vor allem den Künsten und der Architektur zugewandte Kalif von ­Cordoba Abd al-Rahman III. (ca. 890 – 961) gewährte nämlich nicht nur Religionsfreiheit für die Minderheiten, sondern versammelte Gelehrte aller Glaubensrichtungen um sich. Wie dies schon für die Schriften R. Sa‘adjas dargestellt wurde, bestand eine enge Relation zwischen Auslegung und Übersetzung. Hatte jedoch R. Sa‘adja die Hebräische Bibel noch ins Arabische übersetzt, so lag der Schwerpunkt in Spanien zunehmend auf der Übersetzung vom Arabischen ins Hebräische und der Übernahme und Adaptation arabischer sprachwissenschaftlicher Termini ins Hebräische. Die arabisch sprechenden Juden hatten dadurch ohnehin eine zweite semitische Sprache, mit der das Hebräische verglichen werden und die als Quelle für die Eruierung schwieriger oder nur einmal vorkommender hebräischer Wörter (Hapaxlegomena*) dienen konnte. Da die meisten auch das Aramäische beherrschten, hatten die Juden der iberischen Halbinsel einen großen semitischen Sprachfundus, auf den sie für die Lexikographie zurückgreifen konnten. Abd al-Rahmans Leibarzt Hasdai ben Jizchaq ben Ezra ibn Schaprut (ca. 915 – nach 970), ein jüdischer Gelehrter, dem Abd al-Rahman III. auch diplomatische Missionen anvertraut hatte, beauftragte daher den schon von seinem Vater begünstigten Menachem ben Ja‘aqov ibn Saruq (ca. 920 Tortosa; st. ca. 970), ein möglichst umfangreiches Wörterbuch des biblischen Hebräisch zusammenzustellen. So entstand die sog. Machberet Menachem (ca. 960), ein Werk, das schon deshalb sehr gewichtig ist, weil es lange Zeit die entscheidende Quelle für die hebräische Lexikographie der Juden in Nordfrankreich war. Die Machberet Menachem steht deutlich in der orientalischen und nordafrikanischen jüdischen Gelehrtentradition. Bereits in der Einleitung zur Machberet legt Menachem sein sprachwissenschaftli-

Die Juden unter den Umayyaden

Menachem ibn Saruq und die Machberet

38    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter

Lexikographie

Das hebräische Wort-Wurzelsystem

Dunasch ibn Labrat

ches Konzept dar und betont dabei schon fast apologetisch, dass die hebräische Sprache zu biblischen Zeiten viel reicher gewesen sei, ja, es habe sogar Wörter mit fünf Wurzelbuchstaben* (statt der für gewöhnlich drei, in Ausnahmefällen vier) gegeben. Hätten die Juden nicht ins Exil gehen müssen, so wäre auch der Sprachumfang um ein Vielfaches reicher. Hier findet sich die in der Renaissance-Zeit wieder aufgenommene Theorie, wonach die aetas aurea, also das goldene Zeitalter der Gelehrsamkeit und der Sprache, in der Antike zu suchen gewesen sei, und die spätere rabbinische Epoche eigentlich schon den Anfang vom sprachlichen Ende markiert habe. Und tatsächlich sind auch alle grammatisch-lexikographischen Schriften aus dem 10. und 11. Jahrhundert beinahe ausschließlich auf das Hebräische der biblischen Epoche konzentriert (Bacher / Blau 1974). Die Machberet Menachem besticht zunächst durch die pure Menge der lexikographischen Einträge. Menachem ibn Saruq analysierte und klassifizierte nicht weniger als 12 000 biblische Textabschnitte, die er nach ihren hebräischen Wurzeln* in alphabetischer Reihenfolge sortierte. Dabei findet sich eine Vielzahl von Beispielen für die im biblischen Hebräisch auftretende Polysemie (Mehrdeutigkeit) einzelner Wörter. Daneben stellte Menachem auch homonyme Begriffe zusammen, d. h. Wörter, die auf unterschiedliche Wurzeln zurückgehen, aber entweder gleichlautend sind oder dieselbe Orthographie aufweisen. Dass auch Menachems Schüler in dieser Verbindung von Lexikographie und Bibelauslegung die eigentliche Stärke der Machberet Menachem gesehen haben, zeigt sich auch daran, dass das Werk später ebenfalls unter dem Titel Das Buch der Erklärungen (sefer pitronim) firmierte. Menachem beschäftigt sich mit grundsätzlichen Überlegungen zum Wurzelsystem des Hebräischen, geht dabei aber noch nicht über seine Vorgänger hinaus, insofern auch er noch daran festhält, dass es ein- und zweiradikalige Wurzeln im Hebräischen gebe. Daneben finden sich bei ihm auch Überlegungen zur Poesie und biblischen Rhetorik. So schreibt er beispielsweise über den sog. Parallelismus membrorum* (Machberet Menachem fol. 11b): „Die eine Hälfte des Bibelverses belehrt über die andere; im Grunde wäre an der einen Hälfte genug, aber der Gedanke wird in der zweiten wiederholt“. Diese Überlegungen zum Parallelismus membrorum, Pleonasmen* und Ellipsen* haben bis heute ihre Gültigkeit in der Literaturkritik. Insgesamt gilt, dass wir heute kein hebräisches Lehrbuch und keine Grammatik aufschlagen können, deren Kenntnis der hebräischen Sprache nicht auch Menachem ibn Saruq zu verdanken wäre. Ungeachtet aller Mühen, die Menachem auf seine sprachlichen Untersuchungen verwandte, wurde sein Buch von seinem

1.2.  Die Anfänge judäo-arabischer Grammatik und Schriftauslegung    39

Gegenspieler Dunasch ibn Labrat (Mitte 10. Jahrhundert; Nordafrika; Bagdad; Spanien) scharf kritisiert, der in einer lexikographisch-grammatischen Streitschrift Erwiderungen (teschuvot) minutiös 180 Fehler Menachems diskutierte (vgl. Ibn Saruq, Menahem, Maḥberet, ed. Sáenz-Badillos, 5 – 45; Dunaš Ben-Labrat, Tešubot de Dunaš ben Labrat, ed. Sáenz-Badillos). Man könnte auch sagen, dass mit dieser ‚Rezension‘ des Machberet Menachem durch Dunasch so etwas wie eine ‚jüdische Wissenschaft‘ begann, insofern sich Untersuchungen an der Bibel, ihrem Wortschatz und damit verbunden auch zu ihrer Auslegung erstmals einem kritischen Forum zu stellen und den Kategorien von ‚richtig‘ und ‚falsch‘ unterzuordnen hatten. Unter Berufung auf Lev 19,17 (Deinen Stammesgenossen sollst Du zurechtweisen, so wirst du seinetwegen keine Schuld auf dich laden), nimmt sich nun Dunasch das Werk Menachems vor und scheut darin auch nicht davor zurück, große Vorgänger wie R. Sa‘adja gleich mit zu korrigieren. So weist er beispielsweise die Übersetzung R. Sa‘adjas von Ex 2,5bβ (‚und sie schickte ihre Magd‘) zurück, der das Wort amatah als ‚ihr Arm‘ statt ‚ihre Magd‘ aufgefasst und entsprechend mit ‚und sie streckte ihren Arm aus‘ übersetzt hatte. Dunasch argumentiert morphologisch und kontextanalytisch und verweist darauf, dass 1. das Mem in besagtem biblischen Ausdruck nicht dageschiert sei, während das Wort in der Bedeutung ‚Arm‘ mit Dagesch* zu schreiben gewesen wäre, und 2. die Verbindung von schalach (‫שלח‬, ‚schicken‘) und ammā nicht belegt sei. Heute wissen wir, dass hebräisch amâ (‫‚ אָ מָ ה‬Magd‘) der akkadischen Parallelform amtu und ammâ (‫‚ אַ ּמָ ה‬Elle‘) dem akkadischen Begriff ammatu entsprechen, aber die mittelalterlichen Grammatiker konnten dies noch nicht wissen. Gleichwohl haben sie auf dem Feld der Grammatik und Hebraistik Pionierarbeit geleistet. Der Streit zwischen Dunasch und Menachem zog sich bis in ihre beiden Schülergenerationen weiter, die jeweils ‚Erwiderungen‘ (teschuvot) verfassten und damit gerade in Westeuropa sehr nachhaltig wirkten, denn die in Spanien lebenden Gelehrten Jehuda ben David Chajjūğ und Jona ibn Ğanaḥ (Abū al-Walîd Merwân ibn Ğanaḥ), die ein umfangreiches und zunächst ausschließlich auf Arabisch verfasstes Œuvre hinterließen, wurden erst von Jehuda ben Scha’ul ibn Tibbon (ca. 1120 – ca. 1190) im 12. Jahrhundert ins Hebräische übersetzt und daher auch in Nordfrankreich bis zum Auftreten R. Avraham ibn Ezras nicht wahrgenommen (vgl. im Folgenden Kap. 4.1.b.). Jehuda Chajjūğ (10. Jahrhundert) stammte aus Fez, Marokko, Jehuda ben David wirkte aber in Spanien (Maman 2000). Er war Schüler des Me- Chajjūğ nachem ibn Saruq, und ihm haben wir die bis heute gültige Theo-

40    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter rie des dreiradikaligen hebräischen Wurzelsystems zu verdanken, das die Einteilung in starke und schwache Verben einschließt. Die Werke von Chajjūğ prägen unser Verständnis der hebräischen Morphologie und Etymologie bis heute. Chajjūğ verfasste mehrere Schriften zur Verblehre und Punktation. Sie sind alle auf Arabisch abgefasst. Darin nehmen sie nicht nur die Arbeiten von R. Sa‘adja Gaon wieder auf, sondern integrieren vor allem die arabische sprachwissenschaftliche Terminologie in die hebräische Grammatik und Sprachwissenschaft. Wilhelm Bacher verweist darauf, dass es allerdings auch unter den arabischsprachigen Grammatikern aus religionspolitischen und theologischen Gründen nicht unumstritten gewesen sei, das Arabische zur Erklärung des Hebräischen heranzuziehen. Zumindest rechtfertigt sich Jona ibn Ğanaḥ explizit für hebräisch-aramäisch-arabische Sprachvergleiche. Der aus Cordoba stammende Arzt und später vor allem von Jona ibn Ğanaḥ R. Avraham ibn Ezra viel zitierte Jona ibn Ğanaḥ (Abū al-Walîd Merwân ibn Ğanaḥ; 1. Hälfte 11. Jahrhundert) ist wohl der wichtigste der judäo-arabischen Grammatiker und Sprachwissenschaftler (Maman 2000). In Frankreich (Provence und Nordfrankreich) war er auch unter den Namen R. Marinus (vgl. R. Avraham ibn Ezra zu Hos 2,14.18; 11,4 u. ö.) bzw. R. Meron ben Ganâch (vgl. R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières zu Ez 5,7; 7,6; 14,13 u. ö.) bekannt. Anders als Jehuda Chajjūğ verfasste Abū al-Walîd keine gesonderten bibelexegetischen Abhandlungen, sondern integrierte exegetisches Material in seine Grammatik und sein Wörterbuch. Er widmete sich dabei insbesondere der hebräischen Stilistik und Rhetorik sowie der Wurzellehre. Die Traditionsliteratur interessierte ihn vor allem mit Blick auf die daraus zu ziehenden Schlüsse hinsichtlich des Hebräischen, und hier findet sich denn auch immer wieder herbe Kritik an den philologischen Unzulänglichkeiten der Vertreter der rabbinischen Auslegungsmethoden, die er als „Verächter der Sprachwissenschaft“ abkanzelte. Er warf ihnen vor, sie läsen fehlerhaft und trügen den Talmud* falsch vor, weil ihnen das Wissen um die korrekte Aussprache fehle (Bacher 1974, 178). Jona ibn Ğanaḥ verfasste zunächst eine Reihe kleinerer Schriften als Ergänzung und Kommentierung der Werke Jehuda Chajjūğs. Sein Hauptwerk ist die zweiteilige Schrift Kitāb al-Tanqīḥ (Diqduq), die einen grammatischen Teil Kitāb al-Luma (Sefer ha-Riqma) und ein Wörterbuch Kitāb al-Uzūl (Sefer ha-Schoraschim) umfasst. Zu seinen wichtigsten Werken gehören der Sefer ha-Haśśaga (‚Buch des kritischen Einwandes‘ [gegen Chajjūğs Bücher über die schwachen Verben]; arab.), Sefer ha-Keruv we-ha-Yishshur (‚Das Buch der Annäherung und Erleichterung‘ [Kommentar zu ibn Chajjūğ]; arab.); Sefer ha-Schoraschim (‚Buch der Wurzeln‘) sowie Sefer ha-Riqma (‚Buch des Gewebes‘ [Grammatik]; arab.).

1.3. Zusammenfassung    41

Der italienische Lexikograph Natan ben Jechi’el aus Rom (Ba‘al Natan ben Jechi’el ha-Arukh; 1035 – ca. 1110) verfasste in seiner Funktion als Rosch aus Rom Jeschiva der Jeschiva* von Rom ein Lexikon zur Terminologie der Talmudim* und der Midraschliteratur*, den Sefer Arukh. Der Sefer Arukh zeichnet sich dadurch aus, dass Jechi’el nicht nur eine Erklärung für einen talmudischen Begriff bietet, sondern auch eine etymologische Herleitung, und zwar nicht nur für die hebräischen, sondern auch für aramäische, arabische, persische, griechische und lateinische Lehnwörter (David 2007b). Obwohl Jehuda ben David Chajjūğs Entdeckung der Dreiradikalität hebräischer Wurzeln bereits bekannt war, hat sie noch keinen Eingang in den Sefer Arukh gefunden.

1.3. Zusammenfassung Vom unvokalisierten hebräischen Bibeltext (3. Jahrhundert v. u. Z.) bis zum voll ausgeprägten masoretischen Bibelcodex des Hochmittelalters (9. Jahrhundert u. Z.) sollten mehr als 1000 Jahre vergehen. Dieser Zeitraum markiert nicht nur den Übergang von der Rolle zum Codex, sondern zugleich die Auseinandersetzungen der Juden sowohl mit dem beginnenden Christentum als auch – und vom 9. – 11. Jahrhundert maßgeblich – mit dem erstarkenden Islam. Die Herausforderungen durch die muslimischen Gelehrten, Philosophen wie Sprachwissenschaftler des Arabischen, bildeten den Motor für die grammatische und philologische Arbeit der Masoreten am Bibeltext. Dies führte dazu, dass judäo-arabische Gelehrte wie R. Sa‘adja Gaon aus Sura die Bibel nicht nur ins Arabische übersetzten, sondern auch kommentierten. Mit Bibelauslegung und Übersetzung (ins Arabische) hat die innerjüdische Beschäftigung mit der Bibel eine Entwicklung genommen, wie sie sich nachfolgend ähnlich in Frankreich wiederholen sollte: Die Juden lebten in einer nicht-jüdischen Umweltkultur, und damit musste sich auch die Bibel vor einem nicht-jüdischen Forum (hier vor allem: gegen den Koran) beweisen. Hier waren es vor allem karäische* und judäo-arabische Gelehrte, die die Entwicklung einer hebräischen Sprachwissenschaft in großem Umfang und mit bleibendem Einfluss vorangetrieben haben. Dies betraf nicht nur die Beschäftigung mit der hebräischen Grammatik, sondern auch die Lesung und Aussprache des biblischen Textes. Ob die ersten Masoreten* Karäer* waren oder nicht, wird bis heute mit unterschiedlichen Ergebnissen diskutiert, und ist letztendlich auch gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Beschäftigung mit dem Bibeltext, seine textliche Stabilisierung ebenso wie die Eruierung einer innerbiblischen

42    1. Kapitel:  Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter Auslegungspotenz für alle kommenden Generationen der Bibelausleger prägend war, und die karäische Exegese daher aus dem Erbe der biblischen Textauslegung auch nicht wegzudenken ist. Diese Anfänge der philologischen Exegese, Lexikographie und hebräischen Sprachwissenschaft setzten sich in der hebräischsprachigen maghrebinischen und spanischen Gelehrtentradition fort, auf die dann später das westeuropäische Judentum in Frankreich zurückgreifen und sie für die Auslegung ad litteram (Peschat*) fruchtbar machen konnte.

1.3. Zusammenfassung    43

2. Kapitel: Die Entstehung einer europäischjüdischen Bibel- und Bildungskultur

Battenberg, Friedrich, Das Europäische Zeitalter der Juden: Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1650. Darmstadt 2000 (2., um ein Nachwort des Autors erw. Aufl.). Berndt, Rainer, The School of St. Victor in Paris. In: Magne Sæbø (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2010, S. 467 – 495. Chazan, Robert Leon, European Jewry and the First Crusade. Berkeley u. a. 1987. Chazelle, Celia Martin / van Name Edwards, Burton (Hgg.), The Study of the Bible in the Carolingian Era (Medieval Church Studies, Bd. 3). Turnhout 2003. Gelles, Benjamin J., Peshat and Derash in the Exegesis of Rashi (Études sur le judaïsme médiéval, Bd. 9). Leiden 1981. Gibson, Margaret T., The Place of the Glossa Ordinaria in Medieval Exegesis. In: Mark D. Jordan / Kent Emery (Hgg.), Ad litteram. Authoritative Texts and Their Medieval Readers (Notre Dame Conferences in Medieval Studies, Bd. 3). Notre Dame, IN / London 1992, S.  5 – 27. Grossman, Avraham, School of Literal Jewish Exegesis in Northern France. In: Magne Sæbø (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000, S. 321 – 371. – , Rashi. Oxford / Portland, OR 2012. Kamin, Sarah (Hg.), Jews and Christians Interpret the Bible (hebr./engl.). Jerusalem 1991. Kanarfogel, Ephraim, The Intellectual History and Rabbinic Culture of Medieval Ashkenaz. Detroit 2013. Liss, Hanna / Krochmalnik, Daniel / Reichman, Ronen (Hgg.), Raschi und sein Erbe. Internationale Tagung der Hochschule für Jüdische Studien mit der Stadt Worms (Schriften der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, Bd. 10). Heidelberg 2007. Petzold, Kay Joe, Masora und Exegese. Untersuchungen zur Masora und Bibeltextüberlieferung im Kommentar des R. Schlomo ben Yitzchaq (Raschi) (Materiale Textkulturen, Bd. 24). Berlin u. a. 2018. Sæbø, Magne (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000. Smalley, Beryl, The Study of the Bible in the Middle Ages. Oxford 1984 (3., erw. Aufl.). Taitz, Emily, The Jews of Medieval France: The Community of Cham­ pagne (Contributions to the Study of World History, Bd. 45). Westport, CT 1994.

44    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur

2.1. Voraussetzungen und Hintergründe a.  Lateinische Bibelauslegung im christlichen Westeuropa Trotz der Vorherrschaft der kirchlichen Bildung auf der Basis der Bibel (das meint hier vor allem die Vorderen Propheten und die Psalmen sowie die kirchliche Rechtstradition) gestalteten schon die Karolinger ein umfassendes Bildungsprogramm, das die paganen klassischen Autoren ebenso umfasste wie die sog. septem artes liberales oder septem liberales disciplinae (Trivium und Quadrivium) sowie auch naturwissenschaftliche Werke, z. B. De Natura Rerum des Isidor von Sevilla (ca. 560 – 636). Die Theologen um Karl den Großen rekurrierten also weniger auf ihre eigenen Traditionen als direkt auf den biblischen Text. Dabei zeigt sich, dass der biblische Text als Auslegungsgegenstand auf spezifische Themen hin befragt wurde, etwas, das wir auch schon in der philosophischen Exegese R. Sa‘adjas kennengelernt haben. Ein vorgängiges Konzept – gesellschaftlich, politisch oder religiös – wird an den biblischen Text gehalten und mit ihm abgeglichen. Dabei, und dies ist ein wichtiger formaler Aspekt, tragen einzelne Persönlichkeiten ihr Verständnis und ihre Auslegungsmethode an den Text heran. Für die christliche Auslegungsliteratur ist dies nichts grundsätzlich Neues. Hier haben wir schon seit altkirchlicher Zeit ein individualisiertes Konzept von Textauslegung und Textverständnis, mit dem sich nun auch das beginnende westeuropäische Judentum konfrontiert sah. Die Juden und die Entgegen aller Gründungslegenden der Qalonymos-Familie* hebraica veritas hat sich heute mehr und mehr die Sicht durchgesetzt, dass jüdische Gemeinden aus der Karolingerzeit zwar für Lyon, Rouen und Reims nachzuweisen sind, nicht aber eine jüdische Besiedlung in den Rheingemeinden. Die dortigen jüdischen Gemeinden, zunächst in Mainz, dann auch in den anderen Städten an Rhein und Mosel, entstanden wohl nicht vor dem 10./11. Jahrhundert. Der bislang älteste bekannte Grabstein auf dem Wormser Friedhof stammt aus dem Jahr 1058 / 59 (epidat – epigraphische Datenbank, Inv.-Nr.: 9008, goo.gl/fHfi23; Zugriff 10 / 2019). Dem steht nun allerdings entgegen, dass bereits Hrabanus Maurus (st. 856) in seinen Bußbüchern Juden erwähnt und die Juden für die Entwicklung der karolingischen Theologie eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, und dies, obwohl sich außer Schutzbriefen aus der Kanzlei Ludwigs des Frommen kaum Belege für ihre soziale Präsenz erhalten haben. Wie schon für die Frühe Kirche hatte das Judentum für die Theologen in der Karolingerzeit zunächst einmal eine hermeneutische Funktion: Es bildete die typologische Folie des alten Israel, und ihre Bibel, das Alte Testament, bildete präfigurativ das neue, das christliche Israel ab. Der alte Bund war durch den neuen abgelöst Das Bildungs­ programm der Karolinger

2.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    45

worden (translatio testamenti), das Gesetz durch das Evangelium. Insgesamt galten die Juden als Gottesfeinde und avancierten zum Prototypen des (theologischen) Feindes für die christliche Lebenswelt. Auf der anderen Seite waren die Juden die Halter der hebraica veritas, der ‚hebräischen Wahrheit‘. Dieser auf Hieronymus (347 – 420) zurückgehende Begriff beinhaltet die Idee, dass die Wahrheit im hebräischen Text (des Alten Testaments) liege und nicht in der griechischen Übersetzung der Septuaginta*, weil der Text des Alten Testaments als göttliche Offenbarung an die Juden in hebräischer Sprache ergangen war. Die Relevanz des hebräischen Textes wurde bereits von den Theologen am Hofe Karls des Großen erkannt. Theodulf von Orléans (ca. 760 – 821), ein westgotischer Gelehrter, der seit ca. 792 als theologischer Berater Karls fungierte und hierbei auch eine wichtige Rolle in der theologischen Abwehr des Adoptianismus* spielte, unternahm um 800 eine eigene Revision des lateinischen Bibeltextes der Vulgata* des Hieronymus. Dieses Werk ist in sechs Codices erhalten. Hier finden sich immer wieder lateinische Randnotizen, die den hebräischen Text gegen die Septuaginta textkritisch würdigen. Ob Theodulf dabei mit einem gelehrten Konvertiten oder einem Juden (hebraeus) in Kontakt stand, ist bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung. In jedem Fall bedeutete die kritische Konfrontation mit der hebräischen Texttradition und darin implizit auch mit der jüdischen Auslegungstradition einen für die karolingische Exegese wichtigen Impuls. Auch die Theologen aus der Abtei Saint-Germain d’Auxerre (Burgund) Haimo (st. ca. 855) und Remigius (ca. 841 – 908) waren offenbar mit der hebräischen Tradition vertraut und haben hebräische Überlieferungen in ihren Kommentaren verarbeitet (Chazelle / van Name Edwards 2003). So kannte man dort das Akronym TaNa“Kh (für Tora, Nevi’im und Ketuvim). Aus der Schule von Auxerre stammt zudem ein Genesis-Kommentar (der eventuell dem Remigius zuzuschreiben ist; van Name Edwards 1991), der sich explizit auf hebräisch-aramäische Texttraditionen beruft (‚dicunt hebraei‘). Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass es sich hierbei um Textmaterial handelt, das wir aus dem Midrasch Rabba und dem Targum* Jonatan kennen, und das nicht einfach auf Hieronymus zurückgeht. Von besonderer Bedeutung für die lateinische Bibelexegese sollte sich die Schule der Abtei von St. Victor am linken Seineufer erweisen. Gegründet 1108 von Wilhelm von Champeaux (ca. 1070 – 1121), galt sie schon bald als bedeutendste Abtei von Regularkanonikern (Chorherren), die nach der Augustinerregel lebten und sich der gregorianischen Reform verpflichtet hatten. Die für die

Theodulf von Orléans

Die Schule von Auxerre

Die Schule von St. Victor

46    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur

Bibelkommentare als Glossen­ kommentare

Christlich-jüdische Kulturkontakte

westliche Theologie und Exegese entscheidenden Köpfe wie Hugo von St. Victor (ca. 1096 – 1141) sowie seine Schüler Richard (st. 1173) und Andreas (st. 1175) von St. Victor zeigten besonderes Interesse an der Bibelauslegung und der Bestimmung der Relation von ratio und scriptura sacra (Berndt 2009; Berndt u. a. 2002). Mehr als Hugo verschrieb sich Andreas von St. Victor der Bibelauslegung nach dem Literalsinn (Berndt 1991). In seinem hebraistischen Anspruch wandte er sich auch der jüdischen Bibelauslegung zu und suchte daher den Kontakt zu seinen jüdischen Zeitgenossen. Die Bedeutung der Bibel und der Schriftauslegung zeigt sich zudem an der umfangreichen Bibliothek von St. Victor, die nicht nur, aber vor allem für ihre Bibelausgaben berühmt war (Tischler 2014). Formal waren die Bibelkommentare des 11. und 12. Jahrhunderts als Glossenkommentare gestaltet. Diese neue Form der Zusammenstellung wichtiger Kommentare und Interpretationen seit der Kirchenväterzeit verbindet sich heute vor allem mit Namen wie Anselm (ca. 1050 – 1117) und Radulf von Laon (st. 1131), aus deren Kreis auch Wilhelm von Champeaux stammte. Die Glossensammlungen aus der Schule von Laon wurden durch die sog. Media Glossatura des Gilbert von Poitiers (ca. 1080 – 1154) und die Magna Glossatura des Petrus Lombardus (ca. 1100 – 1160) ergänzt. Die berühmte Glossa Ordinaria (in ihren vielfältigen Rezensionen), die zwischen ca. 1130 – 1160 von den Gelehrten aus Laon, Auxerre und Paris arrangiert wurde, verweist einmal mehr auf die Relevanz der Bibel und ihrer Auslegung im Kontext der neuen Unterrichtsformen und -inhalte der Kathedralschulen. Nach Gibson (Gibson 1992) stammte die Glossa Ordinaria unmittelbar aus dem Lehrund Lernbetrieb von St. Victor. Wie genau sich die intellektuellen Kontakte zwischen den Juden und den christlichen Theologen vollzogen haben, zu welchen hebräischen Texttraditionen die lateinischen Exegeten Zugang hatten und wer dies vermittelte, wissen wir noch nicht. Auch die Frage, auf welche Weise und durch welche Gelehrte die intensive Beschäftigung mit der Hebräischen Bibel auf der lateinischen Seite ihr Echo und damit auch Eingang in die jüdisch-exegetische Arbeit seit dem 10. und 11. Jahrhundert gefunden hat, muss einstweilen unbeantwortet bleiben. Soviel lässt sich aber wohl sagen: Die geographische Nähe der Wohnorte der mittelalterlichen Bibelausleger und Tosafisten* zu Auxerre, Sens, Troyes und Reims ist kein Zufall. Es zeigen sich erstaunliche Parallelen in den Anfängen der mittelalterlichen Bibelexegese auf jüdischer und christlicher Seite, und sie haben ihre regionalen Schnittstellen in einer überschaubaren Region zwischen Loire, Seine und Rhone im heutigen Frankreich. Die christliche und die jüdische Bibelexegese des Mittelalters formierten sich darin in

2.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    47

einem sprachlich und kulturell determinierten gemeinsamen Raum, aber dennoch in zeitlicher Distanz. Eine revidierte kritische Analyse dieser exegetischen Traditionen auf beiden Seiten bleibt Aufgabe weiterer Forschungen. b.  Die jüdischen Gelehrtenzentren im 11. und 12. Jahrhundert In Narbonne hatte sich ein auf Makhir ben Jehuda (1. Hälfte 11. Jahrhundert) zurückgehendes Zentrum entwickelt, in das nicht nur Elemente der babylonischen Diaspora, sondern auch Elemente der jüdischen Geistesentwicklung in Spanien eingingen. Die dortigen Schulen hatten ihren Schwerpunkt und ihre Fähigkeiten im Bereich der biblischen Exegese, Grammatik und Lexikographie. Mit Menachem bar Chelbo (11. Jahrhundert) finden sich die ersten Übertragungen in die Vernakularsprache (Landessprache) mit hebräischen Lettern. Es war sein Neffe, R. Josef ben Schim‘on Qara (geboren ca. 1050 – 1125, siehe im Folgenden Kap. 2.2.c.), der Menachems Kommentare an Raschi überlieferte. Noch bis in unsere Zeit hinein hält sich hartnäckig die Vorstellung, wonach alle Juden des Mittelalters hoch gebildet, alle Christen eher illiterat waren. Und in der Tat ist es nicht einfach, aus versprengten Aussagen zum Erziehungswesen auf das Bildungsniveau der einzelnen Mitglieder der kleinen Gemeinden Nordfrankreichs und Deutschlands zu schließen (so schon Güdemann 1880). Zwar war die Gruppe der dort wirkenden Kommentatoren zahlenmäßig klein, aber das tosafistische* literarische Œuvre hat uns enorme Textmengen hinterlassen. So können wir bei den Tosafisten auf eine hohe rabbinische Bildung schließen, die ihnen die Auseinandersetzung mit dem Talmud* erst ermöglichte, jedoch zeigen gerade die nordfranzösischen Bibelkommentare aus dem 11. und 12. Jahrhundert, dass das Bildungs- und hebräische Sprachniveau der Juden im Allgemeinen durchaus unterschiedlich war. Wird dies auch nie explizit festgehalten, so zeigen insbesondere R. Josef ben Schim‘on Qaras Auslegungen, dass er an vielen Stellen zunächst einmal die Bedeutung des Hebräischen erklärt, und dies auch mit Hilfe von Übersetzungen ins (Alt-)Französische. Dies gilt umso mehr für Texte, die nicht mit demselben inhaltlichen Gewicht gelesen wurden wie die Tora, nämlich die Prophetentexte und die Schriften. Jene biblischen Bücher, die nur sehr auszugsweise oder gar keine liturgische Funktion innehaben (z. B. die Bücher Nahum und Hiob), bedurften einmal mehr der Erklärung ad litteram, d. h. nach dem auf der Textebene einfachen Wortsinn (vgl. auch Langer 2016, 81 – 86), denn ihr Hebräisch ist nicht alltäglich, vor allem nicht das der poetischen Abschnitte, und ihre Lektüre fand nur selten statt.

Jüdische Gelehrsamkeit in Narbonne

Der Bildungsstand der Juden in Westeuropa

48    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur Etablierung 1090 nimmt Kaiser Heinrich IV. die Juden auf ihre Bitte hin unter der ‚SchUM‘-­ seinen persönlichen Schutz. Ihre Rechte werden in Statuten gereGemeinden gelt. Gewährt wurde kaiserlicher Schutz für Leben und Eigentum

Von Italien ins Rheinland

Die Jeschiva in Mainz

eines Juden, es gab keinen Taufzwang, bei Konversionen musste eine dreitägige Zwangsbedenkfrist eingehalten werden, und man sicherte den Juden ihre eigene Gerichtsbarkeit zu (Judeorum episcopus). Das jüdische Leben konzentrierte sich in drei Zentren, der Provence in Südfrankreich, der Champagne und der Normandie in Nordfrankreich (Tzarfat*) und Deutschland (Aschkenaz*) mit dem besonderen Schwerpunkt der Rheingemeinden Speyer, Mainz und Worms, den sog. ‚SchUM‘-Gemeinden*. Großen geistigen Veränderungen waren die Gemeinden im Rheinland unterworfen. Hatte man sich in halachischen und rituellen Fragen bislang an die Geonim* in den Zentren Sura und Pumbedita in Babylonien gewandt, so verschob sich die geistige Mitte zunehmend nach Westeuropa, und dies hing mit der Einwanderung einer neuen geistigen Elite ins Rheinland zusammen: Kannte bereits Ja‘aqov ben Ascher (ca. 1280 – 1340) den Begriff der ‚Frommen Deutschlands‘ (Chaside Aschkenaz*), der sich für ihn mit der Anwendung bestimmter Methoden der Bibelexegese verband, so steht dieser Begriff heute für die Repräsentanten der Familie Qalonymos*. Deren Vorfahren, ursprünglich aus Lucca in Oberitalien stammend, waren ab dem 9. Jahrhundert ins Rheinland eingewandert. Unter dem Einfluss führender Persönlichkeiten aus dieser Familie wurden vor allem Speyer, Mainz und Worms (später auch Regensburg) zu geistigen Zentren des jüdischen Lebens. In Mainz hatten sich Teile der Qalonymiden-Familie auf die Bitte Ottos II. niedergelassen. Einer der wichtigsten Gelehrten war R. Jehuda ben Meïr ha-Cohen Leontin. Auf R. Jehuda wird die Gründung einer Jeschiva* (Talmudschule) in Mainz zurückgeführt, die schon bald eine besondere gesetzgebende Autorität erwarb. Der wichtigste Schüler R. Jehudas war R. Gerschom ben Jehuda (ca. 960 – 1028). Er wurde als der sog. Me’or ha-Gola (‚Leuchte des Exils‘) so etwas wie ein Oberhaupt der jüdischen Gemeinden in Westeuropa. Er ordnete und strukturierte das Talmud*-Studium neu, er bemühte sich um Textkritik sowie um eine konzise schriftliche und mündliche Anwendung und ihre Umsetzung für die Rechtspraxis. Die wichtigste halachische Entscheidung R. Meïrs ist das Verbot der Polygamie (unter Androhung des Synagogenbannes, des Cherem, d. h. des Ausschlusses aus der Gemeinde). Die Institution des Cherem führte ihrerseits zur Bindung des Einzelnen an die Gemeinde, zur rechtlichen, sozialen und nationalen Konsolidierung der Gemeinden und vor allem zur Durchsetzung rechtlicher und religiöser Entscheide.

2.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    49

Die Talmudakademie in Mainz hatte vor Worms und Köln den größten Ruf (Reichman 2007), bedingt durch R. Gerschom ben Jehuda und seine Zeitgenossen sowie deren Nachfolger. Zu nennen sind hier R. Eli‘ezer ben Jitzchaq (11. Jahrhundert; in Raschis Kommentaren als ‚der Große‘ ha-gadol oder der ‚Gaon‘ erwähnt) und R. Jehuda ha-Cohen (Verfasser der Responsensammlung Sefer ha-Dinim), R. Jitzchaq ben Jehuda (ca. 1080) und R. Jitzchaq ben Ascher ha-Levi (RIbA). Ein weiterer wichtiger Spross aus der Talmudakademie in Mainz war R. Ja‘aqov ben Jaqar (st. 1064), der spätere Lehrer Raschis. Raschi wird sich später auf ihn als den ‚Alten‘ (ha-zaqen) beziehen. R. Ja‘aqov kam aus Worms in die Jeschiva* nach Mainz und leitete diese wohl auch einige Zeit nach R. Gershoms Tod, zusammen mit R. Eli‘ezer ben Jitzchaq aus Worms. Später kehrte er nach Worms zurück, muss aber seine letzten Tage doch wiederum in Mainz verbracht haben, denn dort findet sich auch sein Grabstein. Inwieweit R. Ja‘aqov neue Akzente in die Methoden des Talmudstudiums eintrug, ist umstritten. Jedenfalls ist kein einziges Responsum von ihm überliefert, was darauf schließen lässt, dass er das theoretische Studium bevorzugte. Von ihm geht die Sage (und sie ist typisch für die Legendenbildung um die sog. ‚Frommen Deutschlands‘), dass er den Boden vor dem Aron ha-Qodesch* mit seinem Bart aufwischte (vgl. Grossman 2012, 16). Auch Raschi betont die Demut seines Lehrers. Insgesamt zeigt aber die Mainzer Jeschiva, dass das Studium der Bibel dem Studium des Talmud deutlich nachgeordnet war: Es war der Talmud, den es zu studieren galt. Das Bibelstudium, mit dem man im Kindesalter begann, stellte eigentlich nicht mehr als ein Prolegomenon für das höhere jüdische Lernen dar.

Talmudstudium in Mainz und Worms

Littera gesta docet,

Die nordfranzö­ sische Exegeten­ schule

quid credas allegoria, moralis quid agas, quo tendas anagogia.

Der Buchstabe lehrt die Ereignisse, was du zu glauben hast, die Allegorie, die Moral, was du zu tun hast, wohin du streben sollst, die Anagoge.

Diesen schon für die Frühe Kirche inhaltlich in Geltung stehenden und seit dem Mittelalter in einen Merkspruch gefassten Methoden der Bibelauslegung wurde auf der jüdischen Seite im 11. und 12. Jahrhundert vor allem die sog. ‚Peschat-Auslegung‘*, d. h. die Auslegung ad litteram, entgegengestellt. Ihr plötzliches Auftreten und ihr ebenso jähes Verschwinden gegen Ende des 12. Jahrhunderts hat die judaistische Forschung der letzten 170 Jahre beinahe durchgehend beschäftigt. Dabei haben fast alle damit zusammenhängenden Fragen und Probleme bis heute keine wirklich befriedi-

R. Ja‘aqov ben Jaqar

50    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur gende Antwort gefunden. So ist allein die Bedeutung des Terminus Peschat umstritten, der zumeist als Auslegung nach dem ‚einfachen‘ Wortsinn übersetzt wird. Aber auch ein ‚einfacher Wortsinn‘ ist facettenreich: Er kann auf eine lectio historica* – im Gegenüber zur (lectio) allegorica* und tropologica* – hinweisen, er kann jedoch auch, wie im Falle des R. Eli‘ezer aus Beaugency (Mitte 12. Jahrhundert), den Sinn eines Textes gemäß seinem literarischen Kontext oder gar in einer literaturtheoretischen Betrachtung umfassen. Der Zeitraum zwischen 1040 und 1200 hat eine Reihe unterschiedlicher Peschat-Exegesen hervorgebracht, deren Verhältnis untereinander auch erst in den Anfängen geklärt ist. Hatte noch R. Schelomo Jitzchaqi (Raschi) seine Aufgabe vor allem darin gesehen, das jüdische Wissen zu ordnen, zu bündeln und zu straffen, dabei aber stets auf dem Boden der rabbinischen Literatur zu verbleiben, so haben sich seine geistigen Nachfolger in zunehmendem Maße vom jüdisch-traditionellen, d. h. vom rabbinischen Lese-Kontext (Aggada*; Halakha*) emanzipiert. Als ihr (Lese-)Publikum sprechen sie die sog. maskilim* an, in der modernen Forschung hilfsweise manchmal als ‚Rationalisten‘ vorgestellt, ohne dass damit aber soziologisch oder hermeneutisch ein eindeutiger Trägerkreis festgemacht werden könnte (es waren ja keine Philosophen). So schreibt Elazar Touitou, dass es im jüdischen 11./12. Jahrhundert zu einem, wie er es nennt, ‚Haskala‘*-Schub kam. Man spricht hier von einem neuen Gelehrtentypus, einer Bewegung, die zunächst einmal mit sich brachte, dass vieles zu einer Erneuerung strebte und man die religiösen Dinge rationaler anzugehen und zu begründen suchte. Touitou sieht insbesondere in der Gründung der Universitäten mit der Ausgestaltung der septem liberales disciplinae (siehe oben Kap. 2.1.a.), der Entwicklung der Kathedralschulen und insgesamt einem Zeitgeist, der gerne auch als ‚Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ bezeichnet wird, einen Motor für die aufkommende neue Rationalität, aber auch für die verschiedenen Verwerfungen, die das Judentum nach innen zu bewältigen hatte (Touitou 2003). Erklärungsbedürftig ist darüber hinaus die Tatsache, dass man sich neben dem Talmudstudium überhaupt und in dieser Intensität eigentlich zum ersten Mal ausführlich mit der Bibel beschäftigte. Dies hängt in Westeuropa natürlich mit dem christlichen Umfeld zusammen: Beschäftigte man sich in Spanien, wo die arabische Sprachwissenschaft weit entwickelt war, vor allem mit der hebräischen Sprache und Grammatik, so rückten in Frankreich und Deutschland die Inhalte der Bibel ins Blickfeld, weil auch die Kirche, wenngleich oftmals in typologischer Abgrenzung, die Hebräische Bibel als „Altes Testament“ rezipierte. Die jüdische Bibelauslegung hatte sich daher zum einen exegetisch-apologetisch gegenüber

2.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    51

dem Christentum zu positionieren; zum anderen zeigte sich auch im innerjüdischen Diskurs zwischen Aschkenaz* und Sefarad* eine zunehmend größer werdende Kluft zwischen den jeweiligen Bibel-Lektüren, die die Gelehrten herausforderte. c.  Die handschriftliche Überlieferungstradition Was die handschriftliche Überlieferung und / oder die heutigen Druckausgaben angeht, ist die judaistische Mediävistik in einer weitaus weniger komfortablen Lage als ihre christliche Schwester, und dieser Befund hat sich in den letzten Jahren, in denen die Überlieferungen des Raschi im Verhältnis zu den literarischen Zeugnissen seiner Schüler mehr und mehr in den Blick rückten, noch verstärkt. Es zeigt sich nämlich, dass es „den“ Raschi-Kommentar oder gar einen Urtext davon nie gegeben hat, jedenfalls nicht vor seinem Eintritt in die typographische Welt (so zuletzt mit guten Gründen Petzold 2018). Bereits die handschriftlichen Textzeugen, die wir haben, stammen aus einer deutlich späteren Zeit und sind alles andere als einheitlich: Das älteste Manuskript München, BSB, Cod. hebr. 5 (reiner Kommentartext) wurde 1233 in Würzburg kopiert und stellt gleichzeitig das älteste datierte aschkenasische illuminierte Manuskript dar. Die zweite wichtige Raschi-Handschrift Leipzig, Universitätsbibliothek, B. H. fol. 1 stammt aus dem 13. Jahrhundert (undatiert) und enthält neben dem masoretischen Bibeltext (inklusive eklektisch annotierter masoretischer Glossen) den Targum* sowie einen dem Raschi zugeschriebenen Kommentar, der seinerseits eine Reihe Glossierungen von Raschis wichtigstem Schüler, Schema‘ja, sowie dem Schreiber, Makhir, enthält (dazu Grossman 1996, 187 – 193). Der dritte und für die Raschi-Forschung sehr wichtige Textzeuge Wien, ÖNB, Cod. hebr. 220 (Wien 23) ist ebenfalls undatiert (13./14. Jahrhundert), stammt aber aus einer deutlich späteren Zeit. Heute gelten neben den vollständigen Manuskripten auch die hebräischen und aramäischen Makulaturfragmente* als wichtige Quellen, wie sie vor allem in den Bibliotheken Deutschlands, Italiens und Frankreichs zu Tausenden gefunden werden (vgl. die derzeit im Aufbau befindliche Datenbank Books Within Books, online: goo.gl/mM3X7j; Zugriff 10 / 2019), denn diese fragmentarische Handschriftenüberlieferung geht teilweise schon bis ins 12. Jahrhundert zurück. Bis heute gibt es keine kritische Ausgabe der Kommentare Raschis, aber immerhin hat Abraham Berliner (1833 – 1915) für seine Ausgabe des Pentateuch-Kommentars ca. 100 Handschriften berücksichtigt. Ein Autograph* besitzen wir ohnehin nicht. Die

Die ältesten ­Raschi-Manuskripte

Moderne Textausgaben

52    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur

Abb. 5: München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. hebr. 5,1, fol. 84r.

2.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    53

Abb. 6: Leipzig, Universitätsbibliothek, B. H. fol. 1, fol. 92v.

54    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur gedruckten Ausgaben sind für die wissenschaftliche Arbeit nur eingeschränkt zu verwenden: Neben den traditionellen jüdischen Bibelausgaben in den sog. Rabbiner-Bibeln (Miqra’ot Gedolot), die sehr fehlerhaft sind, arbeitet man heute entweder mit dem Tora-Kommentar Raschis nach der Ausgabe von Abraham Berliner (Berliner 1866; 2. Aufl. 1905) oder mit der Ausgabe Miqra’ot Gedolot Haketer (Men. Cohen 1992 ff.; mittlerweile auch in elektronischer Form). Daneben gibt es auch weitere digitale Ausgaben, die aber auch allesamt keine kritischen Textausgaben darstellen (Alhatora; Sefaria). Unter den uns erhaltenen Raschi-Kommentaren sind die Abweichungen zum Teil so groß, dass die Zuschreibung an einen Autor mehr als fraglich ist. Hier müssen künftig und mehr als bisher die in der neuphilologischen und mittellateinischen Forschungslandschaft erbrachten Ergebnisse in die Untersuchung des hebräischen Materials einbezogen werden (zum Ganzen Liss 2011a, bes. 35 – 55). d.  Glossensammlungen als neue Form literarischer Vermittlung Lateinische Glos­ sensammlungen

Der entscheidende Impuls der lateinischen Glossensammlungen liegt in der Neukonstituierung des Verhältnisses zwischen der Auslegung auf der Basis der Kirchenväter und ihrer Relation zur eigenen ratio. Das Neue ist also ein neuer Umgang mit dem Alten, wie es schon das Aachener Kapitular von 789 (Admonitio generalis) in Worte fasst: „Irrtümer verbessern – Überflüssiges heraustrennen – Richtiges einschärfen“ (Heil 2003a, 408). Die Rangfolge ist ganz klar: die auctoritas der Kirchenväter ist unangefochten. Entsprechend liest man noch bei Vincent von Beauvais im Prolog zu seinem Speculum maius (zw. 1244 und 1260): Ipsorum est igitur auctoritate, nostrum autem sola partium ordinatione (‚Bei ihnen liegt die [inhaltliche] Autorität, in unserer Verantwortung liegt lediglich die Reihenfolge der einzelnen Exzerpte‘). Dass allerdings gerade durch alt-neue Zusammenstellungen, Fragmentierungen und pseudepigraphische Zuschreibungen zum Teil etwas völlig Neues herauskam (und auch herauskommen sollte), steht dabei außer Frage. Bis heute ist ungeklärt, ob die Juden überhaupt von der Existenz solcher Glossensammlungen wussten (zur Frage nach den Lateinkenntnissen der jüdischen Gelehrten vgl. im Folgenden Kap. 3.1.a.), weil es darüber keine direkten Zeugnisse von jüdischer Seite gibt. Dennoch scheint es schlechterdings unvorstellbar, dass diese wichtigen Entwicklungen der lateinischen Auslegungskultur, die sich räumlich im unmittelbaren Umfeld der jüdischen Zentren vollzogen haben, gar keine Spuren auf der jüdischen Seite hinterlassen haben sollten. Es wäre ja immerhin vorstellbar, dass mündliche Kontakte

2.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    55

soweit bestanden, dass man wenigstens von den Bemühungen der lateinischen Magister Kenntnis erlangte. Schließlich standen beide Parteien vor demselben Problem: Eine große Menge an Traditionsliteratur – auf der einen Seite die Kirchenväter, auf der anderen Seite die rabbinischen Quellen – sollte für die allgemeine Bildung und den Unterricht aufbereitet und auf das Wesentliche konzentriert dargeboten werden, und dies alles vor dem Hintergrund der sich auf beiden Seiten Bahn brechenden neuen theologischen Rationalität. Von den bereits erwähnten frühen Raschi-Manuskripten (MSS Hebräische Glos­ München Cod. hebr. 5; Wien Cod. hebr. 220; Leipzig B. H. fol. 1) senkommentare zeigt nur MS Leipzig die äußere Form, die sich seit Raschis Zeiten für die nordfranzösischen Bibelkommentare sukzessive durchsetzen sollte. Diese Handschrift enthält den Bibeltext, den Targum*, masoretische Notizen (masora parva* und masora magna*) sowie unter dem Bibeltext den Kommentar des Raschi. Die anderen Handschriften bieten lediglich den Kommentartext als zentralen Haupttext, aber dies ist sicher eine spätere Entwicklung. Wiederum verweisen die älteren Einbandfragmente darauf, dass die biblischen Kommentare wohl schon früh an den Bibeltext angebunden wurden, sodass die mise-en-page eines Manuskriptes oftmals durch den biblischen Text und seine Kommentierung konstituiert war. Eine solche Folio*-Aufteilung zeigen auch einige der Qara-Handschriften. Wir können davon ausgehen, dass Raschi und seine Schule glossenartige Kommentare verfasst haben, die zunächst von Schülern auf Wachstafeln notiert wurden und zirkulierten, um dann später auch auf Pergament fixiert zu werden. Glossenkommentare setzen allerdings eine gebotene Kürze der exegetischen Notizen voraus, da nicht unbegrenzt Platz vorhanden war. Wer einmal ein Midraschwerk* (z. B. Midrasch Rabba oder Midrasch Tanchuma) aufgeschlagen hat, weiß, dass hier in epischer Breite eine Vielzahl möglicher Auslegungen zu einem Vers additiv geboten werden. Diese Form war nun nicht unbedingt darauf angelegt, sie im Unterricht ad hoc zu nutzen. Zudem war auch die Traditionsliteratur im 11. Jahrhundert zu einem Dickicht angewachsen, durch das eine Schneise zu schlagen dringend geboten schien. So waren diese ersten Kommentare von einem doppelten Anspruch geprägt: Inhaltlich sollte eine passende Erklärung zu einem Bibelvers geboten werden (peshat), bzw. sollte, wie im Falle Raschis, eine von ihm getroffene Auswahl an Midraschmaterial in einer Weise präsentiert werden, die den Schülern die Relationierung von Bibel und Midraschliteratur ermöglichte. Formal konnte eine solch kondensierte Form der Midrasch-Überlieferung problemlos dem Bibeltext beigesellt werden.

56    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur Raschi als hebräische ‚Glossa Ordinaria‘

Ein formaler Vergleich zwischen Raschi und den lateinischen Kompilatoren des 10./11. Jahrhunderts liegt deshalb nahe, unabhängig davon, in welchem Umfang den jüdischen Gelehrten die lateinischen Glossenkommentare selbst zugänglich waren. Hanna Liss hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass Raschis Kommentare durchaus als erste ‚jüdische Glossa Ordinaria‘ zu beschreiben und ihrem Anspruch nach wohl am ehesten mit der Media Glossatura des Gilbert von Poitiers (ca. 1080 – 1154) oder der Magna Glossatura des Petrus Lombardus (ca. 1100 – 1160) zu vergleichen sind (Liss 2011a, 35 – 55). Das Problem einer fluktuierenden Überlieferung und die Frage, ob und wenn ja, welcher ‚Autor‘ hinter den nordfranzösischen exegetischen Überlieferungen steht, betrifft insgesamt das Verhältnis Raschis zu seinem Schülerkreis, zu dem neben seinem Gefolgsmann und Chronisten R. Schema‘ja auch R. Josef ben Schim‘on Qara und vor allem seine Enkel R. Schemu’el ben Meïr (Raschbam) und R. Ja‘aqov ben Meïr (Rabbenu Tam) gehören. R. Josef Qara wurde bereits von Leopold Zunz und Abraham Berliner als Glossator vorgestellt. Dabei gingen sie davon aus, dass R. Josef weniger den eigentlichen Bibeltext als vor allem den Raschi-Kommentar kommentierte, und diese Meinung wird auch heute noch von einigen Kollegen vertreten. Man stützt sich dabei auf handschriftliche Textzeugen, in denen R. Josef Qara als ‫מעתיק‬ (ma‘atiq ‚Kopist‘) oder ‫( כותב‬kotev ‚Schreiber‘) Erwähnung findet. Schwierig ist bei dieser Debatte, dass die hebräischen Manuskripte die einzelnen Tosafisten* nicht einheitlich benennen und nach wie vor keine Kriterien entwickelt wurden, nach denen sich entscheiden ließe, was denn von wem mit welchem Anspruch verfasst wurde (zum Ganzen zuletzt Lederer-Brüchner 2017, 45 – 60). Eine eindeutige Terminologie der Zuschreibungen, wie wir sie im lateinischen Mittelalter mit den Begriffen scriptor, compilator, commentator und auctor ausmachen können, findet sich in der hebräischen Kommentarliteratur nicht. Darüber hinaus ist die Zuordnung exegetischer Kommentierungen zu einzelnen Tosafisten auch deshalb schwierig, weil die auf uns gekommenen handschriftlichen Textzeugen die Glossen unterschiedlich präzisieren. Manche Glossen werden mit einem (Vor-)Namen versehen (‚R. Josef‘; ‚R. Schemu’el‘), andere nicht, und wieder andere überliefern ähnliche Glossierungen unter verschiedenen Namen (Liss 2016a). Der handschriftliche Befund verbietet allerdings vorschnelle Zuordnungen. Weitere Detailforschungen an jeder einzelnen Handschrift und jedem einzelnen biblischen Buch, wie zuletzt beispielhaft in dem umfangreichen Vergleich zu den Qara-Kommentaren zum Buch Rut von Ingeborg Lederer-Brüchner (Lederer-Brüchner 2017), sind hier erforderlich. Der Zugang zu den exegetischen Glossen vermittels des Manu-

2.2. Persönlichkeiten    57

skriptes kann überdies den Blick für Dinge schärfen, die bislang in der Bearbeitung der Glossen unberücksichtigt geblieben sind. Dazu gehören auch die Buch-‚formen‘ (einschließlich mise-en-texte und mise-en-page), das Layout der Glossen oder die Schreibrichtung (dazu ausführlich Liss 2018b).

2.2. Persönlichkeiten a.  R. Schelomo Jitzchaqi (Raschi; ca. 1040 – 1105) Die erste Generation der jüdischen Gelehrten in Nordfrankreich Biographie finden wir in der Champagne, vor allem in der Messestadt Troyes. Hier ist als erster und wichtigster Kommentator R. Schelomo Jitzchaqi (späteres Akronym: Raschi) zu nennen. Biographische Informationen über Raschi haben wir wenig (vgl. Petzold 2018; Grossman 2006; 2001; 2000). Soweit wir wissen, wurde er in Troyes geboren (Champagne-Ardenne, südöstlich von Paris, südwestlich von Metz). Juden sind in Troyes schon seit rabbinischen Zeiten bekannt, aber erst seit der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts finden wir dort eine organisierte Gemeinde, die von ihren Mitgliedern Steuern einzog, und wir hören auch von jüdischem Grundbesitz (Taitz 1994). Zu Raschis Zeiten hatte diese Gemeinde sicher nicht mehr als ca. 100 Mitglieder (nicht: Familien). Raschis Mutter war die Schwester eines R. Schim‘on ‚ha-Zaqen‘, wohl nicht identisch mit R. Schim‘on bar R. Jitzchaq, einem Pijjut*-Autor. Seinen Vater erwähnt Raschi einmal als seinen Lehrer (abba mori) in seinem Kommentar zu bAZ 75a. Bedingt durch sein familiäres Umfeld (Weinbau; Landwirtschaft) lernte er dort alles Mögliche zu Währung, Geldhandel und Warenaustausch, aber auch über unterschiedliche handwerkliche Tätigkeiten – Gravierungs- und Prägetechniken, Stoff- und Wollverarbeitung etc. – ein Wissen, das ihm später bei seiner Kommentierung von Talmud* und Bibel immer wieder nützlich sein würde. Nach seiner religiösen Grundausbildung in Troyes zog es ihn zu den aufstrebenden Zentren im Aschkenaz*, zunächst nach Mainz, dann für weitere drei bis fünf Jahre nach Worms. Seine Lehrer in Mainz waren der bereits erwähnte R. Ja‘aqov ben Jaqar (st. 1064), und R. Jitzchaq ben Jehuda (11. Jahrhundert) sowie R. Jitzchaq ben R. El‘azar ha-Levi (st. nach 1070) in Worms. Um 1070 kehrte Raschi nach Troyes zurück; den Kontakt zu den Gemeinden in Mainz und Worms hat er stets zu halten versucht. Raschi starb 10 Jahre nach dem Beginn des 1. Kreuzzugs (1105). Sein Grab ist unbekannt. Bei R. Ja‘aqov lernte Raschi vor allem Genauigkeit und Tradi- Talmudstudium tionstreue im Umgang mit den talmudischen und biblischen Tex- in Mainz

58    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur ten sowie neue Formen der Verschriftung traditioneller Lehr- und Lerninhalte. Durch R. Jitzchaq, der stärker in Gemeindepolitik und öffentliche Angelegenheiten involviert war, wurde Raschi mit einer weitaus praxisorientierteren und pragmatischen Auslegung vertraut gemacht, die ihm später in Troyes sehr zugute kommen sollte. Beim Talmudstudium machte man sich stichwortartige Notizen zu den Lernabschnitten, die auch mit Lehrern und Schülern anderer Jeschivot ausgetauscht wurden. Diese Notizen wurden gesammelt und fanden Verbreitung entweder als ‚Kommentare der Weisen von Mainz‘, ‚Kommentare der Frommen aus Mainz‘ oder einfach ‚Mainzer Kommentare‘, wie diese Anmerkungen beispielsweise bei Natan ben Jechi’el aus Rom (dem sog. Ba‘al ha-Arukh), einem italienischen Lexikographen (1035 – ca. 1110), genannt werden. Aus den Mainzer Kommentaren wird namentlich oder anonym zitiert, ähnlich der rabbinischen Art der Tradierung. Die Notizen aus Mainz und Worms wurden so zur Grundlage für Raschis eigene Kommentare und zum Ausgangspunkt eigener halachischer Entscheidungsfindung. Lehrhaus in Troyes In Troyes und Umgebung wird Raschis Kompetenz in halachischen Fragen schnell erkannt, wie an der Vielzahl schriftlicher Anfragen zu sehen ist. Seine halachischen Entscheidungen sind ausgesprochen praxisorientiert (Grossman 2012, 12 – 51). Schon bald nach seiner Ankunft begründet er ein Lehrhaus, das wir uns jedoch nicht als groß angelegte ‚Akademie‘ vorzustellen haben, sondern als eine mehr oder weniger formlose Zusammenkunft von Schülern im Hause eines Lehrers. Das gemeinsame Lernen fand zumeist im privaten Raum statt, der dann punktuell zum Bet Midrasch* avancierte. Dort waren die bekanntesten seiner Schüler Simcha ben Schemu’el aus Vitry und R. Schema‘ja (Epstein 1897). Schon sehr bald wurde Raschi der Titel parschan data ‚Erklärer des Gesetzes‘ beigelegt, ein Titel, der möglicherweise schon auf R. Avraham ibn Ezra zurückgeht und der Raschi nicht nur als Bibelerklärer, sondern auch und vor allem als Talmudausleger charakterisiert. Raschi als Bei der Aufzeichnung seiner Kommentare begann Raschi mit Kommentator dem Talmud, noch vor der Bibel, obwohl sich diese beiden Kommentarbereiche wahrscheinlich zeitlich überlappten. Es ist anzunehmen, dass er jedes biblische Buch kommentierte, allerdings stammen die heute unter seinem Namen gedruckten Kommentare zu Esra / Nehemia, Chronik und Hiob 40,25 – 42,17 nicht aus seiner Feder. Darüber hinaus hat Raschi auch Kommentare zu den pijjutim* verfasst. Einen ‚Urtext‘ von Raschis Kommentar gibt es nicht (siehe auch oben Kap. 2.1.d.), nicht einmal für den Pentateuch-Kommentar. Schon zu seinen Lebzeiten haben seine Schüler Sammlungen angefertigt, sog. quntresim, die vielfach kursierten

2.2. Persönlichkeiten    59

Abb. 7: Raschi, Perusch al ha-Tora. Venedig 1522.

60    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur und laufend überarbeitet, ergänzt und modifiziert wurden. Nach Penkower hat Raschi selbst seine Kommentare revidiert und ergänzt (Penkower 2007b). Raschis Schüler Die meisten Schüler Raschis waren entweder jüngere Männer aus gut situierten Elternhäusern oder Geschäftsleute, die sich vor allem zu den Messezeiten (zweimal jährlich) in Troyes aufhielten. Als Handels- und Umschlagplatz zeichnete sich Troyes schon frühzeitig durch Modernität und Weltoffenheit aus. Die Schüler, die von außerhalb hinzustießen, brachten, bedingt durch ihre unterschiedlichen Berufe und Gewerbe, ein hohes Wissen über allgemeine Bereiche des Lebens wie Wirtschaft, Naturwissenschaft, Medizin, Geographie, Politik und Geschichte ein. b.  R.  Schema‘ja (ca. 1060 – 1130) R. Schema‘ja ist biographisch kaum zu greifen, er gilt jedoch als einer der treuesten Gewährsleute Raschis und ist vor allem für die Verbreitung seiner Lehre von großer Bedeutung (zum Ganzen Grossman 1996, 347 – 352). Raschi erwähnt ihn namentlich in seinen Kommentaren zu Gen 35,16 und Ez 42,11. Unsicher ist, inwieweit er sogar mit ihm verwandt oder verschwägert war. Nach Grossman war er wohl so etwas wie Raschis ‚Assistent‘ (Grossman 1996): Er redigierte seine Kommentare, ergänzte sie mit eigenen Glossen (allein MS Leipzig B. H. fol. 1 enthält mehr als 250 von Schema‘jas Glossierungen; vgl. bereits Berliner 1903; Grossman 1991; Emanuel 2006, 317) und übte wohl auch in halachischen Fragen einen nicht unerheblichen Einfluss auf Raschi aus (Epstein 1897), jedenfalls haben sich auch religionsgesetzliche Responsen erhalten. Wie Raschi hat auch R. Schema‘ja Kommentierungen zu den pijjutim* hinterlassen. c.  R. Josef ben Schim‘on (Qara; ca. 1050 – 1125) Biographie

R. Josef ben Schim‘on Qara stammte wohl ursprünglich aus der Provence und kam über Worms nach Troyes (Lederer-Brüchner 2017, 46). Wie schon bei Raschi, ist auch über seinen Vater, Schim‘on bar Chelbo, nicht viel mehr bekannt, als dass er einen Bruder hatte. Dieser Bruder war wohl Menachem bar Chelbo, der in Qaras Kommentaren als ‚mein Onkel‘ firmiert. Qaras Lebensdaten sind allerdings umstritten (vgl. Gruber, 2004, 64, mit den Lebensdaten 1060 – 1130 gegen Grossman 1996, 255 – 60, mit 1050 / 55 – 1120 / 30). Neuere Forschungen lassen ihn durch Europa reisen, um sich in diversen Lehrhäusern umzusehen. Nach Grossman studierte er wohl auch in Worms unter R. Jitzchaq ben

2.3.  Neue Zugänge    61

R. El‘azar ha-Levi und R. Meïr bar Jitzchaq. Seinen Beinamen ‚Qara‘ (hebr. ‫‚ קרא‬lesen‘), den er wahrscheinlich schon durch Raschi und / oder seine Schule beigelegt bekam, trug er wohl aufgrund seiner Tätigkeit als Bibel-Lehrer und -Vorleser. Als solcher wirkte er jedenfalls an Raschis Lehrhaus in Troyes. Raschi und Qara haben offenbar eng zusammengearbeitet. Nach Grossman (Grossman 1996, 255) war Qara sein Schüler-Kollege (talmid chaver). Raschi beruft sich auch bei manchen Auslegungen auf ihn, manchmal explizit (z. B. Raschi zu Jes 10,24), manchmal mit Einleitungen zu seinen Auslegungen wie jesch poterim / n ‚Manche legen (so) aus …‘ (Raschi zu 1Kön 16,34; 2Kön 14,26 u. ö.) oder mit schama‘ti ‚Ich habe (folgende Auslegung) gehört …‘ (Raschi zu 1Kön 4,3; 7,50 u. ö.). Neuere Forschungen an den zumeist bislang nicht kritisch edierten Kommentaren lassen vermuten, dass sich Raschi und R. Josef ben Schim‘on Qara ihre Tätigkeit am Lehrhaus wohl dergestalt aufteilten, dass Raschi die eher rabbinisch gebildete Hörerschaft unterrichtete, während R. Josef Qara mit den einfachen Hörern, möglicherweise auch den in Troyes zu den Messezeiten anreisenden Kaufleuten und Händlern arbeitete. Ob Qara Troyes noch zu Lebzeiten Raschis wieder verließ, ist ungewiss. Er war aber wohl auch gut bekannt mit Raschis Enkel Raschbam (Grossman 1996, 260; zu Raschbam vgl. im Folgenden Kap. 3.2.a.). Welchen Umfang Qaras literarisches Œuvre tatsächlich hatte, ist aufgrund der Quellenlage nicht einfach auszumachen. Qara schrieb nicht wenige Kommentare zu den pijjutim* (Hollender 2008, 36 – 40). Jedenfalls beruft sich R. Schema‘ja immer wieder auf ihn (Grossman 1996, 257). Zu den meisten biblischen Büchern sind (Glossen-)Kommentierungen von ihm erhalten. Eine erste Sichtung italienischer Einbandfragmente ergab, dass er wohl auch einen Pentateuch-Kommentar verfasst hat (Grossman 2000, 348). Erhalten haben sich auch Kommentare zu den Vorderen und Hinteren Propheten sowie zu den Schriften (vgl. zuletzt Lederer-Brüchner 2017, 58 – 60). Die Kommentare von Raschi und R. Josef Bekhor Schor schreiben ihm ebenfalls (glossenartige) Erklärungen (pitronim; pitronot) zu den Propheten und den Schriften zu.

Im Lehrhaus von Raschi

Qaras Bibelkom­ mentare

2.3. Neue Zugänge a. Bibelerklärungen ad litteram R. Josef Qara hat sich als erster ganz explizit gegen die Auslegung Der Midrasch als auf der Basis des Midrasch* und für eine innerbiblische Textausle- Strohhalm gung als Grundlage jeder Auslegung ausgesprochen. Der Midrasch

62    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur war für ihn der Strohhalm, an dem sich der Ertrinkende festhält. So schreibt er im Kommentar zu 1Sam 1,17: Aber jeder, der den einfachen Wortsinn eines Verses [peschuto schel miqra] nicht erkennt und sich (gleich) der Midrasch-(Erklärung) einer Phrase zuwendet, gleicht demjenigen, der von einem reißenden Strom fortgespült wird, und [den die] Tiefen des Wassers überfluten, und der sich dann an alles klammert, was ihm in die Hand kommt, um (sich) zu retten …

Insbesondere in seinen Auslegungen zu den prophetischen Büchern finden wir daher kurze, glossenartige Erklärungen, die zunächst einmal dazu gedacht waren, den Bibeltext überhaupt verstehen zu können: R. Josef Qara zu Joel 1,10

Verwüstet wurde das Feld, es trauert der Ackerboden (Joel 1,10a): Dies ist eine von den (stilistischen) Doppelungen, die in ihrem (Vers-)anfang unverständlich sind, aber durch ihre (andere Vers-)hälfte erklärt werden. Wenn (Joel) sagt „Verwüstet wurde das Feld“, so weiß ich nicht, wodurch es verwüstet wurde. Wenn er sagt: „Es trauert der Ackerboden“, weiß ich nicht, weswegen er trauert. Doch die Erklärung (dieser Vershälften findet sich) in ihrer (jeweils komplementären anderen Vers-)hälfte: Das, was ich (vorne) gesagt habe, (nämlich) „Verwüstet wurde das Feld“, (wird hinten mit der Phrase) denn das Korn wurde verwüstet (1,10bα) (erklärt), und (für) das, was ich (vorne) gesagt habe, (nämlich) „Es trauert der Ackerboden“ (findet sich hinten die) Erklärung „Weil der Most vertrocknet ist“ (1,10bβ) (…).

Qara hat die Erklärung von Unklarheiten oder Ungereimtheiten im Bibeltext an eine innerbiblische Auslegung gebunden: Bibeltext wird nur mit Bibeltext erklärt, vor allem in den (Vorderen und Hinteren) Propheten. Dabei macht er seine Hörer auf den parallelismus membrorum* aufmerksam, den diese erkennen sollen, um von dort aus das Verständnis des Verses zu erschließen. Hier geht es also noch gar nicht um die Raffinessen von Auslegungen, sondern zunächst einmal darum, den hebräischen Text durchzuarbeiten und Verständnisschwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Dass dies für die französischsprechenden Juden in Troyes nicht immer leicht war, zeigt der Vergleich zwischen der Erklärung von Qaras letztem Lemma* aus Nah 2,4 (‚werden geschwungen‘) und Raschis Erläuterung zu demselben Wort. Raschi kommentiert mit einer anderen Nuance, die offenbar mehr Hebräisch-, aber vor allem mehr biblisch-rabbinische Sprach- und Quellenkenntnisse voraussetzt: R. Josef Qara zu Nah 2,4

Und die Zypressen werden geschwungen [hor‘alu]: Das sind Lanzen aus Zypressenholz: Das Eisen (der Lanzen) war mit (Schutz-)kleidungen (aus Zypressenholz) umhüllt, bis sie in den Kampf zogen.

Raschi zu Nah 2,4

Hor‘alu (Nah 2,4) (bedeutet) ‚sie sind eingewickelt‘. Ähnlich (finden wir es in) ‚die Gehänge, die Ketten und die Schals‘ [ha-re‘alot] (Jes 3,19). Und in der Sprache der Mischna haben wir (den Ausdruck) ‚eingehüllte (arabische Jüdinnen)‘ (vgl. mShab VI,6).

2.3.  Neue Zugänge    63

Während Qara eine militärtechnische Erklärung bietet, um den Ausdruck zu erklären (Schutzumhüllung aus Zypressenholz), wählt Raschi eine lexikographische Zugangsweise, die er intertextuell erweitert, indem er innerbiblische und rabbinische Aussagen zitiert. Diese stichwortartigen Notizen kann man sich nicht nur gut als marginale Glosse vorstellen; sie verweisen auch darauf, dass in Raschis Unterricht vielfach nur noch auf rabbinische Überlieferung hingewiesen wurde, um sie dem Hörer wieder ins Gedächtnis zu rufen. b.  Bündelung von Wissen – der Umgang mit dem Midrasch Berühmt ist Raschis Auslegung zu Gen 3,8, bei der man bisher das Kollektion und Hauptaugenmerk vor allem auf seinen Anspruch der Auslegung Kompilation nach dem ‚einfachen Wortsinn‘ (Peschat*), d. h. auf syntaktische und lexikographische Erklärungen, Beseitigung inhaltlicher Schwierigkeiten, französische Glossierungen u. ä. gelegt hat (Kamin 1986; Gelles 1981). Aber Raschis Ausführungen sind hier wahrscheinlich viel formaler zu verstehen. Es geht ihm weniger um eine neue Methode der Bibelauslegung, sondern um eine bestimmte Einstellung zu den traditionellen Quellen (Midrasch*) und um die damit verbundene literarische Neuformierung dieses ‚klassischen‘ jüdischen Bildungsgutes: (Zu dieser Textstelle) gibt es viele Midraschim und unsere Lehrer haben Raschi zu Gen 3,8 sie bereits an entsprechender Stelle in Bereschit Rabba oder den anderen Midrasch(-Sammlungen) einsortiert. Ich aber komme (jetzt nur), den einfachen Sinn des Verses [peschuto schel miqra] (darzulegen) und jene Aggada (zu bieten), die das biblische Wort (befriedigend) erklärt – jedes Wort dort, wo es hingehört.

Raschi sah seine Aufgabe in einer Erweiterung des Lehrprogramms, die wie folgt gefasst werden kann: Die von ihm getroffene Auswahl an aggadischem oder halachischem Midrasch-Material wird so präsentiert, dass der Bibeltext nicht weiter von der mündlichen Tradition überwuchert wird und durch die gekürzte Zusammenstellung auch wieder deutlicher zu erkennen ist. Auch bei Raschi geht es also um die Frage nach der Auslegung auf der Basis rabbinischer auctoritas und ihrer Relation zur eigenen ratio. Raschis Peschat-Auslegung* (er benutzt den Begriff übrigens fast nie in isolierter Form; vgl. aber Raschi zu Hld 7,5) umfasst daher zu mindestens drei Vierteln eine Derasch-Auslegung*. Diese Auswahl trifft der Ausleger, der sich aber noch hinter den breiten rabbinischen Schultern versteckt. Terminologisch zeigt sich die Zurückhaltung Raschis, etwas ‚Neues‘ zu bieten, das nicht auf traditionelle Auslegungen zurückgeht, in dem Ausdruck we-omer ani ‚Ich meine

64    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur (aber) …‘ (vgl. Raschi zu Ps 114,2 u. ö.). Raschis Auslegung sucht also einen alten und für die Bedürfnisse der Zeit nicht mehr ganz adäquaten jüdischen Auslegungskontext durch einen neuen zu ersetzen. In der Kollektion und Neuzusammenstellung (compilatio) liegt das innovative Moment Raschis, das ihn damit zum Kompilator (im lateinischen Sinne) werden ließ. Raschi war in der Tat der einzige, der den hier dargelegten Anspruch des Auswählens und Kompilierens meisterhaft und in dieser Form auch so konsequent eingelöst hat, sei es, dass er sich auf bestehende Midraschim beruft, diese verkürzt oder komprimiert präsentiert, sei es, dass er selbst quasi einen Midrasch bietet, in dem bestimmte und für den Midrasch typische Fragen aufgeworfen und in diesem Sinne gelöst werden. Als Beispiel sei Gen 4,8 angeführt: Da sagte Kain zu seinem Bruder Abel – und es war, als sie auf dem Feld waren, da erhob sich Kain gegen Abel, seinen Bruder (…). Raschis Kommentar erwächst aus dem Problem, dass wir nicht erfahren, was gesprochen wurde: Raschi zu Gen 4,8

Da sagte Kain zu Abel: Er begann mit ihm Worte des Streits und Zanks, um einen Vorwand gegen ihn zu haben, um ihn (dann) töten zu (können). Es gibt hierzu aggadische Midraschim, aber dies ist die inhaltliche Auflösung [d. h. die wörtliche Bedeutung] des Verses (jischuvo schel miqra).

Gen 4,8a ist ein syntaktisch problematischer und wahrscheinlich nicht ganz vollständiger Halbsatz, denn was gesprochen wurde, wird hier nicht mitgeteilt. Schon die Septuaginta* und in ihrer Folge die Vulgata* ergänzen an dieser Stelle die Aufforderung Kains an Abel, aufs Feld zu gehen. Der Midrasch ad loc. bietet eine bunte Palette von Möglichkeiten an, worum es gegangen sein könnte: die beiden Brüder wollten die Güter der Welt (bewegliche und unbewegliche) unter sich aufteilen und endeten im Streit; sie stritten um den Platz, auf dem der spätere Tempel erbaut werden würde; sie rangen um die Zwillingsschwester Abels … – eine ganze Reihe mehr oder weniger einleuchtender, die Geschichte aber nur unnötig aufblähender Details, die sich ohnehin niemand merken kann. Der Kommentar Raschis fasst all diese Derasch-Überlegungen* formal zusammen und kreiert damit eine eigene Lösung für das Problem, warum der Bibeltext an dieser Stelle keine weiteren Ausführungen macht. Die Lücke in der Aussage wird inhaltlich zusammenfassend und übergreifend ausgefüllt, um den Sachverhalt des Satzes sowie seinen besonderen Ausdruck zu erklären.

2.3.  Neue Zugänge    65

c.  Erste Anfänge literarischer Narrativität Eng verwandt mit der formalen Beobachtung der Konzentration von Midrasch*-Zitaten auf das Notwendigste ist die Tatsache, dass die ersten Peschat*-Exegeten (Raschi; R. Josef ben Schim‘on Qara) den biblischen Textfluss ernst nahmen und ihn nicht durch einzelne Detail-Kommentierungen unnötig auseinander zu reißen suchten. Qara formuliert dies im bereits erwähnten Kommentar zu 1Sam 1,17 f., wo er betont, dass er an dieser Stelle hier keinen Midrasch bieten wolle, denn der Bibeltext sei hinreichend und benötige keine zusätzlichen Informationen aus dem Midrasch: Wisse aber: als die(se) Prophezeiung aufgeschrieben wurde, wurde sie ganz R. Josef Qara zu aufgeschrieben mitsamt allen Erklärungen (…) Man muss (daher) auch 1Sam 1,17 keinen (Auslegungs-)Beweis von anderen Orten [d. h. aus anderen Quellen] heranziehen, (schon gar nicht) einen Midrasch (…).

Ziel der Auslegung ist es, den Text so konzise darzubieten, dass der Leser sich nicht in den vielen, nicht unmittelbar zum narrativen Ablauf gehörenden Details verliere. Indes ließ sich ein solches Vorgehen nicht überall durchhalten, und so finden wir, dass Raschi und Qara durchaus doch rabbinische Überlieferungen einbringen. Dies wird jedoch formal so gestaltet, dass der durchgehende Textfluss der Bibel zwar ergänzt, nicht aber durch isolierte Einzelinformationen auseinandergerissen wird. Ein solches Vorgehen wurde v. a. dort nötig, wo der Bibeltext inhaltliche Leerstellen oder sprachliche Redundanz aufweist, die geglättet oder erklärt werden müssen und dabei durchaus selbst in eigenständigen Narrativen bzw. fiktionalen Dialogen enden können. So bietet beispielsweise Gen 29,18 eine Reihe von attributiven Näherbestimmungen der Rachel, die auf den ersten Blick redundant wirken: Da sagte er [Jakob]: Ich will dir [Laban] sieben Jahre dienen um Rachel, deine Tochter, die jüngere. Raschi kommentiert wie folgt: Warum all diese Näherbestimmungen [simanim] (hinsichtlich der Rachel)? Raschi zu Weil er [Jakob] von ihm wusste, dass er [Laban] ein Betrüger war, sagte Gen 29,18 er zu ihm: „Ich will dir für Rachel dienen – vielleicht wirst du aber sagen: (Die Vereinbarung gilt für) eine andere Rachel, (eine) von der Straße“. Darum sagt der Vers: ‚deine Tochter‘: (Jakob sagte) „Vielleicht wirst du aber sagen: ‚Ich werde den Namen von Lea umtauschen und sie Rachel nennen‘ “. Darum sagt der Vers: ‚die jüngere‘. – Aber trotz all (dieser Vorsichtsmaßnahmen) half es ihm nicht, denn er betrog ihn doch.

Raschis Auslegung unterscheidet sich inhaltlich nicht vom Midrasch (vgl. BerR 70,17), der schon darauf insistiert, dass der biblische Ausdruck keineswegs „die Leidenschaft des Freiers für die Angebetete und keine andere“ (Jacob 2000, ad loc.) mitteilt, son-

66    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur dern eine verkürzte Nacherzählung der Vorsichtsmaßnahmen des misstrauischen Jakob gegenüber Laban darstellt. Formal hat Raschi aber an einigen Stellen gekürzt und den Text so zusammengestellt, dass der Bibeltext in fließender Chronologie auch durch die Erklärung hindurch lesbar bleibt. Jedoch ist ein Verständnis, wie wir es heute bei der literaturtheoretisch orientierten Bibelexegese finden, wonach diese Aufzählung ein stilistisches Mittel zur inhaltlichen Steigerung darstellt, bei Raschi (noch) nicht auszumachen. Dazu fehlte ihm das methodische Instrumentarium. Erst die Generation seines Enkels Raschbam sollte ein Gefühl für einen profanen literaturwissenschaftlichen Ansatz entwickeln. Inhaltliche Enthül­ Insbesondere die poetischen Abschnitte in den klassischen Prolung prophetischer phetenbüchern mit ihren Mahn- und Anklageworten erweisen sich Anklagen häufig als schwer verständlich, weil sie (ihrer Gattung als Unheilsworte entsprechend) oftmals bei vagen Aussagen verbleiben, die auch die moderne Exegese mit inhaltlichen Konkretisierungen füllen muss. In Hos 5,1 findet sich eine prophetische Anklage, die die verschiedenen Personengruppen – politische und kultische Funktionsträger sowie das Volk – angreift, aber keine konkreten Vorwürfe formuliert: Hört dies, (ihr) Priester! Und merkt auf, (ihr vom) Haus Israel! Und Haus des Königs, nimm es dir zu Ohren! Denn über euch ergeht das Urteil, denn eine Falle seid ihr für Mitzpa geworden und ein ausgespanntes Netz auf dem Tabor. Der Kommentar von R. Josef ben Schim‘on Qara (zu Hos 5,1) sucht diese Leerstellen zu füllen, wobei er seinen Kommentartext mit dem Bibeltext kunstvoll verwebt: R. Josef Qara zu Hos 5,1

Hört dies, (ihr) Priester! Der Heilige, gepriesen sei er, sagte zu den Priestern: „Warum bringt ihr vor mir nicht tamid-Opfer und (andere) Opfer dar?“ Und sie antworteten ihm: „Israel gibt (sie) uns nicht“. Und merkt auf, (ihr vom) Haus Israel! Zu Israel wiederum sagt er: „Warum bringt ihr nicht eure Opfer herbei, um sie auf dem Altar darzubringen?“ Und sie antworteten ihm: „Das Haus des Königs nimmt es uns weg“. Das bedeutet: Die Könige Israels stellen ihre Wachen (auf) den Wegen auf, damit Israel nicht zum Pilgerfest hinaufziehen kann, um ein Opfer darzubringen. Und Haus des Königs, nimm es dir zu Ohren! „Warum habt ihr Wachen aufgestellt, damit man nicht nach Jerusalem hinaufziehen kann, um ein Opfer darzubringen?“ Denn über euch ergeht das Urteil: Weil ihr [Könige Israels] das Recht der Priester (in Anspruch) nehmt und [von den für die Priester bestimmten Abgaben] esst. Denn eine Falle seid ihr für Mitzpa geworden und ein ausgespanntes Netz auf dem Tabor: Denn man kann nicht nach Jerusalem hinaufziehen, wenn man nicht über Mitzpa oder über den Berg Tabor geht. Dort aber stellten sie ihre Wachen auf, dass diese zum Klappnetz, zum Hinterhalt oder zum ausgespannten Netz werden, um diejenigen, die auf (diesen) Wegen vorbeikommen, abzufangen.

Qaras Kommentar basiert auf jSan 2,6 [20d], wo Hos 5,1 in völlig anderem Zusammenhang (Zusammenstellung verschiedener Dicta

2.3.  Neue Zugänge    67

zum Recht des Königs) und vom übrigen Kontext ausgesprochen dissoziiert zitiert wird. Auch werden hier anstelle der bei Qara genannten tamid-Opfer (regelmäßige Hochopfer) die vierundzwanzig Abgaben für die Priester erwähnt. Qara hat hier nur noch das Motiv aus dem talmudischen* Text genommen (d. h. das Ausbleiben der Abgaben aufgrund der Beschlagnahmung durch den König), kann aber damit sein exegetisches Hauptziel gut verfolgen. Dies besteht darin, den Text so zu erklären, dass die biblische Textchronologie und gleichzeitig auch die innere Logik des Bibelverses transparent wird. Als übergeordneter Anspruch steht mithin die Explikation des biblischen Ausdrucks, der sich jede rabbinische Überlieferung thematisch unterzuordnen hat. Hier geht es also nicht mehr darum, den Midrasch mit dem Bibeltext zu relationieren, wie dies noch bei Raschi der Fall gewesen war. Im Vordergrund steht jetzt der Bibeltext als eigenständige literarische Entität, die auch einer entsprechenden Würdigung bedarf. d.  Grammatik, Lexikographie und der Umgang mit der Masora Die erste Generation der Peschat-Exegeten* verfügte noch nicht Die grammatische über eine solide grammatische und lexikographische Bildung, wie Terminologie sie beispielsweise die judäo-arabischen Gelehrten Spaniens besaßen. Raschis Sie schöpften zum einen noch aus rabbinischen Quellen, zum anderen aber aus den Arbeiten der spanischen Hebraisten wie Menachem ibn Saruq und Dunasch ibn Labrat (van Bekkum 1993), deren Werke sie auf Hebräisch lasen. Weil sie kein Arabisch konnten, blieben ihnen die Werke von Jehuda Chajjūğ und Abū al-Walîd Merwân ibn Ganâch verschlossen. Dies betraf vor allem deren Arbeiten zur hebräischen Wurzel*-Lehre und der grundsätzlichen Dreiradikalität der hebräischen Verben. Daher konnte Raschi noch im Gefolge Menachems einkonsonantige Verben ausmachen und sah die verba tertiae infirmae als zweiradikalig an (van Bekkum 1993). Dazu passt auch, dass sich weder bei Raschi noch bei R. Josef ben Schim‘on Qara eine einheitliche grammatikalische Terminologie findet: Raschi kann beispielsweise die Begriffe jesod (‚Fundament‘/ ‚Grundlage‘), iqqar (‚Prinzip‘/‚Essenz‘/‚Hauptsache‘) und schoresch (‚Wurzel‘*) zur Klassifizierung der Wurzel eines Wortes verwenden. Gen 49,10: (…) Bis einst Schilo kommt, und ihm gehört die Versammlung Raschi zu der Völker [jiqqehat amim]: die Zusammenkunft der Völker, und das Jud Gen 49,10 von jiqqehat gehört essentiell (iqqar) zur Wurzel [jesod] (…) [es folgen weitere innerbiblische und rabbinische Belegstellen]. Ex 9,17: Noch immer erhebst du dich [misttolel] über mein Volk: (…) Raschi zu Ex 9,17 Ich habe bereits am Ende von Paraschat Miqqetz erklärt [Raschi zu Gen 44,16]: Jedes Wort, dessen erster Wurzel(-buchstabe) [jesod] ein Samekh

68    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur ist, gibt, wenn es in den Hitpa‘el gesetzt wird, ein formbildendes Taw [taw shel schimmusch] in die Mitte der Wurzelbuchstaben [otijjot schel iqqar]. Raschi zu Ex 15,23

Ex 15,23: Und sie kamen nach Mara [maratah] (…): wie ‚nach Mara‘ [le-Mara], und das He am Ende des Wortes kann anstelle eines am Anfang (befindlichen) Lameds stehen; (hier) steht das Taw anstelle des He, das zur Wurzel des Wortes Mara gehört. Durch die(se) Verbindung – denn es ist mit dem He, das er (am Ende) anstelle des Lamed hinzugefügt hat, verbunden – verwandelt sich das He der Wurzel (schoresch) in ein Taw (…).

Masoretische Kommentierungen

Noch ist nicht eindeutig geklärt, in welcher Form den nordfranzösischen Auslegern des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts die masoretischen Notationen vorlagen. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass Raschi sowohl eigenständige masoretische Listen wie auch voll masorierte Bibelausgaben vor sich hatte, aber dies muss erst noch im einzelnen überprüft werden. Die Integration masoretischer Kommentare wie ketiv*/qere* oder die Einbindung der Akzentsetzung in die Exegese zeigt aber, dass Raschi und seine Schule sich darüber im Klaren waren, dass hier eine neue Form der hebraica veritas konstituiert werden konnte, die sich in Teilen unabhängig vom rabbinischen Schrifttum, aber gleichermaßen unabhängig von der lateinischen Bibelrezeption behaupten können sollte. Die modernen Bibelübersetzungen präsentieren in Hos 8,4 folgenden Ausspruch: Sie setzten Könige ein, doch es ging nicht von mir aus. Sie setzten Oberste ein, ohne dass ich es wusste. Bei Raschi und R. Josef Qara ist die prophetische Kritik eine andere. Beide berufen sich auf die Masora, aber die exegetischen Zielführungen sind jeweils andere:

Raschi zu Hos 8,4

‫ השירו‬Sie setzten Könige ein. Eine andere Interpretation: ‫ השירו‬ist wie ‫הסירו‬, (d. h.) sie setzten eine Regierung ab und ernannten eine andere. Dies ist im Buch der masoretischen Traditionen [Sefer ha-Masorot] nachgewiesen, das als Masora (eine Liste von Wörtern) zusammengestellt hat, die mit (dem Buchstaben) Sin geschrieben sind, die man (mit dem Buchstaben) Samekh liest. Und die richtige Erklärung [u-fitrono] ist, [dass man es als mit] Samekh [geschrieben lesen sollte].

R. Josef Qara zu Hos 8,4

‫ השירו‬Sie setzten Könige ein: Ich habe in meiner Tora geschrieben: Dann sollst du über dich einen König setzen, den der Ewige, dein Gott, erwählen wird (Dtn 17,15), aber sie setzten eigenmächtig Könige zu Königen (des Nordreiches) Israel ein, die sie (dann) auch (eigenmächtig wieder) vor mir vertrieben haben, ohne dass es durch mich (geschah), dass sie als Könige eingesetzt wurden. ‫ השירו‬Sie setzten (sie) ab, ohne dass ich es wusste. ‫השירו‬ ist eines von den Wörtern, die mit (dem Buchstaben) Sin geschrieben sind; man liest es (aber) als ein Wort (mit dem Buchstaben) Samekh. Deshalb kann ich es nicht als (Verb im Bedeutungskontext) des (nominalen) Ausdruckes Fürst (‫ שר‬sar) erklären. Die Erklärung ist vielmehr: Sie setzten den einen König ab und stellten einen anderen König an seiner Statt auf: wie (bei) Nadab, dem Sohn von Jerobeam, Ela, dem Sohn von Bascha, und Simri, und (schlussendlich) setzten sie Omri an seiner Statt als König ein (…).

2.3.  Neue Zugänge    69

Raschis Belegstelle findet sich im sog. Sefer Okhla we-Okhla (ed. Frensdorff 1864; § 191, 120). Aber Raschis Kommentar verbleibt auf der philologischen Argumentationsebene. Qaras Erklärung ist hier nicht unabhängig vom Kommentar des Raschi entstanden, aber er sucht die masoretische Argumentation durch innerbiblische Kontextbezüge zu verifizieren. In diesem Fall befragt er die Geschichtsbücher, und er bekommt Recht: Jerobeam wird von Bascha ermordet (1Kön 15,25 – 32), Ela wird während eines Trinkgelages von Simri ermordet, der sich selbst umbringt (1Kön 16,8 – 14), als Omri eingesetzt wird (1Kön 16,21 – 28). Die biblische Historiographie bestätigt die masoretische Lesekorrektur. Die handschriftliche Überlieferung der mittelalterlichen Ausleger Mittelalterliche lässt keinen unmittelbaren Rückschluss darauf zu, welche Textaus- Textausgaben gaben ihnen vorgelegen haben. So kann, wie dies aus dem folgenden Beispiel ersichtlich wird, die Diskussion um eine Vokalisierung bedeuten, dass ein Ausleger nur ein mit Lesehilfen versehenes und damit lediglich teil-punktiertes Manuskript vor sich hatte, das seine Vokalisierung erst im Anschluss an die exegetische Beschäftigung erhält. Andererseits kann es sich jedoch auch umgekehrt so verhalten haben, dass der Ausleger einen vokalisierten Text vor sich hatte, dessen Vokalisierung jedoch zur Diskussion stand, sodass er die Erklärung einer bestimmten Punktation für nötig erachtete. Dies ist wohl in R. Josef ben Schim‘on Qaras Kommentar zu Hos 10,8 der Fall: Du hast dich versündigt, Israel (‫)חטאת ישראל‬, das heißt: Hierdurch [d. h. R. Josef Qara zu durch den Stier] verführst du Israel in den Höhenheiligtümern von Bethel Hos 10,8 zur Sünde. ‫חטאת‬: (Der Buchstabe) Tet ist mit einem rafe versehen [undageschiert], und er ist mit einem qamats (vokalisiert). Die Vokalisation lehrt uns (also) diese Erklärung: Wenn (der Buchstabe) Tet dageschiert wäre, dann wäre es ein Substantiv wie Chet’ [Sünde], aber (der Begriff hier) ist wie: Und siehe, deine Knechte werden geschlagen, und dein Volk versündigt sich (Ex 5,16) (…).

Qara liest die Form ‫ חטאת‬nicht als Nominalform im Status construc­ tus (‚Sünde Israels‘), sondern als Verbalform von *‫ חטא‬in der hier vorgeschlagenen Auslegungsmöglichkeit als Qal Perf. 2. Pers. sg. mask. (chata’ta). Diese Lesart der Vokalisation entspricht auch der Vokalisation der *‫ חטא‬als Verbalform im Qal perf. in Hos 10,9 (Qal Perf. 2. Pers. sg. mask.) bzw. derjenigen in dem von Qara angeführten Vergleichsvers Ex 5,16. Die wichtigsten orientalischen Textzeugen (Codex Leningradensis; Codex Aleppo; BHS / BHQ ad loc.) kennen diese Lesart nicht, sondern bieten das Wort als Nominalform mit dageschiertem* Buchstaben Tet und patach als Vokalzeichen. Hieran zeigt sich, dass die Exegeten in Nordfrankreich eine von dem heute in der kritischen Wissenschaft gebräuchlichen Bibeltext (BHS / BHQ) abweichende Rezension vor sich hatten, und dies nicht nur hinsicht-

70    2. Kapitel:  Die Entstehung einer europäisch-jüdischen Bibel- und Bildungskultur lich der Masora, sondern auch hinsichtlich des Konsonantenbestandes und der Vokalisation (Liss / Petzold 2017; Liss 2014c). e.  Die Anfänge der Historiographie Insbesondere anhand der Auslegungen der Vorderen und Hinteren Propheten lassen sich zwischen Raschi und Qara erste wichtige Weichenstellungen beobachten, denn die Ausleger stehen vielfach vor dem Problem, verschiedene Chronologien und Ereignisse, die sowohl in den Vorderen Propheten (den eigentlichen Geschichtsbüchern) als auch in den Prophetenbüchern (Jes, Jer, Ez, Hos–Mal [Zwölfprophetenbuch]) berichtet werden, miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Auch hier zeigt sich wieder, dass es Raschi vielmehr darum geht, aggadische Historiographie mit biblischer Geschichtsschreibung in Einklang zu bringen. Seine chronologischen Berechnungen stützen sich zumeist auf den sog. Seder Olam ([Rabba], einen erzählenden Midrasch* zur biblischen Chronologie, wahrscheinlich aus spätamoräischer* Zeit; vgl. Raschi zu Gen 6,3; 10,25 f.; Lev 9,1 u. ö.). Demgegenüber stützt sich R. Josef Qara vornehmlich auf die innerbiblische Quellenauswertung (Qara zu Jos 10,13; Ri 11,26; 1Sam 1,22; 2,27 u. ö.). In seiner Auslegung zu Hos 5,3 rekonstruiert Qara die kult-politische Situation zur Zeit des Nordreichkönigs Hosea ben Ela (732 – 724; vgl. 2Kön 17) ebenfalls unter Bezugnahme auf den Seder Olam: R. Josef Qara zu Hos 5,3

Fürwahr, nun hast du Hurerei getrieben, Ephraim: Fürwahr, nun wird es (vor) der ganzen Welt offenbar, dass ihr jetzt (wieder) hinaufziehen könntet, ihr aber (weiter) hinter den Kälbern herhurt. Und wisse, dass es (tatsächlich) so war, denn über (König) Hosea, den Sohn Elas, sagt (ein Vers): Und er tat, was in den Augen des Ewigen schlecht war, aber nicht wie die Könige Israels, die vor ihm waren. Gegen ihn zog Salmanasser, der König von Assur, hinauf (2Kön 17,2). Und wir lernten im Seder Olam (SOR 22): Warum musste Israel in den Tagen des (Königs) Hosea, des Sohnes Elas, in die Verbannung gehen? Weil sie bis dahin ihre Verdorbenheit auf die Könige Israels geschoben haben, wonach sie wegen deren Wachen nicht nach Jerusalem hinaufziehen konnten. (Dann) kam (König) Hosea, der Sohn Elas, hob die (Wachen) auf und sagte: „Jeder, der nach Jerusalem hinaufziehen will, möge hinaufziehen“. Aber dennoch zogen sie nicht hinauf.

Hosea ben Ela hatte die Pilgerfahrt nach Jerusalem grundsätzlich ermöglicht, aber die Bewohner des Nordreiches blieben dennoch aus (weil sie weiterhin zu den Heiligtümern in Dan und Bet-El zogen). Hier wird die rabbinische Überlieferung herangezogen, um den geschichtlichen Ablauf bzw. das, was man dafür hielt, im Sinne des littera gesta docet nachzuvollziehen und gleichzeitig das Nordreich, an dem es ohnehin nichts mehr zu entschuldigen gab, gegenüber dem Südreich einmal mehr theologisch zu belasten. Auffällig

2.4. Zusammenfassung    71

an den historiographischen Darlegungen der nordfranzösischen Exegeten ist vor allem ihr Bemühen, die ‚verlorenen zehn Stämme‘ in möglichst negativem Licht zu zeichnen, gegen deren dunkle Folie sich das Südreich Juda und die ihm gegebenen Verheißungen besonders positiv abheben. Die moderne Exegese kennzeichnet diese Heilsworte zumeist als spätere judäische Zusätze. Diese exegetische Entlastung Judas kann vielleicht als Versuch gedeutet werden, Juda als Vorläufer des rabbinischen und zeitgenössischen Judentums zu präsentieren, das darin auch möglichen christlichen Anschuldigungen etwas entgegenzusetzen hatte.

2.4. Zusammenfassung Mit dem Eintritt des Judentums in den christlichen Einflussbereich Westeuropas drückt die westeuropäische Bildungskultur seit den Karolingern, vor allem die christlich-lateinische Exegese der jüdischen Beschäftigung mit den Quellen, Talmud* und Bibel, ihren bleibenden Stempel auf. Die jüdischen Gelehrtenzentren in der Provence, in Frankreich (Troyes; Rouen) und in Deutschland (Speyer, Mainz und Worms: ‚SchUM‘) sind durch den von der christlichen Kirche formulierten Anspruch der veritas hebraica im positiven wie im negativen Sinn herausgefordert. Die lateinischen Glossatoren, die – analog zu ihren jüdischen Glaubensgenossen – vor allem mit der Organisation des traditionellen Erbes zu kämpfen hatten und sich auch immer wieder davon zu emanzipieren suchten, boten mit ihren Glossensammlungen eine Form an, die auch für die Juden passend war: Raschis Auswahl und Zusammenstellung traditioneller Midrasch-Auslegungen zeigen einen ähnlichen Anspruch. Die intensive Rezeption der antiken septem artes liberales (Trivium und Quadrivium) in den christlichen Kathedralschulen ist auch an den Juden nicht spurlos vorbeigegangen und zeigt in der Beschäftigung mit Grammatik und Rhetorik ihre Wirkung auf die Bibelauslegung. Die Lektüre der Bibel, die bis dahin unter den westeuropäischen Juden dem Studium des (v. a. babylonischen) Talmud eher nachgeordnet und allenfalls als Prolegomenon zum eigentlichen jüdischen Curriculum wahrgenommen wurde, erfährt eine neue Bedeutung und Gewichtung. Gleichzeitig antworteten die jüdischen Gelehrten auf den von der Kirche mit dem vierfachen Schriftsinn (litteralis, allegoricus, moralis und anagogicus) formulierten Anspruch der wahren Schriftlektüre mit intensiven Auseinandersetzungen um das Verständnis von Peschat* und Derasch* nach innen sowie philologisch motivierten Spitzen nach außen. Die frühen Kommentare der nordfranzösischen Exegese zeigen darüber hinaus auch erste Ansätze zu einer historiographischen Exegese.

2.4. Zusammenfassung    73

3. Kapitel: Die Bibel als Literatur

Banitt, Menahem, Rashi: Interpreter of the Biblical Letter. Tel Aviv 1985. Berndt, Rainer u. a. (Hgg.), ‚Scientia‘ und ‚disciplina‘: Wissenstheorie und Wissenschaftspraxis im Wandel vom 12. zum 13. Jahrhundert (Erudiri Sapientia, Bd. 3). Berlin 2002. Fudeman, Kirsten Anne, „The Old French Glosses in Joseph Kara’s Isaiah Commentary.“ Revue des études juives 165,1 – 2 (2006) S.  147 – 177. – Vernacular Voices: Language and Identity in Medieval French Jewish Communities (Jewish Culture and Contexts). Philadelphia, PA 2010. Harris, Robert A., The Literary Hermeneutic of Rabbi Eliezer of Beaugency. Ann Arbor, MI 1997. – , Discerning Parallelism. A Study in Northern French Medieval Jewish Biblical Exegesis (Brown Judaic Studies, Bd. 341). Providence, RI 2004. Jacobs, Jonathan, „Rabbi Joseph Kara as an Exegete of Biblical Narrative: Discovering the Phenomenon of Exposition.“ Jewish Studies Quarterly 19 (2012), S.  73 – 89. Kiwitt, Marc, „Les glossaires hébreu-français du XIIIe siècle et la culture juive en France du nord“. In: Michaela Heinz / Alain Rey (Hgg.), Cultures et lexicographies. Actes des Troisièmes Journées allemandes des dictionnaires en l’honneur d’Alain Rey (Metalexicographie, Bd. 2). Berlin 2010, S.  113 – 125. Liss, Hanna, „Peshat-Auslegung und Erzähltheorie am Beispiel Raschbams“. In: Hanna Liss / Daniel Krochmalnik (Hgg.), Raschi und sein Erbe. Internationale Tagung der Hochschule für Jüdische Studien mit der Stadt Worms (Schriften der Hochschule für Jüdische Studien, Bd. 10). Heidelberg 2007a, S.  101 – 124. – , „The Commentary on the Song of Songs Attributed to R. Samuel ben Meïr (Rashbam).“ Medieval Jewish Studies online 1 (2007b), S. 1 – 27. – , „Kommentieren als Erzählen: Narrativität und Literarizität im Tora-Kommentar des Rashbam.“ Frankfurter Judaistische Beiträge 34 / 35 (2009b), S.  91 – 122. – , Creating Fictional Worlds: Peshaṭ-Exegesis and Narrativity in Rashbam’s Commentary on the Torah (Studies in Jewish History and Culture, Bd. 25). Leiden / Boston 2011a. Lockshin, Martin I., Rashbam as a ‚Literary‘ Exegete. In: Jane Dammen McAuliffe / Barry  D. Walfish / Joseph  W. Goering (Hgg.), With Reverence for the Word: Medieval Scriptural Exegesis in Judaism, Christianity, and Islam. New York / London 2003, S. 83 – 91. Sæbø, Magne (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000. Touitou, Elazar, Exegesis in Perpetual Motion. Studies in the Pentateuchal Commentary of Rabbi Samuel Ben Meir (hebr.). Ramat Gan 2003.

74    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur

3.1. Voraussetzungen und Hintergründe Im Nordfrankreich des 12. Jahrhunderts finden wir in der ersten und zweiten Generation nach Raschi ganz unterschiedliche religiöse, theologische und philologische Zugriffe auf die biblisch-rabbinischen Literaturen. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Juden der Champagne und der Normandie zunehmend intensiver in die französische Sprache und ihre Literaturen eintauchten. a.  Übersetzungen als Wegbereiter des Peschat Die Le‘azim

Wie wir schon bei R. Sa‘adja und später den Juden Spaniens in der arabischsprachigen Umwelt gesehen haben, hängen auch für die Juden Nordfrankreichs, die das Altfranzösische (langues d’oïl) bestens beherrschten, Übersetzung und Bibelauslegung engstens miteinander zusammen. Und bei aller Treue zur traditionellen Auslegungsliteratur beginnt eben gerade an dieser Stelle das eigenständige, von der Tradition unabhängige Denken. Die Überlegung, welches Wort passt, was gemeint sein könnte, und wie ein Text beim Hörer verstanden wird (und verstanden werden soll), kann dem Ausleger kein traditioneller, auf Hebräisch verfasster Kommentar abnehmen. Daher kommt es unter den Juden in Nordfrankreich zu einer ganz ähnlichen Entwicklung wie bei jenen aus den Mittelmeerländern. Auch bei den nordfranzösischen Juden finden wir so etwas wie einen ‚Tafsīr‘*. Allerdings sind dies nicht einfach fortlaufende und in einen Erzählfluss eingebundene (kommentierende oder paraphrasierende) Übersetzungswerke; auch werden diese Übersetzungen keiner einzelnen Persönlichkeit zugeschrieben, sondern stellen Sammelwerke dar, die Tausende von Le‘azim bieten (sg. La‘az), d. h. eine deutsche, altfranzösische, manchmal sogar slawische (alt-tschechische) Erklärung in hebräischer Graphie. Der Begriff La‘az, der sich schon im Talmud* findet (bYom 70a; bSot 49b; jSot 7,2 [21c]), meinte ursprünglich eine fremde, nichthebräische Sprache, in die hinein der heilige Text erklärt und übersetzt wurde. In Westeuropa wurde La‘az zunächst mit Latein verbunden. Daher ist der biblische Ausdruck La‘az (Ps 114,1) in den mittelalterlichen jüdischen Übersetzungen zunächst mit latinar (Italien), ladinar (Provence), ladinar oder roman Lar (Spanien), und aromancer (Nordfrankreich) wiedergegeben worden. Erst mit Raschi und seinen Tausenden von Glossierungen wurde La‘az zum Inbegriff der erklärenden Glosse in Altfranzösisch (Champagnisch, aber auch [wie im Falle Raschbams] Anglo-Normannisch).

3.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    75

Verfasst wurden die Glossarien von den sog. ‚Bibel-Erklärern‘ (poterim), weshalb die Glossarien auch die Bezeichnung sifre pitronot* (‚Bücher der Erklärungen‘) erhielten. Raschi und R. Josef ben Schim‘on Qara beziehen sich immer wieder auf diese pitronot. Die sifre pitronot bieten textchronologisch, manchmal sogar mit Angabe der jeweiligen Parascha*, eine mehr oder weniger vollständige Vers-für-Vers-Übersetzung bzw. Wort-für-Wort-Er­ klärung des biblisch-hebräischen Lemmas* ins Altfranzösische. Manche Glossarien bieten einen Superkommentar zur besagten Glosse, manchmal bezieht sich dieser auf eine Kommentierung des Raschi. Die heute noch in mehr oder weniger großem Umfang erhaltenen Glossarien bieten die Glossen teils in alphabetischer Ordnung, teils vers-chronologisch angeordnet. Daneben gibt es eine Reihe handschriftlicher Fragmente, alle zumeist aus dem 13. oder beginnenden 14. Jahrhundert. Nur die wenigsten dieser Glossen-Sammlungen liegen heute ediert vor (die wichtigsten Editionen besorgten Banitt 1995 – 2001; 1972; Darmesteter 1937; 1929; 1909; Lambert / Brandin 1905; vgl. zum Ganzen das DEAF Grundlagenwörterbuch des Altfranzösischen, online: goo.gl/yi2Wvs [Zugriff 8 / 2018]). Der Ertrag für die Lexikologie kann dabei nicht hoch genug veranschlagt werden: Allein das Glossaire de Leipzig umfasst 22 117 Lemmata. Von Raschi sind mindestens ca. 3500 Glossen in den Talmudkommentierungen und ca. 1300 Glossen in den Bibelkommentaren überliefert, die nicht mit den Übersetzungen in den Glossarien identisch sein müssen. Neben den Bibelvers-chronologisch angeordneten Glossarien gab es auch schon alphabetisch angelegte Bibellexika, Hebräisch-Französisch, oder Synonymenlisten, die beispielsweise die biblischen Tiernamen behandeln (Kiwitt 2012; Fudeman 2010) oder sich mit Materia medica befassen. In jüngster Zeit hat vor allem Gerrit Bos eine Reihe von Arbeiten zur in hebräischer Graphie abgefassten judäo-französischen, aber auch ibero-romanisch-arabischen Traktat- und Glossar-Literatur vorgelegt (Bos 2011; Bos u. a. 2010). Raschi und seine Zeitgenossen haben nicht nur einfach Französisch gesprochen; sie haben es auch geschrieben. Die neuere Forschung geht davon aus, dass sich das gesprochene Altfranzösisch der Juden nicht von dem ihrer Zeitgenossen unterschied. Der einzige Unterschied lag in der hebräischen Graphie; Fudeman (Fudeman 2010) spricht daher von „Hebraico-French“. Die Glossen sind daher auch eine einzigartige Quelle für die sprachgeschichtliche Erforschung des Altfranzösischen. Mehr noch als Raschi ist hier wiederum R. Josef ben Schim‘on Qara zu nennen, der in seinen Kommentaren regelmäßig Fünf-bis-Neun-Wort-Glossen, d. h. ganze Sätze einfügt (Beispiele bei Fudeman 2010), und den Sprach-

Hebräisch-altfran­ zösische Glossarien

Hebraico-Franzö­ sische Sprachge­ schichte

76    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur

Französische Glos­ sen in hebräischer Graphie

Lateinkenntnisse bei den Juden?

geschichtler auf diese Weise mit einer Reihe von morphologischen, phonologischen und lexikalischen Informationen versorgt, denn die jüdischen Gelehrten, die das Altfranzösische in hebräischer Graphie schrieben, übertrugen die Wörter phonetisch. So finden wir ‫( פורצינש‬PORZYNS, porceins / porceints ‚[die] Gürtel [Pl.]‘) (Qara zu Jes 3,22, Raschi zu Ex 28,4; Fudeman 2006, 164) oder ‫( דויינש‬DWYYNŚ doins) als 1. Pers. Sg. Präs. Ind. von doner ‚geben‘ (Raschbam zu Gen 1,29; Kiwitt in Liss 2011a). Bei Raschi zu Gen 1,27 (Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild …) wird der hebräische Ausdruck tzelem ‚Bild / Abbild‘ (noch) mit ‫ קוין‬coin ‚(Münz-)Prägung‘ übersetzt, und man kann hieran sehen, ab wann sich im Französischen die Bedeutung von coin ‚Münze‘ zum heutigen ‚Ecke / Winkel‘ verschoben hat: zu Raschis Zeiten eben offenbar noch nicht. Insbesondere im Kontext der Frage nach möglicher anti-christlicher Polemik bei den nordfranzösischen Bibelkommentaren wird immer wieder diskutiert, ob die jüdischen Gelehrten in Frankreich (und Aschkenaz*) zumindest über Lateinkenntnisse verfügt haben und in welchem Umfang dies der Fall gewesen sein mag. Das Lesen und Verstehen von lateinischen Bibelkommentaren ist dabei in jedem Fall vom Entziffern eines Vertrages zu unterscheiden. Mögen also in Wirtschaftskontexten rudimentäre lateinische Lesekenntnisse vorhanden gewesen sein, um Geschäftsbeziehungen zu ermöglichen: ‚Lateinkenntnisse‘ im Sinne theologischer Bildung und lateinischer Literarizität waren es (noch) nicht. Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass auch die Frage nach den Lateinkenntnissen unter (christlichen) Nicht-Klerikern im Zeitraum zwischen 1100 und 1300, denen ja auch zumindest eine gewisse Kenntnis der Sprache niemals abgesprochen wurde, heute differenzierter beurteilt wird. Clanchy (Clanchy 2001) unterscheidet zwischen ‚pragmatic‘ und ‚cultivated‘ reader: Ein Nicht-Kleriker (ebenso wie auch ein Teil der jüdischen Bevölkerung) mochte die Fähigkeit besitzen, Obligationen oder Verträge zu lesen. Dies könne jedoch nicht automatisch mit der primären Teilhabe an einer allgemeinen lateinischen Bildung und Bildungskultur gleichgesetzt werden, weil Bücher ohnehin rar waren und derartige Bildungsgüter auch in fest umrissenen gesellschaftlichen Strukturen vermittelt wurden. Die Tatsache, dass nicht einmal im 13. Jahrhundert unter den Rittern die lateinische (Lese-) Kultur wirklich beheimatet war, lässt noch einmal mehr die Frage nach Lateinkenntnissen, nach jüdischen lateinischen litterati, in neuem Licht erscheinen: Mag also durchaus (und weiterhin) die Möglichkeit eingeräumt werden, dass Juden mündliche Kenntnis von der einen oder anderen christlichen Auslegung erhalten haben, selbst lesen konnten sie es jedoch wahrscheinlich nicht.

3.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    77

b.  Höfische Literatur und jüdische Exegese Die altfranzösischen Glossarien und Synonymenlisten geben also einen ersten wichtigen Hinweis darauf, dass sich die Juden Nordfrankreichs intensiv mit der französischen Vernakularsprache auseinandergesetzt haben. Allein, dass sie es lesen und schreiben konnten, zeigt bereits ihren gehobenen Bildungsstand. Das Glossieren der Bibel führt dabei zu einer ersten wichtigen Erkenntnis, nämlich derjenigen der Literarizität der biblischen Texte. Schon Raschi diskutiert indirekt, ob eine ihm bekannte Glosse den Sachverhalt ad loc. trifft oder nicht. Und hier stellt sich nun die Frage, aus welchen französischen Texten das Vokabular für die Bibelübersetzungen stammte. Dieser Frage ist bislang nur in ersten Ansätzen nachgegangen worden, aber sie ist essentiell für die Erschließung des (profanen) Bildungsumfanges der Juden (und Jüdinnen) im beginnenden 12. Jahrhundert: So kann man sich vorstellen, dass sich die Vätergeschichten noch irgendwie in ein Französisch bringen lassen, das der einfache Mann auf der Straße sprach; spätestens jedoch bei den poetischen Stücken der Hebräischen Bibel, d. h. bei Texten aus den Hinteren Propheten und den Psalmen, reicht ein Alltagsvokabular nicht mehr aus. So lässt sich von hier aus postulieren, dass die jüdischen Gelehrten in der einen oder anderen Form Zugang auch zur beginnenden altfranzösischen Literatur gehabt haben müssen. Dass der Blick auf die Entwicklung der profanen Literaturen bislang nicht in Anschlag gebracht wurde, mag daran liegen, dass jüdische Bibelkommentare aufs Erste nicht zur weltlichen Dichtung des beginnenden 12. Jahrhunderts zu passen scheinen. Die chansons de geste (‚Heldenlieder‘; ‚Heldentatenlieder‘) oder die auf der Grundlage der matière de Bretagne (britannischer Sagenkreis um König Artus, keltische Stoffe) gestalteten und zeitlich etwas später einzuordnenden Romane eines Chrétien de Troyes (ca. 1140 – 90) sind profane Literaturen, und ihre Entwicklung vollzog sich nahezu zeitgleich mit dem Aufstieg der (radikalen) Peschat-Auslegung* von Raschi und vor allem von seinen (geistigen) Enkeln. Die Wiege von Chrétien stand im selben geographischen (Groß-) Raum, der für die Entwicklung der nordfranzösischen Bibelauslegung so zentral war: in Troyes (Region Champagne-Ardenne). Dass Marie de Champagne (1145 – 98), die wir heute vor allem als Gönnerin von Chrétien de Troyes kennen, der für sie (u. a.) den Chevalier de la Charrette („Le Roman de Lancelot“) verfasste, auch diejenige war, die zuerst altfranzösische Bibelübersetzungen anfertigen ließ, lässt überdies vermuten, dass sich der christliche Zugang zur Bibel sprachenabhängig ausdifferenzierte: Es ist eben ein Unterschied, ob man die Bibel als lateinische, und damit zur geistlichen Seite gehörende Schrift, oder als französischen und darin

Heldenlieder und Ritterromane

Chrétien de Troyes und Marie de France

78    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur den weltlichen Literaturen verwandten Text wahrnimmt. So entsteht mit Hilfe der sprachlichen Ausdifferenzierung in Latein und Französisch ein Bewusstsein für die Unterscheidung von geistlich und profan, die auf christlicher Seite durch den Investiturstreit zwischen Gregor VII. (1073 – 85) und Heinrich IV. (1056 – 1106) schon vorbereitet war. Mit dem beginnenden 12. Jahrhundert begann die nicht-jüdische französische Kultur sich auch literarisch zu manifestieren und trat darin der geistlichen Literatur als ebenbürtige Partnerin zur Seite. Diese innerhalb der höfischen Gesellschaft sich vollziehende Veränderung lässt sich schon wegen des fehlenden feudalen Hintergrundes nicht unmittelbar auf die jüdische Gesellschaft übertragen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch den Juden eine Differenzierung in rabbinisch-theologische (und für die halachische Praxis relevante) Lesart von Bibel und Talmud einerseits und literarisch-literaturtheoretisches und darin nicht unbedingt ‚orthopraxes‘ Verständnis gerade der Bibel andererseits zu eigen war: Wenn (Ps.-)Raschbam in seinem Kommentar zum Hohenlied explizit auf die Vergleichbarkeit dieses biblischen Buches mit den Liedern der trouvères verweist und auch ihre Art der Performanz reflektiert, dann ist dies bereits ein herausragendes Beispiel für die Integration weltlicher Motive in die exegetische Literatur und lässt einmal mehr vermuten, dass die Bibel nicht nur auf christlicher, sondern auch auf jüdischer Seite als Literatur und damit nicht ausschließlich als Quelle geistlicher Erbauung wahrgenommen wurde (oder: werden sollte). Der mit Blick auf die Bibelkommentare bis heute vielfach und oftmals ausschließlich angeführten theologischen Konkurrenz zwischen den jüdischen und christlichen Auslegern mag also gerade in der Champagne und in der Normandie eine Art Wettbewerb um die ‚schönen‘ Literaturen an die Seite gestellt worden sein. Profane jüdische Aus der Tatsache, dass Raschbam das Hohelied als hebräisches Gelehrsamkeit Pendant zu den chansons de femme präsentiert, schließen wir auf ein umfassend gebildetes erwachsenes Publikum, wahrscheinlich auch Frauen. Peter Dronke sieht im 12. Jahrhundert auch auf christlicher Seite in der aufkommenden höfischen Literatur einen Protest gegen bestimmte Aspekte der religiösen Weltanschauung (Dronke 1982). Das ist ein Aspekt, der für einen solchen Kommentar zum Hohenlied sicher in Anschlag gebracht werden kann. Mit dem expliziten Rekurs auf die zeitgenössischen literarischen Traditionen ihrer Umweltkultur sollte hier einmal mehr ein Beitrag zu einer ausgesprochen ‚diesseitigen‘ Auslegung geleistet werden. Und weil die mündliche Performanz im 11. und 12. Jahrhundert durch die Balladensänger auf der Gasse wie auch durch die höfische Rezitations- und Gesangskultur zu einer ersten Blütezeit gelangte,

3.2. Persönlichkeiten    79

ist kaum anzunehmen, dass diese ‚art of narration‘ als Lehr- und Lernform an den Juden einfach vorbeiging.

3.2. Persönlichkeiten a.  R. Schemu’el ben Meïr (Raschbam; ca. 1088 – ca. 1158) Ähnlich wie bei Raschi liegt auch bei Raschbam vieles von seiner Biographie Biographie im Dunkeln. Seine Lebensdaten werden zumeist nur relativ in Bezug auf Raschi ermittelt und scheinen, bei aller Einvernehmlichkeit unter den Forschern, noch immer zu großzügig hinsichtlich seiner Lebenserwartung zu sein: Nach eigener Aussage studierte er bei Raschi und „diskutierte auch mit ihm“ (Kommentar zu Gen 37,2), sodass er zumindest zwischen ca. 1085 und 88 geboren sein muss. Er starb wohl nicht vor 1158, aber auch dies würde bedeuten, dass er für einen Mann aus dem Mittelalter mit ca. 70 Jahren sehr alt geworden ist. Wie sein Großvater Raschi, stammte auch Raschbam aus Troyes und hat sich nach eigener Aussage um 1130 wohl eine Zeitlang in Reims aufgehalten. Nach Norman Golb hatte er in gesetztem Alter in Rouen die Leitung (s)einer Jeschiva* inne (Golb 1998, bes. 217 – 252). Möglicherweise war er auch einige Jahre in Caen. Nach 1153 ist er aber wohl in die Champagne zurückgekehrt. Frühe Reisen führten ihn nach Loudun (in der Gegend von Anjou) und nach Paris. Der Anlass dieser Reisen ist nicht mehr geklärt; dass er aber dort in seiner halachischen Kompetenz gefragt war und Predigten hielt, ist schriftlich bezeugt. Seinen Lebensunterhalt bestritt Raschbam durch die Schafzucht. Wer sich dabei jedoch einen kleinen Wander-Schäfer vorstellt, liegt sicher falsch. Raschbam verfügte offenbar nicht nur über eigenen Grund und Boden; die Schafzucht ließ ihn, der ohnehin schon zur intellektuellen Elite gehörte, auch finanziell zu den Begüterten unter seinen jüdischen Zeitgenossen werden. Mit den Schafen hatte er nicht nur Fleisch, Wolle und Milch vor der Haustür stehen, sondern auch Pergament. Er hätte also seine Kommentare nicht nur auf einer Wachstafel-Kladde, sondern auch auf Pergament unter seine Schüler bringen können. Er hätte aber darüber hinaus auch Texte für sich abschreiben lassen können, und zwar nicht nur hebräische, sondern à la mode möglicherweise auch die damals aufkommenden anglo-normannischen und champagnischen Genres der Ritterromane, Historiographien und chansons de trouvères. Raschbams Tora-Kommentar zeigt nahezu auf jeder Seite, dass er die Themen und Texte seiner nicht-jüdischen Umwelt aufsog und in seinen Kommentaren verarbeitete.

80    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur Der Penta­ teuch-Kommentar des Raschbam Die verlorene Handschrift

Glossenkommentar

Weitere Bibelkommentare

Raschbam wird ein Pentateuch-Kommentar zugeschrieben (ediert und ausführlich beschrieben in Rosin 1881; vgl. auch Rosin 1880, 22 – 57; Perusch ha-Tora le-Rabbenu Schemu’el ben Meïr, ed. Lockshin, 34), dessen einziger handschriftlicher Zeuge sich einstmals im Besitz der Familien Walch und Oppenheim befunden hatte und von dort zu Moses Mendelssohn und später der Fraenckel-Familie kam (Berliner 1864), von wo aus das Manuskript 1863 in die Bibliothek des Jüdisch-Theologischen Seminars in Breslau gelangte. Rosin hatte das Manuskript noch zur Hand, und es ging während der Verfolgungen des Dritten Reiches verloren. Diese Handschrift war ein Raschi-Kommentar, der nach den einzelnen Wochenabschnitten arrangiert war, wobei am Ende einer jeden Parascha* die Kommentierungen des Raschbam folgten. Die Handschrift Wien Cod. hebr. 220 (13./14. Jahrhundert) enthält eine Rezension eines fast vollständigen Raschi-Kommentares zur Bibel, der neben späteren handschriftlichen Notizen auch zeitgenössische Kommentar-Glossen zum Pentateuch aufweist, die verschiedenen Tosafisten* zugeschrieben werden (neben einem R. Josef auch ein R. Schemu’el bar Yitzḥaq, R. Schemu’el, R. Schimschon u. a.). Neuere Forschungen (Liss 2018b; 2016a; Touitou 2003) konnten zeigen, dass einige der Glossen mit dem gedruckten Pentateuch-Kommentar Raschbams eng übereinstimmen, gleichzeitig aber erkennen lassen, dass beide Texte nicht einfachhin identisch sind: Einige der Glossen sind umfangreicher als im gedruckten Kommentar; andere lassen sich eher als Vorform zu den Formulierungen im heute erhaltenen Kommentar ausmachen. Dies bedeutet, dass die Verfasserschaft des Raschbam zugeschriebenen Pentateuch-Kommentars, der seit Rosin unhinterfragt als „Pentateuch-Commentar des Samuel ben Meir“ firmiert, neu bedacht werden muss. Umgekehrt spricht die durchgehende Polemik gegen Raschi, die dieser Kommentar zeigt, für eine Autorschaft Raschbams, da dieser, als Enkel des großen Weisen aus Troyes, sich eine solche Kritik wahrscheinlich am ehesten erlauben durfte. Solange also nicht weitere Handschriftenfunde und Forschungen einen anderen Sachverhalt nahelegen, wird daher auch hier weiterhin von der Verfasserschaft Raschbams ausgegangen. Kommentare zu den Büchern Richter, Könige, Jesaja, Jeremia, Ezechiel sowie zu einzelnen Büchern aus dem Zwölfprophetenbuch (Hosea, Joel, Amos, Micha und Sacharja), die der Pijjut-Kommentar* Arugat ha-Bosem des Avraham ben Azri’el (13. Jahrhundert) Raschbam zuschreibt, sind nur sehr bruchstückhaft überliefert und lassen zumeist ein eindeutiges exegetisches Profil vermissen. Arugat ha-Bosem überliefert auch Teile eines Psalmen-Kommentars. Von den biblischen Ketuvim (Schriften) hat Raschbam neben den Psalmen auch das Buch Hiob, die Bücher Ester, das Hohelied so-

3.2. Persönlichkeiten    81

wie das Buch Qohelet kommentiert (eine Hiob-Kommentierung des Raschbam findet sich auch bei R. Josef ben Schim‎‘o ‎ n Qara in dessen Kommentar zu Hi 11,17). Textbestand und -umfang sind allerdings gerade bei den Kommentaren zu Ester, Qohelet und dem Hohenlied mehr als umstritten: Es gibt nur mehr wenige vollständige Handschriften, und manche Kommentare sind lediglich im Kontext von Kompilationskommentaren überliefert, die eine eindeutige Zuschreibung zu einem Autor nicht ohne weiteres zulassen. Last, but not least, ist zu erwähnen, dass Material zu Raschbams Kommentaren in jüngster Zeit in Einbandfragmenten aus der sog. Europäischen Geniza* aufgefunden wurde, die uns erstmals Kommentarhandschriften bzw. einzelne Blätter daraus aus dem 11. und 12. Jahrhundert zugänglich machen. Eine endgültige Entscheidung darüber, welche biblischen Bücher Raschbam in welchem Umfang kommentiert hat, steht daher noch aus. Neben seinen Schriften zur Bibel sind von ihm ein Kommentar zu Teilen der Talmudtraktate* Pesachim, Avoda Zara und Nidda, eine Fortsetzung des Raschi-Kommentares zu Bava Batra, Zusätze zu den Halakhot des Alfasi sowie einige eigene halachische Antwortschreiben (teschuvot) und eine kleine Grammatik (Sefer ha-Dajjaqut [ed. Merdler]) überliefert. Raschbam hat seinen Pentateuch-Kommentar stets in enger Relation zu dem Raschis gesehen. Er legt seinem Leser nahe, möglichst beide Kommentare gleichzeitig zu konsultieren, entweder, weil er selbst an einer Stelle nichts kommentiert, weil ihm die Erklärung des Raschi ausreichend scheint, oder weil der Leser den Fortschritt in der Peschat-Exegese* anhand konkreter Beispiele nachvollziehen können sollte. Im selben Maße allerdings, in dem Raschbam positiv auf Raschi verweist, weist er ihn auch in seine exegetischen Schranken. Er macht deutlich, dass die jüdisch-traditionelle Lesart, d. h. die Auslegung innerhalb des jüdisch-traditionellen Deutemusters, das Proprium und das Verdienst Raschis ist und bleibt (vgl. seinen Kommentar zu Ex 40,35). Vielleicht ist auch aus diesem Grund sein Kommentar nicht weit über Nordfrankreich hinaus gekommen: Schon Ramban (vgl. unten Kap. 6.2.a.) kannte Raschbams Kommentar nicht mehr (so bereits Rosin 1880, 25).

Tosafist und Grammatiker

Raschbam und Raschi

b.  R. Eli‘ezer aus Beaugency (Mitte / Ende 12. Jahrhundert) Anders als Raschi oder sein Enkel Raschbam war R. Eli‘ezer aus Biographie ­ eaugency (Mitte bis Ende 12. Jahrhundert) mehr als 600 Jahre B praktisch vergessen und wurde erst im 19. Jahrhundert seinem ‚Dornröschenschlaf‘ ansatzweise entrissen. Der protestantische Theologe Franz Delitzsch erwähnt ihn zuerst 1838. Das Le-

82    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur

R. Eli‘ezer aus Beaugency und Raschbam

Die Bibelkommen­ tare R. Eli‘ezers

ben R. Eli‘ezers liegt weitgehend im Dunkeln. Nirgends erwähnt er seinen Vater als seinen (ersten) Lehrer. Ob er gereist ist, und wovon er gelebt hat, wissen wir auch nicht. Zeitgenössische Schriften verorten ihn in ‚Balgentzi‘ (Beaugency; heutiges Département Loiret). Beaugency, etwa 200 km südwestlich von Troyes und auf der Höhe von Auxerre an der Loire gelegen, gehörte im 12. Jahrhundert zu den Besitztümern der Grafen von Blois und war mithin noch im Einflussgebiet der nordfranzösischen jüdischen Kultur. Robert Harris (R. Harris 1997) sieht in R. Eli‘ezer Raschbams wichtigsten Schüler, aber ein solches Schüler-Verhältnis lässt sich nicht zweifelsfrei belegen. Die Verbindung zu Raschbam ergibt sich indirekt aus einer Glosse, die der Kopist von Raschbams Tora-Kommentar den Raschbam-Erklärungen zu Dtn 1,2 voranstellt und in der er sich als Schüler R. Eli‘ezers bezeichnet. Dass Raschbam und R. Eli‘ezer ihre Werke gegenseitig gekannt haben, ist schon eher möglich, aber ebenfalls nur indirekt nachzuweisen, denn von Raschbam existiert heute kein Propheten- und von R. Eli‘ezer kein Pentateuch-Kommentar (mehr?). Im Kommentar zu Jes 33,24 findet sich eine Auslegung ‚aus dem Mund (mippi) des R. Schemu’el‘, womit möglicherweise Raschbam gemeint ist. Es finden sich auch immer wieder reziproke Bibelverweise: In seinem Kommentar zu Hos 4,8 zitiert R. Eli‘ezer Dtn 24,15, wohingegen Raschbam an letzterer Stelle auf Hos 4,8 verweist; ebenso finden sich Querverweise bei beiden zwischen Jes 66,20 und Num 7,3 bzw. Hab 3,6 und Ex 25,4. Auch die Art der Kommentierung ist jeweils strukturell ähnlich. Unklar ist auch der Umfang des exegetischen Schaffens R. Eli‘ezers. Auf uns gekommen ist lediglich eine Sammelhandschrift (MS Oxford Opp. 625), die neben Werken von Josef Qimchi und Avraham ibn Ezra (u. a.) R. Eli‘ezers Kommentare zu den Büchern Jesaja, Ezechiel (vgl. auch Liss 2000) und dem Zwölfprophetenbuch enthält (ed. Poznański 1913). Verschiedentlich geben diese Hinweise auf weitere Kommentare. Wahrscheinlich hat daher auch R. Eli‘ezer einen Kommentar zur Tora verfasst. Jedenfalls verweist er im Kommentar zu Jes 14,3 auf seine exegetische Beweisführung im Kommentar zu Paraschat* Bereschit (Gen 1,1 – 6,8) und in Hab 3,7 auf eine Erklärung in Paraschat Beschallach (Ex 13,17 – 17,16). Der Sefer ha-Schoham (‚Onyx-Buch‘) erwähnt Auslegungen des ‚(Rabbi aus) Balgentzi‘ zu Deuteronomium und Jeremia. R. Eli‘ezer selbst verweist zudem auf Auslegungen zu den Psalmen, Qohelet und Daniel. Bis heute stehen detaillierte Einzelanalysen der Kommentare R. Eli‘ezers noch aus.

3.3.  Neue Zugänge    83

c.  R. Josef ben Jitzchaq (‚Bekhor Schor‘; 1130 – 1200) R. Josef ben Jitzchaq stammte aus Orléans (Kanarfogel 2013a, Biographie und 126 – 162). Sein Name Bekhor Schor geht auf Dtn 33,17 (‚erstge­ Werk borener Stier‘) zurück, und er stellt sich auch selbst so vor (Kommentar zu Dtn 10,10). Nach Urbach (Urbach 1986, 134) wurde dieser Beiname allerdings auch anderen Gelehrten namens Josef beigelegt (zum Ganzen Kanarfogel 2013a, 162 – 179). Bekhor Schor war ein Schüler des R. Ja‘aqov ben Meïr (Rabbenu Tam; ca. 1100 – 71), des Bruders Raschbams, und ist außer durch seine Bibelkommentare, von denen nur der Pentateuch-Kommentar überliefert ist, vor allem als Tosafist* bekannt. Es haben sich Tosafot zu bShab, bYev, bBB, bZev und bHul erhalten. Im Sefer ha-Jaschar des Rabbenu Tam sind vier Responsen von ihm und Rabbenu Tam tradiert (Urbach 1986, 132 – 140). Ein Psalmen-Kommentar liegt nur noch fragmentarisch vor. Daneben hat Bekhor Schor auch pijjutim* verfasst. Bekhor Schors Kommentierungen sind an vielen Punkten rational (z. B. in seinem Verständnis der Wunder als Naturereignisse) oder historisierend (z. B. in seinem Kommentar zu Ex 7,15, wo er den Pharao mit seinen Greifvögeln ans Wasser gehen lässt). An philologisch-grammatisch korrekter Auslegung war er weniger interessiert. Raschbams Auslegungen waren ihm oftmals zu radikal, und er kanzelte sie als reine Erfindung (badda’ut) ab (Kanarfogel 2013a, bes. 139 – 140). Ob er wirklich Latein beherrschte, und ein Hieronymus-Zitat in seinem Kommentar zu Ps 2 wirklich auf ihn zurückgeht (Urbach 1986, 135), muss offen bleiben. Hinweise auf direkte Konfrontationen oder Religionsdisputationen mit Christen finden sich nicht.

3.3. Neue Zugänge a.  Vom Übersetzen zum Erzählen Die Entwicklung hin zu einer zunehmend narrativen Exegese vollzog sich vor allem durch die Integration französischer Übersetzungen in die Bibelkommentare, die in Ansätzen bereits bei Raschi und R. Josef ben Schim‘on Qara, aber vollends ausgeprägt dann bei Raschbam zum Tragen kam und zeigt, wie weit auch das französische Denken bereits in die Köpfe der Ausleger Eingang gefunden haben mag. Die Auseinandersetzung mit der französischen Sprache führte zunächst einmal dazu, dass Übersetzungen tatsächlich glossenartig

84    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur an den Bibeltext notiert wurden, um damit den einfachen Wortsinn (Peschat*) zu erklären: R. Josef Qara zu Joel 1,17

Es faulen die Tonnen, wie: Sie sind verschimmelt (…) perudot (bedeutet) ‚Fässer‘ (‫ דוגש‬duges) auf Altfranzösisch. Unter ihren Pfropfen: megrafa (bedeutet) ‚Pfropfen‘ (‫ צרקלש‬cercles ) auf Altfranzösisch.

Bis in die heutigen Bibelübersetzungen hinein lässt dieser erste Halbsatz (Joel 1,17aα) erkennen, dass er es in sich hat: Man findet eine Vielzahl verschiedener Übersetzungen: diejenige von Naftali Herz Tur-Sinai (ND 1995; vgl. auch unten Kap. 9.2.o.) übersetzt mit ‚Es fault Verstreutes‘, die Elberfelder (rev. Fassung 1993) mit ‚Verdorrt sind die Samenkörner‘, aber Buber-Rosenzweig (1976) mit ‚Unter ihren Deckeln faulen die Tonnen‘. Qaras Kommentar lässt damit auch indirekt erkennen, dass das Bibelstudium wohl vor allem auf die Lektüre und das Verstehen (Vers-für-Vers) hin ausgerichtet war. Die handschriftliche Überlieferung des Qara-Kommentares zum Zwölfprophetenbuch zeigt überdies, dass nicht nur genau notiert wurde, welche Texte als Haftara* gelesen wurden, sondern auch, dass diese Texte ausführlicher kommentiert wurden als andere. Die durchgehende übersetzende Glossierung ins Altfranzösische zeigt, dass die nordfranzösischen Juden, anders als die spanischen Zeitgenossen, offenbar nicht mehr über ausreichende Hebräisch- und Aramäischkenntnisse verfügten. R. Josef ben Schim‘on Qara verband allerdings bereits lexikologische Diskurse mit Kontextanalyse. In seinem Kommentar zu Hosea 4,14 finden sich die ‚Fässer‘ (duges) wieder, die wir schon in Joel 1,17 gesehen haben, aber hier werden sie über eine reine Worterklärung hinaus auch kontextuell in die Auslegung eingebunden: R. Josef Qara zu Hos 4,14

Weil sie – die Väter und die Schwiegersöhne – sich mit Huren absondern (jefaredu): Menachem (ibn Saruq [Machberet Menachem S. 145]) verband (das Verb *‫ )פרד‬mit ‚Es faulen die Tonnen (perudot)‘ – ‫ ּדֹוגֵׁש‬duges auf Altfranzösisch: So, wie eure Töchter und eure Schwiegertöchter zuhause Ehebruch treiben, so treiben die Männer Ehebruch mit Huren. Die Erklärung für ‚sie sondern sich ab‘ (lautet): Sie sitzen bei dem Fass, um mit den Huren Wein zu trinken. Dieses Verhalten veranlasst sie (dann), dass sie mit ihnen schlafen.

Ausgehend von der hebräischen Wurzel *‫ פרד‬hatte bereits Menachem ben Ja‘aqov ibn Saruq eine Wurzelverwandtschaft zwischen jefaredu und perudot konstruiert. R. Josef Qara hat diese semantisch bis ins Altfranzösische ausgezogen, um dann vom Kontext her die Glosse zu rechtfertigen. Hier wurde also schon eine erste Narrative konstruiert, die gleichzeitig den hebräischen Text mit der französischen Übersetzung in Übereinstimmung brachte. Wie weit Menachem ibn Saruq hier die (nicht-jüdische) Wirtshaus-Kultur vor Augen hatte, lässt sich nur noch vermuten.

3.3.  Neue Zugänge    85

Wie weit französische kulturelle Ideale bereits in das Denken der jüdischen Bibelausleger Eingang gefunden hatten, zeigt Raschbams Kommentar zu Gen 29,17. Es geht um Leas Schönheit, und hier insbesondere: um ihre Augen. Die meisten antiken (LXX*; Vulgata*) und modernen Bibelübersetzungen übersetzen den hebräischen Ausdruck rakkot pejorativ und verpassen Lea ‚schwache‘ [JPS]/ ‚matte‘ [ELB], wenn nicht gar ‚blöde‘/‚blödgesichtige‘/‚grindige‘ (Thomas Mann) Augen. In Raschis Kommentar (vgl. BerR 70,16; bBB 123a) lesen wir ‚zarte / weiche‘ Augen, im Sinne von ‚tränenverhangen‘ vom vielen Weinen. Das Leipziger und das Pariser Glossar (ad loc.) übersetzen mit tandrës’ (tendres) bzw. tonres. Raschbam erklärt den Text vollkommen anders: Rakkot (bedeutet) ‚lieblich‘ [hebr. na’ot]: vairs [verts] ‚strahlend, hell‘ auf Raschbam zu Altfranzösisch. Wenn die Augen einer Braut lieblich sind, bedarf der Rest Gen 29,17 des Körpers keiner (eingehenden) Prüfung mehr (vgl. bTaan 24a). Dunkle Augen sind (ohnehin) nicht so schön wie helle.

Was uns hier interessiert, ist Raschbams Übersetzung von rakkot mit ‚verts‘, das auf Altfranzösisch nicht ‚grün‘, sondern ‚hell / strahlend‘ bedeutet, ein Adjektiv, wie es beispielsweise im anglo-normannischen Alexanderroman (‚Le Roman de Toute Chevalerie‘) des Thomas von Kent oder im Chanson de Roland für die Beschreibung der Augen des ritterlichen Helden Anwendung findet (Liss 2011a, 260). Raschbams Kommentierung favorisiert darin nicht nur die hellen Augen Nordeuropas gegenüber den biblisch-orientalischen ‚Taubenaugen‘, sondern zeichnet die Schönheit der Lea als mit dem ritterlichen Schönheitsideal übereinstimmend aus. Ausgehend von diesem Beispiel kann einmal mehr vermutet werden, dass Raschbam auch einen unmittelbaren Zugang zu den altfranzösischen Literaturen hatte. b.  Die Emanzipation von Raschi Bedingt wohl auch durch die relativ schnell sich verbreitende Popularität Raschis, zeigen insbesondere seine (geistigen) Enkel ein intensives Bemühen, sich von ihm unabhängig zu machen. Dabei erweisen sich sowohl Raschbam als auch R. Eli‘ezer aus Beaugency als ausgesprochen selbstbewusst. Vor allem ging es darum, sich von der traditionellen Auslegung und ihren Auslegungszielen zu emanzipieren. Die Gegenüberstellung von Peschat* und Derasch*, so zentral sie ist, bringt dies jedoch nur unvollständig zum Ausdruck. Immer wieder insistiert vor allem Raschbam darauf, dass es zwei Lesarten der Bibel gebe, eine ‚klassische‘, den rabbinischen Traditionen verpflichtete Lesart, und eine ‚neue‘, zeitgemäße Betrachtung, eine, die einen weltlichen Zugriff und weltliche Studien impliziert.

86    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur Dies gilt dabei nicht nur für die narrativen Teile der Tora, sondern auch für die halachischen Abschnitte. Die Grenzen der bisherigen Auslegungen zeigt Raschbam vor allem im locus classicus seiner bibelexegetischen Hermeneutik, der Auslegung zu Gen 37,2, auf: Raschbam zu Gen 37,2

Die Verständigen [ohave sekhel] unter uns haben Einsicht gewonnen in das, was (schon) unsere Rabbinen gelehrt haben, wonach kein Bibelvers seinen einfachen Schriftsinn einfach hinter sich lässt (…). Die Früheren, aus der ihnen eigenen Frömmigkeit [chasidut] heraus, haben stets dazu geneigt, den Derasch-Erklärungen zu folgen, die (nach ihnen) das Wesentliche sind. Daher waren sie auch an die Tiefe des einfachen Schriftsinnes [omeq peschuto schel miqra] nicht gewöhnt (…). Aber selbst Rabbenu Schelomo, mein Großvater, die Leuchte der Augen des Exils, der die Tora, die Propheten und die Schriften ausgelegt hat, hat sich der Peschat-Auslegung der Schrift verschrieben, und ich (…) diskutierte sogar mit ihm und vor ihm, und er gestand mir ein, dass er, wenn er nochmals (so) frei wäre (wie ich heute), so würde er andere Auslegungen verfassen, gemäß den Peschat-Erklärungen, wie sie (jetzt) täglich neu aufkommen.

Nach Raschbam haben also seine Vorgänger, vor allem Raschi, die Tiefe des einfachen Schriftsinnes [omeq peschuto schel miqra] immer wieder verfehlt. Ihre ‚Frömmigkeit‘, d. h. ihr Anspruch, Texte im jüdischen Auslegungskontext zu verstehen, habe ihnen dabei im Wege gestanden. Die hier genannten ohave sekhel, also jene, ‚die den Verstand lieben‘, bilden jedoch nicht etwa einen Gegenpol zu den ‚Dummen‘, sondern zu den ‚Frommen‘ und sind, wie schon der Ausdruck sekhel ‚Verstand‘ zeigt, sicher mit den sog. maskilim identisch. Pietät gegenüber der Tradition kollidiert also offenbar mit der neuen Auslegungsweise. Jene Hörer, die auch sonst auf der (profanen) Bildungshöhe ihrer Zeit sind, bekommen von Raschbam einen Zugang zur Bibel gelehrt, der denjenigen Raschis nicht ersetzen, aber ergänzen möchte: Raschbam zu Ex 40,35

Wer seine Aufmerksamkeit (auf diesen Text) als ein (für die religiöse Kultur bindendes) Wort unseres Schöpfers richten will, der möge nicht abweichen (vom Weg) der Kommentierungen meines Großvaters, R. Schelomo, und von ihm nicht ablassen. Die meisten Halakhot und Midrasch-Auslegungen in ihnen kommen ja dem Peschat der Verse recht nahe, und werden alle (aus [scheinbar] überzähligen Vers[-wendung]en oder Modifikationen des sprachlichen Ausdruckes) abgeleitet: Gut ist, wenn du an dem einen festhältst – wie ich ja (bereits) erklärt habe – aber auch das andere nicht beiseite legst (Koh 7,18).

Raschbam insistiert darauf, dass dem jüdisch-traditionellen Deutemuster für die ‚jüdische‘ Bibelauslegung – im Gegensatz zu einer Bibelauslegung gemäß den Maßstäben der nichtjüdischen Umwelt – das Hauptgewicht zukäme, und dass hierin der Kommentar des Raschi nahezu unübertroffen sei, weil er für die jüdisch-traditionelle Rezeption des Bibeltextes die geeignete Auslegung bereit halte. Die

3.3.  Neue Zugänge    87

grundsätzliche Unterscheidung in diese zwei Lesarten sowie das Bewusstsein für die Genese von Halakhot, die oftmals erst nachträglich an den Bibelvers angebunden wurden, ließ Raschbam so weit gehen, dass er den Bibeltext auch gegen die halachische Praxis auslegen konnte, wie in seiner Kommentierung von Ex 13,9 (Es sei Dir zum Zeichen …), ein Vers, den er gegen Raschi, der hier auf die Praxis des Tefillin*-Legens verweist, unter Verweis auf Hld 8,6 als figurative Rede auszeichnet, ohne gleichzeitig zum Verzicht auf die rituelle Performanz (Tragen von Tefillin) aufzurufen. c.  Auslegung als Rekomposition Ein wichtiges Kennzeichen des neuen literarischen Zugangs zur Bibel ist der vor allem bei Raschbam ausgeprägte Versuch, den Gedanken- und Erzählgang des biblischen ‚Autors‘ (Mose) nicht nur nachzuverfolgen, sondern die biblischen Geschichten – Väterüberlieferungen, Mose-Erzählung – neu zu erzählen. Raschbam profiliert Charaktere und gestaltet vermittels rhetorischer und narrativer Interjektionen, die er teilweise dem Bibeltext selbst entnimmt, den Gang biblischer Erzählungen überraschend um. Dabei schlüpft er bisweilen sogar in die Rolle des Erzählers. Dies zeigt deutlich seine Auslegung zu Gen 32,23 – 33, der Schilderung des Kampfes am Jabboq. Jakob wollte in der Nacht in eine andere Richtung fliehen, hätte ihn nicht Raschbam zu der Engel aufgehalten [*‫]!עכב‬. Daher ist (der Satz ‚Siehe, er selbst ist auch Gen  32,23 – 33 schon nach uns‘ so zu verstehen), dass (Jakob) beabsichtigte, den Esau zu täuschen, ihn aber (zumindest) nicht treffen zu müssen. (23) Und er stand in jener Nacht auf, weil er (ja) vorhatte, in eine andere Richtung zu fliehen. Deshalb durchquerte er nachts den Fluss (…) die Furt des Jabboq – die Furt durch das Wasser, um zu fliehen. (25) Und Jakob blieb allein übrig, d. h. nachdem er alle(s), was (zu) ihm gehörte, hinübergebracht hatte, damit niemand mehr da war, der noch hinüber (gebracht werden) musste, außer ihm, und er wollte nach ihnen hinübergehen. Allerdings: Er hatte (gleichzeitig) vor, in eine andere Richtung zu fliehen, damit er nicht etwa auf Esau treffe. Aber ein Engel rang mit ihm, damit er nicht fliehen könne und sehen würde, dass das Versprechen Gottes, dass Esau ihm nicht schaden werde, auch wirklich eintreffe.

Der Kommentar konzentriert sich auf den emotionalen Zustand Jakobs (Angst) und führt diesen erzählerisch durch das mehrfach angeführte Fluchtmotiv aus. Alle im Bibeltext geschilderten Aktivitäten Jakobs werden in diesem Sinne gedeutet. Mit dieser Erzähltechnik befindet sich Raschbam in eigentümlicher erzählerischer Verwandtschaft mit Chrétien aus Troyes und seiner Erzähltechnik, der es vor allem um das Aufspüren des ‚homo interior‘ zu tun ist. Auch bei Raschbam geht Bibelauslegung nahtlos in eigenes Erzäh-

88    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur len über, und es ist deutlich zu erkennen, dass es nicht einfach um die Erklärung des Bibeltextes geht, sondern beinahe um dessen ‚literarische Rehabilitierung‘. Der Kommentar scheint darin ganz auf den Leser / Hörer ausgerichtet. Nicht umsonst bezieht Raschbam in seinen Ausführungen immer wieder den Leser ein. So nimmt Raschbam in einem fast schon rezeptionsästhetischen Zugang die Rolle eines aufmerksamen und kritischen Lesers ein, der die Tora als ein Stück Literatur ansieht und seine Lese-Erwartung entsprechend ausrichtet. d.  Die Entstehung einer biblischen Literaturtheorie Raschbams Bibelauslegung wird konsequent literaturtheoretisch von der Relation zwischen dem Erzählschema und der Lese-Erwartung her entwickelt. Ein wichtiges Moment ist dabei die Aufdeckung literarischer Antizipation: Ein Motiv, das in dem Kontext, in dem es auftritt, für das Erzählschema keinen unmittelbar einsichtigen Wert hat, wird erzählerisch vorweggenommen und verweist so indirekt auf einen Kontext, der auf diese erste Erwähnung sachlich zurückgreifen kann. Die Vorausdeutungen sollen den Leser auf zukünftige Geschehnisse oder Gefahren für die Protagonisten aufmerksam machen, (spätere) Wissenslücken proleptisch füllen oder entscheidende Wendungen der Handlung vorbereiten (kompletive Prolepse). Ein prägnantes Beispiel dafür ist Raschbams Kommentierung von Gen 1,1 (nachfolgend ein Ausschnitt), wo auch er die Frage Raschis aufnimmt, warum der Schöpfungsbericht verfasst wurde: Raschbam zu Gen 1,1

Dies ist das Prinzip seiner [des Textes] Erzählstruktur (iqqar peschuto) – ganz nach dem Muster des biblischen Ausdrucks, der für gewöhnlich Dinge vorwegnimmt und eine Sache erklärt, die für den unmittelbaren Sinnzusammenhang nicht relevant ist, aber an anderer Stelle (relevant wird). Wenn (z. B.) geschrieben steht: „(Die Söhne Noahs) (…) sind Sem, Ham und Jafet. Und Ham ist der Vater Kanaans“ (Gen 9,18), (so wird dieser letzte Halbsatz deshalb schon vorgezogen), weil es später (im Text) heißt: „Verflucht sei Kanaan“ (Gen 9,25). Und hätte er nicht schon vorher ausgeführt, wer Kanaan ist, so wüssten wir gar nicht, warum Noah (einen) Kanaan verflucht. (Oder) Da ging Ruben hin und schlief mit Bilha, der Nebenfrau seines Vaters. Israel hörte davon (Gen 35,22). Warum ist hier (schon der Satz) ‚Israel hörte davon‘ ausgeführt, wenn (gleichzeitig) aber an dieser Stelle nichts davon steht, dass Jakob irgendetwas zu Ruben gesagt hat? Vielmehr (muss dies an dieser Stelle erwähnt werden), weil er in der Sterbestunde zu ihm sagte: (…) brodelnd wie Wasser, der Bevorzugte sollst du nicht bleiben, denn du hast das Bett deines Vaters bestiegen, geschändet hast du damals mein Lager (Gen 49,4). Daher hat (der biblische Autor den Satz) ‚Israel hörte davon‘ vorgezogen, damit du [als Leser] dich nicht wunderst, wenn du siehst, dass er ihn am Ende seines Lebens (derart) tadelte. Und so ist es

3.3.  Neue Zugänge    89 an vielen Stellen (in der Schrift). Daher (verhält es sich auch an dieser Stelle so): Der ganze Abschnitt des sechstägigen Schöpfungswerkes ist von Mose, unserem Lehrer, vorangestellt worden, um dir [als Leser] zu verdeutlichen, was (gemeint ist, wenn) der Heilige, er sei gepriesen, sagte, als er die Tora gab: Gedenke des Schabbat, ihn zu heiligen (…) denn in sechs Tagen hat der Ewige Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er (…) (Ex 20,8 – 11) (…). Daher erwähnte Mose (das Schöpfungswerk) vor Israel, um ihnen kundzutun, dass das Wort Gottes die Wahrheit sei.

Nach Raschbam verfasste Mose den gesamten Abschnitt und gestaltete ihn unter rhetorisch-stilistischen Aspekten. Der Peschat* ist hier nicht einfach der Literalsinn, sondern das Prinzip des Aufbaus der Erzählung und des hier formulierten sprachlichen Ausdrucks. Inhaltlich war Mose als dem biblischen Autor hinsichtlich der Schöpfung allein die Gottesrede aus Ex 20,8 – 11 vorgegeben, die das sechstägige Schöpfungswerk erwähnt. Der erste Schöpfungsbericht ist also nicht deshalb im Sechs-Ta- Gen 1 als literari­ ge-Schema strukturiert, weil sich der Schöpfungsprozess so und sche Antizipation nicht anders vollzogen habe, sondern allein aufgrund der (literarischen) Vorlage der Gottesrede in Ex 20, für die es nachträglich einen Schöpfungsbericht literarisch auszugestalten und der ‚eigentlichen‘ Geschichte Israels voranzustellen galt. Raschbam bietet für diesen Abschnitt wie auch für die anderen hier genannten Beispiele (ausnahmslos aus den narrativen Abschnitten der Genesis) den Terminus haqdama (*‫ קדם‬hi.), das ‚Voranstellen‘, die literarische Antizipation. Dieser Bibelkommentar erhebt damit den Anspruch, dass sich die Tora mit Blick auf die Struktur der linearen Abfolge der erzählerischen Elemente (sequenzielle Struktur) auf der Ebene der Ereignisse und Handlungen (histoire) mit literaturtheoretischen Maßstäben messen lassen muss. Auch Raschbams jüngerer Zeitgenosse R. Eli‘ezer aus Beaugency verfügt bereits über ein ausgearbeitetes literaturtheoretisches Vokabular, das er in der Vorrede zu seinem Kommentar zu Ezechiel einführt: Menschensohn! Mit deinen Augen sieh’ und mit deinen Ohren höre! Achte R. Eli‘ezer aus (gut) auf (Ez 40,4) die Sprache dieses Propheten, denn sie ist rätselhaft, Beaugency zu Ez 1 unklar und in (sehr) verkürztem (Stil). Sogar unseren Rabbinen, Friede über ihnen, erschienen seine Worte aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Kürze als (Worte), die zu den Worten der Tora im Widerspruch stehen. Heute nun (will) ich (es) dir kundtun, um dir (anhand) der Eröffnung seines (Buches) seine Gedankenführung und seinen Sprachduktus [schitato we-sichato] zu erschließen.

Bei näherem Hinsehen zeigt R. Eli‘ezers Argumentation das gleiche Selbstbewusstsein wie Raschbam: Die Rabbinen hätten der Tatsache, dass die Sprache Ezechiels oftmals kryptisch und sehr verkürzt

90    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur sei, zu wenig Beachtung beigemessen und seien von daher zu einer dem Buch nicht entsprechenden Lesart gekommen, die sogar zu der Ansicht geführt habe, dass das Buch in bestimmten Teilen der Tora widerspreche (vgl. bHag 13a; bShab 13b; bMen 45a; bMak 24a). Ähnlich den von Raschbam propagierten „Peschat-Erklärungen, wie sie (jetzt) täglich neu aufkommen“, stellt sich auch R. Eli‘ezer als derjenige vor, der als erster in der Lage ist, das Buch Ezechiel exegetisch hinreichend zu erschließen. Ausschlaggebend für seinen Ansatz und Schlüsselbegriffe nicht nur in diesem ersten Absatz sind die Termini schita (Gedankenführung; System), sicha (Sprachduktus) und injan (literarischer Kontext). Die Erklärung dunkler Textpassagen und damit das rechte Verständnis des Buches beruhe also vor allem auf der Klärung der Sprachwelt Ezechiels. e.  Wissenschaftsdiskurse und polemische Attacken Die Frage, in welchem Maße die Kommentare der ersten Peschat-­ Exegeten Nordfrankreichs in Auseinandersetzung mit der lateinischen Exegese standen und inwieweit sie tatsächlich polemisch im Sinne einer vor allem anti-christlichen Polemik waren, ist nicht leicht zu beantworten und wird in der Forschung entsprechend kontrovers diskutiert. Insbesondere die judaistische Forschung in Israel (Elazar Touitou; Sarah Kamin; Sara Japhet) vermutet an vielen Punkten antichristliche Polemik, ohne dies jedoch näherhin zu spezifizieren. So wird beispielsweise nicht präzise zwischen Polemik, Eristik und Apologetik unterschieden; ebensowenig wird dieses Thema konsequent anhand der Frage nach den jeweiligen Genres diskutiert: Ein Bibelkommentar ist keine Streitschrift. Christlich-jüdische (Zwangs-)Disputationen, wie wir sie zwischen R. Jechi’el und Nicholas Donin (Paris 1240) oder zwischen Nachmanides und Pablo Christiani kennen (Barcelona 1263; vgl. unten Kap. 6.1.c.) sind aber für das ausgehende 11. und frühe 12. Jahrhundert noch gar nicht an der Tagesordnung. Ebensowenig gehören die ersten explizit polemischen hebräischsprachigen Werke wie der Sefer ha-Berit des R. Josef Qimchi (Narbonne; ca. 1105 – ca. 1170) und die Streitschrift Milchamot ha-Schem des Ja‘aqov ben Re’uven (Spanien; um 1200), die wir in Südfrankreich und Spanien verorten müssen, im engeren Sinne zum Genre der Bibelkommentare. Teschuvat ha-­ Allerdings enthalten die Bibelkommentare von Raschbam, Josef Minim Bekhor Schor und R. Eli‘ezer aus Beaugency den Ausdruck teschuva la-minin[m] / teschuvat ha-minin[m] (bei ibn Ezra: teschuvat hamin), den man wohl mit der Phrase ‚Erwiderung an die Andersgläubigen / Christen‘ zu übersetzen hat. Dieser Ausdruck geht zurück auf mAv II,14, wo R. Eli‘ezer neben dem Lernen der Tora empfiehlt,

3.3.  Neue Zugänge    91

sich Antworten auf die Herausforderungen durch den Häretiker (appiqoros) zu überlegen. Wo teschuva la-minin in den nordfranzösischen Kommentaren verwendet wird, setzen sich die Bibelausleger mit christlichen Auslegungen auseinander, die sie wahrscheinlich im Gespräch aufgeschnappt haben. Überdies lässt die Tatsache, dass die jüdischen Gelehrten aus Auxerre, wo es ja die berühmte Abtei Saint-Germain d’Auxerre gab, eine Anfrage an Raschi hinsichtlich der Tempelvision des Ezechiel stellten, vermuten, dass Raschi über den Kontakt zu seinen Glaubensbrüdern aus Auxerre wie auch an anderen Orten, wo es lateinische Gelehrsamkeit gab, über die christlichen Auslegungen im Bilde war. Wirklich bissig gegen die christliche Lehre bzw. gegen das, was über mündliche Kanäle davon auch bei den Juden angekommen sein mag, schreibt eigentlich nur R. Josef Bekhor Schor: Er höhnt gegen das Abendmahl ebenso wie gegen die Trinität, aber gerade seine Ausführungen zeigen, wie wenig seinen Vorgängern daran gelegen war, gegen die christliche Lehre anzuwettern. Ein klassisches und für jede weitere polemische Auseinandersetzung grundlegendes Beispiel ist natürlich Gen 1,26, wo die Selbstaufforderung Gottes im Hebräischen im sog. pluralis deliberationis (na‘ase adam …) formuliert ist. Diese Stelle galt bereits den Kirchenvätern als eines der sog. vestigia trinitatis* der Hebräischen Bibel und wichtige Belegstelle für den Hinweis auf die göttliche Trinität. Raschis Kommentar lässt erkennen, dass er um diese Ausdeutung wusste: Lasst uns einen Menschen machen: Obwohl die (Engel) ihn in seinem Raschi zu Gen 1,26 (schöpferischen) Gestalten [jetzira] nicht unterstützten, und es hier eine Möglichkeit für die Christen gibt, (eine falsche Auslegung) herauszuziehen, hat der Vers es (dennoch) nicht unterlassen, (an dieser Stelle) die üblichen Umgangsformen und (hier vor allem) die Tugend der Bescheidenheit zu lehren, wonach der Mächtige sich mit dem Unbedeutenden berät und von ihm die Zustimmung einholt. Stünde (nämlich) dort ‚Ich will einen Menschen machen‘, so hätten wir nicht gelernt, dass er mit seinem Gerichtshof gesprochen hat, sondern mit sich selbst. Und die Erwiderung an die Christen (teschuvat ha-minim) ist (dem ersten Vers direkt) zur Seite gestellt: Und (Gott) schuf den Menschen (Gen 1,27), und es heißt nicht: ‚Und sie schufen‘.

Raschi muss an dieser Stelle zugeben, dass die Stelle sprachlich leicht von der christlichen Theologie vereinnahmt werden konnte, und erklärt daher die Motivation des biblischen Schriftstellers, die Sache trotz aller möglichen Missdeutungen so und nicht anders zu formulieren. Die Erwiderung an die Christen (teschuvat ha-minim) findet sich dabei mit Verweis auf Gen 1,27, wo die Verbalform ganz eindeutig in der 3. Pers. Sg. formuliert ist. R. Josef Bekhor Schor verweist an dieser Stelle auf Gen 1,26aα, wo es (im Sg.) heißt ‚Und

92    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur Gott sprach …‘. Die Erwiderung an die Christen, die wahrscheinlich kein Lateiner zu jener Zeit je gelesen hat, bewegt sich mithin im Rahmen eines sich entwickelnden philologisch-grammatischen Wissenschaftsdiskurses. Auch Raschbam kommt an dieser Stelle zum selben Ergebnis, führt allerdings ausschließlich innerbiblische Belege an (1Kön 22,19–2; Jes 6,8). R. Josef Bekhor Wirklich polemisch formuliert R. Josef Bekhor Schor in seinem Schor zu Ex 32,20 Kommentar zu Ex 32,20, wo ausführlich erläutert wird, was Mose nach dem Zerschmettern der Tafeln mit dem Kalb veranstaltete, das das Volk während seiner Abwesenheit anfertigen ließ. Nachdem er es verbrannt, zermalmt und in Wasser aufgelöst hatte, gab er den Söhnen Israels zu trinken: (so ist der Vers) entsprechend dem einfachen Wortsinn (zu verstehen), weil Mose sie nicht etwa (das Kalb) trinken, sondern es auflösen und verschwinden (lassen) wollte, aber weil er es ins Wasser gegeben hatte, so tranken sie es wider Willen mit (…). Und als Antwort an die Christen, die (uns) über dieses Trinken (des Kalbes) verspotten, (sei hier gesagt): Er [Mose] gab ihnen damit (auch) einen Wink, dass es Götter, die man essen und trinken kann, gar nicht in Wirklichkeit gibt. Sie aber essen das Fleisch ihres Götzendienstes (terefot) und trinken ständig sein Blut.

Bekhor Schors Polemik zielt wohl darauf ab, zu betonen, dass die Christen im Abendmahl mit ihrem Gott genau das tun, was die Israeliten nur mit einem Götzen und auch nur einmal und dies auch noch widerwillig getan haben. Hinter der Bemerkung, wonach Götter, die man essen und trinken könne, keine richtigen Götter seien, steht unter Umständen sogar das Wissen um die theologische Formulierung, dass es wirklich der Leib Christi sei, der im Abendmahl verzehrt werde, wie dies beispielsweise von Paschasius Radbertus (Benediktiner in der Abtei Corbie, Frankreich; 9. Jahrhundert) vertreten wurde (vgl. Madey 1999). Deutlicher noch als bei Raschi sehen wir im Kommentar des Raschbam, dass sich die sog. Polemik sowohl gegen die eigenen Reihen als auch gegen christliche Gesprächspartner richten kann. In seinem Kommentar zu Ex 20,12 bemüht Raschbam die Philologie, um die hebraica veritas der Juden gegen die mangelnde Sprachfähigkeit der Lateiner auszuspielen und damit ihre exegetische Kompetenz herabzusetzen: Raschbam zu Ex 20,12

Du sollst nicht morden: Jedes ‚Morden‘ [*‫( ]רצח‬meint) ein Töten ohne Anlass – an jeder (Beleg-)Stelle (der Schrift): Ein Mörder muss ganz sicher sterben (Num 35,16 – 17). Du hast gemordet und (nun) auch (noch) geerbt (1Kön 21,19). Gerechtigkeit sollte in ihr eine Bleibe finden – nun (aber): Mörder (Jes 1,21). Aber ‚Töten‘ und ‚Tötung‘ gibt es entweder als (Tötung) ohne Anlass, wie (in): Da tötete er ihn (Gen 4,8), von Kain berichtet; oder es gibt (den Ausdruck ‚Töten‘) nach Richtspruch, wie (in): Dann sollst du die Frau (…) töten (Lev 20,16). Und dort, wo geschrieben steht … der sei-

3.3.  Neue Zugänge    93 nen Mitmenschen ohne Vorsatz gemordet hat (Dtn 4,42) (steht ‚morden‘), da der (Vers) über einen Mörder spricht, (der) in böser Absicht (gemordet hat) (…) Erwiderung an die Andersgläubigen [teschuva la-minim], und die haben es mir eingestanden: Obwohl in ihren Büchern auf Lateinisch ‚Ich töte und mache wieder lebendig‘ [ego occidam] (Dtn 32,39) (im Wortlaut) von ‚Du sollst nicht morden‘ [non occides] (übersetzt ist), so muss man (doch) feststellen, dass sie es (in ihrer Übersetzung) nicht genau (genug) genommen haben.

Raschbams Kommentar ist lexikographisch ausgerichtet: Er unterscheidet zwischen retzicha ‚Morden‘, hariga ‚Töten‘ und mita ‚Totschlag‘. Seine Kritik richtet sich gegen die christlichen Exegeten, die aufgrund mangelnder Sprachkompetenz zu einer falschen Erklärung des Textes gelangen. Möglicherweise steckt hinter dieser Erklärung der implizite Vorwurf an die christlichen Exegeten, dass, wenn schon ihre buchstäblichen Deutungen oftmals falsch seien, weil ihre Hebräischkenntnisse nicht ausreichten, die Auslegungen ad allegoriam einmal mehr angreifbar werden. Andererseits zeigt die offenbar erfolgte Zustimmung seitens christlicher Gelehrter, dass hier weniger polemisch disputiert als gemeinsam gelernt wurde. Wahrscheinlich hat die christliche Seite nachgefragt, denn Raschbams Lateinkenntnisse waren wohl mehr indirekter Natur, und lateinische Auslegungen dürften ihm daher auch nur durch mündliche Vermittlung bekannt gewesen sein. Manchmal greift der Begriff der Polemik aber auch zu kurz, wenn es darum ging, ein richtiges Textverständnis zu vermitteln (und dies durchaus in Überwindung des klassischen religiösen Lesekontextes). Exemplarisch lässt sich dies an der Auslegung zu Gen 49,10 zeigen, wo sowohl gegen die Christen (notzrim) als auch gegen die Juden (ivrim) polemisiert wird: (Nicht soll das Zepter von Juda weichen …) bis der König von Juda Raschbam zu kommt, das ist Rehabeam, der Sohn Salomos, der kam, um das Königtum Gen 49,10: Die zu erneuern, (und zwar) in Schilo (vgl. 1Kön 12,1), das in der Nähe von Frage des Messias Sichem ist. Damals aber fielen die zehn Stämme von ihm ab und machten Jerobeam zum König, und Rehabeam, dem Sohn Salomos, blieben nur Juda und Benjamin (…) Und in Sichem gab es ein ebenes Flurstück um die Eiche herum (vgl. Gen 35,4; Jos 24,26), wo sich Menschen versammeln konnten. Und dieser einfache Wortsinn (Peschat) ist (gleichzeitig) eine Antwort an die Andersgläubigen, denn das hier notierte Schilo meint nichts anderes als den Namen einer Stadt, denn es gibt keine altfranzösischen Wörter in der Bibel [möglicherweise auf das altfranzösische salut bezogen (vgl. Ed. Rosin 1881, 72)]; auch steht hier weder ‚schello‘ [hebr. für aram. dedileh; vgl. Onqelos, ad loc.], entsprechend der Deutungen (mancher) Juden (ivrim), noch schaliach ‚Gesandter‘, wie es die Christen (ha-notzrim) meinen.

Diese Erklärung weist alle jüdischen und christlichen Erklärungen zurück, die ‚Schilo‘ auf den messianischen Herrscher beziehen. Auch Raschi auf der Basis des Targum* hatte noch selbstverständ-

94    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur lich Schilo als den messianischen König (melekh ha-maschiach) erklärt. Raschbam muss an dieser Stelle auch Kenntnis von der in der Vulgata* gegebenen Lesart erhalten haben, die Schilo als qui mittendus est (‚der gesendet werden muss‘) übersetzt und den Ausdruck damit ebenfalls auf den messianischen Gesandten bezieht. Sein Kommentar deutet Schilo als Ortsnamen und bezieht die Prophezeiung Jakobs auf Rehabeam, der sich in Sichem (in der Nähe von Schilo) zum König erheben ließ. Die meisten modernen Interpreten (Sh. Cohen 2004; Touitou 1990) sehen in dieser Auslegung, die den sensus historicus favorisiert, eine antichristliche Polemik, aber die Gegenüberstellung von notzrim ‚Christen‘ und ivrim ‚Juden‘ (wörtlich: ‚Hebräer‘) scheint eher als Zurückweisung der religiösen Lesart jener beider Gruppen gemeint zu sein, deren erste die Bibel auf Latein und deren zweite die Bibel auf Hebräisch liest und dabei in jedem Fall pro domo ausdeutet. Der Ausdruck notzrim ‚Christen‘ (nicht wie erwartet: minim), so er an dieser Stelle überhaupt auf Raschbam zurückgeht (dieser Ausdruck kommt sonst in Raschbams Kommentar nicht mehr vor), entbehrt vielmehr jeder pejorativen Konnotation. Raschbam sucht hier wahrscheinlich den einfachen Wortsinn zu verteidigen, seine Argumentation ist jedenfalls durchgehend philologisch. Die hier besprochenen Beispiele zeigen, dass die sog. Polemik eher als ein erster Versuch zu werten ist, den religiösen Binnendiskurs zu verlassen und in einen Wissenschaftsdiskurs mit anderen Meinungen einzutreten (so auch Touitou 1990). Dabei trifft es, wie das Beispiel aus Gen 49,10 zeigt, beide religiösen Lesarten, die christliche wie auch die jüdische. In erster Linie sollte also hier der Text möglichst vorbehaltlos interpretiert und diese Deutung auf der Basis philologischer Argumente durchgesetzt werden. f.  Bibelstudium in feindlicher Umgebung Neben diesen eher intellektuellen Auseinandersetzungen mit den Auslegungen anderer, zeigen sich in den nordfranzösischen Bibelkommentaren aber immer wieder Spitzen und Nadelstiche, die zumeist weniger eine Zurückweisung christlich-exegetischer Auslegungen als vielmehr Selbstbestätigungen und Ermutigungen für eine in schweren Zeiten mental und physisch zunehmend geschwächte jüdische Gemeinschaft darstellen, vor allem zwischen dem ersten (1096 – 99) und dem dritten Kreuzzug (1189 – 92). Ein interessantes Beispiel dafür findet sich in Raschis Kommentar zu Gen 1,1. Raschi diskutiert die Frage, warum die Tora mit dem Schöpfungsbericht beginnt:

3.3.  Neue Zugänge    95 Im Anfang: R. Jitzchaq sagte: (Mit „Im Anfang schuf …“) hätte die Tora Raschi zu Gen 1,1 eigentlich nicht anfangen dürfen, sondern mit Dieser Monat sei euch der Anfang (der Monatszählung) (Ex 12,2), denn dies ist das erste Gebot, das Israel (als einer Kultgemeinde) gegeben wurde (…). Was (also) ist der Grund, dass (der Text mit) Im Anfang … eröffnet? Die Kraft seiner Taten hat er seinem Volk kundgetan, ihnen das Erbe der Nationen zu geben (Ps 111,6): Wenn nämlich die Völker der Welt zu Israel sagen sollten: ‚Ihr seid Räuber, denn ihr habt die Länder der sieben Nationen eingenommen‘, so sagen sie ihnen: ‚Das ganze Land gehört dem Heiligen, er sei gepriesen. Er hat es erschaffen, und dem gegeben, der in seinen Augen gerecht ist‘ (vgl. Jer 27,5). Nach seinem Willen hat er es ihnen gegeben, und nach seinem Willen hat er es (wieder) von ihnen genommen und uns gegeben.

Im Zentrum dieser Deutung steht die Aussage, dass das Land Israel durchaus einmal anderen Völkern gehört habe, dass aber aufgrund der göttlichen Entscheidung das Land in den Besitz Israels gelangt sei (nach Raschi auch nicht grundlos, wie der Hinweis auf Israels Gerechtigkeit betont). Touitou (Touitou 1990) sieht hier eine Reaktion Raschis auf den ersten Kreuzzug (1096 – 99), zu dem Urban II. aufgerufen hatte und der 1099 mit der ‚Befreiung‘ des Heiligen Landes durch die Kreuzritter und der Einnahme Jerusalems endete, die vor allem als Befreiung des Heiligen Grabes verstanden wurde. Die Einnahme von Eretz Israel bedeutete natürlich Wasser auf die christlich-theologischen Mühlen, wonach der alte Israelbund endgültig durch den Neuen Bund Gottes mit der Kirche abgelöst sei, und stellte darin den jüdischen Erwählungsglauben und die damit verbundene Verheißung auf erneute Inbesitznahme des Landes und die Rückkehr der Juden einmal mehr in Frage. Raschis Auslegung ist allerdings sehr subtil formuliert: Man weiß nicht genau, ob sie auf die Zeit anspielt, als die Juden das Land einmal besaßen, oder ob sie eine Zukunftsaussage impliziert und damit die Hoffnung stärken möchte, dass einstmals das Land auf jeden Fall wieder an die Juden (zurück-)fällt, schon deshalb, weil es die Tora programmatisch an den Anfang stellt! Diese Auslegung richtet sich an eine angeschlagene und mutlose Gemeinde und zeigt, dass Raschis Bibelauslegung immer auch eine ‚seelsorgerliche‘ Aufgabe versah (zur weiteren Auseinandersetzung Rambans mit Raschis Kommentar siehe unten Kap. 6.3.a.). Die Psalmen bieten sich wie kaum eine andere der biblischen Aktualisierende Literaturen an, den Gegensatz zwischen ‚gerecht‘ und ‚frevelhaft‘ Psalmenauslegung aufzuzeigen und als für die eigene Zeit geltend zu beanspruchen. Ps 6,11 lautet in der biblischen Überlieferung: Zuschanden und sehr verstört werden alle meine Feinde, sie weichen zurück [jaschuvu] und werden im Nu beschämt. Raschis Erklärung nimmt ihren Ausgangspunkt bei dem Verb jaschuvu (*‫)שוב‬, das nicht nur ‚zurück-umkehren / zurückweichen‘ zum Ausdruck bringt, sondern,

96    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur sofern mit einem zweiten Verb verbunden, das Moment der Wiederholung impliziert: Raschi zu Ps 6,11

Was bedeutet sie weichen zurück und werden im Nu beschämt? [Es bedeutet]: ein zweites Mal. Rabbi Jochanan sagte (vgl. Jalqut Schim‘oni, Bd. 2, § 714 [zu Ps 31,1]): In den zukünftigen Tagen wird der Heilige, er sei gepriesen, die Frevler unter den Völkern der Welt richten und sie zur gehinnom (‚Hölle‘) verurteilen. Wenn sie dann gegen ihn zornig werden, wird der Heilige, er sei gepriesen, sie wieder (zur Erde) zurückbringen und ihnen ihre Evangelien (giljonim; Sg. gillajon) zeigen. Und er wird sie (danach) richten und sie (wiederum) verurteilen. (Dann) bringt er sie zur gehinnom (‚Hölle‘) zurück. Dieses (nochmalige Verurteilen zur gehinnom ist eine doppelte Beschämung (buscha kefula) (für sie).

Auch diese Erklärung entspringt dem unbedingten Wunsch, dass die Frevler unter den Christen (die Nennung der Evangelien zeigt einen eindeutigen Bezug auf die christliche Umwelt) ihre gerechte Strafe dereinst erhalten werden. Zentral ist hier der Begriff der Beschämung. Er spielt in der hebräischen Traditionsliteratur ohnehin eine große Rolle, meistens jedoch im Kontext von Scham und Verachtung (buscha u-khelima) Israels angesichts der Massaker durch die anderen Völker (vgl. EkhaR Petichta 24; Raschi zu Ps 14,6). Zugute halten kann man Raschi hier, dass er offenbar einen Unterschied zwischen den ‚Gerechten‘ und den ‚Frevlern‘ auch unter den Christen voraussetzt. Die Konkurrenzsituation zwischen Juden und Christen wird mit dem Bezug auf die Evangelien auf den Punkt gebracht: Die Christen, die auch nach Raschis Ansicht nicht zu den Götzendienern gehören, werden an ihren eigenen heiligen Schriften gemessen und deshalb zum zweiten Mal verdammt. Schärfer kann man den christlichen Erwählungsanspruch kaum zurückweisen. In der ausgehenden zweiten Generation nach Raschi lässt sich erkennen, dass die jüdische Exegese unter dem Druck der Verfolgungen ihren exklusiv intellektuellen Zugang zur Bibel ein erstes Mal wieder aufgibt, um die an den narrativen Bibelauslegungen erprobte Technik der Nach- oder Neuerzählung nun unmittelbar auf die tröstende Anrede der Gemeinde anzuwenden: Aus Hos 2,1 – 3, einer in unpersönlicher 3. Pers. formulierten Verheißung der endzeitlichen Wiederherstellung Israels, wird bei R. Eli‘ezer aus Beaugency eine in der 1. Pers. formulierte göttliche Zusicherung: R. Eli‘ezer aus Beaugency zu Hos  2,1 – 3

Die Zahl der Kinder Israels in den Ländern ihrer Feinde wird am Ende der Tage wie Sand am Meer werden, denn auch dann noch, da sie sich im Land ihrer Feinde befinden, habe ich sie nie verworfen und verabscheut, um sie zu vernichten. Nein, ich werde sie dort fruchtbar werden und sich vermehren lassen, und dann werden alle Völker begreifen und erkennen, dass ich sie noch immer liebe. Und es wird geschehen, statt dass dort, wenn sie sich noch im Exil befinden, gesagt wird, dass sie nicht mein Volk seien, (man also meint), dass sie nicht im Exil wären, wenn sie mein Volk wären, wird

3.3.  Neue Zugänge    97 zu ihnen gesagt werden: Söhne des lebendigen Gottes, denn wenn auch ihre Väter gestorben sind – ihr Gott lebt (…).

Dieser Text reagiert unmittelbar auf den christlichen Vorwurf, dass das jüdische Exil ein Zeichen für das bleibende Verworfensein Israels sei. Auch diese Auslegung zeigt, wie kunstvoll in R. Eli‘ezers Auslegung der biblische Text mit seiner Erklärung verwoben ist. Der Peschat* wird unversehens zu einem göttlichen Manifest für die in der Diaspora befindliche Gemeinde. Der Bibeltext, vor allem die prophetischen Verheißungen, stellten Bibelauslegung zur für die nordfranzösischen Ausleger auch eine Quelle der Erbauung Erbauung dar. Dies zeigt der Kommentar des R. Eli‘ezer aus Beaugency zu Ez 37,12 (Siehe, ich öffne eure Gräber und lasse euch aus euren Gräbern heraufkommen als mein Volk und bringe euch ins Land Israel), der sich wie eine Predigt liest: (Aus euren Gräbern), d. h. aus dem Land der (anderen) Völker (…) Und R. Eli‘ezer aus dies ist ein großer Trost (nechama gedola) für all jene, die um der Einheit Beaugency zu des göttlichen Namens willen [d. h. als Märtyrer] gestorben sind. Aber Ez 37,12 (auch für jene), die nicht (eigentlich) umgebracht wurden (gilt diese Verheißung), da sie all ihre Tage Schmähungen (charafot), Schmach (qalon) und Erniedrigungen erdulden (mussten) und geschlagen wurden, weil sie nicht an die christlichen ‚Heilmittel‘ glaubten, und daran starben. Und (dieser Trost vollzieht sich nicht allein) durch (die) Sündenvergebung; vielmehr werden sie (wirklich) leben, auf ihren Füßen stehen und ins Land Israel gehen.

Der Hinweis auf die jüdischen Märtyrer verweist entweder auf den zweiten Kreuzzug von 1146, bei dem es vor allem in der Normandie zu Ausschreitungen und Übergriffen gegen die Juden kam (Battenberg 2000, 81 – 96), mehr noch aber auf die Judenverfolgungen, die 1171 durch eine Ritualmordaffäre in Blois an der Loire, nur knapp 40 km südlich von Beaugency, ausgelöst wurden (Einbinder 1998). Die Gräber, das sind die Länder der fremden Völker, d. h. jene Länder, in denen Israel in der Diaspora lebt. Anders als noch bei Raschi und Raschbam, zeigt sich jetzt bei R. Eli‘ezer aus Beaugency ein deutliches Bewusstsein für die ‚Uneigentlichkeit‘, in der das jüdische Volk unter den anderen Völkern leben musste. Die ezechielische Verheißung der Rückkehr in das Land Israel R. Eli‘ezer aus war für die Juden vor allem in Zeiten der Kreuzzüge nicht nur Beaugency zu unrealistisch; sie stellte im Kontext des christlichen Erwählungsan- Jes 24,23 spruches zunehmend eine Herausforderung an die eigene religiöse Standfestigkeit dar. Und je mehr man sich auch der literarischen Qualität der biblischen Schriften bewusst wurde, desto mehr klafften religiöser Anspruch und lebensweltliche Realität auseinander. So manche Auslegung R. Eli‘ezers wirkt daher schon fast wie die Beschwörung des Unmöglichen. Zu Jes 24,23 schreibt er:

98    3. Kapitel:  Die Bibel als Literatur Da wird der Mond beschämt werden und die Sonne sich schämen: (…) Dies ist ein Bildwort (maschal), mit anderen Worten: (der Vers meint), dass (die Kinder) Israels durch ihren Wohlstand und ihre Erlösung mehr Licht und Freude erlangen werden, als das Licht von Sonne und Mond. In jedem Fall werde ich mein Herz nicht (soweit) zur Verzweiflung kommen lassen, dass es den (eigentlichen) Sinn dieses Verses (maschma‘ut ha-miqra) (aufgibt), wonach es (dereinst) wirklich (mammasch) so eintreffe, denn unser Gott ist zu noch viel mehr als diesem hier imstande (…).

Diese Auslegung wider den realgeschichtlichen Augenschein spricht einmal mehr dafür, dass R. Eli‘ezer biographisch wohl eher in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts zu verorten ist. Der zweite und dritte Kreuzzug (1146; 1189) und die Vertreibung durch Philipp II. August 1181 (Greive 1992, 82 – 90) hinterließ bei den Juden Mittelund Westeuropas eine bis dahin nicht gekannte Verzweiflung, die offenbar nicht mehr mit den bisherigen religiösen Deutemustern aufzufangen war. Hier suchte der neue Umgang mit den biblischen und rabbinischen Quellen, der deutlich rationalistischer orientiert war und die literarische Qualität der Bibeltexte in den Vordergrund stellte, neue Wege, um die biblischen Schriften für den damaligen Menschen aktuell bleiben zu lassen.

3.4. Zusammenfassung Bereits an der Enkel-Generation von Raschi zeigt sich, dass die Juden in Nordfrankreich zu französischen Juden geworden waren. Sie sprachen besser Französisch als Hebräisch, und ihre Bibelkommentare zeigen, dass sie auch die nordfranzösische profane Literaturentwicklung aufnahmen. Die umfangreichen hebräisch-französischen Glossarien (sifre pitronot*) sind ein eindrucksvolles Zeugnis für das Bemühen, die Bibel unter den Juden (noch oder wieder) verständlich sein zu lassen. Diese Glossen der Bibelübersetzungen bilden gleichzeitig eine entscheidende Hinführung zur radikalen Peschat-Auslegung*, da im Übersetzungsprozess jedem Lemma* nur eine entsprechende Übersetzung an die Seite gestellt wird. Die Rezeption der französischen Kultur und Sprache schloss dabei die beginnende Literatur nicht aus, und gerade die Kommentare Raschbams zeigen eine intensive Aufnahme der zeitgenössischen höfischen Literatur und Literaturtheorie. Mit dem ausgehenden 12. Jahrhundert wird dies auch für die Juden Frankreichs in einem zunehmend judenfeindlichen Umfeld immer schwieriger, und dies spiegelt sich auch in den Kommentaren: Die anti-christliche Polemik wird heftiger, und die Bibelkommentatoren lassen immer häufiger eine apologetische Haltung erkennen.

3.4. Zusammenfassung    99

4. Kapitel: Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit

Battenberg, Friedrich, Das Europäische Zeitalter der Juden: Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Bd. I: Von den Anfängen bis 1650. Darmstadt 2000 (2., um ein Nachwort des Autors erw. Aufl.). Charlap, Luba, Rabbi Abraham Ibn-Ezra’s Linguistic System. Tradition and Innovation (hebr.). Beer Scheva 1999. Cohen, Mordechai, The Qimhi Family. In: Magne Sæbø (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000b, S. 388 – 415. Golb, Norman, The Jews in Medieval Normandy: A Social and Intellectual History. Cambridge / New York / Melbourne 1998. Greive, Hermann, Studien zum jüdischen Neuplatonismus: Die Religionsphilosophie des Abraham Ibn Ezra (Studia Judaica, Bd. 7). Berlin / New York 1973. – , Die Juden: Grundzüge ihrer Geschichte im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa. Darmstadt 41992. Lancaster, Irene, Deconstructing the Bibel. Abraham ibn Ezra’s Introduction to the Torah (Curzon Jewish Philosophy Series). London 2003. Maier, Johann, Geschichte der jüdischen Religion: Von der Zeit Alexanders des Großen bis zur Aufklärung. Mit einem Ausblick auf das 19./20. Jahrhundert (Spektrum, Bd. 4116). Freiburg / Basel / Wien 1992 (2., vollst. neu bearb. Aufl.). Prijs, Leo, Die grammatikalische Terminologie des Abraham Ibn Esra. Basel 1950 (ND Hildesheim 1987). Sæbø, Magne (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000. Sáenz-Badillos, Angel, Abraham ibn Ezra and the Twelfth-Century European Renaissance. In: Martin H. J. Baasten / Reinier Munk (Hgg.), Studies in Hebrew Literature and Jewish Culture. Presented to Albert van der Heide on the Occasion of His Sixty-Fifth Birthday (Amsterdam Studies in Jewish Thought, Bd. 12). Dordrecht 2007, S. 1 – 20. Sela, Shlomo, Abraham Ibn Ezra and the Rise of Medieval Hebrew Science (Brill’s Series in Jewish Studies, Bd. 32). Leiden / Boston 2003. Sela, Shlomo / Freudenthal, Gad, „Avraham Ibn Ezra’s Scholarly Writings: A Chronological Listing.“ Aleph: Historical Studies in Science and Judaism 6 (2006), S. 13 – 55. Simon, Uriel, Jewish Exegesis in Spain and Provence, and in the East, in the Twelfth and Thirteenth Centuries. Abraham ibn Ezra. In: Magne Sæbø (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000, S. 377 – 387. Talmage, Frank, David Kimhi. The Man and the Commentaries (Harvard Judaic Monographs, Bd. 1). Cambridge 1975.

100    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit

4.1. Voraussetzungen und Hintergründe Mit R. Avraham ibn Ezra und der über mehrere Generationen aktiven Familie Qimchi betreten wir ein neues Feld der jüdischen Bibelauslegung, das sich trotz Überschneidungen und gemeinsamer Quellen grundlegend von der Bibelauslegung in Nordfrankreich unterscheidet. Dies beginnt mit der Sammlung und Sortierung verschiedener Wissensformen und geht dabei in eine wissenschaftlich orientierte Bibelauslegung über. Hatte noch Raschbam, in dessen Umfeld ausschließlich rabbinisches Lernen vorherrschte, ausführlich begründen müssen, dass es zwei Wege der Bibelauslegung gibt, den rabbinischen und den literaturtheoretisch orientierten (vgl. oben Kap. 3.3.b. – 3.3.d.), so findet sich eine solche Begründung bei ibn Ezra gar nicht mehr: Er weist vier Arten der Bibelauslegung zugunsten einer fünften zurück, weil sein Umfeld zwar auch rabbinisches Lernen betrieb, dieses jedoch in einem Wissenschaftskontext neben der Sprachwissenschaft, Philosophie, Astronomie, Mathematik, Medizin und Psychologie als lediglich einer von vielen Wissenszweigen firmierte, die nicht nur ein enormes Entwicklungspotential in sich bargen, sondern sich durchgehend vor dem Forum der Vernunft zu rechtfertigen hatten. a.  Der Beginn der christlichen Reconquista Mit der Eroberung Cordobas durch die Berber 1013 und nach dem Niedergang der Herrschaft der Umayyaden 1031 (vgl. auch oben Kap. 1.2.c.) entstand eine Reihe kleiner Reiche auf spanischem Boden, zu deren politischer, finanzieller und wissenschaftlicher Elite sich auch die Juden zählen durften. In Sevilla, Granada oder Málaga bekleideten sie einflussreiche Positionen im Finanz- und Verwaltungswesen, suchten jedoch gleichzeitig, ihre eigene Literatur- und Kulturtradition zu festigen und auszubauen. Auf der anderen Seite begann die christliche Reconquista (1031 – 1260): 1095 markiert mit der christlichen Eroberung Toledos ein wichtiges Datum; 1115 fällt Tudela. Das aufsteigende christliche Spanien bot den Juden, anders als unter den Muslimen, anfangs ein günstiges Klima und eine Privilegierung durch die herrschende Schicht (Kirche und Adel). Insbesondere Lucena zeigt, wie sehr hier verschiedene Kultur- und Religionskreise aufeinander prallten: zum einen war die Stadt, wie auch Toledo, seit 1085 unter christlicher Herrschaft, von einer regen Übersetzertätigkeit vom Arabischen ins Lateinische geprägt; auf der anderen Seite war Lucena auch ein Zentrum der judäo-arabischen Hebraistik, bis dies durch die Almohaden-Kriege jäh zerstört wurde: 1146 wurden die Juden verfolgt

4.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    101

und zur Konversion gezwungen. Viele suchten den Verfolgungen zu entgehen, indem sie entweder nach Eretz Israel einwanderten oder, wie Mosche ben Maimon (Rambam / Maimonides; 1135 – 1204) nach Ägypten emigrierten. Mit dem Ende des Almohaden-Reiches 1212 und der Eroberung des Südens (Fall Cordobas 1236) durch Ferdinand III. von Kastilien und Léon (1199 – 1252) kommt die Reconquista zu ihrem ersten Abschluss. Unter Ferdinands Sohn Alfons X. (1221 – 84; ‚El Sabio / der Weise‘) gelangte die jüdisch-arabische Bildungskultur zur Blüte (Greive 1992, 31 – 43). Hermann Greive sieht hier den „Kulminationspunkt des gesamten Vermittlungsprozesses des wissenschaftlichen Kulturgutes der arabischen Welt an den Okzident“ (Greive 1992, 41). b.  Jüdische Bildungskultur in Spanien und der Provence Die spanischen Juden zeigten ein intensives Bemühen, sich von den letzten Geonim in Babylonien zu emanzipieren. Zentren der Gelehrsamkeit waren Cordoba und Lucena, aber im Gegensatz zum talmudischen* Studium bei den aschkenasischen* Juden, unter denen das Studium von Tora und Talmud um seiner selbst willen (tora lischma*) betrieben wurde, waren die spanischen Talmudisten vor allem um die Explikation und Anwendung für die rituelle Praxis bemüht (Reichman 2007). Jitzchaq Alfasis (1013 – 1103) Hilkhot Rabbati seien hierfür exemplarisch genannt. Aber während man in Deutschland und Frankreich praktisch ausschließlich den Talmud und die Bibel studierte, verzweigt sich das jüdische Wissen in Spanien im 10. und 11. Jahrhundert in mehrere und für die weitere Entwicklung des Judentums grundlegende Wissensgebiete. Dazu gehörte vor allem anderen die Entwicklung der hebräischen Sprachwissenschaft (vgl. oben Kap. 1.2.c.). Die hier verfassten arabischen Grundlagenwerke wurden bald sukzessive ins Hebräische übertragen und setzten sich dann langsam auch in Westeuropa durch. Es war zuerst R. Avraham ibn Ezra, der die grammatischen Werke von R. Jehuda Chajjūğ für die Juden Norditaliens ins Hebräische übersetzte: den Sefer Otijjot ha-Noach (‚Buch über die sog. litterae quiescens [‫ ו‬,‫ י‬,‫ ה‬,‫ ;‘]א‬Prijs 1950, 80 – 83) sowie den Sefer ha-Niqqud (‚Buch über die Punktation‘; vgl. auch Charlap 1999, 6). Der Sefer ha-Kefel (‚Buch über die Verdoppelung‘) wurde zunächst von Mosche ibn Gikatilla übersetzt (Rottzoll 2000, CXXIII), alsdann aber auch von ibn Ezra. Die Werke von R. Jona ibn Ğanaḥ, insbesondere sein Wurzelwörterbuch (arab. Kitāb al-Uzūl, hebr. Sefer ha-Schoraschim) und seine Grammatik (arab. Kitāb al-Luma, hebr. Sefer ha-Riqma) wurden erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts von Jehuda ibn Tibbon ins

Talmudstudium

Arabisch-hebräi­ sche Übersetzer­ tätigkeit

102    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit

Philosophie und Poetik

Naturwissen­ schaften

Hebräische übersetzt und gelangten so in die Bibliotheken auch der französischen und aschkenasischen Juden. Der Übersetzer Jehuda ben Scha’ul ibn Tibbon (1120 – nach 1190) schreibt hermeneutisch ausgefeilt in seiner Einleitung zum Sefer ha-Riqma, dass eine Übersetzung stets unzureichend und der Inhalt des Werkes aufgrund der formalen Änderung (vom Arabischen ins Hebräische) auch inhaltlich nur unzulänglich zu übertragen sei, da jedem Wort auch eine spezifische Bedeutung (injan) zu eigen sei. Hierin steht ibn Tibbon in guter Tradition aller mittelalterlichen Grammatiker: Diese standen auf dem Standpunkt, dass jedes hebräische Wort aus zwei Komponenten bestehe, dem mar’e, d. h. der äußerlichen / schriftlichen Erscheinung, und (als semantischer Kategorie) dem injan, der Bedeutung eines Wortes. Gerade im lexikographischen Zusammenhang wurde daher nur zu oft davor gewarnt, mar’e und injan fälschlich zusammenzubringen, indem man (dies ist die dritte Dimension) ein falsches dome, d. h. eine falsche Analogie, ins Spiel brachte. In der Zeit der Almoravidenherrschaft ab 1086 beginnt so etwas wie eine zweite kulturelle Blütezeit für die Juden (Greive 1992, 27 – 30), in der die islamisch-arabische Wissenstradition auf fruchtbaren jüdischen Boden fällt. Vermittelt und angeregt durch arabische Dichtkunst erwuchs auch im jüdischen Spanien eine eigene profane wie religiöse Poesie, als deren wichtigste Vertreter Schelomo ibn Gabirol (1020 – ca. 1058), Mosche ibn Ezra (ca. 1055 – ca. 1140) sowie Jehuda ha-Levi (1075 – 1141) zu nennen sind. An ibn Gabirol zeigt sich exemplarisch, wie die Juden Spaniens die Anregungen ihrer Umweltkultur aufnahmen. Sein philosophisches Hauptwerk Meqor Chajjim (‚Quelle des Lebens‘; lateinisch bekannt als fons vitae), das ursprünglich auf Arabisch verfasst wurde und heute nur in der lateinischen Version vollständig erhalten ist, zeigt ein neuplatonisches Gottes- und Weltbild und wurde nicht nur von ibn Ezra, sondern im 12. und 13. Jahrhundert vor allem von den sog. Chaside Aschkenaz* (vgl. nachfolgend Kap. 5) rezipiert. Neben Philosophie und Dichtkunst spielten auch die durch die Araber vermittelten Wissenschaften eine entscheidende Rolle: Astronomie, Mathematik, Psychologie, Kosmogonie und Logik sind Felder, die in die Kommentare der von diesem Kulturraum beeinflussten jüdischen Bibelausleger eingeflossen sind. Ganz ähnlich der Philologie, die die ‚heilige Sprache‘ in eine ‚wissenschaftliche Sprache‘ zu bringen suchte, wurden gerade Kosmogonie und Astronomie als ‚theologische Wissenschaften‘ adaptiert und prägten das Denken der Juden aus Spanien und der Provence. Insbesondere in der von der arabischen Gelehrsamkeit geprägten Gesellschaft lässt sich keine geradlinige Unterscheidung zwischen ‚heiligen‘ und

4.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    103

‚profanen‘ Wissenschaften ausmachen, im Gegenteil: Das Studium der Natur-Wissenschaften war ein Teil auch der ‚Theo-Logie‘. In dieser Zeit entsteht das Ideal des Universalgelehrten, das auch für die Juden prägend wurde. Das Talmudstudium allein reichte nicht mehr, und dies hing sicher damit zusammen, dass die Juden auch in wirtschaftlich-politischer Hinsicht mit den Nicht-Juden einen gemeinsamen öffentlichen Raum teilten. Die hiesigen Gelehrten verfassten weniger Bibelkommentare oder Talmudkommentierungen, sondern Schriften ganz verschiedener Genres. Neben grammatischen und philosophischen Traktaten und poetischen Werken finden wir Polemiken ebenso wie astronomische und medizinische Abhandlungen. Letztere wurden vor allem von Gerrit Bos ediert (Bos 2002 ff.). Der wissenschaftliche Gewinn für alle Disziplinen, die sich mit der Wissenschaftsgeschichte des mittelalterlichen Judentums, Christentums und dem Islam beschäftigen, kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Das profane Wissen fand seinen Niederschlag auch immer wieder in den Bibelkommentaren. Die jüdische Teilhabe an der allgemeinen Wissenskultur wurde intensiv gesucht und sollte spätestens von der Mitte des 12. Jahrhunderts an zu enormen innerjüdischen Konflikten führen (vgl. im Folgenden Kap. 6.1.a.). Das 11. und 12. Jahrhundert war gleichzeitig aber auch die Pe- Midrasch-Sam­ riode der späteren Midraschim*, z. B. Ester Rabba II (Langer 2016, melwerke des 290; Börner-Klein / Hollender 2000) oder Midrasch Tehillim II Hochmittelalters (Langer 2016, 291). In Narbonne waren es neben dem Midrasch Rabba vor allem Texte aus der Schule des R. Mosche ha-Darschan (‚der Ausleger / Prediger‘; 11. Jahrhundert) aus Narbonne und des Tuvja ben Eli‘ezer (Kastoria / Mainz; 11. Jahrhundert), die intensiv rezipiert wurden. Mosche ha-Darschan war neben Tuvja ben Eli‘ezer der wichtigste Exponent für aggadische Auslegungen und Midrasch-Exzerpte im Hochmittelalter. Auf Mosche ha-Darschan, den Lehrer von Natan ben Jechi’el aus Rom (Verfasser des Sefer Arukh), geht das Werk Bereschit Rabbati zurück; der Kommentar des Tuvja ben Eli‘ezer ist unter dem Namen Leqach Tov (‚gute Lehre‘), einem Kommentar zur Tora und den fünf Megillot*, überliefert (verfasst 1107) und wurde wohl von ihm selbst mehrfach überarbeitet (zum Ganzen Stemberger 2011, 389 – 397; Langer 2016, bes. 241 – 248).

104    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit

4.2. Persönlichkeiten a.  R. Avraham ben Meïr ibn Ezra (1089 – ca. 1165) Biographie

Ibn Ezra in Spanien

Naturwissenschaft­ liche Schriften

Autobiographische Dichtkunst

R. Avraham ben Meïr ibn Ezra ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten des jüdischen Mittelalters. Nirgendwo zuhause, mit etlichen dunklen Flecken bzw. ‚biographischen Leerstellen‘ gibt er uns heute mehr Rätsel auf als jeder andere der mittelalterlichen Bibelkommentatoren. Aber R. Avraham ibn Ezra war weit mehr als ein Bibelkommentator: Er war auch Poet, Grammatiker (für das Hebräische wie für das Arabische), Philosoph, Astronom und Arzt. Geboren wahrscheinlich in Tudela, Spanien (Provinz Navarra), zerfällt sein Leben in zwei sehr klar voneinander zu trennende Abschnitte, deren Zeitspanne schon als solche signifikant ins Auge fällt. Von der Zeit zwischen 1089 und 1139 / 40, also von den ersten 51(!) Jahren seines Lebens, wissen wir eigentlich gar nichts. Leider ist auch von ibn Ezras Familie fast nichts überliefert. In einem seiner Gedichte wird auf fünf Söhne angespielt, nur einer, Jitzchaq, ist namentlich bekannt und konvertierte wahrscheinlich zum Islam. Die ersten literarischen Zeugnisse von R. Avraham ibn Ezra stammen noch aus seiner Zeit in Spanien, es sind ausschließlich Gedichte und Lieder, die allerdings noch nichts von dem späteren Grammatiker, Bibelkommentator, Philosophen und Astronomen erkennen lassen. Von ibn Ezra haben sich mehr als dreißig Traktate zu unterschiedlichen Themenfeldern erhalten. Seine naturwissenschaftlichen Schriften umfassen mathematische, astronomische und astrologische Arbeiten sowie Schriften, die sich mit dem jüdischen Kalender beschäftigen (ein guter Überblick über diese Werke ibn Ezras findet sich bei Sela / Freudenthal 2006; Sela 2003, 17 – 92). Sie sind auch handschriftlich weitaus besser bezeugt als seine Bibelkommentare, und weil sie vom 13. Jahrhundert an ins Lateinische und andere europäische Sprachen (v. a. ins Französische) übersetzt wurden, wurden sie auch christlichen Gelehrtenkreisen zugänglich, über die sie sich schnell verbreiteten. An seinem Leben lässt uns ibn Ezra vor allem durch seine Gedichte teilhaben. Er verfasste sowohl liturgische Gedichte (pijjutim*) als auch profane Gedichte bis hin zu Spottliedern. Seine religiöse Poesie ist getragen von dem Bewusstsein, Gotteserkenntnis zu erlangen, um zu einer intellektuellen Vereinigung mit der Gottheit zu kommen. Ibn Ezras pijjutim (unter ihnen auch einige qerovot* und avodot*) sind heute noch Teil der jüdischen synagogalen und häuslichen Feiertagsliturgie. Bekannt ist vor allem seine Schabbat-Hymne (Tzur Mischelo). Seine Gedichte sind die einzige literarische Hinterlassenschaft aus seiner spanischen Zeit.

4.2. Persönlichkeiten    105

Der zweite Lebensabschnitt Avraham ibn Ezras beginnt mit sei- Ibn Ezras Wander­ nen sog. ‚Wanderjahren‘ ab 1139 / 40. Seine Reisen, die ihn bis jahre nach Kairouan in Tunesien führten, hat Irene Lancaster auf einer Karte eindrucksvoll zusammengestellt (Lancaster 2003, XV; 1 – 21; Charlap 1999, 1 – 6). Er gelangt zunächst nach Rom. Ob er aus Spanien fliehen musste, ist unklar. In seinem poetischen Prolog zum Qohelet-Kommentar schreibt er, dass er mit „zitternder ­Seele“ in Rom ankam, und in seinem Vorwort zum Kommentar zu den Klageliedern (Ekha) erzählt er: „Es vertrieb mich aus Spanien der Grimm der Bedränger“. Manche beziehen diese Aussage auf die Verfolgung der Juden durch die Almohaden. Ebenso wie die näheren Umstände seiner Flucht liegen auch seine Reiseroute und die Art, wie er reiste und wie er sich auf seinen Reisen finanzierte, mehr oder weniger im Dunkeln. Wovon ibn Ezra in Rom gelebt hat, kann nur vermutet werden. Ibn Ezra in Rom Auch hier sind wir wieder fast ausschließlich auf seine Gedichte angewiesen, die leider oftmals mehr verdunkeln, als dass sie Sachverhalte klären könnten. Ein Benjamin ben Joav wird als sein Schüler vorgestellt (wohl nicht identisch mit Benjamin ben Jona aus Tudela). Allerdings lässt das Gedicht Nedod Hesir Oni erkennen, dass sein ganzer Aufenthalt in Rom nicht glücklich endete. Es heißt dort (u. a.) Ich bin gestraft vor den Augen allen Fleisches. Die Herrlichkeit meiner Nedod Hesir Oni Pracht ist gewichen, und sie knirschen mit den Zähnen gegen mich (…). Wir (leben zusammen) mit denen, die arm an Wissen sind, bei denen sich Leichtsinn mit Torheit verbunden hat. Daher befinden wir uns unter den Exilierten quasi nochmals im Exil (…). In Edom gibt es keine Ehrung für jeglichen Weisen, der dort wohnt, wie es im Lande des Sohnes Kedars (= muslimische Länder) der Fall ist. Deshalb pfeifen sie uns fort (…) (ed. Rosin 1887, Reime, 1,2, 89).

Im Gegensatz zum muslimischen Spanien gilt er im christlichen Rom also nichts. Es ist naheliegend, dass die Juden Roms ihn vermutlich zunehmend abfällig betrachteten. Dass ibn Ezra wohl nicht über eine fundierte talmudische* Bildung verfügte, mag ein weiterer Grund gewesen sein, dass ihm die Juden in Rom mit Misstrauen begegneten. In Rom begann ibn Ezras Tätigkeit als Grammatiker und Exeget. Grammatisch-exe­ Ibn Ezra hat kein neues grammatisches System entworfen, und er getische Arbeiten wollte dies auch nicht. Dennoch wurde er für Generationen als einer der Väter der hebräischen Grammatik betrachtet, und dies vor allem aus zwei Gründen: Einerseits sammelte er das Material der frühen Philologen vom Osten und aus Spanien (vgl. oben Kap. 1.2.c.) und andererseits schrieb er, im Gegensatz zu diesen früheren Grammatikern, auf Hebräisch. Sein erstes eigenes grammati-

106    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit

Kommentare zu den Ketuvim

Ibn Ezras erster Tora-Kommentar

Erste grammatische Grundlagenwerke

Ibn Ezras Zeit in Frankreich

sches Werk war Mozne Leschon ha-Qodesch (auch: Sefer Moznajjim ‚Buch der Waage‘; 1140 – 42; gedruckt erstmals Venedig 1546). Bei den biblischen Büchern begann er mit den Schriften (Ketuvim; vgl. die umfangreiche Liste bei Sela / Freudenthal 2006, dort auch genaue Referenzen aller exegetischen Querverweise). Seine ersten Kommentare zu den Büchern Qohelet (1140), Ester (1140 – 42), Klagelieder (Ekha; 1142) und Hiob (1140 – 42) gelten als seine frühesten Bibelkommentare, da beide keinerlei Bezug auf seine anderen exegetischen Werke erkennen lassen. Möglicherweise wurden auch der kurze Daniel-Kommentar (1140 – 45), der erste Kommentar zum Hohenlied (1140 – 45) und sein fragmentarischer Psalmen-Kommentar (1140 – 45) noch in Rom (und nicht erst in Lucca) verfasst. Ibn Ezra verließ Rom 1145 in Richtung Pisa, von wo er bald nach Lucca (Toskana) weiterzog. Hier entstanden neben ersten Traktaten zur Astronomie ein erster Kommentar zum Dodekapropheton (Tere Asar; 1142 – 45) und ein kurzer Kommentar zum Pentateuch (nach seiner ausführlichen Einleitung bekannt als Sefer ha-Jaschar; 1142 – 45; ed. Weiser 1977). Die Einleitung zum ersten Tora-Kommentar ist programmatisch, insofern ibn Ezra hier vier verschiedene Wege der Bibelauslegung kritisiert, um dann seinen eigenen fünften Weg als den Königsweg vorzustellen. Daneben verfasste er einen Kommentar zu den Büchern Rut (1142 – 45) und Jesaja (1145) sowie einige grammatische Werke: Sefer ha-Jesod ‚Buch von den Grundlagen der [hebräischen] Sprache‘ (1142 – 45), Jesod Diqduq hu Sefat Jeter ‚Buch von den Grundlagen der Grammatik‘ (1142 – 1145) sowie eine Verteidigungsschrift der Arbeiten R. Sa‘adjas gegen die Vorwürfe des Dunasch ibn Labrat, von der ibn Ezra nach eigener Aussage in Ägypten Kenntnis erhalten hatte (Sefer Haganna al R. Sa‘adja Gaon; 1142 – 45). Hier zeigt sich bereits, welches große Gewicht ibn Ezra auf die grammatikalische Lern- und Lehrtradition Spaniens legte und wie sich dies ebenfalls auf sein Bibelverständnis auswirkte. Auch die nachfolgenden Jahre in Italien, ibn Ezra hielt sich in Mantua und Verona auf, waren vor allem der systematischen grammatischen Arbeit gewidmet: In Mantua verfasste er den Sefer Tzachut (‚Buch der Erlesenheit [der hebräischen Sprache]‘; 1145), in Verona den Sefer Safa Berura (‚Buch der klaren Sprache‘). Im Sefer Safa Berura findet sich auch bereits ein harscher Angriff gegen Raschi, dem ibn Ezra vorwirft, er habe nur vermeintlich die Bibel gemäß dem Peschat* erklärt; faktisch verdiene nur eine von 1000 Erklärungen Raschis dieses Prädikat (Sefer Safa Berura, ed. Wilensky 1923, 274). 1147 verließ ibn Ezra Italien und ging in die Provence, zuerst nach Béziers (1147 / 48) und Narbonne (1148 – 54), dann weiter

4.2. Persönlichkeiten    107

nach Nordfrankreich (Tzarfat*; 1154 – 56). Hier hielt er sich vor allem in Rouen und Dreux auf. Die Jahre in Frankreich waren für ihn eine Zeit großer Aktivität: In Béziers und Narbonne entstanden sein Sefer ha-Echad (‚Buch des Einen‘; vor 1148), (als Auftragswerk) der Sefer ha-Schem (‚Buch des [göttlichen] Namens‘; 1148) sowie mehr als zehn astronomische, natur- und kalenderwissenschaftliche Schriften (vgl. die umfangreiche Liste bei Sela / Freudenthal 2006). Erst in Rouen, wo er sich mit der nordfranzösischen Exegese auseinandersetzen musste, wandte er sich wieder der Bibelkommentierung zu. Er verfasste einen zweiten Kommentar zu Ester (1153 – 56), einen langen Kommentar zum Buch Daniel (1155) sowie den langen Tora-Kommentar, von dem jedoch nur noch die Einleitung, einige Passagen des Buches Genesis (1155 / 56) und der komplette Exodus-Kommentar (1155 – 57) erhalten sind. Daneben schrieb ibn Ezra einen zweiten Kommentar zu den Psalmen (1156), zum Hohenlied (Schir ha-Schirim; 1155 – 57) und zum Zwölfprophetenbuch (Tere Asar; 1156). Von seinen Tora-Kommentaren haben sich darüber hinaus zwei weitere Kommentarfragmente (zu den paraschijjot Wajjischlach und Wajechi) eines dritten Genesis-Kommentars erhalten (ed. Mondschein 1997), den ibn Ezra 1157 / 58 offenbar in London verfasst hat. Der erste, der ibn Ezras Urheberschaft des langen Exodus-Kom- Der lange Exo­ mentares in der uns heute vorliegenden Form in Frage stellte, dus-Kommentar war R. Eli‘ezer Josef Tov Elem (Bonfils; ca. 1335 – 88) in seinem Superkommentar Tzafenat-Pa‘aneach, benannt nach dem neuen Namen des biblischen Josef (Gen 41,45). In der Einleitung seiner Erklärungen zu ibn Ezras erstem (kurzen) Exodus-Kommentar legte er an einer Reihe von dreizehn Einzelbeispielen dar, warum er glaube, dass nicht ibn Ezra selbst, sondern seine Schüler den langen Kommentar in der ihm (und uns) vorliegenden Form zusammengestellt hätten. Nicht nur die Länge an sich, sondern auch Doppelungen, Schülerbemerkungen (z. B. im Kommentar zu Ex 12,9) sowie philosophische Exkurse, die sich gerade nicht mit ibn Ezras Anspruch einer Pentateuchkommentierung vertrügen (vgl. nachfolgend Kap. 4.3.a.), sprächen dafür, dass hier Spätere aus verschiedenen Büchern zusammengetragen hätten. In der Tat gehen die großen Exkurse zum Gottesnamen, die in die Auslegung von Ex 3,15 und 33,21 eingeschaltet sind, wohl auf ibn Ezra zurück, sie bilden jedoch signifikante Doppelungen zu einzelnen Teilen des Sefer ha-Mispar (Lucca; 1142 – 45) und des Sefer ha-Schem (Béziers; 1148). Seit Josef Bonfils ist die Diskussion um diesen Kommentar und sein Verhältnis zu den anderen Tora-Kommentaren ibn Ezras nicht abgerissen. Dirk Rottzoll hat in der Einleitung seiner Übersetzung des langen Exodus-Kommentars diese Diskussion in

108    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit

Begegnung mit den Tosafisten

Ibn Ezra in England

Ibn Ezras exegeti­ sche Vorbilder

ihrem pro und contra detailliert zusammengestellt (Rottzoll 2000, XIII – XLIX). Hier stehen weitere detaillierte Einzelanalysen und die Arbeit an den Handschriften noch aus. In Frankreich lernte ibn Ezra wohl auch Ja‘aqov ben Meïr ‚Rabbenu Tam‘ (1100 – 71) kennen, einen der vier Enkel Raschis, einen Bruder von Raschbam. Jedenfalls zitieren die tosafot (bRhSh 13a; bQid 37b) eine Anfrage ibn Ezras an Rabbenu Tam, der umgekehrt ein Bewunderer der Gedichte ibn Ezras war. Ibn Ezra kann in Rouen nicht an Raschbam und seinem Kreis vorbeigegangen sein, aber wie ihr Verhältnis zueinander war, bleibt weitgehend im Dunkeln. Als gesichert kann aber wohl gelten, dass ibn Ezra kaum wirklich einen ‚Fuß in die Tür‘ der Gruppe der nordfranzösischen Gelehrten bekam. Raschbam hat jedenfalls ibn Ezras Anwesenheit mit Stillschweigen quittiert: Er erwähnt ihn niemals namentlich in seinem Kommentar, wie auch umgekehrt R. Avraham ibn Ezra allenfalls indirekt gegen Raschbam oder in seinem Namen tradierte Auslegungen polemisiert. Es besteht nicht einmal ein wissenschaftlicher Konsens darüber, ob sie ihre Kommentare gegenseitig überhaupt gekannt haben (vgl. die Diskussion bei Jacobs 2010; Rottzoll 1998). Für seine unsteten Verhältnisse war ibn Ezra relativ lange in Frankreich. Er verließ das Land jedenfalls erst 1158 in Richtung London, wo er das Buch Jesod Mora (‚Fundament der Gottesfurcht‘) und vor allem die sog. Iggeret Schabbat (‚Brief des Schabbat‘; London 1158) verfasste. Ibn Ezras Verhältnis zu Raschbam ist gerade auch im Zusammenhang mit der Iggeret Schabbat diskutiert worden (zuletzt ausführlich Rottzoll 1998). Neben seinem schon erwähnten Sefer Jesod Mora ist die Iggeret Schabbat wohl seine letzte größere Schrift. Ibn Ezra starb zwischen 1165 und 1167 an einem unbekannten Ort. Als Sterbeorte werden Italien, England ebenso wie Südfrankreich oder Navarra angeboten (Charlap 1999, 6). Sein Leben endet also ebenso im biographischen Dunkel, wie es angefangen hat. Avraham ibn Ezra greift immer wieder auf rabbinische Gelehrte der sefardischen* Länder zurück; für ihn verkörperten diese eine nahezu ideale Synthese von judäo-arabischer philologischer und grammatischer Tradition einerseits und klassischer rabbinischer Gelehrsamkeit andererseits. Er erwähnt sie manchmal einfach als ‚Weise Spaniens‘ (chakhme sefarad; chakham echad bi-sfarad; chakham gadol sefaradi). Zu diesen Weisen gehören auch die chakh­me ha-diqduq, die ‚Grammatiker‘. Namentlich genannt sind u. a. Jehuda ibn Qoresch (2. Hälfte 9. Jahrhundert; Tunesien), Menachem ibn Saruq; Dunasch ibn Labrat, R. Jehuda Chajjūğ und R. Jona ibn Ğanaḥ. Dieser wird im langen Exodus-Kommentar, im Kommentar zum Zwölf-

4.2. Persönlichkeiten    109

prophetenbuch, im Psalmen-Kommentar und in den grammatischen Schriften als R. Marinus erwähnt (langer Exodus-Kommentar 1,10; 5,21; 6,3; 9,17; Hos 2,14.18; 11,4 u. ö.; Diskussion bei Rottzoll 2000, CXXVII – CXXX). Unter den Weisen Frankreichs (chakhme tzarfat) erwähnt er neben Raschi den Verfasser des Arukh, R. Natan ben Jechi’el Ba‘al ha-Arukh (1035 –ca. 1110). Ibn Ezras Verhältnis zu den Karäern* ist schillernd, denn er kennt ihre Literatur sehr gut und beruft sich vor allem bei sprachwissenschaftlich-grammatischen Erklärungen immer wieder explizit auf sie. Allein im langen Kommentar zu Exodus werden sieben karäische Gelehrte namentlich erwähnt; mit insgesamt 29 Erwähnungen (zustimmend wie kritisch) ist sicher Jefet ben Eli ha-Levi (Anfang 11. Jahrhundert) der am häufigsten zitierte. Inhaltlich setzt sich ibn Ezra aber immer wieder scharf und polemisch von den Karäern ab; sie gelten ihm als Leugner (makhchischim), Abtrünnige (minim) oder einfach „Hohlköpfe“ (reqe moach; ibn Ezra zu Ex 31,18; 34,8 [langer Kommentar]). Umgekehrt berufen sich auch spätere karäische Gelehrte wie R. Jitzchaq ben Abraham Troki (1533 – 1594) immer wieder auf ihn (Akhiezer 2006). Die Iggeret Schabbat ist ein fiktionaler Brief des Schabbat, den ibn Ezra in England verfasst hat und der eine Traumbotschaft beinhaltet. Umstritten ist hier vor allem, ob die Klage des (Gesandten des) Schabbat, die ihm ibn Ezra in den Mund gelegt hat, ursprünglich gegen Raschbam oder gegen karäische Gelehrte gerichtet war. Zu Beginn dieser Schrift heißt es (Übersetzung nach Rottzoll 1998, 99– 100): Es geschah im Jahr 4919 (1158 / 59), in der Mitte der Nacht des Schabbat (…), dass ich, Avraham, der Sohn des Ezra genannt, in einer Stadt von den Städten der Insel war (…). Da sah ich im Traum, und siehe, es stand mir (jemand) gegenüber, der wie ein Mann aussah (Dan 8,15) und in seiner Hand einen unterschriebenen Brief (hielt). Er (…) sprach zu mir: ‚Nimm diesen Brief, den dir der Schabbat schickt‘ (…). Dies aber (war der Inhalt des Briefes): ‚Ich bin der Schabbat, die Krone der Religion der Redlichen (…). Ich bewahrte dich an allen Tagen (deines Lebens), damit du mich bewahrst (…). In deinem Alter findet sich aber ein Makel an dir, denn in dein Haus wurden Bücher gebracht, in denen (etwas) zur Entweihung des siebten Tags geschrieben steht. Wie (kannst) du (da) schweigen (…)?‘ Da (…) sprach zu mir der Gesandte des Schabbats: ‚Erzähle ihm doch das, was deine Schüler gestern für Tora-Kommentar-Bücher zu deinem Haus brachten, denn dort steht (etwas) zur Entweihung der Schabbat-Nacht geschrieben (…).‘ Da erwachte ich (…) und meine Seele erschrak sehr (Ps 6,4). Ich stand auf, weil meine Hitze in mir brannte, zog mein Gewand an, wusch meine Hände und brachte die Bücher nach draußen ins Mondlicht. Und siehe, dort stand in der Erklärung der Worte Da wurde es Abend und es wurde Morgen (Gen 1,5) geschrieben, dass, als es Morgen des zweiten Tags wurde, der erste Tag vollständig gewesen sei, da die Nacht nach dem

Ibn Ezras Verhältnis zu den Karäern

Die sog. Iggeret Schabbat

110    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit Tag komme. Sofort zerriss ich mein Gewand, und auch diese Bücher zerriss ich, denn ich sagte mir: Besser ist es, einen Schabbat zu entweihen, als dass die Israeliten viele Schabbate entweihen, wenn sie diese böse Erklärung sehen. Auch werden wir alle zum Hohn und Spott in den Augen der Unbeschnittenen werden (…).

In der älteren Forschung wurden diese Passagen als gegen Raschbams Auslegung zu Gen 1,5 – 8 polemisierend verstanden. Dieser hatte an besagter Stelle eine gegen die halachische Regelung laufende Erklärung als Peschat ausgegeben. Allerdings hatte er dabei nicht behauptet, der Schabbat beginne am Morgen. Ibn Ezra zu Überdies findet sich eine weitere Auseinandersetzung zu diesem Ex 16,25 Thema in ibn Ezras langem Exodus-Kommentar, wo in der Tat der Beginn eines Tages mit der halachischen Schabbat-Observanz zusammen gebracht wird. Viele Glaubensschwache (chasre emuna) wurden durch diesen Vers durcheinander gebracht und sagten, dass man verpflichtet sei, den Schabbat-Tag und die darauf folgende Nacht zu hüten, denn Mose sagte (doch): Denn heute ist Schabbat (ki schabbat hajjom) für den Ewigen (Ex 16,25), nicht aber die Nacht, die schon vorbeigegangen ist. (…) Und sie erklärten (den Satz) Da wurde es Abend und es wurde Morgen (Gen 1,5) nach ihrem Gutdünken dergestalt, dass der erste Tag erst am Morgen des zweiten Tages vollendet gewesen sei. Sie sagten aber (hier) nichts Richtiges, denn Mose sprach zu den Israeliten nur entsprechend ihrem üblichen Brauch (minhagam).

Der Standpunkt, den ibn Ezra hier referiert, wurde noch im 11. Jahrhundert einem Vertreter der sog. Meschawiten (Rottzoll 1998, 104; Poznański 1897, 180), einer den Karäern nahestehenden Gruppe, zugeschrieben. Es ist daher wahrscheinlicher, dass sich die in der Iggeret Schabbat genannten ‚Bücher‘ (wahrscheinlich Tora-Kommentare oder zumindest Exzerpte davon) auf Schriften aus diesen Kreisen beziehen, wenngleich auch manches nebulös bleibt. Einmal mehr stellen wir fest, dass ibn Ezras Verhältnis zu den Karäern ebenso undurchsichtig ist wie seine Biographie. b.  R. Josef Qimchi (Riqam; ca. 1105 – ca. 1170) Biographie

R. Josef Qimchi (Riqam) war Grammatiker, Exeget und Übersetzer. Er emigrierte aus Andalusien nach Narbonne in der historischen Provinz Languedoc. Zu seinen Schülern zählte u. a. R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières (12. Jahrhundert), der in der Nachfolge Riqams ausschließlich linguistische Kommentare zu den Büchern Ezechiel und Jeremia verfasste (Kasher 2000). Riqam war es vor allem ein Anliegen, den noch sehr den Derasch-­ Auslegungen* verhafteten Zeitgenossen die Werke von R. Jehuda Chajjūğ und R. Jona ibn Ğanaḥ (vgl. oben Kap. 1.2.c.) bekannt

4.2. Persönlichkeiten    111

zu machen. In seiner Grammatik Sefer ha-Zikkaron (‚Buch des Gedächtnisses‘) behandelte er z. B. die Vokale (fünf Lang-, bzw. fünf Kurzvokale), die Stämme pi‘el und hof‘al als distinkte Stämme und erstellte eine umfangreiche Liste von hebräischen Nominalformen. Daneben verfasste er eine Schrift mit dem Titel Sefer ha-Galui (‚Buch der Enthüllung‘), eine Streitschrift gegen Rabbenu Tams Hakhra‘ot auf die Machberet Menachem sowie eine eigene Kritik an der Machberet Menachem (dazu auch Talmage 1972, Introduction). Neben Fragmenten zu einem Pentateuch-Kommentar haben sich von Riqam ein Kommentar zum Buch Mischle (Proverbia; Sefer Chuqqa ‚Buch der Satzung‘), ein Hiob-Kommentar sowie ein Kommentar zum Hohenlied erhalten (nicht alle sind bislang kritisch ediert). Er muss auch einen Kommentar zu den Propheten verfasst haben, denn seine Söhne berufen sich immer wieder auf ihn. Als Bibelausleger betonte Riqam den Peschat* gegen die in der Provence vorherrschende Midrasch-Auslegung* wie Bereschit Rabbati oder Leqach Tov (vgl. oben Kap. 4.1.b.). Riqams Auslegungen werden mehr als 500 mal und unterschiedlich umfangreich in den Kommentaren seines Sohnes R. David Qimchi (Radaq) zitiert, meistens mit den einleitenden Worten (Perusch) adoni avi (zikhrono livrakha) [‚Auslegung meines Herrn Vater, seligen Angedenkens‘]. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Radaq auch an Stellen, an denen er seinen Vater nicht erwähnt, viel von dessen Auslegung gelernt und verarbeitet hat. Daneben finden sich philologische Referenzen auf ihn vor allem in den Kommentaren von R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières und Ja‘aqov ben Ascher. Neben einigen liturgischen Werken verfasste Riqam auch den sog. Sefer ha-Berit (‚Das Buch des Bundes‘), der neben Ja‘aqov ben Re’uvens Milchamot ha-Schem als einer der ersten polemischen Traktate gilt, die auf eine sich zunehmend verschärfende christlich-jüdische Auseinandersetzung hinweisen. Im Sefer ha-Berit diskutieren ‚einer, der glaubt‘ (ma’amin) und ein Häretiker (min) vor allem über die theologischen Dauerbrenner dieser Kontroverse, d. h. über die Menschwerdung von Jesus, die sog. ‚Erbsünde‘ und die Zwei-Naturen-Lehre (vgl. Talmage 1972, 1 – 26). Auch an Riqam lässt sich daher zeigen, dass die Gelehrten aus Spanien und Südfrankreich allein durch die Anwendung verschiedener Genres den zeitgenössischen nordfranzösischen Juden weit voraus waren. Der Sefer ha-Berit ist unter anderem auch deswegen so entscheidend, weil Riqams Sohn Radaq zu großen Teilen später aus diesem Buch geschöpft und viele der dort gebotenen Argumente in seinen eigenen Kommentaren verwendet hat.

Riqams Bibelkom­ mentare

Riqam als Pole­ miker

112    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit c.  R. Mosche Qimchi (Remaq; st. ca. 1190) Mosche Qimchi war ein Sohn Riqams und der ältere Bruder von Radaq. Er wurde wohl schon in Narbonne geboren. Mosche bewegt sich als Exeget und Grammatiker sehr in den Fußstapfen sowohl seines Vaters als auch in denen R. Avraham ibn Ezras. Wichtig ist vor allem sein sprachwissenschaftlicher Traktat über die Morphologie des hebräischen Verbums: Mahalakh Schevile ha-Da‘at (‚Der Weg der Pfade des Wissens‘). Mosche Qimchi ist der erste, der die Stammesmodifikation nif‘al als Passivstamm des qal ansieht und die Stämme entsprechend sortiert: qal, nif‘al, pi‘el, pu‘al, hif‘il, hof‘al, ggf. po‘el und hitpa‘el. Dies ist die Reihenfolge, in der noch heute die hebräischen Paradigmentafeln gesetzt werden. Die Rezeption Der Mahalakh wird vor allem später von Elijahu ben Ascher durch die christ­ ha-Levi Aschkenazi (Elia Bachur Levita; 1469  – 1549) verwenlichen Hebraisten det und von dem christlichen Hebraisten Sebastian Münster (1488 – 1552) ins Lateinische übersetzt (gedruckt Paris 1520 unter dem Titel Liber viarum linguae sacrae). Er wurde zu einem der wichtigsten Werke für die christlichen Hebraisten aus der Zeit des Humanismus. Mosche Qimchi schrieb Kommentare zu den Büchern Mischle (Proverbia), Ezra / Nehemia sowie zu Hiob. Einige seiner Werke sind auch anderen Autoren zugeschrieben worden, sodass sein Œuvre nicht ganz einfach zu bestimmen ist. Daneben verfasste er auch einen kleinen grammatischen Traktat mit dem Titel Sekhel Tov (nicht zu verwechseln mit dem wohl aus Italien stammenden Midrasch Sekhel Tov des Menachem ben Schelomo; 1139). Wie immer: auch von Remaqs Werken ist wohl einiges verloren gegangen. R. Mosche Qimchi war der erste und wichtigste Lehrer seines berühmten Bruders David. Biographie

d.  R. David Qimchi (Radaq; 1160 – 1235) Auch Radaqs Wirken ist mit der Stadt Narbonne (in der historischen Provinz Languedoc) verbunden, wo er geboren wurde und auch starb. Radaq war Grammatiker, Exeget und Philosoph. An Berühmtheit hatte er seinen Vater und seinen Bruder bald überholt. Biographisch relevant ist sein religionspolitisches und stets vermittelndes Engagement: So beteiligte er sich an der sog. Maimonidischen Kontroverse zu Gunsten der Schriften des Maimonides (Talmage 1975, 27 – 39; siehe auch nachfolgend Kap. 6.1.a.) Der Sefer Mikhlol Radaqs wichtigste und bis heute bekannteste grammatische Schrift, die gleichzeitig auch das erste Werk war, mit dem er an die Öffentlichkeit ging, war der sog. Sefer Mikhlol (‚Buch der Gesamtheit‘), verstanden als die Summe des grammatischen Wissens zur hebräischen Sprache. Der Sefer Mikhlol bestand aus zwei HauptBiographie

4.2. Persönlichkeiten    113

teilen, einer morphologisch-syntaktisch orientierten Grammatik, Cheleq ha-Diqduq (später auch als ‚der‘ Mikhlol bekannt) und einem Wörterbuch, Cheleq ha-Injan, später als Sefer ha-Schoraschim (‚das Buch der [hebräischen] Wurzeln‘) bekannt. Dabei ging es Radaq vor allem darum, die Fülle der grammatischen Traktate seiner Vorgänger wie R. Jehuda Chajjūğ und R. Jona ibn Ğanaḥ auf einen erträglichen Umfang zu bringen und auf das für den Lernenden notwendige Maß zu beschränken. Auf beide arabische Grammatiker wird auch in der Einleitung zum Mikhlol ausführlich eingegangen. Frank Talmage vergleicht den Mikhlol nicht umsonst mit der zweiten großen ‚summa‘ des 12./13. Jahrhunderts, dem Mischne Tora des Maimonides (Talmage 1975, 56). Die Kürze der Grammatik und die möglichst übersichtliche Zusammenstellung in Wort- und Satzlehre für diejenigen, die die hebräische Sprache nicht mehr aktiv anwenden, ist daher wesentlicher Teil des Programms: Von dem Tag nämlich, an dem unsere Väter in Länder in die Verbannung Hebräisch als wich­ zogen, die nicht die ihren waren, zwischen (fremden) Völker (lebten) und tigstes Lernziel deren Sprache lernten, da vergaßen sie die heilige Sprache so weit, dass sich ihre Kinder und Kindeskinder bis zum heutigen Tag daran gewöhnten, eine (ihnen) fremde Sprache zu sprechen (…). Es ist (nämlich) nicht gut, dass ein Mensch mit Blick auf die Wissenschaft der Grammatik einen öden (Kopf) habe. (Gleichwohl) soll er sich mit der Tora, den Geboten und den Kommentaren beschäftigen (…). Um (dennoch) ausreichend zu lernen und die Wörter korrekt (anzuwenden), (soll er sich) mit der Grammatik möglichst konzise (al derekh qetsara) beschäftigen (Mikhlol 1b).

Tatsächlich wurde Radaq für den Mikhlol in ähnlicher Weise kritisiert wie Maimonides für den halachisch orientierten Mischne Tora: beiden Werken wurde vorgeworfen, sie hätten gleichsam das ‚Kind mit dem Bade ausgeschüttet‘, indem sie wegen der kompakten Struktur ihrer Werke zu wenig oder gar keine Quellen für ihre Behauptung anführten. Allerdings ging es Radaq hierbei in erster Linie um seine Leser: Diese sollten sich nicht um ihrer selbst willen mit der Grammatik beschäftigen; vielmehr sollte grammatisches Grundwissen dazu dienen, die wichtigen hebräischen Quellenschriften – Bibel, Talmud* und Auslegungsliteratur – richtig lesen und nutzen zu können. Ein weiteres wichtiges Werk Radaqs ist sein Handbuch für Ko- Handbuch für pisten, das den Titel Et Sofer (‚Feder des Kopisten‘; gedr. Lyck Kopisten 1864) trägt. Es handelt sich um ein Buch, das diejenigen, die die wichtigste Arbeit tun, nämlich Bibeln und ihre Kommentierungen abzuschreiben, mit dem nötigen Grundwissen für diese Aufgabe auszustatten sucht. Radaq behandelt hier das Problem der verschiedenen Lesarten des Bibeltextes, ketiv* und qere*, die Punktierung sowie die te‘amim, d. h. die Akzentzeichen. Mit diesem masoretischen Werk in sefardischer* Tradition rückt er von der

114    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit reinen Philologie ein Stück näher an die Bibelkommentare, die sein literarisches Hauptwerk ausmachen sollten. Bibelkommentare Neben der Abfassung seiner grammatischen Arbeiten hat Radaq die Chronikbücher, das Buch der Psalmen, die Vorderen und Hinteren Propheten sowie das Buch Genesis kommentiert. Sein Kommentar zu Mischle (Proverbia) endet mit Kap. 21,14. Daneben verfasste er zwei allegorische Kommentare: einen zum Thema des Schöpfungswerkes (Ma‘ase Bereschit) sowie eine Auslegung zur Thronwagen-Vision des Ezechiel (Ma‘ase Merkava; Ez 1), die ihn deutlich als auf den Spuren des Maimonides wandelnd ausweist. Polemische Werke Radaqs antichristlich-polemische Ausführungen finden sich über seine Bibelkommentare verteilt und an Ort und Stelle diskutiert. Dennoch haben Spätere gerade diese Stellen aus seinen Kommentaren zusammengeschrieben und als Disputation (Wikkuach ha-Radaq) ausgegeben (gedruckt erstmals in Milchemet Chova, Konstantinopel 1710). Ein weiterer kleiner Traktat mit dem Titel Teschuvot ha-Radaq la-Notzrim (‚Erwiderungen Radaqs gegen die Christen‘) ist eine Zusammenstellung von Radaqs Psalmenkommentierungen (zum Ganzen ausführlich Talmage 1975, 189 – 193). Radaq als Lehrer Obwohl Radaq in keiner traditionellen Bibelausgabe fehlt, führt er in gewisser Weise ein Schattendasein gegenüber Raschi, R. Avraham ibn Ezra oder Ramban. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass mit Radaq der klassische ‚Mann der zweiten Reihe‘ erkennbar wird. Radaq hat sich selbst einmal als der bezeichnet, ‚der den Schnitt einsammelt‘ (Sefer Mikhlol, 1a), also die Ernte derer einfährt, die gesät und auch schon gemäht und geerntet haben (daher auch die unzähligen Verweise auf Auslegungen seines Vaters). Er war der geborene Lehrer und weniger ein Mann der Wissenschaft. Talmage nennt ihn einen ‚teacher by profession‘ (Talmage 1975, 14). Ihm kam es auf die richtige Vermittlung und Sammlung sowie auf die sinnvolle Anwendung schon vorhandenen Wissens an (vgl. auch Goldberg / Sokolow 2010, 293 – 297). In seinem Kommentar zu Spr 3,13 (Glücklich ist derjenige, der Weisheit gefunden hat, der Mensch, der Verständnis erlangt) schreibt er: (…) Und danach preist er jenen (Menschen), der zu (so großem) Wissen in angemessenem (Umfang) gelangt ist, dass er es andere lehren kann. Und dies meint auch den Menschen, der Verständnis erlangt, d. h. es (andere) im selben Maße verstehen lässt.

Radaqs didaktische Fähigkeiten führten dazu, dass er, mehr noch als sein Vater und sein Bruder, in den jüdischen Lehrhäusern seit dem 14./15. Jahrhundert durchgehend rezipiert und auch bei den christlichen Hebraisten wie Johannes Reuchlin (1455 – 1522) oder Sebastian Münster (1488 – 1552) vielfältig zitiert und verwendet

4.2. Persönlichkeiten    115

wurde. Allerdings konnten die Vertreter der Wissenschaft des Judentums wenig mit ihm anfangen und haben ihn auch in der Forschung eher vernachlässigt. Er galt als fleißig, aber langweilig und unoriginell (vgl. Talmage 1975, 54). In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts war es vor allem Talmage, der sich in einer Vielzahl von Monographien und Aufsätzen mit ihm beschäftigt hat. Erst in jüngster Zeit (Mor. Cohen 2003; Men. Cohen 1999) widmet man sich ihm verstärkt unter sprachwissenschaftlichen und theologischen Aspekten. e.  R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières (Mitte / Ende 12. Jahrhundert) Von R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières (Provence) wissen Biographie und wir eigentlich kaum mehr, als dass er ein Schüler des R. Josef Qim- Werk chi (Riqam) war. Leider sind nur noch seine Kommentare zu den Büchern Jeremia und Ezechiel erhalten (Kasher 2000; Simon 1998; Barol 1907). In diesen beruft er sich ausdrücklich auf R. Jehuda ben David Chajjūğ, R. Jona ibn Ğanaḥ (Abū al-Walîd Merwân ibn Ğanaḥ) und R. Avraham ibn Ezra. Entsprechend lassen seine Bibelauslegungen auch erkennen, dass es ihm vor allem um Grammatik und Stilfragen ging. Dies verbindet ihn auch mit Eli‘ezer aus Beaugency (vgl. oben Kap. 3.2.b.) und Radaq: Auch Radaq untersucht syntaktische Auffälligkeiten (z. B. Inklusion wie in Ex 12,8), verbunden zumeist mit einer Verschiebung der Tempora (z. B. qatal-jiqtol-Schema). Daneben verweist er durchgehend auf rhetorische Sprachfiguren und weitere Stilmittel wie figura etymologica, ‚Übertreibung‘ (guzma), elliptische Wendung, parallelismus membrorum* oder Reduplikation im Nomen. f.  Tanchum ben Josef ha-Jeruschalmi (ca. 1220 – 1291) Auch über den wahrscheinlich aus Jerusalem stammenden Tan- Biographie und chum ben Josef ha-Jeruschalmi (ca. 1220 – 1291) haben wir nur Werk spärliche biographische Informationen. Er ging wohl von Eretz Israel nach Ägypten, wo er eine umfassende Ausbildung in Sprachen (Arabisch; Griechisch; Hebräisch), Grammatik und Philosophie genoss. Die von ihm verfassten Schriften zeigen ein profundes Wissen um die judäo-arabischen Grammatiker und Bibelausleger, vor allem Jona ibn Ğanaḥ (vgl. oben Kap. 1.2.c.). Sein arabischer Bibelkommentar Kitâb al-Bayân (‚Das Buch der Erklärung‘) enthält bereits eine Einleitung mit allgemeinen Auslegungsprinzipien (al-Kulliyât). Allerdings haben sich nur Kommentare zu den Vorderen (Josua; Richter; Samuel; Könige) und Hinteren Propheten (Jeremia, Eze-

116    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit chiel, Jona; Habakuk) sowie zu den Ketuvim (Klagelieder / Ekha; Psalmen [fragmentarisch]; Qohelet) erhalten (zum Ganzen Fenton 2000, 451 – 454; von Mutius 1983, I – V). Sein Wörterbuch zur Terminologie von Maimonides’ Mischne Tora (vgl. unten Kap. 6.1.a.) ist unter dem Namen Al-Muršid al-Kafi (ha-madrikh ha-maspiq) überliefert (Bacher 1903). g.  Menachem ben Schelomo ha-Meïri (1249 – 1316) Von Menachem ben Schelomo ha-Meïri, der aus dem okzitanischen Perpignan (ca. 70 km südlich von Narbonne) stammte, das zu Meïris Zeit zum Königreich Mallorca gehörte (1276 – 1344), haben sich nur wenige biographische Details erhalten. Während seine Familie aus Carcassonne und Narbonne stammte, hat er wohl sein ganzes Leben in Perpignan verbracht. Bekannt ist Meïri vor allem durch seine unter dem Titel Bet ha-Bechira veröffentlichten Chidduschim* zum Talmud* (Stemberger 2011, 242 – 243; Ta-Shma / Derovan 2007). Nach Halbertal ist Meïri einer der brillantesten Köpfe der provencalischen Gelehrten, die die traditionelle Halakha* mit der Philosophie des Maimonides zu verbinden suchten (Halbertal 2000, bes. 22 – 49). Schriften zur Bibel Von Meïris Bibelkommentaren sind sein Tora-Kommentar sowie seine Kommentare zum Buch Mischle (Proverbia) und zu den Psalmen (1336; Ta-Shma / Derovan 2007) überliefert. Daneben ist von ihm eine Schrift mit dem Titel Qirjat Sefer erhalten, die unmittelbar aus seiner halachischen Tätigkeit als Dezisor (poseq) hervorging, denn in ihr behandelt er alles, was mit den vorgeschriebenen Schreibertätigkeiten der heiligen Schriften zusammenhängt. Im ersten Teil finden sich die Vorschriften zur Herstellung einer Tora-Rolle (sefer tora*), im zweiten eine Vielzahl masoretischer Themen (Dotan 2007, 652) wie ketiv*/qere*-Abweichungen, Plene- und Defektivschreibung* oder offene und geschlossene Abschnitte (petucha/setuma).

4.3. Neue Zugänge a.  Bibelwissenschaft in sefardisch-aschkenasischer Synthese R. Avraham ibn Ezras Anspruch, die aus Spanien stammende universale Gelehrsamkeit in seine Bibelauslegung einzutragen, lässt einen vollkommen neuen Zugang zum biblischen Schrifttum erkennen: Die rabbinische Bildungswelt wird in den Kanon der übrigen Wissenschaften eingereiht und aus ihm gespeist. Als Grammatiker, Philosoph und Astronom teilt er Wissensgebiete ein, katalogisiert und sortiert. Deutlicher noch als bei seinen Vorgängern aus Nord-

4.3.  Neue Zugänge    117

frankreich bedeutet dies auch eine bewusste Auseinandersetzung mit und Abgrenzung von den bisherigen Auslegungswegen. Deshalb gehören R. Avraham ibn Ezra und Radaq zu den ersten, die ihrem Kommentar eine ausführliche Einleitung voranstellen, in der sie sich im Gegenüber zur bisherigen Exegese positionieren. Von besonderer Relevanz ist ibn Ezras Einleitung zum ersten, in Lucca verfassten Pentateuch-Kommentar, denn dort legt er selbst die Grundlagen seiner Exegese fest und setzt sich intensiv mit anderen Exegeten und ihren Auslegungsmethoden auseinander. In verschiedene Richtungen werden exegetische Grenzmarkierungen abgesteckt. Ibn Ezra stellt zunächst vier Wege der Auslegung vor, um ihnen dann seinen eigenen fünften Weg, den Weg der ‚Grammatik‘ (diqduq), entgegenzuhalten (eine gute Einführung, Übersetzung und Kommentierung bietet Lancaster 2003). Der erste Weg betrifft jene, die ihre Darstellungen mit solchen (naturwissenschaftlichen) Diskussionen verweben, die mit dem Text nur mittelbar zusammenhängen. Ibn Ezra formuliert hier einen Vorwurf gegen die spätrabbinischen Geonim* als Exegeten, die zu Ausschweifungen neigen und allerlei Arten von Sekundärwissen wie Medizin oder Astrologie in die Auslegung einflechten. Er scheut dabei nicht einmal davor zurück, R. Sa‘adja und Schemu’el ben Chofni für ihre langatmigen Ausführungen zu kritisieren. Das einzige Verdienst von Schemu’els Kommentar, so ibn Ezra, sei seine Länge! Naturwissenschaftliches, profanes Wissen solle man nicht im Zusammenhang mit der Bibellektüre, sondern aus eigens von Experten auf den jeweiligen Gebieten zusammengestellten Büchern (sifre ansche ha-tevunot ‚Bücher der Männer der Wissenschaft‘) studieren, um die Beweisgänge nachvollziehen zu können, die ohnehin in den Kommentaren der Geonim fehlten. Der zweite Weg betrifft die karäischen* Gelehrten, bei ibn Ezra auch ‚Sadduzäer‘ (tzedoqim) genannt, die glauben, dass sie auf die mündliche Tora* und die Erklärungen der traditionellen Exegese ganz verzichten und die Bibel nach ihrem eigenen Gutdünken auslegen könnten. Vor allem hinsichtlich der Auslegung von Geboten (mitzwot) und Rechtssätzen (chuqqim) glaubten sie nicht an die Worte derer, die die Religion autoritativ interpretierten (divre ma‘atiqe ha-dat), und verirrten sich im Gestrüpp der Grammatik. Ausgehend von Ps 104,19 Er hat den Mond gemacht (zur Festsetzung) der Festzeiten (mo‘adim) diskutiert ibn Ezra die terminologischen Schwierigkeiten von chodesch (‚Neumond‘ oder ‚Monat‘ im Hebräischen) und die damit verbundenen kalendarischen Unwägbarkeiten hinsichtlich der Feiertage (z. B. Jom Kippur*), die sich ausschließlich in Verbindung mit der mündlichen Lehre lösen ließen.

Ibn Ezras Einleitung in den Tora-Kom­ mentar

Gegen die Geonim

Gegen die karäi­ schen Exegeten

118    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit Der dritte Weg ist nach ibn Ezra der Weg der Finsternis und der Dunkelheit (Joel 2,2). Es ist der Weg jener, die glauben, dass die Worte der Bibel voller Geheimnisse (sodot) und Rätsel (chidot) und daher durchgehend esoterisch zu interpretieren seien. Einzig darin sei diesen Auslegern Recht zu geben, dass sie jedes (biblische) Wort und jedes Gebot (kol davar u-mitzwa), ob ‚groß‘ oder ‚klein‘, d. h. wichtig oder weniger wichtig, auf die intellektuelle Goldwaage legten. Ibn Ezra setzt dieser Auslegung entgegen, dass man nur dort, wo der Verstand oder jede sinnliche Wahrnehmung in Widerspruch zum einfachen Wortsinn stehe (z. B. bei der ‚Beschneidung des Herzens‘ vgl. Dtn 10,16), einen verborgenen Sinn im Text suchen dürfe. In allen anderen Fällen sei es geboten, nach dem einfachen Wortsinn und der gängigen Bedeutung eines Satzes (kifshuto u-mischpato) auszulegen. Gegen die Anfänge Der hier genannte exegetische Vorwurf wird gemeinhin so verder provencali­ standen, als richte sich ibn Ezra gegen die Christen mit ihrer alleschen Kabbala? gorischen und, damit zusammenhängend, ihrer christologischen Interpretation (Lancester 2003, 159 – 162). Aber gegen diese Lesart sind doch Einsprüche zu erheben: Alle anderen genannten Gruppierungen in ibn Ezras Einleitung betreffen die innerjüdische Auseinandersetzung, dies gilt auch für die Karäer*. Warum also sollte ibn Ezra hier auf einmal eine nichtjüdische (christliche oder muslimische) Gruppe angreifen, zumal wir nichts davon wissen, dass er explizit in christlich-jüdische oder muslimisch-jüdische Diskussionen oder Dispute verwickelt war. Auch die gegen Ende des Abschnittes genannten ‚geschaffenen (Formen)‘ (notzarim), die man möglicherweise als Polemik gegen die notzrim (‚Nazarener‘, Christen) lesen könnte, sind nicht wirklich überzeugend. Hinzu kommt, dass der Kommentar schon sehr bald nach ibn Ezras Ankunft in Italien verfasst wurde, wo er noch nicht viel Kontakt mit christlicher Auslegung gehabt haben konnte. Es scheint mindestens ebenso schlüssig zu sein, dass sich ibn Ezra an dieser Stelle gegen eine beginnende mystisch-esoterische Bibelauslegung richtet, wie er sie durch die ersten Vertreter der provencalischen Kabbala (R. Avraham ben Jitzchaq aus Narbonne, ‚Ravad II‘; 1110 – 79) oder die Schriften des sog. Ijjun-Kreises kennengelernt haben könnte (Scholem 1962, 175 – 180; 273 – 292), und wie wir sie in ausgeprägter Form ab der Mitte des 12. Jahrhunderts auch unter den sog. ‚Frommen Deutschlands‘ (Chaside Aschkenaz*) im Rheinland nachgewiesen finden. Dafür spräche auch, dass ibn Ezra die Abwägung und das genaue Nachsinnen (schiqqul) über jedes kleinste Gebot ins Spiel bringt. Diese Art der Exegese mit dem expliziten Rekurs auf die Geheimnisse (sodot), die der biblische Text ebenso wie die nachbiblische Tradition und Liturgie in sich bergen, finden wir gerade unter den Gegen die esoteri­ sche Auslegung

4.3.  Neue Zugänge    119

Chaside Aschkenaz (vgl. im Folgenden Kap. 5.3.b.). Es wird zu prüfen sein, inwieweit ibn Ezras Kommentare auch an anderen Stellen eine Auseinandersetzung mit den Vertretern der jüdischen Mystik erkennen lassen. Der vierte Weg, den ibn Ezra zurückweist, kommt dennoch schon fast ‚zum Punkt‘ (qerova el ha-nequdda). Es ist die Auslegung all jener, die ausschließlich auf der Basis des Midrasch* (­Derasch*) interpretieren und den Peschat* zumeist unberücksichtigt lassen. Neben uns heute unbekannten Werken nennt ibn Ezra den Kommentar Leqach Tov des R. Tuvja ben Eli‘ezer, der die Kommentierung des Pentateuch und der fünf Megillot* umfasst. Dieser Kommentar, der die Judenverfolgungen im Rheinland 1096 zweimal erwähnt, wurde um 1100 in Kastoria (Griechenland) verfasst. Darüber hinaus wendet sich ibn Ezra in diesem Abschnitt auch gegen bestimmte hermeneutische Auslegungsmethoden wie Notariqon* (Zerlegung eines Wortes in mehrere bzw. Ausgestaltung eines jeden Buchstabens eines Wortes zu einem eigenen Wort) oder Gematria* (Berechnung des Zahlwertes eines Wortes). Der fünfte Weg ist jener, den ibn Ezra als den für sich einzig akzeptablen beschreibt. Er stellt so etwas wie eine Synthese aus verschiedenen Auslegungswegen dar. Ibn Ezra kündigt dabei an, er wolle sich insbesondere dem Peschat-Verständnis des Textes widmen, in den legislativen Teilen des Pentateuch jedoch den rabbinischen Auslegungstraditionen folgen und dabei (gegen die Karäer) den Nachweis erbringen, dass eine traditionelle Auslegung nicht notwendig im Widerspruch zur Grammatik stehen müsse. Den Hauptteil seiner Auslegungen stellen auch in der Tat sprachliche, etymologische und grammatische Beobachtungen. Daneben setzt er sich auch, je nach biblischem Buch unterschiedlich akzentuiert, mit Stilfragen wie Dubletten, Ellipsen oder Transpositionen auseinander. Die talmudischen* Rechtssätze (mischpatim) ähneln dem griechischen Konzept des Naturrechts, und so ist dies auch bereits von den frühen jüdischen Philosophen verstanden worden. R. Sa‘adja unterschied zwischen rational fassbaren Gesetzen und geoffenbarten Gesetzen. Diese Definition ist auch von R. Avraham ibn Ezra aufgenommen worden.

Gegen die (mittelalterlichen) Midraschwerke

Ibn Ezras exegeti­ scher Königsweg

Rationale und geoffenbarte Gebote

Wisse, dass alle Gebote (dem Menschen) auf zwei Wegen (zugänglich sind): Ibn Ezra zu Ex 20,2 Der erste Weg (umfasst jene) Gebote, die von Gott ins Herz eines jeden mit Verstand begabten Menschen eingepflanzt wurden, und es sind derer viele, und es ist unter den zehn Worten [der Dekalog] einzig das Schabbat(gebot), das überhaupt nicht durch rationale Abwägung (erfasst werden kann). Daher wird jeder Einsichtige in jedem (anderen) Volk mit (jeder anderen) Sprache die (verbleibenden Gebote des Zehnworts) anerkennen, denn sie wurden dem allgemeinen Menschenverstand eingepflanzt, und ihnen ist

120    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit weder etwas hinzuzufügen, noch ist etwas von ihnen wegzunehmen [vgl. Dtn 4,2; 13,1]. Und es sind dies die Gebote, die Abraham gemeinsam mit anderen hinzugefügten Geboten bewahrte. Und Gott gab die Tora ohnehin nur den mit Einsicht begabten Menschen: Wer also keine Einsicht hat, hat auch keine Tora! Der zweite Weg aber repräsentiert jene (mehr) verdunkelten Gebote, bei denen auch nicht deutlich ausgeführt wurde, warum sie geboten wurden. Gott behüte, dass eines dieser Gebote der rationalen Abwägung widerspreche. Wir sind allerdings verpflichtet, alle (Gebote) zu halten, die Gott uns befohlen hat, ob uns nun ihr zugrunde liegendes Geheimnis offenbart ist oder nicht (…).Wenn wir aber nur ein Gebot finden würden, das der rationalen Abwägung widerspräche, so wäre es nicht richtig, dass wir glauben, dass man es in (dieser wörtlichen) Bedeutung (zu verstehen hätte). Vielmehr müssen wir in den Büchern unserer Altvorderen nachforschen, was seine (eigentliche) Bedeutung ist, (oder) ob es nicht im übertragenen Sinne (derekh maschal) gemeint war [Ex 20,2 langer Kommentar].

Wie alle jüdischen philosophischen Denker vor ihm, bemüht sich auch ibn Ezra, die Rationalität der Gebote zu postulieren und allenfalls die Beschränkung menschlicher Erkenntnis dafür verantwortlich zu machen, wenn ein Gebot nicht von sich aus gleich einsichtig ist. Dass der jüdische Mensch alle Gebote halten muss, unabhängig davon, ob er sie versteht oder nicht, ist für ibn Ezra keine Frage. Allerdings schießt seine abschließende Erklärung fast über das Ziel hinaus, denn eine allegorische Deutung, weil der Literalsinn problematisch scheint, ist eigentlich das Letzte, was ein jüdischer Theologe im Kontext der Debatte um das Gesetz formulieren sollte (vgl. auch Stemberger 2000). b.  Die Zurückdrängung des Derasch Für die Midraschauslegungen* hat sich Radaq vor allem auf Raschi berufen oder sogar: verlassen. Radaq verwendete Raschi fast schon im Sinne einer ‚Judaica Classics‘. An vielen Stellen beruft er sich auf einen Midrasch, der sich nirgends in den heute bekannten rabbinischen Midraschwerken findet, sondern ausschließlich bei Raschi erwähnt wird. Man kann davon ausgehen, dass Radaq Raschi auch dort extensiv verwendet hat, wo er ihn nicht eigens nennt (zum Ganzen Grunhaus 2003). Dennoch ist seine Auslegung deutlich gegen die Derasch-Auslegung* gemünzt. In der Aufnahme des Begriffes tzachut (‚Erlesenheit [der hebräischen Sprache]‘) in seine Kommentare wird man sicher einen Tribut an R. Avraham ibn Ezra vermuten dürfen. Gegen die Weil das geistige Umfeld der Exegese in der Provence sehr stark Midrasch-­ von der Derasch-Auslegung und hier vor allem von den als KompiKompilationen lationen gestalteten hochmittelalterlichen Midraschim geprägt war, musste Radaq die Peschat-Methode* immer wieder rechtfertigen.

Radaq als Schüler Raschis

4.3.  Neue Zugänge    121

Den Peschat, bei ihm auch perusch genannt (im Gegensatz zu den reinen deraschot), bestimmt er anhand verschiedener Größen: 1. Grammatik, 2. Stil und Syntax sowie 3. Kontext (injan). Seine philologischen Erklärungen stehen dabei nicht irgendwie oder unverbunden am Rand, sondern bilden einen genuinen Teil des Kommentars. So kommt es, dass man beim ersten Lesen manchmal gar nicht zwischen Lemma* und Kommentar zu unterscheiden vermag. Das erste Buch, das Radaq einer Kommentierung unterzog, war Radaqs Einleitung das Buch der Chronik. Die Grammatik gilt ihm dabei als Jesod zu den Chronik­ ha-Perusch, als das Fundament jeder Auslegung. Am Ende seiner büchern Einleitung schreibt er: Und weil dieses Buch eine Erzählung über die geschichtlichen Begebenheiten ist, war man nicht gewöhnt, es zu lehren. Und ich habe auch nicht einen der Ausleger gesehen, der sich um seine Auslegung bemüht hätte. Vielmehr fand ich hier in Narbonne Kommentare zu diesem Buch, bei denen ich nicht (einmal) den Namen der Ausleger kannte, und ich sah (auch), dass diese zumeist auf dem Pfad des Derasch wandelten. Als mich schließlich einer von den Verständigen Narbonnes, einer von den Schülern meines Vaters, bat, (das) Buch auszulegen, da kam ich seiner Bitte gerne nach. Ich habe nun aber nicht (einfach) eine Vers-für-Vers-(Auslegung) verfasst, sondern jene Verse kommentiert, die einer Auslegung (tatsächlich) bedürfen (…).

Radaqs Bestreben war es, einen Kommentar zu verfassen, der den Bibeltext grammatisch, syntaktisch und philologisch bestmöglich erschließt. Die Kontextanalyse kann dabei sogar ‚historische‘ Hintergründe einschließen, sodass seine Kommentare auch immer wieder Fragen streifen, die wir heute in der sog. Einleitungswissenschaft diskutieren: Wann wurde ein Text verfasst? Von wem? Unter welchen Umständen? In seiner Einleitung zu den Chronikbüchern diskutiert er beispielsweise die Rolle Ezras beim Redaktionsprozess der biblischen Bücher (vgl. auch bBB 15b). Ezra habe die Chronikbücher bei den Schriften (ketuvim) eingeordnet und nicht bei den Prophetenbüchern, weil sie in der Hauptsache Erzählungen über die geschichtlichen Begebenheiten bieten. Instruktiv ist in diesem Zusammenhang seine Auslegung im Zusammenhang von Ps 3,1 (Ein Psalm Davids, als er vor seinem Sohn Absalom floh). Radaq stellt hier die Frage, wieso David ausgerechnet in einer für ihn so heiklen Situation singen musste: Unsere Rabbinen legten den Text dahingehend aus, dass (David), als er zur Radaq zu Ps 3,1 Anhöhe der Olivenbäume anstieg, diesen Psalm sagte, denn es heißt: Und David stieg zur Anhöhe der Olivenbäume hinauf und weinte, während er anstieg [‘ole u-voche] (2Sam 15,30). Wenn er weinte, warum (heißt es dann) (Preis-)Lied? Wenn es aber ein (Preis-)Lied war, warum weinte er (dann)? Als ihm der Prophet [Natan] ansagte: ‚Siehe, ich lasse mitten aus deinem Haus Unheil über dich erstehen‘ (vgl. 2Sam 12,11), da sagte er [David] (sich): Vielleicht (ersteht) ein Knecht oder ein Mamzer aus den Leuten

122    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit meines Hauses (gegen mich), der sich meiner nicht erbarmt. Als er (aber) sah, dass es sein Sohn war, da dachte er, dass (dies)er sich seiner erbarmen würde, und sprach ein (Preis-)Lied (…). Aber gemäß der Auslegungsweise nach dem Peschat (verhält es sich so), dass die (Preis-)Lieder nicht (unbedingt) in der Stunde, da sie verfasst wurden, ‚(Preis-)Lieder‘ genannt wurden, sondern weil sie im Tempel gesungen wurden (…).

Radaq weist die rabbinischen Spekulationen über die Entstehungssituation des Psalms und Davids persönliche Befindlichkeit zugunsten einer ‚aufführungspraktischen‘ und einer ‚rezeptionsästhetischen‘ Überlegung zurück: Die Preislieder heißen so, weil sie im Tempel gesungen wurden, und selbst, wenn sie ein trauriges Ereignis wie Gefahr oder Verbannung beschreiben, so werden sie zu Preisliedern durch ihren Sitz im Leben und / oder die veränderte Situation der Gläubigen, denn auch jene Lieder, die die Verbannung thematisieren, werden (dann) zu Preisliedern, wenn jemand aus der Verbannung zurückkehrt, und es ist (gut) möglich, dass sich der Psalm auf etwas stützt, was noch vor ihm liegt. Hier zeigt sich, dass auch Radaq in seinen Bibelauslegungen durchaus pädagogisch und seelsorgerlich denkt, denn die Tröstungen in den Psalmen wurden zu seiner Zeit mehr denn je benötigt. c.  Texterstellung, Textkritik und Sprachwissenschaft Bibelhandschriften in Westeuropa

Wie oben ausgeführt (vgl. Kap. 1.1.a.), machte der Text der Hebräischen Bibel zwischen dem 5. und dem 12. Jahrhundert eine ganze Reihe unterschiedlicher äußerlicher Gestaltwerdungen und -änderungen durch: von der Rolle zum Codex, vom unvokalisierten zum vokalisierten Text. Allerdings lagen die für die heutige Bibelwissenschaft maßgeblichen orientalischen Handschriften wie der Codex Cairensis, der Codex Aleppo und der Codex Leningradensis nicht einfach so in den Stuben der nordfranzösischen und provencalischen Gelehrten herum. Vom Codex Aleppo nimmt man heute an, dass Maimonides ihn im 12. Jahrhundert in Kairo gesehen und aus ihm gelesen hat (Mischne Tora, Hilkhot Tefillin u-Mezuza we-Sefer Tora 8,4; vgl. auch Aleppo-Codex ‚Keter Aram Tzova‘, online: goo.gl/mhDLwX). Wo die anderen Codices verblieben sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Bis heute wissen wir erst in Ansätzen, welche Bibel(n) die jüdischen Bibelkommentatoren zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert vor sich hatten (Penkower 2007a). Aus diesem Grund verweisen textkritische Kommentierungen nicht nur auf den (kritischen) Diskussionsstand unter den Auslegern, sondern zunächst einmal auf den textlichen Bestand der Manuskripte, die ihnen vorgelegen haben mögen.

4.3.  Neue Zugänge    123

Ibn Ezra erkennt als erster in diesem Umfang Probleme mit dem überlieferten Bibeltext und hat daher selbst die in den Bibelhandschriften erkennbaren ‚geschlossenen‘ (setumot) oder ‚offenen‘ (petuchot) Abschnittskennungen kommentiert: Man müsste sich eigentlich über denjenigen wundern, der hier die Ab- Ibn Ezra zu schnittseinteilungen vornahm, warum er diesen Vers nicht mit den nach- Ex  6,28 – 29 folgenden verbunden hat, denn (inhaltlich) ist er doch angelehnt. Aber wenn wir auch den Grund dafür nicht wissen: (…) Derjenige, der für Abschnittstrennungen verantwortlich ist (ba‘al ha-hafsaqot), wird wohl einen Grund dafür gewusst haben, warum er es so machte, denn seine Ansicht ist fern der unsrigen.

Nach welchen Kriterien der Text in Einzel-Abschnitte eingeteilt wurde, ist bis heute nicht abschließend diskutiert. Der Codex Firkovich, Evr. I B 19a (Leningradensis; so auch BHS) ebenso wie auch die nordfranzösische Handschrift Vat. ebr. 14 markieren zwischen Ex 6,28 und Ex 6,29 einen offenen Abschnitt (petucha) und darin ganz offenbar eine inhaltliche Trenn-Markierung. Eine solche Abschnittsunterbrechung muss auch in ibn Ezras Handschrift markiert gewesen sein. In den meisten modernen Bibelübersetzungen werden diese beiden Verse aber ohne Berücksichtigung der petucha übersetzt (Und es geschah an dem Tag, an dem der Ewige zu Mose im Land Ägypten redete, dass der Ewige zu Mose redete und sprach: Ich bin der Ewige …). Ein ba‘al ha-hafsaqot gehörte nach ibn Ezra zu denjenigen Gelehrten, die für die Abschnittseinteilung im Bibeltext zuständig waren. Auch Raschi ad loc. verweist an dieser Stelle darauf, dass V. 28 mit dem nachfolgenden V. 29 inhaltlich verbunden (mechubbar) gelesen werden muss. Der Bibeltext in seiner formalen Gestalt war ein wichtiges Deutemittel für die mittelalterlichen Exegeten. Ibn Ezra kennt auch den sog. ba‘al ha-te‘amim als denjenigen, der für das Akzentsystem zuständig war (Gen 3,22 erster Genesis-Kommentar; Ex 18,3; 34,6 f. [langer Kommentar]). Aus einer Bemerkung von R. Avraham ibn Ezra im langen Exodus-Kommentar (zu Ex 25,31) sehen wir, dass den Auslegern textkritische Probleme geläufig waren. Ich habe Bücher gesehen, die die Weisen von Tiberias untersucht hatten. Ibn Ezra zu Fünfzehn von ihren Ältesten schworen, dass sie jedes Wort und jeden Punkt Ex 25,31 (sowie) jede Plene- und Defektivschreibung dreimal betrachtet hätten. Und siehe da, ist doch (tatsächlich) in dem Wort te‘ase (ha-menora; ‚ …  soll der Leuchter gemacht werden‘) ein Jod. So etwas habe ich in keinem der Bücher aus Spanien, Frankreich oder jenseits des Meeres [England] gefunden. Die (rabbinischen) Gelehrten (qadmonim) legten (diesen Sachverhalt) (nach Art des Midrasch) aus, wonach das zusätzliche Jod ein Hinweis auf die zehn Leuchter sei, die Salomo gemacht habe (1Kön 7,49 [vgl. bMen 28b

124    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit und Baraita de-Melekhet ha-Mischkan 10, allerdings ohne Hinweis auf die Pleneschreibung]).

R. Avraham ibn Ezra kannte ganz offenbar eine Derasch-Auslegung*, die das zusätzliche Jod interpretativ gerechtfertigt hatte. Hatte er in seinem kurzen Exodus-Kommentar noch gelästert und erklärt, es handele sich hier um eine Wortform im nif‘al, und daher könne das Wort nicht mit Jod geschrieben sein, so ist er hier vorsichtiger (vgl. auch Liss 2013). In jedem Fall nahm er die tiberiensische masoretische Tradition sehr ernst und hatte offenbar auch genügend Gelegenheit (auf seinen Reisen?), verschiedene Bibelhandschriften und Mustercodices ausgiebig zu untersuchen. Textkritik wird vor allem dort relevant, wo es im Kontext der jüdisch-christlichen Auseinandersetzung um das rechte Textverständnis geht. Schon Radaqs Vater Josef hatte bestritten, dass die Vulgata* eine legitime Lesart biete (vgl. Talmage 1972, 58 f.; Sefer ha-Berit in Milchemet Chova 30b). In Ps 110,1 (Spruch des Ewigen für meinen Herrn), einem Psalm, der traditionsgemäß christologisch ausgedeutet wurde, weist Radaq die Lesart der Vulgata* zurück (hier Ps 109, nach Version LXX), die anstelle von adoni (mit chireq: ‚mein Herr‘) adonai (mit patach: ‚mein Herr‘, d. h. als Gottesbezeichnung) liest, und damit einen Hinweis auf die trinitarische Gottheit gefunden zu haben glaubte: Radaq zu Ps 110

Die Christen deuten diesen Psalm auf Jesus und behaupten, dass (aus dem) ersten Vers (die Relation von) Vater und Sohn deutlich wird. Sie lesen nämlich ‚Spruch des Ewigen für den Herrn‘, mit qamets unter dem Nun. Und sie argumentieren: ‚Wie (ist es möglich), dass (der Vers) sagt „Spruch des Ewigen für den Herrn“, außer (dass gemeint ist), dass es zwei (göttliche Personen) sind‘, und der (heilige) Geist ist die dritte (Person). Und sie lesen noch einen weiteren Irrtum in diesen Psalm (hinein), (indem sie dort), (wo es heißt) Dein Volk [ammekha], willig ist es (am Tag deiner Stärke; Ps 110,3) ‚mit dir (ist die Herrschaft)‘ [immekha: VUL tecum] mit Chireq lesen (…) (Radaq zu Ps 110; ed. Darom 1979, 252).

Radaq und Hieronymus

Diese Zurückweisung des Verses als vestigium trinitatis auf der Basis der masoretischen Vokalisation zeigt, dass die jüdischen Exegeten in Spanien und in Südfrankreich aufgrund der hier implementierten Kultur der Übersetzung sehr gut darüber im Bilde waren, was ihre christlichen Zeitgenossen aus der Hebräischen Bibel heraus- bzw. in diese hineinlasen. Radaq fügt darüber hinaus noch hinzu, dass die von ihm favorisierte Lesart gleichzeitig von einer Reihe zuverlässiger Textzeugen bestätigt wird. Hieronymus (Radaq schreibt ‫ ;גירולמש‬ad loc.) habe falsch übersetzt, und dies habe nicht zuletzt daran gelegen, dass er einen unvokalisierten Text vor sich gehabt habe. Die Vulgata sei aus einem sefer lo medujjaq (aus einem textkritisch nicht korrigierten Buch) angefertigt worden

4.3.  Neue Zugänge    125

und könne daher nicht als zuverlässig gelten (zum Ganzen Simon 1968, bes. 221). Auf der anderen Seite lässt sich gerade anhand der Kommentare Bibelauslegung als des R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières sehr gut erkennen, Sprachwissenschaft dass man die gesamte theologische und inhaltliche Tradition hintanstellen konnte, wenn es darum ging, den Text grammatikalisch und in stupender philologischer Gründlichkeit auseinanderzunehmen (vgl. auch bereits oben Kap. 3.3.d. zur Auslegung des R. Eli‘ezer aus Beaugency). Die Thronwagenvision des Ezechiel (Ez 1), die schon in der rabbinischen Literatur den Schlüsseltext für die jüdische Mystik bildete und vor allem in der mittelalterlichen philosophischen Auslegung eine große Rolle spielte, wird bei R. Menachem auf ihre einzelnen lexikalischen Elemente heruntergebrochen: Und ich sah: Jetzt teilt er die Erscheinungen mit, die er am Fluss Kevar ge- R. Menachem ben sehen hatte. Und (vor) dem Wort ‚Wolke‘ fehlt ein Waw, wie: Adam, Set, Schim‘on zu Ez 1,4 Enosch (1Chr 1,1). Und das Wort ‚zuckendes (Feuer)‘ bildet (seine Form) aus dem Stamm hitpa‘el, und der Grund (für die Verwendung dieser Stammesmodifikation): Es heftet sich an die Wolke und verbindet sich mit ihr. Und so wie (hier) ist es (auch in dem Vers): … und zuckendes Feuer inmitten von Hagel (Ex 9,24), der in der Tora geschrieben steht. Und der Targum übersetzt den (Ausdruck mit): ‚zuckendes‘ (Feuer), wie (die) Übersetzung von in einer Feuerflamme (Ex 3,2). Und ein Leuchten um sie herum: Seine Bedeutung ist: Wegen des Feuers war ein Leuchten um die Wolke herum; und (die Präposition) ‚aus seiner Mitte heraus‘ hat (grammatikalisch) eine feminine Notation und bezieht sich auf das Feuer. Man findet aber auch (die) maskuline und feminine Form in einem anderen Vers, und er (lautet): Es frisst ihn auf ein Feuer – nicht angefacht (Hi 20,26). Und der Vers wiederholt (den Ausdruck) ‚aus der Mitte des Feuers heraus‘ ein zweites Mal, um (diesen) Sachverhalt zu betonen, wie (in): Da ließ der Ewige auf Sedom und Amora Schwefel und Feuer regnen – ausgehend vom Ewigen vom Himmel (Gen 19,24), und so (derer) viele (Beispiele). Glanzerz [chaschmal]: ‫ חשמל‬ist ein vierradikaliges Wort. Und R. Jona, der Spanier s. A. [Jona ibn Ğanaḥ / Abū al-Walîd Merwân ibn Ğanaḥ] sagt, dass es eine violette Purpurfarbe sei, aus der Farb(palette) des Feuers, so, als habe der (Vers) gesagt: ‚Und ich sah (…) (etwas) wie feuriges Glanzerz‘ [‫ ;כעין אש חשמל‬Jona ibn Ğanaḥ, Sefer ha-Schoraschim, 176). Und unsere Rabbinen s. A. legten die (Sache so) aus: Die chajjot [die (vier) Tiere] (sprühen) Feuer (beim) Sprechen (bHag 13b). Aber (dies) passt nicht zum literarischen Kontext.

Auf (im Hebräischen) wenigen Zeilen zeigt R. Menachem ben Schim‘on, wie gut er die Tabulatur der hebräischen Sprachwissenschaft, Grammatik und Stilkunde beherrscht. In diesem Abschnitt diskutiert er nicht nur den asyndetischen Anschluss an das Wort ‚Wolke‘, sondern die Verwendung der jeweiligen Stammesmodifikationen, die Wurzelradikale* bestimmter Wörter sowie Genusund Stilfragen wie Reduplikation. Diese Vorgehensweise macht den Kommentar bis heute zu einem einzigartigen Werkzeug für die hebräische Sprachwissenschaft.

126    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit d.  Der Beginn polemischer Auseinandersetzungen Antichristliche Polemik

Radaqs Kommentare enthalten weit mehr antichristliche polemische Ausführungen, als dies bei den nordfranzösischen Auslegern einschließlich R. Avraham ibn Ezra der Fall war. Vieles davon basiert auf dem Sefer ha-Berit seines Vaters Josef oder auf Ausführungen seines älteren Zeitgenossen Ja‘aqov ben Re’uven in dessen Sefer Milchamot ha-Schem (vgl. Talmage 1967, 214). Vor allem die Tatsache, dass Radaq keinen eigenen polemischen Traktat schrieb, sondern dass diese Polemik einen genuinen Teil seiner Bibelkommentare darstellte, trug dazu bei, dass Radaq von Späteren vielfach vor allem unter dem Aspekt seiner antichristlichen Polemik gelesen und rezipiert wurde. Wer immer mit einer dogmatischen theologischen Aussage von seiten der Christen konfrontiert wurde, nahm sich seinen Kommentar und konnte sich seine Erwiderung zusammenstellen. Gemäß seinem Konzept, einer möglichst textgenauen Auslegung nach dem Peschat*, argumentierte Radaq entweder mit dem Nachweis, dass die Christen den hebräischen Text an dieser Stelle falsch läsen, oder dass sich die Auslegung ad absurdum führe (also ein logischer Nachweis). Dazu gehörte auch der Nachweis, dass ein christliches Dogma irrational oder anderweitig falsch sei. Schlussendlich hat er auch nachzuweisen versucht, dass an vielen Stellen der Hebräischen Bibel die von den Christen betriebene allegorische Interpretation nicht statthaft sei. An über zwanzig Stellen argumentiert Radaq explizit gegen eine christologische Auslegung, d. h. gegen die allegorische Auffindung des Jeschu (ha-Notzri) durch die christliche Exegese. Ein gutes Beispiel für die Zurückweisung christlicher Allegorese ist Ez 44,2, ein Vers aus der großen Tempelvision Ez 40 – 48, der von den Christen stets allegorisch auf die Jungfrau Maria bezogen wurde (Da sagte der Ewige zu mir: Dieses Tor soll geschlossen bleiben, es soll nicht geöffnet werden, und kein Mensch darf [je] hindurchgehen; denn der Ewige der Gott Israels, ist durch dieses Tor gekommen). Radaq kommentiert hier prosaisch:

Radaq zu Ez 44,2

Denn der Ewige, der Gott Israels, ist durch dieses Tor eingezogen. (Der Vers) will damit sagen: die Wolke der Herrlichkeit (kavod), die durch (dieses Tor) eingezogen ist, so, wie er es bereits oben gesagt hat. Und das, was die irrenden Christen an dieser (Stelle) auslegen, ist ein erklärter Unsinn, denn der Text spricht hier über das Heiligtum und seine Tore, und nicht über eine Frau! Und alle ihm vorangehenden und nachfolgenden Verse stellen (ebenfalls) für jeden Einsichtigen eine (exegetische) Erwiderung für sie dar, und man muss diese Erwiderung jetzt nicht noch (künstlich) in die Länge ziehen.

Die Toledot Jeschu

Die jüdische antichristliche Polemik, die sich schon im babylonischen Talmud* findet (bShab 104b; bSan 67a), fand ihren Höhe-

4.3.  Neue Zugänge    127

punkt in der seit dem 9./10. Jahrhundert handschriftlich belegten Erzählung Toledot Jeschu, einer Persiflage auf das in den neutestamentlichen Texten erzählte Leben Jesu (zum Ganzen zuletzt Schäfer 2016; Meerson / Schäfer 2014; Schäfer / Meerson / Deutsch 2011). Allerdings muss man sagen, dass sich die mittelalterlichen jüdischen wie christlichen polemischen Texte leider oftmals dadurch auszeichnen, dass auf beiden Seiten die in der altkirchlichen Theologie nach mühsamem Ringen erreichten theologischen Spitzfindigkeiten (natürlich) nicht (mehr) verstanden wurden, sodass das Niveau dieser Debatten zum Teil eher niederschwellig war. Dies zeigen beispielsweise Riqams und Radaqs Darlegungen zur Bedeutung der jungen Frau (almah) aus Jes 7,14. Den Christen, die die jesajanische Weissagung auf Jesus und Maria hin lasen, antworten die jüdischen Ausleger, dass es viele ehemalige Jungfrauen gegeben habe, die dann aber schwanger wurden. Allerdings seien sie als schwangere Frauen eben keine Jungfrauen mehr, und wenn sie Jungfrauen seien, seien sie auch nicht schwanger (Talmage 1972, 53 – 54). Insgesamt suchte Radaq immer wieder die christliche Religion in ihren zentralen Dogmen und Lehrsätzen als irrational zu kennzeichnen und die Christen als Götzendiener und Bilderverehrer zu brandmarken. So schreibt er in seinem Kommentar zu Jes 2,18 – 20, dass die Christen sich ein (Götzen-)Bild in der Gestalt von Jesus (tzelem be-tzurat Jeschu) anfertigen, womöglich noch aus Gold oder Silber, wie jene beim Propheten erwähnten Götzen (elilim). Ein wichtiges Thema für die jüdisch-christliche Auseinander- Der Streit um das setzung war die Frage nach der bleibenden Gültigkeit des Gesetzes jüdische Gesetz und seiner Ausübung. In Ps 19,10 heißt es: (…) Die Rechtssätze des Ewigen sind Zuverlässigkeit, sie sind gerecht allesamt. Radaqs Kommentar geht gegen die christliche (paulinische) Behauptung an, wonach das Gesetz jetzt nicht mehr corporaliter (‚fleischlich‘), sondern spiritualiter (‚geistig‘) zu verstehen sei: (…) wird in Ewigkeit bestehen (bezieht sich) auf die ganze Tora, denn Gott Radaq zu Ps 19,10 hat sie nicht nur für einen bestimmten Zeitraum gegeben, sondern in alle Ewigkeit. Und (es ist nicht so zu verstehen), wie es die gottesleugnerischen Christen behaupten, wonach nämlich jene Tora, die auf dem Berg Sinai gegeben wurde, nur bis zu dem Zeitpunkt (in Kraft) war, bis Jesus kam, dass sie also bis zu seiner Zeit korporaliter (gufanit) (gemeint gewesen sei), aber von dem Zeitpunkt an, da er kam, habe (Gott) befohlen, sie spirituell (ruchanit) zu verstehen. Ihre (der Christen) Worte sind (heiße) Luft und leeres Gerede, denn die Gebote, von denen sie behaupten, dass sie allegorisch (derekh maschal) und nicht ihrer (wörtlichen) Bedeutung (maschma‘) nach zu verstehen seien, sind ja alle ausdrücklich (so) von Gott gegeben worden, nicht allegorisch, sondern ihrer tatsächlichen Bedeutung nach. Wenn nämlich die Gebote (mitzwot) allegorisch (zu verstehen) wären, so wäre ihre (Bedeutung) immer zweifelhaft (besafeq).

128    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit Dass nach christlicher Auffassung die Gebote übertragen zu verstehen seien, liegt natürlich darin begründet, dass sich bereits das frühe Christentum vom Judentum in einem entscheidenden Punkt unterscheiden musste, wollte man nicht zunächst alle potentiellen Christen den Weg über das Judentum nehmen lassen (vgl. z. B. Apg 15,9.19 – 20.28 – 29; Paulusbriefe; Römer 7 – 8 etc.). Radaq muss daher vor allem auf der bleibenden Aufforderung zur Gebotsausübung durch die Juden insistieren. Allerdings zeigt die Auseinandersetzung um die sog. maimonidische Kontroverse (vgl. nachfolgend Kap. 6.1.a.), dass es auch unter den Juden einzelne Gruppierungen gab, die in ihrer zum einen rationalistischen, zum anderen metaphysischen Ausdeutung der Bibeltexte die Wörtlichkeit der Gebote und darin vor allem: die Pflicht ihrer Ausübung durchaus in Frage stellten. e.  Philosophische Bibelauslegung Avraham ibn Ezra als Neuplatoniker

Obwohl Avraham ibn Ezra kein systematischer Philosoph war, spielten philosophische Probleme eine zentrale Rolle in seinem Denken. Neben seinen Schriften Sefer ha-Schem über den Gottesnamen und Sefer Jesod Mora über die Bedeutung der Gebote (ebenfalls mit einem Exkurs über den Gottesnamen am Ende) integrierte ibn Ezra seine philosophischen Ansichten hauptsächlich in seine biblischen Kommentare. In diesen Zusammenhängen, die oftmals auch nur Anspielungen in esoterischem Stil darstellen, finden sich dann oft Phrasen wie ‚der Einsichtige versteht‘ (ha-maskil javin). Er wählte dieses Stilmittel, weil er der Meinung war, bestimmte philosophische Ansichten seien nichts für gewöhnliche Glaubensgenossen. Insgesamt ist es nicht einfach, aus seinen fragmentarischen und lakonischen Redensarten ein konsistentes System herauszudestillieren. Seine philosophische Grundhaltung war im wesentlichen neuplatonisch und stark von Schelomo ibn Gabirol (Poet und Philosoph in Spanien; 1020 – ca. 1058) beeinflusst. Er akzeptierte Gabirols Doktrin, wonach die intelligiblen Substanzen aus Materie und Form zusammengesetzt sind, und in seinem Genesis-Kommentar (zu Gen 2 – 3) finden sich sogar Auszüge aus Gabirols allegorischer Interpretation des Berichts über den Garten Eden. Ibn Ezra beschrieb die Verbindung Gottes zur Welt als eine pantheistische* oder besser: panentheistische* und emanatorische Relation zur Welt: hu ha-kol we ha-kol mimmennu (‚Er ist alles, und alles kommt von ihm‘): Gott ist die Quelle, aus der alles fließt. Ibn Ezra beschrieb den Prozess der Emanation der Welt aus Gott im Bild des Hervorgangs aller Zahlen aus der Eins oder im Bild des aus dem Mund ausströmenden Luftstroms und der Rede.

4.3.  Neue Zugänge    129

Als spanischer Gelehrter war ibn Ezra sowohl formal wie auch inhaltlich von der ihn umgebenden Kultur bestimmt. Dies zeigt sich allein schon daran, dass er auch die Form des philosophischen Gedichtes übernommen hat. Stilistisch sind seine Gedichte außerordentlich kunstvoll entwickelt und zeigen die Integration sowohl lateinischer wie auch arabischer Metrik. Sein wichtigstes philosophisches, poetisches Stück ist Chai ben Meqitz, das dem zweiten Teil der Keter Malchut von Schelomo ibn Gabirol ähnelt und im Versmaß dem klassischen arabischen maqam folgt. Im Sufismus meint maqam die einzelnen Stationen des Menschen auf seinem Weg zu Gott, und so geht es inhaltlich auch bei Chai ben Meqitz um eine Reise durch mystische Welten (Aufstiegsmotivik) und himmlische Sphären. Chai ben Meqitz verkörpert hierbei allegorisch die Vernunft auf der Suche nach dem absoluten Intellekt (zum Ganzen Greive 1973). In der Schöpfungslehre – besonders im Kommentar zu Gen 1 – verband ibn Ezr‎a die neuplatonische Lehre von der Emanation mit der platonischen Theorie der Schöpfung. In merkwürdiger Inkonsistenz zu seinem eigenen Ansatz setzt er hier voraus, dass Form und Materie der intelligiblen Welt von Gott ausgingen, während die Erde präexistent und ungeschaffen sei. Die intelligible Welt sei wie Gott ewig, während die (Erden-)Welt in der Zeit stehe und nur vermittels der intelligiblen Welt geschaffen worden sei, daher auch nicht ex nihilo, sondern aus der präexistenten Welt. Der biblische Bericht über die Erschaffung der Welt beziehe sich auch nur darauf. Dementsprechend interpretierte er das Wort elohim ‚Gott‘ (Gen 1,1) als die intelligible Welt, auch: die Engel, und das Wort bara ‚schaffen‘ im Sinne von ‚eingrenzen‘. Er teilte das Universum in drei Welten ein: die obere, intelligible Welt (Engelwelt), die Mittelwelt der himmlischen Sphären und die niedere Welt, bzw. die sublunare, unsere Welt. Auch ibn Ezras Theorie über die menschliche Seele ist grundsätzlich neuplatonisch. Die Quelle der rationalen Seele ist die Universalseele. Unsterblichkeit wird hier als eine Wiedervereinigung der rationalen Seele mit der Weltseele verstanden. Nach ibn Ezra liegt hierin auch das Wesen der Prophetie: Sie sei die Verbindung der Seele des Propheten mit der Universalseele (devequt ‚Anhaften‘). Auch Gottes Vorsehung werde nur jenen gewährt, die zu intellektueller Vollkommenheit gelangt seien und denen es gelungen sei, sich mit dem allgemeinen Intellekt zu vereinigen. Die Verbindung der Seele des Propheten mit der Universalseele (devequt) findet eine ausführliche Erörterung im ersten Exodus-Kommentar im Kontext der Bitte des Mose, Gott möge ihm seine ‚Herrlichkeit‘ (kavod) zeigen:

Das Gedicht Chai ben Meqitz

Ibn Ezras Schöp­ fungslehre

Theorie über die menschliche Seele

130    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit Ibn Ezra zu Ex  33,18 – 20

Er sagte: ‚Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen!‘ Seine Erklärung ist wie ‚dich selbst‘ [d. h. ‚dein Wesen‘ etzem]. Und so auch (in): Und es wird sein, wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht (Ex 18,22) (…) und (der Text) sagt (weiter): Und der Ewige ging vor seinem Gesicht vorüber (Ex 34,6). Es sagte (aber) der Gaon [R. Sa‘adja Gaon in Sefer ha-Emunot we-ha-De‘ot II,12], dass (mit dem Ausdruck) ‚deine Herrlichkeit‘ ein Licht (gemeint sei), das Gott je und je geschaffen habe, und (dementsprechend) erklärte er (die Wendung) … bis ich vorbeigezogen bin (Ex 18,22) (als) ‚bis meine Herrlichkeit vorbeigezogen ist‘, und die Bedeutung von … du wirst mich von hinten sehen (Ex 18,23) mit der Rückseite des Lichts (…) Meiner Meinung nach drückt es der Vers entsprechend der üblichen Ausdrucksweise aus (ke-minhago), denn wir haben eine klare Erkenntnis davon, dass Gott keinen Körper hat, und entsprechend (der Tatsache), dass er keinen Körper hat, ist es auch nicht möglich, dass er mit dem (bloßen) Auge gesehen werden kann (…). Und deshalb habe ich gesagt, dass (sich der Ausdruck) ‚lass mich sehen‘ nicht auf das physische Sehen bezieht (…), es ist (nur) ein (imaginiertes) Ähnlichkeitsbild (dimjon) (…). Und die Bedeutung von Ich werde all meine Güte vorüberziehen lassen meint das Gesicht [die Vorderseite] (…). Daher gilt: jede ‚Herrlichkeit‘ haftet an Gott (selbst) (…) [kurzer Kommentar, ed. Weiser 1977].

Hier setzt sich ibn Ezra explizit mit R. Sa‘adjas Überlegungen zur göttlichen Herrlichkeit auseinander (vgl. oben Kap. 1.2.a.). Dieser definierte als erster den kavod als geschöpfliche Lichterscheinung, die sich den Propheten gezeigt habe. Wird, wie im System ibn Ezras, der kavod als eine aus dem Schöpfer emanierte Größe vorgestellt, so ist er göttlicher Natur (wenn auch in verringerter Potenz). Ibn Ezra sah den kavod als eine aus Gott emanierte Größe an, die zwei Haftpunkte oder ‚Gesichter‘ (panim) besitze: das eine der Schöpfung, das andere dem Wesen Gottes selbst zugewandt und mit ihm verhaftet (devequt). Das Gesicht, das Gott anhaftet, kann der Prophet nicht schauen. Er sieht lediglich die ‚Rückseite‘ des kavod, jenen der geschöpflichen Welt zugewandten Teil. Diese Vorstellung wurde vor allem bei den sog. Chaside Aschkenaz* im Kontext ihrer spekulativen Theologie und Bibelauslegung stark rezipiert (vgl. unten Kap. 5.3.c.). Radaqs Rezeption Im Winter 1232 reiste Radaq nach Spanien, um die Lehren seines des Maimonides großen Meisters Maimonides zu verteidigen (Talmage 1975, 29). Dabei ging es ihm vor allem um die Verteidigung der profanen Wissenschaften, allen voran der Naturwissenschaften. Ähnlich wie auch für ibn Ezra gab es für Radaq keine Unterscheidung zwischen ‚heiligen‘ und ‚profanen‘ Wissenschaften; auch für ihn beinhaltete die ‚Theo-Logie‘ ganz selbstverständlich das Studium der Naturwissenschaften. Darin, dass ein Mensch über Gottes große und wunderbare Werke nachdenkt, um von dort aus einen Blick auf seine unendliche Weisheit zu erhaschen, zeige sich die eigentliche Liebe zu Gott. So hatte es bereits Maimonides formuliert (vgl. More

4.3.  Neue Zugänge    131

ha-Nevokhim I,34; vgl. auch Hilkhot Jesode ha-Tora II,1 – 2), und so findet es sich immer wieder in Radaqs Kommentaren. In seinem Kommentar zu Jes 43,7 (… und für meine Herrlichkeit habe ich ihn geschaffen …) erklärt er den Zusammenhang zwischen dem menschlichen Lob Gottes und dem Studium der Lebenswissenschaften: Und für meine Herrlichkeit habe ich ihn geschaffen: (…) Und siehe, sie Radaq zu Jes 43,7 wurden aber zur Ehre Gottes geschaffen: Sie danken dafür und bekennen seinen Namen. Die Schöpfung (meint) die Formung des Menschen (und zwar) aus dem Nichts ins Sein (…). Und (der Ausdruck) ‚Formung‘ (jetzira) verweist auf die Gestaltung der (einzelnen) Körperglieder, und das (göttliche) Tun (asijja) meint die Gestaltung seiner Ernährung und seiner körperlichen Bedürfnisse. (…) Daher muss der Mensch über die Formung des Menschen und die Gestaltung seiner Körperglieder nachsinnen (…) wie die (Menschen) in Weisheit gemacht wurden, über die Gestaltung seiner Erhaltung vom Tag seiner Geburt an. Und diese Weisheit bringt den Menschen dazu, seinen Schöpfer zu kennen, ihn zu loben und seinem Namen zu danken (…). Und dies meint die Herrlichkeit Gottes. Daher sagt er auch ‚Israel, das ich zu meiner Herrlichkeit erschaffen habe‘ soll über mein Werk nachdenken und mir danken, denn dies ist unabdingbar, soll ich es (je wieder) aus dem Exil herausführen.

Gottes ‚Werke‘ kennen und ihn loben heißt, sich mit der Natur, dem Menschen, seiner Gestaltung, seiner Erhaltung, kurz: mit den Lebenswissenschaften zu befassen. Und dies ist nach Radaq kein reiner Selbstzweck – es ist eigentlich die Bedingung dafür, dass Gott sich dem Volk Israel wieder zuwendet, indem er es aus dem Exil (zurück ins Land) führt. Wie für Maimonides bedeutet also auch für Radaq das Studium des Schöpfungswerkes (Ma‘ase Bereschit) das Studium der Naturwissenschaften (Chokhmat ha-Teva): Anatomie und Astronomie. In seinem esoterischen Kommentar zu Genesis wie zu Ezechiel 1 findet sich darum nichts eigentlich Neues gegenüber den Ausführungen des Maimonides. Ein für die gesamte mittelalterliche Philosophie zentrales Thema war die Prophetie. Maimonides hatte zwischen elf prophetischen Graden unterschieden (More ha-Nevokhim II,45): Die ersten beiden Stufen verstand er als ‚Geistbegabungen‘, analog denen der charismatischen Richter, über die in Zeiten der Drangsal Israels der göttliche Geist (ruach) kam. Das dritte bis siebte Level umfasst verschiedene Grade von Traumerfahrungen, und erst in der achten bis elften Stufe liegen für ihn die eigentlichen prophetischen Visionen, in denen ein Prophet ein Wort hört oder einen Engel sprechen sieht. Radaq hat Maimonides nur in Ansätzen übernommen. Bei ihm gibt es insgesamt nur fünf Stufen. Jesajas Vision bezeichnet er als prophetische Erscheinung der Herrlichkeit Gottes, die

Lebenswissen­ schaften als Gotteslob

Radaqs Verständnis der Prophetie

132    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit Radaq zu Jes 6,2

ausschließlich vom Intellekt empfangen wird (hasagat ha-sekhel) und nicht mit einer Wahrnehmung außerhalb des Intellekts, denn jene Engel, die er (dort) serafim nennt, haben weder Gesicht noch Füße noch Flügel gemäß der Meinung der Weisen und der Philosophen.

Diese Auslegung basiert auf dem philosophischen Verständnis, wonach Gott unkörperlich, unveränderlich und unsichtbar sei. An anderer Stelle geht Radaq mit dem Targum* und späteren Auslegern wie R. Sa‘adja überein, wonach die Propheten nicht Gott selbst gesehen hätten, sondern seine Herrlichkeit (kavod). Rationale Erklärun­ Radaq hat Maimonides’ Auffassung der Wunder nicht in allem gen der Wunder übernommen, denn er vertritt die Ansicht, dass Gott, der die Natur und ihre Gesetze ins Leben gerufen habe, diese auch wieder außer Kraft setzen könne. Radaq zu Jes 63,12

Vielmehr tat er dies alles, um seine große Macht zu zeigen, und zu zeigen, dass alles in seiner Hand liegt, (dass er) sogar den grundgelegten natürlichen Lauf der Dinge in ihr Gegenteil verkehren kann.

Auch mit seiner Auslegung von Jos 5,2 wären hartgesottene Aristoteliker sicher nicht zufrieden gewesen: Radaq zu Jos 5,2

Obwohl er [Gott] durchaus den natürlichen Lauf der Dinge ändern kann (wie) bei wenigen Wundern, wie beispielsweise bei der Spaltung des Meeres und des Jordans oder der Sonne, die stillsteht – bei den meisten Wundern macht er es nicht so. Selbst dort, wo er denen, die er liebt, einen (militärischen) Sieg verleiht, lässt er dies in einer Sache begründet sein, die sich aus den natürlichen Umständen des Krieges heraus ergibt.

f.  Bibelauslegung in Krisenzeiten Mit Radaq beginnt die Zeit des massiven Drucks von christlicher Seite her: Die Auseinandersetzung der Kirche mit den Ketzern und das Erstarken der Bettelorden sind dafür vor allem verantwortlich. Radaqs jüngere Zeitgenossen R. Jechi’el ben Josef aus Paris (Ende 12. Jahrhundert – ca. 1286) sowie Ramban aus Barcelona werden in Zwangsdisputationen verwickelt. Die beginnende polemische Literatur aufseiten der Juden (vgl. oben Kap. 4.3.d.) ist eine Antwort darauf. Die zweite Antwort ist eigentlich eine sich stetig steigernde und immer drängender werdende Frage: Warum? Und: Wie lange noch? Deutlich wird dies in Radaqs Psalmen-Kommentar. So schreibt er beispielsweise zu Ps 44,10 (Doch Du hast uns verstoßen und erniedrigt – immer wieder bist du nicht ausgezogen mit unseren Heeren): Radaq zu Ps 44,10

Nun hast du uns verworfen und beschämt: Siehe, täglich harren wir der Rettung (jeschu‘a). Nicht genug, dass Du uns (bislang) nicht errettet hast – Du hast uns überdies verstoßen und uns der Hand unserer Feinde über-

4.3.  Neue Zugänge    133 lassen, um Übles auf uns zu bringen. Du hast uns erniedrigt: Fürwahr: Wir preisen Dich gegenüber unseren Feinden und sagen zu ihnen, dass Du uns auf jeden Fall erretten wirst, aber die Rettung ist fern von uns, und wir werden vor denen beschämt, die sagen: Wann erfüllen sich denn eure Reden? Wo ist denn der, der euch errettet? Immer wieder bist du nicht ausgezogen mit unseren Heeren: (…) dass also die Heere der Söhne Israels mit deiner Hilfe aus der Verbannung (galut) wieder ausziehen – so, wie sie (einstmals) aus Ägypten ausgezogen sind.

Ob hier tatsächlich eine ‚Erlösung‘ von der Drangsal im Sinne einer eschatologischen Aufhebung des jüdischen Schicksals in der Di­ aspora die Rede ist, lässt sich nur schwer entscheiden. Die bittende Aufforderung, Gott möge sich der Diaspora-Juden ebenso annehmen wie seinerzeit des jungen Volks Israel in Ägypten, lässt aber zumindest ahnen, dass für Radaq das Ende des Exils ebenso weit weg ist wie der heroische Auszug aus Ägypten. Es klingt alles ziemlich hoffnungslos. Ähnlich deprimierend beschreibt er das Bild in Ps 22,17 (Hunde haben mich umgeben, eine Truppe von Übeltätern hat mich eingekreist an meinen Händen und Füßen): Hunde haben mich umgeben: Das sind die Feinde – und ich bin mittendrin, Radaq zu Ps 22,17 wie einer, der von Hunden umzingelt ist, und es gibt keinen Ausweg, um zu fliehen. (…) So sind wir im Exil wie in einem undurchdringlichen Kreis, aus dem man nicht herauskommt (…) Denn kaum zögen wir aus dem Herrschaftsgebiet der Unbeschnittenen [Christen] hinaus, so kämen wir in den Einflussbereich der Ismaeliten [Muslime], und zögen wir aus dem Herrschaftsgebiet der Ismaeliten hinaus, so kämen wir in den Einflussbereich der Unbeschnittenen, (…) denn wir haben kein Recht (reschut), um mit unseren Füßen zu fliehen und mit unseren Händen zu kämpfen. Und siehe, es ist so, als wären unsere Hände und Füße in ehernen Fesseln.

Dieser Vers beschreibt nach Radaq die Situation der Juden in der europäischen Diaspora, wo man keinem der ‚Hunde‘ entrinnen kann. Seine Formulierung der Recht- und Machtlosigkeit, mit dem Begriff der reschut formuliert, ist mehrdeutig und erhält von hier auch seine Schärfe: Es gibt kein Gebiet, keinen Herrschaftsbereich, von dem aus man auch militärisch agieren könnte, aber es gibt wohl nach Radaq auch vonseiten Gottes (noch?) nicht das Recht, die Erlaubnis, um sich militärisch und politisch zu organisieren. Dass ihm die Stadt Jerusalem weiter entfernt zu sein schien als uns der Mars, ist wohl mehr als verständlich. Im Kommentar zu Ez 37,11 beschreibt er die Juden als im Dunkeln lebend und von ihren Wurzeln abgeschnitten. Es war diese deprimierende Situation, die es den Christen gerade in den Ländern, wo auch das innerjüdische ideologische Korsett brüchig wurde, leicht machte, Konvertiten zu gewinnen. Radaqs Verzweiflung in seinen Psalmen-Kommentierungen liest sich daher fast wie eine Vorwegnahme der confessiones des Avner von Burgos (ca. 1270 – ca. 1347), einem Juden, der in hohem Alter vom Juden-

134    4. Kapitel:  Bibelauslegung und universale Gelehrsamkeit tum zum Christentum übertrat. Er beschreibt nicht nur das lange vergebliche Warten auf die Errettung, sondern einen entscheidenden Traum, aus dem ihm deutlich geworden sei, dass den Juden in ihrer Verbohrtheit und Bosheit vor allem ein more ha-tzedeq, ein ‚Lehrer der Gerechtigkeit‘, fehle, der ihnen die Wahrheit sage und ihnen mitteile, wie sie zu leben hätten (vgl. Baer 1978, 328 f.).

4.4. Zusammenfassung Die jüdische Gelehrtenwelt aus Spanien und der Provence trat vor allem mit ihrer arabisch-hebräischen Übersetzertätigkeit in das westeuropäische Blickfeld, zunächst vor allem in Nordfrankreich. Mit den Übersetzungen gelangte nicht nur grammatisch-sprachwissenschaftliches Wissen zu den Tosafisten*, sondern auch Philosophie und (arabische) Poetik. Dass diese Begegnung nicht immer reibungslos verlief, ist leicht vorstellbar. Überhaupt war den rabbinisch gebildeten Tosafisten Frankreichs das Verständnis von Naturwissenschaft als Theologie fremd. Die Kommentare von Avraham ibn Ezra und den Mitgliedern der Familie Qimchi konnten sich daher auch erst allmählich durchsetzen. Ihr Anspruch, der sich als Anfang einer Bibelwissenschaft charakterisieren lässt, in der man zum einen Rechenschaft über die verschiedenen Auslegungsmethoden ablegte, zum anderen auch der Sprachwissenschaft, Textkritik und dem Studium verschiedener Rezensionen (auch über die hebräische Bibeltradition hinaus zur lateinischen Version der Vulgata*) einen selbstverständlichen Platz einräumte, zeugt von einer neuen Rationalität im Umgang mit der Bibel. Dass im Zeitalter der Ketzerverfolgungen und beginnender Missionierungstätigkeit durch die Kirche auch der Ton schärfer wurde, zeigen vor allem Radaqs Kommentare. Gleichzeitig repräsentieren ibn Ezra und Radaq in ihrer Rezeption des Neuplatonismus und des Aristotelismus die zwei philosophischen Grundrichtungen, die auch das Judentum vom 13. Jahrhundert an nicht nur in der Bibelauslegung machtvoll bestimmen sollten. Die Kommentare von ibn Ezra und Radaq genossen zusehends größere Beliebtheit und wurden neben Raschis Kommentaren die am häufigsten herangezogenen. Sie faszinieren Leser und Leserinnen bis heute nicht nur wegen ihres enzyklopädischen Charakters, sondern auch wegen ihres konzisen Stils, ihres kritischen und anregenden Geistes sowie wegen des Witzes und der Satire, die sie enthalten. Besonders zu ibn Ezras Bibelkommentaren wurden zahlreiche Superkommentare verfasst.

4.4. Zusammenfassung    135

5. Kapitel: Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz

Chazan, Robert Leon, Fashioning Jewish Identity in Medieval Western Christendom. Cambridge 2004. Dan, Joseph, Das Entstehen der jüdischen Mystik im mittelalterlichen Deutschland. In: Karl Erich Grözinger (Hg.), Judentum im deutschen Sprachraum (Edition Suhrkamp, Bd. 1613). Frankfurt 1991, S. 127 – 171. Emanuel, Simcha, „Fragment of R. El‘azar of Worms’ Commentary to Psalms (hebr.).“ Qovez al Yad NF 22 (2014a), S. 116 – 135. – , „German Sages in the Thirteenth Century: Continuity or Crisis?“ Frankfurter Judaistische Beiträge 39 (2014b), S. 1 – 19. Grossman, Avraham, The Early Sages of Ashkenaz: Their Lives, Leadership and Works (900 – 1096) (hebr.). Jerusalem 1981 (2. erw. Aufl. 1988; 3. erw. Aufl. 2001). Grözinger, Karl Erich, Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik, Bd. 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Frankfurt am Main u. a. 2005. Kanarfogel, Ephraim, Peering Through the Lattices: Mystical, Magical, and Pietistic Dimensions in the Tosafist Period. Detroit 2000. – , „R. Judah he-Hasid and the Rabbinic Scholars of Regensburg: Interactions, Influences, and Implications.“ Jewish Quarterly Review 91 (2006), S.  17 – 37. Liss, Hanna, „Wie eine fliegende Schriftrolle: Pseudo-El‘asar-Traditionen in den Hilkhot ha-Kavod des El‘asar ben Yehuda von Worms.“ Frankfurter Judaistische Beiträge 23 (1996), S. 23 – 54. – , El‘azar ben Yehuda von Worms: Hilkhot ha-Kavod. Die Lehrsätze von der Herrlichkeit Gottes. Edition. Übersetzung. Kommentar (Texts and Studies in Medieval and Early Modern Judaism, Bd. 12). Tübingen 1997. Malkiel, David Joshua, Reconstructing Ashkenaz: The Human Face of Franco-German Jewry, 1000 – 1250 (Stanford Series in Jewish History and Culture). Stanford 2009. Marcus, Ivan G., Piety and Society. The Jewish Pietists of Medieval Germany (Études sur le Judaïsme Médiéval, Bd. 10). Leiden 1981. – , „Exegesis for the Few and for the Many: Judah he-Hasid’s Biblical Commentaries.“ Jerusalem Studies in Jewish Thought 8 (1989), S. 1 – 26. – , The Historical Meaning of Hasidei Ashkenaz: Fact, Fiction or Cultural Self-Image? In: Joseph Dan / Peter Schäfer (Hgg.), Gershom Scholem’s Major Trends in Jewish Mysticism. 50 Years After. Proceedings of the Sixth International Conference on the History of Jewish Mysticism. Tübingen 1993a, S.  103 – 114. Shoham-Steiner, Ephraim, „From Speyer to Regensburg: Reexamining the Migration of the Pietistic Kalonymides from the Rhineland to the Danube (hebr.).“ Zion 81 (2016), S. 149 – 176.

136    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz

5.1. Voraussetzungen und Hintergründe a.  Investiturstreit und innerkirchliche Entwicklungen Das 12. und beginnende 13. Jahrhundert bedeutet für die Kirche und ihre Trägergruppen massive Herausforderungen und Umwälzungen. Mit dem Wormser Konkordat 1122 kann der Investiturstreit zwischen Heinrich V. und Calixt II. als beigelegt gelten, indem der König auf die Investitur mit Ring und Stab verzichtet und die Bischöfe ohne Mitwirkung des Königs gewählt werden. Während der zweite Kreuzzug 1147 aufgrund der spannungsgeladenen Beziehungen der beteiligten Könige (Ludwig VII. von Frankreich und Konrad III.) wenig Erfolg hatte, kam es als Ergebnis des dritten Kreuzzugs 1189, bei dem Friedrich Barbarossa ums Leben kam, 1191 zur Einnahme von Akko und zum Waffenstillstand mit Saladin. Nach innen führte die Kirche parallele ‚Kreuzzüge‘: So rief Bernhard von Clairvaux (1115 – 53) zum Kreuzzug gegen die Pommern (Wenden) auf, die sich hinsichtlich der Christianisierung noch immer ausgesprochen widerständig zeigten. Der Einfluss Bernhards, erster Abt des Klosters Clairvaux (Tochtergründung des zisterziensischen Gründungsklosters Citeaux), der vor allem als Prediger und Mystiker schnell zu Ansehen kam, zeigt sich vor allem an der Ausbreitung des Zisterzienserordens. In Deutschland gehörten neben Rupert von Deutz (ca. 1070 – 1130) auch Gerhoch von Reichersberg (1092 – 1169) und die Benediktinerin Hildegard von Bingen (1098 – 1179) zu den herausragendsten Vertretern der mystischen Theologie. Gründung der Ab 1140 erstand der Kirche mit dem Auftreten der ersten KathaBettelorden rer* (Albigenser) ein gewaltiger Gegner: zunächst in Südfrankreich, dann aber auch in Italien und Deutschland. Die Auseinandersetzungen mit häretischen Gruppen und Ketzern sollten das ausgehende 12. und das 13. Jahrhundert durchgehend beherrschen und großen Einfluss auch auf das Leben der Juden haben. In dieser Zeit spielt die Gründung der sog. Bettelorden eine große Rolle. 1215 gründet der kastilische Prediger Dominikus (1170 – 1221) eine Priestergemeinschaft, aus der der sog. Dominikanerorden hervorgehen wird (1216 Bestätigung der ordo praedicatorum durch Papst Honorius III.), der sich vor allem der Bekehrung der Katharer verschrieben hatte. Praktisch zeitgleich bestätigt Honorius 1223 den sog. ordo fratrum minorum der sog. Franziskaner (Gründungsvater ist Franz von Assisi; ca. 1181 – 1226). Die ab 1210 vor allem in Frankreich und Deutschland aufkommende Bewegung der Beginen (Frauengemeinschaften ohne Ordensgelübde) ließ die Kirche einmal mehr nervös auf häretische oder vermeintlich häretische Gruppierungen reagieren (Verbot der Beginen 1311 wegen Schwärmertums).

Christliche Mystik

5.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    137

b.  Die Entstehung der jüdischen Mystik im Rheinland Unter dem Einfluß von Mitgliedern der Qalonymos-Familie* wurden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vor allem Speyer, Worms und Mainz ‚SchUM‘ (später auch Regensburg) zu geistigen Zentren des jüdischen Lebens. Die sog. ‚Frommen Deutschlands‘ (Chaside Aschkenaz*) hinterließen neben ethischen Abhandlungen eine Fülle bis heute noch längst nicht vollständig kritisch edierter theologischer Traktate, die sich zum einen mit der Überlieferung der jüdischen Mystik (der sog. Hekhalot-Literatur), zum anderen mit der Einheit des Schöpfers, seiner Offenbarung, der menschlichen Gotteserkenntnis sowie Liturgie und Gebet befassen. Daneben ist eine Reihe Bibelkommentare überliefert, die zwar einzelnen Repräsentanten der Chaside Aschkenaz zugeschrieben werden, deren tatsächliche Verfasserschaft aber auch heute noch nicht immer eindeutig zu bestimmen ist. Ein für diese Literatur wesentlicher Aspekt ist das Vorgehen, die aus dem rabbinischen Schrifttum bekannten hermeneutischen Methoden wie Gematria* oder Notariqon* auf Bibel- und Gebetstexte anzuwenden. So hatte schon Ja‘aqov ben Ascher (ca. 1269 – ca. 1343) die Chaside Aschkenaz als „Spurendeuter“ charakterisiert, „die die Anzahl (und) den Zahl(wert) der Wörter (in) den Gebeten und den Segenssprüchen abzuwägen und abzuzählen pflegten“ (Ja‘aqov ben Ascher, Arba‘a Turim, Orach Chajjim, Hilkhot Tefilla, § 113, 97b; vgl. auch oben die Diskussion zu ibn Ezras Zurückweisung des dritten Weges der Bibelauslegung gemäß dem sod ‚Geheimnis‘ in Kap. 4.3.a.). Von R. Jehuda he-Chasid und R. El‘azar aus Worms sind mehrere Werke erhalten, in denen diese und andere Auslegungsverfahren in extenso Anwendung finden. Aufgrund des Bemühens, zu einer tieferen Bedeutung oder, wie die Chaside Aschkenaz es nannten: zum sod (‚Geheimnis‘) eines Wortes oder ganzen Textes vorzudringen, wurde ihre Bibelauslegung bereits in der älteren Forschung als ‚mystische Exegese‘ (Scholem) und ihr theologisches Profil als ‚Mystik‘ oder ‚deutsche Kabbala‘ (Epstein) charakterisiert. Seit den umfangreichen Forschungen von Joseph Dan und in Aufnahme des für ihre Theologie zentralen Begriffes sod wird die Theologie dieses Kreises heute zumeist mit dem Terminus torat ha-sod (‚esoterische Theologie‘) bezeichnet. Dabei ist zwischen verschiedenen chasidisch-aschkenasischen Schulen zu unterscheiden. Neben der Schule des R. Jehuda he-Chasid und seines Schülers R. El‘azar von Worms hat Dan noch mindestens einen weiteren Mystikerkreis herausgearbeitet, der seine pseudepigraphischen Schriften mit dem Namen Josef ben Uzziel verband und der nach seinem zentralen theologischen (Offenbarungs-)Motiv auch chug keruv ha-mejuchad (‚Kreis um den besonderen Keruv‘) genannt wird.

Die Familie Qalonymos

Torat ha Sod als esoterische Theologie

138    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz Die aschkena­ sisch-chasidische Theologie

Die Chaside Aschkenaz setzen sich intensiv mit der metaphysischen Gotteslehre des R. Sa‘adja Gaon auseinander (vgl. oben Kap. 1.2.a.). Da sie aber kein Arabisch konnten, kannten sie R. Sa‘adjas Schriften nur aus einer in poetischer Sprache gestalteten Paraphrase des Sefer ha-Emunot we-ha-De‘ot aus dem Jahr 1095. Inhaltlich-theologisch kamen sie allerdings von der rabbinischen Literatur her, die diese metaphysischen Fragen nicht kannte. In dem Bemühen, diese sehr unterschiedlichen Diskurse – rabbinisches Judentum einerseits und philosophische Gotteslehre andererseits – miteinander zu verbinden, ist wohl die Antriebsfeder der Entstehung der spekulativen und esoterischen Theologie und Exegese zu suchen.

5.2. Persönlichkeiten Über den biographischen Hintergrund der Mitglieder der Qalonymos-Familie*, deren Vorfahren im 9. Jahrhundert von Oberitalien aus ins Rheinland eingewandert waren, sind nur wenige zuverlässige Nachrichten erhalten. Auch die innere und äußere Abgrenzung dieser Bewegung, ihr geistiges Milieu sowie ihre Stellung innerhalb der jüdischen Kultur- und Geistesgeschichte sind nach wie vor in der judaistischen Diskussion umstritten. Der berühmteste Vertreter der Chaside Aschkenaz ist sicher R. Jehuda ben Schemu’el he-Chasid (‚der Fromme‘; ca. 1150 – 1217). a.  R. Jehuda ben Schemu’el he-Chasid (‚der Fromme‘; ca. 1150 – 1217) Biographie

R. Jehuda he-Chasid stammte aus Speyer. Bislang ging man immer davon aus, dass er es war, der um 1195 / 96 das Rheinland verließ, um eine eigene Gemeinde in Regensburg um sich zu scharen, wo er auch 1217 starb. In neuerer Zeit mehren sich aber die Ansichten, dass dieser Umzug nach Regensburg wahrscheinlich schon von seinem Vater, R. Schemu’el ben Qalonymos aus Speyer, vollzogen wurde, dem bemerkenswerterweise neben dem Beinamen he-Chasid (‚der Fromme‘) und ha-Navi (‚der Prophet‘) auch der Name ha-Qadosh (‚der Heilige‘) beigelegt wurde, obwohl er nicht den Märtyrertod starb. Warum die Familie wegging, ist ebensowenig geklärt wie die Frage, wie groß die Gruppe war, die sich in Regensburg neu konstituierte. Kanarfogel nimmt antijüdische Ausschreitungen an (Kanarfogel 2006; 2000); Shoham-Steiner geht von innerjüdischem Zwist zwischen den sog. Chasidim, den Frommen, und den übrigen Mitgliedern der Gemeinde aus (Shoham-Steiner 2016).

5.2. Persönlichkeiten    139

R. Jehuda ist wohl auch der federführende Autor (oder auch End­ redaktor) des berühmten Sefer Chasidim (‚Buch der Frommen‘), der sicher nicht allein auf R. Jehuda zurückgeht, sondern (je nach Rezension) auch italienisch-aschkenasisches Material enthält. Der Sefer Chasidim erscheint auf den ersten Blick wie ein halachisches Handbuch, erweist sich jedoch an nicht wenigen Stellen als ein halachisch-ethisches Lehrwerk mit ganz eigenem Normen- und Verhaltenskodex für eine exklusive Gruppe, deren Repräsentanten sich deutlich von den nicht-chasidischen jüdischen Zeitgenossen zu unterscheiden suchten. Neben den Selbstbezeichnungen als chasidim (die ‚Frommen‘) und tzaddiqim (die ‚Gerechten‘) finden wir neqi’im (die ‚Reinen‘/‚Unschuldigen‘) und tehorim (die ‚[rituell] Reinen‘), denen die teme’im (die ‚Unreinen‘) und pesulim (die ‚[rituell] Unreinen / Untauglichen‘) gegenübergestellt werden. Den biographisch dürftigen Quellen steht eine umfangreiche Legendenbildung und -literatur gegenüber, die besonders im sog. Ma‘ase-Buch (jid. mayse bukh) gesammelt wurde (gedruckt erstmals Basel 1602), das R. Jehuda und seinen Schüler R. El‘azar aus Worms zu Zauberern und Wunderrabbis werden ließ. Ein weiteres wichtiges Werk R. Jehudas ist sein spekulativer Traktat Sefer ha-kavod (‚Buch der göttlichen Herrlichkeit‘), ein nur teilweise ediertes Werk, das in zwei Handschriften überliefert ist (MSS Oxford Bodleiana 1566, Opp. 111 und 1567, Opp. 540) und dessen Umfang wie auch die Verfasserschaft einzelner im Sefer ha-kavod überlieferter Traktate (u. a. Sefer ha-Ne‘elam; Sefer ha-Tagi; Scha‘ar Semukhim; Sefer ha-Qolot) bis heute einer textund überlieferungskritischen Klärung harren. Daneben verfasste R. Jehuda einen (exoterischen) Tora-Kommentar, einen Kommentar zur Masora (Ta‘ame Masoret ha-Miqra) sowie einen Gebetskommentar, dessen Abgrenzung zum Kommentar seines Schülers R. El‘azar aus Worms (Sodot ha-Tefilla) ebenfalls noch nicht endgültig geklärt ist. Einem größeren Kreis ist R. Jehuda vor allem durch seine liturgischen Gebete und pijjutim* bekannt, den Sod ha-Jichud (‚Das Geheimnis der [göttlichen] Einheit‘) und den Schir ha-Kavod (‚Das Lied von der [göttlichen] Herrlichkeit‘). Letzteres wird bis heute in traditionellen Synagogen vor dem Ausheben der Tora gesungen und findet sich daher auch in jedem Gebetbuch. R. Jehudas Tora-Kommentar (ed. Lange) ist uns durch seinen Sohn R. Mosche ben Jehuda Zaltman überliefert und geht wohl auf mündliche Tradierung (Predigten und Auslegungen am Schabbat) zurück. Dieser Stil einer reportatio, d. h. einer Nachschrift eines mündlichen Vortrags entspricht der auch für den christlichen Lehrbetrieb gängigen Praxis (Marcus 1989, 7*). In Formulierungen wie ke-divre avi (‚gemäß den Worten meines Vaters‘; Kom-

Der Sefer Chasidim

Kommentare und Traktate

Der Tora-­ Kommentar

140    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz mentar zu Ex 28,6) oder we  ‘od scha’alti lo (‚weiterhin fragte ich ihn …‘; Kommentar zu Ex 30,10) führt uns R. Mosche in die Exegesen R. Jehudas ein. Formulierungen wie hiqschah he-Chasid (‚der Fromme stellte eine schwere Frage‘) verweisen auf eine diskursive Lehrsituation. Auch der Sefer Chasidim enthält Abschnitte, die auf eine fortlaufene Bibelkommentierung durch R. Jehuda he-Chasid hinweisen (SHP #498; 773; 796; 806 u. ö.: davar acher ‚eine andere Interpretation‘). Darüber hinaus finden sich auch einzelne Kommentierungen, die R. Jehudas Vater, R. Schemu’el he-Chasid, sowie seinem Schüler R. El‘azar von Worms zugeschrieben werden (z. B. der Kommentar zu Ex 33,13). Sie sind auch in den Bibelkommentaren der Tosafisten* überliefert, die unter den Namen Da‘at Zeqenim, Hadar Zeqenim und Moschav Zeqenim in die Drucke gelangten. Der Kommentar liegt in unterschiedlichem Umfang in einer Reihe von Handschriften und Kommentaren Dritter vor, die bis heute größtenteils unediert sind. Die wichtigsten Manuskripte sind MSS Moskau Guenzburg 82 und Cambridge 669,2 (bis zur Hälfte von Paraschat* Mattot; Num 30,2 – 32,42) und wurden (allerdings lediglich eklektisch) 1975 von Jitzchaq Sh. Lange unter dem Titel Perusche ha-Tora le-R. Jehuda he-Chasid ediert. Der in diesen Handschriften überlieferte Kommentar zeichnet sich dadurch aus, dass er zwar auf einer ersten Ebene nach den biblischen Wochenabschnitten sortiert ist; innerhalb dieser Abschnitte herrscht jedoch ein buntes Durcheinander. Die einzelnen Kommentierungen gehen also nicht vers-chronologisch vor. Lange erklärt diesen Umstand so, dass R. Mosche Zaltman bereits zu Lebzeiten die wöchentlichen Auslegungen R. Jehudas zusammengestellt habe, und da R. Jehuda möglicherweise über einen längeren Zeitraum hinweg in jedem Jahr andere Verse besonders herausgestellt und kommentiert habe, hätten sich über die Jahre hin relativ unverbunden einzelne Kommentierungen angesammelt. Leider hat Lange dann in seiner Edition die Kommentierungen wieder in die vers-chronologisch richtige Reihenfolge gebracht. Dies ist zwar ‚auffind-freundlich‘, verweist jedoch die wissenschaftliche Arbeit wiederum an die Handschriften zurück; eine kritische Edition ist auch hier ein Desiderat. Der Kommentar zur R. Jehudas Kommentar zur masora parva des Pentateuch, der Masora unter dem Titel Ta‘ame Masoret ha-Miqra geführt wird und in mehreren Handschriften erhalten ist (z. B. MS Parma, de Rossi 810), ähnelt in der Anlage und im Textgehalt dem fast gleichlautenden Kommentar des R. Meïr ben Baruch aus Rothenburg, dessen Kommentar in MS Rom Vat. ebr. 183 (fol. 126v – 161r; ed. Cahana, 3 – 39) ebenfalls eine (nicht: ‚die‘) masora parva zum Pentateuch erklärt. Auch R. Jehudas Schüler R. El‘azar ben Jehuda ben Qa-

5.2. Persönlichkeiten    141

lonymos aus Worms wird ein solcher Kommentar zugesprochen. Das Verhältnis all dieser Kommentare untereinander wie auch zu dem späteren Tora-Kommentar des R. Ja‘aqov ben Ascher (Ba‘al ha-Turim; ca. 1269 – ca. 1343) ist noch nicht annähernd geklärt. Kritische Editionen sind noch immer ein Desiderat. Dabei muss betont werden, dass diese Kommentare nicht nur um ihrer selbst willen interessant sind, sondern noch weit mehr als die Bibelkommentare der mittelalterlichen Ausleger einen Einblick in die Textund Masora-Traditionen der Bibeln bzw. der Pentateuch-Ausgaben in Westeuropa im 12. und 13. Jahrhundert bieten. b.  R. El‘azar ben Jehuda von Worms (1165 – 1230) Auch der wichtigste Schüler des R. Jehuda he-Chasid, R. El‘azar ben Jehuda ben Qalonymos aus Worms, entstammte der Qalonymos-Familie*. Er wurde ca. 1165 geboren und verbrachte den größten Teil seines Lebens in Worms. In seiner Studienzeit besuchte er wohl verschiedene Akademien in Deutschland und Nordfrankreich. In zwei Berichten (zum Teil in poetischer Form) beklagt R. El‘azar den gewaltsamen Tod seiner Frau Dulcea / Dolce und der Töchter Bellette und Hanna 1196 bei einem Raubmord durch mörderische Eindringlinge: Dulcea – R. El‘azar tituliert sie als chasida (‚Fromme‘) und tzaddeqet (‚Gerechte‘) – spielte sowohl in der religiösen Erziehung der Frauen innerhalb der Gemeinschaft der Chaside Aschkenaz* eine wichtige Rolle als auch im Rahmen (seiner privaten) Finanz- und Güterwirtschaft. Einmal mehr lässt sich hieraus ersehen, dass die intellektuelle Elite des Rheinlands gleichzeitig auch finanziell ausgesprochen potent war, und dass Frauen dabei eine nicht unerhebliche Rolle spielten. Berühmt ist R. El‘azar aus Worms vor allem durch sein halachisches Hauptwerk Sefer ha-Roqeach (‚Buch des Salbenmischers‘; der Zahlwert des hebräischen Buchtitels Roqeach (‫ )רקח‬entspricht dabei dem Zahlwert seines Namens: 308). Daneben verfasste R. El‘azar auch liturgische Poesie (pijjutim*) und theosophische und ethische Traktate, Kommentare zu den Gebeten unter vielfältigen Titeln (Sodot ha-Tefilla; Perusch ha-Tefillot; Perusch ha-Machzor; Perusch ha-Siddur) sowie exegetische Auslegungen. Seine esoterischen Schriften umfassen (u. a.) den sog. Sefer Chokhmat ha-Nefesch (‚Buch über die menschliche Seele‘), den Sefer Sode Razajja (‚Geheimnisse der Geheimnisse‘), einen Kommentar zum Sefer Jetzira*, den Sefer ha-Chokhma (‚Buch der Weisheit‘) sowie den Sefer haSchem (‚Buch über den [göttlichen] Namen‘). Die Quellenlage der biblischen Kommentare von R. El‘azar ist bis heute nur in Ansätzen geklärt. Unter seinem Namen sind ein

Biographie

Kommentare und Kompendien

Bibelkommentare

142    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz Tora-Kommentar und ein Kommentar zu den fünf Megillot* überliefert. In jüngster Zeit sind Einbandfragmente gefunden worden, die belegen, dass R. El‘azar wohl auch einen Kommentar zu den Psalmen verfasst hat, der sich in Teilen mit seinem Gebetskommentar deckt (vgl. Emanuel 2014a). Der 1986 von Chaim Konyevsky herausgegebene Tora-Kommentar basiert auf relativ späten aschkenasischen Manuskripten (MS Oxford Opp. 506, fol. 53r.v, 109v – 140v; MS Oxford Opp. 27, fol. 1r – 226v; 15. bzw. 17. Jahrhundert) und stellt sicherlich eine Kompilation aus exegetischen Exzerpten dar, die nicht alle auf R. El‘azar selbst zurückgehen müssen, gleichwohl aber typisch für R. El‘azars Bibelauslegung und ihre Rezeption in späteren Tradentenkreisen sind.

5.3. Neue Zugänge a.  Die Bildungsverantwortung der Elite Ivan Marcus hat darauf hingewiesen, dass die Chaside Aschkenaz* ihre verschiedenen exegetischen Methoden und theologischen Botschaften nicht irgendwie, sondern sehr gezielt unter ihren Zeitgenossen platzierten. Im Sefer Chasidim findet sich dazu eine ausführliche Erklärung, die die Aufteilung in eine (Bildungs-)Elite und das einfache Volk bereits dem Bibeltext entnimmt: Die verschiedenen Auslegungskonzep­ tionen

Es steht geschrieben: Diese sind die Worte, die Mose zu ganz Israel geredet hat (Dtn 1,1), und es steht geschrieben: … da redete Mose zu den Kindern Israels (Dtn 1,3), und es heißt dort (extra) nicht ‚ganz Israel‘, und danach steht geschrieben: … da begann Mose, diese Weisung zu erklären (Dtn 1,5). Er schreibt aber nichts (darüber), wem gegenüber (er erklärt). (Dies ist nicht verwunderlich). Vielmehr (verhält es sich so): Am Anfang (dieses Abschnittes) redete Mose zu allen, sogar zu Frauen und Kindern, weil nämlich (hier) gesagt wurde: ‚zu ganz Israel‘. (Dies bezieht sich auf) Dinge, die jedem zu übermitteln sind, wie beispielsweise Aggada und Midrasch sowie Talmud, (allerdings) ohne (tiefergehende) Diskussion, solche Dinge also, die alle (ohne Weiteres) verstehen. Aber schwerwiegende Dinge (devarim chamurim), über die (hier) gesagt wurde ‚Mose redete zu den Kindern Israels‘ wie beispielsweise (die rabbinischen Auslegungsregeln) qal wa-chomer [Schluss a minori ad maius], gezerot schavot [Analogieschluss] und die 32 Auslegungsregeln [middot*] (des Eli‘ezer ben Jose ha-Gelili), mit denen die Tora ausgelegt wird, (all) dies redete er nur zu den Scharfsinnigen (charifim) (…). Aber die (tiefergehende) Erklärung der Tora (be’ur) wie etwa die Aufeinanderfolge von Parascha zu Parascha (semuchin) (…), Stellen, an denen man Gottesnamen aus einem Vers ableiten kann, die (Bedeutung der) tagin [d. h. die Krönchen auf den Buchstaben], das Thronwagenwerk (Ma‘ase Merkava) – dies übermittelte er (nur) im Verborgenen (be-tzin‘a) den zwei oder drei Eingeweihten (wörtl. tzenu‘in ‚Demütige‘) (…) (SHP #796).

5.3.  Neue Zugänge    143

Dieser Text nimmt nicht einfach eine Unterteilung in Männer gegenüber Frauen und Kindern vor, sondern differenziert auch unter den männlichen Gemeindemitgliedern in einfache, rabbinisch gebildete und in die höheren Lehren eingeweihte (zum Ganzen Marcus 1989). Obwohl wir wissen, dass auch Frauen durchaus eine halachische Grundausbildung haben konnten und nicht generell ungebildet waren (Grossman 2003, bes. 266 – 303), liegt die entscheidende Differenzierung in den letzten beiden Gruppen, den rabbinisch durchaus hoch gebildeten und den in die ‚Geheimnisse‘ (sodot) Eingeweihten. Die Auslegungen des R. El‘azar aus Worms sind wohl ursprünglich auch nur für eine kleine Gruppe bestimmt gewesen, die, obwohl sie als Tosafisten* im Wesentlichen der höheren rabbinischen und talmudischen* Bildung zugewandt waren, darüber hinaus in die Geheimnisse der Theologie eingeführt wurden. Das Wortspiel von be-tzin‘a (‚im Verborgenen‘) zu den tzenu‘in (‚Demütige‘) findet sich häufig in den Texten der Chaside Aschkenaz* und verweist indirekt auf die Buß- und Reinigungsriten, denen sich die ‚Demütigen‘ – im Gegensatz zur restlichen Gemeinde – immer wieder unterwarfen. Verglichen mit R.  El‘azars hochspekulativen ‚esoterischen‘ Bibelauslegung für Traktaten für die aschkenasische Elite (torat ha-sod) wirkt der To- das einfache Volk ra-Kommentar des R. Jehuda ben Schemu’el he-Chasid mit seinen vor allem dem Peschat* gewidmeten Auslegungen eher als das Ergebnis von exegetischer Breitenbildung, die möglicherweise auch Frauen eingeschlossen hat. Immer wieder nimmt R. Jehuda seine Zuhörer mit (jedenfalls suggeriert dies der referierende Stil R. Mosche Zaltmans), bindet sie in seine Überlegungen ein und zeigt insgesamt das Bemühen, die biblischen Figuren, ihr Denken und Handeln, dem zeitgenössischen Menschen nahezubringen. Theologisch-philosophische Ausführungen sucht man hier vergebens. In Gen 18,13, der Episode über die Ankündigung des späten Sohnes an Sarah und Abraham, scheint seine Auslegung durch die Fragen weiblicher Zuhörer motiviert, die nicht verstehen, warum Sarah – und nur sie – für ihr Lachen getadelt wird: Warum hat Sara denn gelacht?: Der Gerechte [R. Jehuda he-Chasid] brach- Jehuda he-Chasid te das Problem auf: Warum zürnte der Heilige, er sei gepriesen, über Sarahs zu Gen 18,13 Lachen? Es verhielt sich vielmehr so: (In dem Moment), da sie menstruierte, hatte das Wunder bereits begonnen. Es ist aber die Weise des Himmels, wenn man dort ein Wunder vollbringt, vollbringt man es im Verborgenen (be-tzin‘a); dann wird es auch gelingen. Und als Beweis dafür (dient die Erzählung) von Dagon, der zerbrach und in der Nacht (auf sein Gesicht) fiel [vgl. 1Sam 5,3 f.], die Schlagung der Erstgeborenen in der Nacht [vgl. Ex 12,29]. Und der Hauptbeweis stammt aus (dem Vers) und schließ die Tür hinter dir und hinter deinen Söhnen zu [2Kön 4,4] (…). Aber Sara hatte die Sache schon publik gemacht und (anderen) Frauen erzählt, und die

144    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz sahen die Wunder: ‚Nachdem ich gealtert bin, soll ich jetzt noch Liebeslust haben?‘ (Gen 18,12; vgl. bBM 87a). Und darüber zürnte der Heilige, er sei gepriesen, und sprach: Es ist nur recht und billig, dass diesem Wunder kein Erfolg vergönnt sein werde, und Sarah wusste das nur zu gut; daher (heißt es): Und Sarah stritt es ab und sagte: ‚Ich habe nicht gelacht‘, denn sie fürchtete, dass die gute Nachricht sich nicht bewahrheiten würde. Und obwohl er zu ihr sagte: ‚Nein! Du hast ja gelacht!‘, blieb doch die Sache [d. h. sein Versprechen] bestehen, und sie gebar einen Sohn (ed. Lange, 21 – 22).

Die auf den ersten Blick ungerechte Behandlung Sarahs und Abrahams durch Gott wird exegetisch durch die Geschwätzigkeit der Frauen gerechtfertigt. Auch im Sefer Chasidim (SHP #386) warnt R. Jehuda seine Zeitgenossen, Träume und gute Botschaften bloß nicht (s)einer Frau zu erzählen, damit die es nicht den anderen Frauen weitererzählen könne. Man sieht an diesem Beispiel, dass R. Jehudas exoterische Bibelauslegungen, die sich wohl auch an einfache Gemüter richten, neben der eigentlichen Halakha* auch eine moralische Belehrung übermitteln wollen. Mit Psychologie Im Kommentar zu Gen 25 diskutiert R. Jehuda die Frage, zu und Feingefühl welchem Zweck und in welches Lehrhaus Rebekka ging. Sein Kommentar zeigt auch hier, dass es nicht einfach nur darum geht, eine ‚akademische‘ Frage zu beantworten, sondern gleichzeitig auch darum, die Psychologie der biblischen Figuren feinsinnig nachzuzeichnen: Jehuda he-Chasid zu Gen 25,22

Da ging sie, um den Ewigen zu befragen: Nach (der) Erklärung Raschis ging sie ins Lehrhaus von Schem und Ever. Eine Überraschung ist (es aber doch), warum sie nicht ins Lehrhaus Abrahams ging, der doch ihr Schwiegervater war, denn er war ja (zu diesem Zeitpunkt) noch nicht gestorben (…) Man muss es (wohl) so erklären, dass sie zu Schem und Ever ging, um sie zu fragen, ob es ihr erlaubt sein würde, (schmerzlindernde) Medizin zu nehmen, damit sie (leichter) gebären könne, und als die ihr dann antworteten, dass ihre Beschwerden davon kämen, dass sie zwei Völker in ihrem Leib habe, da dachte sie sich, wenn ich (jetzt) zu Abraham gehe, selbst, wenn er weiß, dass es (grundsätzlich) erlaubt ist, Medizin zu nehmen, würde er es mir nicht erlauben aus Liebe zu seinem Sohn (ed. Lange, 37).

R. Jehudas Kommentar zeigt uns an dieser Stelle zunächst einmal, dass auch die Frauen des 13. Jahrhunderts in der Schwangerschaft (und während des Gebärens) Medikamente nahmen, und dass wohl schon damals das Verhältnis einer Frau zu ihrem Schwiegervater nicht unproblematisch sein konnte. Noch wichtiger ist aber wohl, dass dieser Kommentar für Frauen formuliert wurde, die damit ganz offensichtlich am allgemeinen Bibelstudium partizipierten. Gegen theologi­ R. Jehudas Kommentare zeigen vor allem an jenen Bibelstellen, sche Metaphysik die die göttliche Offenbarung thematisieren und die deshalb für die spekulative Exegese eine große Rolle gespielt haben, das deutliche Bemühen einer nicht-spekulativen, nicht-mystischen und ganz auf

5.3.  Neue Zugänge    145

innertextliche Bezüge hin ausgerichteten Exegese, wie beispielsweise die Erklärung des Engels / Boten aus Ex 23,20 f.: Siehe, ich sende einen Boten vor Dir her … hüte dich vor ihm, denn mein Name ist in ihm. Auf der Basis von Midrasch Tanchuma hatte Raschi in V. 20 erklärt, hier sei die Schekhina* erwähnt, die androhe, nicht mit hinaufzuziehen. In V. 21 nimmt Raschi sogar bSan 38b auf, wonach hier auf den Engel Metatron* angespielt sei, dessen Zahlwert mit dem des Namens Schaddaj (‫ )שדי‬identisch sei (314). R. Jehuda hat diesen Kommentar sicher gekannt, im ganzen Abschnitt jedoch jede metaphysische Auslegung konsequent gemieden: Siehe, ich sende einen Boten vor Dir her: Erklärung meines Vaters: das Jehuda he-Chasid ist der Kasten (aron) … dass er dich auf dem Weg behüte … mittels der zu Ex 23,20 Donnerschläge (qolot; re‘amim), die vom aron ausgingen und die Feinde in Verwirrung bringen sollten, wie es bezeugt ist durch (den Vers) Und es geschah: Wann (immer) der Kasten aufbrach, sagte Mose: Erhebe dich, Ewiger, damit sich deine Feinde zerstreuen und die, die dich hassen, vor dir die Flucht ergreifen (Num 10,35) – (alles) wegen des Donners.

Die Auslegung, wonach mit dem Boten auf den Aron ha-Qodesch* angespielt sei, kannte auch R. Avraham ibn Ezra, der sie jedoch als Worte des Windes (divre ruach) mit harschen Worten abgelehnt hatte, da der Ausdruck, dass ein Engel / Bote geschickt werde, allenthalben in der Tora und der übrigen Schrift vorkäme, und eine Auslegung dieser Art um das eigentliche Problem der Klärung des Verhältnisses zwischen Gott und seiner Offenbarung herumgehe. Dieses Thema wird von ibn Ezra im besagten Zusammenhang auch ausführlich diskutiert. In diesem Kommentar aber, der für das einfache Volk verfasst war, wird diese Diskussion einfach unterschlagen. b.  Die dreiundsiebzig Tore der Weisheit R. Jehuda he-Chasid hat zwar mit dem Sefer ha-Kavod und dem Der Sefer Sefer Tagi auch esoterisch-spekulative Auslegungen verfasst; aber ha-Chokhma erst sein Schüler R. El‘azar ben Jehuda von Worms hat uns explizit Einblick in Methoden der esoterischen Bibelauslegung gewährt. R. El‘azars biblische Hermeneutik geht von der in den rabbinischen Schriften formulierten Gleichrangigkeit von mündlicher und schriftlicher Lehre und der damit verbundenen Auslegungsvielfalt aus. Schon in mAv I,1 heißt es Mose empfing Tora (nicht: ‚die‘ Tora) vom Sinai. Die undeterminierte Form von Tora impliziert hier alle Möglichkeiten dessen, was Tora umfassen kann. Ausgearbeitet findet sich diese Idee im späteren Midrasch Rabba zum Buch Exodus (ShemR 10,1), wo davon die Rede ist, dass das gesamte jüdische Wissen, d. h. Bibel, Mischna*, Halakha*, Talmud*, tosafot* und

146    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz aggadische Erzählungen*, ja, sogar das, was ein erfahrener Schüler einst vor seinem Lehrer vortragen wird, schon Mose am Sinai gegeben wurden. Die Begründung, die der Midrasch* bietet, lautet: Gibt es etwas, von dem es heißt: sieh, das ist etwas Neues? Auch das gab es schon in Ewigkeiten (Koh 1,10). Ganz ähnlich formuliert nun R. El‘azar im Sinne der rabbinischen Hermeneutik zu Beginn seiner Schrift Sefer ha-Chokhma (‚Das Buch der Weisheit‘), die sich auch im gedruckten (Ps.-) El‘azar-Kommentar findet. Im Gegensatz zum rabbinischen Schrifttum, das fünfzig ‚Tore der Einsicht‘ (scha‘are bina) kennt (vgl. bRhSh 21b; bNed 38a), listet der Sefer ha-Chokhma dreiundsiebzig ‚Tore der Weisheit‘ (scha‘are chokhma) auf. Sie entsprechen den dreiundsiebzig hermeneutischen Prinzipien der spekulativen Theologie der Chaside Aschkenaz* (torat ha-sod) und ihrer Bibelauslegung und ergeben sich aus dem Zahlwert von hebr. ‫( חכמה‬chokhma ‚Weisheit‘), der 73 ergibt. Zu Beginn des Buches schreibt R. El‘azar : Sefer ha-Chokhma, Einleitung

Und aus seinem Mund die Erkenntnis (Spr 2,6 [Zahlwert des Zitates = 616]) ergibt mit Gematria ‚Und aus dem Mund der [mündlichen] Lehre‘ (talmud [616]), und so (mit Gematria) ‚die Tora‘ [616], um dir zu sagen: Die mündliche Lehre geht aus der Tora hervor, denn die mündliche Lehre ergibt unendlich viele Bücher, denn die talmud-Ableitungen sind mehr als tausend Bücher, mit mündlicher Tora, Grammatiken, Diskussionen über die Gebote – Verbotenes und Erlaubtes. Alles geht aus der geschriebenen Tora hervor und daher gilt: „Das Studium der Tora wiegt alles auf“ (vgl. bShab 127a; bQid 39b u. ö.).

Unter talmud versteht R. El‘azar hier nicht den palästinischen oder babylonischen Talmud*, sondern die mündliche Tora*, d. h. alle aus der Bibel abgeleiteten Aussagen hinsichtlich einer bestimmten halachischen oder theologischen Fragestellung. Hier wird mit Hilfe einer Gematria-Operation* eine Relation dreier Aussagen herausgearbeitet, wobei Spr 2,6 den Ausgang bildet. Die Relationierung mit Gematria besagt dabei, dass aufgrund desselben Zahlwertes, d. h. zunächst einmal rein formal, die mündliche Lehre aus der schriftlichen hervorgeht. Aber nicht nur das: R. El‘azar kann auch seinen eigenen hermeneutischen Anspruch mit Hilfe dieser Gematria realisieren. Schlussendlich werden alle exegetischen Durchführungen, also auch seine eigenen, zu talmud-Ableitungen. R. El‘azar hat darin die Tradition weniger inhaltlich, als vielmehr formal an die Bibel zurückgebunden. Schriftliche und Der Ps.-El‘azar-Kommentar hat dieses Verständnis mittels einer mündliche Tora im anderen Gematria aus Ex 20,1 entwickelt. Es heißt dort (ed. Kon­ Dekalog yevsky, Bd. 2, 106): Und Gott redete alle diese Worte wie folgt: mit Gematria berechnet [222 + 86 + 401 + 50 + 261 + 41 + 271 = 1332] entspricht dieser Satz (der nach-

5.3.  Neue Zugänge    147 folgenden Aussage)‚ alles was schriftlich und mündlich [‫כל משהיה בכתב ושבעל‬ ‫ פה‬kol ma-sche-haja bikhtav we-sche-be‘al pe; 50 + 45 + 320 + 424 + 408 + 85 = 1332] (überliefert wurde).

Analog zu R. El‘azars Eingangsabschnitt im Sefer ha-Chokhma wird also die rabbinische Behauptung, wonach die schriftliche und die mündliche Lehre unmittelbar auf die Offenbarung am Sinai zurückgehen, direkt aus dem Bibelvers mittels einer gematrischen Operation gewonnen. Es stellt sich hier einmal mehr die Frage, warum diese Art von zusätzlicher „Beweisführung“ im Hochmittelalter notwendig wurde. Hier sind sicher die von Spanien nach Westeuropa vermittelten Naturwissenschaften in Anschlag zu bringen (man denke nur an die bei ibn Ezra so markante Verbindung zwischen Mathematik und ‚Theo-Logie‘). Gleichzeitig zeigt auch die in den Schriften der Chaside Aschkenaz* sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus, dass die hebräische Sprache nicht nur als ein einfaches Laut- und Schriftsystem betrachtet wurde, sondern als ein Symbol für die in den jeweiligen Zahlenproportionen manifeste höhere Realität. Die gematrische Identität bedeutete immer auch eine metaphysische, die über das rein Numerische hinausging. Dieses Bibelverständnis zeitigt nun wesentliche Auswirkungen Die exegetischen auf das Verständnis von Tradition. Alle nachbiblischen Traditio- Tore der Weisheit nen, angefangen bei der Verschriftung der mündlichen Tora über Grammatiken, halachische Diskussionen und Gesetze, die, in welcher Form auch immer, ihr Wissen aus der Tora ziehen, werden bei R. El‘azar zu ‚talmud-Ableitungen‘, d. h. zu Lehrsätzen, die sich aus der Bibel ergeben (können): egal, auf welchem exegetischen Weg sie gewonnen werden. Und wie jene dreiundsiebzig ‚Tore der Weisheit‘ verdeutlichen, können unter diese Kategorie rabbinische Auslegungsregeln ebenso wie Bücher oder philosophische, theologische oder ethische Themen subsumiert werden: So finden sich klassische rabbinische Auslegungswege wie scha‘ar ha-peschat (‚Tor des Peschat‘*; Nr. 14) ebenso wie scha‘ar gematria (Nr. 3) oder scha‘ar ha-te‘amim (Nr. 15) neben ethischen Kategorien wie scha‘ar jir’ah (‚Tor der [Gottes-]Furcht‘; Nr. 65) oder scha‘ar chasidut (‚Tor der Frömmigkeit‘; Nr. 67). Daneben nennt R. El‘azar als Auslegungskategorie den scha‘ar sefer jetzira (Nr. 60), den scha‘ar ha-siddur (Nr. 48) sowie theologische Themen wie den scha‘ar ha-schem (‚Tor des göttlichen Namens‘; Nr. 39) oder den scha‘ar ha-kavod we-hajachid we-ha-jichud (‚Tor der [göttlichen] Herrlichkeit, des Einzigen und der [göttlichen] Einheit‘; Nr. 12; zum Ganzen vgl. Sefer ha-Chokhma, ed. Konyevsky, in: Rokeach, Bd.  1, 13 – 14). Dies bedeutet nun umgekehrt, dass alle diese Ableitungen völlig gleichwertig nebeneinander stehen, da ja jede von ihnen aus der

148    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz Tora abgeleitet werden kann. Jede stellt eine eigene Realisierung der Relationierung und Ausdeutung der Bibelverse dar und trägt damit auch ihre je eigene Wahrheit konkurrenzlos in sich. Es gibt also keine Hierarchie der abgeleiteten Wahrheiten, weil es ja auch keine Hierarchie unter den Bibelversen gibt. R. El‘azar hat hierin ein radikales Schriftverständnis entwickelt, wonach die Schrift nicht nur die Grundlage für die Tradition, sondern die Tradition als Realisierung ihrer selbst allererst ermöglicht und hervorbringt (zum Ganzen Liss 1994). Der (Ps.-)El‘azar Obwohl der Tora-Kommentar nicht in allen Teilen auf R. El‘azar Tora-Kommentar selbst zurückzugehen scheint, bietet er doch für den hier vorliegenden Rahmen eine Menge Anschauungsmaterial für die Anwendung der 73 Tore der Weisheit. Wir präsentieren an dieser Stelle mit der Selbst-Vorstellungsformel im ersten Zehnwort ein Textbeispiel, das sich in der Tora an zentraler Stelle findet und in seiner Bedeutung entsprechend hoch veranschlagt wird (Ex 20,2; ed. Konyevsky, Bd. 2, 107): (Ps.-) El‘azar zu Ex 20,2

In (dem [hebräischen] Satz) Ich (bin der Ewige …) [Ex 20,2] gibt es neun Wörter in einem Vers, und so gibt es auch neun Wörter in dem Vers Dies ist die Weisung für das Aufstiegsopfer … [Lev 7,37], (um anzuzeigen), dass die (Lesung der) Tora sühnt wie (seinerzeit) die (Darbringung der) Opfer [vgl. bMen 110a]. Und so sind es neun Wörter (zu Beginn des Buches Wajjiqra) [Lev 1,1] und (ebenfalls) neun Wörter im Abschnitt des ‚Heilig – Heilig – Heilig‘ (der Qeduscha im Musaf-Gebet) (…) und so (findet sich) die Neun(-zahl im hebräischen Alef-Bet) hinsichtlich der Buchstaben im Einerbereich ‫[ ט ח ז ו ה ד ג ב א‬Zahlwert 1 – 9], hinsichtlich der Zehnerbuchstaben ‫[ צ פ ע ס נ מ ל כ‬Zahlwert 20 – 90] (sowie) hinsichtlich der (Buchstaben) im Hunderterbereich ‫[ ץ ף ן ם ך ת ש ר ק‬Zahlwert 100 – 900]. Und so findet sich auch das Wort ‚meine Freundin‘ (ra‘ajati) (neunmal) im Hohenlied [1,9.15; 2,2. 10. 13; 4,1.7; 5,2; 6,4]. Ebenso (bedarf es) neun qavin Wasser zur (Wiedererlangung) der Reinheit [vgl. bBer 22a], und ‚Neun‘ [der Buchstabe Tet] fehlt [ne‘elam] (im gesamten Abschnitt) von Im dritten Monat [Ex 19,1] bis … was deinem Nächsten gehört [Ex 20,17].

Was wird hier eigentlich erklärt? Ist das noch eine „Ex-egese“ oder nicht vielmehr eine „Eis-egese“? Hier geht es um die Neunzahl, die zu Beginn an der Wortzahl einzelner Vers-Abschnitte der Tora festgemacht wird: Die Tatsache, dass die Selbstvorstellungsformel im ersten Zehnwort dieselbe Anzahl der Wörter enthält wie Lev 7,37 (markiert den Abschluss der Opferbestimmungen), wird in der Weise ausgedeutet, dass das Nach-Lesen der göttlichen Rede (hier: der Beginn des Zehnwortes) eine dem Opferdienst analoge sühnende Wirkung hat. Der Verweis der analogen Neun-Wort-Zahl in Lev 1,1 und einem Abschnitt aus der Qeduscha (d. h. Jes 6,3) bindet wiederum die schriftliche und die mündliche Lehre (Gebet) zusammen. Die Zusammenführung zwischen der Neunzahl in

5.3.  Neue Zugänge    149

der Selbstvorstellung Gottes und dem Alef-Bet verweist bereits auf einen intrinsischen Zusammenhang zwischen Gott und der (göttlichen) hebräischen Sprache; eine Idee, die mittels des Tores ne‘elam ‚verborgen‘ noch einmal bekräftigt wird: Dahinter steht die Idee, dass eine göttliche Äußerung das Alef-Bet in toto umfassen müsse, und in der Tat sind alle Buchstaben in diesem Abschnitt vertreten; es fehlt einzig der Buchstabe Tet (Zahlwert 9). Für die Exegeten aus dem Kreis der Chaside Aschkenaz* erklärt sich Gott durch das Geschriebene, d. h. die Buchstaben, die sich finden, ebenso wie durch das Nicht-Geschriebene, d. h. die fehlenden Buchstaben (vgl. auch Dan / Talmage 1982, 82). c.  Die Schrift als offenbarungstheologische Grundlage Auf der Basis dieses „radikalen“ Schriftverständnisses können R. El‘azars Bibelkommentierungen auch philosophische und theosophische Inhalte mit rabbinischen Auslegungskategorien exegetisch ans Licht bringen. Da kann es dann vorkommen, dass Bibelzitate, oftmals in Konfrontation mit Aussagen aus der nachbiblischen Traditionsliteratur, ausschließlich durch ihre Gruppierung themenbildend fungieren. Der exegetische Ansatz R. El‘azars gründet sich darauf, dass er der vordergründigen sprachlichen Ausgestaltung eines Verses oder Textes einen weiterreichenden Hinweis (remez) auf andere theologische Sachverhalte zu entnehmen sucht. Als Beispiel für eine solche Auslegung sei hier eine Aussage zur Qualität des Thronwagenwerkes (ma‘ase merkava) vorgestellt, die sich aus der Kommentierung zu Jes 30,26 ergibt: Denn das Thronwagenwerk wird siebenmal (strahlender) sein als das Licht von sieben Tagen (Jes 30,26): 343 [7x7x7]. Und warum 343? Weil geschrieben steht: Und die Weisung ist ein Licht (Spr 6,23). Die Eröffnung deiner Worte wird erleuchten (Ps 119,130).

Die Lichtquantität des Thronwagenwerkes wird auf der Grundlage von Jes 30,26 mit 343 angegeben. Allerdings ergibt sich diese Berechnung nicht aus dem Bibelvers selbst; sie geht auf den Targum* zurück und ist auch von Raschi (ad loc.), R. Avraham ibn Ezra (Sefer Jesod Mora, S. 12) und R. Jehuda ben Barzilai (11./12. Jahrhundert; Barcelona) in dessen Kommentar zum Sefer Jetzira* (ed. Halberstam, 19) übernommen worden. R. El‘azar bietet nun eine Erklärung für die aus der Traditionsliteratur bekannte Zahl 343 und nennt als Schriftbeweis Spr 6,23 und Ps 119,130. Die Beweisführung ist aber nicht geradlinig: Die ‚Weisung‘ – als Licht – bezieht sich auf die erste im biblischen Text formulierte Anweisung Gottes in Gen 1,3a ‚es soll Licht sein‘ (jehi or ‫)יהי אור‬. Die ‚Eröffnung‘ meint die dazu gehörige Redeeinleitung ‚da sprach Gott‘ (‫)ויאמר אלהים‬, die

R. El‘azar aus Worms zu Jes 30,26

150    5. Kapitel:  Die mystische Bibelauslegung der Chaside Aschkenaz den Zahlwert 343 aufweist (vgl. Liss 1997, 122 – 123). Auf formaler Ebene zeigt sich bei R. El‘azar eine deutlich andere Arbeitsweise als bei R. Jehuda ben Barzilai: Hatte dieser die Verbindung zwischen Urlicht und eschatologischem Licht einfach aufgrund ihres inhaltlich verbindenden Motives, des Lichtes, hergestellt, so bindet R. El‘azar diese Verbindung noch zusätzlich biblisch an: Dies gelingt ihm mittels des Umweges über Spr 6,23 und Ps 119,130 zu Gen 1: Die Eröffnung seiner Worte (Ps 119,130) stellt nicht nur den ersten Schöpfungsakt Gottes als Lichtschöpfung (Spr 6,23) dar; sie weist gleichzeitig den Zahlwert von 343 auf. Diese Lichtquantität kann daher als bereits in der biblischen Überlieferung auf das Urlicht bezogen gelten. R. El‘azar aus Biblische und rabbinische Überlieferung stellen den Maßstab, Worms zu an dem sich neue Inhalte und Herausforderungen messen lassen Ex  14,19 – 21 müssen, um als weiteres Element eines theologischen Überlieferungsprozesses bestehen zu können. Daher kann R. El‘azar auch mit Hilfe der bereits in der rabbinischen Literatur bekannten Auslegungsmethode der Gematria* den exegetischen Nachweis für die intrinsische Zusammengehörigkeit von Gottes Offenbarung, d. i. der biblischen ‚Herrlichkeit‘ (kavod), und der Tora führen: In den Vers(en) Da zog er hinweg (Ex 14,19), Da kam er (Ex 14,20) (und) Da streckte er aus (Ex 14,21) gibt es drei Jodim in einem Namen [d. h. dem 72buchstabigen Gottesnamen]. Daher muss der (Gottes-)Name mit drei Jodim geschrieben werden: YYY [als Tetragramm*-Substitution; Zahlwert 3x10 = 30]; und die Krone [aram. tag*: das verzierende Krönchen auf einem Buchstaben] ist wie ein Bet [das den Zahlwert 2 hat]. Siehe, (das sind) 32, um uns wissen zu lassen, dass er [Gott] mit 32 Pfaden die Welt erschuf [die 22 Buchstaben des Alef-Bet und die 10 sefirot; vgl. Sefer Jetzira 1,1]. Daher beginnt die Tora mit Bereschit [beginnt also mit einem Bet] und schliesst mit Jisrael [das letzte Wort endet mit Lamed, Zahlwert: 30] ab. Siehe, das sind (auch) 32, wie der Zahlwert (des Wortes) kavod ‚Herrlichkeit‘: Es gibt keinen kavod ausser der Tora.

Eine solche Auslegung wird heute zumeist als ‚mystische‘ Bibelauslegung beschrieben. Ungeachtet der Frage, ob R. El‘azars Exegese damit hinreichend charakterisiert ist, sieht man jedoch auf den ersten Blick, dass es zum Verstehen eines solchen Textes mehr als nur gesunden Menschenverstand braucht – die meisten Aussagen finden sich lediglich in Andeutungen und bedürfen für den Außenstehenden einer expliziten Entschlüsselung. Der erste Satz in dieser Auslegung nimmt Bezug auf den 72buchstabigen Gottesnamen, der auf Ex 14,19 – 21 basiert (die jeweils erstgenannten Verben stehen in der Imperfekt-Form, die mit einem Yod beginnt; vgl. Trachtenberg 1987, 95 – 103). In dieser Auslegung werden mittels Gematria dieser (besondere) Gottesname, die Schöpfungspfade (auf der Basis des sog. Sefer Jetzira ‚Buch der Schöpfung‘), der Umfang des Textes der

5.4. Zusammenfassung    151

Tora – repräsentiert durch seine äußersten Buchstaben (dem ersten und dem letzten) – und der kavod ‚Herrlichkeit (Gottes)‘ numerisch (32) zusammengebunden (vgl. auch Liss 2001). Die Bibelauslegung beschränkt sich nicht mehr auf die Darlegung des einen oder mehrerer Wortsinne: sie wird zum theologischen Kaleidoskop.

5.4. Zusammenfassung Die Chaside Aschkenaz* unterschieden sehr klar zwischen einer Bibelauslegung für die „Nicht-Chasidim“ und jener für die Eingeweihten. Dem normalen Volk waren die Bibelerklärungen vorbehalten, die den Bibeltext für die allwöchentliche Schabbat-Lesung erschließen sollten. Neben Peschat-Auslegungen* finden wir hier auch immer wieder praktische Auslegungen, die die Bibel für den Einzelnen relevant werden lassen sollten. Auf der anderen Seite standen die Vertreter der Chaside Aschkenaz in Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen (und früheren) Philosophen und nutzten die Bibel, um ihre Gotteslehre nicht nur philosophisch abstrakt, sondern konkret anhand der biblischen Propheten- und Visionsberichte zu entwickeln. Das Ziel exegetischer Arbeit bestand darin, den auf der Basis der philosophischen Metaphysik formulierten Gottesbegriff in den Geist des rabbinischen Judentums einzubinden. Der Vorwurf, den um ca. 1220 der Halachist R. Mosche Taqu (1250 – 1290) in seiner Schrift Ketav Tammim erhoben hatte, dass die Schriften R. Sa‘adjas und der Schir ha-Jichud* „ein Wort [sind], das weder aus dem Mund der Tora, den Propheten und den Schriften noch aus den Worten unserer Lehrer hervorgeht“ (MS Paris BNF hébr. 711, fol. 54r), kann auch R. El‘azar, der im rabbinischen Judentum ebenso verwurzelt war, nicht fremd gewesen sein. Er suchte ihm mit der biblischen Rückbindung der philosophisch-metaphysischen Vorgaben und unter Zuhilfenahme aller ihm zur Verfügung stehenden exegetischen Methoden zu begegnen.

5.4. Zusammenfassung    153

6. Kapitel: Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie

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154    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie

6.1. Voraussetzungen und Hintergründe a.  Die sog. maimonidische Kontroverse

Maimonides

Die zweite Phase der maimonidi­ schen Kontroverse

Die sog. maimonidische Kontroverse steht für ein ganzes Bündel kultureller, sozialer und religiöser Probleme, die für das damalige Judentum von höchster Relevanz waren. Heute teilt man diese gerne in drei Phasen: die erste um ca. 1180 (also noch zu Lebzeiten des Maimonides), die zweite zwischen 1230 und 1232 (zu den chronologischen Schwierigkeiten vgl. aber zuletzt Dobbs-Weinstein 1997), in die die zwei großen Bibelausleger des 13. Jahrhunderts, R. David Qimchi (Radaq) und R. Mosche ben Nachman (Ramban / Nachmanides) involviert waren, sowie eine dritte Phase zwischen 1300 und 1306. Der jüdische Arzt, Philosoph und Rechtsgelehrte Mosche ben Maimon (Moses Maimonides; Rambam; 1138 – 1204), den sein Weg von Cordoba über Fez (Marokko) nach Fustat (Altkairo) in Ägypten geführt hatte, hat wohl wie kaum ein zweiter Gelehrter seine Zeitgenossen in zwei Lager gespalten: die einen, die ihn begeistert feierten, und die anderen, die ihn intensiv zu bekämpfen suchten. Bekannt sind vor allem sein halachisches Hauptwerk Mischne Tora (‚Wiederholung des Gesetzes‘; verfasst 1178) und die ursprünglich auf Arabisch (Dalālat al-ḥā’īrīn) verfasste philosophische Schrift More ha-Nevokhim (‚Wegweiser der Verwirrten‘; zwischen 1180 und 1190 / 91), die besonders in ihrer hebräischen Fassung zu zahlreichen Kontroversen führte (Musall 2009; ben Maimon 2000). Die zweite Phase der maimonidischen Kontroverse war hinsichtlich der innerjüdischen Auseinandersetzungen entscheidend. Deshalb soll von ihr hier etwas ausführlicher die Rede sein. Es ging unter anderem um die Frage nach der Relation von Vernunft und Offenbarung, das Problem der biblischen und talmudischen* Anthropomorphismen Gottes sowie um die Frage nach der körperlichen Auferstehung. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, dass der theologische Dissens über diese Fragen das damalige Judentum in zwei Lager spaltete, die kurz davor waren, sich zu zwei grundlegend verschiedenen ‚Konfessionen‘ zu entwickeln. Verglichen mit der intellektuellen und politischen Situation in Ägypten gerieten die Werke des Maimonides in Europa zu Beginn des 13. Jahrhunderts in ein völlig anderes Klima. Zum einen wurde Maimonides’ halachisches Hauptwerk, der Mischne Tora, von halachischen Autoritäten wie R. Avraham ben David aus Posquières, R. Mosche ha-Cohen und Meïr Abulafia aus Toledo angegriffen; zum anderen wurde die von Maimonides angestrebte Synthese zwischen ‚Jerusalem und Athen‘, zwischen jüdischer Offenba-

6.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    155

rungs-Überlieferung und griechisch-arabischer, aristotelischer Philosophie, der chokhma jewanit (‚griechische Weisheit‘), vor allem von den aschkenasischen* Gelehrten aus Deutschland und Nordfrankreich scharf abgelehnt. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatte auch das spanisch-jüdische anti-maimonidische Lager, repräsentiert vor allem durch R. Schelomo ben Avraham aus Montpellier und seinen Schüler R. Jona ben Avraham Gerondi, den späteren Oberrabbiner von Katalonien, in der Provence und in Spanien großes Gewicht. In der zweiten Phase der maimonidischen Kontroverse standen nicht nur allgemein die Frage nach der Relation von Offenbarung und Vernunft, sondern sehr konkrete Themen wie das Problem der biblischen und talmudischen Anthropomorphismen sowie die Frage nach der (körperlichen) Auferstehung zur Debatte. Die mittelalterlichen Philosophen und Rationalisten befanden sich dabei in direkter Auseinandersetzung mit der Theologie des Kalām* oder, wie im Falle R. Sa‘adjas, mit der islamischen Theologie der Mu‘tazila* (vgl. oben Kap. 1.2.a.). R. Sa‘adja Gaon hatte dabei einen für die gesamte spätere jüdische Philosophie wichtigen Meilenstein gesetzt, der von den aristotelisch geprägten Vertretern wie Maimonides und Radaq positiv rezipiert, von anderen, wie ibn Ezra oder den späteren Vertretern der Chaside Aschkenaz* abgelehnt und durch ein neuplatonisches Konzept ersetzt wurde. Die Kritik am Mischne Tora entzündete sich vor allem an der Art und Weise, wie Maimonides sein Buch aufgebaut und darin die Betonung auf eine relativ kompromisslose Praxis gelegt hatte. Man warf ihm vor allem vor, einzelne Lehrmeinungen nicht namentlich zitiert wie überhaupt die unterschiedlichen Lokaltraditionen (minhagim) nicht genügend berücksichtigt zu haben. Ebenfalls vom Mischne Tora ausgehend, aber deutlich schwerwiegender, entzündete sich seit 1190 und besonders angefacht durch die Kritik von R. Avraham ben David aus Posquières und R. Meïr Abulafia aus Toledo der Streit um die Auferstehung. Hier bündeln sich mehrere Problemstränge: neben den philosophischen Diskursen ging es auch um die Frage nach dem Umgang mit der ‚naiven‘ und zum Teil sehr konkreten aggadischen jüdischen Traditionsliteratur: Was meinten die Altvorderen, wenn sie von Auferstehung sprachen? Für die Philosophen (nicht nur die aristotelischen, sondern auch oder gerade jene, die unter dem Einfluss des Neuplatonismus standen) meinte dies vor allem den Aufstieg der menschlichen Seele in das Reich der intelligiblen Sphären. Die Trennung der Seele vom Körper und der Aufstieg in die intelligible Welt macht die Vorrangstellung des Menschen gegenüber dem Tier aus. Dem mittelalterlichen Rationalismus entsprach es, dass die Verfechter

Kritik am Mischne Tora

Streit um die Auf­ erstehung

156    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie

Allegorische Bibelauslegung

Die Verbrennung maimonidischer Schriften

Maimonides’ Verständnis des Messias

der maimonidischen Lehre nie vergaßen darauf hinzuweisen, dass der menschliche Körper bzw. die Leiche unter Staub und Wurmfraß einfach zerfällt. Mit Blick auf die Auferstehung ist der Streit zwischen den spanischen Aristotelikern und den nordfranzösischen Talmudisten heute vielleicht noch nachzuvollziehen, denn schließlich ist der Glaube an die körperliche Auferstehung noch immer integraler Bestandteil sowohl der jüdischen als auch der christlichen Religion. Mit Blick auf die metaphysischen Streitigkeiten muss man wohl zugeben, dass die Frage nach der Einheit Gottes oder nach seiner Allgegenwart eigentlich kein ernsthaft diskutiertes Thema mehr ist. R. Avraham und R. Meïr verlangten beide einen Bann über Maimonides’ einschlägige Schriften, allerdings zunächst ohne Erfolg. Für die Bibelauslegung bedeuteten diese hier nur kurz skizzierten inhaltlich-philosophischen Vorgaben eine Herausforderung, die man damals nur mittels allegorischer Exegese glaubte meistern zu können. Maimonides deutete vor allem solche Passagen allegorisch, in denen der einfache Wortsinn eine Aufhebung oder Durchbrechung der Naturgesetze insinuiert (z. B. der Stillstand der Sonne in Jos 10,12). Entsprechend suchte er auch die in der Bibel berichteten ‚Wunder‘ und wundersamen Begebenheiten konsequent rational auszulegen. Abschnitte, die sich auf die Auferstehung der Toten beziehen, oder die sog. Himmelsleiter in Gen 28 wurden als Symbol für den metaphysischen Aufstieg der Seele in die Sphären prophetischer Erkenntnis erklärt. Im Streit um die Auferstehung und die Vorstellung der kommenden Welt waren schon sehr bald auf beiden Seiten die Fronten recht verhärtet. Hier spielten vor allem R. Jona ben Avraham Gerondi und R. Schelomo ben Avraham aus Montpellier eine wichtige Rolle. Der Streit kam im Dezember 1232 mit der Verbrennung von Maimonides-Handschriften in Montpellier zu einem ersten Höhepunkt (Caputo 2007, 19 – 51; Dobbs-Weinstein 1997). Umstritten ist bis heute, wer und in welchem Umfang auf der jüdischen Seite die Inquisition um Einmischung in den bis dahin innerjüdischen Streit gebeten hatte. Als Radaq seinen Weg durch die provencalischen Gemeinden antrat, war er überrascht, dass dort selbst der aufgeklärten jüdischen Elite (vor allem den Ärzten) die rationalen Bibelauslegungen des Maimonides zu weit gingen. Auch mit seiner Darlegung über den Messias machte sich Maimonides im Lager der Frommen keine Freunde. So schrieb er beispielsweise im Mischne Tora, Hilkhot Melachim XI,3 – 4: Lass es dir nicht in den Sinn kommen, etwa anzunehmen, dass der Messias, der König, Zeichen und Wunder vollbringen oder die Welt erneuern oder die Toten auferstehen lassen wird oder irgend etwas von der Art. Dem ist

6.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    157 nicht so (…) Sollte aber ein König aus dem Hause Davids erstehen, der in der Tora bewandert ist und die Gebote erfüllt, wie sein (Stamm-)Vater David, und zwar gemäß der schriftlichen und der mündlichen Tora (…), und er auch die Kriege des Ewigen führt, dann ist dieser mit aller Sicherheit der Messias.

Maimonides’ Verständnis ist streng rational: Niemand sollte annehmen, dass die natürliche Ordnung der Welt zur Zeit des Messias in irgendeiner Weise verändert werden oder im geschaffenen Universum eine Erneuerung vor sich gehen würde (vgl. auch Mischne Tora, Hilkhot Melachim XII,1 – 2). Dass man sich hierbei auch von liebgewordenen Vorstellungen verabschieden musste, wie denen von dem mit dem Wolf weidenden Lamm (vgl. Jes 11,6; 65,25), ist wahrscheinlich das kleinste Problem. Jedenfalls würde ein solches Erlösungskonzept wohl auch heute noch auf vielfachen Widerstand stoßen. Radaq und Ramban suchten hier die Wogen zu glätten: Radaq Radaq und Ram­ reiste 1232 nach Toledo, um Maimonides zu verteidigen (diese Ver- ban als Vermittler teidigung ist auch noch erhalten), während Ramban zwischen den verfeindeten Parteien zu vermitteln suchte, um ein innerjüdisches Schisma zu vermeiden. In seinem berühmten ‚Sendschreiben an die französischen Rabbiner‘ (Iggeret le-Chakhme Tzarfat; bekannt zumeist unter dem Titel Terem E‘eneh Ani Schogeg [‚Bevor ich meine Stimme erhebe, irre ich mich eher‘]) suchte er sie zu überreden, den über die Maimonides-Anhänger verhängten ‚Bann‘ (cherem) wieder aufzuheben. Er argumentierte damit, dass die Schriften des Maimonides nicht für die in der tosafistischen* Tradition verhaftete Leserschaft verfasst worden seien, sondern für das Publikum im Süden Europas (Provence und Spanien), wo die griechische Weisheit und das damit zusammenhängende Gott- und Weltverständnis schon längst tief verwurzelt sei. Maimonides habe im Gegenteil mit seinen Schriften erreichen wollen, eine Synthese zwischen dem philosophischen Denken und der jüdischen Tradition herzustellen, um diese Menschen, die dem Judentum schon entfremdet seien, wieder zum Judentum zurückzubringen. Das Sendschreiben an die aschkenasische* Gelehrtenwelt beeindruckt uns auch heute noch, weil es in seiner Rezeption der chasidisch-aschkenasischen* Theologie vor allem des R. Jehuda he-Chasid (v. a. Iggeret 2, ed. Chavel, Bd. 1, 333 – 377, bes. 336 – 351) ein bedeutsames Zeugnis für das Ringen um theologische Inhalte darstellt, von denen Ramban wusste, dass sie ohne komplexes philosophisches System nicht mehr darstellbar und vermittelbar waren. Dass diese tiefe Zerreißprobe innerhalb des Judentums überwunden werden konnte und man sich doch wieder zusammenfand, ist sicher auch der Tatsache zu verdanken,

158    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie dass der Druck von außen immer stärker und ein Zusammenstehen des Judentums damit immer nötiger wurde. b.  Inquisition, Judenmission und Bücherverbrennung Die Nervosität der Kirche im Umgang mit häretischen Gruppierungen seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts sollte sich auch auf das christlich-jüdische Verhältnis sehr nachteilig auswirken. 1231 führte Gregor IX., ein Förderer der Franziskaner und Dominikaner, das Amt des Inquisitors ein und verlieh der Inquisition damit eine neue Qualität. Die Vollstreckung des Urteils bei Ketzerei (Verbrennung) überließ er dem weltlichen Arm. Den Dominikanern übertrug er das Amt der päpstlichen Inquisitoren: gegen den Widerstand der Bischöfe. Beginn der In permanenter theologischer Auseinandersetzung stehend blieb systematischen es nicht aus, dass die Dominikaner, unterstützt von Gregor IX., Judenmission den Juden gegenüber eine emsige missionarische Tätigkeit entwickelten. Schon 1260 wurde bei den Dominikanern in Spanien ein Studiengang für die hebräische und arabische Sprache eingerichtet. Die Judenmission ging dabei schon sehr bald mit der Bekämpfung des Talmud* als einem Dokument voller vermeintlicher Blasphemien und schändlicher Äußerungen einher. Der vom Judentum zum christlichen Glauben konvertierte Dominikaner Nicholas Donin hatte bereits 1236 dem Papst Gregor IX. eine Reihe schriftlicher Anklagen gegen den Talmud vorgelegt. Auf päpstliches Geheiß beschlagnahmte 1239 der französische König Ludwig IX. (‚der Heilige‘; 1214 – 1270) den Talmud und weitere hebräische Schriften, und im Juni kam es zur ersten öffentlichen Anklage gegen den Talmud. Am Ende stand zunächst 1242 eine vom Papst angeordnete Verbrennung hebräischer Bücher in großem Umfang; 1248 wurde der Talmud endgültig verurteilt und es kam zu erneuten Verbrennungen. All dies hinderte jedoch die christliche Seite nicht daran, sich des Talmud, vor allem dessen aggadischer Abschnitte, immer wieder in extenso zu bedienen, wenn es darum ging, den Juden blasphemische oder anstößige Äußerungen vorzuwerfen. Die Anklagen gegen den Talmud waren daher flankiert von öffentlichen Anhörungen, bei denen jüdische Gelehrte aufgefordert wurden, den Talmud zu verteidigen. In diesem Kontext standen die beiden wichtigsten Disputationen des 13. Jahrhunderts: die Disputation von Paris 1240 und die Disputation von Barcelona 1263.

Die Dominikaner und die Inquisition

6.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    159

c.  Christlich-jüdische Zwangsdisputationen in Paris und Barcelona Die Disputation in Paris 1240 nahm ihren Ausgangspunkt bei den Anschuldigungen des Nicholas Donin. In Gegenwart von Ludwigs Mutter Blanca von Kastilien sowie weiteren Vertretern des Adels, kirchlichen Würdenträgern und dem eigentlichen Ankläger Donin wurden R. Jechi’el von Paris, R. Jehuda ben David von Melun, R. Mosche von Coucy sowie R. Schemu’el ben Schelomo von Château-Thierry in getrennten Befragungen aufgefordert, zu den Anschuldigungen Stellung zu nehmen. Das hebräische Protokoll des R. Jechi’el von Paris wurde etwa zwanzig Jahre später von R. Josef ben Natan Official (Josef ha-Meqanne ‚der Eiferer‘; ca. 1210 – ca. 1280) unter dem Titel Wikkuach Rabbenu Jechi’el mi-Paris verfasst. Charakteristisch für den Wikkuach als polemische Schrift wird R. Jechi’el sehr selbstbewusst dargestellt; die christlichen Würdenträger und Geistlichen mit Ausnahme des Herausforderers Donin werden als dem jüdischen Gelehrten durchaus gewogen präsentiert. Sehr negativ gezeichnet wird hingegen das Porträt des Anklägers, Nicholas Donin: Der Wikkuach betitelt ihn zumeist als Ketzer (min) oder Sünder (chote), aber es fallen auch Ausdrücke wie Eselin (aton) oder Grausamer (akhsar). Der Wikkuach zeichnet ihn dabei nicht nur als einen dem jüdischen Gelehrten gegenüber groben Charakter, sondern legt ihm solche Worte in den Mund, die ihn wahrscheinlich auch christlichen Hörern gegenüber negativ und als der Kirche nicht hundertprozentig loyal gegenüberstehend ausweisen. Daniel Lasker sieht diese Struktur des Wikkuach, der nicht gegen das Christentum als solches, nicht einmal gegen die anwesenden Kleriker, polemisiert, sondern alle Polemik auf Nicholas Donin konzentriert, darin begründet, dass sich der Hass der Juden vor allem gegen die eigenen abtrünnigen Glaubensgenossen richtete (Lasker 1996). In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts standen die jüdischen Gemeinden und ihre Verantwortlichen unter enormem Druck: von außen durch die Zwangstaufen und die sich auch zunehmend verschlechternden Bedingungen im christlichen Umfeld (Taitz 1994); von innen durch die schon bei Qimchi zu beobachtende mentale Mutlosigkeit und geistige Niedergeschlagenheit, die einen idealen Nährboden für Konversionswillige bot. Themen der Pariser Disputation, die auf drei Tage im Juni 1240 anberaumt war, waren die aus christlicher Sicht ungebührlich hohe Autorität des Talmud gegenüber der Hebräischen Bibel, im Talmud enthaltene blasphemische Äußerungen gegen die Protagonisten des Neuen Testaments (vor allem Jesus und Maria) sowie Fragen hinsichtlich der im Talmud formulierten Halakha*, vor allem bezüglich des Verhältnisses von Juden und Nichtjuden.

Die erste Zwangs­ disputation 1240

Das hebräische Protokoll

Diskussionsthemen in Paris

160    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie Für das Verständnis des Wikkuach als polemische Schrift gilt es zu bedenken, dass die Zwangs-Disputationen den Juden nicht nur die Themen aufgezwungen haben, sondern ein Stück weit auch die Art der Argumentation. Dies wird besonders an der jüdischen Darlegung des Verhältnisses von ‚Schrift‘ (Bibel) und ‚Tradition‘ (Talmud und Midrasch) deutlich: Insbesondere die Angriffe auf aggadische Midraschpassagen* im Talmud* führten dazu, dass die jüdischen Kombattanten die Gewichtung der aggadischen und halachischen Teile immer wieder zu Ungunsten des Midrasch verschoben. Wie später auch Ramban, spielte R. Jechi’el die Autorität aggadischer Passagen immer wieder herunter, wohl wissend, dass diese entweder ohnehin weit vom biblischen Text entfernt sind, oder zum Teil tatsächlich antichristliche Polemik enthalten. R. Jechi’el bediente sich hierbei des Ausdrucks ‚glauben‘: An aggadische Überlieferungen müsse man nicht glauben. Der Talmud sei jedoch zum Verstehen der Hebräischen Bibel und vor allem des Religionsgesetzes unabdingbar, und so mutierte bereits bei R. Jechi’el der Talmud in ein Instrument der (halachischen) Bibelauslegung. Auf der anderen Seite charakterisiert der Bericht im Wikkuach den Apostaten beinahe als Karäer*, der nur an die schriftliche Tora und nicht an die Worte der Weisen glaube. Immerhin konnten sich R. Jechi’el und seine Mitstreiter in der Diskussion wohl so gut schlagen, dass die Verurteilung des Talmud noch um zwei weitere Jahre hinausgezögert werden konnte. Der Wikkuach, der nur kurze Zeit vor der 1263 in Barcelona ausgerichteten Disputation verfasst wurde, zeigt vor allem im Bericht des Ramban über die Disputation von Barcelona eine intensive Rezeption, insbesondere hinsichtlich der Einschätzung von Midrasch* und Aggada* sowie der Ausarbeitung des Begriffes ‚Glauben‘ (Emuna). Die zweite Zwangs­ Die zweite berühmte christlich-jüdische Zwangsbegegnung fand disputation 1263 1263 in Barcelona statt. In dieser Begegnung spielte der Apostat Pablo Christiani eine herausragende Rolle. Er war noch unter R. Eli‘ezer von Tarascon ausgebildet, war wahrscheinlich als Hebräischlehrer an eine dominikanische Ordensschule gekommen und im Laufe der Zeit zum Christentum konvertiert. Thema dieser Disputation war in der Hauptsache die Frage nach der Natur des Messias, an die sich aber eine ganze Reihe grundsätzlicher Fragen und Topoi anbinden ließ, wie beispielsweise die Frage nach der Bedeutung der jüdischen Erzähltradition, der Aggada*. Die Disputation von Barcelona ist auch deshalb so interessant, weil sie in zwei grundsätzlich verschiedenen Versionen überliefert ist, zum einen als offizielles christliches Dokument aus der königlichen Kanzlei in Barcelona (Latein), zum anderen als Erlebnisbericht des Ramban Die Stellung der Aggada

6.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    161

(Hebräisch). Beide Versionen unterscheiden sich erwartungsgemäß stark voneinander, insofern jede Seite für sich in Anspruch nimmt, die Debatte für sich entschieden zu haben. Im Bericht des Ramban bemerkt man überdies, dass sein Gegner stets nur in kurzen Sätzen zitiert wird, während er selbst mit langen Ausführungen referiert wird. Man wird jedoch annehmen dürfen, dass Pablo Christiani weit mehr zu sagen hatte, als Ramban ihm hier zugesteht. Ramban, der sich nach eigener Aussage das freie Rederecht hatte zusichern lassen, überliefert in seinem Bericht, dass in Barcelona nicht etwa um theologische Kleinigkeiten gestritten wurde, sondern um das ‚Wesen des Glaubens‘ (iqqar ha-emuna). Das ‚Wesen des Glaubens‘ wird nach Rambans Darstellung übereinstimmend mit Pablo Christiani in der Frage nach dem Messias gesehen, und zwar, 1. ob er schon gekommen oder noch nicht gekommen sei, 2. ob er wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch oder ein ganz normaler Mensch gewesen sei, und 3. ob die Christen oder die Juden an der wahren Lehre (ha-tora ha-amittit) festhielten. Zur Frage, ob der Messias schon gekommen sei, bietet Pablo Christiani einen Midrasch auf (EkhaR 1,57; vgl. Grossinger 1978, §§ 19 – 22), und Ramban antwortet zunächst mit einer ausführlichen Erklärung zur Funktion der Aggada*. Die talmudischen Aggadot müssten unter Berücksichtigung der Geheimnisse der Weisen gedeutet werden (§ 22). Ohnehin müsse man an die Aggadot nicht ‚glauben‘. Ramban nimmt hier die schon bei R. Jechi’el formulierte Hierarchisierung der heiligen Bücher auf und unterteilt die jüdische Traditionsliteratur in drei Gattungen: die Bibel, an die man voll und ganz glauben müsse, den Talmud als Kommentar zu den Geboten (perusch ha-mitzwot) sowie die Midrasch-Literatur, vergleichbar den sermones der Bischöfe und daher nicht verbindlich. Ramban spricht hier von „razionamento, d. h. Worte, die einer seinem Nächsten erzählt“ (ed. Grossinger 1978, 268). Gemäß Rambans Bericht endete die unmittelbare Disputation mit wohlwollenden Worten des Königs, der ihm zugestand, dass er dafür, dass er ja nicht im Recht sei, seine Sache doch ordentlich durchgefochten habe. Ramban wird aus der letzten Audienz des Königs mit 300 Dinaren entlassen. Allerdings setzte sich der Streit noch einmal am Schabbat darauf in der Synagoge fort, in der der König eine große Bekehrungspredigt hielt und die Kombattanten nochmals über die Messianität von Jesus sowie die Trinitätslehre stritten. Charles B. Chavel hat vermutet, dass Rambans berühmte Predigt Torat ha-Schem Temima (‚Die Weisung des Ewigen ist vollkommen‘ [vgl. Ps 19,8]) an diesem Schabbat gehalten wurde (Chavel 1963, Bd. 1, 139 – 140). Es scheint jedoch eher so zu sein, dass Torat ha-Schem Temima eine sorgfältig aus- bzw. überarbei-

Das Wesen des Glaubens

Die Stellung der Aggada

162    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie

Jüdische Theologie im Rheinland

Hierarchisierung heiliger Schriften

tete Nachschrift einer (in anderem Zusammenhang gehaltenen?) Predigt darstellt. Bereits die Entwicklung der esoterischen Theologie im Rheinland, vor allem jedoch die Disputationsliteratur des 13. Jahrhunderts zeigen, dass die Juden des christlichen Westeuropa spätestens im 13. Jahrhundert in philosophische oder theologische Diskurse verwickelt wurden, die sie nicht selbst angestoßen hatten und die auch in ihrer formalen Struktur – nach Themen oder theologischen loci geordnet – den jüdischen Gelehrten dort fremd gewesen waren. Insbesondere die französischen Tosafisten* wurden nun jedoch in dieser Weise herausgefordert, und hier sollte sich zeigen, dass gerade jene Gruppe, die die Schriften und die Philosophie des Maimonides am heftigsten zurückgewiesen hatte, nun diejenige war, die nicht ohne philosophische Vorbildung in diese Auseinandersetzung gehen konnten. Die anonyme Paraphrase von R. Sa‘adjas Sefer ha-Emunot we-ha-De‘ot sowie die Schriften R. Avraham ibn Ezras, die unter den französischen und deutschen Juden seit der Mitte des 12. Jahrhunderts bekannt gewesen sein dürften, sollten sich dabei in mehrfacher Hinsicht als für die Entwicklung der jüdischen Theologie äußerst fruchtbar erweisen. Auf der anderen Seite führte die Tatsache, dass die Disputationen nahezu ausschließlich auf Themen wie Blasphemie oder die Frage nach dem Messias fixiert waren, dazu, dass die Juden, merklich oder unmerklich, Hierarchien der Textgewichtung entwickelten, zunächst hinsichtlich der hebräisch-rabbinischen Literaturen – zuerst die Bibel, dann der Talmud und am Schluss der aggadische Midrasch – , dann aber auch mit Blick auf das ‚Glaubensgut‘ Israels: Schon Maimonides hatte in seinem Kommentar zum Traktat Sanhedrin mit den sog. ‚Dreizehn Iqqarim‘ eine thematische Eingrenzung auf bestimmte Glaubensprinzipien versucht, die er als notwendig für die Teilhabe an der kommenden Welt erachtete, aber hier ging es um eine philosophische Diskussion mit dem Ziel der Harmonisierung metaphysischer Lehrsätze und offenbarungstheologischer (biblischer) Aussagen. Diese Diskussion kam nun auch bei den Tosafisten an, die sich bis dahin vor allem um die Kodifizierung und Kommentierung halachischer Texte gekümmert hatten: Der aus Nordfrankreich stammende R. Mosche von Coucy, ein Schüler des R. Jehuda he-Chasid, ist der Autor des Sefer Mitzwot Gadol; R. Jechi’el war der Lehrer des berühmten Meïr Ben Baruch aus Rothenburg.

6.2. Persönlichkeiten    163

6.2. Persönlichkeiten a.  R. Mosche ben Nachman (Ramban; 1194 – 1270) R. Mosche ben Nachman (auch genannt: Ramban; Moses Gerondi; Bonastrug da Porta; Nachmanides; 1194 – 1270) aus Gerona, Katalonien, war eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des jüdischen Mittelalters. Die traditionelle Tosafistenausbildung* erhielt er von seinem Lehrer R. Jehuda ben Jaqar. Ein zweiter wichtiger Mentor war R. Meïr ben Jitzchaq aus Trinquetaille (12. Jahrhundert), der ihm die für die Provence charakteristische Ausbildung ermöglichte. Aus zeitgenössischen Responsen wissen wir, dass Ramban seinen Lebensunterhalt als Arzt bestritt. Er gehörte zum spanisch-jüdischen ‚Bildungsbürgertum‘. An Sprachen beherrschte er neben Spanisch und Hebräisch auch Arabisch, Latein, Syrisch und eventuell auch Griechisch. Ramban muss auch eine Jeschiva* unterhalten haben, denn es gibt eine Reihe Gelehrter, die sich auf ihn als ihren Lehrer berufen, u. a. R. Schelomo ben Avraham Adret und R. Aharon ben Josef ha-Levi. Nach dem Tod seines Cousins, des Oberrabbiners von Katalonien, R. Jona ben Avraham Gerondi (ca. 1200 – 1263) und bis zu seiner Auswanderung nach Eretz Israel hatte Ramban wahrscheinlich das Amt des Oberrabbiners inne. Prominent und für die Biographie des Ramban von größter Wichtigkeit waren vor allem zwei Ereignisse: seine Verwicklung in die sog. ‚maimonidische Kontroverse‘ (2. Phase in den Jahren 1230 – 1232; vgl. oben Kap. 6.1.a.) sowie 1263 seine erfolgreiche Teilnahme (und Verteidigung) in der Disputation zu Barcelona, die von ihm selbst als Erlebnisbericht unter dem Titel Wikkuach ha-Ramban überliefert wurde (vgl. oben Kap. 6.1.c.). Obwohl Ramban aus der letzten Audienz des Königs mit Erfolg entlassen wurde, gaben die Dominikaner keine Ruhe. Im April 1265 wurde Ramban wegen seiner angeblichen Beschimpfungen des Christentums angeklagt. Dem König gelang es jedoch, Ramban von dem Prozess zu befreien, der auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Die Dominikaner suchten ihrerseits die Unterstützung Papst Clemens IV., der den König in einem Brief aufforderte, Ramban zu bestrafen. Ramban konnte aus Spanien flüchten, und noch im selben Jahr 1267 wanderte er nach Eretz Israel ein. Im Sommer 1267 kam er über Akko in Jerusalem an und bemühte sich dort um Reorganisation der jüdischen Rumpf-Gemeinde, die noch in der Stadt verblieben war. 1268 zog er nach Akko und stand der dortigen Gemeinde vor. Eine Predigt aus dem Jahr 1269 ist noch erhalten geblieben. Sein Grab ist unbekannt. Dass Ramban von seinen Schülern und der Nachwelt mit ha-rav ha-ne’eman (‚der treu ergebene / zuverlässige Lehrer‘ [*‫ )]אמן‬bezeichnet wurde und so auch

Biographie

Politische Aktivitäten

Letzte Jahre in Eretz Israel

164    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie

Theologische Abhandlungen und pijjutim

Arbeiten zu Talmud und Halakha

Bibelkommentare

Kabbalistischer Bibelkommentar?

in die Geschichte einging, zeigt nicht nur die Ehrenbezeichnung für einen großen Mann der jüdischen Geistesgeschichte, sondern lässt sich von heute aus gleichzeitig als eine subtile Anspielung auf einen jüdischen Denker und Exegeten verstehen, dem es wie keinem anderen vor ihm darum ging, den ‚Glauben‘ Israels (ha-Emuna [hebr. Wurzel* ‫ )]אמן‬zu formulieren und zu formieren. Von Ramban sind mehr als fünfzig Schriften, Abhandlungen und Kommentare kleineren und größeren Umfangs erhalten geblieben (ediert von Chavel 1963 / 64), darunter theologische Schriften wie der 1263 verfasste Sefer ha-Ge’ulla (‚Buch der Erlösung‘), der sich intensiv mit dem Buch Daniel auseinandersetzt. Zudem sind von ihm vier Predigten erhalten, z. B. die oben erwähnte Predigt Torat ha-Schem Temima oder die berühmte Predigt zu Rosch ha-Schana, die Ramban in Akko 1269 hielt. Daneben hat sich eine Reihe religiöser Lieder (pijjutim*) und Briefe erhalten, darunter das berühmte Sendschreiben an die nordfranzösischen Gelehrten Terem E‘eneh Ani Schogeg (vgl. oben Kap. 6.1.a.) sowie ein Kommentar zum Sefer Jetzira*. Auch in seinen halachischen Werken, vor allem in der Kommentierung des Talmud* zeigt Ramban eine Synthese zwischen der spanisch-rabbinischen / provencalischen Gelehrsamkeit und den nordfranzösischen Tosafisten (Ta-Shma 2010). Vom Talmud kommentierte er die Ordnungen Mo‘ed, Naschim und Neziqin vollständig; weiterhin haben sich Chidduschim* zu den Traktaten Bava Batra, Bava Metzia, Chullin und Nidda erhalten. Daneben bemühte er sich textkritisch um die überlieferten Talmudversionen. Ramban hat auch eigenständige halachische Werke verfasst. Seine Schrift Torat ha-Adam behandelt u. a. Vorschriften für die Behandlung von Kranken, Trauerbräuche und Beerdigungsvorschriften und enthält am Schluss unter dem Titel Scha‘ar ha-Gemul (‚Pforte des [endzeitlichen] Lohnes‘) Ausführungen zu Lohn und Strafe der Endzeit sowie zur Auferstehung. Der Traktat Mischpate ha-Cherem behandelt Bannvorschriften sowie eine ausführliche Abhandlung zum Kol Nidre. Neben einem Kommentar zum Hohenlied und zum Buch Hiob haben sich noch Fragmente eines Jesaja-Kommentars erhalten und vor allem sein umfangreicher Tora-Kommentar, den er in den letzten Jahren seines Lebens verfasste. Dieser Kommentar, der an vielen Punkten weit über eine eigentliche Textkommentierung hinausgehende Grundsatzfragen erörtert, wird in der neueren Forschung wie kaum ein anderer Bibelkommentar des hohen Mittelalters ausgesprochen kontrovers betrachtet. Besonders heftig ist in den letzten Jahren die Debatte um Rambans Verhältnis zur (zeitgenössischen) Kabbala ausgebrochen.

6.2. Persönlichkeiten    165

Nach Moshe Idel zeigt sich in Rambans Schriften kein ausgearbeitetes kabbalistisches System. Vielmehr habe er sich je und je auf ein beschränktes Corpus mündlicher Überlieferungen, zumeist theosophische Lehren zur Erklärung der Gebote, berufen, die bereits Mosche mündlich empfangen habe und die daher auch nur mündlich weitertradiert werden durften. Auch Ramban selbst habe dieses Wissen geheim halten wollen, offenbar mit gutem Erfolg, denn bereits seine Schüler wie R. Nissim aus Gerona stellten fest, dass das, was man an einzelnen und versprengten kabbalistischen Noten in seinen Kommentaren entdecken könne, die Sache mehr verdunkle als erhelle (Idel 1983). Anders sehen dies Chayim J. Henoch, Elliot Wolfson und zuletzt vor allem Haviva Pedaya. Henoch hat Rambans Bibelauslegung vor allem vor dem Hintergrund kabbalistischer Deutungen gelesen (Henoch 1998; 1970). Rambans Erklärung zu den Opfern charakterisiert er als einen „meta-historischen“ Ansatz. Es gehe Ramban weniger darum, einen dem Opferdienst inhärenten religiös-moralischen Nutzen für den Menschen aufzuweisen; vielmehr verstehe Ramban die Opfer als ein Symbol für die mystische Dynamik der Emanation (atzilut) aus der Gottheit heraus. In der Folge von Wolfson (Wolfson 1989) sieht Pedaya in Rambans Auslegungen das Verständnis einer zweifachen (kaful) Natur des Textes, eine die göttliche und eine zweite die geschöpfliche Welt betreffende. Daher lege er auch den Text zum einen nach dem einfachen Wortsinn aus, andererseits verweise er oftmals auf die symbolische, hier als kabbalistisch verstandene Bedeutung (Pedaya 2003, 278). Rambans exegetischen Anspruch bezeichnet sie daher als „meta-exegetisch / überexegetisch“ (tefisa al-parschanit; ebd., 192). Allerdings kann die Frage nach dem kabbalistischen Inhalt nicht unabhängig von der literarischen Form diskutiert werden: Bibelkommentare haben eine andere inhaltliche Ausrichtung und eine andere kommunikative Funktion als ein kabbalistisch-esoterischer Traktat, weil die Leser bzw. Hörer auch andere sind. Daher hat bereits Gershom Scholem sein Augenmerk vor allem auf die kommunikative Funktion der kabbalistischen Ausführungen in Rambans Bibelkommentar gelegt: Er sah darin eine große „propagandistische Leistung“ mit dem Ziel, kabbalistische Ideen mundgerecht und wohldosiert unter ein breites Publikum zu streuen (Scholem 1962, 341). Scholem verweist überdies auf die Tatsache, dass auch sein Gegner in der Disputation zu Barcelona 1263, Pablo Christiani (vgl. Kap. 6.1.c.), ihn niemals als Mitglied der Kabbalisten in Gerona angreift (Scholem 1962, 340). Er sieht vor allem in Rambans Kommentar zum Sefer Jetzira einen Bezug zu kabbalistischen Lehren.

166    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie Rabbinischer Bibelkommentar?

Demgegenüber versteht Yaakov Elman Ramban vor allem vor einem rabbinischen hermeneutischen Hintergrund (Elman 2000). Er sieht diesen in dem von James Kugel für die rabbinische Literatur herausgearbeiteten zentralen exegetischen Anspruch einer ‚omnisignificance‘ des biblischen Textes. Kugels Definition lautet dabei wie folgt: Die grundlegende Prämisse, die aller rabbinischen Exegese zugrunde liegt, ist jene, wonach auch dem noch so kleinsten Detail des biblischen Textes eine Bedeutung innewohnt, die verständlich und gleichzeitig auch bedeutsam ist. Nichts in der Bibel (…) sollte als ein reines Zufallsprodukt erklärt oder (…) schlicht als rhetorisches Stilmittel ausgezeichnet werden. (…) Jedes Detail, das aufgebracht wird, dient dazu, etwas Neues oder (exegetisch) Bedeutsames einzuführen, das durch sorgsame Analyse entdeckt werden kann (Kugel 1981, 103 – 104).

Kugels Definition von ‚omnisignificance‘ enthält die zentrale Idee, dass jedes auf den ersten Blick noch so unwichtige Detail eine tiefere halachische oder theologische Bedeutung hat, entsprechend dem Diktum aus Dtn 32,47 (Denn nicht ein leeres Wort ist es …). Beide Positionen haben gute Argumente und Textbelege auf ihrer Seite, und es ist überdies zu fragen, ob sich die genannten Interpretationen von Rambans Kommentar gegenseitig wirklich so kategorisch ausschließen, wie dies die bisherige Diskussion vermuten lässt. b.  Bachja ben Ascher (13. Jahrhundert) Von Bachja ben Ascher haben sich nur wenig biographische Details erhalten. Der Überlieferung nach stammte er aus Saragossa und wirkte dort als Prediger (darschan) und Richter (dajjan). Er war wohl ein Schüler des R. Schelomo ben Avraham Adret (Raschba; 1235 – 1310), der seinerseits ein Schüler des Ramban gewesen war (Bernstein 1891). Wie schon vor ihm Ramban, suchte auch Bachja, kabbalistische Ausführungen in seinen 1291 verfassten Pentateuch-Kommentar zu integrieren. Neben seinem Pentateuch-Kommentar haben sich auch kleinere ethische Schriften und Predigten von ihm erhalten (Bernstein 1891, 27 – 46). Der vierfache Bachjas Pentateuch-Kommentar, der schon früh gedruckt wurde Schriftsinn (Neapel 1492) und bald rasche Verbreitung fand (vor allem unter den Kabbalisten des 16. Jahrhunderts), zeichnet sich dadurch aus, dass er bereits explizit einen vierfachen Schriftsinn benennt und darin die vier Methoden (Wege) aufweist, nach denen die Tora auszulegen sei: nach dem Literalsinn (al derekh ha-peschat*), dem Weg des Midrasch* (al derekh ha-midrasch), nach vernünftiger Art und Weise (al derekh ha-sekhel) und nach dem Weg der Kabbala (al derekh ha-qabbala). Wichtig ist, dass der von Bachja immer wieder Biographie

6.3.  Neue Zugänge    167

genannte ‚rationale Weg‘ der Bibelauslegung nicht ausschließlich die philosophische Auslegung umfasst, sondern auch psychologische oder anthropologische Aspekte enthalten kann (vgl. nachfolgend Kap. 6.3.d.). Bachjas Tora-Kommentar bietet allgemeinverständliche Auslegungen nach dem Peschat ebenso wie rabbinische, aber auch philosophische und kabbalistische Deutungen leicht fasslich und auf das Nötigste reduziert, was sicher auch zu seiner allgemeinen Beliebtheit beitrug. Bis heute gehört er daher neben jenen von Raschi und Ramban zu den meistgelesenen und meist publizierten Kommentaren zum Pentateuch (Weissblit 1995; Gottlieb 1967). Bernstein (1891, 193 – 196) listet mehr als zehn Superkommentare auf. Ähnlich wie bereits bei den altfranzösischen Glossen Raschis und seiner Zeitgenossen (vgl. oben bes. Kap. 3.3.a.), wecken Bachjas arabische und spanische Übersetzungen in seinem Kommentar (Beispiele bei Bernstein 1891, 115 – 118) heute vor allem das Interesse der Philologen.

6.3. Neue Zugänge a.  Das ‚Wesen des Glaubens‘ und die göttlichen Wunder Rambans Tora-Kommentar enthält zu vielen theologischen Topoi lange Ausführungen und systematische Behandlungen, die nachfolgend in Auswahl vorgestellt werden sollen. Dies gilt für seinen Begriff des Glaubens ebenso wie für sein Verständnis der mittels des Toratextes etablierten symbolischen Verbindung zwischen Gott und Mensch oder seiner Auffassung der verschiedenen Arten von Wundern. Erstmals in der jüdischen Auslegungsgeschichte werden nun im Kontext eines Bibelkommentars systematisch Themen behandelt, die vorher vor allem den Philosophen vorbehalten waren. In der Folge der Chaside Aschkenaz* stellte die Bibel für Ramban tatsächlich ein corpus symbolicum des Göttlichen dar. In seinem systematischen Zugriff kann Ramban daher auch als erster jüdischer ‚Theologe‘ charakterisiert werden. Rambans Einleitung in seinen Tora-Kommentar wird im Folgenden mehrfach und unter verschiedenen Aspekten berücksichtigt werden. Programmatisch setzt die Einleitung mit Rambans Ausführungen zu Genese und Charakteristik der Tora ein: Unser Lehrer Mose schrieb dieses Buch der Genesis zusammen mit der ganzen Tora aus dem Mund des Heiligen, er sei gepriesen, auf. Das Nächstliegende ist, dass er sie auf dem Berg Sinai schrieb, denn dort wurde zu ihm gesagt: Komm herauf zu mir auf den Berg und bleib hier! Ich will dir die Steintafeln übergeben, die Weisung und das Gebot (ha-mitzwa), die ich aufgeschrieben habe. Du sollst das Volk darin unterweisen (Ex 24,12).

Einleitung in den Genesis-Kom­ mentar

168    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie Die ‚Steintafeln‘ umfassen dabei die Gebotstafeln und das Geschriebene, d. h. das Zehnwort, ‚das Gebot‘ schließt die Zahl aller Gebote ein: ‫עשה‬ [Gebote] und ‫[ לא תעשה‬Verbote]. Wenn dies so ist, dann schließt ‚und die Weisung‘ (we-ha-tora) alle Erzählungen vom Beginn des Buches Genesis her mit ein, denn die Tora lehrt die Menschen den Weg des Glaubens (derekh ha-emuna).

Wie den übrigen Büchern der Tora stellt Ramban dem Buch Genesis eine Einleitung voran, in der er die Grundzüge seiner Bibelauslegung erläutert. Zu Beginn verweist er darauf, dass Mose die Tora ‚aus dem Mund des Heiligen, er sei gepriesen, aufschrieb‘. Hier hat sich Ramban ganz subtil von der rabbinischen Sichtweise verabschiedet, denn nach mAv I,1 bekommt Mose die Tora eben nicht ‚von Gott‘, sondern vom Sinai (mi-Sinai), und Sinai steht für das erste Glied in einer Traditionskette (vgl. auch oben Kap. 5.3.b.). Wenn Ramban also Mose die Tora aus dem Mund Gottes heraus aufschreiben lässt, so soll nicht nur die Autorität des Mose nochmals unterstrichen, sondern auch die Authentizität seiner Lehre als von Gott her autorisiert werden. Bereits Rambans Ausführungen in seinem Wikkuach (vgl. oben Kap. 6.1.c.) haben gezeigt, dass, wie bei keinem Ausleger vor ihm, seine Auslegungen den Anspruch erheben, den ‚Glauben‘ Israels aufzuzeigen. Dies geht so weit, dass gleichzeitig auch dogmatische Pflöcke eingeschlagen werden, die aus der Sicht Rambans über die Zugehörigkeit zur jüdischen Gruppe entscheiden. In seinem Kommentar zu Gen 1,1 setzt Ramban mit einer Auslegung Raschis ein (vgl. oben Kap. 3.3.f.), die er ausdrücklich zurückweist: Ramban zu Gen 1,1

Im Anfang: R. Jitzchaq sagte: (Mit „Im Anfang schuf …“) hätte die Tora eigentlich nicht anfangen dürfen, sondern mit Dieser Monat sei euch der Anfang (der Monatszählung) [Ex 12,2], denn dies stellt die erste mitzwa dar, die Israel gegeben wurde (…). Dies ist eine aggadische Überlieferung, wie sie R. Schelomo [Raschi] niedergeschrieben hat, aber man muss sie hinterfragen. Es besteht nämlich in der Tat eine große Notwendigkeit, dass die Tora mit Im Anfang schuf Gott (…) einsetzt, denn dies ist die Wurzel (unseres) Glaubens [schoresch ha-emuna], und wer dies nicht glaubt und denkt, dass die Welt von Urzeit an bestanden habe [d. h. nicht erschaffen wurde: olam qadmon], leugnet das Grundprinzip (des Judentums) [kofer ba-iqqar] und hat überhaupt keinen (Anteil an der) Tora [en lo tora kelal].

Auf der Basis des Midrasch* insistierte Raschi auf einem Doppelten: zum einen, dass die ‚Tora‘ in erster Linie eine Sammlung von Geboten (mitzwot) sei, und dies auch ihr eigentliches Wesen ausmache, zum anderen lässt Raschi die ‚Tora‘ mit jenen Geboten beginnen, mittels derer Israel als kultische Gemeinschaft konstituiert wird, denn in Ex 12,3 spricht der Text erstmals von Kultgemeinde (eda). Nach Raschi steht also die Tora nicht mit dem einzelnen, sondern mit Israel als kultischer Gemeinde in Verbindung. Indem

6.3.  Neue Zugänge    169

Raschi den Midrasch an den Beginn seiner Auslegung stellt, lehnt er auch jede philosophische Spekulation über die Erschaffung der Welt ab. In Rambans Kommentar lassen sich bereits auf wenige Worte Das ‚Dogma‘ von hin deutliche Akzentverschiebungen ausmachen: Ramban steht der Erschaffenheit zum einen unter dem Einfluss der philosophischen Exegese und der Welt der durch sie ausgelösten Kontroverse über die Frage nach der Geschöpflichkeit oder Ewigkeit der Welt (vgl. oben Kap. 6.1.a.), zum anderen auch in immerwährender Auseinandersetzung mit dem Christentum und seinen zunehmend stärker werdenden Missionstendenzen. Er muss deshalb diese Frage als relevant für Israels ‚Dogmatik‘ herausstellen. Und so wird aus Raschis ‚Gesetzbuch‘ ein ‚Glaubenszeugnis‘. Nach Rambans Auslegung muss ‚geglaubt‘ werden (*‫ אמן‬hi.). Damit hängt auch noch ein weiterer Punkt zusammen: Nicht zufällig sind die mitzwot in der Auslegung Raschis an Gesamtisrael gebunden, während in der Auslegung Rambans der Einzelne („Wer dies nicht glaubt …“: Sg.) im Zentrum steht. Es konkurrieren damit ‚Tora-Ausübung‘ und ‚Tora-Glaube‘. Nicht, dass es Ramban nicht um die Ausübung der Gebote ginge, aber dies allein reicht ihm nicht. Zudem verdient Beachtung, dass nach Ramban bereits der Zweifel an der Geschöpflichkeit der Welt zum Verlust der ‚Tora‘ insgesamt führt, eine Aussage, die auch in der strengsten Auslegung zu den Halakhot niemals auch nur ansatzweise formuliert worden wäre. Eine solch theologisch rigide Haltung, die den Glauben des einzelnen zwingend verlangt, begegnet bei Ramban an vielen Stellen seines Kommentars. Die besondere Betonung an den ‚Glauben‘ ist dabei gleichzeitig mit dem Insistieren auf den göttlichen Wundern verbunden (zum Ganzen ausführlich Schug [Thomanek] 2005). So formuliert Ramban im Kommentar zu Ex 13,16 (… denn mit starker Hand hat uns der Ewige aus Ägypten herausgeführt): Und von den großen öffentlichen Wundern (nissim ha-mefursamim) her ge- Ramban zu Ex 13,6 langt der Mensch zur Erkenntnis der verborgenen Wunder (nissim ha-nistarim), die die Grundlage (jesod) der ganzen Tora sind. Denn ein Mensch hat keinen Anteil an der Tora unseres Lehrers Mose (cheleq be-torat mosche rabbenu), solange er nicht zu der Überzeugung gelangt, dass alle unsere Worte (der Tora) und (die dort erzählten) Ereignisse allesamt Wunder (nissim) sind: An ihnen ist nichts Natürliches oder etwas der natürlichen Welt für gewöhnlich Innewohnendes (en bahem teva u-minhago schel olam), ob sie nun der (ganzen) Gesellschaft oder dem Einzelnen widerfahren.

Nach Ramban gibt es also zwei Kategorien von biblischen Wundern: die verborgenen (nissim ha-nistarim) und jene, die geoffenbart und als solche explizit ausgezeichnet wurden (ha-nissim ha-mefursamim). In Gen 17,1, wo im biblischen Text zum ersten Mal der

170    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie Gottesname (El) Schaddai auftritt, erklärt Ramban diesen Unterschied. Die verborgenen Wunder bindet er dabei an den Gottesnamen Schaddai: Ramban zu Gen 17,1

Und [der] Grund, jetzt an diesen Namen [Schaddai] zu erinnern, ist, dass in ihm die verborgenen Wunder für die Gerechten gewirkt werden, um ihre Seele vor dem Tod zu erretten und sie in Hungersnot am Leben zu erhalten (Ps 33,19) (…). Wie alle Wunder, die für Abraham und die Väter getan wurden, und wie alle [Wunder], die in der Tora erwähnt werden: im Abschnitt Bechuqqotai [Lev 26,3 – 27,34] (und) im Abschnitt Ki Tavo [Dtn 26,1 – 29,8] hinsichtlich der Segnungen und Fluchworte, die (ebenfalls) alle Wunder sind. Denn es ist nicht naturgemäß, dass die Regengüsse zu ihrer Zeit (Lev 26,4) fallen werden, wenn wir Gott anbeten, und [auch] nicht, dass der Himmel wie Eisen sein wird (Lev 26,19), wenn wir im siebten Jahr aussäen. Und so ist es [mit] allen Bestimmungen in der Tora. Denn sie sind alle Wunder, und bei allen wird der Plan des Schicksals besiegt. Nur, dass bei jenen [den verborgenen Wundern] keine Veränderung des (natürlichen) Ablaufs der Welt (stattfindet), wie (z. B. bei) den (geoffenbarten) Wundern, die durch die Hände unseres Lehrers Mose gewirkt wurden: bei den Zehn Plagen und bei der Teilung des Meeres (…) und den übrigen, die Zeichen waren, die die Natur in der Öffentlichkeit [d. h. für alle sichtbar] veränderten. Und diese [die geoffenbarten Wunder] sind es, die im Namen des Ewigen getan werden, welche er [Gott] ihm [Mose] gesagt hatte.

Wunder, die nicht äußerlich sichtbar in den natürlichen Ablauf der Welt eingreifen, werden als verborgene Wunder definiert (vgl. auch seinen Kommentar zu Gen 46,15). Das Meerwunder, Manna und andere wunderbare Ereignisse, die dem Volk Israel widerfahren sind, werden von Ramban unter dem Stichwort chiddusch ha-olam ‚Neuerung (des natürlichen Ablaufs) der Welt‘ eingeführt (vgl. seinen Kommentar zu Num 11,22). Die in der Tora als Lohn und Strafe ausgezeichneten Geschehnisse sind in Wahrheit von Gott gewirkte Wunder (vgl. seinen Kommentar zu Ex 6,2), denn der Mensch denkt, es handele sich um den natürlichen Ablauf der Welt, in Wahrheit sei es aber göttlicher Lohn bzw. göttliche Strafe. Dass Ramban damit auch seinen eigenen Berufsstand – er war Arzt – in Misskredit brachte, musste er wohl in Kauf nehmen, denn er hat das Lohn- und Strafmotiv eigentlich auf den gesamten Bereich des menschlichen Lebens ausgedehnt (Schug [Thomanek] 2005). Hierzu gehören vor allem negative Widerfahrnisse wie Krankheit und Leiden. Auch Krankheiten sind die unmittelbare Folge von menschlicher Sünde, zu der Ramban auch den Unglauben zählt. In seinem Kommentar zu Lev 26,11 verweist er auf König Hiskia, der auch durch ein Gebet (und nicht durch Konsultation von Ärzten) geheilt wurde: Gott heilte ihn durch ein Wunder. Ärzte sind in diesen Wunderkreislauf lediglich sekundär eingebunden:

6.3.  Neue Zugänge    171 Was aber ist die Aufgabe der Ärzte im Haus derer, die den Willen des Ewi- Ramban zu gen tun, nachdem er [der Ewige] versprach Und ich werde ihr Brot und ihr Lev 26,11 Wasser segnen und Krankheit aus ihrer Mitte fernhalten (Ex 23,25)? Und die Taten der Ärzte sind nichts anderes, als vor (bestimmten) Speisen und Getränken zu warnen, oder (umgekehrt) sie zu verordnen.

Die geoffenbarten Wunder werden ausschließlich mit dem vierbuchstabigen Namen* gewirkt. Ärzte können das Geschehen lediglich in die eine oder andere Richtung verstärken. Der Unterschied zu den verborgenen Wundern liegt darin, dass die geoffenbarten Wunder in den natürlichen Ablauf der Welt eingreifen und eine sichtbare Veränderung der Natur darstellen. Naturgesetze können dabei auch außer Kraft gesetzt werden, wie beispielsweise bei den zehn Plagen oder dem sog. Meerwunder. Auch die Gabe des Manna gehört nach Ramban zu den geoffenbarten Wundern: Und zu den (wunderhaften Offenbarungs-)Zeichen der Tora und ihren Ramban zu gewaltigsten Wundern gehört das Bestehen Israels in der Wüste (während) Num 33,1 der vierzig Jahre und die Auffindung des Mannas an jedem Tag: Obwohl es Orte waren, die weit von (jeder zivilisierten) Besiedlung entfernt und keine natürlichen (Lebensräume) der Menschen waren: kein Ort des Getreides, des Feigenbaumes, des Weinstocks oder des Granatapfels (Num 20,5). Und die Tora sagt Brot habt ihr nicht gegessen und Wein und berauschendes Getränk habt ihr nicht getrunken (Dtn 29,5). Und alle diese Zeichen sind in der Tat (geoffenbarte) Wunder, die mit dem (bloßen) Auge gesehen wurden.

Auch die Kategorie der geoffenbarten Wunder wird unmittelbar mit dem für Ramban so wichtigen Glaubensbegriff verbunden: Die Wunder bezeugen die geoffenbarte Existenz Gottes, und so werden die Häretiker (hier wohl vor allem: die Christen) mundtot gemacht. b.  Der Weg der Wahrheit (ha-derekh ha-emet) Rambans Bibelerklärungen zeigen immer wieder, dass für ihn die Bibel mehr war, als ‚nur‘ ein Text. Für ihn war die Bibel darin ein heiliger Text, dass ihre Qualitäten über rein literarisch-stilistische hinausgehen. Man könnte auch sagen, dass er die Bibel als corpus symbolicum des Göttlichen verstand. Von grundlegender Bedeutung dabei war für ihn die Art und Weise, wie das Wissen um Gott dem Menschen vermittelt wurde. Allerdings wird der (mündliche) Überlieferungsgang bei Ramban deutlich anders akzentuiert, als wir dies von der rabbinischen Lehre von den zwei torot (schriftliche und mündliche Tora*) her kennen. Der bereits oben (Kap. 6.3.a.) erwähnte Einstieg in das Buch Genesis, in dem Ramban darlegt, dass Mose die ‚ganze Tora‘ aus dem Mund Gottes empfangen habe, birgt indes noch weitere Implikationen. Die mündliche Tora, von der zu Beginn noch gar nicht die

172    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie Rede ist, wird erst im Folgenden in eher eigenwilliger Manier bestimmt: Ramban verweist auf die schon in den rabbinischen Schriften genannten ‚fünfzig Tore der Einsicht‘ (vgl. bRhSh 21b), von denen Mose die Tora mittels neunundvierzig dieser Tore empfangen habe. Dies schließe die Gematria* ebenso ein wie das Wissen um die Bedeutung der Form der Buchstaben oder der tagin* (d. h. der Krönchen) auf einigen der Buchstaben (vgl. bMen 29b). Mündliche Grundlegend ist für Ramban die Überlieferung, wonach die Tora Überlieferung als mit schwarzem Feuer auf den Hintergrund von weißem Feuer geGeheimlehre schrieben worden sei (jSheq 6,1 [49d]) und nur aus Gottesnamen bestehe: Wir haben überdies eine ‚mystische‘ Tradition (qabbala schel emet), wonach die gesamte Tora allein aus den Namen des Heiligen, er sei gesegnet, besteht, und sich die Buchstaben der einzelnen Wörter mit je anderer Bedeutung (be-injan acher) in Gottesnamen zerlegen (…) Dieses Prinzip brachte die biblischen Gelehrten dazu, jede Defektiv- und Pleneschreibung in der ganzen Tora und der (restlichen) Schrift zu notieren und (eigene) Traktate zu (dieser) Überlieferung (masoret) zusammenzustellen (…) Es scheint nun so, als sei die mit schwarzem Feuer auf weißem Feuer geschriebene Tora so beschaffen gewesen, wie wir dies erwähnt haben, dass nämlich das Geschriebene zusammenhängend war, ohne Einteilung in (einzelne) Wörter, sodass, wenn man es liest, es möglich ist, es entweder in der Weise der Gottesnamen (al derekh ha-schemot) oder in unserer (normalen) Weise zu lesen: (als) Tora und Gebote. Und (die Tora) wurde unserem Lehrer Mose in der Weise (der) Unterteilung (der Wörter) gegeben: (als unsere heute übliche) Lesung (mit Blick auf die) Gebote; und (es wurde ihm zusätzlich) mündlich übermittelt: (als) Lesung, (die den Text aus) Gottesnamen (bestehen lässt). Und so schreiben auch die (Kabbalisten) den großen (72buchstabigen) Namen, den ich bereits erwähnt habe, vollkommen zusammenhängend (als ein Wort), welches dann in (einzelne) Wörter von je drei (Buchstaben) oder in noch viele andere (mögliche) Unterteilungen aufgeteilt wird, gemäß der Praxis der kabbalistischen Meister (Ramban, Einleitung zum Buch Genesis).

Dieses Wissen um die verschiedenen Einteilungen der hebräischen Wörter der Bibel gehört nach Ramban zu den sog. remazim ‚Andeutungen‘ oder sodot (‚Geheimnissen‘, Sg. sod), die man nur von Mund zu Mund von einem weisen Tradenten esoterischen Wissens erfahren könne (mippi mequbbal chakham), was wiederum auf Mose am Sinai (mosche mi-sinai) zurückgehe (allein in der Einleitung und im Kommentar zum Buch Genesis findet sich der Terminus sod dreißig Mal). Ramban zeigt sich hier auch als gelehriger Schüler der Chaside Aschkenaz* (zum 72buchstabigen Namen vgl. auch oben Kap. 5.3.c.), weil er den Begriff der mündlichen Tora um die Größe des sog. ‚esoterischen Wissens‘ erweitert hat. Der biblische Text ist also doppelter Natur, und hier ist auch Pedaya zuzustimmen, die in Rambans Auslegungen eine zweifa-

6.3.  Neue Zugänge    173

che Natur des Textes sieht (kaful; vgl. auch seinen Kommentar zu Hiob 11,6): die eine verweist auf unsere, geschöpfliche (Peschat-) Lesart*, die andere auf jene, die die göttliche Welt abbildet. Deshalb auch wohnt dem Text über seinen einfachen Wortsinn hinaus immer auch eine tiefere (symbolische) Dimension inne. In seinem Kommentar zu Gen 1,1 führt Ramban daher aus: Weil das Schöpfungswerk (ma‘ase bereschit) ein tiefes Geheimnis ist, ist es Ramban zu nicht allein aus den Bibelversen verständlich, und kann in seiner (ganzen) Gen 1,1 Tiefe nicht anders erkannt werden als durch die (mündliche) Überlieferung (mippi ha-qabbala), die bis auf unseren Lehrer Mose zurückgeht, der sie von der großen Kraft (ha-gevurah [5. Sefira]) empfangen hat. Und jene, die es wissen, sind verpflichtet, es zu verbergen. (…) Denn was erzählt ist, was am ersten Tage, was am zweiten und an all den anderen Tagen erschaffen wurde (…): (Für) all dies erlangt man keine volle Einsicht aus den Versen allein (…).

Ramban postuliert hier einen ‚Wissens(überhang)‘ für einzelne, Kabbala als unter denen die halakha le-mosche mi-sinai (‚Tradition des Mose esoterische vom Sinai her‘) zusammen mit der mündlichen Tora tradiert wird. mündliche Lehre Die ‚mündliche Tora‘ verweist auf die exoterische mündliche Lehre; die qabbala (des Mose vom Sinai) ist die esoterische mündliche Lehre. In seinem Vorwort zum Genesis-Kommentar kündigt Ramban an, diese ‚Geheimnisse‘ hier und da aufblitzen zu lassen. Allerdings könne das esoterische Wissen nie durch Intellekt und Logik begriffen, sondern nur wiederum durch mündliche Vermittlung eines kabbalistischen Meisters und auch nur von ausgesuchten und in der Kabbala bewanderten Schülern (Sg. meqabbel mevin) verstanden werden. c.  Die Bibel als corpus symbolicum des Göttlichen Roy Pinchot hat Rambans kabbalistisches Verständnis der Opfer Ramban gegen vor allem als Gegenentwurf zur maimonidischen Konzeption dar- Maimonides gelegt. Rambans grundlegende Ausführungen zum biblischen Opferdienst finden sich in seinem Kommentar zu Lev 1,9, der sich ausführlich vor allem mit Maimonides’ Konzeption auseinandersetzt, wie sie vor allem im dritten Teil seines More ha-Nevokhim entfaltet wird (More ha-Nevokhim III, 13. 27. 29.32.46). Maimonides hatte den Opferdienst allgemein mit der Natur des Menschen bzw. mit der götzendienerischen Praxis andersgläubiger Völker begründet: Als nun Gott unseren Lehrer Mose sandte, um Israel durch die Erkenntnis Maimonides’ Ver­ Gottes zu einem (…) heiligen Volke zu machen (…), und es damals die ständnis der Opfer in der ganzen Welt bekannte Übung war, an die sie gewöhnt waren (…), (nämlich) in jenen Tempeln, in denen sie die Bilder aufgestellt hatten, gewisse Tierarten zu opfern (…), so hat es Gottes Weisheit (…) nicht so gefügt, uns die Unterlassung (…) dieser Arten der Verehrung zu befehlen,

174    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie denn das wäre infolge der menschlichen Natur, die stets zum Gewohnten hinneigt, etwas gewesen, das anzunehmen damals niemandem in den Sinn gekommen wäre, und es wäre (damals) gerade so gewesen, wie wenn heute ein Prophet aufträte und zum Dienst Gottes aufriefe mit den Worten: Gott befiehlt euch, nicht zu beten, nicht zu fasten (…) vielmehr soll euer Gottesdienst nur im Denken, nicht in Handlungen bestehen. Und deshalb ließ Gott diese Arten des Dienstes noch fortbestehen und übertrug sie (…) auf seinen Namen (More ha-Nevokhim III, 32; ed. Weiß 1972).

Nach Maimonides gehört also der Opferdienst nicht genuin zum Kult Israels dazu. Er ist vielmehr das Ergebnis eines Zugeständnisses Gottes an den Menschen, der seiner Natur nach wenig gewillt ist, von liebgewonnenen Gewohnheiten Abschied zu nehmen. Mit anderen Worten: Der Opferdienst ist kontingent. Hätte es bei den anderen Völkern den Opferdienst nicht gegeben, so wäre er auch in Israel nicht eingeführt worden. Der Opferdienst entspringt damit nicht dem ‚eigentlichen‘ Willen Gottes. Maimonides liefert hier eine rein religionshistorisch-psychologische Erklärung. Dies gilt auch hinsichtlich der Opfermaterie: Tieropfer gegen Götzendienst

(…) Die Ägypter verehrten das Sternbild des Widders und verboten deshalb, dieses Kleinvieh zu schlachten (…). Ebenso gab es bei den Sabiern Sekten, welche die Dämonen verehrten und glaubten, dass diese in der Gestalt von Böcken erschienen. Du wirst auch bemerken, dass die Einwohner Indiens bis heute überhaupt kein Rind schlachten (…). Damit also die Erinnerung an diese falschen Glaubensmeinungen vertilgt werde, hat uns Gott befohlen, nur von diesen drei Arten Opfer darzubringen (More ha-Nevokhim III, 46; ed. Weiß 1972).

Ramban kann die Erklärung des Maimonides, die den Grund für die Opfer nur in der pädagogischen Maßnahme der Zurückdrängung des Götzendienstes sieht, nicht akzeptieren. Das Argument, die Opfer seien eigentlich nur aus der Abwehr des Götzendienstes heraus geboren worden, lässt sich nach Ramban bereits dadurch entkräften, dass schon Noah ein Opfer gebracht habe, zu einer Zeit also, als es weder Ägypter noch Chaldäer gegeben habe. Gegen Maimonides postuliert er, dass derlei äußeren Gründen keine theologische Relevanz zugestanden werden könne, und dass die Opfer von Gott seinem Willen gemäß beabsichtigt worden seien. Der Opferdienst wird damit zur intrinsischen Willensäußerung Gottes. Ramban zu Lev 1,9

Gott behüte, dass in ihnen [den Opfern] kein anderer Nutzen und keine Abzweckung liege als jene der Beseitigung götzendienerischer (Ideen) aus den Köpfen der Toren! (Ramban, Kommentar zu Lev 1,9).

Ramban nennt aber noch weitere Gründe und diese sind auch von weitreichender anthropologischer Konsequenz. In Lev 1,9 findet sich dazu eine lange Ausführung, die die biblischen Opfer als Symbol für die Ausrichtung des Menschen auf Gott hin expliziert.

6.3.  Neue Zugänge    175 Es ist weitaus angemessener, jene Bedeutung (der Opfer) anzunehmen, die Theologische Be­ von manchen (Auslegern) vertreten wird, wonach das Werk eines Men- deutung der Opfer schen durch (den) Gedanken (machaschava), (die) Rede (dibbur) und (die) Tat (ma‘ase) vollendet wird. (Und so) hat der Ewige befohlen, dass, wenn (ein Mensch) sündigt, er ein Opfer bringt und seine Hände auf (das Opfertier) legt – entsprechend der (bösen) Tat, (die er begangen hat). Er soll seine Sünde explizit aussprechen – entsprechend seiner (bösen) Rede, und er soll die Innereien, die Unterschenkel und die Nieren im Feuer aufgehen lassen, denn durch sie (entsteht) das Denken und die Begierde (im Menschen). Und die Unterschenkel (die er im Feuer aufgehen lässt) entsprechen den Händen und den Füßen des Menschen, der all diese (bösen) Werke vollbringt. Und er soll das Blut auf den Altar sprengen – entsprechend dem Blut seines eigenen Lebens. Während ein Mensch all diese (Akte) vollzieht, soll er daran denken, dass er mit seinem Körper und mit seiner Seele gegen seinen Gott gesündigt hat, und dass es angemessen wäre, dass sein Blut hätte vergossen und sein Körper hätte verbrannt werden müssen, wäre da nicht die Huld des Schöpfers, der von ihm (mittels) dieses Opfers Ersatz und Lösegeld annimmt: Blut gegen Blut [d. i. das Blut des Tieres anstelle des Blutes des Menschen], Leben gegen Leben (…) (Ramban, Kommentar zu Lev 1,9).

Nach Ramban ist den Opfern zunächst eine anthropologische Bedeutung inhärent. Die Taten des Menschen werden vollendet im Gedanken, in der Rede sowie in der Tat. Ramban hat diesen Gedanken bereits in seiner Predigt Torat ha-Schem Temima (verfasst im Kontext der Ereignisse von 1263) ausgeführt. Für Ramban gibt es dabei keine Dualität zwischen Körper und Seele: Der Glaube gehört zum Denken, die Rede bestätigt oder bezeugt, und der Mensch führt die Taten körperlich, mit seinen Händen oder Füßen, aus (vgl. auch Henoch 1998, 66). Diesen drei anthropologischen Kategorien der menschlichen Verfasstheit ordnet er nun symbolisch einzelne Ritualakte und -gegenstände im Opfergang zu: Die Handaufstemmung gehört zur menschlichen Tat, das Sündenbekenntnis zur Rede und das Verbrennen der Innereien zum Denken. Die Opfer werden hier zum symbolischen Mittel einer anzustrebenden Vollkommenheit, die sich der Mensch in moralischer, ethischer und mentaler Hinsicht erarbeitet. Damit zusammenhängend gelangt Ramban zu der Annahme, Der Sühnetod des dass das Opfertier den Stellvertreter des Menschen stelle. Ramban Opfertieres spricht von temura (‚Austausch / Ersatz‘), ein eigentlich aus der halachischen Diskussion bekannter Terminus (vgl. Lev 27,33; mTem I – VII). Der allen Opfern gemeinsame Blutritus (jedenfalls bei den Tieropfern) mache deutlich, dass allein ein stellvertretendes Opfer den Menschen von der todwirkenden Sünde entbinden könne (vgl. auch unten Kap. 6.3.d.). Die Opfer sind also eine, wenn nicht die einzige Möglichkeit für den Menschen, vor Gott überhaupt bestehen zu können. Diese schon beinahe ‚soteriologisch‘ zu nennende Auslegung ist sicher der zunehmenden Auseinandersetzung mit

176    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie dem Christentum und dem hier formulierten Topos des Opfertodes Christi zu verdanken. Die biblischen Opfer konkurrieren mit dem Opfer Christi und gewinnen von dort her ihre heilvolle Bedeutung. Ramban hat hier den biblischen Text mehrfach und vor allem in halachischer Hinsicht gegen den Strich gelesen, denn ist auch der Blutritus zentral, so stellen die biblischen Vorschriften gerade zum Chattat-Opfer* sicher, dass auch ein armer Mensch mit einer Mehlopfergabe volle Entsühnung erreicht. Darüber hinaus hat Ramban die einhändige Handaufstemmung seitens des Opfernden mit der beidhändigen Handaufstemmung durch den gesalbten Priester Aharon einfachhin gleichgesetzt. Während letztere ausschließlich beim Priesterdienst am Jom Kippur* eine Rolle spielt, bei der alle Verfehlungen auf das Tier übertragen werden, das diese nun trägt, in die Wüste bringt und damit gewissermaßen eliminiert, ist die Handaufstemmung des Einzelnen eine Geste dafür, dass es das eigene Tier ist, das man als Opfer bringt, denn eine Opfergabe muss aus dem eigenen Besitz kommen und darf weder geliehen noch gestohlen sein. Kabbalistische Er­ Eine zweite und diesmal eher theo-logische Begründung wird klärung der Opfer gleich im Anschluss an diese Erklärung geboten (ebd. zu Lev 1,9). Ramban beginnt sie mit einer Wendung, mit der die sog. ‚kabbalistischen‘ Erklärungen eingeleitet werden: al derekh ha-emet ‚auf dem Pfad der (tieferen) Wahrheit …‘. Unter Hinweis auf die Traditionsliteratur erinnert er daran, dass die Abschnitte über die Opfer ausschließlich den vierbuchstabigen Namen* (‚der Ewige‘) und keine andere Gottesbezeichnung enthalten. Ausgangspunkt ist die in der (Opfer-)Tora gehäuft auftretende Formel ‫‚ אשה לה׳‬eine Feueropferspeise für den Ewigen‘ (Ex 29,18.41; 30,20; Lev 2,11.16; 3,3. 9. 11.14 u. ö.). Ramban erklärt, dass die Tora das Schlachten des Opfers ‚um des Ewigen willen‘ beschreibe, und die kawwana beim Opfer, d. h. die geistige Ausrichtung des Opfernden, deshalb allein auf Gott als im vierbuchstabigen Namen präsent fokussiert sein müsse. Chavel und Henoch haben hier einen Hinweis auf das Aufsteigen zur höchsten sefira (keter) gesehen, denn den zehn göttlichen Potenzen (sefirot*; vgl. dazu Talabardon 2016, 24) sind ja einzelne Gottesnamen zugeordnet. Allerdings wird das Tetragramm* nicht mit der ersten, sondern mit der dritten sefira (bina) in Beziehung gebracht, und daher stellt sich auch hier einmal mehr die Frage, ob wir es bei Ramban wirklich mit einem konsistenten kabbalistischen Entwurf zu tun haben. In jedem Fall zeigen seine Auslegungen, dass er sich um die Synthese nicht nur zwischen der sefardischen* Gelehrsamkeit und der aschkenasischen* Frömmigkeitskultur des Hochmittelalters, sondern auch um diejenige zwischen Philosophie

6.3.  Neue Zugänge    177

und Kabbala bemühte. In dieser Hinsicht könnte man Rambans Theologie auch als Theosophie bezeichnen. Auch Bachja ben Ascher hat die Opfer-Tora in seinem Penta- Bachja ben Ascher teuch-Kommentar mit dem kabbalistischen System der zehn göttli- zu Lev 1,3 chen Potenzen verbunden. Nach der Erklärung des biblischen Ausdrucks nach dem Peschat*, in der Bachja vor allem die Reihenfolge der Opfertiere thematisiert, gelangt er in seinem Kommentar zu Lev 1,3 relativ unvermittelt zur kabbalistischen Deutung: Wenn (seine Opfergabe) ein Hochopfer von den Rindern ist (Lev 1,3): Die Opfer und die Das Hochopfer geht in dieser Parascha allen übrigen Opfern voraus. Nach zehn sefirot dem einfachen Schriftsinn [al derekh ha-peschat] (ist dies dahingehend zu erklären), dass der Gedanke der Anfang von allem ist, und die Sünde, die sich im Gedanken (vollzieht), geht der Sünde, die (tatsächlich) durchgeführt wird (chet ha-ma‘ase) voraus. Daher wird das Hochopfer aus gutem Grund vorangestellt (…) Nach der kabbalistischen Auslegung (al derekh ha-qabbala) geht das Hochopfer voran, weil es der (sefira) Bina zugeordnet ist.

Man sieht bereits an dieser Stelle die deutlichen Anlehnungen an den Leviticus-Kommentar Rambans, den Bachja dort stillschweigend präzisiert, wo es ihm angeraten erscheint: So verbindet er die Opfer mit der dritten sefira (bina) und nimmt damit implizit die bei Ramban bereits postulierte Verbindung der Opfertora mit dem vierbuchstabigen Namen auf, die dieser aber aus nicht ganz einsichtigen Gründen gerade nicht mit bina verbunden hatte (vgl. oben Kap. 6.3.c.). d.  Bibelauslegung nach dem vierfachen Schriftsinn In seinen Ausführungen zu Lev 1,9 (Und der Priester soll das Ganze Bachja zu Lev 1,9 auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen …) setzt sich Bachja nun allerdings nicht nur intensiv mit der Auslegung des Ramban und derjenigen des Maimonides, sondern auch mit rabbinischen Schriften auseinander (vgl. bereits oben Kap. 6.3.c.). Dieser Kommentar verdient vor allem deshalb Beachtung, weil Bachja nicht einfach epigonenhaft die Ansichten früherer Ausleger referiert, sondern diese in sehr spezifischer Weise zusammenstellt und dabei in ganz eigenwilliger Manier Zuschreibungen expliziert und referiert, andere hingegen unter den Tisch fallen lässt: Und der Priester soll das Ganze auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen: ein Hochopfer ist es, ein Feueropfer als wohlgefälliger Geruch für den Ewigen [Jh“h] (Lev 1,9b). Nach dem einfachen Schriftsinn [al derekh ha-­ peschat] liegt die Bedeutung aller Opfer(-bestimmungen) im Nutzen für den Menschen, denn der Ewige, Er ist erhaben, hat Gefallen am Menschen, weil er doch die Krönung der Schöpfung ist, und für ihn die ganze Welt erschaffen wurde (…) Wenn (also ein Mensch) sündigt und aufgrund des bösen Triebes, der ihm eingepflanzt wurde, schuldig wird, so ziemt es sich für ihn,

178    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie dass (…) er sich in seinem Herzen eingesteht, dass er mit seinem Körper und seiner Seele gesündigt hat; dies deshalb, weil alle Taten des Menschen (stets) drei Elemente enthalten: die Tat (ma‘ase), die Rede (dibbur) und den Gedanken (machaschava), und deshalb legt die Tora dem Menschen auf, für seine Sünde ein Opfer darzubringen: seine Hände auf (das Opfertier) zu legen – entsprechend seiner (bösen) Tat; mit dem Mund zu bekennen – entsprechend seiner (bösen) Rede; und die Werkzeuge des (bösen) Ratschlages und des (bösen) Gedankens, die ihn (diese) Sünde ausführen ließen, im Feuer aufgehen zu lassen, d. h. die Innereien und die Nieren (…). Eigentlich würde es sich gehören, dass er das Blut des Opfertieres auf dem Altar an seiner Statt versprengt. Indem er nun alle diese Einzelbestimmungen ausführt, soll er in seinem Herzen darüber nachdenken, dass er den Tod verdient hätte und nach den vier vom rabbinischen Gericht vorgeschriebenen Arten der Todesstrafe hätte bestraft werden müssen: Steinigung [seqila], Verbrennung [serefa], Enthauptung [hereg] und Erhängen [cheneq] (vgl. mSan VII,1) (…) (Bachja ben Ascher zu Lev 1,9).

Zu Beginn der Auslegung von Lev 1,9 ist die Abhängigkeit von Ramban mit Händen zu greifen, aber interessanterweise beruft sich Bachja an keiner Stelle explizit auf ihn. Abgesehen davon, dass die bei Ramban formulierte Reihenfolge Gedanken (machaschava), Rede (dibbur) und Tat (ma‘ase), die auch aus anthropologischer Sicht eher einsichtig ist, weil der bösen Tat stets der Gedanke dazu vorausgeht, bei Bachja umgedreht wird, fällt sofort ins Auge, dass er Rambans entscheidenden und nicht unproblematischen Gedanken übernimmt, wonach das Opfertier als Stellvertreter des Menschen fungiere, der eigentlich selbst geopfert werden müsse. Anders jedoch als Ramban, dessen Ausführungen eine deutlich anti-christliche Spitze enthalten, und der aus der Opfertora schon beinahe eine ‚Counter-Soteriologe‘ herauslesen möchte (vgl. oben Kap. 6.3.c.), bindet Bachja diesen Gedanken explizit an die rabbinische Gesetzgebung zu den vier Arten der Todesstrafe zurück, die das rabbinische Gericht (bet din*) verantwortet. Die vier Arten des Todes durch Steinigung, Verbrennung, Enthauptung und Erhängen werden dabei den einzelnen priesterlichen Ritualschritten zugeordnet, z. B. dem Durchtrennen von (Halsschlagader und) Luftröhre beim Schächtschnitt der Tod durch Erhängen. Im Anschluss daran referiert Bachja verschiedene Midraschim*, wie beispielsweise jene Erklärung aus Midrasch Tanchuma (Tan Schelach 14), die die Opfertora bereits mit der Bindung Jitzchaqs (aqeda*) und dem Hochopfer Abrahams an Stelle seines Sohnes (vgl. Gen 22,13) zusammenbringt: Und in diesem Sinne haben unsere Lehrer sel.A. auch (den Satz in der Erzählung über) die Bindung (Jitzchaqs) [aqeda] ausgelegt: … und opferte ihn anstelle seines Sohnes als Hochopfer (Gen 22,13). Was bedeutet „anstelle seines Sohnes“ [tachat beno] anderes, als dass Abraham bei jedem Ritualakt (avoda), den er an dem Widder vollzog, betete „Es sei dein Wille vor dir,

6.3.  Neue Zugänge    179 dass dieser Ritualakt angerechnet werde, als sei er an meinem Sohn vollzogen worden, als sei er geschächtet, als sei sein Blut versprengt, als sei er auf der Fettasche zugerichtet verbrannt worden“ (Tan Schelach 14; vgl. auch bZev 97b). Weil nämlich eigentlich das Blut desjenigen, der gesündigt hat, hätte vergossen werden müssen wie das Blut des Opfertieres (…) nimmt der Heilige, er sei gepriesen, das Opfer von ihm als seinen Ersatz [temurato] an und bedeckt (so) seine (Sünde) (…) (Bachja ben Ascher zu Lev 1,9).

Auch hier sucht Bachja die von Ramban formulierte Stellvertretererklärung explizit an den Midrasch rückzubinden, denn auch Midrasch Tanchuma hatte bereits das Blut des Widders als Ersatz für das Blut Jitzchaqs bezeichnet (… ke-illu hu schachut … ke-illu damo zaruq). Auch die schon für die rabbinische Literatur relevanten Fragen nach der Opfermaterie wie beispielsweise jene, warum nicht alle in Dtn 14,4, genannten Tiere opfertauglich sind (vgl. auch Raschi zu Lev 1,2 und Sifra 1,16 – 18), werden in diesem Zusammenhang aufgeworfen. Man sieht deutlich, dass Bachja den Midrasch den rationalen, philosophischen oder kabbalistischen Erklärungen nicht einfach subordinieren, sondern ihm den ihm gebührenden Platz einräumen möchte. Die Ausführlichkeit und Langatmigkeit, mit der Bachja die Midraschwerke referiert und zitiert, wären sicherlich bei ibn Ezra auf Stirnrunzeln gestoßen, der ja bereits in seiner Einleitung gegen die mittelalterlichen Midraschwerke zu Felde gezogen war (der sog. ‚4. Weg‘; vgl. oben Kap. 4.3.a.). Bachjas Kommentar zur Opfertora zeigt darüber hinaus, dass Bachja zwischen rationaler und philosophischer Auslegung durchaus unterscheiden wollte. Ebenfalls im Kommentar zu Lev 1,9 sucht er die Opfermaterie als nicht einfach arbiträr von Gott festgelegt zu beschreiben, sondern bemüht sich um einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Anlass des Opfers (z. B. Sünde) und dem vorgeschriebenen Opfertier: (Will man nun) die Sache der Opfer und ihren Nutzen (für den Menschen) rational erklären (al derekh ha-sekhel), (so muss man sagen), dass bei jedem, der sündigt, sei es (nur) im Gedanken, sei es (auch) in der Tat, dies durch den Geist der Unreinheit [ruach ha-tum’a] erfolgt, von der er umfangen ist. Und wenn er dann möchte, dass ihm Sühne zuteil werde, so muss er zunächst jenen Geist der Unreinheit vernichten und ihn (aus seinen Gedanken) vertreiben. Hat er dies erreicht, so ist er gereinigt und gesühnt. Daher muss er die Ziege oder den Ziegenbock opfern, weil diese zur Sphäre der Unreinheit gehören (…) (Bachja ben Ascher zu Lev 1,9).

Die Opfermaterie (Ziege; Ziegenbock) symbolisiert die Unreinheit, und erst im Anschluss an diese Erklärung referiert Bachja ausführlich die Erklärungen des Maimonides in dessen More ha-Nevokhim III (vgl. oben Kap. 6.3.c.), die er aber im Großen und Ganzen mit der Begründung zurückweist, dass es zwar interessant sei, die Opfer damit zu erklären, dass Gott den Götzendienst habe eindämmen

180    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie und ausrotten wollen, diese Erklärung aber schon deshalb nicht zutreffe, weil die Gerechten, angefangen bei Adam (vgl. bHul 60a), schon lange vor der Gabe der Tora dem einen Gott Tieropfer gebracht hätten. Bachja hält sich daher an dieser Stelle vor allem an die kabbalistischen Deutungen seiner Zeit und entfaltet die Opfertora weniger nach anthropologisch-rationalem Verständnis, als vielmehr nach seinem ‚vierten Weg‘ der theologischen Geheimnisse: Die mystische Auslegung

Die Sache der Opfer, die es schon von jeher gab, gehört zu den innersten und verborgensten Geheimnissen (sod ne‘elam) (…) ich werde es dir auf besagtem vierten Weg andeuten (…) und jeder, der ihn kennt, ist verpflichtet, ihn im Verborgenen zu halten und zu verstecken (…), und man darf es nur zu Ehren seines Schöpfers weitergeben, und (auch) nur an ausgewählte Fromme und Gottesfürchtige [la-jechidim ha-chasidim ha-charedim) (…). Gemäß der mystischen Überlieferung [al derekh ha-qabbala] sagt man, dass das Opfer der Vereinigung entspricht. Der sprachliche Ausdruck qorban [‫ ]קרבן‬deutet (dabei) auf die Annäherung der Kräfte und Namen des Heiligen, er sei gepriesen, (an einander). Und jeder, der seine göttlichen Namen einander annähert, vereinigt sie, und wenn der Vers sagt: Und der Priester soll das Ganze [‫ ]את הכל‬auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen (Lev 1,9b), (so ist dies zu verstehen als ‚und der Priester soll das All auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen‘) – mit zusätzlichem He (am Wort Altar [‫המזב־‬ ‫)]חה‬: (das He) ist hier nicht angeführt, um (den Sachverhalt) zu verbergen, sondern (im Gegenteil), (die Sache theologisch) zu entfalten, denn jenes Schluss-He, das sich (ja auch im vierbuchstabigen) Namen findet, empfängt am Anfang [d. h. das Weibliche empfängt vom Männlichen im göttlichen Namen bei der Vereinigung] und wird daher auch ‚Altar‘ (mizbeach ‫)מזבח‬ genannt. Und von dort beginnt der (eine) Gedanke sich sukzessive zu erheben, bis er zu dem einen reinen Gedanken wird (…) (Bachja ben Ascher zu Lev 1,9).

Die mystischen Ausdeutungen um den Gottesnamen zeigen insbesondere den Einfluss von Josef ben Avraham Gikatilla (1248 – ca. 1322), vor allem von dessen Schriften Scha‘are Ora und Ginnat Egoz (Morlok 2011, 26; Gottlieb 1970). Warum Bachjas Kommentar, der eine Reihe einzelner Ausführungen von Ramban übernommen hatte, sich hier wie auch an anderen Stellen des Kommentars und seiner übrigen ethischen Schriften nicht auch explizit auf ihn bezieht (ähnlich schon Bernstein 1891, 35), wäre nochmals eigens zu prüfen. Es mag damit zusammenhängen, dass er in der Rezeption von Ramban, Gikatilla oder ben Adret selbst nicht mehr genau wusste, welche Konzepte auf welchen Denker zurückgehen. So nimmt die Idee der ‚Vereinigung des (göttlichen) Namens in der Rede und in der Tat‘ (ba-dibbur u-va-ma‘ase) auch im Denken Josef Gikatillas einen breiten Raum ein (Morlok 2011, 198 – 199). Bachjas Kommentar zeigt mithin, welch wichtige Rolle die Kabbala des 13. und 14. Jahrhunderts in der Ausformung von Theologie und Exegese gegenüber der Philosophie spielte.

6.3.  Neue Zugänge    181

e.  Biblische Geschichte als Ausdruck göttlichen Wirkens Ein für die weitere Entwicklung der jüdischen Exegese sehr zentraler Punkt im Denken Rambans ist seine theologische Überzeugung, wonach die Tora, wie die Hebräische Bibel in toto, die Offenbarung Gottes und die damit verbundene Geschichte Israels als geoffenbarte Geschichte zwischen Gott und Israel, nicht einfach erzählt, sondern diese als „historical drama“ (Caputo 2007, 54) repräsentiert. Nach Ramban umspannt diese Geschichte den Zeitraum vom Anbeginn der Welt bis in die messianische Zeit (dazu bes. Caputo 2007, 53 – 89). Auf diesen Aspekt hat auch bereits Haviva Pedaya hingewiesen: Sie unterscheidet bei Ramban die Vorstellung einer kosmischen Zeit und einen realgeschichtlichen Handlungsstrang, der sich linear entwickelt und so auch in der Bibel dargestellt wird. Sind auch beide nicht deckungsgleich, so stehen sie doch in einer intrinsischen theologischen Relation zueinander, insofern die kosmische, göttliche und allumspannende Zeit die realgeschichtlichen Zusammenhänge steuert und ihnen ihr eschatologisches Ziel vorgibt (Pedaya 2003, 213 – 273). Dass dies Konsequenzen für die Textauslegung hat, liegt auf der Hand und soll im Folgenden in der gebotenen Kürze veranschaulicht werden. Insbesondere die bereits bei den Chaside Aschkenaz* theologisch Der Aufbau des bedeutsame Text-/Paraschenabfolge (semikhut paraschijjot) spielt biblischen Textes auch in der Auslegung Rambans eine gewichtige Rolle (zum Ganzen ausführlich Elman 1993, bes. 14 – 20). Hatten noch Raschi und Raschbam die Text-/Abschnittsreihenfolge inhaltlich-theologisch oder literarisch begründet, so kann die Frage nach der semikhut paraschijjot bei Ramban auch die Korrelation von Text und Ereignis bedeuten. Seine Formulierungen zeigen dabei, dass er hinter jedem biblischen Charakter eine historische Persönlichkeit sah und jedes Ereignis als geschichtliche Begebenheit wertete. Eine große Abhandlung zu diesem Thema findet sich im Kommentar Rambans zu Lev 16,1 (Beginn Paraschat* Achare Mot). Der Wochenabschnitt, der nachfolgend den Jom Kippur* thematisiert, ist als Gottesrede an Mose stilisiert, die im Anschluss an den Tod der beiden Söhne Aharons ergangen sei. Rambans Kommentar korreliert den Text in seiner Abfolge 1:1 mit den erzählten Begebenheiten: Die Bedeutung (der Phrase) ‚Nach dem Tod der beiden Söhne Aharons‘ (ist Ramban zu folgende): Unmittelbar, nachdem seine Söhne gestorben waren, warnte der Lev 16,1 Ewige Aharon davor, Wein und Bier zu trinken [vgl. Lev 10,9], damit er nicht sterbe, und darüber hinaus hatte er zu Mose gesprochen, dass der ihn [Aharon] warne, dass er nicht sterbe, wenn er sich (zu jeder beliebigen Zeit) dem Ewigen näherte. Und das Nächstliegende ist wohl (anzunehmen), dass diese beiden Gebote am Tag nach ihrem Tod (überbracht wurden), denn an

182    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie eben jenem Tag [an dem sie starben], war (Aharon) ein Trauernder, aber der heilige Geist ruht nicht auf (einer Person voll von) Traurigkeit [vgl. jSuk 5,1, 55a], und die Warnung vor Wein war eine (göttliche) Rede an Aharon, und am selben Tag erging auch dasselbe Gebot an Mose. Die Schrift zieht aber die Warnungen an (ganz Israel) hinsichtlich ihrer Unreinheit, dass sie nicht in ihr sterben müssen, weil sie meine Wohnstätte in ihrer Mitte verunreinigen (Lev 15,31) vor, und nennt erst im Anschluss daran die Warnung gegenüber dem einzelnen [d. i. Aharon]. Meiner Meinung nach ist aber die ganze Tora in der (richtigen und den Ereignissen entsprechenden) Reihenfolge (geschrieben) [kol ha-tora ke-seder], und überall dort [d. h. nur dort], wo (Gott) die Reihenfolge (bewusst) ändert, also ein früheres Ereignis an eine spätere Position im Text setzt, führt es die Schrift deutlich aus, wie in: Der Ewige sprach zu Mose auf dem Berg Sinai (Lev 25,1) (später) in diesem Buch [das sind nach Ramban jene Gesetze im Buch Leviticus, die dem Mose noch im Zelt der Begegnung gegeben wurden], oder An dem Tag, an dem Mose die Wohnstätte errichtet hatte, salbte und weihte er sie, dazu alle ihre Geräte, ebenso auch den Altar und alle seine Geräte. Er salbte sie und weihte alles (Num 7,1) im nächsten Buch, und derer weitere Beispiele. Und so sagt die Schrift auch hier (mittels des Ausdrucks) ‚nach dem Tod (…)‘, dass dies unmittelbar nach ihrem Tod geschah.

Die Warnung vor Wein und Bier erging nach Ramban unmittelbar nach dem Tod der Söhne Aharons und hätte eigentlich bereits in Lev 10 platziert sein müssen. Aus der Reihenfolge der Textabschnitte wird unter Rambans Händen eine Reihenfolge der Ereignisse. Folgerichtig und beinahe durchgehend weist er deshalb auch das rabbinische Prinzip des en-muqdam we-en me᾿uchar (‚es gibt kein Früher oder Später in der Tora‘), das noch Raschi durchgehend angewandt hatte, zurück. In der Konsequenz dieses Denkens steht dann die Vorstellung, dass alles, was in der Schrift geschrieben steht, sich auch so zugetragen haben muss. Wir sehen in dieser Auslegung eine Hermeneutik, die eine historisierende und aus heutiger Sicht fundamentalistische Bibelauslegung allererst möglich macht. semikhut Auch nach Ramban kommt also die Reihenfolge eines Textes paraschijjot nicht zufällig zustande, aber die Frage ist, ob sie sich aus literarischer raison d’être ergibt, oder weil ihr, als quasi protokollarischer Nachgang vergangener Ereignisse eine gewisse Chronologie notwendig vorgegeben ist. Erstere Annahme gehört bis heute zum Grundaxiom literarischer Textbearbeitung: Der vorfindliche Endtext entspringt einer literarischen Binnenlogik, und dies muss auch heute noch exegetisch angenommen werden, wenn sich der / die Auslegende nicht selbst jede Grundlage für eine kritische Exegese entziehen will. Auf der Basis literarischer Untersuchungen können dann auch tiefere theologische oder halachische Gründe für einen bestimmten Textaufbau geltend gemacht werden. Entspricht aber die Reihenfolge des Textes der Reihenfolge eines Ereignisses, so wird das Prinzip der ‚omnisignificance‘ (vgl. oben die Definition

6.3.  Neue Zugänge    183

von James Kugel in Kap. 6.2.a.) gerade aufgehoben, denn der Textaufbau ist nicht der ‚göttlichen‘ (und darin tiefsinnigen) Texterstellung inhärent, sondern ergibt sich aus der Ereignisabfolge. Aus der omnisignificance wird eine eindimensionale significance, die sich vom rabbinischen Textverständnis schon weit entfernt hat. f.  Typologische Exegese als Gegenentwurf zur christlichen Theologie Von der Betonung der Geschichte als Ort des heilgeschichtlichen Wirkens Gottes in der Geschichte Israels ist es nur noch ein kleiner, hermeneutisch jedoch sehr gewichtiger Schritt zu der Deutung der den Vätern und den Israeliten widerfahrenen Ereignisse als typologische Vorboten und vorweggenommene Ereignisse der späteren Heilsgeschichte und Erlösung. Die Figuren der Hebräischen Bibel und das Judentum (seiner Zeit wie auch der künftigen Generationen) werden in der Sicht Rambans durch einen geschichtlichen Zusammenhang und damit durch einen göttlichen und planvollen teleologischen Geschichtsablauf zusammengebunden. Deshalb sind auch die Ereignisse, die den Vätern widerfuhren, keine kontingenten Begebenheiten, die sich so oder anders hätten zutragen können, sondern repräsentieren in sich eine theologisch bedeutungsvolle Geschichte (vgl. Funkenstein 1993). Die christliche Exegese konnte bereits auf innerbiblische typologische Deutungen verweisen: So kündigt beispielsweise der sog. Deuterojesaja (insbesondere in Jes 43,16 f.; 49,9 – 13; 52,7 – 12) den neuen Exodus als Antitypos des ersten Exodus aus Ägypten an; auch Paulus deutet den Durchzug durch das Meer als Antitypos auf die (christliche) Taufe und die Speisung durch das Man wie das Wasser aus dem Felsen als „geistliche“ Speise, die auf das Abendmahl verweise (1Kor 10,1 – 11; V. 11: Alles dies aber widerfuhr jenen als Vorbild und ist geschrieben worden zur Ermahnung für uns, über die das Ende der Zeitalter gekommen ist (ELB). Anders als in der allegorischen Auslegung, in der einer biblischen Figur oder Begebenheit eine weitere, tiefere und im wesentlichen vollkommen andere Bedeutung beigelegt wird, werden in der typologischen Exegese Ereignisse, biblische Personen und kultisch-politische Institutionen in ihrer konkreten Geschichtlichkeit belassen und fungieren darin als Typos, als Präfiguration der heilsgeschichtlichen Erfüllung. So stellen Kain und Abel, Jakob und Esau oder Rachel und Lea eine Präfiguration der Synagoga und der Ecclesia dar, wie überhaupt die Synagoge zur Vorabbildung der Kirche wird. Für die christliche Exegese des Mittelalters war es daher nur ein kleiner Schritt, eine unmittelbare Verbindung zwischen der realen

Geschichte als Heilsgeschichte

Christliche Typologie

184    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie Gegenwart und ihrer theologischen Bedeutsamkeit zu entwickeln, die nur zu oft dazu führte, die staatenlose und ihres Tempel- und Opferkultes beraubte jüdische Gemeinschaft als Anti-Typos zur strahlenden und siegreichen Kirche (ecclesia triumphans) zu deuten (Funkenstein 1993). Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass sich Ramban wie kaum ein jüdischer Ausleger vor ihm, in der christlichen Theologie auskannte, erscheint es nur zu verständlich, dass Ramban die typologische Auslegung formaliter aufnahm, um sie innerhalb des jüdisch-theologischen Binnendiskurses auf die israelitisch-jüdische Heilsgeschichte anzuwenden und in diesem Sinne umzudeuten. Typologie bei Wir können davon ausgehen, dass Ramban die Grundzüge seiRamban ner typologischen Deutung nicht zufällig erstmals ausführlich in den Vätergeschichten darlegt: Abraham als der Prototyp des ‚aus Glauben Gerechten‘ (vgl. Röm 4,1 – 3.9 – 13; Gal 3,6 – 9.16 – 18 u. ö.) war bereits für die frühe christliche Gemeinde zum Kronzeugen für die glaubende Gemeinde geworden. Rambans an dieser Stelle sicherlich antichristlich motivierter Exegese musste es darum gehen, die Väter, angefangen bei Abraham, exklusiv in die innerjüdische Heilsgeschichte zurückzuholen und typologisch einzubinden: Ramban zu Gen 12,6

(Hier) will ich dir nun ein (Auslegungs-)Prinzip sagen, nach dem du alle kommenden Abschnitte über Abraham, Isaak und Jakob verstehen kannst. Dies ist ein großer Leitgedanke, den unsere Lehrer nur in sehr verkürztem Ausdruck erwähnt haben, indem sie sagten: ‚Alles, was den Vätern zustieß, ist den Söhnen ein Zeichen‘ (ma‘ase avot siman la-banim; Tan Lekh Lekha 9). Deshalb führen die Bibelverse die Erzählung über die Wanderungen (der Väter), das Aufgraben der Brunnen und alle übrigen Begebenheiten so breit aus, und man könnte (dabei) denken, dass sie überflüssige Dinge seien und keinen Nutzen hätten, aber sie kommen alle (so ausführlich) vor, um über die Zukunft zu lehren: Was immer nämlich einem der drei Väter widerfuhr, muss als eine vorherbestimmte Sache erkannt werden, die über die Nachkommen kommen wird.

Insbesondere die Vätererzählungen zeigen nach Ramban, dass es der Tora um die von Gott gestalteten geschichtlichen Zusammenhänge geht. Die Taten Einzelner, seien es die der Väter, seien es die der Umwelt-Nationen, nahmen präfigurativ Einfluss auf das Schicksal der Nachkommen. Anhand der ersten Erzählung von der Gefährdung der Stamm-Mutter (Gen 12,10 – 20) erklärt Ramban die Ereignisse, die dem Abraham widerfahren sind, als präfigurative Begebenheiten, die den nachfolgenden Generationen in derselben Weise zukommen sollten: Ramban zu Gen 12,10

Es war aber eine Hungersnot im Land: Siehe, Abraham zog wegen der Hungersnot nach Ägypten hinab, um sich dort als Fremder aufzuhalten, d. h. um sich in Zeiten der Dürre am Leben zu erhalten, aber Ägypten bedrückte ihn ohne Grund, indem sie (versuchten, ihm) seine Frau zu nehmen.

6.4. Zusammenfassung    185 Der Heilige, er sei gepriesen, rächte sich (an ihnen) in großer Rache durch große Plagen (Gen 12,17) und führte ihn [reich an] Vieh, an Silber und an Gold (Gen 13,2). (…) (Hierin) wurde ihm angedeutet, dass seine Nachkommen wegen einer Hungersnot nach Ägypten hinabziehen würden, um sich als Fremde im Land aufzuhalten (Gen 47,4), und Ägypten würde ihnen Böses antun und von ihnen (ihre) Frauen nehmen (vgl. ShemR 1,22), und der Heilige, er sei gepriesen, nahm Rache an ihnen mit großen Schlägen, bis er (die Israeliten) mit Silber und Gold herausführte (Ps 105,37), sowie Schafe und Rinder, sehr reich an Vieh (Ex 12,38). (…) Keines von allen Ereignissen, die dem Vater widerfahren sind, das nicht auch auf die Nachkommen gekommen wäre!

Ramban wertet die hier geschilderten Ereignisse als geschichtliche Begebenheiten und misst ihnen gleichzeitig eine theologische Bedeutung bei. Amos Funkenstein spricht hier von „Praxissymbolismus“ (Funkenstein 1993, 110; vgl. auch Caputo 2007, 77). In seinem Kommentar zu Gen 12,10 baut Ramban seine typologische Betrachtung sogar dahingehend aus, dass die Verzagtheit Abrahams und sein mangelndes Gottvertrauen als Sünde zu werten sei, die das spätere Exil der Israeliten in Ägypten verursacht habe: Wisse aber, dass unser Vater Abraham versehentlich eine große Sünde Abrahams Sünde beging (chet gadol bischgaga), indem er seine gerechte Frau aus Angst, dass man ihn umbringen würde, einem Stolperstein der Schuld (mikhschol awon) aussetzte (…). Auch sein Weggang wegen der Hungersnot aus dem Land, das ihm von Anfang an geboten war, war eine Schuld, die eine Sünde war (Hos 12,9), denn Gott hätte ihn in der Hungersnot vom Tod erlöst (vgl. Hi 5,20), aber wegen dieser Tat wurde über seine Nachkommen das Exil in Ägypten unter der Hand des Pharao verhängt.

Auch dieses Beispiel zeigt, dass die typologische Deutung des Ramban keine ausschließlich literarische und literaturtheoretisch motivierte Erklärung mehr zulassen könnte, denn sie ist auf den tatsächlichen geschichtlichen Vollzug angewiesen, um auch die eigene Geschichte noch in den Bogen der Heilsgeschichte stellen zu können.

6.4. Zusammenfassung Der katalanische Gelehrte R. Mosche b. Nachman (Ramban) stellt neben Raschi die wohl einflussreichste jüdische Persönlichkeit des jüdischen Mittelalters dar. Sein Werk ist nicht zu denken ohne die innerjüdischen Auseinandersetzungen, die in der maimonidischen Kontroverse und hier in der Verbrennung der Schriften des Maimonides in Montpellier gipfelten, sowie die religionspolitischen Erschütterungen des 13. Jahrhunderts, denen die christliche Welt ausgesetzt war: die Ketzerbewegungen einerseits, Inquisition und

186    6. Kapitel:  Bibelauslegung zwischen Exegese und Theologie Gründung der Bettelorden andererseits. Die christlich-jüdischen Zwangsdisputationen von 1240 (Paris) und 1263 (Barcelona) zwangen die Juden dazu, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die bis dato nicht wirklich relevant gewesen waren (z. B. die Frage nach der göttlichen Natur Christi oder seiner Rolle als endzeitlicher Messias), und ihre eigenen Schriften in die christliche Hierarchie von Schrift und Tradition einzupassen. So wertet Ramban die Bibel als das grundlegende Glaubenszeugnis, den Talmud* als Kommentar zu den Geboten (Perusch ha-mitzwot) und den Midrasch* als unverbindliche Legenden- und Homiliensammlung. Ramban ist der erste, der in seinen Auslegungen die Bibel durchgehend als Trägerin von Glaubenswahrheiten nachzuweisen sucht: Das Wesen des Glaubens (iqqar ha-emuna), das bei ihm so grundsätzliche Topoi wie die Geschöpflichkeit der Welt, die von Gott gewirkten Wunder oder das göttliche Wirken als heilsgeschichtliches Ereignis für Israel umfasst, kann mittels typologischer Auslegung ebenso wie mit der Auslegung ‚auf dem Pfad der (tieferen) Wahrheit …‘ (al derekh ha-emet) erschlossen werden. Rambans Schriften stellen darin eine einzigartige Synthese zwischen der spanischen Gelehrsamkeit und der deutschen Frömmigkeitskultur des Hochmittelalters dar. Er verband talmudische Gelehrsamkeit mit den Lehren der Kabbala, verfügte aber auch über ein breites Wissen in den Naturwissenschaften sowie der christlichen Theologie seiner Zeit. Rambans Bibelauslegungen finden vor allem im Tora-Kommentar des Bachja ben Ascher eine breite Rezeption. Mit diesem Kommentar gelangte die kabbalistische Bibelauslegung in weitere Kreise, wo sie bis heute durchgehend rezipiert wird.

6.4. Zusammenfassung    187

7. Kapitel: Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik

Battenberg, Friedrich, Das Europäische Zeitalter der Juden: Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1650. Darmstadt 2000 (2., um ein Nachwort des Autors erw. Aufl.). Bonfil, Robert, Rabbis and Jewish Communities in Renaissance Italy (The Littman Library of Jewish Civilization). Oxford 1990. – , Jewish Life in Renaissance Italy. Berkeley u. a. 1994. Cohen Skalli, Cedric, „Discovering Isaac Abravanel’s Humanistic Rhetoric.“ Jewish Quarterly Review 97 (2007), S. 67 – 99. Cooperman, Bernard D., Jewish Thought in the Sixteenth Century (Harvard Judaic Texts and Studies, Bd. 2). Cambridge, MA u. a. 1983. Fraenkel, Carlos, Spinoza, Baruch. In: Fred Skolnik / Michael Berenbaum (Hgg.), Encyclopedia Judaica, Second Edition, Bd. 19. Detroit u. a. 2010, S.  111 – 118. Freudenthal, Gad, Science in Medieval Jewish Cultures. Cambridge 2011. Grözinger, Karl Erich, Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik, Bd. 3: Von der Religionskritik der Renaissance zu Orthodoxie und Reform im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main u. a. 2009. Hacker, Joseph / Shear, Adam, The Hebrew Book in Early Modern Italy (Jewish Culture and Contexts). Philadelphia 2011. Idel, Moshe, Kabbalah in Italy, 1280 – 1510: A Survey. New Haven / London 2011. Lawee, Eric, Isaac Abarbanel’s Stance Toward Tradition: Defense, Dissent, and Dialogue. Albany 2001. Liss, Hanna, ‚Schrift ohne Tradition?‘ – Einige Aspekte zum Verständnis der Bibel im jüdischen I‎ talien des 15. und 16. Jahrhunderts. In: Giuseppe Veltri / Annette Winkelmann (Hgg.), An der Schwelle zur Moderne (Studies in European Judaism, Bd. 7). Leiden / Boston 2003b, S. 51 – 77. Miletto, Gianfranco, Glauben und Wissen im Zeitalter der Reformation: Der salomonische Tempel bei Abraham ben David Portaleone (1542 – 1612) (Studia Judaica, Bd. 27). Berlin 2004a. Ruderman, David (Hg.), Essential Papers on Jewish Culture in Renaissance and Baroque Italy (Essential Papers on Jewish Studies). New York u. a. 1992. Strauss, Leo, Zur Bibelwissenschaft Spinozas und seiner Vorläufer. In: Heinrich Meier (Hg.), Leo Strauss: Gesammelte Schriften, Bd. 1: Die Religionskritik Spinozas und zugehörige Schriften. Stuttgart / Weimar 2 2001, S.  404 – 414.

188    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik

7.1. Voraussetzungen und Hintergründe a.  Verfolgungen, Auswanderungen und Re-Organisationen

Judenvertreibun­ gen in Westeuropa

Ausschreitungen auf der iberischen Halbinsel

Mit dem ausgehenden 13. und dem 14. Jahrhundert sollte sich die Situation der Juden sowohl in England und Frankreich als auch im Heiligen Römischen Reich auf deutschem Boden dramatisch verschlechtern. Verfolgungen einerseits und Auswanderungen andererseits führten zu einer vollkommenen Veränderung des ökonomischen, sozialen und vor allem intellektuellen Gepräges in den jüdischen Gemeinden. Mit der Vertreibung der Juden 1290 aus England sowie 1306 und 1394 aus Frankreich begann im 14. Jahrhundert das Zeitalter der Verfolgungen, das auch vor Italien nicht Halt machte. Zwischen 1290 und 1293 kam es zur Zerstörung blühender Gemeinden im Königreich Neapel. Auch die Situation der aschkenasischen* Gemeinden hatte sich durch Verleumdungen und Hass (Talmud-Schmähungen; Vorwurf der Hostienschändung), der auch durch die christliche Kunst immer wieder ins Bewusstsein der Menschen trat (Ecclesia gegen Synagoga), seit dem 13. Jahrhundert zunehmend verschlechtert. Diese Situation kam einerseits mit den sog. Rintfleischpogromen in Franken und Bayern 1298 (ausgelöst durch die Beschuldigung der Hostienschändung; Heil 2018), andererseits mit den Verfolgungen in der Zeit des Schwarzen Todes 1348 / 49 zu einem grausigen Höhepunkt. Die Pest-Massaker, gegen die nicht einmal die Stimme des Papstes Clemens VI. ankam, führte zu Verfolgungen unvorstellbaren Ausmaßes im Elsass, in der Schweiz und in Deutschland (Grözinger 2009, 23 – 26; Greive 1992, 82 – 129). Die Verfolgungen und Ausweisungen im 15. Jahrhundert zeigen einmal mehr, wieviel blühendes Leben in Mittel- und Westeuropa zu einem jähen Ende kam. Karl Erich Grözinger listet mehr als 25 Austreibungen und Massaker auf: im Norden von Wien (1421) über Salzburg (1498), Kärnten (1496), Regensburg (1519), Köln (1424), Antwerpen (1549 / 59) bis nach Lüneburg (1553), oder im Süden von Lucca (1489) über Florenz, Perugia (1485) bis nach Neapel (1510). Die eigentlichen Gründergemeinden des aschkenasischen* Judentums existierten nicht mehr, jedenfalls nicht mehr in dem ihnen angestammten geographischen Raum: die aschkenasische Kultur sollte sich im Osten (Königreich Polen; Osmanisches Reich) ebenso wie in Italien weiter entwickeln und ausdifferenzieren. Auch im christlichen Spanien, Kastilien und Aragon sollte sich die Situation im ausgehenden 14. Jahrhundert massiv verschlechtern. 1370 traten in Kastilien judenfeindliche Bestimmungen, wie beispielsweise eine unterscheidende Kennzeichnung für Juden, in Kraft. 1392 kam es, ausgehend von einem Aufruhr in Sevilla, in

7.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    189

vielen Landesteilen zu Ausschreitungen gegen die Juden (Battenberg 2000, 127 – 136), etwa 20 000 Juden konvertierten (zumindest nach außen hin) zum Christentum. Nach dem Religionsgespräch von Tortosa 1412 sollen noch einmal ca. 50 000 Juden zum Christentum übergetreten sein. Wieviele dieser Conversos insgeheim Juden blieben, lässt sich nur schwer abschätzen, und weil man diesen Neuchristen (Marranen) immer skeptisch gegenüberstand, kam es zu Inquisition und Spitzeltum, was dazu führte, dass viele Juden zu ihrem alten Glauben zurückkehrten (Leroy 1987, 77 – 111). Das Ende des jüdischen Lebens in Spanien wurde faktisch mit der Vermählung Isabellas von Kastilien (1451 – 1504) mit Ferdinand von Aragon (1452 – 1516) und der damit verbundenen Einung Spaniens besiegelt, die mit dem Sieg über die Mauren und der Eroberung Granadas 1492 gleichzeitig auch den Abschluss der Reconquista markierte (oben Kap. 4.1.a.). In der Ausweisungsordre vom 31. März 1492 (3. Nisan 5252) wurden die Juden angewiesen, das Land bis zum 7. Av (31. Juli) zu verlassen, und so suchten ca. 150 000 Menschen eine neue Heimat: vor allem in Italien und Frankreich (unter Heinrich II. Valois), im Osmanischen Reich und in Eretz Israel (Leroy 1987, 153 – 188). Insbesondere die alteingesessenen jüdischen Gemeinden in Rom und Venedig, aber auch Pisa, Florenz, Livorno und Neapel werden den Flüchtlingen aus Deutschland ebenso wie jenen von der iberischen Halbinsel zur neuen Heimat. Und dabei bringen sie nicht nur ihre leidvollen Erfahrungen, sondern ihr Wissen und ihre Bücher, und hier auch schon ihre gedruckten Bücher, mit: Bereits 1476 wurden in Guadalajara hebräische Bücher gedruckt. Das erste in Guadalajara gedruckte Buch ist ein Raschi-Kommentar zum Pentateuch. Bekannt ist auch die aus Speyer nach Italien gelangte Familie des Natan Metzlan, der sich in Soncino in der Lombardei niederließ und dort 1480 die berühmte Soncino-Druckerei begründete, die bald über Italien hinaus die Geschichte des hebräischen Buchdruckes nachhaltig prägte. Allerdings reichte der Arm der spanischen Verfolgung weit und bestimmte auch das Leben der Juden in Italien: Schon 1510 wurden die Juden aus Neapel vertrieben; das Ghetto in Venedig wurde 1516 eingerichtet. Die Gegenreformation verdächtigte die Juden, auf Seiten der Protestanten zu stehen, und so kam es 1553 zu einer erneuten Talmudverbrennung (Kirn 1989, 158; Stow 1972).

Die Ausweisung der Juden aus Spanien

Neue Heimat in Italien

190    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik b.  Gibt es eine jüdische Renaissance?

Das Judentum in Italien

Das Bildungspro­ gramm der Juden Italiens

Schon Karl Erich Grözinger (Grözinger 2009, 21 – 46) und Johann Maier (Maier 1992, bes. 437 – 459) haben darauf hingewiesen, dass das ausgehende 14. bis 16. Jahrhundert in der Geschichtsschreibung ebenso stiefmütterlich behandelt wird, wie die im deutschen Sprachraum machtvolle Bewegung der Haskala* (siehe nachfolgend Kap. 8.1.b.) betont wurde, so, als sei das Judentum vom Mittelalter direkt in die Aufklärung gesprungen. Und in der Tat zeigt sich, dass diese Frage nicht unabhängig von den jeweiligen geographischen Räumen zu beantworten ist: Das Judentum in Italien hat jedenfalls eine deutlich andere Entwicklung genommen als dasjenige in Polen (Maier 1992, bes. 439 – 440). Mit Blick auf das Judentum Italiens ist in den letzten Jahren vor allem die Frage, ob es auch unter den Juden so etwas wie eine ‚Renaissance‘ gegeben habe, durchaus kontrovers diskutiert worden. Im christlichen Kulturkreis (und nur dort in dieser sehr spezifischen Weise) steht der Begriff Renaissance, mit dem man seit dem 19. Jahrhundert den Zeitraum zwischen dem ausgehenden 14. und dem 16. Jahrhundert (sog. Cinquecento) charakterisiert, für eine grundlegend veränderte Einstellung gegenüber der klassischen, d. h. der griechischen und der römischen Antike. Im selben Maße also, wie insbesondere die Italiener damit einen Rekurs auf ihr eigenes kulturelles Erbe vollzogen, bedeutete es für Juden die Aneignung einer ihnen fremden Kultur, die mit dem eigenen religiösen und literarischen Erbe in Einklang zu bringen war. Naturgemäß war dabei die christliche Umwelt sehr bestimmend und reizte zunehmend mit einer enormen kulturellen Entfaltung. Religion und Kultur, die sich im Judentum bis auf wenige Ausnahmen zumeist eher skeptisch gegenübergestanden hatten (man denke aber an die Gelehrten Nordfrankreichs im 12. Jahrhundert; vgl. oben Kapitel 3), waren auf einmal kein Widerspruch mehr. Kulturelle Errungenschaften – und dazu gehörte auch die Adaptation der allgemeinen Wissenschaften – wurden nun als genuiner Teil der Religion erklärt, nicht als ihr Widerpart, und die Juden nahmen viele der dort gebotenen Anregungen nur zu gerne auf. Dies ging so weit, dass sich die Juden sogar das Bildungsprogramm der christlichen Umwelt aneigneten (Miletto 2004b). Für die gehobene intellektuelle Schicht der Juden Italiens war es daher eine Selbstverständlichkeit, sich und ihre Kinder nicht nur in den rabbinischen Studien zu bilden, sondern ebenso in Latein und Griechisch, Mathematik, Astrologie und Medizin. Viele sahen Italien tatsächlich als ‚Insel des Taus des Ewigen‘ (i-tal-ja ‫יה‬-‫טל‬-‫ ;אי‬Miletto 2010, 43). Und weil die Juden am intellektuellen Leben intensiv partizipierten, finden wir auch das ganze Kaleidoskop all jener The-

7.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    191

men, die in Italien auf der Tagesordnung standen, in der einen oder anderen Form in den jüdischen Bibelkommentaren oder Schriften wieder (vgl. besonders Bland 1990): Renaissance, Humanismus, Reformation und Gegenreformation, Inquisition, Conversos und Marranen, (christliche) Hebraistik und Kabbala. c.  Die Bibel zwischen Poesie und Kriegskunst Vor allem hinsichtlich der sich entwickelnden jüdischen Historiographie und Altertumswissenschaft gelten das 15. und 16. Jahrhundert als eine fruchtbare Periode. In den letzten Jahren ist eine Fülle von Untersuchungen zur jüdischen Renaissance erschienen, die sich mit jüdischer Historiographie, aber auch mit der jüdischen Rezeption der ars rhetorica oder dem jüdischen Neuplatonismus (in der Kabbala) und der damit in engem Zusammenhang stehenden christlichen Rezeption der Kabbala auf der Suche nach der prisca theologia beschäftigen (Idel 2011, 164 – 176; Bonfil 1994, 173). Was den Umgang mit der Hebräischen Bibel in dieser Zeit angeht, wurde indes wenig gearbeitet, und dies ist eigentlich erstaunlich, denn der Humanismus und seine Begeisterung für die hebraica veritas (man denke nur an Johannes Reuchlin, 1455 – 1522) sowie die Tatsache, dass der lateinische Bibeltext mit Gutenbergs editio princeps von 1455 (Mainz) und der hebräische seit 1477 (ed. princeps Psalmen 1477; ed. princeps Pentateuch 1482) im Druck vorlagen und sich damit einer enormen Verbreitung erfreuten, ließen die Bibel wieder ins Zentrum des Interesses rücken. Darüber hinaus sollten die jüdischen Intellektuellen feststellen, dass die Bibel für beinahe alle Themen des (männlichen!) Lebens wie Politik und Königtum, Kriegskunst und Poesie die passenden Texte bereithielt. Einschränkend ist allerdings zu sagen, dass nur noch wenig exegetische Kommentarliteratur sensu stricto verfasst wurde, und diese zeichnet sich, zumindest auf den ersten Blick, oftmals nicht durch besondere hermeneutische oder exegetische Originalität aus. Bekannt sind vor allem die Bibelkommentare von Don Jitzchaq Bibelkommen­ Abravanel (1437 – 1508), Ovadja Sforno (1475 – 1550) oder Jedidja tare des 15. und Salomon ben Nortzi (Minchat Schai, 1560 – 1616), der einen maso- 16. Jahrhunderts retischen Kommentar zur Hebräischen Bibel verfasste. Andere wie Josef ben David ibn Yachya (1425 – 98) oder Mosche Chefetz Gentili verschwanden ohne Echo im Strudel der Geschichte (Simonsohn 1977, 618 – 620). Was ihre Rezeption anbelangt, so stellt man allerdings immer wieder fest, dass die Kommentatoren wie Abravanel oder Sforno zwar gedruckt, selten aber wirklich gründlich gelesen wurden. Im Falle des Ovadja Sforno beispielsweise, eines Arztes, der auch in Philosophie und Mathematik sehr beschlagen war, fin-

192    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik det man kaum griffige Anhaltspunkte, um seinen Kommentar einschlägig zu charakterisieren. Er bietet zumeist in großem Umfang ­Peschat-Exegese*, die sich darin nicht wesentlich von den Auslegungen seiner Vorgänger unterscheidet (Angel 2014). Sforno wurde vor allem dadurch bekannt, dass er zwischen 1498 und 1500 den christlichen Humanisten Johannes Reuchlin im Hebräischen unterrichtete. Abravanel auf der anderen Seite verfasste Kommentare in einem solchen Umfang, dass eine klassische Nutzung, wie sie bis in die Neuzeit üblich war, nämlich als bibelbegleitende Lektüre für oder am Schabbat, mit diesem Kommentar erst gar nicht in Frage kam. Mit der Abwanderung des europäischen Judentums nach Osteuropa konnte man überdies mit Abravanels Ausführungen über die Republik Venedig (um nur ein Beispiel zu nennen) zunehmend nichts mehr anfangen. d.  Privater jüdischer und öffentlicher nicht-jüdischer Raum Gleichzeitig stellen wir noch ein zweites wichtiges Charakteristikum der jüdischen Renaissance vor allem Italiens fest: Die Juden Italiens brachten sich in Wissenschaft, Technik, Medizin und Kunst in einer bislang nicht dagewesenen Weise in die italienische Gesellschaft ein und suchten einerseits mit ihr Schritt zu halten, andererseits aber auch einen positiven Einfluss auf diese zu nehmen. Partizipation an Nachdem Abraham Portaleone (1542 – 1612) in Pavia Medizin Wissenschaften studiert, 1563 den Doktortitel erhalten und 1566 in den Verein der und Künsten Ärzte von Mantua aufgenommen worden war, hatte Papst Gregor XIV. 1591 die herzögliche Erlaubnis der Fürstenfamilie Gonzaga für Portaleone, bei Christen praktizieren zu dürfen, nochmals eigens bestätigt (Miletto 2003, 79). Dies bedeutete aber, dass sich die Räume, in denen Juden sich im Italien des 15. – 16. Jahrhunderts bewegten, vollkommen von denjenigen der Diaspora-Juden des Hochmittelalters in Nordeuropa unterschieden: Während in Nordfrankreich und im Aschkenaz* eine sog. Jeschiva*, d. h. ein Lehrhaus eines einzelnen Gelehrten, noch in dessen privatem Raum etabliert war (beispielsweise oben Kap. 2.2.a.) und darin die jüdische Gemeinschaft nach innen einen großen (privaten) Raum darstellte, war der öffentliche Raum vor allem nicht-jüdisch geprägt. Dies ändert sich mit der Renaissance-Zeit: Die Juden gingen jetzt nach außen und richteten ihre Aktivitäten auch in den nicht-jüdischen, öffentlichen Raum hinein. Ihre Berufe, angepasst an diesen öffentlichen Raum, entsprachen den Berufen der nicht-jüdischen Welt, und aus diesem Grund zeigt sich erstmals auch in der Geschichte der Bibelauslegung nicht nur eine Trennung von privatem und öffentlichem Raum, sondern auch eine thematische Konzent-

7.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    193

ration auf diesen öffentlichen Raum, wie im Falle Abravanels vor allem auf Politik und Gesellschaft. In dieser Struktur lag auch das erste Mal die Trennung von Religion und Wissenschaft. Moderne naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Bildungserrungenschaften, die auch die Juden nicht missen wollten, mussten jetzt mit den Diskursen jüdischer Theologie in Einklang gebracht werden. e.  Die Bibel als enzyklopädisches Handbuch Die von den öffentlichen Diskursen angeregten jüdischen Gelehrten wandten sich daher mit teilweise denselben Themen der Bibel zu. Neben die kursorische Lektüre der entsprechenden Parascha* (Schabbat für Schabbat) trat nun auch eine bewusst thematisch orientierte Lesart, die vor allem historiographische Fragen sowie Angelegenheiten aus Politik, Wirtschaft und Recht, Biologie und Medizin in den Blick nahm, insgesamt also jene Themen, mit denen die Juden in die Öffentlichkeit traten. Die Tatsache, dass mit dem 15. und 16. Jahrhundert weniger Bibelkommentare à la Raschi verfasst wurden, heißt also nicht, dass man sich nicht mit der Bibel beschäftigte. Sie wurde nur unter völlig anderen Vorzeichen, sozusagen durch eine andere Brille, betrachtet. Für die mittelalterliche Exegese, wie immer sie sich im Einzel- Integration ex­ nen gestaltet hatte, zeigte sich nahezu durchgehend eine kritische, terner Diskurse in zumindest redigierende Beschäftigung mit der rabbinischen Schrift- die Exegese auslegung. Aber auch der einfache Schriftsinn der Peschat-Exegese* konnte nicht unabhängig von der bisherigen Auslegungstradition bestimmt werden. Christliche Auslegungen wurden zumeist in polemischer und abgrenzender Absicht zitiert, denn sie stellten externe, ‚fremde‘ Traditionen dar, die deswegen per se zur Auslegung des biblischen Textes nichts beitragen konnten. Dies ändert sich bereits mit den Auslegungen von Don Jitzchaq Abravanel, der u. a. auf Hieronymus, Augustin oder Nikolaus v. Lyra hinweist und deren Auslegungen oftmals als richtig übernimmt (von Mutius 1978, 3 – 4). Für das 15. und 16. Jahrhundert stellen wir fest, dass die Barrieren zwischen rabbinisch-jüdischen (Hebräisch / Aramäisch), hellenistisch-jüdischen (griechischen; Liss 2003b) und profanen Wissenschaften (Latein; Griechisch, Arabisch, Portugiesisch, Italienisch u. a.) in Gänze gefallen sind. Aristoteles und Quintilian (wie im Falle Messer Leons und Portaleones), der Aristeasbrief und Philo von Alexandrien (bei Azarja dei Rossi) oder Plutarch, Averroes, Avicenna oder Gerolamo Cataneo (bei Abraham Portaleone; Miletto 2004a, bes. 267 – 296) sind selbstverständliche Quellen, die für die „Restrukturierung des Wissens im 15. und 16. Jahrhundert“ (Miletto 2004a, 52) benötigt wurden und daher ihren Platz in den Bücherregalen der gebildeten Juden innehatten.

194    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Suchte die früh- und hochmittelalterliche jüdische Kommentarliteratur den Text der biblischen Bücher kursorisch auszulegen, so rückten nun einzelne Themen in den Vordergrund, die gleichsam den Maßstab für ein kritisches Forum bildeten, dem die Bibel sich zu stellen hatte. Spezifische Aspekte der biblischen Literatur wie die hebräische Sprache (Profiat Duran, st. ca. 1414; Lesley 1992; Zwiep 1997) oder Rhetorik (Messer Leon), biblische Altertumskunde (Azarja dei Rossi) oder die (auch musikwissenschaftliche) Rekonstruktion des Opfer- und Gottesdienstes (Abraham Portaleone; Miletto 2004a, 177 – 214) bildeten den Ausgangspunkt, von dem aus man sich der Bibel näherte. Thematische So wurde die Bibel zum Handbuch für all jene Themen, die im Bibellektüre (jüdischen wie nicht-jüdischen) intellektuellen öffentlichen Diskurs standen, und ihre Stoffe und Motive avancierten zum Sinnbild eines neuen Wissenschaftsdiskurses und der damit einhergehenden Kulturkritik: Der Turm zu Babel* als Symbol für die aetas aurea des Wissens im Kontext des „Lamento[s] über das Verschwinden der alten Wahrheit“ (Samsonow 1997, 271) führte dazu, dass auch die Juden ihre Bibel in der Weise wahrnahmen, dass in ihr alte Wahrheiten schlummerten, die es wieder aufzufinden oder wiederherzustellen und in den Kontext der allgemeinen Wissenschaften (wieder) einzureihen gelte. f.  Der Siegeszug des hebräischen Buchdrucks Für die Kommentierung der Bibel sollte der hebräische Buchdruck einen Meilenstein darstellen (Hacker / Shear 2011; Heller 2013; 2008). Vor allem Joseph Hacker und Adam Shear betonten die Wichtigkeit des Buchdrucks für die jüdische Geistes- und Kulturgeschichte und stellten fest, dass diese neue Technologie weithin unwidersprochen und in Teilen sogar ausgesprochen enthusiatisch von den Juden aufgenommen wurde. Rabbinische Autoritäten setzten schnell Standards und ‚Must-haves‘ hinsichtlich der Manuskriptproduktion für liturgische Zwecke, priesen aber ansonsten den Buchdruck als nützliches Mittel für die Verbreitung von Wissen. Textus Receptus Aber der Buchdruck war nicht nur ein Mittel zur schnellen Verbreitung eines Textes über größere geographische Räume hinweg; weitaus einschneidender war es, dass mit der Typographisierung die Vielzahl der Bibeltexte, der Kommentare und der masoretischen Traditionen uniformisiert und in der weiteren Rezeptionsgeschichte daher auch nur noch eindimensional erschlossen wurde (textus receptus* auf allen Ebenen). Vor allem für die Gestaltung der masoretischen Hypertexte zeigte sich, dass die Vielzahl der unterschiedlichen masoretischen Traditionen auch in ihrer figurativen Eigenart vollkommen verschwand. Neuere Untersuchungen haben ergeben,

7.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    195

dass in Italien überwiegend aschkenasische* Manuskripttraditionen zum Druck gebracht wurden, weil die Drucker ausschließlich aschkenasisch waren, wohingegen die iberische Drucktradition sefardisch* war und mithin orientalische Textraditionen zum Druck brachte (Petzold 2018). Damit zusammenhängend hat sich gezeigt, dass sich unterschiedliche Lese- und Layouttraditionen sowie verschiedene Bindungen und Lagenformate in den Drucken abbilden und auf verschiedene soziale Felder hinweisen. Die sefardischen Drucke kennzeichnen weitaus weniger ausgeprägt liturgische Besonderheiten und Lesepraktiken (Ausweisung der Wochenabschnitte; besondere Schabbatot etc.). Die Bindung der Teildrucke entschied, ob die Megillot* hinter dem Pentateuch oder in die Hagiographen eingeheftet waren (z. B. editio princeps Tanakh, 1488), und hier zeigen sich ganz deutlich verschiedene Rezeptionskontexte (dazu auch insgesamt Steimann 2017): Jüdisches Publikum wollte die Megillot für die liturgische Verlesung an entsprechenden Feiertagen im Kontext der Tora; christliche Hebraistik (Wissenschaftskontext) ordnete sie den Hagiographen bei. Die für christliche Leser gestaltete Ausgabe Pratensis 1517 erfuhr i. J. 1521 ein jüdisches ‚remake‘ (durch Integration von ketiv*/qere*, Wegfall der Papstwidmung u. a.). Etwas vereinfachend lässt sich daher sagen, dass die ersten Inkunabeln* aus jüdischen Druckereien stammen und aschkenasische Text- und Layouttraditionen zugrunde legen; die Frühdrucke des 16. Jahrhunderts hingegen (Pratensis 1517 und 1521; zweite Bomberg-Ausgabe von 1525) wurden von christlichen Druckern gedruckt, deren jüdische Mitarbeiter zur Gruppe der 1492 aus Spanien vertriebenen jüdischen Gelehrten gehörten, die nur die orientalischen Texttraditionen kannten und nun in die Drucke einbrachten. Man könnte also auch von einer typographischen Globalisierung sprechen, die darin die handschriftliche und vor allem für die Mittelalter-Forschung entscheidende Lokaltradition nivellierte und als kulturschaffend sowie religions- und rezeptionsgeschichtlich irrelevant marginalisiert hat. Für die Juden bedeutete dies nicht nur den Verlust bestimmter lokal ausgeprägter Auslegungsdiskurse; vielmehr wurde ihre eigene Texttradition durch die Tatsache, dass die Bibel nun weitaus mehr als zuvor für die christliche Hebraistik zur Verfügung stand (vor allem durch die Complutensische Polyglotte* aus dem Jahr 1517), sukzessive marginalisiert und diskreditiert, und dies wurde vor allem dort relevant, wo bestimmte lokale Handschriftentraditionen nicht mit dem textus receptus übereinstimmten und / oder womöglich mit der griechischen oder lateinischen Version der Bibel kollidierten. So konnte später auch

196    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik

Die ersten gedruck­ ten Bibelausgaben

Die erste Rabbinerbibel

Die zweite Bomberg-Ausgabe des Ja`aqov ben Chajjim

Martin Luther den Vorwurf erheben, die Juden manipulierten den hebräischen Text (dazu Penkower 2012). Die ersten (datierten) (Teil-)Bibeldrucke finden wir ab 1477 mit einer Ausgabe der Psalmen und 1480 mit einer Pentateuchausgabe, die neben dem hebräischen Text den Targum* (Onqelos) sowie die fünf Megillot* und die Haftarot* enthielt (eine gute Zusammenstellung bietet Schenker 2008; ausführlich Iakerson 2012; 2005; 2004; A. Offenberg 1990). Die erste Pentateuchausgabe, die neben dem Targum auch den Raschi-Kommentar enthielt, wurde 1482 in Bologna gedruckt. Bei den Bibeln wurden zumeist Teilbibeln gedruckt: Pentateuchausgaben oder Psalmen. Diese ersten hebräischen Inkunabeln* zeigen ein differenziertes Neben- und Miteinander des Bibeltextes (als Hypotext) und seiner verschiedenen Kommentierungen (als Hypertexte): Bibelkommentar(e), Targum sowie masoretische Notationen (petucha/setuma; ketiv*/qere*; puncta extraordinaria; Plene- und Defektivschreibung*; memoria technica). Masora magna ist in den hebräischen Inkunabeldrucken des ausgehenden 15. Jahrhunderts oftmals nicht gedruckt, noch weniger figurative Masora (vgl. zuletzt ausführlich Petzold 2018). Die für die aschkenasischen* Bibelhandschriften wichtigen Zusammenstellungen von großen und kleinen Buchstaben oder die Angabe eines invertierten Nun fallen unter den Tisch. Mit dem Wegfall solcher masoretischer Angaben sollte aber auch eine wichtige exegetische Quelle zunehmend versiegen. Die erste sog. Rabbinerbibel (Miqra’ot Gedolot) wurde 1517 / 18 von Daniel da Prate (Felix Pratensis) in Venedig, und zwar in der Druckerei von Daniel Bomberg (st. ca. 1549 / 53) in vier Bänden gedruckt. Der Text der Hebräischen Bibel ist hier von den wichtigsten und spätestens damit ‚kanonisierten‘ Rezensionen der jüdischen Ausleger (Raschi; ibn Ezra; Qimchi) begleitet. Es fehlt jedoch die Masora. Die zweite Ausgabe der Miqra’ot Gedolot gab Ja‘aqov ben Chajjim ben Jitzchaq ibn Adoniah (ca. 1470 – ca. 1538) 1524 / 25 ebenfalls in Bombergs Druckerei in Venedig heraus. Der Bibeltext stellt einen Mischtext auf der Basis unterschiedlicher aschkenasischer* und sefardischer* Manuskripte dar. Erst diese zweite Bomberg-Ausgabe 1524 / 25 enthielt dann schließlich die masora parva, magna und finalis, sowie einen 65 Folia* umfassenden masoretischen Anhang, der neben der masora magna auch Listenmaterial wie den Sefer ha-Chillufim oder den Traktat Darkhe ha-Niqqud we-ha-Neginot von Mosche ha-Naqdan (13. Jahrhundert) bot. Mit dieser zweiten Ausgabe wurde gleichzeitig das bis heute weitgehend unveränderte maßgebliche Layout der traditionellen Druckausgaben der Hebräischen Bibel geschaffen. Ben Chajjims Masora

7.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    197

Abb. 8: Miqra’ot Gedolot [= Zweite Bomberg-Ausgabe] (Hg. Ja`aqov ben Chajjim ben Jitzchaq ibn Adoniah). Venedig 1524 / 25. © Courtesy of the Library at the Her­ bert D. Katz Center for Advanced Judaic Studies, Kislak Center for Special Collections, Rare Books and Manuscripts, University of Pennsylvania.

198    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik wurde nachfolgend vor allem an den masoretischen Kommentar des Jedidja ­Salomon Raphael ben Abraham Nortzi (Goder Peretz, 1626; gedruckt 1742 – 44 in Mantua unter dem Titel Minchat Schai) angepasst (vgl. nachfolgend Kap. 7.2.h.). Die zweite Rabbinerbibel stellte gleichzeitig die Grundlage für die sog. Buxtorf-Ausgabe dar (Baseler Biblia Hebraica von 1619), die ebenfalls die Masora enthielt. Das hier tradierte Material des textus receptus stammte aber ausschließlich aus der orientalischen Masora, die auf dem Weg über Spanien nach Italien gelangt war. Die westeuropäische Masora war oftmals figurativ angeordnet Das Ende der masoretischen und hatte dadurch ohnehin eine mehrdimensionale und schwer zu Vielfalt entziffernde Funktion. Sie eignete sich daher nicht zur typographischen Vervielfältigung. Darüber hinaus hatten sich zunehmend die orientalisch-sefardischen Text- und Masoratraditionen als die eigentlich ‚authentischen‘ herauskristallisiert (zur Kritik Elia Levitas an der masora figurata siehe nachfolgend Kap. 7.3.f.). Damit verschleierte der Bibel-Buchdruck die wichtige Tatsache, dass der masoretische Text zumindest mit dem Eintritt ins europäische Mittelalter, wahrscheinlich aber auch schon davor, niemals den Anspruch erhoben hatte, der beste (akkurateste) Text zu sein: Im Lernbetrieb wie auch im Kontext ritueller und liturgischer Performanz sollte er aktualisierbar und dehnbar sein und als Text-Träger für die Bedürfnisse einer je eigens akzentuierten religiösen und gelehrten Gruppe in einem bestimmten geokulturellen Raum zur Verfügung stehen, und dies mit genau so vielen (manchmal sogar unbegrenzten) Deutemöglichkeiten, wie die Gruppe dies verlangte. So wurde der Buchdruck zum Träger einer anzustrebenden veritas hebraica, wodurch man die Vielfalt der varietates hebraicae und damit die Verbindung zwischen Bibeltext und Auslegungstradition auch auf dieser Ebene aufgegeben hatte. Der Buchdruck kam also vor allem der christlichen Rezeption der Bibel sehr entgegen. Die Folge war, dass bereits mit der humanistischen Tradition, deutlicher aber noch seit dem 18. Jahrhundert, die Arbeit am biblischen Text hermeneutisch von den christlichen Theologen okkupiert und bis in die letzten Jahre dominiert wurde.

7.2. Persönlichkeiten a.  Jehuda ben Jechi’el Messer Leon (ca. 1420 – ca. 1497) Biographie

Jehuda ben Jechi’el Rofe ‚der Arzt‘, bekannt auch unter dem Ehrentitel ‚Messer Leon‘, ein italienisch-jüdischer Rabbiner, Arzt, Exeget und Literat, lebte etwa zwischen 1420 und 1497 und gilt vielen als die Renaissance-Persönlichkeit schlechthin (Freudenthal

7.2. Persönlichkeiten    199

2011, 209 – 217; Zonta 2006, 209 f.; Rabinowitz 1983, xvii; Carpi 1974). Geboren vermutlich in Montecchio Maggiore, genoss er eine umfassende rabbinische wie auch klassische Bildung. Um 1450 finden wir ihn als Leiter einer Talmudhochschule (rosch jeschiva*) in Ancona. An dieser Jeschiva setzte er in großem Umfang um, was er einige Jahre später als intellektuelles Programm für die Erneuerung des jüdischen Wissens in seinem Hauptwerk Sefer Nofet Tzufim ‚Das Buch des Honigseims‘ postulieren sollte: die Aneignung nicht-jüdischer Wissensfelder für die eigene, jüdische Tradition. Zwischen 1456 und 1472 hielt er sich in Padua und Bologna auf; die Schüler seiner Jeschiva folgten ihm dabei an seine jeweiligen Wohnorte. 1469 erhielt er den Doktortitel in Medizin in Padua. Friedrich III. hat ihm für seine Verdienste als Arzt den Titel ‚Messer [Maestro] Leon‘ verliehen. Ab 1480 finden wir Messer Leon in Neapel, wo er unter Ferdinand I., der auch ein großer Förderer der Wissenschaften war, seine Jeschiva in Ruhe ausbauen konnte. Nach Ferdinands Tod 1494 verlieren sich seine Spuren. Sein Sohn David verließ die Stadt; ob er selbst noch mitging, ist unklar. Man nimmt an, dass er 1497 in Neapel starb (Tirosh-Rothschild 1991, 253). Für seine Jeschiva-Schützlinge verfasste Messer Leon vor allem Werke zur Gram­ Handbücher und Kommentare zu den wichtigsten Schriften des matik, Logik und Aristoteles (zur Logik, Ethik und zur Physik; Tirosh-Rothschild Rhetorik 1991). Daneben entstanden als Beiträge zum Trivium von Grammatik, Logik und Rhetorik eine Grammatik mit dem Titel Livnat ha-Sappir (‚Saphir-Pflaster‘; 1454) sowie ein Handbuch der Logik (Mikhlal Jofi ‚Vollendung der Schönheit‘; 1455). Das heute wohl berühmteste Werk des Messer Leon ist sein Buch Nofet Tzufim (‚Honigseim‘). Es wurde zwischen 1454 und 1474 verfasst und bereits 1475 durch Abraham Conat in Mantua gedruckt und war damit nicht nur eines der ersten hebräisch gedruckten Bücher, sondern das erste hebräische Buch, das bereits zu Lebzeiten seines Autors in gedruckter Form erschien (Altmann 1992, bes. 67; Bonfils 1992). Nofet Tzufim entstand als Teil einer sprachwissenschaftlichen Trilogie (Grammatik, Logik und Rhetorik), die als profane Wissenschaften neben der jüdischen Traditionsliteratur wahrscheinlich das Curriculum (bzw. dessen Textgrundlage) in der von Messer Leon gegründeten Jeschiva in Neapel bildeten. Formal handelt es sich also nicht um eine exegetische Schrift oder gar einen Bibelkommentar sensu stricto, sondern um eine Schrift zur ars rhetorica, in der Aristoteles, Cicero, Quintilian u. a. extensiv zitiert werden. Dies lässt auch ihr Aufbau klar erkennen, den Messer Leon selbst in seiner Einleitung ausführlich darstellt und begründet. Der exegetische Beitrag des Nofet Tzufim liegt vor allem auf seiner sprachlichen

200    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik und literaturkritischen Textbetrachtung, die noch heute für die literaturwissenschaftlich orientierte Bibelauslegung eine Fundgrube darstellt (Liss 2003b). b.  Don Jitzchaq Abravanel (1437 – 1508) Wie schon Abravanels wichtigster Biograph Benzion Netanyahu nicht müde wurde zu betonen, war Don (auch: Dom) Jitzchaq ben Jehuda Abravanel in erster Linie ein Financier und ein Staatsmann, und er hatte selbst großes Interesse daran, dass sein Leben auch für uns Heutige noch gut dokumentiert vorliegt. Geboren 1437 in Lissabon, war Abravanel der Spross einer noblen ibero-jüdischen Familie, und entsprechend gestaltete sich auch seine Ausbildung, die ihn nicht nur mit der Bibel und den klassischen rabbinischen Quellen bekanntmachte, sondern darüber hinaus mit der lateinischen Sprache, der klassischen Philosophie und der Geschichtsschreibung. Abravanel eignete sich dadurch nicht nur Philosophen wie Seneca und Cicero an, sondern ebenso und ohne Berührungsängste die Literatur der Kirchenväter sowie die Schriften der mittelalterlichen christlichen Theologen (Lawee 2008). Abravanel als Bereits sein Vater und sein Großvater waren mit den gesellschaftSproß des jüdi­ lichen Eliten geschäftlich verbunden, und seine Familie verstand schen Adels sich ganz als in der Nachfolge des jüdischen Adels stehend. So führte Abravanel seine Wurzeln in Spanien mindestens auf das Jahr 70 u. Z. und seine noble Herkunft sogar auf der Basis von Ob 1,20 und der dortigen Erwähnung der Weggeführten von Jerusalem, die in Sefarad* sind, bis in das Jahr 586 v. u. Z. zurück (Melamed / Kellner 2009, 219). In jedem Fall sah er sich wohl als Nachkomme von König David, und seine Auslegungen sind ohne diesen Aspekt kaum zu verstehen (Gutwirth 2009). Die hohe gesellschaftliche Selbsteinschätzung Abravanels zeigt sich auch daran, dass er seinen Lesern den Rat gibt, man solle sich Mühe geben, die Tochter an einen Toragelehrten zu verheiraten; wenn dies nicht möglich sei, so solle sie wenigstens einen Mann von wirtschaftlich und gesellschaftlich hohem Rang heiraten, auf keinen Fall aber einen sog. am ha-aretz, was bei Abravanel aber sicher nicht nur eine rabbinisch ungebildete Familie, sondern insgesamt den sprichwörtlichen ‚armen Schlucker‘ meint, der sich natürlich kein hohes Bildungsniveau leisten konnte (Maier 2000, 269 – 271). Nach dem Tod seines Vaters übernahm er dessen Aufgabe als Schatzmeister Alfonsos V. (regierte 1432 – 81), der seit 1442 auch den Titel des Herzogs von Braganza führte. Die zum Teil gewaltigen Staatsanleihen stammten zu nicht unerheblichen Teilen aus seiner Tasche. Mit dieser Position waren auch gewisse Privilegien verbunden, wozu auch die freie Wahl des Biographie

7.2. Persönlichkeiten    201

Wohnsitzes außerhalb des Jüdischen Viertels gehörte (Lawee 2001, 9 – 25). In innenpolitische Verschwörungen nach dem Tod Alfonsos 1481 Flucht nach Kasti­ verstrickt, musste Abravanel Portugal in einer Nacht- und Nebel- lien und Spanien aktion 1483 verlassen (1485 wurde er in absentia sogar zum Tod verurteilt). Er ging zunächst nach Kastilien und trat bereits ein Jahr nach seinem Weggang aus Portugal in den Dienst des katholischen Königspaares Isabella und Ferdinand von Kastilien (1484). Abravanel war zunächst als Steuerpächter tätig, seit 1491 auch als Finanzberater. Wieder war er ganz oben, und sein Selbstbewusstsein spiegelt sich auch immer wieder in seinen Kommentaren wider (vgl. bes. Cohen Skalli 2009). Aber auch in Kastilien war sein Aufenthalt nicht von langer Dauer, denn 1492 erging das berühmte Ausweisungsedikt von Isabella und Ferdinand, wonach alle Juden das spanische Herrschaftsgebiet verlassen mussten bzw. zur Konversion gezwungen wurden. Abravanel konnte seinen Einfluss nicht geltend machen. Um nicht zum Katholizismus konvertieren zu müssen, blieb auch hier wieder nur die Aus- bzw. Weiterreise. Immerhin erlaubten ihm Isabella und Ferdinand, eine große Menge an Gold- und Silber-Valuta sowie 1000 Golddukaten außer Landes zu transferieren. Es ging ihm also auch in seinem zweiten Exil niemals wirklich schlecht. Am 31. Mai 1492 verließ er das Land und segelte von Valencia nach Neapel in Italien. Juden waren hier zunächst gerne gesehen, denn die wirtschaftlichen Vorteile, die sie den jeweiligen Herrschern brachten, waren enorm. In Italien war Abravanel daher auch nicht lange arbeitslos: Ferrante I. von Neapel ernannte ihn ebenfalls zum Finanzberater, und auch nach Ferrantes Tod 1494 hatte er diesen Posten unter dessen Sohn Alfonso II. inne. Allerdings waren gerade unter den Juden nicht alle von Abravanels Aufenthalt in Neapel begeistert. Obwohl Abravanel sich mehr um die sefardischen* Flüchtlinge als um die Alteingesessenen kümmerte, hatten Messer Leon und sein Sohn David wohl Angst, Abravanel könnte ihnen ihre Stellung als ‚Platzhirsche‘ streitig machen (Cohen Skalli 2009, 259; Tirosh-Rothschild 1991, bes. 24 – 33). Als Karl VIII. von Frankreich in Neapel einfiel, plünderten dessen Truppen das Haus Abravanels und zerstörten seine Bibliothek. Mit der königlichen Familie und ohne seine eigene Familie mitzunehmen, floh er 1495 nach Messina (Sizilien) und von dort weiter nach Korfu (Griechenland). 1496 kam er nach Italien zurück (Monopoli an der Adria). Dort begann eine Phase intensiver schriftstellerischer Tätigkeit. 1503 ging Abravanel auf Vorschlag seines Sohnes Josef, der Arzt war, nach Venedig und starb dort 1508. Der dortige Friedhof wurde 1509 zerstört; seitdem gibt es von Abravanel kein Grab mehr. Die Einrichtung des Ghettos in Venedig hat er nicht mehr erlebt.

202    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Staatsmännische Bibelauslegungen

Abravanels Bibelkommentare sind durchaus ‚sperrig‘ und lesen sich nicht ganz eingängig, und dies aus mehreren Gründen: Zum einen sind seine Kommentare ausgesprochen langatmig (Eric Lawee verweist auf ungefähr 12 000 Seiten Bibelkommentar; Lawee 2008, 194); zum anderen findet sich eine große Zahl von Auslegungen, die zwar ihren Ausgangspunkt beim Text nehmen, aber immer wieder auf zeitgenössische politische oder gesellschaftliche Umstände verweisen oder eigene staatspolitische Überlegungen bieten. Daher lesen sich seine Kommentare vor allem für diejenigen mit Gewinn, die schon immer mal etwas über die höfischen Verhältnisse der Braganzas oder anderer Herzöge im Lissabon, Spanien oder Italien des 15. und 16. Jahrhunderts wissen wollten (bes. Maier 2000, 252 – 266). Cedric Cohen Skalli verweist darüber hinaus auf die starke autobiographische Komponente, die gerade Abravanels Kommentare zu den Vorderen Propheten einzigartig mache (bes. Cohen Skalli 2009). Hatte Abravanel um 1457 bereits mit Tzurot ha-Jesodot (‚Die Formen der Elemente‘) eine kleine Schrift über die vier Elemente verfasst, so wandte er sich in den 1460er Jahren der Auslegung biblischer Bücher zu. Es entstand noch in Portugal zunächst ein Kommentar zum Buch Deuteronomium, den Abravanel in An­ lehnung an Dtn 17,18, das die ‚Abschrift des Gesetzes‘ erwähnt, mit dem Titel Merkevet ha-Mischne (‚Zweiter Thronwagen‘) versah. Der Deuteronomium-Kommentar wurde allerdings erst mehr als dreißig Jahre später endgültig zum Abschluss gebracht (1496; Monopoli). Daneben verfasste er eine Abhandlung über den Abschnitt vom Bundesschluss, der nach der biblischen Erzählung mit Mose, Aharon, Nadav, Avihu und siebzig von den Ältesten Israels vollzogen wurde (Ex 24). Unter Berufung auf Spr 17,6 (Die Krone der Ältesten sind die Kinder der Kinder …) betitelte er diesen Traktat mit Ateret Zeqenim (‚Krone der Ältesten‘), ein Werk, das sich vor allem dem theologischen Problem der göttlichen Vorsehung widmet und schon zu Lebzeiten des Autors durchaus scharfe Kritik entgegennehmen musste (Lawee 2009). Ca. 1480 verfasste Abravanel eine Schrift zur Prophetie (Machaze Schaddaj), in der er sich auch kritisch mit Maimonides’ Ansichten zu dieser Thematik auseinandersetzt. Erst nach seiner Ankunft in Kastilien folgten weitere Bibelkommentare. 1483 und wohl in einem sehr kurzen Zeitraum von wenigen Monaten verfasste er den Kommentar zu den Vorderen Propheten (Jos–2Sam). Dass es gerade die Vorderen Propheten waren, erklärt sich aus dem Aufriss und Inhalt dieser Bücher, die mit der Landnahme, der Richterzeit und dem frühen Königtum (Saul und David) vor allem staatspolitisch relevante Themen berühren. Noch bevor er den Kommentar zu den Vorderen

7.2. Persönlichkeiten    203

Propheten beenden konnte, musste er Portugal verlassen und stand daher schon im Dienste von Isabella und Ferdinand in Kastilien, als der Kommentar zu den Könige-Büchern entstand, der allerdings wiederum nur mit Unterbrechungen vorankam und erst 1492 in Neapel vollendet wurde. Im Sommer 1495 (also noch in Korfu) verfasste Abravanel Eschatologisch-­ einen Kommentar zum Buch Jesaja (zur Chronologie der einzel- messianische nen Kommentare Lawee 2008; Lawee 2001, 27 – 57; Maier 2000, Schriften 267) sowie ein Jahr später den Kommentar zur Pesach-Haggada* (Zevach Pesach). Auch ein Kommentar zum Mischna-Traktat* Avot (Nachalat Avot) entstand in dieser Zeit. Nach Maier sieht man bereits an diesen zuletzt genannten Kommentaren die Betonung von historiographisch-eschatologischen Gedanken, die sein Werk fortan sehr bestimmen sollten. Die endzeitlich ausgerichtete Geschichtsdeutung ist sicher nicht ohne seine Lebenserfahrungen denkbar. 1497 schreibt er zunächst Ma‘ajane Jeschu‘a (‚Quellen der Erlösung‘), einen Kommentar zum Buch Daniel. Ma‘ajane Jeschu‘a errechnet den Beginn der Endzeit für das Jahr 1503. 1498 verfasst er zwei weitere eschatologisch-messianische Schriften (Jeschu‘ot Meschicho ‚Die Erlösung seines Gesalbten‘, und Maschmi‘a Jeschu‘a ‚Ankündigung der Erlösung‘). In Jeschu‘ot Meschicho stellte Abravanel alle rabbinischen Dicta zur Frage nach der Ankunft des Messias zusammen. In Maschmi‘a Jeschu‘a behandelte er die messianischen Prophetien in den Prophetenbüchern. Allerdings konnte er hier bereits auf seine Kommentierungen der Hinteren Propheten zurückgreifen. So hatte er sich schon in seinen Kommentaren zu den Endzeitworten im Buch Jesaja (vor allem Jes 2 und Jes 10 – 11) mit dem Thema der Erlösung, der Rückkehr nach Zion und der Frage nach dem gesalbten König auseinandergesetzt (Maier 2000, 389 – 421). In Venedig (ab 1503) beendet er 1504 den Kommentar zu Jeremia und dem Zwölfprophetenbuch (Dodekapropheton) sowie die Kommentare zu Genesis bis Numeri (zu Gen und Ex bereits 1505; Lev und Num wurden erst 1579 veröffentlicht). Abravanels Spekulationen trugen im 16. und 17. Jahrhundert bedeutend zu den messianischen Bewegungen bei. Mit Rückblick jedoch auf die christlich-jüdischen Kämpfe, die noch Ramban (Nachmanides) um die Figur des Messias auszufechten hatte, sieht man an Abravanels Schriften, dass die Zeiten der unmittelbaren theologischen Konfrontation schon vorbei sind. Juden wurden zur Konversion gezwungen oder ausgewiesen, und so spielen auch die sog. Conversos in seinen Schriften immer wieder eine große Rolle (Ben-Shalom 2009; Lawee 2001, 239). Theologische Debatten, wie sie der Wikkuach widerspiegelt (siehe oben Kap. 6.1.c.), gab es nicht mehr. Daher ist auch bei Abravanel diese Auseinander-

204    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik setzung schon in den Hintergrund gerückt. Es finden sich bei ihm eher Anspielungen auf die Konfrontation zwischen dem christlichen Abendland und dem Osmanischen Reich. c.  Ovadja Sforno (1468 / 73 – 1550) Biographie

Der ToraKommentar

Kommentare zu den Propheten und den Schriften

Über den Arzt und Bibelkommentator aus Cesena ist nicht viel bekannt, auch das Wissen über seine Familie liegt zu großen Teilen im Dunkeln. Namentlich bekannt sind nur einige der männlichen Familienangehörigen: sein Vater und sein Sohn, die beide den Namen Ja‘aqov trugen (vgl. die Einleitung in Or Ammim) sowie sein Bruder Chanan’el, der sich wohl auch um sein(e) Kind(er?) kümmerte (zum Ganzen Finkel 1896, 1 – 10). Sforno genoss eine klassische hebräisch-aramäische Bildung (Bibel; Talmud*) sowie auch eine umfassende Erziehung in den profanen Wissenschaften Philosophie, Mathematik, Medizin und den klassischen Sprachen. Unsicher ist, ob er auch Arabisch konnte. Zwischen 1496 und 1525 lebte er in Rom, wo er auch (jüdische wie nicht-jüdische) Schüler hatte. Von 1498 – 1500 unterrichtete er beispielsweise Johannes Reuchlin im Hebräischen, der ihn unter dem Namen Abdia filio Jakobi Sphurono erwähnt. Unklar ist, wann er von Rom nach Bologna übersiedelte. Wir finden ihn in gesetztem Alter zunächst in Reggio, dann als Bürger Bolognas (toschav bologna), wo er als Arzt praktizierte sowie daneben ein Rabbinat innehatte und eine Jeschiva* leitete; jedenfalls verfügte er über ein Amtssiegel. Sforno unterhielt sehr gute Kontakte zu Heinrich II. von Frankreich, dem er seinen Schir ha-Schirim- und Qohelet-Kommentar sowie die eigenhändig verfasste lateinische Übersetzung seines philosophischen Werkes Or Ammim zueignete. Von Sforno liegt ein ausführlicher Tora-Kommentar vor (Be’ur al ha-Tora; gedruckt Venedig 1567), dem eine detaillierte Einleitung (Kawwanot ha-Tora) vorangeht, in der Sforno den pädagogischen Anspruch der Tora und ihrer Gesetze erläutert, wonach der Mensch durch Verstandesbeweise und praktische Gesetze zur Gottebenbildlichkeit geführt werden soll (Angel 2014). Die Erzählungen der Tora dienen nach Sforno zum Vorbild oder zur Abschreckung bei der Erziehung des Menschen. Kawwanot ha-Tora ist gleichzeitig ein Versuch, die tiefere Bedeutung der Ritualgesetze (mitzwot), insbesondere der Opfer, vorzustellen (intentiones legis [ein Ausdruck von Moritz Steinschneider; Finkel 1896, 19]). Sforno verfasst darüber hinaus Kommentare zu ausgewählten Büchern der Hebräischen Bibel, wie die Kommentare zum Buch Qohelet (Be’ur Qohelet) und den allegorischen Kommentar zum Hohenlied (Be’ur Schir ha-Schirim; beide Heinrich II. gewidmet und

7.2. Persönlichkeiten    205

gedruckt Venedig 1567), einen Kommentar zu den Psalmen (Be’ur al Sefer Tehillim; gedruckt Venedig 1586) sowie einen Kommentar zum Buch Hiob mit dem Titel Mischpat ha-Tzedeq (gedruckt Venedig 1589), Kommentare zu drei Prophetenbüchern aus dem Zwölfprophetenbuch (Jona; Habakuk und Sacharja) sowie einen noch in Rom verfassten Kommentar zu den Pirqe Avot. Einzelne Kommentar-Fragmente zu den Vorderen und Hinteren Propheten wurden 1983 von Ze’ev Gottlieb zusammengestellt (Gottlieb 1983, 333 – 348; vgl. auch die bereits von Finkel 1896, 39 f. erstellte Liste weiterer unsicherer Werkzuschreibungen und Druckausgaben). Wie gut er die lateinische Sprache beherrschte, zeigt sich auch daran, dass er für den gelehrten und humanistisch gebildeten Diplomaten Celio Calcagnini aus Ferrara (1479 – 1541) eine Hebräische Grammatik auf Latein verfasste (Sefer Diqduq Leschon Ivrit), die heute allerdings nicht mehr erhalten ist (Campanini 1996, 110 f.; Finkel 1896, 39). Sforno hielt darauf, dass das Hebräische die Grundlage allen Schriftstudiums war, und auch hier unterschied er nicht zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Lesern der Hebräischen Bibel. Diese Auswahl der von Sforno kommentierten biblischen Schriften, die auch in der christlichen Theologie ein hohes Ansehen genossen, und sein theologisch-pädagogischer Zugriff auf die biblischen Bücher zeigen, dass Sforno in intensivem Austausch mit den lateinischen Humanisten seiner Zeit stand und mit seinen Kommentaren an das vom Humanismus entworfene Gesellschafts- und Bildungsideal anzuknüpfen suchte. Berühmt ist Sfornos philosophisches Werk Or Ammim (‚Licht Mathematische der Völker‘; gedruckt 1537 hebr. [Bologna]/ 1548 lat. [Bologna]), und philosophische das er selbst unter dem Titel lumen gentium ins Lateinische über- Werke setzte. In dieser Schrift sucht er nicht nur die wichtigen jüdisch-­ theologischen Prämissen als mit der Philosophie vereinbar zu beweisen; sein Hauptgegner ist Aristoteles, dessen Ansichten – die Ewigkeit der Welt und vor allem die aristotelische Gotteslehre – er zu widerlegen suchte. In seiner Darlegung von Schöpfung und Vorsehung (Kommentar zu Gen 1; ed. Pelcovitz) erweist er sich einmal mehr als ein treuer Schüler Rambans, dessen Schriften er offenbar genau studiert hatte und den er auch in seinen Kommentaren immer wieder erwähnte (Pelcovitz 2004 [Be’ur al ha-Tora], ix – xxi). Eine hebräische Einleitung zu den Elementen des Euklid ist zusammen mit kleineren mathematischen Traktaten (mit teilweise arabischer Terminologie) in einer Handschrift gemeinsam mit Or Ammim überliefert (Paris BNF hébr. 1007), unsicher ist aber, ob diese Schriften tatsächlich von Sforno selbst stammen.

206    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik d.  Elijjahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi (1469 – 1549) Biographie

Im Dienst christ­ licher Hebraisten

Jiddische Schriften und Übersetzungen

Der Grammatiker, Philologe, Masoret und Hebräischlehrer Elijjahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi (Elia Levita), nach einem seiner grammatischen Werke (ha-Bachur) auch Elijjahu Bachur genannt, stammte aus Neustadt an der Aisch, verbrachte aber einen Großteil seines Lebens (seit 1496) in Italien, zunächst in Padua, dann in Venedig und schließlich in Rom. Bekannt ist Elia Levita heute vor allem dadurch, dass er neben seinen jüdischen Schülern auch christliche Hebraisten wie Johann Albrecht Widmanstetter (1506 – 57) und Sebastian Münster (1488 – 1552) unterrichtete und von ihnen wiederum Latein und Griechisch erlernte. Levita unterwies seine christlichen Schüler, von denen einige durchaus hohe Positionen in der Kirche einnahmen, nicht nur in der Hebräischen Sprachwissenschaft und Grammatik, sondern auch in der aschkenasischen* Kabbala, wie beispielsweise seinen Gönner Kardinal Egidio da Viterbo (Rom), bei dem er sich von 1514 bis 1527 aufhielt. Für den Kardinal übersetzte er den Kommentar zum Sefer Jetzira* von R. El‘azar aus Worms; mit der Handschrift London BL Add. 27,199 liegt eine Abschrift von R. El‘azars umfangreichem Sammelwerk Sefer Sode Razajja vor (vgl. oben Kap. 5.2.b.), die er 1515 für den Kardinal kopierte, dessen zahlreiche lateinische Anmerkungen und Randnotizen zeigen, dass da Viterbo diese Schrift offenbar intensiv studiert hat. Dieses Buch wiederum wurde 1555 von einem gewissen Mosche Gad ben Tuvja für Johann Albrecht Widmannstetter kopiert (heute München Cod. hebr. 81; vgl. Liss 1997, 11 – 14), was einmal mehr zeigt, wie verbreitet die (aschkenasische*) Kabbala unter den christlichen Hebraisten war. Von seinen jüdischen Zeitgenossen wurde Levitas Lehr-Engagement bei den christlichen Hebraisten mit Misstrauen beäugt: Man schätzte es nicht, dass er die sog. torat ha-sod (vgl. oben Kap. 5.1.b.) in christliche Kreise hinein vermittelte; überdies fürchtete man die Konversion dieser jüdischen Lehrer zum Christentum. In der Tat konvertierten einige der Nachkommen Elias zum Christentum; einer seiner Enkel, Vittorio Eliano, erreichte als Zensor hebräischer Bücher eine traurige Berühmtheit. Elia selbst ist aber wohl dem Judentum treu geblieben (Medan 2007, 731). Von Elia Levita stammen jiddische Nachdichtungen verschiedener Ritterdichtungen (bekannt ist das sog. Bove Bukh; 1507), ein jiddisch-hebräisches Wörterbuch Schemot Devarim (lat. Nomenclatura; Isny 1542), das durch Paulus Fagius noch mit lateinischen und deutschen Termini ergänzt wurde, sowie eine jiddische Übersetzung der Psalmen (1545). 1526 begann er noch in Rom mit seinem Lexikon zu den biblischen Targumim*, das er 1531 in Venedig

7.2. Persönlichkeiten    207

fertigstellte (betitelt Meturggeman). Der Tischbi ist ein Lexikon der hebräischen Wörter im Talmud* (Isny 1541). An Bibelkommentaren hat er nur einen Kommentar zum Buch Hiob verfasst (1544). In Padua verfasste Levita 1504 einen Kommentar zum Mahalakh Schevile ha-Da‘at ‚Der Weg der Pfade des Wissens‘ des Mosche Qimchi (vgl. oben Kap. 4.2.c.). In Rom schrieb er auf Bitten seines Gönners Egidio da Viterbo eine Grammatik (ha-Bachur; 1517 / 18), die er unter Hinzufügung einer Abhandlung zur Laut- und Punktationslehre überarbeitete und unter dem Namen Pirqe Elijjahu herausgab (Pesaro 1520). Daneben verfasste er ein Buch über die biblischen Komposita, den Sefer ha-Harkava (1518). Noch in Rom erstellte er darüber hinaus eine kleine Schrift zu den biblischen Akzenten mit dem Titel Tuv Ta‘am (Venedig 1538). Erklärungen und kritische Anmerkungen zu David Qimchis Sefer Mikhlol und Sefer ha-Schoraschim (vgl. oben Kap. 4.2.d.) erschienen 1546 in Venedig unter dem Titel Nimmuqim. Besondere Aufmerksamkeit widmete Elia Levita dem Studium und der Erklärung der Masora. Hatte er sich schon über die fehlerhaften masoretischen Apparate in der zweiten Bomberg-Ausgabe der Miqra’ot Gedolot heftig beschwert, so legte er mit seiner Schrift Masoret ha-Masoret (1525 – 27; gedr. Venedig 1538; ed. Ginsburg 1867) nicht nur eine Geschichte zum hebräischen Vokalisations- und Akzentsystem vor, sondern auch einen Überblick über die Masora, ihre ganz eigene Terminologie und die Frage nach der Entstehung von ketiv* und qere* in der Hebräischen Bibel (vgl. auch oben Kap. 7.1.f.). 1536 verfasst Levita seine masoretische Konkordanz Sefer ha-Zikhronot, die bis heute nur in handschriftlichen Textzeugen zugänglich ist. Hatte Levita schon im Vorwort zum Meturggeman das Vokalisations-und Punktationssystem in die nachtalmudische Zeit datiert und die biblischen Vokale damit den Tiberiensern zugeschrieben, so führte er dies in der dritten Vorrede des Masoret ha-Masoret aus. Nach Sophie Kessler-Mesguich ist Levitas Einschätzung hier aber nicht mit unserer heutigen, kritischen Sicht der Entstehung des Vokalisations- und Akzentsystems gleichzusetzen (Kessler-Mesguich 2008). Vielmehr habe Levita das graphische System der Punkte und der übrigen Vokalisationszeichen in die spätere Zeit datieren wollen, nicht aber die Lesung und die Aussprache des biblischen Textes (vgl. auch Penkower 2004). Allerdings führten Levitas Erklärungen über das Alter der Punktation zu einer heftigen Auseinandersetzung unter den christlichen Hebraisten. Die Behauptung der (relativen) Neuheit der Vokale, wie sie auch durch Ludovicus Capellus u. a. verfochten wurde, wurde 1674 im zweiten Canon der formula consensus Helvetici (1674 – 76) verdammt, indem man (mit dem älteren

Grammatische Schriften

Masoret ha-Masoret und Sefer ha-Zikhronot

Zum Vokalisationsund Akzentsystem

208    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik und dem jüngeren Buxtorf) die Akzente und Vokale für ursprünglich und inspiriert erklärte (Böhler 1997, 20; Nitzsch 1912, 223). e.  Azarja (Bonaiuto) ben Mosche dei Rossi (ca. 1511 – ca. 1578) Biographie

Das Erdbeben als schriftstellerische Berufung

Aristeasbrief

Azarja (Bonaiuto) ben Mosche dei Rossi (ca. 1511 – ca. 1578), bekannt auch unter dem Namen seiner Familie Azarja min ha-Adomim (= dei Rossi; zur Schreibung ‚Adomim‘ anstelle vom ‚Adummim‘ siehe Weinberg 2001 [The Light of the Eyes], xiii), stammte aus Mantua. Seine Familie hatte engste Verbindungen zum Hof der Gonzagas; einem breiteren Publikum ist heute vor allem der Komponist Salomone dei Rossi (1570 – ca. 1630) bekannt. Azarja dei Rossi studierte Medizin, führte als Arzt aber ein unstetes Leben zwischen Ferrara, Ancona, Bologna and Sabbioneta. Unter dem Druck der antijüdischen Maßnahmen Papst Pius V. (1569 Bulle Hebraeorum gens zur Vertreibug der Juden aus Rom und Ancona) ließ sich dei Rossi in Ferrara nieder, wo er auch zu schreiben begann. Gegen Ende seines Lebens kehrte er nach Mantua zurück. Hier verbrachte er die meiste Zeit mit dem Studium von klassischem und mittelalterlichem Latein und der Geschichte des jüdischen Volkes (Weinberg 2001, bes. xiii – xix). 1578 starb er in seiner Heimatstadt. Azarja dei Rossi begann erst in fortgeschrittenem Alter und ganz offenbar unter dem Einfluss einer Naturkatastrohpe zu schreiben (Weinberg 2001, xvi – xvii). Sein Hauptwerk ist das Buch Me’or Enajim ‚Erleuchtung der Augen‘, das 1573 in Mantua gedruckt wurde und in dem auch Messer Leon eine positive Würdigung erfährt. Der Me’or Enajim umfasst verschiedene Abhandlungen. Hinter dem Traktat Qol Elohim (‚Die Stimme Gottes‘) verbirgt sich die Darstellung des großen Erdbebens, das im November 1570 die Städte Florenz, Modena, Venedig, aber vor allem Ferrara heimsuchte. Allein in Ferrara versanken sechs Kirchen und das Rathaus in Schutt und Asche (von Hoff 1840, 250), und so war es nicht verwunderlich, dass dei Rossi, wie viele andere, dieses Erdbeben weniger als eine natürliche Katastrophe denn als göttliche Heimsuchung verstand. Den zweiten Hauptteil dieses Werkes, Hadrat Zeqenim (‚Der Glanz der Altvorderen‘), bildet die hebräische Übersetzung der lateinischen Version des sog. Aristeasbriefes, die er von dem christlichen Forscher Garbitius erhalten hatte. Nach dei Rossis eigener Aussage stellte das Erdbeben von Ferrara den Anlass für seine Beschäftigung mit dem Aristeasbrief dar, einer pseudepigraphischen griechischen Schrift aus dem 2. Jahrhundert v. u. Z., die von der Entstehung der griechischen Übersetzung der Tora berichtet (Rajak 2009; Feldmeier 1994). In der neueren Forschung zum Me’or Ena-

7.2. Persönlichkeiten    209

jim wird diese von Azarja gebotene sachliche Verbindung zwischen Qol Elohim und Hadrat Zeqenim zumeist nicht hinterfragt (vgl. aber die Diskussion bei Veltri 1995a). Andere (z. B. Liss 2003b) sehen in der Voranstellung von Azarjas Bericht über das Erdbeben (im Sinne der ‚Erschütterung‘ des Bekannten) eine hermeneutische Voreinstellung zu seinem Buch, vor allem dessen dritten Teil, den Imre Bina (‚Reden der Einsicht‘). Bereits in Qol Elohim kündigt Azarja an, dass er neben biblischen und rabbinischen auch christliche Quellen heranziehen werde. Diese Würdigung auch nicht-jüdischer Autoren führte dazu, dass Josef Karo ein Verdammungsurteil zu dem Buch verfassen und es verbrennen lassen wollte (es kam allerdings nicht mehr dazu), und auch die Rabbiner Venedigs verboten die Lektüre des Me’or Enajim für alle Männer unter 25 und wollten es nur unter besonderen Umständen und Genehmigungen zur Lektüre freigeben (Kilcher / Theisohn 2011, 671). Vor allem die Protagonisten der Wissenschaft des Judentums (vgl. unten Kap. 9.1.a.) wollten Azarja dei Rossi als ihren wissenschaftlichen Vorreiter in Anspruch nehmen. Nach Abraham Geiger war dei Rossi der einzige jüdische Kritiker, den es vor dem 19. Jahrhundert gegeben habe (Geiger 1857, 15). Geiger hatte dies vor allem auf dei Rossis textkritische Überlegungen und seine positive Würdigung der Septuaginta-Tradition* bezogen.

Innerjüdische Zensur

Vorreiter der Wissenschaft des Judentums?

f.  Abraham ben David Portaleone (1542 – 1612) Abraham ben David Portaleone entstammte einer einflussreichen Biographie jüdischen Arzt-Familie, die heute gut dokumentiert ist und bis ins 14. Jahrhundert hinein zurückverfolgt werden kann (bes. Miletto 2004a, 1 – 14). Er erhielt nicht nur eine klassische rabbinische Ausbildung, sondern ebenso gründlichen Unterricht in Latein und Philosophie sowie den anderen profanen Wissenschaften. Nach seinem Studium der Medizin an der Universität Pavia erlangte er 1563 den Doktortitel und wurde (am 3. Dezember) 1566 in die Ärztekammer (Collegio dei Medici) aufgenommen. Allerdings konnte Portaleone seinen Beruf nur dank einer Reihe verschiedener Sondergenehmigungen und Privilegien ausüben (Miletto 2004a, bes. 2 – 7; 2002, I, 16 – 18), denn bereits Papst Paul IV. (Bulle Cum ­Nimis Absurdum; 1455) hatte den jüdischen Ärzten die Behandlung christlicher Patienten im Allgemeinen verboten, was durch die Bulle Romanus Pontifex von Papst Pius V. am 19. April 1566, also kurz vor Portaleones Approbation, nochmals bestätigt wurde und bei den katholischen Fürsten durchgesetzt werden sollte (zu weiteren Verschärfungen dieses Berufsverbotes in diversen päpstlichen

210    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Bullen Miletto, 2004a, 6 – 11). Das Berufsverbot und äußere Anfeindungen durch christliche Ärzte machten Portaleone das Leben schwer. Allerdings veröffentlichte er 1584 in lateinischer Sprache das Werk Dialogi tres de auro, in quibus non solum de auri in re medica facultate (…), eine Abhandlung über den Gebrauch von Gold in der Medizin; auch eine weitere medizinische Abhandlung ist auf uns gekommen, allerdings unveröffentlicht (Miletto 2004a, 13). Das Blatt wendete sich erst und auch dann nur zögerlich zum Besseren, als Papst Sixtus V. mit der Bulle Christiana pietas (1586) auch den jüdischen Ärzten ihre Berufsausübung zugestand, zwanzig Jahre nach dem Eintritt Portaleones in die Ärztekammer. 1605 erlitt er einen linksseitigen Schlaganfall, den er als Strafe Gottes dafür verstand, dass er sich zeit seines Lebens mehr um die Medizin und seine Berufsausübung als Arzt denn um das Studium der heiligen Schriften gekümmert hatte. So verfasste er die sog. Schilte ha-Gibborim (‚Heldenschilde‘; gedruckt in Mantua 1612), die er seinen Söhnen widmete, um sie vor der Sünde ihres Vaters zu schützen und ihnen die Beschäftigung mit der Tora ans Herz zu legen (Miletto 2004a, 16). Obwohl es sich hierbei um alles andere als einen Bibelkommentar handelt, sollen sie doch kurz dargestellt werden, weil die Bibel und bestimmte biblische Themen, vor allem Tempel und Tempelritual, in diesem Werk eine ganz herausragende Rolle spielen, und uns gerade die Einleitung in dieses Werk einen unvergleichlichen Eindruck in das Universum des Wissens eines jüdischen Intellektuellen im ausgehenden 16. Jahrhundert bietet. Die Schilte haDie Schilte ha-Gibborim sind ihrer Form nach kein BibelkomGibborim mentar, aber auch keine philosophische Abhandlung. Im Kanon der hebräisch-aramäischen Literaturen stellen sie etwas völlig Neues dar: Die Hauptteile der Schilte ha-Gibborim sind als Gebetbuch konzipiert, das aus drei ‚Schilden‘ konzipiert ist und in das Portaleone Lesungen aus der Bibel, den Midraschim*, dem Talmud* und dem Zohar integriert hat: So finden sich im ersten Schild Lesungen aus der Bibel, von denen schon die rabbinischen Quellen annahmen, dass diese Texte bei den täglichen Morgen- und Abend-Opfern (Schacharit und Aravit) durch die sog. Standmannschaften (ma‘amadot) rezitiert wurden (mTaan IV,2). Der zweite Schild umfasst biblische, rabbinische (Talmud und Midrasch) und kabbalistische Lesungen (Zohar); der dritte Schild enthält Lesungen über die unterschiedlichen Opferbestimmungen zu den Fest- und Feiertagen (Miletto 2004a, 15 – 28; 2002, I, 21 – 75). Bei all dem beruft sich Portaleone auf das Ritual im Jerusalemer Tempel. Nach Portaleone sollte der Tora-Gelehrte die gleiche spirituelle Ausrichtung (kawwana) wie die priesterlichen Mitglieder haben und sich darin gleichsam als Tempeldiener fühlen. Um dies auch konkret

7.2. Persönlichkeiten    211

zu verdeutlichen, verfasste er für die Schilte ha-Gibborim einen eigenen Eingangsteil (90 Kapitel), der sich ausschließlich dem Jerusalemer Tempel, der baulichen Anlage und ihren architektonischen Besonderheiten (Kap. 1 – 3), allen weiteren baulichen Einrichtungen (z. B. Kap. 16; 23 – 30), dem kultischen Personal (Kap. 35 – 40) und den einzelnen Opfer- und Festritualen (Kap. 60 – 74), den Tempelabgaben (Kap. 19 – 22), den kultischen Geräten und Gewändern (Kap. 31 – 34; 44 – 49) bis hin zu Fragen der Opfermaterie (Kap.  50 – 53; 58 – 88) und Mineralienkunde (Kap.  54 – 56) widmet. Nach Gianfranco Miletto, der sich wohl wie kein Zweiter mit Abraham Portaleone beschäftigt hat (Miletto 2004a, 35 – 105; 2002, I, 24 – 44), handelt es sich bei Schilte ha-Gibborim um eine Art jüdische Enzyklopädie, in der die Bibel eine zentrale Rolle spielt. Dies betrifft nicht nur ihren textlichen Umfang, sondern auch ihre archäologische Relevanz und die von Portaleone geleistete Verknüpfung von antiker priesterlich-levitischer Performanz und dem Gebetsritual seiner Zeit. Ähnlich wie schon bei Messer Leon zeigt sich auch bei Abraham Portaleone, dass er keine Berührungsängste mit einem bunten Nebeneinander religiöser und profaner Topoi hat: Ausführungen zu Musikinstrumenten und Musiktheorie (Kap. 4 – 13) finden sich ebenso wie Abschnitte zu Waffen- und Kriegstechnik (Kap. 41 – 43), die sich unmittelbar an die Erklärung der einzelnen Priesterklassen anschließen (Kap. 38 und 39) und darin faktisch das Kriegsgesetz in Dtn 20 (bes. Vv. 1 – 4) aufnehmen. Darlegungen zur Truppenaufstellung (Kap. 43) finden sich neben den Vorschriften für die Anfertigung der Priestergewänder (Kap.  44 – 47). Mineralienkundliche Erklärungen (Kap.  54 – 56) schließen unmittelbar an die Darlegung zu den reinen Tierarten an (Kap. 53). Bis heute gibt es kaum einen kurzweiligeren und gleichzeitig so faszinierenden Zugang zu zentralen Themen der Tora. g.  Menachem ben Jehuda de Lonzano (ca. 1555 – ca. 1624) Menachem ben Jehuda de Lonzano war ein Sprachwissenschaft- Biographie ler und Kabbalist (einen ausführlichen biographischen Abriss bietet Penkower 2014, 41 – 61). Ursprünglich aus Italien stammend, war er früh verwaist und kam wahrscheinlich noch als sehr junger Mann nach Konstantinopel. Nach seiner Heirat siedelte er (nicht vor 1575, aber nicht später als 1577) nach Eretz Israel über, wo er über 40 Jahre lebte, zunächst in Jerusalem, sodann in Safed (Tzefat). Aus dieser Zeit in Safed geht eine Reihe von (auch kritischen) Schriften zur lurianischen Kabbala hervor. Reisen führten ihn nach Ägypten, nach Damaskus und immer wieder nach Italien. 1607 traf er in Mantua mit Abraham Portaleone zusammen (siehe oben

212    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik

De Lonzanos Hauptwerk Schte Jadot

Der erste Kodikolo­ ge und Textkritiker

Der „beste“ Text gegen den Midrasch

Kap. 7.2.f.). Etwa 10 Jahre später, so berichtet Jedidja Salomon Raphael ben Abraham Nortzi (siehe unten Kap. 7.2.h.), kam de Lonzano zu ihm nach Mantua, um mit ihm seine Schrift Or Tora durchzuarbeiten (siehe im Folgenden). Um 1618 kehrte de Lonzano nach Eretz Israel zurück. Er starb vor 1626 und wurde am Ölberg begraben. De Lonzanos Hauptwerk ist seine mehrbändig angelegte Schrift Schte Jadot (‚Zwei Hände‘; Venedig 1618), die aus zwei Teilen besteht: Jad Ani und Jad ha-Melech. Die jeweiligen ‚Hände‘ bestehen wiederum aus jeweils fünf Teilen (etzba‘ot ‚Finger‘). Mit Blick auf die Bibelauslegung ist vor allem Jad Ani relevant. Es zeigt eine ganz eigenwillige Zusammenstellung von philologisch-exegetischen (Or Tora; Ma’arikh), erbaulichen (Avodat Miqdasch) und moralisch-ethischen Abschnitten (Derekh Chajjim; Tova Tokhachat). Noch in Jerusalem entstanden der Or Tora und der Ma’arikh. Der Or Tora umfasst textkritische und masoretische Notizen zu den Wochenabschnitten (auch separat gedruckt Amsterdam 1659) und wurde später intensiv von Jedidja Salomon Raphael ben Abraham Nortzi aufgenommen. Der Ma’arikh enthält Ergänzungen zum haAruhh des Natan ben Jechi’el aus Rom (vgl. oben Kap. 1.2.c.; ebenfalls separat gedruckt Leipzig 1853.) Bereits 1573 in Konstantinopel hatte sich de Lonzano intensiv mit Bibeltextstudien und Masora beschäftigt. Sein Ziel war es, die Fehler der zweiten Bomberg-Ausgabe, die bereits mit masoretischem Apparat gedruckt war (siehe oben Kap. 7.1.f.), hinsichtlich Text, Vokalisation und Akzentsetzung zu korrigieren. Zu diesem Zweck konsultierte er Bibelcodices aus Jerusalem, Damaskus und Aleppo. Die Ausgabe seiner Schte Jadot von 1618 überliefert einen Brief der Rabbiner von Konstantinopel an die besagten Gemeinden mit der Bitte, ihm ihre Bibelcodices für eine gewisse Zeit und zu Studienzwecken auszuleihen. In Or Tora berichtet de Lonzano von bis zu zwölf Manuskripten, die er zum Zwecke des textkritischen Vergleichs konsultiert habe (Penkower 2014, 167). De Lonzano verweist immer wieder darauf, dass man Lesarten des biblischen Textes nicht auf der Grundlage und im Sinne midraschischer* oder kabbalistischer Ausdeutungen korrigieren dürfe, wenn dies nicht von den Manuskripten und / oder den in ihnen enthaltenen masorot bestätigt werde. Hier wird also die exegetische Qualität der Masora zugunsten der textkritischen Verwendung zurückgestellt. Die aschkenasische* Texttradition ist hier bereits deutlich ins Hintertreffen geraten, da de Lonzano vor allem orientalisch-sefardische* Manuskripte konsultierte (Penkower 2014, bes. 181 – 186).

7.2. Persönlichkeiten    213

h.  Jedidja Salomon Raphael ben Abraham Nortzi (1560 – 1626) Jedidja Salomon Raphael ben Abraham Nortzi, bekannt auch unter Biographie dem (gedruckten) Titel seines Hauptwerkes Minchat Schai, war ein Rabbiner und Gelehrter in Mantua. Über sein Leben ist nicht viel bekannt. Er wurde 1585 zum Rabbiner ordiniert und übte dieses Amt wohl bis an sein Lebensende aus. Auch scheint sein Wirkungskreis nicht weit über Mantua hinausgegangen zu sein. Nortzi ist heute vor allem für seine textkritischen Arbeiten be- Exegese als kannt (Betzer 2005, 3 – 54; 2001). Unter dem Einfluss von Mena- Textkritik chem ben Jehuda de Lonzano (vgl. oben Kap. 7.2.g.) bestand sein exegetisches Interesse vor allem darin, die Bibel textkritisch aufzuarbeiten und von Irrtümern zu befreien. Insbesondere die Masora des MS Parma de Rossi 782, einer sefardischen Bibel-Handschrift aus Toledo (1277), stellte dabei sein grundlegendes Arbeitsinstrument dar. Mit Hilfe dieses Manuskriptes erarbeitete Nortzi 1626 den Apparat und die autoritativen Lesarten für das für die neuzeitliche jüdische Textwissenschaft grundlegende Werk Goder Peretz (‚Breschenschließer‘), das 1742 von Rafael Chajjim Basile unter dem Titel Minchat Schai in Mantua gedruckt wurde. Mehr noch als bei Menachem de Lonzano war bei Nortzi die Masora eines ausgewählten und für authentisch erachteten Manuskriptes so etwas wie die ancilla des (‚besten‘) Bibeltextes. Bereits Paul Kahle verwies darauf, dass Nortzi fast ausschließlich sefardische Lesarten präferierte (Kahle 1959, 129 – 141). Obwohl er kein tiberiensisch ben-ascherianisches Manuskript zur Hand hatte, wusste er doch, dass die sefardischen Handschriften auf diesen basierten. Wie kein zweiter hat Minchat Schai damit die Richtung für die moderne textkritische Forschung vorgegeben. i.  Uriel da Costa (1583 / 84 – 1640) Uriel (vormals: Gabriel) da Costa (1583 / 84 – 1640) aus Porto, Por- Biographie tugal, lässt sich nicht eigentlich als Bibelkommentator charakterisieren. Gleichwohl sei er an dieser Stelle erwähnt, denn die von ihm in seinen Schriften behandelten Themen sollten das Judentum der Aufklärung wie auch das des 19. und frühen 20. Jahrhunderts durchgehend beschäftigen. Uriel da Costas Familie entstammte den sog. Neuchristen (Conversos) auf der iberischen Halbinsel (span. cristianos nuevos, port. cristãos-novos), d. h. Juden, die zum Christentum zwangsbekehrt wurden und manchmal auch als marranische Kryptojuden weiterhin ihre alte Religion ausübten. 1615 von Portugal nach Amsterdam übergesiedelt, nahm da Costa mit seiner Familie den jüdischen Glauben an; von einer ‚Rückkehr zum Judentum‘ kann man bei ihm, der 1609 sogar die klerikalen Weihen

214    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik empfangen hatte, eigentlich nicht sprechen. Wie nicht anders zu erwarten, kam er schon bald mit den Vorstellungen der dortigen rabbinischen Gelehrten nicht zurecht: Vor allem das Verhältnis zwischen schriftlicher und mündlicher Tora bereitete ihm Probleme (zum Ganzen Grözinger 2009, 136 – 157). Die Elf Thesen zur 1616 sandte er elf Thesen an die spanisch-portugiesische Gemündlichen Tora meinde in Venedig, die ihrerseits den aschkenasischen* Rabbiner Leone Modena beauftragte, dazu Stellung zu nehmen und da Costa zu bewegen, seine Thesen zurückzunehmen. Diese Stellungnahme Modenas findet sich in dessen Traktat Magen we-Tzinna (‚Schutz und Schild‘). Weil da Costa sich weigerte, wurde 1618 der Synagogenbann über ihn verhängt. 1624 legte da Costa noch einmal nach und publizierte eine erweiterte Fassung seiner Elf Thesen sowie eine ausführliche Bestreitung des Dogmas von der Unsterblichkeit der Seele unter dem Titel Exame das tradicoes Phariseas conferidas com á lei escrita (‚Prüfung der pharisäischen* Traditionen verglichen mit dem schriftlichen Gesetz‘), wofür er seitens der christlichen Behörden verhaftet und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Weil er sich auch weiterhin gegenüber dem Gesetz unbotmäßig zeigte, wurde der Synagogenbann erneuert. Da Costa unterzog sich zwar 1640 einer öffentlichen Bußprozedur, die für ihn aber so erniedrigend und traumatisch war, dass er kurze Zeit darauf den Freitod wählte. In der neueren Forschung macht man vor allem die marranische Religion für da Costas Scheitern innerhalb der jüdischen Gemeinde verantwortlich: Die hier schon zu sehr verwässerte rabbinische Religionspraxis riss einen zu tiefen Graben zur traditionellen Religionspraxis auf und ließ da Costa nicht mehr hinter eine selbst gezimmerte Religion aus schriftlicher Tora und Marranentum zurückgehen (vgl. auch Strauss 2001a). j.  Baruch Spinoza (1632 – 1677) Biographie

Baruch (Bento, Benedictus) de Spinoza wurde als Kind iberisch-portugiesischer Einwanderer in eine Amsterdamer Kaufmannsfamilie geboren. Obwohl Spinoza als junger Mann eine traditionelle Ausbildung in den jüdischen Literaturen genossen hatte, war er doch ein freidenkender und traditionskritischer Geist, und so blieb es auch ihm nicht erspart, dass er von der Amsterdamer Jüdischen Gemeinde mit dem Bann belegt wurde. Nach dem Tod seines Vaters 1646, dessen Handelsgeschäft Spinoza nicht übernehmen wollte, kam er zunehmend intensiver in Kontakt mit christlichem Gedankengut. Besonders der ehemalige Jesuit und Freidenker Franciscus van den Enden hatte wohl großen Einfluss auf die Entwicklung seiner religions- und bibelkritischen Ideen. Seinen Lebensunterhalt

7.2. Persönlichkeiten    215

bestritt er vor allem mit dem Optiker-Gewerbe. Eine ihm 1673 angebotene Professur an der Universität Heidelberg lehnte er ab. Er starb 1677 in Den Haag. Lediglich die Renati Descartes principiorum philosophiae von 1663 erschienen unter seinem Namen; 1670 wurde der Tractatus Theologico-Politicus (TTP) anonym publiziert und nicht nur von den jüdischen Zeitgenossen, sondern auch von der Kirche sogleich bekämpft, die ihn 1674 auf den Index setzte. Spinoza hinterließ eine Reihe unvollendeter Schriften, darunter philosophische und ethische Traktate, aber auch eine hebräische Grammatik (Compendium Grammatices Linguae Hebraeae ‚Kompendium der Grammatik der Hebräischen Sprache‘). Der auf Latein und anonym publizierte Tractatus Theologico-­ Der Tractatus TheoPoliticus ist kein Bibelkommentar, sondern Spinozas Hauptwerk logico-Politicus zur Religionskritik (in insgesamt 20 Kapiteln). Er suchte mit ihm eine philosophische Begründung für Gedankenfreiheit und religiöse Toleranz vorzulegen. Spinozas Ziel war die Aufhebung der von der mittelalterlichen Philosophie seit R. Sa‘adja Gaon angestrebten In-Eins-Setzung von Offenbarung und Vernunft (Nadler 2013; Fraenkel 2013). In der Folge entstand die Idee einer rigorosen „Trennung (…) der historisch-partikularen Offenbarung von den universalen Erkenntnissen der Vernunft. Erst nachdem diese Trennung begründet und damit die Traditionsfesseln der mittelalterlichen Philosophie gesprengt waren, konnte das rationalistische Erbe dieser Philosophie in seiner ungebremsten Konsequenz entfaltet werden“ (Grözinger 2009, 164). Entscheidend ist dabei, dass Spinoza zwischen der Bedeutung eines Textes und der Frage nach der Wahrheit unterscheidet: die Bedeutung des Textes ist ausschließlich bei seinem Autor zu suchen. Exegese dient damit nicht der Wahrheitsfindung, sondern der Eruierung der Intention des Autors (Nadler 2013, 621). Deshalb gründet bei Spinoza die Kritik der Religion in der kritischen Betrachtung der Schrift, und so nimmt es nicht wunder, dass er dem Umgang mit der Schrift einen ausführlichen Platz einräumt, indem er Themen wie Prophetie (TTP 1 – 3), ‚Zeremonialgesetz‘ (TTP 4 – 5; ein Begriff, den auch Moses Mendelssohn aufnahm, und über den sich später vor allem Samson Raphael Hirsch mokieren sollte), die biblischen Wunder (TTP 6), aber auch historiographische Fragestellungen, wie die Frage nach den oder dem biblischen Verfasser(n) (TTP 8 – 9) oder nach der Etablierung von Staat und Recht in der Geschichte der Hebräer (TTP 17 – 18), behandelte und damit so etwas wie eine Einleitungswissenschaft in die Bibelauslegung einführte (dazu ausführlich Grözinger 2009, 170 – 192). Die grundlegende Hermeneutik Spinozas im Umgang mit den biblischen Texten wird vor allem in Kap.  7 – 10 des Tractatus entfaltet.

216    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik

7.3. Neue Zugänge Den meisten der hier vorgestellten jüdischen Gelehrten der Renaissancezeit sowie der frühen Neuzeit ist gemeinsam, dass in ihrer Auffassung und ihren Schriften der Gegensatz zwischen religiösem und profanem Wissen aufgehoben bzw. auf einer höheren Ebene zu einer Synthese zusammengeführt wird. Dabei spielt die auch für die nichtjüdische Renaissancezeit charakteristische These, dass die aetas aurea in der Antike zu suchen ist, eine entscheidende Rolle. Bei Messer Leon ist dies das Zeitalter der Propheten, bei Portaleone die Zeit des Tempels und seines kultischen Rituals. Profanes und religiöses Wissen gehen gleichermaßen auf Gott zurück und können deshalb auch mit- und nebeneinander bestehen. a.  Die universale Weisheit der Bibel Weisheit und Wissenschaft in der Bibel

Zu Beginn seines Buches Nofet Tzufim stellt Messer Leon die ‚Heilige Tora‘, d. i. bei ihm die Hebräische Bibel in toto, als den entscheidenden Maßstab des universalen Wissens vor: Diese Tora konstituiere Weisheit und Wissenschaft als eine Art weisheitliche ‚Einheitskultur‘, die heiliges und profanes Wissen gleichermaßen umgreife (zum Ganzen Liss 2003b, bes. 56 – 64; Miletto 2002, Bd. 1, 40 – 41). Die weisheitliche Vollkommenheit war nicht nur mit dem rabbinischen Wissen (gegenüber dem Wissen der nicht-jüdischen Völker) identisch, sondern in dieser Doppelung als jüdische und allumfassende Weisheit dem Wissen der anderen überlegen: Siehe aber, in den Tagen der Propheten (…), in denen von Zion aus, der Vollkommenheit der Schönheit, Gott strahlend sichtbar wurde, lernten und erkannten wir aus der heiligen Tora alle Weisheiten und (theoretischen) Betrachtungen, einschließlich (aller) menschlichen (geistigen) Errungenschaften, denn alles ist in ihr, entweder implizit oder ausdrücklich. Das, was sich (an Weisheit) bei den anderen Völkern fand, war im Vergleich mit uns wenig (…) (Nofet Tzufim I,13, ed. Rabinowitz 1983, 142).

Aaron Hughes (Hughes 2012) verweist darauf, dass es hier nicht nur darum geht, einzelne jüdische Gelehrte mit Hilfe der Rhetorik zur Bibel zurückzuführen, sondern die jüdische Überlegenheit durch nicht-jüdische Kontexte und Diskurse zu artikulieren. Exil und Dass „alles in ihr [der Tora] sei“, ist eine subtile Umdeutung Bildungsverlust des berühmten Diktums von Ben Bag Bag: „Drehe und wende sie; denn alles ist in ihr“ (mAv V,21; vgl. Langer 2016, 22). Messer Leon konstatiert nun einen steten Niedergang dieser Weisheit und Erkenntnis, den er nicht nur in dem Verlust prophetischer Inspiration, sondern gleichermaßen in dem intellektuellen Unvermögen seiner eigenen (weil späteren) Zeit begründet sieht. Im Ergebnis

7.3.  Neue Zugänge    217

endet dieser weisheitliche Verfall nach Messer Leon darin, dass die Vollkommenheit der Tora, d. h. der Hebräischen Bibel als Trägerin umfassender Weisheit, nicht mehr erkannt werde. Das jüdische Wissen sei nicht mehr in diesem doppelten Sinn als profanes und heiliges Wissen verstanden worden. Stattdessen konstatierte Messer Leon die Aufspaltung in jüdisches / heiliges Wissen einerseits und nicht-jüdisches / profanes Wissen andererseits, die für die gesamte Exilszeit kennzeichnend sei. Der Verlust von Staatlichkeit und Tempelkult habe zum Untergang der jüdischen Wissenskultur geführt: Von dem (Zeitpunkt) aber, als die Schekhina wegen unserer Sünden von Die Weisheit der uns fortging, als (also) Prophetie und Erkenntnis aufhörten und das Wis- nicht-jüdischen sen unserer vernünftigen Zeitgenossen im Verborgenen lag, konnten wir Völker nicht länger die gesamten (geistigen) Errungenschaften und (theoretischen) Vollkommenheiten aus der Tora heraus verstehen. Dazu (kommt) noch unsere eigene (geistige) Armut, (die) es uns unmöglich macht, die Tora in Vollkommenheit zu verstehen (…) Ja, (erst), nachdem wir alle (profanen) Wissenschaften oder (wenigstens) einen Teil von ihnen kennengelernt haben (werden) und dann über die Worte der Tora nachsinnen, werden die Augen unseres Verstandes geöffnet, (und wir sehen), dass alle (diese Wissenschaften schon) in den Worten der Tora enthalten sind. Und (dann) wundern wir uns, warum wir dies nicht (schon) von Anfang an eingesehen haben, so, wie es uns schon viele Male erging, besonders in der Wissenschaft der Rhetorik: Denn wenn ich die Worte der Tora in der Weise betrachtete, wie es jetzt bei den meisten Menschen vorkommt [d. h. gemäß der klassischen jüdischen Auslegungsmethode], so ahnte ich nicht (einmal), dass solche Wissenschaft oder (zumindest) ein Teil von ihr in ihr (steckte). Nun jedoch, wo ich die (rhetorische Wissenschaft) (…) aus den Traktaten der Völker, die nicht zu uns (gehören), gelernt und erforscht habe und dann zurückkehrte, um zu sehen, was davon in der Tora und den (anderen) heiligen Büchern stünde, da wurden meine Augen aufgetan, und ich sah, dass die (Tora) die (ursprünglich) Gebende war (Nofet Tzufim I,13, ed. Rabinowitz 1983, 142 – 144).

In Messer Leons Lehrhaus wurden neben Bibel und Talmud* auch Logik und Ethik sowie Grammatik und Rhetorik unterrichtet. Erst der Rückgriff auf die Weisheit und Wissenschaft der nicht-jüdischen Völker bringt nach seiner Ansicht auch die Tora als Trägerin der allumfassenden Weisheit wieder zum Leuchten. Vor allem die Rhetorik ist jetzt der exegetische Maßstab für die Auslegungen, die Messer Leon als „wunderbare Auslegungen nach dem Literalsinn, neu und jüngst erst aufgekommen [Dtn 32,17]“ vorstellt (Nofet Tsufim, Einleitung § 13). Messer Leon selbst nennt seine Erklärungen Peschat-Auslegungen*, verwendet also eine exegetische Terminologie zur Charakterisierung seines Buches über die Rhetorik. Sein Lehrbuch der Redekunst speist sich ganz und gar aus biblischen Zitaten.

218    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Vor allem die Propheten gelten Messer Leon als vollkommene Redner (Sg. melitz), die in zahlreichen Diskursen mit ihrer Überzeugungskunst aufgewartet haben. Aus diesem Grund stellt er mehrfach fest, dass nunmehr der Wahrheitsgehalt der Schriften Quintilians oder Aristoteles’ erwiesen sei. Die methodische Analyse nach den humanistischen sprachwissenschaftlichen Konzepten wurde an den biblischen Sprachformen gleichsam erprobt und für gut befunden. Die Bibel wird zum Lehrbuch für den jüdischen Redner, der mit ihrer Hilfe seine rhetorische Überzeugungskraft vervollkommnet. Methodisch besteht also die entscheidende Veränderung im Umgang mit der Hebräischen Bibel darin, dass Messer Leon die hebräischen Sprachfiguren einer grundlegenden und systematischen rhetorischen Analyse unterzieht und die Bibel dabei wie jedes andere klassische Werk der Antike behandelt. Ihre religiöse Sonderstellung wird aufgehoben. Es zeigt sich hier bereits ein ausgesprochen profaner Zugang zur Bibel, was, wie es dann bei Messer Leons geistigen Nachfolgern gut zu sehen ist, im nächsten Schritt die Möglichkeit ihrer historischen Erforschung zulässt. Die Bibel und die Aber noch eine weitere, wichtige Neuerung gegenüber der jüdistudia humanitatis schen Antike und dem Mittelalter lässt sich beobachten: Messer Leons Neudefinition von Peschat bricht das bis dahin geltende, zusammenhängende und sich kontinuierlich entwickelnde Gefüge von Schrift und Schriftauslegung auf, um die Schrift mit einer außerhalb des bisherigen Traditionsstranges liegenden Verstehenskategorie zu qualifizieren. Gleichzeitig favorisiert Messer Leon exemplarisch das für die Renaissance-Zeit typische Revival der Antike, das Rekurrieren auf die klassische Literatur und deren Studien. Die Hebräische Bibel wird damit zur ‚antiken Tradition‘. Hier liegt nun definitiv ein Bruch mit der rabbinischen Tradition auch noch des Hochmittelalters vor, denn bis dahin hatte weder das biblische Schrifttum noch dessen Sprache als ‚antik‘ gegolten (Lesley 1992, 46). Zum ersten Mal entwickelt sich also so etwas wie das Bewusstsein eines zeitlichen Abstandes zwischen Antike und Jetztzeit, in dem die Gegenwart dem Alten als etwas eigenes gegenübersteht, und erst jetzt können auch externe Frage- und Problemstellungen auf das eigene und nunmehr klassisch gewordene Literaturgut angewandt werden. Messer Leon konnte sich damit nicht nur in den Kreis derer einreihen, die sich den studia humanitatis verschrieben hatten, sondern gleichzeitig auch den Stellenwert des biblischen Schrifttums nach außen zu heben versuchen. In dieser Profanisierung des biblischen Textes nimmt Messer Leon einen wichtigen methodischen Schritt der Bibelkritik des 19. Jahrhunderts vorweg. Die ars rhetorica der Propheten

7.3.  Neue Zugänge    219

b.  Biblisches Recht als gesellschaftspolitischer Maßstab Abravanels Bibelkommentare unterscheiden sich erheblich von den mittel- und hochmittelalterlichen Kommentaren bis Ramban. Zwar zeigt sich auch bei Ramban und R. David Qimchi (Radaq) schon eine deutliche Tendenz zur systematischen Zugriffsweise auf die biblischen Bücher (vor allem in ihren jeweiligen Einleitungen zu den Kommentaren), aber Abravanel geht bereits formal deutlich darüber hinaus: Er teilt die biblischen Bücher in einzelne Teilabschnitte ein, denen er stets eine thematische Einleitung voranstellt, die neben einer inhaltlichen Zusammenfassung auch einen systematischen Abriss über die theologischen Probleme des besagten Abschnittes bietet (Lawee 2008). In diesen Einleitungen formuliert Abravanel Fragen (sche’elot; so genannt im Genesis- bis Numeri-Kommentar) bzw. sefeqot (Sg. safeq; im Deuteronomium-Kommentar), was man wohl am besten mit Maier als ‚offene Fragen‘ (Maier 2000, 313 f.) versteht. Das können je nach Wochenabschnitt mehr als zwanzig sein, die sowohl textchronologische, logische als auch inhaltliche Themen betreffen und darin bereits den Umfang seiner Kommentare erahnen lassen. Abravanels thematisch-systematisierende Arbeitsweise führte dazu, dass sich das exegetische und theologische Übergewicht der Tora, wie es bei den hochmittelalterlichen Auslegern wie Raschi und seinen Nachfolgern noch selbstverständlich vorausgesetzt ist, bei ihm zugunsten der anderen biblischen Bücher verschoben hat und nun vor allem die (Vorderen) Propheten und die Schriften deutlich mehr Gewicht erhalten. Grammatische oder philologische Probleme behandelt er nie in extenso, sondern verlässt sich hierbei zumeist explizit auf seine exegetischen Vorgänger, besonders auf Raschi, R. Abraham ibn Ezra und Radaq. Sein besonderes Interesse galt der Philosophie und dem von der Bibel her zu bestimmenden Ideal der politischen Ordnung. Hierbei fließen nicht nur seine Erfahrungen als Politiker oder Financier in Portugal, Spanien und Italien ein; vielmehr ist es vor allem das Modell der italienischen Stadtstaaten und hier wiederum die Verfassung der Republik Venedig, die den Maßstab für seine Ausführungen bildet. Ausgangspunkt ist die schon für die Antike zentrale Frage nach der besten und zweckmäßigsten Verfassung, wie sie bereits von Cicero und Seneca gestellt wurde. Als Renaissance-Denker lehnte Abravanel vor allem die tyrannischen Auswüchse der Monarchie ab. Als Staatsform entwickelte er eine Art Mischform, in der er eine breitere Bürgerschaft und eine gesellschaftliche Elite gleichermaßen an einer effektiven Staatsführung beteiligen wollte. Allerdings gilt dies alles zunächst einmal für Nicht-Juden, denn Israel hat die Tora bzw. die gesamte Hebräische Bibel und das in ihr niedergelegte Gesetz, das es dabei

Abravanels systematische Bibelauslegung

Gesellschaftspoliti­ sche Erörterungen

220    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik stets zu berücksichtigen gilt. Die biblischen Bücher überliefern eine Reihe von Details zur politischen und juristischen Ordnung, die für Israel maßgeblich sind. Biblische In Exodus 18,14 – 26 wird beschrieben, wie der Schwiegervater Rechtsprechung des Mose dessen Anstrengungen bei der Rechtsprechung beobachtet und ihm in diesem Zusammenhang eine ‚juristische Struktur-Reform‘ vorschlägt, die nach dem Bibeltext auch tatsächlich von Mose unhinterfragt umgesetzt wird: Nach Jitros Vorschlag sollte sich Mose gottesfürchtige Männer aussuchen, die er über Einheiten von je tausend, hundert, fünfzig und zehn setzen sollte, damit sie an seiner Statt die kleinen Rechtsfälle bearbeiteten. Damit sei für Mose eine Entlastung erreicht, da er sich lediglich um die schwierigen Rechtsfälle, nicht jedoch um Bagatellen zu kümmern habe. Abravanel hat mit diesem Passus ein doppeltes Problem: Zum einen muss er erklären, wieso der midianitische Schwiegervater dem Propheten, Richter und Anführer Mose staatspolitische Ratschläge erteilen kann; zum anderen weiß er, dass die erste Mose-Rede des Buches Deuteronomium (Dtn 1,6 – 4,43: Rückblick auf die vierzigjährige Wanderung in der Wüste) gleich zu Beginn die Episode mit den Richtern in der Weise schildert, als habe Mose sich die ganze Sache selbst ausgedacht (Dtn 1,9 – 18). Nachdem Abravanel eine ausführliche Diskussion darüber geführt hat, ob Jitro bereits vor oder erst nach der Gabe der Tora gekommen sei, formuliert er folgende grundsätzliche Überlegungen: Die fünfte Frage betrifft den Rat des Jitro an Mose hinsichtlich der Ernennung der Richter. Sieh nämlich, die Worte des Jitro waren (zwar) gut und redlich, aber [gleichzeitig auch nichts Besonderes!] (denn schon) der Schlichteste kann das begreifen und erkennen, dass es ein ignoranter Rat war, wonach ein Mensch vom Morgen bis zum Abend dasteht, um zu richten, denn dabei werden sowohl der Richter als auch jene, die Recht suchen, vor Erschöpfung umfallen. Wie konnten unser Lehrer Mose und die Ältesten Israels nicht darauf achten, dass er Richter über das Volk ernannte, um es sich selbst leichter zu machen? (…) Die 6. Frage betrifft die Mehrung der Richter, die Jitro zu tun geraten hatte, wonach Mose sie zu Befehlshabern über (Einheiten von je) Tausenden, Hunderten, fünfzig und je zehn gemacht hatte, denn siehe, hinsichtlich des Rechtes wäre es (eigentlich) mit einem Verwalter über Tausende genug. Wozu bedurfte es daher der Verwalter über eine Hundertergruppe? Um wieviel weniger noch (braucht man) einen Verwalter über eine (Einheit) von zehn? (…) Wenn (nämlich) bis zu jener Zeit [da Jitro seinen Vorschlag machte] Mose allein ausgereicht hatte, warum genügten dann nicht zwanzig oder zehn Anführer und Richter? (…) (Abravanel, Perusch al ha-Tora, Schemot, ed. 1964, 152)

Abravanel muss hier zunächst einmal den Rat Jitros kleinreden, denn dieser hatte eben nicht die Tora-Offenbarung im Hinterkopf, sondern die Verfassung und das Rechtswesen in Midian. Nach Abravanel musste Mose vor der Offenbarung der Tora alleine richten,

7.3.  Neue Zugänge    221

weil nur er das Gesetz kannte. Gleichwohl habe er den Rat Jitros angenommen, aber nicht deshalb, weil er von Jitro kam, sondern weil er wusste, dass dies ohnehin so geoffenbart und für einen späteren Zeitpunkt relevant sein würde. Nach Jitros Rat sollte sich Mose nur noch um die Kapitalfälle kümmern müssen. Abravanel unterscheidet hier wie in seinem ausführlichen Kommentar zu Dtn 16,18 – 21,9 zwischen Kapitalurteilen, Vermögensfragen und sonstigen politischen Anliegen und Rechtsurteilen (dazu bes. Maier 2000, 317 – 324). Was die Arbeitsaufteilung der Richter angeht, so verweist Abra- Von Eretz Israel vanel auf die Stadt Venedig, in der zu seiner Zeit Rechtsfälle ganz nach Venedig analog vor Gremien mit je 1000, 100, 40 – 50 und zehn Ratspersonen verhandelt wurden. Und die dritte liegt ebenfalls im Verhältnis zur umfassenden Leitung. Sie besteht darin, daß es in einer großen Stadt mit Amtspersonen in den Ländern Dinge gibt, die angemessenerweise nur durch eine Versammlung von tausend Personen aus den Massen entschieden werden. Und es gibt Dinge, die tat man auf Grund der Übereinkunft und des Ratschlusses von hundert Ratspersonen, die über jene gesetzt sind, und es gibt Dinge, die man auf Grund der Übereinkunft und des Ratschlusses von fünfzig oder vierzig Personen ausführt, die über jene gesetzt sind. Und es gibt Dinge, welche solche ausführen, die über diese gesetzt sind, das sind nur zehn; auf ihr Geheiß erfolgt aller Streit und alle Strafe (…) so etwa heute in der Stadt Venedig (Übersetzung Maier 2000, 299).

Wie sich Israel zur Monarchie verhalten und wie die Monarchie Ein König für gestaltet werden soll, entwickelte Abravanel vor allem in seinen Israel? Kommentaren zu Dtn 17 (Königsgesetz der Tora) und 1Sam 8 – 12 (Einsetzung des Königtums; Saul-Überlieferung). In seiner zweiten Vorbemerkung zum Königsrecht, wie es Dtn 17,14 – 20 formuliert, liest sich das so: Die zweite Vorbemerkung ist diese: Auch wenn wir zugestehen, dass der Abravanels König eine nützliche und notwenige Sache in einem Volk ist, um die staat- Ausführungen zum liche Sammlung und ihre Erhaltung bestehen zu lassen, siehe, so ist dies Königsrecht doch beim Volk Israel nicht so, denn (dieses Volk) braucht das nicht und (ein König) ist (hier) auch keine notwendige (Sache). Und die Erklärung dafür, dass ein Volk der Könige bedarf, schließt drei Dinge ein: Die erste Angelegenheit (betrifft) die Kriege, (die normalerweise ein König führt), um (sein) Volk vor seinen Feinden zu erretten und für sein Land zu kämpfen. Die zweite Sache betrifft die Ordnung der Sitten (nimusim), dass (also) der (König) die (für die stete) Verbesserung (des Staates) notwendigen Bestimmungen (ha-torot) erlasse, und die dritte Sache ist, (dass der König) immer dann schlage und strafe, wenn etwas nicht nach dem Gesetz zugeht, je nach dem Gebot der Stunde – wie es sich gemäß seiner absoluten göttlichen Vollmacht gehört, die ihm zugeeignet wurde. Siehe (aber): dieser drei Dinge bedarf nun gerade die israelische Nation (umma) nicht: weder die Kriegsführung noch die Rettung vor ihren Feinden, weil Israel durch den

222    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Ewigen errettet wird und er für sie kämpft (Abravanel, Perusch al ha-Tora, Devarim, ed. 1964, 165 – 166).

Die hier genannten drei Kardinalaufgaben des Königs: Kriegsführung, Legislative und Judikative (Jurisdiktion), wie sie Abravanel anschließend ausführlich erläutert und zum Teil wörtlich auch in seinem Kommentar zu den Vorderen Propheten wiederholt (Abravanel, Perusch al Nevi’im Rischonim, ed. 1955, 207), sind für Israel nicht vonnöten. Die Kriege führt der Ewige selbst (Abravanel verweist auf Dtn 33,29), die Gesetze hat auch Gott gemacht und durch Mose lehren lassen (Dtn 4,5.8). Die Judikative schließlich liegt in den Händen der Richter (Abravanel verweist dabei auch auf den Sanhedrin*). Neben seinen staatspolitischen Ansichten lassen Abravanels Ausführungen zum Königtum aber auch erkennen, dass er sich ohne Not gegen die eigenen innerjüdischen Diskussionen wenden und einer christlichen Meinung den Vorzug geben kann. So macht er sich im Kommentar zu 1Sam 8, einem königskritischen Text, die Ansichten des Converso Schelomo ha-Levi, besser bekannt als der spätere Erzbischof von Burgos Don Pablo de Santa Maria (1350 – 1435) zu eigen, wonach Israel nicht etwa einen König gefordert habe, wie er in Dtn 17 beschrieben wird, sondern einen absoluten Herrscher, der sich über die göttlich gebotenen Gesetze stellen und sie nach seinem Gutdünken auslegen kann (dazu auch Maier 2000, 369): Siehe aber, ich habe im Namen des Don Pablo, des Bischofs [hegmon], der in Burgos war, eine fünfte Meinung dazu gehört, dass (nämlich) die Ernennung der Könige auf eine von zwei Weisen [panim] möglich ist: Entweder ist der König den Gesetzen der Tora und den Geboten unterworfen, oder es ist ein absolut (herrschender) König (darin), dass er mit den Gesetzen und den Anweisungen (der Tora) nach seinem eigenen Willen verfährt, so wie (es) die Könige der (nichtjüdischen) Nationen von früh an (taten), indem sie (selbst) die Gebote machten und sie nach ihrem Willen beachteten. Siehe (aber), die erste Art [min] [der Einsetzung eines Königs] ist die angemessene [na’ot] [es folgt der Verweis auf Dtn 17,14 – 20] (…) die zweite Art (hingegen) ist eine, die sehr schadet [ha-maziq me’od], denn der König, aufgrund der in seine Hand gegebenen absoluten Macht(fülle) [jecholet ha-muchlat] wird die Gerechtigkeit und das wahre Gesetz nicht in allen Dingen bewahren, sondern das tun, was er will, und wer wird dann zu ihm sagen (können): „Was tust du da?“ – Die Israeliten aber haben, als sie (seinerzeit) nach einem König gefragt haben, nicht nach einem (König) entsprechend der ersten, angemessenen Art verlangt, sondern nach einem von der zweiten, der schädlichen Art (…) (Abravanel, Perusch al Nevi’im Rischonim, ed. 1955, 204).

In Fortführung der Auslegung Don Pablos (weitere Beispiele bei Ben-Shalom 2009, 290 – 291, m. Anm. 8 – 11) legt Abravanel nun

7.3.  Neue Zugänge    223

dar, dass die Königsherrschaft Sauls von der zweiten Art gewesen sei, denn er habe alles nach seinem eigenen Gutdünken gemacht. Er habe sich nicht den göttlichen Befehlen unterworfen (vgl. 1Sam 13: Gilgal als ‚Kardinalsünde‘ Sauls) und in der Sache mit Amalek nicht auf Gottes Stimme gehört. Demgegenüber sei David ein König gewesen, der sich den Geboten und Gesetzen Gottes unterworfen und auch auf Gottes Ratschläge in Kriegssituationen gehört habe. Daher habe auch sein Königtum ewigen Bestand. Abravanel führt nun zur Stützung seines Argumentes klassische Quellen an und verweist auf Aristoteles, der schließlich bereits gelehrt habe, dass Erfahrungen mehr als logische Argumente wirkten, und man müsse nur mal auf Länder mit einem König schauen, um zu sehen, wie viel Willkür dort herrsche. Demgegenüber gebe es schon genügend andere Länder, deren Führung in den Händen von Richtern und Herrschern liege, die auf Zeit gewählt seien, und diese Aufgabe im Rahmen einer festgelegten Gesellschaftsordnung versähen. Ein König sei hier gar nicht vonnöten. Was das Königtum angeht, so legt Abravanel anhand der Erzäh- Der ideale König lungen im Buch Samuel dar, dass Samuel der vollkommen(st)e der Propheten und David der vollkommen(st)e der Könige gewesen sei (Abravanel, Perusch al Nevi’im Rischonim, ed. 1955, 6). Man sieht sehr deutlich, worauf seine Auslegung eigentlich abzielt: Eindringlich und durchaus immer wieder mit autobiographischer Referenz entwickelt Abravanel das Modell des idealen politisch-religiösen Befehlshabers (zum Ganzen Cohen Skalli 2009, bes. 261 – 269). Insbesondere in Saul sah der Prophet Samuel zunächst drei Aspekte (bechinot; Sg. bechina) angelegt: einen natürlichen und von Geburt an angelegten Familiensinn, einen gesellschaftlichen (nimusi), zur königlichen Leitung über Israel geeigneten, sowie einen spirituellen ‚göttlichen‘ Sinn (eloqit), der sich daran bemisst, in wie weit sich die Seele mit Gott verbindet (devequt; Abravanel, Perusch al Nevi’im Rischonim, ed. 1955, 220). An anderer Stelle spricht Abravanel von den zwei Arten (minim) der Vollkommenheit (schelemut): der menschlichen (enoschi) und der göttlichen (eloqi), d. h. dem Glauben und der für einen Sohn Israels angemessenen Verbundenheit mit Gott (ebd. 250): Saul habe es an Ersterem nicht gefehlt, dafür umso mehr an Letzterer, was auch zu seiner Depression geführt habe (1Sam 16,14; Abravanel, Perusch al Nevi’im Rischonim, ed. 1955, 254). Oftmals überrascht Abravanel in seinen Kommentaren auch mit einer ganz nüchternen gesellschaftlichen Analyse, die für uns heute angesichts all der religiös fundamentalistischen Auseinandersetzungen ganz aktuell zu sein scheint. So schreibt er im selben Kommentar zu Jes 2,4 (‚Schwerter zu Pflugscharen‘):

224    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Schwerter zu Pflugscharen

(…) nicht wird ein Volk gegen das andere ein Schwert erheben und sie werden das Kriegführen nicht mehr lernen. Und Micha hat (hier) noch eine Erklärung hinzugefügt, indem er sagte: Und sie werden jeder unter seinem Weinstock sitzen, und niemand wird (mehr) aufschrecken, denn der Mund des Ewigen hat geredet (Mi 4,4). Und das Thema hier ist, dass es einen Grund dafür gab, warum die Kriege unter den Völkern abgeschafft sein werden, und er sagte, dass der stärkste Grund für Kriege die Unterschiede in den Religionen [schinnui ha-datot] der Völker seien, wie bei den Kriegen Edoms und Ismaels, aber wenn dann (einstmals) alle den Namen des (einen) Herrn anrufen und sich eines Sinnes seinen Geboten unterwerfen, dann werden sie jeder für sich in Sicherheit wohnen, ohne Raub und Gewalttat (…) (Abravanel, Perusch al Nevi’im Acharonim, ed. 1979, 27).

Die Vorstellung, dass Menschen auch in der bunten Vielfalt verschiedener Religionen in Einheit leben können, war für die Renaissance-Zeit noch nicht denkbar, ist es aber auch für unsere Zeit offenbar noch nicht, und solange werden wir uns wohl auch von dem prophetischen Wort von den Schwertern, die zu Pflugscharen werden sollen, herausfordern lassen müssen. Dass religiöse Ideen den Menschen auch in seinem äußeren Tun massiv negativ bestimmen können, hat Abravanel in der gewalttätigen Präsenz und der religiösen Intoleranz des spanischen Katholizismus am eigenen Leib erfahren müssen und diese Erfahrung in seine Bibelauslegung eingebracht. Auch in dieser Hinsicht ist Abravanel bis heute noch lesbar und wichtig. Feudalherrschaft in Wie sehr Abravanel ein Kind seiner Zeit und noch vollkommen der Bibel der Feudalherrschaft und -gesellschaft verhaftet war, zeigt sich immer wieder in seiner Anthropologie, die er aus der Bibel heraus entwickelt (zum Ganzen Maier 2000, 342 – 354). Die Menschen seien nämlich nicht alle gleich, und dies spiegele sich auch je und je in den heiligen Schriften wider. Hier stellt nun seine Auslegung zu Dtn 20,10 – 14 (Beginn von Paraschat* Ki Teze) ein instruktives Beispiel dar. Im sog. Kriegsrecht wird ausgeführt, dass man eine Stadt zunächst friedlich belagern und eine friedliche Einigung vorschlagen solle. Nehme die Stadt an, sollten ihre Bewohner am Leben bleiben und zu Frondiensten verpflichtet werden. Lehne die Stadt ab, so sollten alle Männer erschlagen und Frauen, Kinder sowie das Vieh als Beute genommen und als Geschenk Gottes gewertet werden. Uns bereitet ein solches Kriegsrecht heute nicht unerhebliche moralische Bedenken, aber Abravanel erläutert, dass es im Krieg angemessen sei, eine friedliche Unterwerfung zu fordern; zudem gebe es auch noch einen zweiten Nutzen dieser Vorschrift, und dieser liege in der Natur des Menschen: Der zweite Nutzen [to‘elet] besteht darin, dass diejenigen, die versklavt wurden, sich nicht auf dem selben Level hinsichtlich der Ehre, des Gewinns und des Ranges wie ihre Herren befinden. Es gehört sich, dass man an ihnen

7.3.  Neue Zugänge    225 stets Zeichen der Knechtschaft und der Versklavung findet (…) Das zweite Argument liegt in der Vollkommenheit der (jüdischen) Religionsanhänger [schelemut ba‘ale ha-dat] gegenüber den Völkern der anderen Nationen (begründet), denn von seiten der Tora her, war die (jüdische) Nation erwählt (und darin) grenzenlos vollkommener [schelema le-en schi‘ur] als der Rest der Nationen, und da gibt das Recht vor, dass die weniger Vollkommenen den Vollkommenen dienen (…). Das dritte Argument (aber) ergibt sich aus der Stellung der Sklaven (als solcher) (…). Werden sie versklavt, haben sie (erst) gar nicht das Vermögen, einen Aufstand anzuzetteln (…) (Abravanel, Perusch al ha-Tora, Devarim, ed. 1964, 294).

Insgesamt zeigt sich bei Abravanel eine schroffe Abgrenzungspole- Abgrenzung gegen mik gegenüber den Christen, er insistiert als erster in dieser Mas- die christliche sivität auf einer abstammungsmäßigen Definition des Judentums. Gesellschaft Johann Maier liest daraus bei ihm sogar zum ersten Mal die Vorstellung von der „Reinheit des Blutes“, die gegen die conversos ins Feld geführt wurde (Maier 2000, 264). Schon oben (Kap. 7.2.b.) haben wir darauf hingewiesen, dass Abravanel zumindest auf standesgemäßer Heirat insistierte (vgl. auch seine Auslegung zu Gen 6,1 – 4; Maier 2000, 269 – 271). In dieselbe Richtung geht auch seine Auslegung zur Aqeda* (‚Bindung Jitzchaqs‘), wo er argumentiert, dass die Versuchung nicht etwa Abraham, sondern Isaak zugedacht gewesen sei, weil dieser bereits aufgrund seiner Abstammung von Abraham und damit von Geburt an vollkommen gewesen sei, wohingegen Abraham nicht makellos geboren worden sei (sche-lo haja be-et ha-leda mutba ba-schelemut; Diamond 2012, 81). Diese Argumente sind für uns heute kaum noch nachzuvollziehen. Sie erklären sich aus der gesellschaftlichen Stellung des Abravanel, der auch trotz zahlreicher Verfolgungen immer zu den vornehmen Kreisen gehört hatte. Gleichzeitig sieht man an dieser Auslegung, dass es stets erforderlich ist, eine jede Interpretation in ihre Zeit zu setzen und von dorther zu verstehen, und nicht etwa als absolute Wahrheit aufs Panier zu schreiben. c.  Bibelauslegung und Naturwissenschaft Insbesondere die jüdischen Ärzte wie Ovadja Sforno oder Abraham Portaleone sahen sich immer wieder herausgefordert, zu bestimmten biblischen Themen aus medizinischer Sicht Stellung zu nehmen. Das besonders im Pentateuch wiederholt aufscheinende Motiv der Unfruchtbarkeit und / oder wunderhaften Schwangerschaft war dabei ebenso ein Thema wie insgesamt die aus der Bibel abzuleitenden Erkenntnisse zum Sexualleben. So lesen wir bei Sforno zum Thema der Spätgebärenden: (Und der Ewige ordnete es Sara zu, wie er gesprochen hatte) und tat an ihr Sforno zu Gen 21,1 so, wie er geredet hatte, (nämlich): ‚Auch will ich dir aus ihr einen Sohn

226    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik geben‘ [Gen 17,16], was nicht üblich ist bei Gebärenden in (höherem) Alter, von denen die meisten (dann nur noch) weibliche Nachkommen gebären.

Geht es hier eher darum, die Wunderhaftigkeit der Geburt Isaaks durch Sara gegen den medizinisch nachweisbaren Normalfall herauszustellen, so sucht Sforno in Lev 12 nachzuweisen, dass die biblischen Texte in den medizinischen Fragen dem allgemeinen Wissensstand standhalten können: Sforno zu Lev 12,1

Wenn eine Frau Samen hervorbringt und ein männliches Kind gebiert: Schon unsere Weisen sagten [bNid 31a]: ‚Wenn eine Frau zuerst Erguss hat, wird sie einen Jungen gebären.‘ Das heißt, dass der Same der Frau, also die Flüssigkeit, die von ihr während des Geschlechtsverkehrs ausgeschieden wird, keinen Beitrag zur Bildung des männlichen Embryos leistet; vielmehr ist es ihr (uterines) Blut, das hier aktiviert wird und im männlichen Samen gerinnt. Wenn aber ihr flüssiger Erguss in ihr geronnenes Blut eingeht, ist da ein Überschuss an Flüssigkeit, und sie wird ein Mädchen gebären.

Sforno erklärt hier, dass die Tora an dieser Stelle die Relation von Geschlechtsverkehr und Eisprung thematisiert: Wenn der Eisprung vor dem Geschlechtsverkehr stattfindet, wird ihre uterine Flüssigkeit von seinem Samen umfangen und verliert damit an Potenz: das Kind wird ein Junge. Folgt hingegen der Geschlechtsverkehr dem Eisprung, behält ihr ‚Same‘, d. h. das in ihrer Flüssigkeit umfangene Ei seine Potenz: das Kind wird ein Mädchen. Noch heute findet sich diese Erklärung in traditionellen Bibelkommentaren. Selbst seine Erzählung von den Landspähern (Num 13) zeigt, dass Sforno die Bibel oftmals durch die Brille eines Arztes sah: Eretz Israel aus medizinischer Sicht

(Seht euch das Land an, wie es ist:) das Volk, das darauf wohnt, ob es stark ist oder schwach: (…) um zu wissen, ob die Lebensbedingungen des Landes gut sind, so, wie (uns) auch die ärztlichen Gelehrten hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes lehren, dass wir (nur) auf die Bewohner eines Landes schauen müssen, (um zu sehen), ob sie stark und körperlich gesund sind oder das Gegenteil davon.

Es zeigt sich, dass die zumeist sehr konzisen Peschat-Erklärungen* des Sforno hauptsächlich dazu gedacht waren, die biblischen Texte mit den Vorstellungen seiner Zeitgenossen in Übereinstimmung zu bringen und ihnen vor Augen zu führen, wieviel Wissen bereits in den Toratexten zu finden ist. Die verbotenen Auch in Abraham Portaleones Schilte ha-Gibborim finden sich Tiere und die ausführliche naturwissenschaftliche Betrachtungen, die die bibliMedizin schen Tiere und Pflanzen in ihren wunderhaften Wirkungen auf den Menschen erklären wollen (Miletto 2004a, 226 – 245). In Kap. 53 der Schilte ha-Gibborim beschäftigt sich Portaleone vor allem mit der Deutung der Namen der verschiedenen in Lev 11 aufgezählten Tieren:

7.3.  Neue Zugänge    227 Kehren wir also zur Eigenschaft jener zwei Tiere zurück, von denen das erste Tier auf vier Füßen geht (Lev 11,42) und das zweite sich im Wasser bewegt. (…) Im Königreich Schweden lebt ein unreines Tier, in ihrer Sprache filfros genannt, einige nennen es rusomaca, andere gulone. (…) Es heißt gulone, weil es ständig frißt und trotz des vielen Fressens nie satt wird (…). Unsere Frauen nennen die eßsüchtigen Männer bol amîm, weil sie sich nur eins wünschen, nämlich den Rachen vollzustopfen. Deshalb wird es anstatt gulone bôl ’am genannt, auf Griechisch polufagos oder gastrimargos, auf Latein helluo oder edax. In unserer heiligen Sprache zolel, auf Aramäisch zalzîl oder asêt. Das Fleisch dieses Tieres [gulone] ist ekelhaft und abscheulich und man darf es nicht essen, weil es sehr fettig ist. Man hat gesagt, daß sein Blut dem Gaumen gut schmeckt und daß es nichts besseres gibt; wenn es mit Wasser und Honig vermengt und getrunken wird, ist das ein Festmahl (Jes 25,6), ein königliches Gelage, und es wird zu den Hochzeiten mit großem Genuß getrunken. Die Eigenschaft seiner Krallen besteht darin, daß sie zusammen mit den Zähnen, so wie sie in der Natur vorkommen, getragen sehr nützlich sind und vom Schwindel, in der Fremdsprache vertigine genannt, heilen; wenn sie um den Hals gehängt werden, sind sie für die Ohren der Tauben gut, entfernen von ihnen die Störung und töten die Geister, die in ihnen sind. Die Zauberer verwenden sie mit den Zähnen des Tieres, um [ihre] Zaubereien zu vollbringen. Aus seinen Eingeweiden werden Saiten für Harfen und Geigen gewonnen. Wenn man unter seiner Haut schläft, führt sie bei Menschen zu Träumen, die der Natur dieses Tieres entsprechen, denn ihnen erscheinen in ihren Träumen Trinkgelage, Menschen, die speisen, und andere ihm ähnliche Tiere, die wie sie ständig fressen. Wenn man den Hunden und den Katzen die Krallen dieses Tieres nach seinem Tod zeigt, fliehen sie, wie es der kleine Vogel beim Anblick des Sperbers tut (Schilte ha-Gibborim, Kap. 53; Übersetzung Miletto 2002, Bd.  2, 514 – 515).

Durch etymologische Vergleiche will Portaleone nachweisen, dass die Bibel auch hinsichtlich der Zoologie und Mineralienkunde schon auf dem neuesten Stand ist. Allerdings dienen all diese mineralogischen und zoologischen Einsichten vor allem dem Zweck, die Macht und Wirkmächtigkeit Gottes herauszustellen: Das ist, meine lieben Söhne, was ich über die Eigenschaften der Steine und der Teile der Tiere in diesen Kapiteln sagen wollte. Wisset also und seht: Wie wir glauben, dass die Edelsteine und die Teile der Tiere nach dem Willen des H(errn) bezogen auf die Krankheiten der Menschen und auf die Erhaltung der Gesundheit ihrer Organe und Glieder viele Eigenschaften haben, so gereichte es uns zur Schuld, zum Anstoß und wäre Anlaß zu einer großen Sünde, wenn wir an alles glaubten, was die Philosophen darüber gesagt haben, denn das sind zweifellos übertriebene, lügnerische Worte, die keine Wahrheit enthalten. Nur vom H(errn) kommen alle diese Wirkungen, und ihm gebühren Reichtum und Ehre (…) (Schilte ha-Gibborim, Kap. 53; Übersetzung Miletto 2004a, 245).

228    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik d.  Die Bibel als Maßstab für Kunst und Kultur Wie schon bei Messer Leon die Bibel als Trägerin des universalen Wissens vorgestellt wurde, so finden wir bei Portaleone ganz ähnliche Ideen hinsichtlich der kulturellen Errungenschaften des Menschen, der Künste und Kunstfertigkeiten. Hier spielen die Musik, die Architektur, aber auch das Kriegshandwerk eine wichtige Rolle. Der Tempel wird bei ihm als „fürstliche Kunstkammer“ dargestellt (Miletto 2004a, 205), der die erlesensten artificialia und naturalia beherbergt. Die israelitische Portaleone sieht in der Tempelmusik der Israeliten die höchste Tempelmusik Vollkommenheit. David habe nicht nur die Gesänge und Lobpreisungen in höchster Perfektion erfunden, sondern die levitischen Sänger auch entsprechend geschult: Denn die heidnischen Gelehrten tappten in den Gesangsregeln im Dunkeln, bis ihnen von demselben Gottauserwählten das Gesetz der Ruhe und der Festigkeit des Gesanges erklärt wurde, der aufgrund der Vortrefflichkeit und der Ehre ‚Gottesgesang‘ und ‚Zionsgesang‘ genannt wurde (Schilte ha-Gibborim, Kap. 4; Übersetzung Miletto 2004a, 205).

Ausführlich legt Portaleone die Gesetze der Polyphonie, der Harmonie und des Rhythmus dar und erklärt in stupender Gründlichkeit die einzelnen Musikinstrumente und ihre Verwendung (Schilte ha-Gibborim, Kap. 5 – 13; Miletto 2002, Bd. 1, 145 – 193). Darunter findet sich auch eine Auslegung zu Dtn 18,7 (Er soll im Namen des Ewigen, seines Gottes, den Dienst verrichten wie all seine levitischen Brüder, die dort vor dem Ewigen stehen). Portaleone diskutiert hier nicht nur die Art des Dienstes, sondern auch die Voraussetzungen und Befugnisse für diesen Dienst. Hier finden wir auch das schon aus Abravanels Auslegungen bekannte Motiv der Abstammung (vgl. Kap. 7.3.b.) und der damit verbundenen Privilegien wieder: Die levitischen Musiker

Unsere Weisen, ihr Andenken zum Segen, legten dar: Welcher war der Dienst im Namen des Herrn? Sage: Das ist die [Tempel-]Musik, und vornehmlich die vokale (bAr 11a). Dem Gebot gemäß war es am besten, daß sowohl die Musiker als auch die Sänger Leviten waren. Dies war freilich nicht verpflichtend, denn manchmal wurden die Musikinstrumente von Leviten gespielt und manchmal von anderen, die keine Leviten, sondern nach Rabbi Meir Priesterknechte waren (vgl. mAr II,4). Denn seiner Meinung nach stieg man vom Podium weder zu einer legitimen Abstammung noch zum Zehnten auf (vgl. bAr 11a). Darüber hinaus spielt es für uns keine Rolle, ob sie Sklaven oder frei waren. Rabbi Jose (vgl. mAr II,4) meinte allerdings, daß sie aus den Familien der Pegaräer und der Ziparäer und aus Emmaus stammten, die man mit Priestern verheiratete. Deshalb behauptet er, daß man vom Podium zu einer legitimen Abstammung aufstieg, und daß man auf dem Podium niemanden musizieren ließ, der keine gute Abstammung hatte. Und Rabbi Chananja ben Antigonos (vgl. bSuk 51a) sagte,

7.3.  Neue Zugänge    229 daß sie Leviten waren, weil er meinte, daß das Betreten des Podiums zum Zehnten berechtigte. Aber die Halachah entspricht der Meinung des Rabbi Jose (…). Zum Trompetenblasen war aber weder ein Laienisraelit noch ein Levit befugt, wer immer der Levit war, entweder von den Torwächtern oder von den Sängern oder einer von den 24 000, die König David, Friede sei mit ihm, für die Arbeit des Hauses des H(errn) ausgewählt hatte, oder von den 6000, die er zu Richtern und Amtsleuten eingesetzt hatte, sondern allein den Priestern ziemte dieses Trompetenblasen. Und ein Nichtpriester, der zur Opferdarbringung und Weinlibation die Trompeten blies oder einen anderen Dienst verrichtete, der dem Priester befohlen war, war des Todes schuldig (Schilte ha-Gibborim, Kap. 12; Übersetzung Miletto 2002, Bd. 1, 185).

Die biblische Perfektion zeigt sich nach Portaleone auch in der Kriegskunst und den Waffengattungen (Miletto 2004a, 192 – 198; 2002, Bd. 1, 366 – 408). Die Israeliten seien nicht nur mit allen Theorien der Kriegsführung bestens vertraut gewesen; vielmehr zeige die Bibel, dass sie auch durchaus schon moderne Kriegsmaschinen gekannt und verwendet hätten: Es ist jedem, der Wissen und Verstand hat, wohl bekannt, daß unsere heilige Die militärische Torah ein Heilmittel ist, in dem alles enthalten ist. Wie uns seine Gebote Aufstellung Israels und Vorschriften nicht unzugänglich sind, die unsere Seele zur ewigen Glückseligkeit führen, um uns zu ergötzen im Glanz der Gegenwart Gottes, im Licht des Lebens der zukünftigen Welt, so fehlt in ihm nichts von dem, was nützlich ist, um den Menschen jederzeit zur Vervollkommung des politischen Lebens anzuleiten. Während einige Weisen der Völker alle Tage ihres Lebens darauf verwandten, zu erkennen, was in Friedenszeiten und in Kriegszeiten getan werden muß, erleuchtet die Torah ohne Mühe und Anstrengung unsere Augen und zeigt uns in einem Augenblick von den Wegen der Welt denjenigen an, den wir gehen müssen, und was wir tun müssen, um im Schatten der Weisheit vor dem Frevel der Weltvölker verschont zu bleiben. Zieht aus und seht doch, bei der Aufstellung des Kriegslagers, das auf Griechisch stratopedon heißt und auf Latein im Plural castra, das die auserwähltesten ihrer Gelehrten in mehreren Büchern und unendlichen Studien beschrieben haben, nach mehreren nutzlosen Diskussionen sahen sich alle Völker und Nationen schließlich gezwungen zuzugeben, daß von allen möglichen Aufteilungen, die sie erfunden hatten, keine in der Anordnung der Aufstellung der Armeen besser war als die Anordnung, die uns die Torah vorschreibt (Schilte ha-Gibborim, Kap. 41; Übersetzung Miletto 2002, Bd. 1, 366).

Ausführlich wird nun dargelegt, wie das Kriegslager aufgebaut und organisiert war, welche Waffen und Wurfmaschinen verwendet wurden und wie sie zu gebrauchen waren, ja sogar das Herstellungsverfahren des Pulvers für die Wurfmaschinen findet eine ausführliche und für Chemiker sicher interessante Darlegung. Von Salpeter über Holzkohle und Ätzschwefel: Es wird einfach alles im Detail erklärt (Schilte ha-Gibborim, Kap. 42; Miletto 2002, Bd. 1, 378). Allerdings zeigt sich auch, dass diese Erklärungen keine

230    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik schöngeistige Spielerei sein wollten: Portaleone hat hier sehr deutlich die Lage seiner jüdischen Zeitgenossen unter den nicht-jüdischen Völkern vor Augen, und hier gilt es, das ‚mosaische Logbuch‘ so zu lesen, dass die nachfolgenden Generationen militärisch nicht hilflos dastehen, sondern eine schlagkräftige Truppe bilden können: Ich weiß, daß es viele Gelehrte gibt, deren Seele an der Torah hängt und die ihr Herz nicht einmal für einen Augenblick anderen wissenschaftlichen Interessen zuwenden wollen, auch wenn es um den Fortschritt der Gesellschaft geht, denn sie verachten, mit einsichtigen Worten (Spr 1,22) zu wissen, wie die Krieger fallen und von den Waffen getötet werden. Deshalb werden sie mir vorwerfen, daß ich meinen Mund geöffnet habe und meine Zunge sehr viel mehr als nötig über die Wurfmaschinen, die Bogen, die Kugeln, die Schwerter, die Lanzen, die Spieße, die Speere und die anderen Waffen und ferner über die Regeln der Kriegskunst gesprochen habe. Was sollte ich aber tun, wenn unsere Sünden unsere Herzen verdorben haben und wir den Bund des H(errn) unseres Gottes, nicht gehalten haben, sodaß wir gezwungen sind, das Kriegsgesetz zu lernen, wie es geschrieben steht: Um die Generationen der Israeliten zu unterrichten etc. (Ri 3,2)? Und nun haben wir dank dem Erbarmen Gottes mit uns, außer diesen für die Kämpfenden nützlichen Bedingungen aus den Erzählungen der Torah, der Propheten und Hagiographen schon gelernt, was zu tun ist, wenn wir Männer, Frauen und Kinder retten wollen, die unter den Völkern leben, ohne Gefahr für die Diener, die Verbündeten, den Heereskommandanten und alle, die mit ihm sind und ihm helfen, die Kriegsbeute an ihren Platz zurückzubringen, woher sie weggebracht wurde (…) (Schilte ha-Gibborim, Kap. 43; Übersetzung Miletto 2002, Bd. 1, 405).

Portaleone muss gewusst haben, dass seine Söhne mit derartig ausführlichen Darlegungen an die Grenzen ihrer Zeit und mentalen Willigkeit zur Lektüre kamen und schließt die Ausführungen zur Kriegskunst daher mit den Worten: Nun, verzeih mir, Leser, wenn ich mich an dieser Stelle weitläufig ausgelassen habe, an der du meinst, daß ich kürzer hätte sein sollen (…) Wenn es dir nicht gefällt, das ganze Schiltê ha-gibbôrîm ordnungsgemäß zu lesen, wie ich es von meinem Munde mit Tinte in das Buch geschrieben habe (vgl. Jer 36,18), lies es abschnittsweise und lasse die Teile aus, die für dich uninteressant sind, weil du damit deine Seele von der Mühe des Lesens befreien und mir den Gefallen tun wirst, deine Füße in einen von ihr freien Raum zu setzen (…) denn ich werde dir danken (Ps 56,13) sowohl für dein Weglassen [einiger Stellen] als auch für dein Lesen und ich werde dir für immer Lob erteilen (Schilte ha-Gibborim, Kap. 43; Übersetzung Miletto 2002, Bd. 1, 408).

Die Verfasserin dieses Lehrbuchs schließt sich diesen Worten uneingeschränkt an, allerdings nicht ohne darauf zu hoffen, dass dieses Buch unter den Lesern und Leserinnen eine intensivere Rezeption haben möge als es den Schilte ha-Gibborim vergönnt war (dazu v. a. Miletto 2004a, 22 – 25).

7.3.  Neue Zugänge    231

e.  Biblische Historiographie und Archäologie Bereits Abravanel hat an vielen Stellen historiographische und chro- Chronologien in nologische Diskussionen geführt. Konnte noch das mittelalterliche der Bibel Judentum vor Ramban von der Textchronologie absehen und darin auch textliche Dubletten je für sich und kontextlos analysieren, so zeigt sich bei Abravanel auch immer wieder der Versuch, Bibeltexte zueinander zu relationieren und ihren ‚Sitz im Leben‘ zu bestimmen (dazu Lawee 2008, 208 – 210). So diskutiert er beispielsweise im Kommentar zu Jes 2,1 – 4 das Verhältnis der Doppelüberlieferung Jes 2,2 f. und Mi 4,1 – 3: Und am Ende der Tage wird es geschehen usf.: Du solltest wissen, dass diese Biblische Dubletten Prophetie auch in den Worten Michas, des Moraschtiters, vorkommt, wo es heißt: Und am Ende der Tage wird es geschehen, da wird der Berg des Hauses des Ewigen als Haupt der Berge fest gegründet sein, und er wird erhaben sein über die Hügel. Und Völker werden zu ihm strömen (…) [weiter wird insgesamt Mi 4,1 – 6 zitiert]. Siehe, es ist deutlich, dass diese zwei Prophetien (eigentlich) eine (einzige) sind; es gibt zwischen ihnen (nämlich) keinen Unterschied, abgesehen von Wortunterschieden und erläuternden Zusätzen. Sieh, unsere Weisen sel. A., haben bereits eine Tradition empfangen, wonach manchen Propheten derselbe Stil [signon] in den Sinn kommt, aber keine zwei Propheten prophezeien (in ihrer) mündlichen Rede im selben Wortlaut. Dies bedeutet also, dass es möglich ist, dass der Inhalt dem Begriff nach gleich ist, der Wortlaut hingegen ist nicht gleich, sondern (die Wörter) variieren. Und als ich sah, dass Jesaja und Micha beide (auf den ersten Anschein) im selben Wortlaut prophezeiten, da sagte ich mir, dass diese Prophezeiung von Jesaja (zuerst) prophezeit wurde (…), denn er war derjenige, der sie geschaut hat (vgl. Jes 2,2), und Micha hat dann, als er ihren Inhalt gesehen hatte (…), sie mit eben jenen Worten erzählt, mit denen sie (schon) Jesaja erzählt hatte. Dem Inhalt nach hat also Micha die Prophezeiung vom Namen, er sei gepriesen, (empfangen), aber den (genauen) Wortlaut hat er von den Worten des Jesaja genommen. Und deshalb heißt es auch bei Micha nicht: ‚So spricht der Ewige‘ [die prophetische Botenformel] (…) weil diese göttliche Rede von Gott zuerst an Jesaja und nicht an Micha ergangen ist, und dieser sie dann aus den Worten des Jesaja nahm (Abravanel, Perusch al Nevi’im Acharonim, ed. 1979, 25 – 26).

Welcher biblische Prophet von wem abschrieb, ist bis heute ein Untersuchungsgegenstand der Einleitungswissenschaften. Und obwohl Abravanel ganz selbstverständlich an der Inspirationslehre festhält, erstaunt es doch, wie kritisch er mit den prophetischen Traditionen umgehen konnte, ohne dass dabei einem der beiden biblischen Protagonisten ein ‚Imageschaden‘ entstanden wäre. In den Imre Bina erörtert Azarja neben der Frage der jüdischen Azarja und die Chronologie eine Vielzahl biblischer Topoi, darunter verschiedene Anfänge biblischer Gesichtspunkte bezüglich der Bibelübersetzungen, die Entstehung Kritik des hebräischen Alef-Bet und der te‘amim, die Prophetie Chaggais hinsichtlich der Tempelbauten oder die hebräische Poesie. Zu Be-

232    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik

Azarjas Fragen an die Archäologie

Die Rekonstruktion durch antike Zeitzeugen

ginn und gleichsam programmatisch erläutert Azarja, in welcher Hinsicht nicht-jüdische Autoren zur Unterstützung oder Zurückweisung jüdischer Quellenschriften herangezogen werden dürften. Eine kritische Würdigung externer, in diesem Fall nicht-hebräischer Schriften findet sich auch in seiner über mehrere Kapitel gehenden Diskussion über das Aussehen der Priestergewänder (Azarja, Me’or Enajim, Imre Bina 46 – 50). Warum die venezianischen Rabbiner mit Azarja ihre Schwierigkeiten hatten, wird schnell einsichtig, wenn man seine Ausführungen zu den Priestergewändern und Accessoires liest, wie sie im biblischen Text in Ex 27 – 30 beschrieben und bei Azarja im Me’or Enajim erklärt werden. (Imre Bina 46; dazu Liss 2003b, 64 – 73). Azarja weist so ziemlich alle jüdischen Bibelkommentatoren von Raschi über ibn Ezra, Ramban, Abravanel, Sforno bis hin zu Menachem Recanati zurück, weil sich bei ihnen nichts finde, was der Rekonstruktion der priesterlichen Kleiderkammer hilfreich sei. Die meisten dieser Kommentare seien nur noch „wahnhaftes und leeres Gerede“ (hevel we-tohu), weil die jüdischen Ausleger keine Vorstellung (mehr) davon hätten. Folgerichtig verwendet Azarja vor allem griechische Quellen, die sich aufgrund ihrer Qualität als ‚Zeitzeugen‘ weitaus besser für die Erklärung des biblischen Textes eignen. Zu ihnen gehören (…) die Abhandlung des Aristeas, die wir oben übersetzt haben, die Bücher von Jedidja, dem Alexandriner [Philo von Alexandrien] oder auch die Worte des Josippon [Flavius Josephus], eines Pharisäers, die alle (noch) lebten, als der Tempel (stand). Ihre Worte sind (daher) weder (frei) vorgestellte noch vom Hörensagen (überkommene Rekonstruktionen), sondern (geben) das (wieder), was ihre Augen sahen und nichts darüber Hinausgehendes (…) (Me’or Enajim, Imre Bina 46).

Ganz analog zu Abravanel und Messer Leon zieht auch Azarja die unterschiedlichsten Traditionen heran und gesteht ihnen eine gleichrangige Wertigkeit zu (Grözinger 2009, 47 – 58; Veltri 2002b, 264 – 304). Entscheidend ist dabei die historiographische Rekonstruktion. Dies führt dazu, dass weniger ein Text ‚ausgelegt‘ als jene hinter dem Text liegenden historischen data gehoben und erklärt werden sollen (Liss 2003b). f.  Der Beginn der biblischen Textkritik Sein philologisch-textkritisches Interesse bringt Elia Levita bereits im Vorwort seines Masoret ha-Masoret zum Ausdruck: Die Masora als exegetisches Hilfsmittel

Hiermit habe ich eine Abhandlung (machberet) zu allem masoretischen Material zusammengestellt, (alles, was) die kleine und große Masora (betrifft), denn es sind nun schon 20 Jahre, die ich mich mit (der Masora)

7.3.  Neue Zugänge    233 beschäftige, um ihren (philologischen) Wert herauszufinden, ihre Relevanz darzutun, die Kürze ihrer Sprache, die oftmals so unverständlich ist wie ein versiegeltes Buch (…) (Masoret ha-Masoret, ed. Ginsburg 1867, 93).

Hierbei ist zu betonen, dass Elia Levita durchaus noch die exegetische Funktion der Masora vor Augen hatte. Er wusste um die Auslegungsdiskussionen, die sich teilweise und gerade in den aschkenasischen* Manuskripten finden und die vor allem in die religionsgesetzlichen Diskurse eingingen: Ist denn die Masora nicht der ‚Zaun‘ um die Tora (masoret sejag la-tora [mAv III,13]), (weil) aus ihr (viele) Hauptregeln der Halakha (gufe hala­ khot) abgeleitet werden: (halachische) Begründungen und Erklärungen (sowie) Peschat- und Derascherklärungen. Und aus den Plene- und Defektivschreibungen (einzelner Wörter) werden viele Gesetze abgeleitet (Masoret ha-Masoret, ed. Ginsburg 1867, 95).

Bei der Zusammenstellung der Masora verweist Levita vor allem auf die textkritisch korrekten Codices aus Spanien und das Buch Okhla we-Okhla. Somit hatte er an der Verdrängung der aschkenasischen Text- und Masoratradition einen nicht unerheblichen Anteil. Im Vorwort zu Masoret ha-Masoret führte er darüber hinaus auch dezidiert philologische Gründe gegen die westeuropäische Masora, insbesondere gegen die masora figurata ins Feld. Ausführlich ärgert er sich über jene Schreiber, die den Sinn der Masora in sein Gegenteil verkehrten, weil durch die Ornamentierung nichts mehr an seinem richtigen Platz sei, die Zitation der Bibelverse sich faktisch nach der Figuration richte, in die sie eingepasst werde, und insgesamt eine solche masora figurata für die philologische Arbeit am Bibeltext völlig unbrauchbar sei: Die Schreiber aber handelten vermessen und nahmen es mit der Maso- Das Kauderwelsch ra nicht so genau, sondern legten vor allem darauf Wert, ihre Schrift zu der masora figurata verschönern und die Reihen der Seiten (eines Codex) gleichmäßig zu gestalten (…). Mehr noch: Sie gestalteten (die masora magna) ornamental in vielerlei Illustrationen mit ineinander verschränktem Flechtwerk und Ranken, mit Rosetten und Blumen, sodass sie gezwungen waren, die Ränder der Illustrationen mit Lemmata, die bereits (anderswo) schon genannt waren, manchmal enger, manchmal weiter zu gestalten, obwohl diese (dann an besagter Stelle eigentlich) überflüssig und nicht am richtigen Ort waren. Die (masora parva)-Einträge werden hingegen nicht dort genannt, wo sie (eigentlich) hingehören, oder werden (erst) gar nicht (notiert), weil der Platz (auf der Manuskriptseite) nicht ausreicht, oder sie waren gezwungen, die ganze Geschichte in der Mitte abzubrechen, und das (kunstvolle) Gebäude (der masora magna) unvollständig und unbrauchbar zurückzulassen (Masoret ha-Masoret, ed. Ginsburg 1867, 94).

In der Tat scheint eine Reihe der aschkenasischen Bibelhandschriften des ausgehenden 12. und v. a. des 13. Jahrhunderts auf Levitas Beschreibung zu passen. Welche Manuskripte Levita vor Augen

234    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik

Der korrekte Bibeltext

Minchat Schai zu Ex 25,31

hatte, lässt sich natürlich nicht mehr im einzelnen nachweisen. Neuere Untersuchungen haben allerdings bislang erbracht, dass die Handschriften aus dem 13. Jahrhundert nicht in allen Fällen ein ‚masoretisches Kauderwelsch‘, sondern eine sinnvoll gestaltete masora figurata aufweisen, deren masora parva und magna in situ ist, und die darüber hinaus oftmals noch ein sehr elaboriertes Bildprogramm bieten (Liss 2018a; S. Offenberg 2016; Attia 2015a; 2015b; Liss 2012). Levitas Zurückweisung der masora figurata ist möglicherweise eher vor dem Hintergrund der christlichen Hebraistik zu verstehen, denn in Masoret ha-Masoret (ed. Ginsburg 1867, 96) verweist Levita auf seine Verbindlichkeiten gegenüber Kardinal Egidio da Viterbo (vgl. oben Kap. 7.2.d.), der die exegetischen Zusammenhänge zwischen aschkenasischer Masora, dem Bildprogramm und / oder den esoterischen Kommentaren (der Chaside Aschkenaz*) nicht mehr verstand und für den sie auch irrelevant waren. Für die christlichen Hebraisten war die linear notierte Masora der sefardischen* Codices weitaus besser zu verwenden, weil sie für textkritische Erwägungen und Ergebnisse relevant war; die christlichen Theologen relationierten die Biblia Hebraica ohne (jüdische) Auslegungstradition unmittelbar mit der Septuaginta* und Vulgata*, und daran hat sich eigentlich bis heute auch nichts geändert. Menachem ben Jehuda de Lonzano und in seiner Folge Jedidja Salomon Nortzi (Minchat Schai) bemühten sich intensiv darum, durch Handschriftenvergleiche und die Erstellung eines kritischen masoretischen Apparates einen möglichst korrekten Bibeltext herzustellen (Penkower 2014, 190 – 209). Problematisch wurde dies vor allem dort, wo der Bibeltext mit den überlieferten masoretischen Noten nicht übereinstimmte oder die Masora selbst Probleme aufwarf. Dazu kam, dass auch zwischen dem gedruckten textus receptus* und den verschiedenen Bibelmanuskripten nicht wenige Unstimmigkeiten bestanden. Vor allem hinsichtlich der sog. petuchot und setumot, d. h. ‚offene‘ (‫ )פ‬und ‚geschlossene‘ (‫ )ס‬Abschnitte im Bibeltext, herrschte im Hochmittelalter unter den handschriftlichen Zeugen ein buntes Durcheinander. Überdies waren hier die Unterschiede zwischen Aschkenaz und Sefarad* besonders ausgeprägt (Liss 2016c, 313 – 317), was sich dann wiederum auf den textus receptus auswirkte. De Lonzano und Minchat Schai sahen sich auch hier besonders herausgefordert (vgl. Betzer 2004). Wie gründlich bereits Minchat Schai, der schließlich de Lonzanos Or Tora abgelöst hatte, in textkritischen Fragen vorging, zeigt beispielsweise sein Kommentar zu Ex 25,31. Im Ausdruck ‫מקשה‬ ‫‚ תיעשה המנורה‬in getriebener Arbeit soll (der Leuchter) gemacht werden‘, wird in vielen aschkenasischen Bibelcodices die nif‘al-Form

7.3.  Neue Zugänge    235 ‫ תֵּ י ָעשֶׂ ה‬plene* geschrieben (Liss 2016c; 2013). Die orientalischen

Codices weisen hier zumeist defektive* Schreibung auf und bieten unterschiedlich kurze und die Statistik der nif‘al-Form betreffende masora parva-Anmerkungen. Demgegenüber zeigen die Kommentare R. Avraham ibn Ezras, dass ihm offenbar beide Texttypen (aschkenasisch und tiberiensisch) vorlagen (vgl. oben Kap. 4.3.c.). Minchat Schai führt an dieser Stelle nicht nur sämtliche bereits bei ibn Ezra genannten Midraschim* an, sondern auch ibn Ezras eigene Ausführungen sowie weitere Kommentare von späteren Auslegern:

‫תֵּ יעָשֶׂ ה‬: Es gibt einen großen Streit in den Abhandlungen früherer Gelehrter, ob dieses Wort defektiv ohne Jod oder plene geschrieben werden solle. Und der Gelehrte ibn Ezra schrieb (dazu wie folgt): „Ich habe Bücher gesehen, die die Weisen von Tiberias untersucht hatten (…)“ [das ganze Zitat oben Kap. 4.3.c.). Auch der RaMah [R. Meïr ben Todros Ha-Levi Abulafia] hat dies bezweifelt (…) Und die Weisen aus Burgos haben es auch vom RaMah sel.A. bezeugt, dass er (…) es in seinem Buch plene geschrieben habe (…) und dies ist auch richtig, gemäß der Tradition (al pi ha-masoret; Minchat Schai, ed. Betzer 2005, 203 f.).

Minchat Schai nennt hier alle in Frage kommenden Textzeugen: vom Midrasch (Tanchuma Beha‘alotkha 3) bis hin zu R. Meïr ben Todros ha-Levi Abulafia aus Burgos / Spanien (ca. 1170 – 1244), der die Stelle ausführlich in seinem Werk Masoret Sejag la-Tora diskutiert. Dass er am Ende (gegen besseres grammatikalisches Wissen) eindeutig für die Pleneschreibung* votiert (masoret ist hier sicher doppeldeutig für ‚Masora‘ ebenso wie für ‚Tradition‘ zu lesen), zeigt, dass auch er noch der Überlieferungstradition ein großes Gewicht beimaß. Minchat Schai diskutiert in seinem Kommentar die ganze Fülle Kritik der der masoretischen Notationen, zu denen auch die Akzente gehören. biblischen Akzente In seiner Erklärung einer masora parva-Note zu Num 34,4 (dazu ausführlich Petzold 2018) zeigt sich die ganze philologische Detailverliebtheit, die dazu führt, dass diese textkritische Forschung bis heute bei Theologen und Philosophen eher erstauntes Kopfschütteln hervorruft: Die Form ‫‚[ נחלה‬Bach‘] wird auf der vorletzten Silbe betont, weil der Akzent auf dem Nun und das Chet auf dem Schewa steht. So wie bei ‫נחלת מצרים‬ [‚Bach Ägyptens‘] in Num 34. Die Masora notiert (hier nämlich) ‚2x auf der vorletzten Silbe zu betonen‘. Und bezüglich der Akzente hier lehrt R. Avraham ibn Ezra, dass das Wort ‫ נחלה‬in drei verschiedenen Formen erscheint. Erstens wie in ‫( נחלה לישראל עבדו‬als ‚Erbe‘ [Ps 136,22]) mit Chatef-Patach und Heh. Zweitens als ‫ נחלה‬der Grundform ‫‚( חלה‬krank‘ [Jer 10,19]) im nif‘al und mit Chet auf dem Schewa, und nur an dieser Stelle mit Betonung auf der letzten Silbe. Und drittens wie in ‫‚( נחלה עבד על נפשנו‬Wildbach‘ [Ps 124,4]) mit Chet auf dem Schewa und auf Betonung auf der vorletzten Silbe: mit einem Akzent auf dem Nun und Schluss-Heh (Minchat Schai, ed. Mantua 1742, 28b).

236    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Der masoretische Kommentar Minchat Schai wurde das wichtigste Werkzeug für die biblische Textkritik und sein Autor durch diese bahnbrechende textkritische Arbeit zu einem Wegbereiter der modernen (jüdischen wie nicht-jüdischen) Bibelwissenschaft. So basierte der Pentateuch von Wolf Heidenheim (Torat ha-Elohim von 1797; vgl. dazu unten Kap. 8.2.c.) ebenso auf ihm wie die Bibelausgabe von Norman H. Snaith von 1958 (vgl. Snaith 1962), und auch die zeitgenössischen israelischen Masoraforscher wie Israel Yeivin, Aron Dotan oder Jordan Penkower betrachten den Minchat Schai als das bis heute wichtigste masoretische Handwerkszeug. g.  Auf dem Weg zur anti-rabbinischen Religionskritik Uriel da Costas Kritik an der mündlichen Tora

Da Costas Kritik am rabbinischen Gesetz und seiner flexiblen Auslegung der schriftlichen Tora stand im Zentrum seiner elf Thesen. Er unterscheidet hier zwischen göttlichem (Tora des Mose) und menschlichem Gesetz und führt damit eine Kategorie ein, die wir bei Baruch Spinoza wiederfinden werden und die auch in der Auseinandersetzung zwischen der Neo-Orthodoxie und dem sog. „historisch-positiven Judentum“ des Zacharias Frankel eine wichtige Rolle spielen wird. Im Falle eines Widerspruchs sei allein der schriftlichen Tora Folge zu leisten; alles andere komme einer Änderung oder Ablösung der einen schriftlichen Tora gleich: Es genügt allein, um das Fundament der Tora umzustürzen, wenn man sagt, man müsse die Vorschriften der Tora auf Grund der Überlieferung und Tradition beurteilen, und man müsse an diese glauben, wie an die Tora des Moses selbst. Dies ist wahrlich beinahe so viel, wie die Tora zu ändern, wie eine neue Tora, die der wirklichen entgegensteht (…). Es ist aus der Tora nicht ersichtlich, dass es eine andere Tora oder einen Kommentar zu ihr gibt, dies hätte doch in der Tora erwähnt werden müssen, denn ohne einen solchen Hinweis ist jeglicher irgend geartete Beweis hinfällig. Ja selbst wenn diejenigen, die die mündliche Tora bezeugen, Männer wären, die Wunder vollbrächten, so dürften wir doch auf ihre Worte keine Rücksicht nehmen, wenn sie nicht mit der schriftlichen Tora übereinstimmten (…). Nachdem wir nun dargelegt haben, dass keine andere Tora und keine andere Erläuterung außer der schriftlichen von Gott stammt, muß also die in den erwähnten und anderen Erklärungen genannte Tradition von Menschen sein (…). Wenn man sieht, dass diese Überlieferung von Menschen herrührt, wäre es eine Häresie, sie der göttlichen Überlieferung gleichzustellen und zu sagen, wir seien verpflichtet, alle Gesetze des Talmud zu halten wie die der Tora von Moses (zitiert nach Grözinger 2009, 145 f.).

Die, wie Grözinger es nannte, „biblizistisch-ontologische“ Deutung der Offenbarung (Grözinger 2009, 148) wurde bei da Costa von einer historiographischen Lesart der Hebräischen Bibel begleitet. So stellt er nach gründlicher Lektüre der Vorderen Propheten fest, dass weder das Buch der Richter noch die Königsbücher einen Hin-

7.3.  Neue Zugänge    237

weis auf die mündliche Tora* geben. Der Graben, der sich durch die Historiographie zwischen den biblischen Schriften und ihrer jüdischen Auslegungstradition auftut, sollte sich fortan nicht mehr ohne weiteres zuschütten lassen. h.  Bibelauslegung als radikale Traditionskritik Die Radikalität von Spinozas Thesen bestand nicht einfach darin, die mosaische Autorschaft des Pentateuch zu leugnen; das taten auch andere vor ihm. Bereits ibn Ezra deutet vorsichtig an, dass nicht alles zu Moses Zeiten und von ihm selbst geschrieben wurde (ibn Ezra zu Gen 36,31), und auch da Costa und La Peyrère vertraten diese Ansicht (E. Breuer 1996a, 77 – 107; L. Strauss 2001b; Fraenkel 2007). Die Schärfe seiner Bibelhermeneutik bestand darin, zu behaupten, dass ein solches Wissen auch einen veränderten Umgang mit der Schrift und ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung nach sich ziehen müsse (Nadler 2008). Im Tractatus Theologico-Politicus (TTP) konnte Spinoza daher behaupten, dass die Methode der Schriftauslegung sich in nichts von jener der naturwissenschaftlichen Bearbeitung zu unterscheiden habe: Um diesem Durcheinander zu entkommen und den Geist von theologischen Schriftauslegung Vorurteilen zu befreien, also nicht menschliche Erfindungen leichtfertig als wie Naturwissen­ göttliche Lehren hinzunehmen, müssen wir von der wahren Methode der schaft Schriftinterpretation handeln und sie argumentativ entfalten; denn wenn wir sie nicht kennen, können wir keine Gewißheit darüber haben, was die Schrift oder der Heilige Geist lehren will. Um es hier in wenigen Worten zu formulieren, sage ich, daß die Methode der Schriftinterpretation sich von der Methode der Interpretation der Natur nicht unterscheidet, sondern mit ihr völlig übereinstimmt. In der Tat, wie die Methode der Naturinterpretation hauptsächlich darin besteht, eine Geschichte der Natur zusammenzustellen, aus der wir, wie aus sicheren Daten, die Definitionen der natürlichen Dinge erschließen, so ist es auch für die Interpretation der Schrift nötig, sich ihre unverfälschte Geschichte zu erarbeiten und aus ihr als sicheren Daten und Prinzipien in richtiger Folgerung den Geist der Verfasser der Schrift zu erschließen. So wird in der Tat jeder (vorausgesetzt, er läßt keine anderen Prinzipien oder Daten für die Interpretation der Schrift und die Darlegung ihres Inhalts zu als die, die sich der Schrift selbst und ihrer Geschichte entnehmen lassen) ohne Gefahr eines Irrtums jederzeit weiterkommen und das, was unsere Fassungskraft übersteigt, genau so sicher erörtern können wie das, was wir kraft des natürlichen Lichts erkennen (Spinoza, TTP 7, ed. und übersetzt von Bartuschat 2012, 120 – 121).

Die für Spinoza grundlegende hermeneutische Prämisse im Umgang Von der Wahrheit mit der Bibel ist die Unterscheidung zwischen dem ‚Sinn der Rede‘ zum ‚Sinn der Rede‘ und der ‚Wahrheit‘: Denn allein mit dem Sinn der Reden, nicht aber mit ihrer Wahrheit haben wir es hier zu tun. Mehr noch, wir müssen uns, wenn es um den Sinn der

238    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Schrift geht, davor hüten, durch eine Argumentation voreingenommen zu sein, die sich auf Prinzipien der natürlichen Erkenntnis stützt (von den Vorurteilen ganz zu schweigen). Damit wir den wahren Sinn des Textes nicht mit der Wahrheit der Sache verwechseln, ist er allein im Rückgriff auf den Sprachgebrauch oder gestützt auf eine Argumentation, die als Grundlage nur die Schrift anerkennt, zu erforschen (Spinoza, TTP 7, ed. und übersetzt von Bartuschat 2012, 123).

Es geht also nicht darum, seine eigenen Vorstellungen in der Schrift wiederfinden zu wollen, sondern etwas zu finden, wonach man nicht gesucht hat und das sogar den eigenen Vorstellungen zuwiderlaufen kann. Der Sinn der Rede, d. h. die Bedeutung des Textes, nimmt seinen Ausgang bei der Schrift selbst und basiert allein auf philologisch-linguistischen, historischen und historiographischen Erwägungen: Exegese als Einlei­ tungswissenschaft

1. Sie muß auf die Natur und Eigentümlichkeiten der Sprache eingehen, in der die Bücher der Schrift geschrieben sind und in der ihre Verfasser gewöhnlich sprachen. So werden wir imstande sein, jeglichen Sinn ausfindig zu machen, den eine Rede nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zulassen kann. Und weil die Schreiber des Alten wie des Neuen Testaments allesamt Hebräer waren, ist natürlich vor allem eine Kenntnis der hebräischen Sprache erforderlich, nicht nur für das Verständnis der Bücher des Alten Testaments, die in dieser Sprache geschrieben worden sind, sondern auch für die des Neuen Testaments, die zwar in anderen Sprachen verbreitet sind, aber doch hebräische Bücher sind. 2. Sie muß die Aussagen jedes Buches zusammenstellen und nach Hauptpunkten ordnen, um so alles, was von demselben Gegenstand handelt, schnell zur Hand zu haben, sodann alle Aussagen vermerken, die zweideutig oder dunkel sind oder sich zu widersprechen scheinen (…). 3. Schließlich muß diese historisch orientierte Untersuchung für alle Bücher der Propheten die damaligen Gegebenheiten aufzeichnen, soweit wir von ihnen noch Kenntnis haben: Leben, Sitten und Interessen des Verfassers eines jeden Buches, wer er gewesen ist, bei welcher Gelegenheit, zu welcher Zeit, für wen und in welcher Sprache er geschrieben hat. Ferner ist das Schicksal eines jeden Buches zu untersuchen: wie man es erstmals erhalten hat, in wessen Hände es gefallen ist, wie viele unterschiedliche Lesarten es gibt und wer entschieden hat, es unter die heiligen Bücher aufzunehmen, und schließlich, wie alle diese Bücher, die heute als heilig gelten, in ein einziges Werk zusammengebracht wurden (Spinoza, TTP 7, ed. und übersetzt von Bartuschat 2012, 122 – 125).

Aus diesem Grund unterzog Spinoza die biblischen Erzählungen und ihre nachbiblische Deutung einer radikalen historischen Kritik. Am Anfang steht hier vor allem die Frage nach der Verfasserschaft der biblischen Texte: Die Verfasser der Bibel

Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich bei dieser Methode daraus, daß sie die Kenntnis der historischen Umstände aller Bücher der Schrift erfordert, die wir jedoch in den meisten Fällen nicht haben. Von zahlreichen Büchern sind uns nämlich die Verfasser oder, wenn man lieber will, die Redakteure

7.3.  Neue Zugänge    239 entweder völlig unbekannt oder, wie ich in den folgenden Kapiteln ausführlich zeigen werde, zumindest zweifelhaft. Ferner wissen wir auch nicht, bei welcher Gelegenheit und zu welcher Zeit die Bücher, deren Redakteure uns unbekannt sind, geschrieben wurden. Außerdem wissen wir nicht, in wessen Hände alle diese Bücher gefallen sind, wem die Exemplare mit so viel verschiedenen Lesarten gehört haben und ob es noch weitere Lesarten in anderen Exemplaren gegeben hat (Spinoza, TTP 7, ed. und übersetzt von Bartuschat 2012, 134).

Spinoza verweist darauf, dass die Bibel selbst Rückverweise auf frühere Namen, Orte oder Begebenheiten vornimmt, oder dass sich auch biblische Ortsnamen geändert hätten. Was die Verfasserschaft der biblischen Schriften angeht, so kommt er zu dem Ergebnis, dass Mose zwar einige Gesetze und Erzählungen verfasst habe; der Großteil der Bücher sei jedoch überhaupt einem nachexilischen Schreiber (Esra) zuzurechnen, der aus den vielen Einzelüberlieferungen, die auf ihn gekommen seien, eine durchgehende Erzählung zusammengestellt habe (TTP 8 – 9): Aus diesen drei Merkmalen (thematische Einheit aller Bücher, Art ihrer Esra als Redaktor Verknüpfung, Zeitpunkt ihrer Abfassung viele Jahrhunderte nach den geschilderten Ereignissen), zusammengenommen betrachtet, schließen wir, wie schon gesagt, daß sie alle von einem einzigen Historiker verfaßt sind. Wer es gewesen ist, kann ich nicht mit gleicher Evidenz zeigen, vermute aber, daß es Esra war, und stütze mich für diese Vermutung auf einige triftige Anhaltspunkte. Weil dieser Historiker (von dem wir jetzt wissen, daß es nur einer war) die Geschichte bis zur Befreiung Jojachins fortführt und hinzufügt, daß dieser sein Leben lang am Tisch des Königs gesessen habe (ob Jojachins Leben oder das des Sohns von Nebukadnezar gemeint ist, ist nicht eindeutig), ergibt sich, daß er nicht vor Esra gelebt haben kann. Doch nur von Esra und von keinem anderen, der damals etwas zählte, bezeugt die Schrift (siehe Esra 7,10), daß er eifrig darauf bedacht war, das Gesetz Gottes zu erforschen und zu illustrieren, und daß er sich als Schriftgelehrter (ebenda 7,6) im Gesetz Moses’ auskannte. Deshalb wüßte ich keinen außer Esra, der diese Bücher hätte schreiben können (Spinoza, TTP 8, ed. und übersetzt Bartuschat 2012, 156).

Faktisch hat Spinoza hier ein ‚Enneateuch-Modell‘ entwickelt, wonach der nachexilische Historiograph die Bücher Genesis – Könige unter Einschluss älterer Urkunden verschriftlicht habe. In der Tat gibt ja die Bibel selbst an nicht wenigen Punkten Hinweise auf ältere Urkunden, wie beispielsweise Sefer Milchamot Jh“h (‚Buch der Kriege des Ewigen‘ Num 21,14), Sefer ha-Berit (‚Buch des Bundes‘; Ex 24,7); Sefer Divre ha-Jamim le-Malkhe Jisrael (‚Chroniken der Könige Israels‘; 1Kön 14,19) u. ö. Für Spinoza war es dabei selbstverständlich, auch das Neue Testament mitzubedenken. Hier haben wir also zum ersten Mal einen jüdischen Denker vor uns, der im Zuge der historischen Kritik die Zusammengehörigkeit der Hebräischen Bibel (Altes Testament) mit dem Neuen Testament anerkannte.

240    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Der Rückbezug auf die Schrift selbst führte dazu, dass Spinoza aus jenen biblischen Belegen, in denen Israel der Untergang und das Exil angedroht wird, die Schlussfolgerung zog, dass auch die Erwählung Israels nur eine bedingte und zeitlich begrenzte sei: Das Ende der Erwählung Israels

Das wird mir nicht schwer fallen, wenn ich aus der Schrift bewiesen habe, daß Gott die Hebräer nicht in Ewigkeit auserwählt hat, sondern nur unter derselben Bedingung wie vorher die Kanaaniter, die auch, wie oben gezeigt, Oberpriester gehabt hatten, die Gott fromm verehrten und die Gott dennoch wegen ihrer Verschwenderei, Nachlässigkeit und Abgötterei von sich gewiesen hat (…) in Deuteronomium 8,19 u. 20 droht er ihnen ausdrücklich den völligen Untergang an, indem er sagt: Heute bezeuge ich euch, daß ihr ganz und gar umkommen werdet; wie die Völkerscharen, die Gott vor eurem Angesicht umkommen läßt, so werdet ihr umkommen. Noch andere Stellen dieser Art finden sich im Gesetz, die ausdrücklich formulieren, daß Gott das hebräische Volk weder schlechthin noch in Ewigkeit auserwählt hat (…) Heutigentags haben die Juden daher nichts mehr, was sie sich vor anderen Völkern als Privileg zuschreiben könnten. Daß sie sich so viele Jahre hindurch, zerstreut und ohne Staat, erhalten haben, ist nicht weiter erstaunlich, nachdem sie sich einmal von allen Völkern in einer Weise abgesondert hatten, die ihnen den Haß aller zuzog, eine Absonderung nicht nur durch die den Riten aller anderen Völker entgegengesetzten äußeren Riten, sondern auch durch das Zeichen der Beschneidung, an das sie sich mit größtem religiösen Eifer halten. Daß es der Haß ist, der ein Volk zusammenhält, hat schon die Erfahrung gelehrt (Spinoza, TTP 3, ed. und übersetzt Bartuschat 2012, 63 – 65).

Daraus folgt schließlich für Spinoza, dass auch das ‚Zeremonial-Gesetz‘ als das mosaische Gesetz (d. h. die schriftliche Tora) nur von begrenzter Dauer gewesen und mit dem Untergang von Kult und Staat bedeutungslos geworden sei: Daß die Hebräer nach der Vernichtung ihres Staates nicht mehr gehalten waren, ihre Zeremonien zu praktizieren, ist aus Jeremia ersichtlich, der, als er die Zerstörung der Stadt bevorstehen sieht und sie ankündigt, sagt: Gott liebt nur die, die wissen und einsehen, daß er es ist, der Barmherzigkeit, Gericht und Gerechtigkeit in der Welt übt; mithin sind fortan nur die, die dies wissen, des Lobes würdig zu erachten (siehe 9, 23), als ob er damit sagen wollte, daß Gott nach der Zerstörung der Stadt nichts Besonderes von den Juden fordert, sondern fortan von ihnen nur verlangt, das natürliche Gesetz, an das alle Sterblichen gebunden sind, zu befolgen. Auch das Neue Testament bestätigt dies vollauf (…). Wenn die Pharisäer sie auch nach dem Untergang des hebräischen Staates, zum größten Teil wenigstens, beibehalten haben, taten sie es mehr, um sich den Christen zu widersetzen, als um Gott wohlgefällig zu sein. Denn als sie nach der ersten Zerstörung der Stadt nach Babylon in die Gefangenschaft geführt wurden, haben sie, meines Wissens noch nicht in Sekten zersplittert, die Zeremonien sofort unbeachtet gelassen; mehr noch, sie haben sich vom ganzen mosaischen Gesetz losgesagt, die Rechtsgesetze ihres Vaterlandes als völlig überflüssig der Vergessenheit anheimgegeben und sich mit den anderen Völkern zu vermischen begonnen, wie wir aus Esra und Nehemia zur Genüge wissen.

7.4. Zusammenfassung    241 Deshalb steht außer Zweifel, daß die Juden nach der Auflösung des Staates das mosaische Gesetz so wenig beachten mußten wie vor Beginn ihrer Gesellschaft und ihres Staates. (Spinoza, TTP 5, ed. und übersetzt Bartuschat 2012, 85 f.).

Dass Spinoza hier vor allem für seine Zeitgenossen zu weit gegangen war, lässt sich leicht denken. Dabei richtete sich seine Kritik gar nicht in erster Linie gegen die Juden, sondern gegen die Reformierte Kirche im Bunde mit dem Hause Oranien (Fraenkel 2013). Spinoza „lehrt die Philosophen, wie man ihren Kindheitsglauben so interpretiert, dass sie die Autorität der Bibel mit ihren philosophischen Ansichten (wieder) versöhnen können“ (Fraenkel 2013, 656). Heute steht außer Frage, dass Spinoza spätestens seit dem 18. Jahrhundert und der jüdischen Rezeption seines Denkens seit Moses Mendelssohn aus dem jüdischen Diskurs nicht mehr wegzudenken ist. Grözinger verweist auf den 1927 mit großem Pathos von Jakob Klausner proklamierten Widerruf des Synagogenbannes gegen Spinoza (Grözinger 2009, 161). Aber auch unabhängig von dieser feierlichen Rehabilitierung der Ideen Spinozas bleiben seine Thesen aktuell und sein Umgang mit der Hebräischen Bibel eine echte Herausforderung für jeden, dem sie am Herzen liegt.

7.4. Zusammenfassung Mit der Zeit der jüdischen Renaissance und in der frühen Neuzeit ändern sich alle Parameter, die bislang für die Bibelkommentierung wesentlich gewesen sind. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die jüdischen Gelehrten, die wir in dieser Zeit besonders in Italien finden, die Anregungen ihrer nicht-jüdischen Umwelt umfassend aufnahmen und mit der biblischen Tradition zu verbinden suchten. Ars Rhetorica und Architektur, Medizin, Mineralogie und Musik, Jurisprudenz und Staatskunde: Es gab wohl keinen Bereich des öffentlichen intellektuellen Diskurses, wo die Juden nicht nur mitmachen, sondern diesen auch aktiv gestalten und voranbringen wollten. Männer wie Messer Leon oder Azarja waren sich des Abstandes ihrer Zeit vom biblischen Zeitalter sehr bewusst. Bekannt ist Azarjas Rezeption des schon auf Bernhard von Chartres (st. ca. 1140) zurückgehenden Aphorismus vom Zwerg, der zwar (noch) auf den Schultern der Riesen hockt, aber (schon) weiter schauen kann als sein Vorfahr. Die Bibel wurde zum Träger des universalen Wissens und konnte damit für alle Bereiche des Lebens uneingeschränkt befragt und angewandt werden. Die jüdischen Gelehrten sahen in ihr sogar die Quelle auch allen profanen Wissens und der Künste, der man sich nicht mehr nur auf den Pfaden der jüdischen

242    7. Kapitel:  Zwischen Rhetorik, Historiographie, Politik und Religionskritik Traditionsliteratur, sondern mit den Methoden der Zeit – Historiographie, Musiktheorie oder Waffenkunde – zu nähern erlaubte. Dieser Rückgriff auf die jüdische und nicht-jüdische Antike und die Tatsache, dass das jüdische und christliche Miteinander sich auch auf die Wissenschaften und das gemeinsame Lernen ausweitete, brachte es überdies mit sich, dass man sich der griechischen (und lateinischen) Bibelübersetzung bewusst wurde und hier erstmals von philologischer Seite her die Wahrheitsfrage gestellt wurde. Jetzt wird auch vergleichende Textkritik betrieben, die unter den jüdischen Gelehrten des 15. und 16. Jahrhunderts noch durchaus umstritten war, im 19. Jahrhundert dann als Vorläufer der Wissenschaft des Judentums gepriesen wurde. Die mit Azarja und Uriel da Costa aufgekommenen historiographischen Fragen an die jüdische Tradition sollten das Judentum seitdem nicht mehr loslassen und der Streit darüber in voller Schärfe im 19. Jahrhundert ausbrechen. Mit Baruch Spinozas Traditionskritik liegt dann tatsächlich zum ersten Mal eine radikale Form des Skeptizimus vor. Allerdings wollte er nicht einfach die Inhalte der Hebräischen Bibel für obsolet erklären; es ging ihm vielmehr darum, aus einer philosophischen Perspektive und für Philosophen einen gangbaren Weg für ihren Umgang mit der Bibel zu ebnen.

7.4. Zusammenfassung    243

8. Kapitel: Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)

Behm, Britta L., Moses Mendelssohn und die Transformation der jüdischen Erziehung in Berlin: Eine bildungsgeschichtliche Analyse zur jüdischen Aufklärung im 18. Jahrhundert (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, Bd. 4). Münster u. a. 2002. Bezzel, Hannes / Hecht, Louise / Schorch, Grit, Die Anfänge moderner Bibelwissenschaft in der Wiener Haskala. Juda Jeitteles und Juda Leib ben Ze’ev als Exegeten im Verlagshaus von Anton Schmid. In: Sophia Kähler / Shani Tzoref / Daniel Vorpahl (Hgg.), Deutsch-Jüdische Bibelwissenschaft – Beiträge der internationalen Fachtagung, 26. – 27. September 2016, Potsdam. Berlin / New York 2019, S. 171 – 193. Breuer, Edward, The Limits of Enlightenment: Jews, Germans, and the Eighteenth-Century Study of Scripture. Cambridge 1996a. Feiner, Shmuel, Moses Mendelssohn. Ein jüdischer Denker in der Zeit der Aufklärung. Göttingen 2009. Greive, Hermann, Die Juden: Grundzüge ihrer Geschichte im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa. Darmstadt 41992. Grözinger, Karl Erich, Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik, Bd. 3: Von der Religionskritik der Renaissance zu Orthodoxie und Reform im 19. Jahrhundert. Frankfurt u. a. 2009. HaCohen, Ran, Reclaiming the Hebrew Bible: German-Jewish Reception of Biblical Criticism (Studia Judaica, Bd. 56). New York 2010. Liss, Hanna, ‚Die niedere Kritik‘: Das Studium der Masora zwischen Bibelwissenschaft und Wissenschaft des Judentums. In: Daniel Vorpahl / Sophia Kähler / Shani Tzoref (Hgg.), Deutsch-Jüdische Bibelwissenschaft: Historische, exegetische und theologische Perspektiven (Europäisch-jüdische Studien. Beiträge, Bd. 40). Berlin / Boston 2019b, S. 139 – 159. Schaeffler, Richard, Die Wissenschaft des Judentums in ihrer Beziehung zur allgemeinen Geistesgeschichte im ‎Deutschland des 19. Jahrhunderts. In: Julius Carlebach (Hg.), Wissenschaft des Judentums: Anfänge der Judaistik in Europa. Darmstadt 1992, S. 113 – 131. Schorch, Grit, Das Erhabene und die Dichtkunst der Hebräer. Transformationen eines ästhetischen Konzepts bei Lowth, Mendelssohn und Herder. In: Christoph Schulte (Hg.), Hebräische Poesie und jüdischer Volksgeist: Die Wirkungsgeschichte von Johann Gottfried Herder im Judentum Ost- und Mitteleuropas (Haskala, Bd. 28). Hildesheim u. a. 2003, S.  67 – 92. Schulte, Christoph, Die jüdische Aufklärung: Philosophie, Religion, Geschichte. München 2002. – (Hg.), Hebräische Poesie und jüdischer Volksgeist: Die Wirkungsgeschichte von Johann Gottfried Herder im Judentum Mittel- und Osteuropas (Haskala, Bd. 28). Hildesheim u. a. 2003. Shavit, Jacob / Eran, Mordechai, The Hebrew Bible Reborn: From Holy Scripture to the Book of Books. A History of Biblical Culture and the

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8.1. Voraussetzungen und Hintergründe a.  Das Judentum zwischen Chasidismus und Mitnaggedim Mit dem 17. und 18. Jahrhundert verlassen wir das italienische Judentum und müssen fortan unseren Blick zum einen nach Osteuropa, zum anderen nach Westeuropa richten, wo sich sehr unterschiedliche jüdische Religions- und Diskurskulturen entwickelten, die jedoch beide auf ihre sehr eigene Art nachhaltigen Eindruck hinterlassen sollten. Während im Westen Baruch Spinozas kritische Philosophie unter dem Einfluss von René Descartes dazu führte, dass der Offenbarungsglaube und die in der Philosophie kristallisierten Ideen der allgemeinen Vernunft fortan neben- oder sogar gegeneinander bestanden, und dieses Bewusstsein vor allem in den Schriften Moses Mendelssohns als dem herausragenden Vertreter der jüdischen Haskala* zum Höhepunkt kam, entwickelt sich im Osten das Judentum zwischen den Fronten des Chasidismus* einerseits und den sog. Mitnaggedim* andererseits. In der Mitte des 17. Jahrhunderts liegen hier die großen jüdischen Zentren in Polen und Litauen. Das jüdische Leben wurde vor allem durch die sozialen Spannungen und Unruhen in Mitleidenschaft gezogen, die in den Jahren 1648 – 57 in den sog. Chmelnyzkyj-Aufständen, den Kosakenaufständen unter Hetman Bogdan Chmelnyzkyj gegen die polnischen Großgrundbesitzer, gipfelten. Die in diesem Zusammenhang durch die Krimtataren und die Chmelnyzkyj-Bewegungen verübten Massaker an Polen und Juden brachten unermessliches Leid über die jüdische Bevölkerung. Man schätzt, dass ca. 100 000 Menschen und damit knapp die Hälfte der jüdischen Bevölkerung der heutigen Ukraine ermordet wurde (Greive 1992, 116 – 129). Chasidismus in In der Rezeption vor allem der lurianischen Kabbala des Jitzchaq Osteuropa ben Schelomo Luria aus Safed (1534 – 72) und der damit verbundenen Popularisierung der jüdischen Mystik auf dem Weg über Italien entwickelte sich im 16. Jahrhundert der osteuropäische Chasidismus als Gegenbewegung zum rabbinischen Nomismus (zum Ganzen Talabardon 2016, 29 – 58; Schulte 2014, bes. 243 – 288). Begründet durch Israel ben Eli‘ezer (Ba‘al Schem Tov ‚Meister des göttlichen Namens‘, der sog. ‚BeSchT‘; 1700 – 60) bildeten sich vor Die Chmelnyz­ kyj-Aufstände

8.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    245

allem im 17. und bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts mit den einzelnen Tzaddiqim und ihren Anhängern, den Chasidim, neue Organisationsformen aus, die vor allem von den rabbinischen Gegnern, den Mitnaggedim* aufs Äußerste bekämpft wurden. Bibelkommentare wurden hier keine verfasst, wie überhaupt die Bibel oder die biblische Geschichte keine große Rolle mehr spielte. Die Tzaddiqim hielten Deraschot, Predigten, die von Endzeit-Erwartungen und messianischen Ideen handelten oder verfassten populär-kabbalistische Traktate. Unter den Juden Osteuropas im 18. und dann auch im 19. Jahrhundert sollte die Hebräische Bibel in den Dornröschenschlaf der Bedeutungslosigkeit versinken. Täglich studiert wurde der babylonische Talmud*, und zwar die jährlich festgesetzten Traktate nach bestimmten Lehr- und Lernmethoden. Teilweise wurde das Talmudstudium sogar überregional festgelegt, um Schülern das Reisen zu ermöglichen und eine genügend hohe Zahl an Druckexemplaren zu gewährleisten; so waren beispielsweise die Lehrprogramme an den Jeschivot zwischen Krakau, Prag, Frankfurt und Mannheim vom 16. – 18. Jahrhundert aufeinander abgestimmt (Wilke 2004, 140 – 147; 191 – 218). Das Bibelstudium, genauer gesagt: das Studium des Tora-Wochenabschnittes mit Raschi war auf den Freitagvormittag beschränkt. Vordere und Hintere Propheten sowie die Schriften außerhalb der fünf Megillot* (Hohelied, Rut, Ekha, Qohelet und Ester) wurden praktisch nicht zur Kenntnis genommen (nicht einmal die sog. Haftara*-Abschnitte), und dies hat sich tatsächlich bis heute in ultra-orthodoxen Kreisen gehalten: Das Lesen und Rezitieren des Talmudtextes, d. h. das tägliche Lernen eines Talmudblattes (Lernen min ha-daf oder daf jomi), das damit einhergehende Studium des Kommentares von Raschi zum Talmud, die Erarbeitung der Diskussionen der Tosafisten* und die späteren halachischen Handbücher wie die Chiddusche Halakhot von Samuel Edel (Lublin 1612) konzentrierten alle intellektuelle Anstrengung auf das Religionsgesetz (Halakha*) und die talmudische Dialektik (Pilpul). Die Inhalte der biblischen Bücher über die rein gesetzlichen Passagen in den Büchern Exodus bis Deuteronomium hinaus, die biblische Sprache und Grammatik waren ebensowenig auf der Tagesordnung wie die sprachliche Unterweisung im Aramäischen. Was die talmudische Überlieferung anging, wurde also vielfach fleißig memoriert, ohne die Grundlage der hebräisch-aramäischen Sprachtraditionen zu beherrschen oder sie gar würdigen zu können. Mit der Konzentration auf den Talmud ging die Ablehnung der Philosophie einerseits und die Zurückdrängung des Bibelstudiums andererseits Hand in Hand. Hatte Jakob Israel Ben Tzvi Aschkenazi Emden (1697 – 1776) die Philosophie als nicht-traditionstreu-

‚Die Superiorität des Talmud‘

Ablehnung der Philosophie

246    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) es Erkenntnis-Instrument zurückgewiesen (nicht-jüdische Autoren durften allenfalls auf dem Abort gelesen werden; Wilke 2003, 224), so stand das Bibelstudium einschließlich der Beschäftigung mit Sprache und Grammatik insgesamt gegen das traditionelle Studium der Tora (als ‚Chumasch mit Raschi‘). Das talmudische Diktum des R. Eli‘ezer ‚Haltet eure Kinder vom Nachdenken zurück‘ (… u-min‘u benekhem min ha-higgajon; bBer 28b), das Raschi auf das Bibelstudium (miqra) bezogen hatte (ad loc.), galt uneingeschränkt, denn man befürchtete, dass das Bibelstudium vom Studium der mündlichen Tora, und hier vor allem: der Halakha, ablenke oder gar zur Häresie führe (Shavit / Eran 2007). Erlaubt und dem Bibelstudium sogar als förderlich anempfohlen waren hingegen bestimmte Naturwissenschaften wie Physik oder Medizin. Diese waren (und sind ja bis heute) weit entfernt von spekulativer Religionsphilosophie und -lehre und konnten in halachischen Fragen durchaus zuarbeiten und Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung leisten (zum Ganzen Wilke 2003, bes. 219 – 225). b.  Der Beginn der jüdischen Haskala in Westeuropa Maskil in Mittelalter und früher Neuzeit

Bereits die mittelalterlichen Gelehrten kannten einen Begriff von Haskala*, wenngleich sie diesen Begriff zumeist nicht verwendeten, sondern von den maskilim* sprachen. Dieser Begriff geht auf das hebräische sekhel zurück und meint Verstand / Vernunft. Für Avraham ibn Ezra, Maimonides und David Qimchi waren die maskilim jene gebildeten Rationalisten, die die (aristotelische oder neuplatonische) Philosophie mit dem biblischen Offenbarungsglauben zu vereinbaren suchten (vgl. oben Kap. 4.3.e.). Demgegenüber versteht Raschbam unter maskil einen in den profanen Literaturen und der umgangssprachlichen Literaturtheorie bewanderten Zeitgenossen (vgl. oben Kap. 2.1.b.). Im 18. Jahrhundert bezeichnete der Begriff der Haskala zunächst einfach die Philosophie (im Gegensatz zum Religions- oder Rechtsdiskurs). Haskala als (Selbst-)Bezeichnung für ‚jüdische Aufklärung‘ setzte sich erst im 19. Jahrhundert durch (zum Ganzen Schulte 2002, 17 – 47). Im Vergleich zur westeuropäischen, nicht-jüdischen Aufklärung vollzog sich die jüdische Aufklärung erst in der Folge und als Reaktion auf die Entwicklungen in England, Frankreich und Deutschland, dafür aber umso schneller und umso heftiger. Kennzeichnend für sie war einerseits die Hinwendung zu den profanen Wissenschaften wie Sprachen, Literatur, Kunst oder Musik, andererseits – und für den religiösen Diskurs entscheidend – die Rezeption der Ideen des englischen Deismus, d. h. die Akzeptanz eines allgemeinen und mit der Vernunft zu postulierenden Schöpfergot-

8.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    247

tes, der aber keine weiteren Offenbarungen mehr aus sich entlässt und darum auch keine geschichtlichen Hinwendungen zu einzelnen Völkern oder (prophetisch inspirierten) Menschen vollzieht, wie dies in den klassischen Offenbarungsreligionen wie Judentum und Christentum behauptet wird. Eine wichtige Rolle in dieser Zeit des intellektuellen Aufbruchs spielte das Reich der Habsburger. Es bildete einen übergreifenden kulturvermittelnden Raum, der die italienischen Territorien über Wien und bis nach Prag, Galizien und Krakau umspannte. Die Toleranzpatente Josephs II. von 1781 und seine Maßnahmen zur allgemeinen Verbesserung des Bildungsniveaus in der Bevölkerung, vor allem in den Grundschulen, was insgesamt in der Durchsetzung eines modernisierten Schulwesens mündete (Judson 2017, bes. 76 – 138), setzten auch auf jüdischer Seite eine gemäßigte Aufklärung gegen die Orthodoxie in Gang (Maier 1992, bes. 514 – 558). Die jüdischen Maskilim sagten in erster Linie der traditionellen jüdischen Erziehung mit Talmudstudium und Erziehung zu religiöser Observanz den Kampf an. Eine Schulbildung auch in den profanen Fächern und ein insgesamt säkular angelegtes Bildungsprogramm führten zu Schulgründungen wie der Jüdischen Freischule in Berlin (1778; Lohmann 2001b), der Samson-Schule in Wolfenbüttel (1786) oder der Jacobson-Schule in Seesen (1801). Unterrichtet wurde in Hochdeutsch, um die Juden ins bürgerliche Milieu eingliedern zu können, aber auch, um den Jargon des ‚Schtetl‘ hinter sich zu lassen. Mit dem Anspruch der bürgerlichen Akkulturation ging die Idee eines ‚vernünftigen‘ Religionsbegriffes einher. Volksfrömmigkeit wurde als (mystischer) Aberglaube zurückgewiesen, und was sich nicht vernünftig begründen ließ, wurde als überflüssig oder gar schädlich ausgesondert. Vor allem das traditionelle, observante Judentum war den jüdischen Aufklärern ein Dorn im Auge, denn Bekleidungs- und Speisevorschriften, das Werkverbot am Schabbat, die Beschneidung und das Verbot der Mischehe galten als Hindernisse auf dem Weg in die Zugehörigkeit zur Staatsbürgergesellschaft. Zwar hatte bereits 1781 Christian Wilhelm Dohms Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Juden formuliert, dass das private Bekenntnis nicht über die Zugehörigkeit zur Staatsbürgergesellschaft entscheiden solle; dies ging aber mit einer uneingeschränkten Forderung nach Assimilierung einher. Auf jüdischer Seite kam es in der Folge dieser Auseinandersetzung zum Konflikt zwischen ‚religiösem Gesetz‘ und ‚Vernunftreligion‘. Die Vorstellung des jüdischen Religionsgesetzes als einer ausschließlich auf göttlicher Offenbarung gründenden Größe, der sich ein Jude zu unterwerfen hatte, stand in diametralem Gegensatz

Kultur und Bildung im Reich der Habsburger

Das Bildungs­ programm der Maskilim

Gegen Volks­ frömmigkeit und ‚Aberglaube‘

Zwischen Vernunft­ religion und Gesetz

248    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) zur allgemeinen Menschenvernunft bzw. zur universalen Religion der Vernunft. Diese Unterscheidung geht zurück auf die Philosophie Spinozas und wird vor allem bei Mendelssohn ausgearbeitet, der in seiner Schrift Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum (1783) nachdrücklich zwischen der ‚natürlichen Religion‘, der Religion der menschlichen Vernunft, und dem ‚geoffenbarten Gesetz‘ unterschied. Die zentralen jüdischen Glaubenssätze wie die Existenz und die Einheit Gottes, die Unsterblichkeit der Seele und die göttliche Vorsehung gehörten zum gemeinsamen religiösen Glaubensgut der Menschheit. Diese religiösen Grundüberzeugungen bedürften keiner Offenbarung und seien von allen vernunftliebenden Menschen aus freier Überzeugung angenommen worden. Sie könnten daher auch vom Judentum nicht in Sonderheit in Anspruch genommen werden. Anders stehe es hingegen mit dem jüdischen Gesetz, das allein Israel offenbart sei. Hierin unterscheide sich Israel von allen anderen Nationen, die darum auch nicht an dieses Gesetz gebunden seien. Mendelssohn unterschied also zwischen einem ‚Judentum als geoffenbarter Gesetzgebung‘ und einer „jüdischen Religion als Teilhaberin an der universalen Wahrheit der Vernunft“ (Grözinger 2009, 388 – 416; Schulte 2002, 48 – 63). Reform oder In der Haltung der Juden zum Gesetz lag letztlich der eigentliche Konversion Konfliktherd für die gesamte nachfolgende und bis heute anhaltende innerjüdische Auseinandersetzung, die davon geprägt war, dass die Juden entweder mindestens zu den reformorientierten Kreisen oder gleich zum Christentum überliefen. Richard Schaeffler pointierte diese Entwicklung mit den Worten: „Aufklärung bot dem Juden Freiheit, dem Judentum aber die Selbstauflösung an“ (Schaeffler 1992, 116). c.  Die protestantische Bibelwissenschaft des 18. Jahrhunderts Das 18. Jahrhundert markiert den Übergang von der traditionell-religiösen zur profanen, (kultur-)geschichtlichen Lesart der Bibel, und dies sowohl auf christlicher wie auch, zumindest in Teilen, auf jüdischer Seite. Das beginnt mit den Diskursen um den besten (Ur-) Text (E. Breuer 1996a, 77 – 108) und endet in der sog. höheren Kritik, d. h. der ausschließlich religions- und literaturgeschichtlichen Erforschung der biblischen Bücher. Wichtige Die für die biblische Textkritik bis heute relevanten BibelausgaBibelausgaben ben sind die sog. Kennicott-Bibel (Kennicott 1776 – 80), die Bibel von Giovanni Bernardo de Rossi (de Rossi 1784 – 88), aber auch die Bibel von Johann Heinrich Michaelis (Michaelis 1720). Vor allem Vertreter des protestantischen Pietismus hatten sich der Textkritik verschrieben, die sich in erster Linie der Erarbeitung eines ‚besten‘

8.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    249

Textes im Sinne der Annäherung an den ursprünglichen Text, den ‚Urtext‘, widmete. Hier ist vor allem Johann Heinrich Michaelis zu nennen (1668 – 1738), ein evangelischer Theologe und Orientalist (Halle), der in seiner Bibelausgabe nicht allein den Bibeltext, sondern auch die Masora noch sehr zu schätzen wusste. Die Michaelis-Bibel von 1720 enthielt neben dem Traktat En ha-Qore (‚Das Auge des Vorlesers‘) von Jequtiel ben Jehuda ha-Naqdan auch das Werk Masoret ha-Masoret von Elia Levita ha Levi (vgl. oben Kap. 7.3.f.) sowie weiteres Material aus der sog. Buxtorf-Bibel (‚Masorae finali ad scripta‘ und Scha‘ar ha-Neginot; vgl. oben Kap. 7.1.f.). Die protestantischen Exegeten, allen voran Johann Salomo Semler (1725 – 91), suchten sich von den dogmatischen Glaubenssätzen und der Vorstellung der Verbalinspiration der Heiligen Schrift freizumachen. In seiner Abhandlung von freier Untersuchung des Canon (1771 – 75) vertrat er die Auffassung, dass die Bibel nicht vom Himmel gefallen, sondern in einem vielschichtigen historischen Entstehungsprozess entstanden sei, was gleichzeitig ihre historische Erforschung rechtfertigte. Die historische Lesart der Bibel, die sog. ‚höhere Kritik‘, führte dazu, dass man in der Bibel ein Sammelwerk von Urkunden des Altertums sah. So war Johann Gottfried Herder (1744 – 1803) in seiner Schrift Vom Geist der Ebräischen Poesie (1782) begeistert von der hebräischen Nationaldichtung. Die Bibel galt ihm „nicht mehr als heilige Schrift, sondern als Buch unter Büchern; nicht mehr Gott als ihr Autor, sondern der Mensch und die Menschen“ (Weidner 2003, 35). Es galt, die Genialität der hebräischen Dichter und ihre Poesie als Poesie des Morgenlandes zu würdigen. Daniel Weidner verweist darauf, dass Herders säkularisierende Lesart nicht einfach die literatur- und kulturgeschichtliche Rekonstruktion des Textes bedeutete, sondern eine neue Sinnzuschreibung kreierte, die nun zwischen dem Morgen- und dem Abendland, den Juden und den Europäern unterschied (Weidner 2003). Darüber hinaus ist bei ihm bereits die grundlegende Scheidung zwischen ‚Hebräertum‘ und späterem Judentum angelegt: die ursprüngliche und zunächst daher auch noch ohne Vokale und Akzente notierte hebräische Sprache sei die Nationalsprache der ‚Ebräer‘. Wo es um das Hebräische ging, so verstand sich für ihn von selbst, dass es nur um das Biblisch-Hebräische gehen konnte. Im späteren rabbinischen Hebräisch sah er nur eine inferiore Sprachstufe. Diese Argumentation führte dazu, dass die jüdischen Ausleger wie Mendelssohn, Herz Wessely und später sogar Salman Frensdorff alles daran setzten, die Vokalisation des biblischen Textes und die Masora entsprechend in das jüdische Altertum zu verlegen.

Johann Heinrich Michaelis

Johann Salomo Semler

Johann Gottfried Herder

250    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) Johann David Michaelis

Die Hebräer als Orientalen

Gegen die jüdische Auslegungstra­ dition

Johann David Michaelis, ein Orientalist und Theologe aus Göttingen (1717 – 91; [nicht zu verwechseln mit dem zuvor genannten Johann Heinrich Michaelis, 1668 – 1738]), zeichnete sich dadurch aus, dass er sich vor allem textkritisch der Bibel näherte (Schorch 2003). So hatte er 1739 eine Dissertation zu den hebräischen Akzentzeichen verfasst, die 1741 unter dem Titel Anfangs-Gründe der Hebräischen Accentuation, Nebst einer kurzen Abhandlung von dem Alterthum der Accente und hebräischen Puncte gedruckt wurde. In diesem Werk bearbeitet Michaelis in stupender Gründlichkeit u. a. die Akzentlehre, verbindende und trennende Akzente, Besonderheiten in der hebräischen Poesie gegenüber dem Pentateuch (Michaelis spricht hier tatsächlich auch von der ‚Thaure‘ [Tora] der Juden; Michaelis 1741, 5). Wie wichtig Michaelis die hebräische Sprache und die Beschäftigung mit dem Bibeltext war, zeigt sein 1792 erschienenes (mehrbändiges) lexikalisches Werk Supplementa ad Lexica Hebraica (Michaelis 1784 – 92). Wie schon für Herder vor ihm, stellte auch für Michaelis das rabbinische Hebräisch eine defizitäre Sprachstufe dar. Entsprechend hielt er dafür, dass es nicht das rabbinische Judentum sei, das die authentische israelitische Überlieferung erklären könne, sondern die Orientalen, die Araber als „orientalistische[r] Imagination des 18. Jahrhunderts“ (Weidner 2003, 45). 1761 reiste eine vom dänischen König beauftragte und ursprünglich von Michaelis dazu angeregte Gruppe in den Vorderen Orient, von der nur der Kartograph Carsten Niebuhr 1767 wohlbehalten nach Kopenhagen zurückkehrte. Niebuhr hatte zwar eine Menge kartographische, geographische und philologische (keilschriftliche) Ergebnisse im Gepäck, aber Michaelis war enttäuscht, weil sein ursprüngliches religionssoziologisches Interesse, die biblischen Geschichten in ihrem historischen und geographischen Kontext zu verankern, faktisch nicht befriedigt worden war. Sein Interesse galt den Hirtenvölkern, den Nomaden, und daher suchte er auch in seinem ab 1775 veröffentlichten und eng an Montesquieu angelehnten Werk Mosaisches Recht (2. Aufl. ab 1793) die Originalität der Gesetzgebung der Hebräer und ihres Gesetzgebers Mose nachzuweisen. In seinem Verständnis, dass die Hebräer vor dem Hintergrund der orientalischen Gesellschaftsformen zu verstehen und ihre Literatur auch ausschließlich vor diesem Hintergrund zu interpretieren sei, gehörte Michaelis daher auch zu denjenigen protestantischen Theologen, die die Autorität der mündlichen Tora, d. h. der mündlichen Auslegung(en), in toto ablehnten, denn in seinen Augen handelte es sich hierbei um Gesetzeserklärungen von Ignoranten und kleingeistigen Talmudlehrern*. Sie hätten ja schließlich einige Jahrhunderte nach Mose und überdies in einer Zeit gelebt, in der

8.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    251

sie kein eigenes Land und mithin keinen eigenen Ackerbau mehr gehabt hätten (Michaelis 1793, § 218, S. 226). Überdies hätten ihre Auslegungen oftmals gerade das Gegenteil von dem enthalten, was Mose gewollt habe (Michaelis 1793, § 18, 44; vgl. Weidner 2003, 38 – 46). Letzlich hat Michaelis hierin das Proprium der jüdischen Auslegungstradition sehr gut getroffen, wenngleich er es auch faktisch gegen das Judentum verwendete. Mit dieser Haltung gegenüber den rabbinischen Schriften stand Michaelis in einem fundamentalen Gegensatz zu Mendelssohn, der die rabbinischen Schriftausleger nicht nur als kompetente Philologen, sondern gleichzeitig auch als die einzig wahren Gesetzesausleger vorzustellen suchte. Anders als Michaelis, der sich immerhin sehr ausführlich den biblischen Gesetzen zugewandt hatte, interessierte sich sein jüngerer Zeitgenosse, der Orientalist und Historiker Johann Gottfried Eichhorn (1752 – 1827) vor allem für den im biblischen Text versteckten Mythos. Eichhorn hatte sein Konzept der mythischen Deutung vor allem an der Urgeschichte (Gen 1 – 3) erprobt. Für ihn ist der Mythos eine unbewusste Form der Poesie, geboren aus dem kindlich-naiven Geist der Zeit. Die Aufgabe des Exegeten bestehe nun darin, den philosophischen oder historischen Gehalt von der mythischen Ummantelung zu lösen. Anders als bei Herder, der in der Urgeschichte die schriftliche Form der ersten Erziehung des Menschen zur Sprache und Kultur durch den göttlichen Lehrmeister sah, gibt es also in Eichhorns Darstellungen keinen genialen Autor mehr (Weidner 2003). Gegen die mythische Bibelausdeutung stellte sich nachfolgend vor allem Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780 – 1849), der gegen Eichhorn behauptete, dass die Hebräische Bibel zwar Märchen, Legenden und Mythen enthalte, diesen jedoch nicht wie in einem ‚Kern-Schale-Modell‘ ohne weiteres ein historischer Kern entnommen werden könne. Der Pentateuch sei als hebräisches Nationalepos ein „Epos der hebräischen Theokratie“ (zum Ganzen Weidner 2003; de Wette 1806 / 07, Bd. 2,1, 31). So habe beispielsweise die erste Schöpfungserzählung einzig den Sinn, auf den Schabbat hinzuführen und für diese Institution eine Begründung zu liefern. Nach de Wette ist die „Darstellung (…) poetisch. Die Tagewerke, wie die einzelnen Schöpfungsacte und die Feier des ersten großen Sabbaths, sind Produkte hebräischer Phantasie (…). Diese Feier des Sabbaths nun ist offenbar Fiktion und zwar eine Fiktion unsers Dichters seinem Plane zu Liebe, nach welchem er die theokratische Rechtsgeschichte liefern wollte“ (de Wette 1806 / 07, Bd. 2,1, 53 – 55). Man könnte beinahe meinen, de Wette habe sich hier von Raschbam die Feder führen lassen (vgl. bes. oben Kap. 3.3.), denn die

Johann Gottfried Eichhorn

Die Tora als hebräi­ sches Nationalepos

252    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)

Die Abfassungszeit des Gesetzes

Von der Bibelaus­ legung zur Bibel­ wissenschaft

Konzentration auf den Erzähler kann gleichzeitig auch die leidige Frage, wie viel historische Wahrheit denn hinter dem Wortlaut stünde, vernachlässigen. Diese stand bei Raschbam natürlich gar nicht auf der Agenda, aber im Vergleich mit der historisierenden Auslegung von Johann David Michaelis ist das Wort von der Fiktion schon kühn. Julius Wellhausen sollte diesen Begriff später im Sinne einer grandiosen literarischen Verfälschung historischer Begebenheiten aufnehmen. Auch Benno Jacob hat ihn verwendet (vgl. dazu Liss 2008 / 09, 19 – 22), und er wurde letzten Endes auch für die heutige literaturwissenschaftliche Bibelauslegung (natürlich mit einem anderen Begriff von Fiktion) nachhaltig weitergeführt. De Wettes Zugang zu den Texten der Hebräischen Bibel war grundlegend anders als derjenige seiner Vorgänger und sollte sowohl für die christliche als auch für die jüdische Exegese nachhaltig wirken: Anders nämlich als Johann Gottfried Herder (1744 – 1803), Eichhorn u. a. sah de Wette in der mosaischen Gesetzgebung ein spätes Produkt des babylonischen Exils. Im ersten Teil seiner Beiträge, der sich insbesondere mit den Chronikbüchern befasst, kommt er zu der Überzeugung, dass die kultischen Gesetze des Pentateuch auch nur dort eine Rolle spielen, sich aber in jenen Schriften, die die Zeit vor Josias Kultreform darstellen, nicht widerspiegeln. Es kommt zur folgenschweren Unterscheidung in (vorexilische) Hebräer und (exilisch-nachexilische) Juden (dazu auch Liss 2014c), und diese Aufspaltung sollte vor allem im 19. Jahrhundert in einem zunehmend antisemitisch werdenden Umfeld problematisch werden. Bei allem schon deutlich entwickelten wissenschaftlich-exegetischen Interesse der Gelehrten müssen wir aber doch erkennen, dass die ersten Schriften der wissenschaftlichen Bibelausleger im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert aus heutiger Sicht nahezu naiv anmuten. So lassen sowohl Herder als auch Michaelis wie schon in der rabbinischen Exegese das Buch Hiob von Mose verfasst sein, und zwar noch vor der Tora. Nach Michaelis stellt es sozusagen das mosaische ‚Frühwerk‘ dar: Mose habe das Buch noch in Midian verfasst. Nach Herder zeigt insbesondere die Schöpfungspoesie im Buch Hiob dessen hohes Alter an (Weidner 2003). Ähnlich sollte später auch Malbim argumentieren (vgl. nachfolgend Kap. 9.2.e.). Auch er stellt Mose als Verfasser des Buches Hiob vor, auch nach seiner Argumentation wurde Hiob vor der Tora niedergeschrieben, um die Israeliten in der Knechtschaft zu trösten (Pfeffer 2005). Der Beginn der kritischen Wissenschaft markiert deutlich das endgültige Ende einer Auslegungstradition, der es stets um die Erhebung verschiedener Schriftsinne ging und in der sich das Pendel je nach Zeit und Kontext mal in die eine Richtung (Literalsinn), mal

8.2. Persönlichkeiten    253

eher in die andere Richtung (Allegorie) neigte. Im 18. Jahrhundert werden erstmals literar-historische Fragen aufgeworfen, deren Ergebnisse ihrerseits von den Späteren kritisch beleuchtet, rezipiert, aber ggf. auch verworfen werden, weil sie sich nunmehr der Veriund Falsifizierbarkeit zu unterwerfen haben. Aus Bibel-Auslegern werden Bibel-Wissenschaftler, die, anders als die mittelalterlichen Ausleger jetzt an ihrer Sachkenntnis gemessen werden. Ein Raschi ist bis heute nie überholt, ein Michaelis in gewisser Weise schon, weil die methodischen Maßstäbe, die er setzte, sich im Laufe der Zeit gegen ihn richteten.

8.2. Persönlichkeiten a.  Moses Mendelssohn (1729 – 1786) Die jüdische Aufklärung im 18. und die enormen innerjüdischen Umwälzungen im 19. Jahrhundert sind nicht denkbar ohne Moses Mendelssohn, den kleingewachsenen und körperlich eher missgestalteten Mann aus Dessau / Berlin, dessen 1809 geborener und bereits christlich aufgewachsener Enkel Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 47) von den Nationalsozialisten als Jude geschmäht und verboten wurde, dessen jüdische Wurzeln aber heute im Gegenzug umso bereitwilliger hervorgehoben werden. Moses Mendelssohn (geb. 1729 in Dessau; st. 1786 in Berlin), dessen Vater das Handwerk des Tora-Schreibers (sofer) ausübte, war es nicht eigentlich in die Wiege gelegt, zum wichtigsten Vordenker der jüdischen Aufklärung zu werden. Anteil an seiner Entwicklung hatte sicher sein Lehrer David Hirschel Fraenkel (1707 – 62), der den jungen Mendelssohn zunächst als Rabbiner in Dessau und seit 1743 in seiner Talmudschule* in Berlin unterrichtete und förderte. Nach einigen ökonomisch sehr prekären Jahren als Student an der Talmudschule Berlin wurde Mendelssohn 1750 Hauslehrer bei dem Berliner Seidenfabrikanten Bermann Zülz, besser bekannt unter dem Namen Isaac Bernhard, und dort war sein gesellschaftlicher Aufstieg beinahe märchenhaft. Bereits 1754 avancierte er zum Buchhalter und 1761 zum Prokuristen. Nach Bermanns Tod 1768 leitete er die Firma als Mitinhaber gemeinsam mit dessen Witwe (Behm 2002, 81 – 94). Mendelssohn starb 1786 in Berlin. Mendelssohns philosophische Überzeugungen und sein Konzept religiöser Toleranz führten bereits während seiner Zeit als Hauslehrer bei Bermann Zülz zu einer engen intellektuellen und persönlichen Freundschaft mit Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 81) – ein Verhältnis, das von Martin Buber einmal als der Beginn der „Symbiose von deutschem und jüdischen Wesen“ gepriesen wurde

Der jüdische Auf­ klärer aus Dessau

Biographie

Mendelssohn und Lessing

254    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) (vgl. Buber 1939, 5), eine Charakterisierung, die Gershom Scholem später aufs Schärfste zurückweisen sollte. Beschränkt man diese Vorstellung auf die Idee eines ethischen Monotheismus, so hätte Buber vielleicht Recht gegeben werden können. Allein, Mendelssohn hätte sich damit nicht zufrieden gegeben, denn er hielt am Gesetz als genuinem Bestandteil seines Judentums fest. Und so fand auch der Dialog zwischen Lessing und Mendelssohn nicht auf einer Augenhöhe statt. Obwohl Lessing und andere Repräsentanten der deutschen Aufklärung die Juden gegenüber feindlichen Angriffen von außen in Schutz nahmen, so hielten sie doch dafür, dass die observante jüdische Praxis in großen Teilen vom Aberglauben genährt sei, und die meisten der Verordnungen und Vorschriften so bald als möglich abzuschaffen seien. Die öffentliche Aufforderung an Mendelssohn seitens des Schweizer Geistlichen Johann Kaspar Lavater (1741 – 1801), entweder die Superiorität des Judentums (und damit auch des Gesetzes) zu verteidigen oder dem Christentum beizutreten (dazu Schulte 2002, 7 – 55), zeigt beispielhaft, wie wenig Mendelssohn verstanden wurde, denn obwohl er zutiefst vom allgemeinen religiösen Toleranzprinzip überzeugt war, hielt er am Judentum und damit eben vor allem: an der jüdischen Praxis seiner Vorväter fest. Den Gedanken, dass die Tora von Gott selbst durch Mose gegeben worden sei, hat er nie aufgegeben. Aber in den Augen seiner aufgeklärten deutschen Zeitgenossen kollidierte Mendelssohns Prinzip der religiösen Toleranz mit seiner jüdischen Lebensweise, und auch seine jüdischen Zeitgenossen hatten in dem Maße weniger Verständnis für die observante Lebensweise, wie sich das Verständnis der Halakha* als einer geschichtlich gewachsenen Größe durchsetzte. Faktisch öffnete Mendelssohns Religionsverständnis seinen (familiären und geistigen) Nachfolgern Tür und Tor, das sog. ‚Zeremonialgesetz‘ zu einem fossilen Element einer vergangenen Zeit und somit für überholt zu erklären, um es damit in mehr oder weniger großem Umfang abzuschaffen. Literaturkritiker Bereits in seiner Zeit an der Talmudschule suchte Mendelssohn und Philosoph mit äußerster Disziplin den Anschluss an die im jüdischen Curriculum nicht vorgesehenen profanen Fächer und Sprachen wie Philosophie, Deutsch, Latein, Französisch und Englisch, und buchstabierte sich sukzessive und mit zunehmendem Erfolg durch philosophische und literarische Werke. Insbesondere während der Freundschaft mit Lessing sollte sich seine umfassende Gelehrsamkeit auszahlen, denn dieser vermittelte ihn als Mitarbeiter an die Zeitschrift Briefe, die Neueste Litteratur betreffend, die ihn künftig Rezensionen und Kritiken deutscher Literaturwerke verfassen ließ. Erste philosophische Veröffentlichungen folgten in den sechziger Jahren. Seine 1767 erschienene Preisschrift Phädon oder über die Unsterblichkeit der

8.2. Persönlichkeiten    255

Seele ließ ihn auch über Berlin hinaus bekannt werden (Grözinger 2009). Zu seinem Spätwerk gehört Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum (1783). Mendelssohns philosophische und ästhetische Schriften hatten bei den zeitgenössischen nichtjüdischen Aufklärern die Hoffnung geweckt, dass er sich als Flaggschiff einer auch für das Judentum zentralen aufklärerischen Bewegung zur Verfügung stellen würde. Umso enttäuschter waren sie, als sie merkten, dass Mendelssohn hier zögerte. Nach einem gesundheitlichen Einbruch, der wohl auch mit den Angriffen Lavaters auf seine Person zusammenhing, erstellte Mendelssohn zwischen 1774 und 1776 eine Pentateuch-Ausgabe unter dem Titel Netivot ha-Schalom (‚Pfade des Friedens‘), die nicht nur einen „der correctesten“ Texte (JubA 12,2, 160) präsentieren sollte, sondern auch eine Übersetzung ins Deutsche in hebräischen Lettern (targum aschkenazi). Zwischen 1780 und 1783 erarbeitete er mit Salomon Joel aus Dubno (Salomon Dubno) und Hartwig Wessely (Naphtali Herz Weisel) einen masoretischen Kommentar (Tiqqun Sofrim*) sowie einen hebräischen Kommentar zu dieser Übersetzung, den sog. Bi’ur (zum Ganzen Weinberg 1990, XIV – LVIII). Dubno verfasste dabei den Tiqqun Sofrim* zu Genesis und Exodus, Schalom ben Isaak aus Meseritz besorgte die verbleibenden Bücher. Mendelssohn stellte dem Bi’ur (zur Aussprache des hebräischen ‫ באור‬vgl. Wenzel 2016, XXV) eine umfangreiche Einleitung mit dem Titel Or la-Netiva (‚Licht auf den Weg‘) voran, in der er seine eigene Version der Entstehungsgeschichte formulierte und seinen Lesern einen hermeneutischen Schlüssel für die Lektüre an die Hand gab. Auf christlicher Seite waren spätestens mit Martin Luthers berühmter Bibelübersetzung von 1524 und der Zürcher Bibel von Ulrich Zwingli deutsche Übersetzungen selbstverständlich. Darüber hinaus lenkte das Luther’sche Schriftprinzip sola scriptura* den Blick gleichzeitig auf die griechischen und hebräischen Quellen, was die jahrhundertelange lateinische Bibelrezeption in Frage stellte. Die nicht-jüdischen Bibelübersetzungen, die zu Mendelssohns Zeit bereits in langer Tradition standen und ihre Leserinnen und Leser dadurch erreichten, dass sie in ihrer Sprache und Mundart redeten und sich sprachlich auch kontinuierlich weiterentwickelten, waren den wenigen jüdisch-deutschen Bibelübersetzungen, die es damals gab, haushoch überlegen. Über Jahrhunderte waren zumeist Interlinear-Übersetzungen in Gebrauch (Leibowitz 1931). Diese Übersetzungen sollten keinen Wert in sich bergen, sondern einen Verweis auf den hebräischen Quelltext darstellen. Gemacht für Ungebildete, Frauen und Kinder sollten sie niemals ohne den hebräischen Text gelesen und verstanden werden.

Mendelssohns Pen­ tateuch-Ausgabe

Christliche Bibel­ übersetzungen

Jüdische Bibelüber­ setzungen

256    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)

Abb. 9: Moses Mendelssohn, Targum Aschkenazi. Karlsruhe 1793.

8.2. Persönlichkeiten    257

Keine Bibelübersetzung sensu stricto, aber ein rabbinischer Bibelkommentar in Ladino (judäo-spanisch) ist das Werk Me‘am Lo‘ez (vgl. Ps 114,1), das ab 1730 von dem aus Jerusalem oder Safed stammenden Ja‘aqov Culi (ca. 1685 – 1732) vor allem für die des Hebräischen zunehmend weniger mächtigen sefardischen* Familien der Türkei initiiert wurde. Culi, der in Konstantinopel als Richter (dajjan) amtierte, kommentierte nur noch das Buch Genesis und von Exodus bis zu Paraschat* Teruma; sein Werk wurde allerdings durch andere fortgeführt und avancierte zum wichtigsten rabbinischen Standardwerk für die sefardischen Juden und Jüdinnen der Türkei, Marokkos und Ägyptens (zum Ganzen vgl. Domhardt 1991, bes. 5 – 6; Wiesner 1981, bes. VII – IX). Mendelssohn gab unterschiedliche Gründe für das Übersetzungswerk an (zum Ganzen ausführlich Weinberg 1990, XIV – XXVIII). Zum einen teilte er mit, dass er zunächst für seine Söhne eine Handausgabe für den privaten Bedarf habe schaffen wollen, dann aber durch den Elementar- und Hebräischlehrer seines Sohnes Joseph, Salomon Dubno, dazu überredet worden sei, diese Übersetzung für eine Druckausgabe zur Verfügung zu stellen. Zum anderen verwies er darauf, dass die bisherigen Übersetzungen mangelhaft seien, und seine Söhne wie auch der Rest der Juden eine bessere Übersetzung und Erklärung verdient hätten. Die ausführlichste und hermeneutisch ergiebigste Erklärung findet sich in der Vorrede Or la-Netiva. Mendelssohn bietet hier zunächst einen Abriss der bisherigen jüdischen Übersetzungstätigkeiten, verweist auf Elia Levita (vgl. 7.2.d.), R. Josel Witzenhausen und Jekutiel Blitz (Weinberg 1990, XIV – XXVIII), um dann die eigentliche Begründung zu bieten, wie wir sie später auch bei Ludwig Philippson (vgl. unten Kap. 9.2.g.) wiederfinden: Aufgrund mangelnder Alternativen seien die Juden gezwungen, die Tora aus christlichen Übersetzungen zu lesen, aber diese seien mangelhaft und schädlich, und dies vor allem deshalb, weil ihnen die mündliche Tradition, im Besonderen die Masora, verschlossen sei. Die sprachliche und formale Unzulänglichkeit der jüdischen Übersetzungen lag dabei sicher auch darin, dass diese nicht nur in dem für die Aufklärer mangelhaften Judendeutsch (‚Jargon‘) und oftmals auch interlinear geschrieben waren (Leibowitz 1931; Behm 2002), sondern darüber hinaus eher einen ‚Targum‘, d. h. eine Hilfsübersetzung für die eigentliche hebräische Lektüre und weniger einen eigenständigen und sprachlich hochwertigen (Offenbarungs-)Text auf Deutsch bereithalten wollten. Den Plan zu einer Psalmenübersetzung hatte Mendelssohn bereits 1770 in einem Brief an Michaelis geäußert (Jospe u. a. 2007), aber erst 1783 erschien diese (überarbeitet 1788). Sie war ursprünglich im Rahmen einer Arbeit über die Poesie der Hebräer konzipiert

Das Übersetzungsund Kommentar­ werk Me‘am Lo‘ez

Mendelssohns PentateuchÜbersetzung

Übersetzung der Psalmen

258    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)

Weitere Überset­ zungen poetischer Bibeltexte Die Ästhetik der biblischen Poesie

gewesen. Mendelssohn war dabei sicher auch durch Michaelis und Herder herausgefordert, die sich ebenfalls eingehend mit der Poesie der Psalmen beschäftigt hatten. Nach Weinberg wollte Mendelssohn „seinem Zeitalter die Psalmen als Spiegel und literarischen Niederschlag der Glanzperiode der alten jüdischen Aufklärung, des aufgeklärten Davidischen Zeitalters (…) vor Augen stellen“ (Weinberg 1985, XI). Sicher hat Mendelssohn in den Psalmen das sittlich-moralische Postulat seiner eigenen Zeit wiederfinden wollen, aber es ging ihm auch darum, seinen Zeitgenossen die Psalmen (wieder) ans Herz zu legen, weil „die gewöhnliche Methode, die Worte der Propheten und heiligen Sänger zu lernen, so weit von dem richtigen Gefühl der Schönheit und Erhabenheit abgeführt [hat]“ (JubA 10,1, S. XII). Hier wendet sich Mendelssohn gegen den traditionellen (osteuropäischen) Gottesdienst, bei dem der jiddischsprachige Beter (damals wie heute) die Psalmen (Tehillim) ‚sagt‘ und das tägliche ‚Davenen‘ auf Mendelssohn wie ein ‚Speed-Gebet‘ gewirkt haben mochte, bei dem das Bewusstsein für die Schönheit der psalmistischen Sprache auf der Strecke blieb. Neben den Psalmen übersetzte Mendelssohn das berühmte Lied der Richterin Debora (Ri 5; erschien erstmals 1780), das Hohelied (erschien posthum 1788) sowie weitere pijjutim* und Gebete, wie beispielsweise das Schlussgebet Alenu*. Mendelssohns Übersetzungswerk ist nicht zu verstehen ohne sein Verständnis literarischer Ästhetik, das die Hebräische Bibel als poetologisch einzigartig auszeichnete. In seiner 1757 veröffentlichten Rezension von Robert Lowths De Sacra Poesi Hebraeorum (1753) „gelang es ihm, dem Juden, in der literarischen Öffentlichkeit Deutschlands jenseits der theologischen Diskurse eine neue poetologische Bibelauffassung bekannt zu machen und den Text des Alten Testaments zum Redegegenstand der deutschsprachigen Literaturkritik zu erheben“ (Schorch 2003, 74). Hier präsentierte Mendelssohn auch erstmals Übersetzungsproben poetischer Abschnitte der Bibel in hochdeutscher Sprache wie beispielsweise das Deboralied (Ri 5), Moselied- und Mosesegen, Abschnitte aus den Hinteren Propheten (Jesaja, Jeremia) sowie aus den Schriften (Psalmen; Mischle [Proverbia]; Hiob). War die hebräische Poesie in der deutschen Literaturkritik des 18. Jahrhunderts noch als unvollkommene Vorläuferin der griechisch-römischen Poetik angesehen (Schorch 2003), so hatte Lowth dieses Urteil bereits dahingehend revidiert, dass er der hebräischen Poesie eine eigene und unverwechselbare Diktion zuzuweisen und sie darin auch eigenständig zu würdigen vermochte. Mendelssohn konnte hier nahtlos anschließen, und da er natürlich auch für ein jüdisches Publikum schrieb, erstaunt es nicht, dass die bereits bei Lowth angelegte Unterscheidung

8.2. Persönlichkeiten    259

in die je eigene Unverwechselbarkeit der klassisch griechisch-römischen Poetik einerseits und der hebräischen Poesie andererseits auf eine grundlegende Unterscheidung zwischen beiden hinauslief, die nun ihrerseits einen „feine[n] attische[n] Geschmack“, der „sehr leicht in Weiblichkeit ausarten [kann]“ von dem „ächte[n] orientalische[n] Geschmack, der in den Schriften der heiligen Dichter herrschet“ (JubA 4, 20), abzuheben suchte. Eine Bibelübersetzung, wie Mendelssohn sie forderte, hatte also nicht nur auf die traditionellen rabbinischen Diskurse zu verweisen; sie musste überdies auch den ästhetischen und rationalen Sinn der Schrift vermitteln. Die Übersetzung musste das Hebräische in all seinen Facetten repräsentieren. Darin musste sie allerdings auch vorläufig bleiben, denn für Mendelssohn war es nach wie vor unabdingbar, dass die Übersetzung den hebräischen Text nicht ersetzen sollte: „Die Übersetzung kann zwar gelesen, aber nur der hebräische Text kann auch studiert werden“ (Schatz 1995, 84). Für uns Heutige verkörpert Mendelssohn den jüdischen Aufklä- Ablehnung durch rer schlechthin, und wir nehmen dieses Attribut auch ausschließlich die Orthodoxie in positivem Sinne wahr. Dies galt auch für eine Reihe rabbinischer Gelehrter, die Mendelssohns Büchern, allen voran der Übersetzung des Pentateuch, rabbinische Approbationen (haskamot; Sg. haskama) verliehen (zum Ganzen Hildesheimer 1988). Es sollte aber doch nicht unerwähnt bleiben, dass Mendelssohn in der Orthodoxie teilweise auch massiv bekämpft wurde. Man verbrannte seine Bücher, und der sog. Maggid von Brody (Ukraine), Schelomo ben Jehuda Aharon Kluger (1785 – 1869), verurteilte Mendelssohns Schriften, weil sie bei seinen Schülern zum Abfall vom Religionsgesetz geführt hätten. Die Übersetzung des Pentateuch sei im besonderen verwerflich, denn durch sie sei allererst die Tendenz, auch in der deutschen Sprache zu beten, angestoßen worden, was insgesamt mit der traditionellen Ausrichtung nicht zu vereinbaren sei (ähnlich auch die Kritik Ezechiel Landaus; dazu Bezzel / Hecht / Schorch 2019). Rav Kluger hatte hier ganz offensichtlich die Auseinandersetzungen um den Hamburger Tempel aus dem Jahr 1818 im Blick. Ähnlich argumentierte auch Pinchas ben Tzvi Hirsch ha-Levi Horowitz (1730 – 1805) aus Tschortkiw (Polen), ab 1771 Rabbiner in Frankfurt am Main, dass der Bi’ur den Raschi-Kommentar abgelöst habe, was einer Abschaffung der Autorität der mündlichen Tora gleichkomme (Hildesheimer 1988).

260    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)

8.2. Persönlichkeiten    261

Abb. 10a / b: Moses Mendelssohn, Megillat Schir ha-Schirim. Meturggemet Aschkenazit (Hgg. Joel Bril / Aaron Wolfsohn). Berlin 1788.

262    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) b.  Hartwig Wessely (Naphtali Herz Wessely; 1725 – 1805) Biographie

Literarische und philologische Arbeiten

Schire Tif’eret und Imre Schefer

Der LeviticusKommentar

Hartwig Wessely (Naphtali Herz Weisel, Naphtali Herz Wessely) entstammte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus Hamburg, wuchs aber in Kopenhagen auf und genoss eine umfassende religiöse und profane Bildung. Berufliche Stationen führten ihn über Amsterdam nach Hamburg, wo er zumindest zeitweise in der Jeschiva* des seinerzeit sehr umstrittenen Jonatan ben Natan Eybeschütz lernte. 1774 kam er nach Berlin, wo er engen Kontakt mit Moses Mendelssohn und seinem Kreis pflegte. Seinen Unterhalt verdiente er als Hauslehrer und Kaufmann; darüber hinaus pflegte er das typische Dasein eines Privatgelehrten. Er starb 1805 in Hamburg. Anders als viele andere aus den Kreisen der Maskilim* blieb Wessely, ebenso wie Mendelssohn, der observanten Lebensweise treu. Dennoch geriet er immer wieder ins Fadenkreuz der Traditionalisten (Schulte 2002, 85 – 88). Bereits 1775 erschien ein Kommentar zum Mischna-Traktat* Avot (Yen Levanon). Mit Ha-Levanon (erschien Lemberg 1806) und Gan Na‘ul (‚verschlossener Garten‘; 1765 – 1766) legte Wessely Werke zur hebräischen Wurzel*- und Synonymenlehre vor. Wessely, der schon bald an der 1783 gegründeten neuhebräischen Zeitschrift Ha-Me’assef (‚Der Sammler‘) mitarbeitete (dazu Graetz 1900, 116 – 169), war es um die literarisch-ästhetische Bildung seiner Zeitgenossen ebenso zu tun wie um die damit zusammenhängende Entwicklung hebräischer Belletristik (E. Breuer 1996b). So übersetzte er unter dem Titel Chokhmat Schelomo die Sapientia Salomonis (‚Weisheit Salomos‘) aus dem Deutschen ins Biblisch-Hebräische, um ihre, wie er glaubte, ursprüngliche hebräische Fassung wieder herzustellen (ein sukzessiv ausgearbeiteter exegetischer Kommentar dazu erschien 1780 unter dem Titel Ruach Chen). Mit dieser Ansicht stand er nicht alleine: Auch Lowth suchte seinerzeit, das Hebräische der Weisheit Salomos zu rekonstruieren (E. Breuer 2008). Bekannt ist Wessely vor allem durch sein neuhebräisches Heldenepos, das 1789 ff. unter dem Titel Schire Tif’eret erschien (‚Lieder des Ruhmes‘ = Moseide. Ein heiliges Gedicht in 18 Gesängen; dazu ausführlich Graetz 1900, 116 – 169). Mit Imre Schefer (‚Worte der Schönheit‘; Be’ur al Sefer Bereschit) legte Wessely überdies einen philosophischen Kommentar zum Buch Genesis vor (der Druck umfasst lediglich Gen 1 – 22; Wenzel 2016, 449). Wesselys Be’ur le-Sefer Wajjiqra (‚Der hebräische Commentar über Leviticus, die rationelle Wort- und Sacherklärung mit der Tradition vereinigend nebst einer Einleitung Mahalal Re‘a [‚Lob eines Freundes‘]‘) wurde in Mendelssohns Pentateuchausgabe 1782 abgedruckt. Wesselys Anspruch war es dabei, die traditionelle Auslegungstradition einzubinden und doch nicht auf eine philologisch

8.2. Persönlichkeiten    263

gründliche Kommentierung zu verzichten. Wie bei Mendelssohn wird auch in Wesselys Kommentar immer wieder der Nachweis geführt, dass die traditionellen Auslegungen der Rabbinen und des Mittelalters, der Derasch*, mit den Regeln der hebräischen Sprache und damit auch mit dem Peschat* in Übereinstimmung stehen. c.  Benjamin Wolf Heidenheim (1757 – 1832) Wolf Heidenheim ist heute vor allem durch seine Druckausgaben hebräisch-deutscher Gebetbücher für den täglichen Gebrauch (siddurim) und für die Feiertage (machzorim*) bekannt. Als Bibelwissenschaftler ist er vollkommen vergessen: Er findet weder in Bechtoldts Bibelkritik im 19. Jahrhundert (1995) noch in Wieses Wissenschaft des Judentums (1999) oder bei haCohens Reclaiming the Hebrew Bible (2010) eine Erwähnung. 1757 in Heidenheim geboren, besuchte er zunächst die Jeschiva* in Fürth und kam 1782 nach Frankfurt, wo er bei Natan Adler weiterlernte und auch die Bekanntschaft mit Salomon Dubno (1738 – 1813), dem ­Weggefährten Mendelssohns, machte. 1788 ließ er sich in Offenbach bei Frankfurt nieder und eröffnete 1798 gemeinsam mit dem Geschäftsmann Baruch Baschwitz eine Druckerei in Rödelheim, aus der dieser jedoch 1806 bereits wieder ausstieg, um sich ganz dem Finanzgeschäft zu widmen (Lewin 1900). Zunächst führte Heidenheim die Druckerei alleine, mit auf die Dauer allerdings nur mäßigem Erfolg; er musste sich wieder einen Teilhaber suchen, der nach seinem Tod die Druckerei übernahm. Eine Anstellung als Direktor für die damalige Real- und Volksschule der israelitischen Gemeinde Frankfurt (Carlsschule) kam nicht zustande (Baerwald 1875), sodass er 1832 relativ mittellos starb. Sein Nachlass wurde zugunsten seiner Tochter aus zweiter Ehe versteigert und umfasste wertvolle Bücher und Handschriften. Für Heidenheim hatte die Masora eine Scharnierfunkion zwischen der Texterstellung und Textkritik einerseits und der Auslegungstradition andererseits. Bereits 1791 veröffentlichte er ibn Ezras Schrift Mozne Leschon ha-Qodesch (Sefer Moznajjim ‚Waage‘; vgl. oben Kap. 4.2.a.) mit einem ausführlichen Kommentar, eine Publikation, die ihn als ernstzunehmenden Philologen auszeichnete. Ab 1797 begann Heidenheim mit einer Pentateuchausgabe (Sefer Torat ha-Elohim), die erstmals (und einzig) 1798 herauskam und schon bei Gen 43,16 endete, weil sie neben dem Targum* nicht nur die Kommentare von Raschi, Raschbam und Minchat Schai enthielt, sondern darüber hinaus ausführliche eigene Wort- und Sacherklärungen (betitelt meforasch), die masoretischen Noten, einen Superkommentar zu Raschi (Havanat ha-Miqra) sowie zu

Biographie

Die Bedeutung der Masora

Erste Druckaus­ gaben

264    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)

8.2. Persönlichkeiten    265

Abb. 11a / b: Benjamin Wolf Heidenheim, Chumasch Me’or Enajim. Rödelheim 1818 – 21.

266    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala)

Liturgische Druckausgaben

Weitere Penta­ teuchausgaben

jeder Parascha* Zusammenstellungen der Kommentare von R. Levi ben Gerschon (Ralbag; 1288 – 1344) unter dem Namen To‘alijjot (‚Nützliches‘) integrierte. Auch Heidenheim betonte den Nutzen der Masora für die textkritische Arbeit, aber wie schon Mendelssohn ging es ihm dabei nicht einfach um die Erstellung eines ‚Urtextes‘, sondern die Erarbeitung eines auch im Sinne der halachischen Praxis guten Textes. Heidenheims Siddurim* und Machzorim* wurden bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verwendet. Die Machzor-Ausgabe Sefer Qerovot (Rödelheim 1800 – 02) enthielt neben einer hochdeutschen Übersetzung der pijjutim* (zunächst auch in hebräischen Lettern) einen hebräischen Kommentar sowie eine liturgiegeschichtliche Einleitung zu den Gebeten, deren Überlieferung er philologisch sorgfältig aus Manuskripten und frühen Drucken besorgte. Seine Ausgabe des täglichen Siddur Sefat Emet (Rödelheim, 1806) erlebte mehr als 150 Auflagen (Temkin 2007; weitere Editionen bei Zeitlin 1895, 137 – 139) und wird bis heute nachgedruckt. 1818 – 21 erschienen weitere Pentateuchausgaben, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzten: neben einer Ausgabe mit Raschi-Kommentar und einem dazugehörigen Superkommentar erstellte er unter dem Titel Me’or Enajim eine Ausgabe mit verschiedenen masoretischen Kommentaren (z. B. En ha-Qore des Jequtiel ha-Naqdan) und eine Ausgabe unter dem Titel Tiqqun Sofer we-ha-Qore, die einen korrekten Text mit entsprechender Metatext-Notation für Toraschreiber darstellte (Liss 2019b). Ein kleiner Traktat zu den biblischen Akzenten erschien 1808 unter dem Titel Mischpate ha-Te‘amim. Heidenheim führte die bei Mendelssohn begonnene Renaissance der Masora-Forschung fort, und sein Einfluss in dieser Richtung kann nicht hoch genug veranschlagt werden; Abraham Geiger ging oft nach Rödelheim, um gerade zur Masora von Heidenheim zu lernen. Auch der Pentateuch-Kommentar von R. Ja‘aqov Tzvi Meklenburg (1785 – 1865), Ha-Ketav we-ha-Qabbala, beruht vielfach auf den Arbeiten Heidenheims. d.  Jehuda Löw ben Ze’ev (1764 – 1811)

Biographie

Jehuda Löw (Loeb; Leib) ben Ze’ev stammte aus Krakau und lässt sich vielleicht am besten als ‚jüdischer Eichhorn‘ charakterisieren (zum Ganzen zuletzt Bezzel / Hecht / Schorch 2019). Obwohl er in Polen eine klassische rabbinische Ausbildung genossen hatte, ließ er es dabei nicht bewenden; auch bei ihm zeigt sich schon früh das für die (osteuropäischen) Maskilim* charakteristische starke philologische Interesse. 1787 kam er nach Berlin, ging von dort

8.2. Persönlichkeiten    267

aus weiter nach Breslau und kam schließlich 1799 nach Wien, wo er 1811 starb. Seinen Lebensunterhalt verdiente er, wie auch Wolf Heidenheim, im hebräischen Druckgewerbe. Ben Ze’ev verfasste einen Kommentar zu R. Sa‘adja Gaons Emunot we-De‘ot (Berlin 1789), ein Wörterbuch über das alte Testament (Otzar Ha-Schoraschim; Wien 1807; die 4. Aufl. 1864 wurde von Meïr ha-Levi Letteris besorgt) sowie eine hebräische Grammatik unter dem Titel Talmud Leschon Ivri (Breslau 1796). In seinem Vorwort teilt ben Ze’ev die hebräische Sprachentwicklung in sechs Epochen ein, wovon die erste, die Zeit von der Gabe der Tora bis zum babylonischen Exil, die höchste Stufe und die Blütezeit darstellte; die letzte, die sechste Stufe, sei die Zeit seit Mendelssohn und Herz Wessely gewesen, die allerdings durch die Akkulturation in das deutschsprachige Bürgertum ebenso schnell verschwunden gewesen sei, wie sie aufgekommen war (zu dieser Kritik an seinen Zeitgenossen vgl. das ausführliche Referat bei E. Breuer 1996b). 1806 erschien unter dem Titel Bet ha-Sefer ein Lehrbuch der hebräischen Sprache für Schüler; ein Religionsbuch für die Schule (Jesode ha-Dat) erschien 1811 und lässt sich heute wohl am besten als jüdischer Katechismus charakterisieren. Verschiedene Gedicht- und Gebetsammlungen zeugen von dem für die Haskala* typischen Anspruch einer breiten Volksbildung, dem sich auch ben Ze’ev verpflichtet sah. Daneben beschäftigte sich ben Ze’ev mit Ben Sira (Übersetzung ins Hebräische und Deutsche mit hebräischem Kommentar und einer Einleitung; Breslau 1798) und erarbeitete eine hebräisch-deutsche Fassung des Buches Judit (Megillat Jehudit; Wien 1799). Wie Wessely in seiner Übersetzung der Sapientia Salomonis stellten diese Übersetzungen ‚Rückübersetzungen‘ des griechischen Textes in das (vermeintliche) hebräische Original dar. 1810 erschien Ben Ze’evs exegetisches Hauptwerk Mavo el Miqra’e Qodesch (Wien 1810), eine Sammlung verschiedener ‚Einleitungen‘ in die Propheten und die Schriften (Bezzel / Hecht / Schorch 2019). Der Mavo ist in Aufbau und Inhalt stark an Johann Gottfried Eichhorns Einleitung ins Alte Testament (Leipzig 1780 – 83) angelehnt, verwendet darüber hinaus aber vor allem Azarjas Sefer Me’or Enajim (vgl. oben Kap. 7.3.e.), von dem er sich nicht scheute, seitenweise einfach abzuschreiben, was ihm von Breuer auch den Plagiatsvorwurf einbrachte (E. Breuer 1996b). Ben Ze’evs Mavo war als Ergänzung bzw. Vervollständigung von Mendelssohns Übersetzungsprojekt konzipiert. Seine Ausgabe enthält neben dem hebräischen Text eine Übersetzung ins Hochdeutsche, einen Raschi-Kommentar sowie einen modernen Kommentar, der ebenfalls mit Bi’ur/Be’ur betitelt war. Eine wissenschaftliche

Grammatisch-phi­ lologische Schriften

Schriften zur Bibel und den Apokryphen

Eine jüdische Einleitungs­ wissenschaft?

Ein weiterer Bi’ur für Nevi’im und Ketuvim

268    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) Bearbeitung seines bibelkritischen Werkes im Kontext der Prager und Berliner Haskala steht noch aus (Bezzel / Hecht / Schorch 2019). e.  Jehuda Löw Jeitteles (1773 – 1838) Biographie

Jehuda Jeitteles wurde 1773 in Prag geboren und zählt zur zweiten Generation der sog. Prager Haskala (im Gegensatz zur Berliner Haskala; Bezzel / Hecht / Schorch 2019; Kestenberg-Gladstein 1969, 117 – 133). Mit seinen Ausführungen über die Rolle des ‚Zeremonialgesetzes‘ erweist er sich als echter maskil; er hat auch als erster den Begriff Haskala für die jüdische Aufklärung geprägt (Schulte 2002, 17). Von Jehuda sind zahlreiche Beiträge in den Zeitschriften Ha-Me’assef und Bikkure ha-Ittim erhalten. Darüber hinaus beschäftigte er sich mit Grammatik und Religionsgeschichte. Seine Schrift Sicha be Eretz ha-Chajjim (Brünn 1810) setzt sich mit dem Sabbatianismus* auseinander; sein Mevo ha-Laschon. Aramit (Prag 1813) ist eine aramäische Grammatik. Für die 4. Auflage von ben Ze’evs Mavo el Miqra’e Qodesch übernahm Jeitteles die Übersetzung und Kommentierung der Bücher Samuel, Könige, Zwölfprophetenbuch, Ezechiel, Daniel, Esra / Nehemia und Chronik. Er starb 1838 in Wien. Erst in neuester Zeit findet sein Werk wissenschaftliche Aufmerksamkeit. f.  David und Jechi’el Hillel Altschuler (18. Jahrhundert)

David Altschuler aus Jaworow, Galizien und sein Sohn Jechi’el Hillel sind heute eigentlich nur noch jenen traditionell gebildeten Juden und Jüdinnen bekannt, die die hebräische Kommentarliteratur im Original lesen können, denn die von Vater und Sohn Altschuler auf uns gekommenen Kommentare sind niemals übersetzt worden. Metzudat David David Altschuler hatte eine Kommentierung zu den (Vorderen und Metzudat und Hinteren) Propheten sowie den Schriften geplant, von denen Zijjon zunächst ein fortlaufender Kommentar zu den Psalmen, Mischle (Proverbia) und Hiob erschien (publiziert 1753 / 54). Sein Werk wurde von seinem Sohn Jechi’el Hillel fortgeführt, der 1770 den Propheten-Kommentar seines Vaters in Berlin publizierte. 1775 erschien Jechi’els Kommentar zu Ez 40 – 43 unter dem Titel Binjan ha-Bajit. Eine vollständige Ausgabe des Propheten- und Schriften-Kommentars (einschließlich Binjan ha-Bajit) erschien in zwei Teilen unter dem Titel Metzudat David und Metzudat Zijjon (Leghorn 1780 – 82). Metzudat David umfasst Worterklärungen nach dem Peschat*, während Metzudat Zijjon Inhalt und Bedeutung des Textes erklärt. Der Kommentar wurde und wird bis heute in traditionellen Bibelausgaben (Miqra’ot Gedolot) gedruckt. Nach

8.3.  Neue Zugänge    269

Alster richteten sich die beiden Metzudot weniger an eine aufgeklärte intellektuelle Elite als vielmehr an Schüler im Cheder* und Hausväter im Rahmen der familiären Unterweisung: Kommentare der klassischen Ausleger (Raschi, ibn Ezra und Ralbag) sollten auf durchlaufende und kurze Wort- oder Sacherklärungen heruntergebrochen und das Ganze als kompakte Handausgabe verwendet werden (Alster 2010).

8.3. Neue Zugänge a.  Zwischen göttlicher Offenbarung und universaler Vernunft Im selben Jahr (1783), in dem Moses Mendelssohns Übersetzung und der Bi’ur vollendet waren, erschien auch Mendelssohns Schrift Jerusalem. Hier legt er nochmals und fast wie ein Vermächtnis sein Verständnis der Tora dar: Ob nun gleich dieses göttliche Buch, das wir durch Mosen empfangen Gottes Gesetzbuch haben, eigentlich ein Gesetzbuch seyn, und Verordnungen, Lebensregeln als ewige Wahrheit und Vorschriften enthalten soll; so schließt es gleichwohl, wie bekannt, einen unergründlichen Schatz von Vernunftwahrheiten und Religionslehren mit ein, die mit den Gesetzen so innigst verbunden sind, daß sie nur Eins ausmachen. Alle Gesetze beziehen, oder gründen sich auf ewige Vernunftwahrheiten, oder erinnern und erwecken zum Nachdenken über dieselben; so daß unsere Rabbinen mit Recht sagen: die Gesetze und Lehren verhalten sich gegen einander, wie Körper und Seele (…). Die Erfahrung vieler Jahrhunderte lehret auch, daß dieses göttliche Gesetzbuch einem großen Theil des menschlichen Geschlechts Quelle des Erkenntnisses [sic!] geworden, aus welcher sie neue Begriffe schöpfen, oder die alten berichtigen. Je mehr ihr in demselben forschet, desto mehr erstaunt ihr, über die Tiefe der Erkenntnisse, die darin verborgen liegen (JubA 8, 165).

Beide Themenbereiche, die Haltung zum Gesetz und die Arbeit an der Hebräischen Bibel in Kommentar und Übersetzung, haben also mehr miteinander zu tun, als man dies auf den ersten Blick vermuten würde, denn die Bibel umfasst eben beides: das geoffenbarte Gesetz wie auch die universale Vernunftreligion. Hier zeigen sich auch Berührungspunkte mit protestantischen Forschern wie beispielsweise Johann David Michaelis (siehe oben 8.1.c.), für den der Pentateuch ebenfalls die geoffenbarte Gesetzgebung der Hebräer darstellte. Anders jedoch als für Michaelis konnte der Mendelssohn’sche Gesetzgeber natürlich nicht Mose sein, sondern Gott selbst. Zudem hätte dieses Zugeständnis die Preisgabe der rabbinischen Tradition bedeutet. Nirgends kommt dieser Anspruch Mendelssohns wohl so deut- Mendelssohns lich zum Tragen wie in seiner Auslegung der Gottesnamen in Ex Erklärung des

Gottesnamens

270    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) 3,14 und Ex 6,2 (Wenzel 2006). Mendelssohn übersetzte das hebräische Tetragramm* mit ‚der Ewige‘ oder ‚das ewige Wesen‘ und suchte in dieser Übersetzung einen allgemeinen Gottesbegriff ebenso einzufangen wie die besondere Offenbarung des Ewigen an Israel. Diese Idee wird im Bi’ur vor allem zu Ex 3,14 und 6,2 entfaltet: ‫ אהיה אשר אהיה‬ich bin das Wesen, welches ewig ist. Im Midrasch spricht der Heilige, gepriesen sei er, zu Mosche: Sage ihnen: Ich, ich war, und jetzt bin ich derselbe [Dtn 32,39J, und ich werde derselbe sein in der Zukunft. Unsere Rabbinen ‫ ז״ל‬sagen außerdem: Ich werde in dieser Bedrängnis bei ihnen sein, wie ich mit ihnen sein werde in der Knechtschaft der übrigen Königreiche. Damit meinen sie: Weil nämlich die ganze vergangene und zukünftige Zeit im Schöpfer gegenwärtig ist – denn bei ihm gibt es nicht Wechsel noch Zeitspanne, und keiner seiner Tage geht vorüber – , deshalb werden in ihm alle Zeiten mit einem einzigen Namen benannt (…). Dadurch verweist er auf das notwendige Vorhandensein, und er verweist gleichfalls auf die ununterbrochene stetige Vorsehung, als sagte er mit diesem Namen: Ich bin bei den Menschen, Gnade zu erweisen und mich zu erbarmen, dessen ich mich erbarme. Daher sage zu ihnen, zu Jisrael, daß ich über das All regierend und vorsehend war (…) (JubA 9,3, 114 – 115). In der Parascha Schemot (3,14 und 15) habe ich dich die Bedeutung des ehrwürdigen Namens ‫ יו״ד ה״א‬bereits wissen lassen sowie einige der ehrwürdigen und erhabenen Lehren, die darin enthalten sind. Dazu zählt, daß der Ewige, gepriesen sei er, die Quelle allen Daseins ist. Durch seinen einfachen Willen existiert und besteht alles Daseiende, er wacht in stetiger Vorsehung über jegliches vorhandene Wesen und ist immer gegenwärtig für die, die seinen Willen tun, um durch Veränderung der natürlichen Kausalität und Ordnung Neues für sie zu erschaffen. Denn wer durch Natur wirkt, kann nur erwirken, was zu tun in deren Vermögen steht. Nicht so wer durch bloßen Willen wirkt und durch seinen Wunsch allein, denn ihm ist es nicht verwehrt, alles zu tun, was er wünscht. Nun siehe, die Väter, ihr Rang gelangte nicht dazu, dem Ewigen anzuhaften gleich Mosche, mit dem der Ewige von Antlitz zu Antlitz umging. Deshalb vermochte Mosche die Naturordnung der Geschöpfe zu verändern und Zeichen und Wunderbeweise nach dem Willen des Ewigen, gepriesen sei er, neu zu schaffen, welche die Väter nicht zu erschaffen vermochten (…). Mit meinem Namen aus ‫ יו״ד ה״א‬jedoch, welcher auf die ununterbrochene stetige Vorsehung verweist – denn mein Wille ist die Quelle aller daseienden Wesen, und durch mich ist alles Dasein entstanden, und ich bin treu und immer gegenwärtig, durch Veränderung der Naturordnungen Neues zu erschaffen, um denen guten Lohn zu zahlen, welche vor mir wandeln – , mit diesem ehrwürdigen Namen bin ich von ihnen nicht erkannt worden, wie ich von dir von Antlitz zu Antlitz erkannt worden bin (…). Der deutsche Übersetzer war genötigt, den ehrwürdigen Namen seiner Bedeutung gemäß zu umschreiben. Denn in der deutschen Sprache gibt es kein alle diese Lehren einschließendes Wort, wie in der heiligen Sprache (…) (JubA 9,3, 133 – 134).

Mendelssohn hat hier eine Reihe älterer Ausleger wie ibn Ezra, R. El‘azar ben Jehuda aus Worms und Josef ben Avraham Gikatilla (Wenzel 2006) verarbeitet; die Aufnahme mystisch-kabbalistischer Traditionen macht einmal mehr deutlich, dass er den vierbuch-

8.3.  Neue Zugänge    271

stabigen Namen* als exklusives Eigentum Israels ansah, wie er es bereits im Bi’ur zu Gen 2,4 erklärt hatte: Siehe nun, es ist bekannt, daß der Eigenname, der auf die individuelle Vorsehung des Ewigen gegenüber auserwählten Menschen und das Anhaften Gottes an denen, die seine Worte bewahren, verweist, nur durch die Zeichen und Wunderbeweise allgemein bekannt wurde, welche er für die Söhne Israels machte, als er sie aus Mizrajim hinausführte und sie für seinen Dienst absonderte (JubA 9,3, 33).

Der vierbuch­ stabige Name als exklusive Gabe an Israel

Mendelssohns Ausführungen zu den Gottesnamen sind vor allem im frühen 20. Jahrhundert von wichtigen jüdischen Bibelauslegern diskutiert und rezipiert worden. So haben sich vor allem Franz Rosenzweig und Martin Buber kritisch mit Mendelssohns Übersetzung des Gottesnamens auseinandergesetzt (Liss 2003a). Sie kritisierten daran vor allem die philosophisch-metaphysische Grundlegung eines ewigen und vorsehenden Gottes, wie sie schon die mittelalterliche Philosophie formuliert hatte, und lehnten sie als unbiblisch ab. Demgegenüber nahm Benno Jacob (wenn auch nicht explizit) darin die Auslegung Mendelssohns auf, dass er den Ewigen als den ausschließlichen Gott Israels, in seiner Lesart: als den Gott ausschließlich für Israel, benannte (vgl. unten Kap. 9.3.h.).

Mendelssohns Gottesbezeichnung und ihre Wirkungs­ geschichte

b.  Von der Bibelwissenschaft zur Schriftauslegung Moses Mendelssohn kannte sich in der protestantischen Bibelwissenschaft gut aus, aber sein Anspruch war nicht die historisch-kritische Erforschung des biblischen Schrifttums, sondern die Schriftauslegung, die stets auch der praktischen Abzweckung diente. Deshalb insistierte er auch auf der autoritativen Gültigkeit der mündlichen Tradition, aber er tat dies nicht einfach auf orthodox-traditionelle Weise; vielmehr bemühte er hierfür Raschis Enkel Raschbam, dessen Kommentar ihm handschriftlich vorlag (zur Geschichte dieser Handschrift Liss 2011a, 57 – 61; Wenzel 2016, LXII) und der nach langen Jahren des Vergessenseins erst wieder hier durch Mendelssohn das Licht der Neuzeit erblickte (der wenig beachtete Kommentar wurde 1705 erstmals gedruckt). Am Anfang des Bi’ur zu Beginn von Paraschat* Mischpatim (Ex 21) findet sich folgende Einleitung: Raschbam ‫ ז״ל‬eröffnet seine Erklärung über diese überaus tiefe und weite Mendelssohns Parascha über Halachot und Rechtsvorschriften mit folgenden Worten: Plädoyer für den Wer die Vernunft kennt, möge erkennen und einsehen, daß ich nicht ge- Derasch kommen bin, die Halachot zu erläutern, wenn sie gleich die Hauptsache ausmachen, wie ich in Bereschit erläutert habe, daß aus den Pleonasmen der Schriftworte die Haggadot und Halachot zu vernehmen sind, von welchen einige im Kommentar unseres Rav Salomo, des Vaters meiner Mutter ‫ז״ל‬, zu finden sind. Ich aber bin gekommen, den Wortsinn der Schriftworte zu

272    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) erläutern. Und ich will die Rechtsvorschriften und Halachot in Übereinstimmung mit dem üblichen Lauf der Welt erläutern. Nichtsdestoweniger sind die Ha­lachot die Hauptsache, wie unsere Rabbinen ‫ ז״ל‬sprachen: Die Halacha hebt die Lehre auf. Soweit seine Worte. Nun siehe, auch wir wollen im Schatten der Flügel dieses großen Adlers Schutz suchen und vom Wortsinn der Schriftworte nicht rechts noch links abweichen. Aber wir haben nicht die Regel vergessen, die uns in der Einleitung enthalten ist, was den Unterschied anlangt, den es zwischen dem Widersprechenden und dem Verschiedenen gibt, daß sich nämlich der Wortsinn eines Schriftwortes von der Überlieferung unserer Rabbinen in der Erklärungsweise unterscheiden [sic!], er ihnen aber unmöglich in den Halachot und Rechtsvorschriften widersprechen kann. Denn bei den verschiedenen Dingen ist es nicht unmöglich, daß beide wahr sind; doch bei einander widersprechenden Dingen ist, wenn das eine wahr ist, das andere zwingend falsch. Daher obliegt dem Erklärer immer dann, wenn, was aus dem offenbaren Wortsinn des Schriftwortes hervorzugehen scheint, der Überlieferung unserer Rabbinen ‫ ז״ל‬in Halachot und Rechtsvorschriften widerspricht, die Pflicht, den Weg des Wortsinnes ganz und gar zu verlassen und auf dem Pfad der wahren Überlieferung zu wandeln oder einen Vergleich zwischen ihnen herzustellen, sofern er gelingen kann. Und wir haben für unsere Erklärung diesen Bund gemacht, und ihn wollen wir halten nach der guten Hand des Ewigen über uns (Übers. Wenzel in JubA 9,3, 233).

Mit vielen Worten sichert sich Mendelssohn an dieser Stelle nach allen Richtungen ab: Er möchte die von der Bibelwissenschaft erhobenen Ergebnisse in Übersetzung und Kommentar integrieren (vgl. auch seine Vorrede zum Qohelet-Kommentar; JubA 20,1, S. 186 – 189); er weiß aber auch, dass diese – Peschat* ist hier als historisch zu eruierender Wortsinn verstanden – nur zu oft mit dem rabbinischen und halachisch relevanten Derasch* kollidieren können. Fast 140 Jahre später wird der neo-orthodoxe Bibelwissenschaftler David Hoffmann (vgl. unten Kap. 9.2.k.) auf eben diesem Grundsatz insistieren: Der jüdische Ausleger darf sich in seiner Texterklärung niemals gegen die geltende Halakha* stellen. c.  Philologie und Tradition Übersetzung und Kommentar

Mendelssohns Kritik an den jüdischen Übersetzungen seiner Zeit beschränkte sich nicht nur auf die ‚stammelnde Sprache‘. Weitaus relevanter war nämlich, dass die Übersetzungen sukzessive auch die traditionellen Kommentare (Raschi und die anderen klassischen Ausleger) in den Hintergrund treten oder gleich ganz in Vergessenheit gerieten ließen. Der Prager Oberrabbiner Ezechiel Landau (1713 – 93) lehnte auch Mendelssohns Pentateuch-Übersetzung mit den Worten ab, sie stelle einen ‚Kommentar in fremder Sprache‘ dar (Perusch bilschon la‘az). Was nämlich bis dahin die Kommentare geleistet hatten – die Erklärung des Peschat*, den Bezug eines Verses zur geltenden Halakha, die Auswahl von Derasch-Deutungen – ,

8.3.  Neue Zugänge    273

musste nun von der Übersetzung geleistet werden. Für die jüdische Bibelrezeption bedeutet dies nun aber, dass eine Übersetzung bestenfalls nicht nur den eigentlichen ‚Urtext‘, sondern auch dessen traditionelle Erklärung wiederzugeben hatte. Aus diesem Grund sollte sich die Orthodoxie das gesamte 19. Jahrhundert hindurch ausgesprochen schwer tun, eine eigene Bibelübersetzung herauszugeben. Für Mendelssohn lag das Problem darin, dass seine Zeitgenossen, ohne es zu merken, mit dem Rückgriff auf christliche Bibelübersetzungen auch ein christliches Bibel-Verständnis einsogen, was insbesondere die halachischen Passagen, aber auch die für die jüdische Traditionsliteratur entscheidenden narrativen Texte betraf. Hinzu kam, dass die christliche Bibelwissenschaft überall dort munter emendierte, wo der Text schwierig war und die rabbinischen Erklärungen entweder nicht zur Verfügung standen oder gleich als unsinnig verworfen wurden. Den Anspruch, eine Übereinstimmung zwischen dem damaligen modernen Bibelverständnis, auch im Deutschen, und den klassischen Auslegern herzustellen, zeigt exemplarisch der Bi’ur zu Gen 22: Es war nach disen Begebenheiten, [als Got Avraham versuchte]. Jede Stelle, Mendelssohns Aus­ an der es heißt achar ha-devarim ha-elle (nach diesen Begebenheiten), ist legung der Aqeda mit dem vorangehenden Abschnitt verbunden (…) [folgen Beispiele aus (Gen 22) Gen 15,1; 22,20; 22,23]. So auch hier: nach disen Begebenheiten (achar ha-devarim), daß Awraham einen Bund zerschnitten hatte mit Awimelech, für sich selbst wie für die Kinder und Enkel Awrahams usw., da entbrannte darüber der Zorn des Heiligen, gepriesen sei er, war doch das Land der Pelischtim Awraham gegeben (…). (…) das heißt: Du hast dich überhoben wegen des Sohnes, den ich dir gegeben habe, einen Bund zu zerschneiden zwischen euch und ihnen. Nun gehe hin und bringe ihn zum ganzen Opfer und es wird sich zeigen, was dein Bundesschluß dir genutzt hat. (Raschbam) Und so übersetzt er: ‫ קונטרארי״אה‬,‫( נסה‬contraria) (Übers. Wenzel, JubA 9,3, 87 – 88).

Mendelssohns Bi’ur geht mit diesem Einstieg zu großen Teilen auf Raschbams Kommentar ad loc. zurück. Dieser hatte in seinem vornehmlich literarisch und literaturtheoretisch orientierten Zugang (vgl. oben Kap. 3.3.d.) immer wieder das Augenmerk auf ein mehrere Wochenabschnitte umfassendes Thema gelegt. Die Ausarbeitung des literarischen Stilmittels der Antizipation ermöglichte ihm, Zusammenhänge unter den einzelnen Wochenabschnitten zu bestimmen. Dies gilt auch für Gen 22: Raschbam entwickelte den eigentlichen ‚plot‘ der Geschichte aus der Beobachtung, dass die Formulierung ‚Es war nach diesen Begebenheiten‘ in der biblischen Literatur, vor allem in der Tora, immer dann zum Einsatz kommt, wenn ein Abschnitt durch den vorherigen Abschnitt und seine Zusammenstellung mit ihm erklärt werden soll. In Gen 22 muss der

274    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) Grund dafür gefunden werden, warum Gott den Abraham ‚versucht‘, und Raschbam erklärte, dass Gott auf Abraham böse gewesen sei. Denn dieser habe das Land und damit die versprochene Gottesgabe in einem Bundesschluss mit Avimelech ‚verschachert‘, weil diese Vereinbarung das Wohn- und Brunnenrecht für beide Parteien festschrieb (Liss 2011a, 235 – 237). Dass Mendelssohn Raschbam an dieser Stelle überhaupt so ausführlich zitiert, hängt mit seinem Anspruch zusammen, die Literarizität der Hebräischen Bibel, ihren kunstvollen Aufbau und ihre stilistischen Eigenheiten (‚Jede Stelle, an der es heißt …‘) nicht einfach postulieren zu müssen (was ihm Einbußen seiner exegetischen Autorität in traditionellen Kreisen eingebracht hätte), sondern sie mit Hilfe der mittelalterlichen Aufklärer gleichsam zu wiederholen und ans Tageslicht zu bringen. Allerdings kann Mendelssohn Raschbams Erklärung nicht so stehenlassen, denn sie ist in der Tat im Vergleich mit allen anderen rabbinischen Auslegungen singulär, und Mendelssohn weiß natürlich, dass die traditionelle jüdische Lesart weniger Gottes Unmut als Abrahams ‚Mut‘ und damit den Aspekt der ‚Prüfung‘ in den Vordergrund gestellt hatte, um Abrahams Gottesfurcht zu betonen. Daher fährt er fort: Die Prüfung Abrahams

Das ist jedoch nicht die Ansicht der Kommentatoren und der Übersetzer in die aramäische Sprache, sondern die Bedeutung ‚Prüfung‘ [havchana], wie noch folgen wird (…). Die Ansicht des deutschen Übersetzers entspricht der Ansicht der Kommentatoren, die allgemeine Bedeutung von nissayon hat den Sinn von ‚Prüfung‘, was bedeutet, den Gedanken des Handelnden in die Tat zu überführen (…), daß er ihm eine Gelegenheit gab und ihm einen Anlaß schuf, sein Herz in den Wegen der Gottesfurcht und des Gottesdienstes zu kräftigen durch die große und furchtbare Tat, die zu tun er ihm gebot. In der deutschen Sprache: *er *hat *ihn *versucht [im Original auf Deutsch in hebräischen Lettern; H. L.]. Und der ersten Weise gemäß lautet es in der deutschen Sprache: *er *hat *ihn *geprüft (Übers. Wenzel, JubA 9,3, 88 – 89).

Hier ist nun deutlich zu sehen, wie Mendelssohn die deutsche Übersetzung in Übereinstimmung mit den traditionellen Auslegern zu bringen sucht, denn seine Formulierung lautete ‚(…) als Gott Abraham versuchte‘ (Mendelssohn, JubA 15,2, 206). Und daher bemüht er sich in langen Ausführungen, auch diesen Aspekt mittels innerbiblischer Vergleiche zu verifizieren. Die Relevanz des In Or la-Netiva referiert Mendelssohn sowohl die texthistorihebräischen Vokal- schen Darlegungen Azarjas aus Imre Bina (vgl. oben Kap. 7.2.e.) und Akzentsystems als auch die masoretischen Forschungen des Elia Levita (vgl. oben Kap. 7.2.d.). Mose habe zwar die Tora zunächst ohne Punktation und Akzente erhalten, und sie sei auch durchweg verständlich gewesen, solange das Hebräische die Umgangssprache war. Allerdings sei sie auch seinerzeit schon hier und dort punktiert und akzentuiert

8.3.  Neue Zugänge    275

gewesen, aber nur dort, wo es nötig gewesen sei. Das babylonische Exil habe dann dazu geführt, dass den Juden das Wissen um ihre Sprache und damit auch die Aussprache und Leseregelungen verloren gingen, und erst Ezra habe dann endgültig das Punktations- und Akzentsystem etabliert und fixiert (JubA 9,1, 30 – 33). Mit diesen Ausführungen steht Mendelssohn in diametralem Gegensatz zu den protestantischen Bibelwissenschaftlern, denn er stellt hier die mündliche Tradierung des biblischen Textes als Garantin für die unverfälschte Tradierung des Textes vor, wohingegen Michaelis und Eichhorn gerade umgekehrt die mündliche Überlieferung für die Textverderbnis verantwortlich gemacht hatten. Die masoretische Überlieferung gehört also nach Mendelssohn Das Akzentsystem als Abbildung genuin zur Rede Gottes und trage zu ihrer Einzigartigkeit bei: Alle diese Dinge sind den Sprachgelehrten wohlbewußt und wohlbekannt, und auf einige davon sind die Regeln der Setzung der Akzente und ihrer Kantilation erbaut und gegründet, wodurch die heilige Sprache sich vor den übrigen uns bekannten Sprachen auszeichnet. Bei ihnen achtet niemand mit so tiefgründiger Subtilität darauf, die Verbindung und Trennung der Wörter so genau auf die Verbindung und Scheidung der Gedanken zu beziehen, daß die Wege der Sprache in dieser Hinsicht mit den Wegen der Seele und ihren Vorstellungen übereinstimmen und die äußere Rede mit großer Vollkommenheit auf die innere Rede bezogen ist und damit korrespondiert (JubA 9,1, 15).

göttlicher Rede

Eine entsprechend zentrale Rolle spielt daher die Masora für Mendelssohns Text- und Übersetzungsverständnis, denn die jüdische Übersetzung müsse nicht nach Willkür und eigenem Gutdünken einen Text erstellen und übersetzen, sondern halte sich an die von Gott gegebene Offenbarung, die in der masoretischen Textüberlieferung unverfälscht aufbewahrt sei. Auch deshalb sei eine jüdische Übersetzung einer christlichen unbedingt vorzuziehen: Von damals bis jetzt hat sich niemand bemüht das Krumme gerade zu machen (nach Pred I,19; [sic! statt Koh 1,15, H. L.]) und die heilige Torah in die richtige Sprache zu übersetzen, wie sie in unserer Generation normal und gebräuchlich ist. Die Knaben der Kinder Israels, die das Verlangen haben, Worte der Weisheit zu verstehen, ziehen umher, das Wort Gottes in den Übersetzungen christlicher Gelehrten zu suchen [nach Am 8,12]. Denn die Christen übersetzen die Torah in jeder Generation in die Sprachen ihrer Völker nach dem Zeitbedürfnis in richtiger Sprache und angenehmem Stil, manchmal den Worten und manchmal dem Sinne nach, manchmal Wort für Wort und manchmal erweiternd und unter Zufügung von Erklärungen, damit es nicht an der richtigen Mischung fehle, den Durst der Lernenden nach dem Wunsch und Bedürfnis eines jeden zu stillen. Jedoch dieser Weg, den viele Söhne unseres Volkes betreten haben, ist voller Fallstricke und Hindernisse für den Wandernden, und großes Übel geht davon aus. Denn die christlichen Übersetzer, die die Traditionen unserer Weisen, ihr Andenken sei zum Segen, nicht annehmen, nicht auf die Worte

Die Ursprüng­ lichkeit der masoretischen Überlieferung

276    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) der Massorah hören und auch nicht unsere Vokalpunkte und Akzente anerkennen, machen die Worte der Torah zu einer durchbrochenen Mauer [nach Spr 25,28], die jeder übersteigen kann, um drinnen nach Willkür zu verfahren. Sie fügen hinzu, nehmen weg und ändern in der Torah Gottes. Nicht allein mit Bezug auf Vokalpunkte und Akzente verfahren sie so, sondern manchmal auch mit Buchstaben [d. h. dem konsonantischen Stamm] und Wörtern (denn wer wehrt ihrem Geist?), nach eigenen Gedanken und eigener Auffassung richten sie, und demzufolge lesen sie manchmal nicht, was in der Torah geschrieben steht, sondern was ihnen einfällt. Ich aber will hiermit diese Gelehrten gar nicht schmähen; denn was sollte sie veranlassen, auf eine Überlieferung zu hören, die sie von ihren Vätern nicht empfangen haben, oder auf eine Massorah, die ihnen nicht von den bei ihnen bewährten Männern überliefert wurde. Sie akzeptieren ja auch die Worte der Torah und alles, was dort geschrieben steht, nicht als etwas, was man tun und beobachten soll, sondern wie ein Geschichtswerk, daraus man lernen kann, was in der Frühzeit geschehen ist und wie die Wege der höchsten Vorsehung und Lenkung in jedem Geschlechte zu verstehen sind. Diesem Zweck schadet es nicht, wenn man zuweilen durch Hinzufügung oder Auslassung von Buchstaben oder Wörtern Einzelheiten verändert, wie sie es mit ihren berühmten und wohlbekannten weltlichen Büchern tun, wo jeder Bearbeiter Veränderungen anbringt, wie es ihm paßt. Jedoch, wenn dies bei den christlichen Gelehrten und ihren Schülern angeht, für uns, das Haus Israel, geht es nicht an. Uns ist diese Torah ein Erbe, nicht für den erwähnten Zweck allein, sondern um das Gebot zu wissen, das der Ewige, unser Gott, uns befohlen hat zu lernen und zu lehren, zu beobachten und zu tun. Sie ist unser Leben und die Länge unserer Tage [nach Dtn 30,20]. Damit nun unser Leben nicht abseits, nur am Haar von Meinung und am Faden der Betrachtung hängt, haben uns unsere Weisen, ihr Andenken sei zum Segen, die Massorah eingerichtet und einen Zaun um die Torah, das Gebot, die Satzung und das Recht angelegt, damit wir nicht wie Blinde im Finstern tappen. Und seitdem dürfen wir nicht von ihrem geebneten Wege abweichen und uns einen Lebensweg bahnen, ohne die Waage des Rechtes nach der persönlichen Meinung und Einschätzung eines Grammatikers oder Bearbeiters. Nicht nach seinem Munde leben wir, sondern nach dem, was uns unsere eigenen Massoreten überliefert haben. So soll es sein und möge es so bleiben (JubA 9,1, 56 – 57).

Mendelssohn hat in diesem Passus auf nahezu geniale und bis heute aktuelle Weise das je einzigartige Verhältnis von Judentum und Christentum zur Hebräischen Bibel charakterisiert: Für die einen orach chajjim, ein Buch, das Lebensweise und -gewohnheiten bestimmt, für die anderen ein Geschichtswerk, altertumskundlich und sprachwissenschaftlich interessant, aber kein Buch, mit dem man ‚lebt‘ (vgl. Ez 20,11). Dass Mendelssohn und sein Kreis in ihren Kommentar (im Tiqqun Sofrim* und im Bi’ur) die Masora eingebunden haben, die schon damals eigentlich für niemanden mehr wirklich verständlich oder exegetisch erhellend war, zeigt einmal mehr, dass sich die Maskilim* der schon seit dem jüdischen Mittelalter betriebenen hebräischen Philologie verpflichtet fühlten.

8.3.  Neue Zugänge    277

Der Rückgriff auf die Tradition war danach ohne das Hebräische nicht zu haben. Er sollte auch gleichzeitig vor der „Profanation der hebräischen Bibel“ (Schulte 2003, 100) schützen. Mit dem Anspruch, am masoretischen Text als dem ursprünglichen und damit auch inhaltlich maßgeblichen festzuhalten, standen die jüdischen Aufklärer der christlichen Bibelwissenschaft diametral entgegen. Die christliche Bibelwissenschaft unterschied zwischen dem ursprünglichen Konsonantentext und der nachbiblischen Vokalisierungstradition und setzte deshalb von Anfang an auf Emendierung (des Vokal- und Konsonantentextes) und inhaltliche Korrekturen. So lesen wir bei Michaelis: „Die Puncte, dadurch im Hebräischen die Vocales und sonst noch allerley die Erklärung bestimmendes ausgedrückt wird, sind nicht von den heiligen Schriftstellern selbst, sondern erst von Juden, die etliche hundert Jahr nach Christi Geburt lebten, und deren Nahmen wir nicht einmahl wissen, zum alten Hebräischen Text, welcher blos aus Consonanten ohne einzigen Zwischenraum der Worte bestand, hinzugesetzt. Sie geben nicht nur öfters einen unrichtigen, sondern auch wol einen solchen Sinn, der eine ganze Stelle schlechterdings zu verderben im Stande ist (…). Ich muß wenigstens für meinen Theil bekennen, daß es mir unmöglich scheint, eine erträgliche Übersetzung der Bibel zu geben, wenn man verpflichtet seyn soll, den Punkten zu folgen (Michaelis 1773, Bd. 1, X – XI) (…). Daß ich mir die Freyheit nehme, die schon Luther sich erlaubt hat, von den Vocalen und Accenten abzuweichen, welche die Juden erst nach dem fünften Iahrhundert zum Hebräischen Text gesetzt haben, desgleichen da, wo unsere gedruckten Bibeln eine fehlerhafte Leseart haben, einer bessern in Handschriften oder alten Versionen befindlichen zufolgen, habe ich bereits oben gesagt. Ich muss aufrichtig gestehen, dass ich ohne dis keine erträgliche Uebersetzung zu machen wüßte; lieber wollte ich die ganze Arbeit unterlassen, wenn ich gehalten sein sollte, den Meinungen der Jüdischen Masorethen, oder jeder aus Irrthum der Abschreiber verdorbenen Leseart, die bisweilen nicht einmahl einen vernünftigen Sinn giebt, zu folgen“ (Michaelis 1773, Bd. I, XXIX).

Aus christlicher Perspektive war Michaelis mit seiner Einschätzung konsequent, denn er war sich darüber im Klaren, dass der masoretische Bibeltext faktisch ein hybrides Gebilde ist, weil der Konsonantentext in die vorchristliche Antike (und damit auch in die antike Religionsgeschichte) gehört, der vokalisierte masoretische Text jedoch den ‚Endtext‘ einer innerjüdischen Auslegungs-Geschichte aus dem judäo-arabischen jüdischen Mittelalter in Babylonien und Eretz Israel darstellt. Auch die heutige alttestamentlich-christliche Exegese lässt faktisch zumeist den Konsonantentext zum Auslegungsgegenstand werden und gibt bei Textkorruption den Qumran-Textzeugen oder der Septuaginta* und den ihr verwandten Rezensionen den Vorzug. Michaelis und andere Vertreter der damaligen Bibelwissenschaft sind jedenfalls entscheidend daran beteiligt, dass die Masora als Metatext zum hebräischen Konso-

Die christliche Textkritik als Zurückweisung des masoretischen Textes

Johann David Michaelis über die hebräische Vokalisation

278    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) nantentext zwischen die akademischen Fronten und damit für die Bibelwissenschaft aus dem Blickfeld geriet, und daran konnten auch die jüdischen Gelehrten des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts nicht wirklich etwas ändern. Wesselys Vorrede Seiner Erklärung zum Buch Wajjiqra stellt Wessely eine Vorrede zum Buch Wajjiqra und Rechtfertigung des Autors voran, in der er seine Kommentierung und den Umgang mit den traditionellen Auslegern erläutert und auf der Übereinstimmung von Peschat* und Derasch* insistiert: Der die Bitten derer, die ihn ersuchen, erfüllt, der sei mir gnädig, leite mich mit seinem Ratschluß und gewähre mir in seiner Güte zweierlei: das eine, daß ich nicht von der zuverlässigen Überlieferung unserer Väter abweichen möge, und dies zweite, daß ich nicht seitwärts wanken möge vom Weg des klaren Wortsinnes, der dem Verstand nachvollziehbar ist. Sie sollen miteinander übereinstimmen. Und wenn der Weg, einen Vergleich zwischen dem Wortsinn und dem Midrasch, welche einander fern scheinen, auszuhandeln, eng ist, sage ich: Hoffnung gibt es nur, wenn Gott mir die Gnade erzeigt, die Bedeutung der Wurzeln gründlich zu erkennen. Wenn wir sie nämlich verstehen, wird uns klar, daß die Worte des Midrasch nichts anderes sind als die Tiefe des Wortsinnes der Schrift. Und einander ferne werden zu einander nahen (…) (Übers. Wenzel, JubA 9,3, 309 – 310). Die oben genannten großen Kommentatoren, ob jeder einzelne gleich seine eigene Methode hat, wie allbekannt ist, gleichen einander darin, daß sie alle auf dem Weg des Wortsinnes wandeln, vom Weg der Grammatik nicht weichen und vom Weg der Akzentsetzung nicht abbiegen. Sie beachten die Gesetzmäßigkeiten der Sprache und sind aufmerksam auf die Ordnung der poetischen Rede, nebst den übrigen Bedingungen, die den Auslegern des Wortsinnes nötig sind, welche die Schrift deutlich und mit Angabe des Sinnes zu verstehen begehren, um die Tiefe der ersten Absicht zu erkennen, welche es in einer jeden einzelnen Rede von diesen göttlichen Reden gibt. Dazu bedarf es der Weisheit des Herzens und der Tiefe des Denkens (Übers. Wenzel, JubA 9,3, 312).

Der Ausdruck ‚Tiefe des einfachen Schriftsinnes‘ (omeq peschat ha-katuv) ist sicher eine Hommage an Raschbam, der mit einem ganz ähnlichen Ausdruck – omeq peschuto schel miqra (‚Tiefe des einfachen Schriftsinnes‘) – seine eigenen exegetischen Ausführungen (gegenüber dem Derasch des Raschi) auszeichnete (vgl. oben Kap. 3.3.b.). Subtil stellt sich Wessely in die Reihe großer Ausleger, zum einen, um nach außen genügend Bescheidenheit zu demonstrieren, zum anderen, um das, was ihm wichtig war, und hier vor allem die Darlegung der hebräischen Sprachformen, vorbringen zu können. Wie auch bei Mendelssohn, lässt sein Kommentar deshalb durchgehend das Bemühen erkennen, Peschat und Derasch als zwei miteinander, nicht gegeneinander laufende Auslegungsweisen darzulegen (E. Breuer 1996a, 177 – 222).

8.3.  Neue Zugänge    279

Einig war sich Wessely mit Mendelssohn auch in der Bedeutung Die Relevanz des des masoretischen Akzentsystems für die Textauslegung. Hierin masoretischen berührte sich nun die sorgfältige Sprachanalyse mit der Auslegungs- Akzentsystems tradition, denn auch Wessely hielt dafür, dass die hebräischen Akzente genuin zum Offenbarungstext dazugehörten. Dies zeigt auch seine Auslegung zu Lev 19,18aβ, einem auch heute viel bemühten Satz, dem man seine syntaktischen Tücken erst ansieht, wenn man sich durch Wesselys Kommentar durchgearbeitet hat. Mendelssohn übersetzte den Satz mit „libe deinen Nächsten, so wie du dich selbst libst“. Wessely ist damit nicht ganz einverstanden und bietet neben traditionellen Erklärungen von den Tannaiten* bis hin zu Ramban auch ethisch-psychologische, am entscheidenden Punkt aber auch masoretische Kommentierungen an (im Folgenden ein Auszug dieses sehr langen Kommentars): libe deinen Nächsten, so wie du dich selbst libst. Wenn die Absicht der An- Wesselys Kommen­ sicht der Schriftausleger ‫ זצ״ל‬entspräche, daß nämlich einer jeden Menschen tar zu Lev 19,18 so lieben soll, wie er sich selbst liebt, wäre es sehr verwunderlich, daß er [sic!] über etwas ein Gebot gibt, das im Vermögen keiner Seele steht. Es ist unmöglich, daß ein Mensch einen anderen, und vor allem eine ihm fremde Person, so liebe, wie er sich selbst liebt. Es geht auch nicht an, über Liebe oder Haß, welche der Mensch, wie gesagt (Vers 17), nicht beherrscht, Gebote zu geben (…) Auch habe ich bei Ramban ‫ ז״ל‬gesehen, daß er sagt: Der Sinn von ‫ ואהבת לרעך כמוך‬ist eine Übertreibung, denn des Menschen Herz nimmt es nicht an, daß er seinen Nächsten lieben soll, wie er seine eigene Seele liebt. Überdies kam bereits R. Akiba und lehrte: Dein Leben geht dem Leben deines Nächsten voran (…). Vielmehr ist die hauptsächliche Bedeutung so, wie wir gesagt haben, daß der Ausspruch: ‫ואהבת לרעך‬ unbestimmt gesagt ist, und überliefert ist es den Weisen, den Tradenten. Auch setzte der Akzentsetzer den Tipcha unter ‫( לרעך‬deinen Nächsten). Wenn er nämlich ‫ לרעך כמוך‬in der Kantilation verbunden hätte, wäre auszulegen: ‫( רע שהוא כמוך בצדק ובחכמה וכיוצא‬ein Nächster, der dir an Gerechtigkeit, Weisheit und dergleichen gleicht). Daher verband er in der Kantilation ‫( ואהבת לרעך‬libe deinen Nächsten), daß er sie alle lieben soll, und trennte er das Wort ‫ כמוך‬ab, woraus sich die Bedeutung ergibt, daß er ein Mensch wie du ist (…) ‫ לרעך‬deinen Nächsten. Mit Lamed. Merke darauf, daß an allen Stellen dem Lieben (‫ )אהבה‬das Wort ‫ את‬beigestellt ist, wie [folgen Dtn 6,5; Gen 29,30] (…) und so allesamt. Auch das ist ein Beweis für unsere Auslegung. Denn ‫ את‬und ‫ אותו‬verweisen auf das Wesen der Sache, indem nämlich eine spezifische Eigentümlichkeit am Geliebten ist, derentwegen er ihn mehr als jeden anderen liebt. Das aber ist nicht die Liebe, von der hier die Rede ist, vielmehr wegen einer allgemeinen Eigenschaft, daß nämlich alle ein Mensch wie er sind, im Ebenbilde erschaffen (…) (Übers. Wenzel, JubA 9,3, 346 – 349).

In stupender Gründlichkeit wird dieses aufs Erste unscheinbare Sätzchen auseinandergenommen. Die masoretische Akzentsetzung – Tifcha ist ein trennender Akzent – sorgt dafür, dass der Satz nicht dahingehend auszulegen ist, dass man nur diejenigen lieben

280    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) dürfe, die einem selber ähneln (‚Liebe Deinen Nächsten, der wie Du ist‘), sondern alle Menschen, weil sie als Ebenbild Gottes erschaffen wurden (vgl. auch Wenzel 2016, 446). Dieser Kommentar ist ein beredtes Beispiel für Wesselys Anspruch, Derasch-Auslegung und philologische Klarheit als einander ergänzende Auslegungstechniken zu erweisen. Daher ist der Kommentar noch heute lesenswert, setzt allerdings eine gediegene philologische Ausbildung voraus. d.  Die Ästhetik der biblischen Poesie Wie sehr Mendelssohn von Michaelis beeinflusst war, zeigt seine Erklärung der Übersetzung zu Ps 2,12. Mendelssohn übersetzt „Dem Sohne huldiget, daß er nicht zürne“, und schreibt in seinem Kommentar: ‚Poesie aus dem Morgendland‘: Mendelssohn zu Ps 2,12

Dem Sohne, d. i. mir, welchen Gott (V. 8) seinen Sohn genannt hat. Nach dem Grundtext heißt es: küßt den Sohn. Das Bild, sagt Knapp sehr richtig, ist vom Huldigungskuß, oder Hoheitskuß der Morgenländer genommen (…). Er ist auch jetzt gewöhnlich; aber kein Mundkuß, sondern ein Handkuß, oder Kuß auf das Kleid vor dem Knie (Niebuhr’s Reisebeschr. […]). Weil das Bild im Deutschen fremd seyn würde, so habe ich das eigentliche Wort huldigen dafür gewählt. Denn im Hebräischen scheint die Metapher zur eigentlichen Redensart geworden zu seyn (JubA 10,1, 230).

Mendelssohn lässt hier die klassischen Kommentare wie Raschi und ibn Ezra vollkommen außer acht. Raschi hätte ihm auch nichts genützt, weil dieser den Ausdruck mit „Bewaffnet Euch in Reinheit“ übersetzt, um ja keine christologische Anspielung aufkommen zu lassen. Der spanische Kommentator ibn Ezra, der möglicherweise die christliche Exegese dieser Stelle nicht so vor Augen hatte, übersetzt im ersten Psalmen-Kommentar (vgl. oben Kap. 4.2.a.) tatsächlich mit „küsst den Sohn“ und bezieht dabei den Ausdruck bar (‚Sohn‘) sogar auf den in Ps 12,2 genannten Gesalbten. Mendelssohn hingegen verweist in seinem Kommentar mit Georg Christian Knapp auf den Reisebericht Niebuhrs (vgl. oben Kap. 8.1.c.) und übernimmt damit das für die zeitgenössische Exegese zentrale ‚morgenländische Paradigma‘ (zum Ganzen auch Wittler 2019). Die Poesie der 1753 erschien Mendelssohns Rezension von Robert Lowths De Lebenswirklichkeit Sacra Poesi Hebraeorum (1753). In diesem Zusammenhang finden der Hebräer sich nicht nur die wichtigsten theoretischen Darlegungen Mendelssohns zu den Besonderheiten der hebräischen poetischen Sprache, sondern auch die sich daraus ergebenden Ansprüche an den Übersetzer: Die siebente Lection. Von den Bildern aus dem gemeinen Leben. Allhier werden die Beschreibungen und Gemählde vertheidiget, die uns für die Würde der hebräischen Dichter allzuniedrig scheinen, Wir müssen unser

8.3.  Neue Zugänge    281 gekünsteltes und fast unnatürliches Leben, nicht mit der einfältigen, freyen und in allen Ständen gleichen Lebensart der alten Hebräer vergleichen. Beschäfftigungen, die uns jetzt niedrig und sklavisch scheinen, waren damals den Vornehmsten unter dem Volke nicht unanständig, Wenn wir nicht unbillige Richter seyn wollen; so müssen wir sie nach ihren Gewohnheiten, nach ihren Zeiten, und nach allen den Umständen beurtheilen, in welchen sie gelebt haben. (Hat man nicht auch in den griechischen und römischen Gedichten viel Unanständiges zu finden geglaubt, bloß weil man so unvorsichtig gewesen ist, sie nach unsern Sitten zu beurtheilen?) Aus einer Menge von vortrefflichen Exempeln, die Lowth zur Bestätigung dieses Satzes anführt, wollen wir uns begnügen, das kürzeste zu wählen, Jesaias vergleichet (C, LXIII, 1.) das Strafgericht Gottes mit einer Weinkelter, und die Umschreibung dieses an sich einfältigen Gleichnisses ist in der Ursprache so prächtig und so erhaben, daß sie fast unmöglich in einer andern Sprache würdig genug ausgedrückt werden kann [folgt Mendelssohns Übersetzung von Jes 63,1 – 3] (JubA 4, 29 – 30).

Wie Michaelis sucht auch Mendelssohn hier die hebräische Poesie vor dem Hintergrund der orientalischen Kultur und Lebenswirklichkeit zu verstehen (dazu auch Wenzel 2016, XXVII – XL). Aber anders als Michaelis war ihm natürlich daran gelegen, die Relevanz der hebräischen Poesie auch für den (jüdischen) Zeitgenossen aufscheinen zu lassen: Ob sich gleich die hebräische Ode niemals so sehr herunterläßt, daß sie sich mit unerheblichen Dingen beschäfftigen sollte; so fehlt es ihr dennoch nicht an gelindern und gefälligern Affecten, an reizenden Bildern und an einem sanftfließenden Ausdrucke, dadurch sie öfters in die Classe der angenehmen Oden versetzt zu werden verdienen (JubA 4, 49).

Gerade für den zeitgenössischen Leser, so Mendelssohn, halte die hebräische Poetik daher die ganze Palette stilistischer Ausdrucksmöglichkeiten bereit. Immer wieder insistierte Mendelssohn daher auch auf der Besonderheit und Einzigartigkeit der hebräischen Poesie: Die griechischen und römischen Dichter hatten eine Menge fabelhafter Die Einzigartigkeit Erdichtungen in Bereitschaft, dadurch sie ihre Bilder bereichern, und ihre der hebräischen Begriffe personifiren [sic!] konnten. Allein der göttlichen Dichtkunst wäre Poesie dieser poetische Kunstgriff unanständig gewesen; daher haben die hebräischen Dichter ihre Bilder aus der Natur selbst hernehmen müssen (JubA 4, 35).

e.  Die Anfänge einer jüdischen Einleitungswissenschaft Ben Ze’evs Mavo ist eine kritische Einleitung zu den Nevi’im und Ben Ze’evs Mavo Ketuvim, die ab 1817 den Kitve Qodesch beigegeben wurden (dazu zuletzt Bezzel / Hecht / Schorch 2019). Hier findet sich zum ersten Mal eine explizite Aufnahme der historisch-kritischen Zugangsweise in der jüdischen Bibelauslegung:

282    8. Kapitel:  Die Bibel in der jüdischen Aufklärung (Haskala) Denn siehe vor Dir liegen vierundzwanzig heilige Bücher, und sie sind auf verschiedenen Niveaus [3 Madrigot = Torah, Propheten, Schriften], aus verschiedenen Jahren, von verschiedenem Inhalt, und von verschiedenen Autoren. (…) Und so ist es also angeraten, zwischen den einzelnen Büchern zu unterscheiden, wenn du ein urteilender Leser bist. Bevor Du erwägst es [das Buch] zu lesen, solltest Du zuerst das Niveau, die Zeit, den Inhalt, und den Verfasser der Bücher kennen, mit denen Du Dich befasst. Und besonders die Bücher, die Geschichten und Ereignisse des Volkes [Israel] beinhalten, sind von Zeit und Ort abhängig, und umso mehr, wenn diese Ereignisse zu den Angelegenheiten der anderen Nationen, mit denen sie durch Kriege verwoben sind, in Bezug gebracht werden (Ben Ze’ev, Mavo. Hakdama Klalit, 2 f.; zitiert aus Bezzel / Hecht / Schorch 2019, 179).

Zuletzt haben Hannes Bezzel, Louise Hecht und Grit Schorch den Einfluss Johann Gottfried Eichhorns (1752 – 1827) auf Ben Ze’ev, aber auch Ben Ze’evs Eigenständigkeit auf seinem Weg ausführlich dargelegt. Ben Ze’ev hat den Einfluss Eichhorns auch nirgends explizit dargetan, wie er überhaupt ausgesprochen vorsichtig zu Werke ging, indem er zunächst die Propheten und die Schriften bearbeitete und die Tora unberücksichtigt ließ, um nicht etwa die Verbindlichkeit der mündlichen Tora zur Diskussion stellen zu müssen. Der Bi’ur der Die vierte Auflage der Kitve Qodesch, die neben dem Bi’ur und zweiten Generation dem Raschi-Kommentar auch den Mavo von Ben Ze’ev enthielt (ab 1833; Bezzel / Hecht / Schorch 2019), wurde in der Vorrede durch Juda Jeitteles als Lehrbuch für die ‚israelitische Jugend‘ eingeführt. Deutlich zeigt auch diese Vorrede den historisch-kritischen Zugriff auf die biblischen Schriften: Juda Jeitteles’ Vorrede der Kitve Qodesch

(…) Einer Übertragung der Bibel in die Landessprache, worin das klare und richtige Verständnis des Urtextes, für diejenigen, so weder in die hebräische Sprache tiefer eingedrungen, noch mit dem Geiste der heiligen Bücher gehörig vertraut sind, bezweckt wird, muß ohne allen Zweifel, jener Werth zuerkannt werden, der sich aus der hohen Wichtigkeit des Inhalts der heiligen Schrift, ganz ungezwungen ableiten läßt. (…) Eine solche Übersetzung muß aber, wenn der angedeutete gemeinnützige Zweck wirklich erreicht werden soll, rein, deutlich und faßlich sein, und dem Originale, wenn auch nicht mit genauer Wörtlichkeit – die oft den Zusammenhang stört, ja oft den Sinn ganz entstellt – doch so viel als nur möglich, mit gewissenhafter Treue folgen. Eine solche Übersetzung, darf mit dem einfachen, prunklosen Bibeltexte übereinstimmend, nicht schwülstig, nicht mit modischen Wendungen und Wortformen überladen sein; es muß jeder in Folge späterer Erfindungen, und Entdeckungen entstandene Kunstausdruck sorgfältig vermieden werden, wenn anders die Übersetzung mit dem Texte der alten Zeit nicht ganz und gar kontrastieren, wenn sie für die Jugend instruktiv sein soll; eine solche Verdeutschung der Bibel, muß mit einem Worte, rein biblisch sein. Der Kommentar (‫ )באור‬zu einer solchen Bibelübersetzung, muß seiner wichtigen Tendenz nach 1. das, was der Übersetzung zur besseren Aufhellung der Wort- und Sacherklärung mangelt, durch eine nähere Erklärung ergänzen; er muß, 2. die von der grammatikalischen Regel abweichenden

8.4. Zusammenfassung    283 Wortformen, durch eine richtige und kurz gefaßte Exegese rechtfertigen, und endlich, 3. für die gegen die Meinung anderer Bibel-Erklärer veränderten Stellen in der Übersetzung, vertheidigende Gründe anführen (…) (Kitve Qodesch, Sefer Schemu’el, 1833; Original auf Deutsch in hebräischen Buchstaben, Transliteration Louise Hecht [als unveröffentlichtes Manuskript freundlicherweise zur Verfügung gestellt]).

Die Kitve Qodesch zeigen nicht zuletzt, dass Jehuda ben Ze’ev und Jehuda Jeitteles das Projekt Moses Mendelssohns maßgeblich weiterentwickelt und damit einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer kritischen jüdischen Bibelwissenschaft gesetzt haben.

8.4. Zusammenfassung Während in Osteuropa Kabbala und Talmudstudium* vorherrschten, beginnt in Westeuropa die jüdische Haskala*, die in Moses Mendelssohn und seinem Kreis zu einem ersten Höhepunkt kommt. Die vor allem von Mendelssohn ausgearbeitete Unterscheidung zwischen universaler Religion der Vernunft und göttlicher Offenbarung des Gesetzes sollte fortan den philosophischen und theologischen Religionsdiskurs des Judentums bestimmen. Gleichzeitig nahmen die jüdischen Denker die vor allem in der protestantischen Bibelwissenschaft vorherrschenden Fragen auf und wandten sich ebenso den form- und literaturgeschichtlichen Fragestellungen der sog. höheren Bibelkritik zu. Die hier entwickelten ästhetisch-philosophischen Diskurse zur biblischen Poesie und Sprache sollten die eigenen Zeitgenossen wieder zum Bibelstudium zurückführen und gleichzeitig die Tür zu einer umfassenden säkularen Bildung für alle Juden und Jüdinnen öffnen. Insbesondere die hermeneutischen Überlegungen Mendelssohns und Wesselys zur Bibelkritik wie auch ihr berühmter Pentateuch-Kommentar, der Bi’ur, zeigen den Spagat zwischen den zeitgenössischen Fragen und Anforderungen und den Antworten der klassischen Ausleger, der sich bis in das 19. und frühe 20. Jahrhundert hineinzog und in vielen Punkten auch heute noch nicht überwunden ist.

8.4. Zusammenfassung    285

9. Kapitel: Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Breuer, Edward, The Limits of Enlightenment: Jews, Germans, and the Eighteenth-Century Study of Scripture. Cambridge 1996a. Carlebach, Julius (Hg.), Wissenschaft des Judentums: Anfänge der Judaistik in Europa. Darmstadt 1992. Eliav, Mordechai, Jüdische Erziehung in Deutschland im Zeitalter der Aufklärung und der Emanzipation (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, Bd. 2). Münster 2001. Gillman, Abigail, A History of German Jewish Bible Translation. Chicago / London 2018. HaCohen, Ran, Reclaiming the Hebrew Bible: German-Jewish Reception of Biblical Criticism (Studia Judaica, Bd. 56). New York 2010. Jindo, Job Y./Sommer, Benjamin D./Staubli, Thomas (Hgg.), Yehezkel Kaufmann and the Reinvention of Jewish Biblical Scholarship (Orbis Biblicus et Orientalis, Bd. 283). Fribourg / Göttingen 2017. Pelli, Moshe, Struggle for Change: Studies in the Hebrew Enlightenment in Germany at the End of the 18th Century (hebr.). Tel Aviv 1988. Perl, Gil S., The Pillar of Volozhin: Rabbi Naftali Zvi Yehuda Berlin and the World of 19th Century Lithuanian Torah Scholarship (Studies in Orthodox Judaism). Boston 2012. Shapiro, Marc B., Between the Yeshiva World and Modern Orthodoxy: The Life and Works of Rabbi Jehiel Jacob Weinberg, 1884 – 1966. London / Portland, OR 1999. Shavit, Jacob / Eran, Mordechai, The Hebrew Bible Reborn: From Holy Scripture to the Book of Books. A History of Biblical Culture and the Battles over the Bible in Modern Judaism (Studia Judaica, Bd. 38). Berlin 2007. Stallmann, Imke, Abraham Geigers Wissenschaftsverständnis: Eine Studie zur jüdischen Rezeption von Friedrich Schleiermachers Theologiebegriff (Beiträge zur rationalen Theologie, Bd. 20). Frankfurt am Main 2013. Tasch, Roland, Samson Raphael Hirsch: Jüdische Erfahrungswelten im historischen Kontext (Studia Judaica, Bd. 59). Berlin u. a. 2011. Veltri, Giuseppe, Altertumswissenschaft und Wissenschaft des Judentums: Leopold Zunz und seine Lehrer F. A. Wolf und A. Böckh. In: Giuseppe Veltri / Reinhard Markner (Hgg.), Friedrich August Wolf: Studien, Dokumente, Bibliographie (Palingenesia, Bd. 67). Stuttgart 1999, S. 32 – 47. von der Krone, Kerstin, Wissenschaft in Öffentlichkeit: Die Wissenschaft des Judentums und ihre Zeitschriften (Studia Judaica, Bd. 65). Berlin u. a. 2012. Wiese, Christian, Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere? (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts, Bd. 61). Tübingen 1999.

286    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

9.1. Voraussetzungen und Hintergründe a.  Die Anfänge der Wissenschaft des Judentums

Wissenschaft des Judentums und Philologie

Jüdische Kultur und Literatur

Die in Osteuropa lebenden und lehrenden rabbinischen Gelehrten haben die sich vor allem in Deutschland anbahnende Entwicklung der Wissenschaft des Judentums und der Aufspaltung in (Neo-)Orthodoxie und Reform anders wahrgenommen als ihre westeuropäischen Kollegen. Dies galt beispielsweise für Meïr Löw ben Jechi’el Michael Weisser (Malbim), den es aus Wolhynien nach Kempen (Preußen) verschlagen hatte. Dennoch wird zu zeigen sein, dass auch die Vertreter der litauischen Orthodoxie nicht einfach vor die Haskala* zurückgehen konnten. Schon in der Rückschau auf Moses Mendelssohn konnte das talmudische* Diktum des he-chadasch asur min ha-tora bekhol maqom (‚Das Neue ist überall nach der Tora verboten‘; vgl. bQid 38b) nicht mehr so ohne Weiteres aufrechterhalten werden. Die wichtigsten Impulsgeber dessen, was wir heute Wissenschaft des Judentums nennen, waren Leopold (Jom Tov Lippman) Zunz (1794 – 1886), Israel Markus Jost (1793 – 1860) und Immanuel Wolf (Wohlwill; 1799 – 1847). Zunz, in Detmold geboren, hatte gemeinsam mit Jost die Samson’sche Freischule in Wolfenbüttel besucht, und studierte bereits seit 1815 Klassische Sprachen, Geschichte und Philosophie in Berlin. Seine wichtigsten Lehrer waren Friedrich August Wolf (1759 – 1824), August Boeckh (1785 – 1867) sowie Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780 – 1849), von denen er vor allem die philologische (Wort-)Kritik einerseits und die historisch-philologische Kritik (‚höhere Kritik‘) andererseits erlernte und sich darin die von der Altertumswissenschaft geforderte Emanzipation von der Theologie zugunsten einer kritischen Philologie zu eigen machte. 1821 promovierte er an der Universität Halle zum Dr. phil. (doctor philosophiae) mit einer Arbeit zu dem spanisch-jüdischen Dichter Schem Tov ben Josef ibn Falaquera (1225 – ca. 1295; De Schemtob Palkira. dissertatio inauguralis historico-critica, quam consentiente amplissiomo philosophorum ordine in Academia Fridericiana Halensi […] MDCCCXX [1820]). Immanuel Wolf (1799 – 1847) hatte die Freischule in Seesen besucht (vgl. oben Kap. 8.1.b.) und studierte ebenfalls in Berlin. Auch er erlangte den Doktorgrad (Dr. phil.), allerdings in Kiel. Für beide, Zunz und Wolf, war es selbstverständlich, dass die in ihrem Universitätsstudium gewonnenen Erkenntnisse auch für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Judentum und seinen Schriften zu gelten habe (Veltri 1999). Der Begriff einer Wissenschaft des Judentums kam 1819 auf, als sich aus einem von Zunz, Wolf und anderen bestehenden Intel-

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    287

lektuellenkreis der Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden formierte. In der 1819 gegründeten Zeitschrift für die Wissenschaft des Judenthums veröffentlichte Wolf 1822 eine Grundsatzerklärung mit dem Titel Ueber den Begriff einer Wissenschaft des Judenthums, in dem er forderte, dass „das Judenthum (…) an und für sich der wissenschaftlichen Behandlung fähig und bedürftig“ sei (Wolf 1822, 16). Die Wissenschaft des Judentums müsse „ihr Objekt an und für sich, um seiner selbst willen, nicht zu einem besonderen Zweck, aber aus einer bestimmten Absicht“ heraus behandeln (Wolf 1822, 18). Jüdische Kultur und Literatur müssten in ihrer Gesamtheit zum Gegenstand der Forschung gemacht werden. Es gelte, die Erforschung des Judentums ohne Rücksicht auf dogmatische oder religionsgesetzliche Prämissen durchzuführen. Für Zunz und seinen Kreis musste eine Wissenschaft des Judentums einem doppelten Anspruch genügen: der Reform des Judentums nach innen und seiner Emanzipation nach außen. Ersteres sollte vor allem Auswirkungen auf den jüdischen Gottesdienst und das Verständnis des Religionsgesetzes (Halakha*) haben. Das Judentum sollte in der europäischen Kultur aufgehen. Der Zunz-Kreis formulierte darin eine explizite Unterscheidung in religiös-theologische und wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Judentum und seinen Schriften. Der rabbinische Zugang galt Zunz als „verwünschte Klopffechterei“ und als Pilpul der „gemeinen Talmudquäler“ (Zunz 1818, 29). Die protestantische Bibelwissenschaft des 19. Jahrhunderts, die Die zeitgenössi­ durch Wissenschaftler wie Wilhelm Martin Leberecht de Wette sche Altertums­ (1780 – 1849; vgl. oben Kap. 8.1.c.), Eduard Reuß (1804 – 91), wissenschaft Karl Heinrich Graf (1815 – 69), Abraham Kuenen (1828 – 91) und vor allem Julius Wellhausen (1844 – 1918) geprägt wurde, sollte neben der beginnenden Altertumswissenschaft den größten Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaft des Judentums haben. Tatsächlich wurden mit Leopold Zunz und seinem Berliner Lehrer Friedrich August Wolf „drei Disziplinen, die Bibelwissenschaft, die Altertumswissenschaft und die Wissenschaft des Judentums, in einen inneren philologischen Zusammenhang gebracht“ (Veltri 1999, 32). 1783 hatte Friedrich August Wolf in Halle die Altertumswissenschaft als ein eigenes Fach, unabhängig von der Theologie, etabliert (Veltri 1999). Wolf suchte den studiosus philologiae anstelle des studiosus theologiae heranzubilden. Dabei konnten seine literar-historischen Homerstudien auf den Arbeiten der Bibelforscher ebenso aufbauen, wie diese sich umgekehrt auf Wolfs Homerforschung beriefen: Bereits 1763 erschien Michaelis’ In Roberti Lowths Prælectiones De Sacra Poesi Hebræorum Notæ Et Epimetra (vgl. auch

288    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums oben Kap. 8.1.c.), und Johann Gottfried Eichhorn publizierte seine Einleitung ins Alte Testament erstmals 1780. Wolfs Prolegomena ad Homerum erschienen 1795, Johann Gottfried Jacob Hermann publizierte 1832 De interpolationibus Homeri (Cassuto 1941). Bibel- wie Altertumswissenschaft formulierten dabei den Anspruch, die antike Welt historisch zu erforschen und mit ihren damaligen Maßstäben zu messen. Es galt, den Sinn eines Textes in seiner Entstehungssituation zu eruieren. Hinsichtlich der Erforschung der hebräisch-aramäischen Texttraditionen bedeutete dies vor allem die Aufhebung der Zusammengehörigkeit von biblischer Schrift und jüdischer Auslegungstradition und darin umgekehrt die uneingeschränkte Anwendung literaturkritischer und historischer Kategorien auf den biblischen Text. Die biblischen Schriften verbleiben im altorientalischen Kontext und bilden damit einen Teil der antiken Literaturen, die nun nicht mehr unbedingt auf das rabbinische Erbe verweisen. Entsprechend hatten bereits die Bibelwissenschaftler des 18. Jahrhunderts die rabbinische Exegese als inadäquat zurückgewiesen (vgl. oben Kap. 8.1.c.). Für die jüdischen Wissenschaftler wurde das Aufgehen der Schriftauslegung in einer allgemeinen religionsgeschichtlichen Darstellung zum Problem, war doch die bisherige Auslegung, die die ‚Heiligkeit‘ der Schrift durch die jüdische Auslegungstradition erst konstituierte, ein Teil des geoffenbarten Erbes, das ihnen nun verlorenging (Liss 2004). b.  Die Gründung der Rabbinerseminare Die Forderung nach universitärer Einbindung

Bereits 1832 forderte Zunz nicht nur das Recht der Juden auf deutsche Staatsbürgerschaft, sondern gleichzeitig die institutionelle Förderung der Wissenschaft des Judentums und damit die Etablierung von entsprechenden Lehrstühlen an deutschen Universitäten. Die Forderung nach einer an der Universität beheimateten Judaistik wurde aber von universitärer Seite stets abschlägig beschieden. Vor allem die protestantischen Theologen protestierten scharf gegen eine von der Theologie unabhängige Erforschung der jüdischen Geschichte und Literatur. 1848 beantragte Zunz an der Berliner Universität einen Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Literatur. Er wollte, dass man auch den Juden eine unbedingte Teilhabe am akademischen Studium der eigenen Literatur, Kultur und Geschichte gewährte, aber die Berliner Philosophische Fakultät lehnte mit der Begründung ab, dass man auch sonst keine Professuren für spezielle Lehrfächer einrichte und die Ausbildung von Rabbinern den Seminaren vorbehalten bleiben solle. Das Staatskirchentum galt eben nur für die beiden großen christlichen Konfessionen, weshalb auch in den protestantischen Staaten des Deutschen Bundes

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    289

Katholisch-Theologische Fakultäten eingerichtet wurden (Tübingen 1817; Bonn 1818; zum Ganzen Reinhardt 1977). So sollte es tatsächlich nochmals fast 120 Jahre dauern, bis 1966 erstmals (und als ‚Wiedergutmachung‘ für den Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen) ein Lehrstuhl für Judaistik an einer deutschen Universität (Freie Universität Berlin) eingerichtet wurde (Liss 2010; Brenner / Rohrbacher 2000). Zunz’ Forderung nach universitärer Ausbildung in den wichtigsten Disziplinen der Judaistik entsprach einem ähnlichen Anliegen, wie es noch heute die protestantische Theologie vertritt, die neben den praktisch-theologischen Seminaren stets auch auf die universitäre Ausbildung gesetzt hatte und diesen Anspruch auch bis heute heftig verteidigt. Es ging auch Zunz natürlich nicht nur um die Pflege der Wissenschaft, sondern auch um die Ausbildung professioneller Kultusbediensteter wie Rabbiner und Lehrer. Der Streit um den von Zunz geforderten Lehrstuhl für Jüdische Rabbinerausbil­ Geschichte und Literatur gehört in die Geschichte der vorhandenen dung im protestantischen / katholischen (mittlerweile auch islamischen) und 19. Jahrhundert der nicht vorhandenen jüdisch-theologischen Fakultäten an deutschen Universitäten (die Jüdische Theologie in Potsdam bildet keine eigene Fakultät; vgl. unten Kap. 10.3.), denn die klassische Rabbinatsausbildung setzte (und setzt bis heute) kein ‚Theologie-Studium‘ voraus. In Osteuropa konzentrierte man sich ohnehin fast ausschließlich auf den Talmud* (Wilke 2003); in Westeuropa suchten die Rabbinatskandidaten durchaus den Anschluss an Kultur und Bildungsanspruch des deutschen Bürgertums, aber die Ausbildung war noch nicht standardisiert. Die ersten Pläne für ein (orthodoxes) Rabbinerseminar mit öffentlich anerkannter Ausbildung reichen bereits ins 18. Jahrhundert zurück, aber erst 1829 wurde ein Rabbinerseminar mit wissenschaftlichem Ausbildungszweig gegründet, und zwar in Padua (Eliav 1992). Die Folge war, dass viele angehende Rabbiner freiwillig eine akademische und kritische Ausbildung an den Universitäten absolvierten, diese jedoch gerade nicht die hebräischen und aramäischen Quellen wie die Bibel und die beiden Talmudim umfasste. Man studierte Philosophie, semitische Sprachen, Orientalistik und / oder Altorientalistik. Die traditionelle Ausbildung, vor allem das Talmudstudium an einer Jeschiva*, blieb davon unberührt. Die Mendelssohn’sche ‚Offenbarungsreligion‘ blieb nach wie vor in der nicht-akademischen Nische, in der sie sich mit profaner Wissenschaftlichkeit nicht auseinandersetzen musste. Die ‚höhere Kritik‘, die die alten Quellentexte aus ihrem Verständnis als göttliche Offenbarungszeugnisse herauslösen würde, war bei den angehenden Rabbinern und Lehrern noch nicht angekommen.

290    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Es wird in Deutschland gerne vergessen, aber das erste moderne Rabbinerseminar, das Rabbiner mit einer Ausbildung auf Universitätsniveau hervorbrachte, war das 1829 auf Bestreben des österreichischen Kaisers Franz I. in Padua gegründete Collegio Rabbinico di Padova (offizieller Name Instituto Convitto Rabbinico). Einmal mehr zeigte sich hierin das Habsburgerreich als kulturvermittelnder Raum zwischen den italienischen Territorien über Wien und Prag bis hin nach Galizien und Krakau. In einem Hofdekret vom Januar 1820 mahnte Franz I. die bürgerliche Integration der Juden an, was aus seiner Sicht auch durch eine staatliche Prüfung des Wissensstandes – und hier vor allem Kenntnisse in der jüdischen Philosophie – der angehenden Rabbiner zu leisten sei. Die josephinische Vernetzung von Staat und Kirche und die damit verbundene Konvertibilität von staatlichen und sakralen Funktionen stellten die dafür notwendigen Voraussetzungen dar (Vielmetti 1992). Den Lehrplan für das Collegio Rabbinico erstellte Isaak Samuel Reggio (1784 – 1855). Neben den klassischen Fächern wie Hebräische Philologie, Bibel, Talmud und Codexliteratur (Ritualwissenschaft) sollten auch profane Fächer wie Geschichte (als ‚Storia nazionale‘), Französisch und Deutsch zu ihrem Recht kommen. Das ‚Theologische‘ des Collegio Rabbinico lag vor allem darin, dass auch Dogmatik, Homiletik, Pastoralwissenschaft unterrichtet wurden und sich das Collegio damit sowohl in der Fächereinteilung als auch im Lehrstoff einer katholisch-theologischen Fakultät annäherte (Miletto 2012; Vielmetti 1992). Die Rabbinatsstudenten mussten die Reifeprüfung vorweisen, da das Collegio eine staatlich anerkannte universitäre Ersatzleistung darstellte; die Dozenten erhielten den Professorenstatus. Da das Collegio faktisch nicht ‚von unten‘, d. h. durch die jüdischen Gemeinden selbst, gegründet worden war, fand es dort auch keinen hinreichenden Rückhalt, sodass das Haus bereits nach den ersten finanziellen Engpässen 1871 geschlossen wurde (zum Ganzen Miletto 2012), jedoch eine Fortsetzung 1887 als Collegio Rabbinico Italiano in Rom fand. Von 1899 an hatte das Collegio seinen Sitz in Florenz, wurde jedoch 1934 wieder nach Rom verlegt. Nach einer kurzen Phase in Turin (1951 – 55) kam es 1955 endgültig nach Rom zurück, wo bis heute Rabbiner ausgebildet werden. Das NiederländiAuch das Niederländische Israelitische Seminar kam auf Druck sche Israelitische der Regierung zustande, die die Talmud-Jeschivot abschaffen und Seminar die Absolventen zu einer breiter angelegten Bildung zwingen wollten. Das Seminar wurde bereits 1836 gegründet. Wie schon beim Collegio Rabbinico in Padua mussten auch die niederländischen Rabbinatskandidaten eine zum Abitur führende Ausbildung ab-

Das Collegio Rabbinico in Padua

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    291

solvieren, um anschließend judaistische wie profane Fächer auf Universitätsniveau studieren zu können. Ein typischer Vertreter der Rabbinergeneration des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts war Zacharias Frankel (Liss 2011b; ausführlich Brämer 2000a; 2000b). Frankel, der neben dem traditionellen Talmudstudium an der Universität Pest (Ungarn) Mathematik und Literatur studiert hatte und seit 1836 als Oberrabbiner in Dresden und Leipzig amtierte, kam 1854 nach Breslau und erhielt dort nicht nur ein Rabbinat, sondern auch den Posten des ersten Direktors des dortigen Jüdisch-Theologischen Seminars Fraenckel’sche Stiftung, das von Abraham Geiger maßgeblich vorangetrieben und 1854 als Stiftungsinstitution durch den Kommerzienrat und Philanthropen Jonas Fraenckel (st. 1846) initiiert worden war, der testamentarisch eine Ausbildungsstätte für Rabbiner und Lehrer verfügt hatte. Man erhoffte sich vom Jüdisch-Theologischen Seminar als dem ‚historisch-positiven Weg‘ verpflichtet (Wilke 2003; Brämer 2000b, bes. 318 – 355) einen Mittelweg zwischen Traditionstreue und Modernisierung: traditionelles jüdisches Lernen sollte mit universitärem Standard verbunden werden. Als wichtigste Aufgabe des Seminars galt es, bestehende Widersprüche zwischen jüdischer Theologie einerseits und allgemeiner Wissenschaft andererseits auszugleichen. Deshalb wurde auch ein vierjähriger gymnasialer Lehrplan ins Studium integriert, damit die Absolventen neben der Ausbildung am Seminar in den letzten drei Jahren ein universitäres Studium absolvieren konnten. So wurde also neben den grundlegenden hebräisch-aramäischen Quellen wie Bibel und Bibelauslegung, Mischna* und Talmud* auch hebräische Sprachwissenschaft und Grammatik sowie jüdische Geschichte unterrichtet. Daneben waren die griechisch-lateinischen Klassiker (Homer, Herodot, Platon, Vergil und Tacitus), antike Geschichte, deutsche und französische Literatur sowie Mathematik und Naturwissenschaften (Geometrie, Physik und Biologie) Teil des Unterrichtsprogramms. Am Ende, so Frankels Vision, sollte die Befähigung zum wissenschaftlichen Rabbiner, bestenfalls der ‚Rabbiner-Doktor‘, stehen. Alles in allem war das Seminar jedoch zu konservativ für die Reformkräfte, und so wurde es zwar faktisch zur ersten Ausbildungsstätte für Rabbiner mit akademischem Anspruch, die aber, fast wie eine Ironie der Geschichte, gerade jenen Vertretern die Teilnahme als Dozenten versagte, die eine solche Institution so mächtig angemahnt hatten: den Vertretern der Reform. Die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums wurde am 6. Mai 1872 in Berlin als unabhängige Lehranstalt zum Zwecke der Erhaltung, Fortbildung und Verbreitung der Wissenschaft des Judentums eröffnet (zwischen 1883 und 1920 und ab 1933 bis

Das Jüdisch-Theologische Seminar

Die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums

292    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums zu seiner Auflösung führte das Haus den Namen Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums). Die Hochschule sollte Studierenden aller Fakultäten und Bekenntnisse offen stehen, die sich in der Wissenschaft des Judentums aus- oder weiterbilden wollten. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehörten Abraham Geiger, Ludwig Philippson und Salomon Neumann. Obwohl ursprünglich als akademische Erweiterung des universitären Programms gedacht, das die Wissenschaft des Judentums bewusst ausschloss, wandelte sich die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums sukzessive zu einem liberalen Rabbinerseminar, denn allein wissenschaftliche Kompetenz in den Jüdischen Studien konnte hinsichtlich einer universitären Laufbahn nicht weiter ausgebaut werden (H. A. Strauss 1992). Anders als das Jüdisch-Theologische Seminar in Breslau und das Orthodoxe Rabbinerseminar in Berlin wurde die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums erst 1942 geschlossen. Möglicherweise spielte hierbei eine Rolle, dass die Hochschule zu verschiedenen Auswanderungsprogrammen beitrug. Nach Herbert A. Strauss ging es wohl auch darum, „jene gespenstische Politik der Scheinnormalität zu verfolgen“ (H. A. Strauss 1992, 40), die wohl so manchen Vertreter der jüdischen Öffentlichkeit wie beispielsweise Leo Baeck, den Vorsitzenden des Allgemeinen Rabbinerverbandes in Deutschland, der gleichzeitig auch Präsident der Reichsvertretung der Deutschen Juden (ab 1935 Reichsvertretung der Juden in Deutschland) und vor allem auch der letzte Rektor der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums war, zu der falschen Hoffnung verleitete, man könne das Dritte Reich in der intellektuellen Nische irgendwie ‚überwintern‘. Das Dozentenverzeichnis liest sich gerade in der ersten Zeit nach 1933 wie das ‚Who’s Who‘ der Jüdischen Studien: Leo Baeck, Harry Torczyner (Naftali Herz Tur-Sinai), Ismar Elbogen, Eugen Täubler und Chanoch Albeck lassen erkennen, wie hoch das akademische Niveau auch noch in den letzten Jahren an der Hochschule war. Das Orthodoxe Bereits das Breslauer Seminar war den gesetzestreuen Vertretern Rabbinerseminar des Judentums von Anfang an ein Dorn im Auge. Man lehnte es ab, denn eine vornehmlich dem wissenschaftlichen Anspruch verpflichtete Erforschung der autoritativen Texte kam für die orthodoxe Richtung nicht in Frage. Kurze Zeit nach der Gründung der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums öffnete daher am 22. Oktober 1873 das Orthodoxe Rabbinerseminar in Berlin seine Pforten. Seine Gründung ist ohne das unermüdliche Wirken von Esriel Hildesheimer (1820 – 99) nicht zu denken, der in seiner Lehre des Tora im Derekh Eretz (d. h. traditionelle Lehre in Verbindung mit weltlicher Bildung) die Türen für die Kombination von Tora und Wissenschaft aufzustoßen suchte. Der Gründung des Seminars

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    293

ging die Einrichtung einer Rabbinats-Schule in Eisenstadt voraus, in der Hildesheimer von 1851 – 69 als Lehrer wirkte und die sowohl von den Gesetzestreuen als auch von den Reformorientierten bekämpft wurde (Eliav 1992). Nach mehrjähriger Tätigkeit am Bet Midrasch* in Berlin (seit 1869) entschied sich Hildesheimer, ein neues Institut zu gründen. Die Öffnung des Seminars in Berlin war sicher ein entscheidender Impuls für die erneuten Konflikte unter den Vertretern der sich in dieser Zeit formierenden sog. ‚Neo-Orthodoxie‘. Die auch von der traditionstreuen Seite angestrebte Integration in die bürgerliche Gesellschaft zeigte sich bei Esriel Hildesheimer, Abraham Berliner und David Hoffmann gerade auch in ihrem Anspruch des Anschlusses an die nicht-jüdische Wissenschaft, den sie mit allen Vertretern der Wissenschaft des Judentums gemein hatten. Wissenschaft des Judentums (Genitivus objectivus und subjectivus) sollte nicht den reformorientierten Kräften vorbehalten sein, und so bemühten sich auch die Traditionstreuen mittels der Analyse und Aufarbeitung des literarischen und kulturellen Erbes des Judentums, ihren eigenen religiösen Standpunkt, aber auch ihre Praxis zu stärken und damit die wissenschaftliche Arbeit zum Mittel für die eigene Selbstfindung nach innen wie nach außen werden zu lassen. In diesem Sinne sprach sich auch Esriel Hildesheimer in seiner Eröffnungsrede gegen ein Judentum aus, das vor allem (oder gar ausschließlich) auf philosophischen oder theologischen Lehrsätzen beruhe und die Praxis vernachlässige. Das Orthodoxe Rabbinerseminar sollte dem biblischen Motto des ‚Tuns und Hörens‘ Ex 24,7 (na‘ase we-nischma) unterworfen sein: Kein jüdisches Lernen ohne jüdisches Tun; gleichzeitig sollten die Schüler zu ‚Bürgern in der Gelehrtenrepublik‘ erzogen werden. Das Hebrew Union College – Jewish Institute of Religion wurde Das Hebrew Union 1875 gegründet und ist das älteste Rabbinerseminar Amerikas. College – Jewish Sein Ziel war es, „general rabbinical instruction (…) for the Jewish Institute of Religion ministry“ (Chyet / Meyer 2007, 239) zu bieten und dabei gleichzeitig das Judentum an den (amerikanischen) Zeitgeist anzupassen („educate American rabbis for the American pulpit“ [ebd.]). Der neue spirituelle Geist, in dem sich die Wissenschaft des Judentums hier präsentierte, zeigt sich auch in der 1885 verabschiedeten Pittsburgh Platform 1885: The Pioneering Statement of Classical Reform Judaism in America, in der nicht nur allgemein religiöse Toleranz gegenüber anderen Religionen und religiöser Pluralismus befürwortet, sondern ganz explizit die mosaische Gesetzgebung auf die moralisch-ethischen Grundsätze beschränkt, in ihren biblisch-rabbinischen Einzelverordnungen wie Speisevorschriften,

294    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Reinheitsgesetzen u. a. als nicht mehr zeitgemäß abgeschafft wurde (Chyet / Meyer 2007; Meyer 1992a). Die Budapester Auch das Rabbinerseminar in Budapest (Landes-RabbinerschuLandes- le Budapest) entspringt dem Bemühen, akademische judaistische Rabbinerschule Bildung und die Ausbildung der Rabbiner zusammenzuführen (zur Vorgeschichte ausführlich Thulin 2012). Gegründet 1877, hatte man sich inhaltlich das Jüdisch-Theologische Seminar Fraenckel’scher Stiftung in Breslau zum Vorbild genommen. Das Seminar war allerdings eine von den Habsburgern staatlich geförderte und anerkannte Lehranstalt, eine „jüdische Regierungsschule“ (Zitat nach Thulin 2012, 161), der sogar der Kaiser selbst, Franz Joseph I. (1830 – 1916) einen Anerkennungsbesuch abstattete. Die angehenden Rabbiner hatten zunächst einen Ausbildungsgang von 5 Jahren bis zum Abitur zurückzulegen, in dem judaistische und profane Fächer zu gleichen Teilen absolviert werden mussten. Hier wurden neben dem Hebräischen auch grundlegende Sprachkenntnisse des Aramäischen und Griechischen vermittelt. Daran schloss sich die eigentliche fünfjährige Rabbinerausbildung an. Der Kandidat hatte dabei sowohl am Seminar als auch an der Universität Kurse zu belegen, die ihn erst nach Erlangung des Dr. phil. auch zur Rabbinatsprüfung zuließen. Im Rabbinatsstudium wurde in der biblischen Exegese auch die Einleitungswissenschaft als selbstverständliches Teilgebiet gelehrt. Einen großen Teil nahm das Studium des Talmud und der Codex-Literatur ein. Der seit 1887 in Bibel, Talmud und Hebräisch-Aramäischer Sprachlehre unterrichtende Ludwig Blau (1861 – 1936; dazu Löwinger 1986), der dem Seminar von 1914 bis 1932 als Direktor vorstand, ist heute vor allem durch seine Arbeiten zum althebräischen Buchwesen und zur talmudischen Realienkunde bekannt. Der Name Wilhelm Bachers (1850 – 1913; dazu Patai 1986), der ebenfalls v. a. Bibel, Midrasch*, Hebräische Sprachwissenschaft und hebräische Dichtung unterrichtete, ist untrennbar mit Grundlagenwerken zum rabbinischen Judentum sowie zur hebräischen Grammatik verbunden. Beide, Blau und Bacher, waren auch als potentielle Lehrstuhlinhaber für das Fach ‚Altes Testament‘ für die von Martin Rade 1912 / 13 angeregte, aber nie zustande gekommene Jüdisch-Theologische Fakultät an der Universität Frankfurt ins Gespräch gebracht worden (Wiese 1999, 335 – 355). Daneben spielte auch hier die jüdische Religionsphilosophie, vertreten u. a. durch David Kaufmann (1852 – 99) und Ignaz Goldziher (1850 – 1921) eine wichtige Rolle. Goldziher vertrat gleichzeitig auch die Orientalistik am Seminar (Fraisse 2014). Auch David Kaufmann stellte eine europäische Rabbiner- und Gelehrtenpersönlichkeit dar (Thulin 2012): Ausgebildet am Jüdisch-Theologischen Seminar sowie der

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    295

Universität in Breslau hatte er sich 1875 in Leipzig habilitiert und erlangte 1877 die Ordination zum Rabbiner. Am Rabbinerseminar in Budapest unterrichtete er Geschichte, Religionsphilosophie und Homiletik. Er war es, der die Bibliothek des Collegio Rabbinico von Padua nach Budapest brachte. Das Jewish Theological Seminary (JTS) wurde 1887 in New York gegründet und stellt in gewisser Weise eine Fortsetzung und ‚amerikanische Dependance‘ des Jüdisch-Theologischen Seminars in Breslau dar. Gleichzeitig ist es auch als Reaktion auf die zu radikal erscheinende Reformorientierung des 1875 gegründeten Hebrew Union College zu werten, denn dieses hatte sich in Aufnahme der 1885 veröffentlichten Pittsburgh Platform 1885: The Pioneering Statement of Classical Reform Judaism in America ganz explizit einer neuen Form der jüdischen Spiritualität und Religionsausübung unter weitgehender Absehung von religiöser Observanz verschrieben. Das JTS formulierte als seinen Auftrag „to preserve the knowledge and practice of historical Judaism“ und verstand sich dabei ausdrücklich als höhere Bildungsinstitution, die mit der Ausbildung ihrer künftigen Studierenden, die aus dem ‚alten Europa‘ in die USA immigrierten, gleichzeitig auch einen neuen Typus jüdischer Wissenschaftler und Rabbiner (Frauen wurden erst seit 1985 ordiniert) im neuen Land zu gestalten suchte (Panitz 2007). Das akademische Programm war deutlich an das des Breslauer Seminars angelehnt; gegen eine allzu radikale Reform suchte man am JTS eine amerikanisch-aufgeklärte Wissenschaft des Judentums zu etablieren, die aber gleichzeitig der traditionellen jüdischen Lehre und dem von der Halakha* geprägten jüdischen Leben einen großen Stellenwert einräumen wollte. Dass sich später daraus faktisch eine eigene Denomination herausbildete, die Bewegung des sog. Conservative Judaism, war anfangs weder geplant noch aktiv angestrebt (Panitz 2007). Der Gründung der Israelitisch-Theologische[n] Lehranstalt in Wien ging zunächst die Einrichtung des Bet Midrasch* 1863 voraus, die vor allem von Adolph Jellinek (1821 – 93) maßgeblich mit vorangetrieben wurde (zum Ganzen Landesmann 1997, bes. 35 – 263). Obwohl er selbst ein liberaler Rabbiner war, suchte er auch die Orthodoxie soweit wie möglich mit ins Boot zu holen, mit allerdings eher mäßigem Erfolg, wie sich überhaupt zeigte, dass es (auch schon damals) schwierig war, die breitere jüdische Öffentlichkeit zum jüdischen Lernen oder für (populär-)wissenschaftliche Vorträge zu begeistern. Das Rabbinerseminar wurde erst dreißig Jahre später, 1893, als Israelitisch-Theologische Lehranstalt gegründet (Landesmann 1997, 168).

Das Jewish Theological Seminary

Die Israelitisch-­ Theologische Lehranstalt

296    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums c.  Bibelübersetzungen zwischen Reform und Orthodoxie An den Bibelübersetzungen machte sich in Deutschland die Kluft zwischen beginnendem Reformjudentum und (Neo-)Orthodoxie besonders bemerkbar, denn die Diskussionen um die deutschen Bibeln / Pentateuchausgaben waren untrennbar mit der Frage der Autorität der mündlichen Tora verbunden. Gelehrte, Rabbiner und Lehrer mussten sich der Tatsache stellen, dass die Hebräischkenntnisse der Mehrzahl der Juden und Jüdinnen in Deutschland dürftig und das Hebräische insgesamt marginalisiert war. Viele jüdische Kinder gingen ohnehin in nicht-jüdische Schulen. Der jüdische Religionsunterricht wiederum sah sich vor das Problem gestellt, dass es kaum jüdische Bibeln (Hebräisch und / oder Deutsch-Hebräisch) gab, die man im Unterricht für einen größeren Personenkreis hätte verwenden können. Schon bald wurde deutlich, dass die älteren deutschen und oftmals interlinearen Bibelübersetzungen den Ansprüchen der gebildeten Juden nicht mehr genügten. Die Mendelssohn’sche Ausgabe wiederum (vgl. oben Kap. 8.2.a.) war nicht nur für die Schulen nicht geeignet, sondern sie wurde von Teilen der Orthodoxie ebenso scharf attackiert wie sie gleichzeitig dem Anspruch einer modernen und kritisch kommentierten Bibelausgabe (noch) nicht entsprach (Herrmann 2015). So wurden entweder Lutherbibeln oder christliche Missionsausgaben verwendet, ein Missstand, den Philippson bereits 1859 vehement angeprangert hatte. Das Judentum in Deutschland hatte die rabbinische Tradition (als mündliche Tradition) in gewisser Weise bereits verloren, die biblische (d. h. die schriftliche Tradition) aber an das Christentum abgegeben: „Die Krise der Überlieferung äußerte sich als Krise des Übersetzens“ (Schatz 1995, 83). Jüdisch-deutsche Aus diesem Grund brachte bereits 1823 der erste Lehrer an der IsBibeln im raelitischen Schul- und Schullehrerbildungs-Anstalt zu Kassel, Moses Schulunterricht Israel ben Isaak Mordechai Büdinger (1784 – 1841), eine annotierte (Teil-)Bibelausgabe auf der Basis verschiedener Übersetzungen, vor allem der Mendelssohn’schen, heraus (Der Weg des Glaubens, oder: Die kleine Bibel, enthaltend einen vollständigen Auszug aus den Büchern der heiligen Schrift). Die Kenntnis der Bibel und ein in dieser Hinsicht einschlägiger Religionsunterricht galten ihm als wichtiges Instrument, den Menschen für „die Menschheit [zu] veredlen, ihn für den Staat, für das Vaterland [zu] erziehen“ (Büdinger 1831, 5). Aus diesem Anspruch, ein Bibel-Unterrichtswerk vorzulegen, erwuchs in den nachfolgenden Jahren bis Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem auf Seiten der maskilischen und reformorientierten Intellektuellen das Bedürfnis, Übersetzungen ins Deutsche zu erarbeiten, die nicht nur die christliche Bibel (v. a. die Lutherbibel) aus theologischen Gründen ablösen, sondern auch eine jüdische Bibel schaffen sollten, Die Krise der Überlieferung

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    297

die den ästhetischen, religionsspezifischen und / oder wissenschaftlichen Ansprüchen der Judenheit in Deutschland genügen konnte. Nicht ohne Grund erschienen zwischen 1824 und 1839 die (Teil-) Bibelausgaben von Schalom ben Jakob Cohen, Josef Johlson, Gotthold Salomon, Leopold Zunz, Salomon Herxheimer und Ludwig Philippson (vgl. ausführlich die nachfolgende Tabelle S. 300–302), die alle aus den Kreisen der Maskilim* und / oder der beginnenden jüdischen Reform stammten, und mindestens kurze Annotationen, in der Philippson- und Herxheimer-Ausgabe sogar elaborierte Kommentare (alle auf Deutsch) enthielten. Insbesondere die Johlson-Übersetzung wurde von Abraham Geiger zunächst enthusiastisch begrüßt, denn er sah in ihr ein Bollwerk gegen die „christliche[n] Dogmen“, die seine Zeitgenossen „zu Täuschungen“ verleiteten (Geiger 1835c, 444). Herxheimers Kommentar wiederum integrierte in Übersetzung und Kommentar in bunter Einmütigkeit neben der Septuaginta* und Josephus u. a. auch die Midraschim*, Raschi, Raschbam, ibn Ezra und Abravanel ebenso wie Herder, Michaelis, de Wette, Gesenius, Ewald und Heidenheim. Herxheimers Bibel, die er sowohl für jüdische als auch für christliche Leserinnen und Leser konzipiert hatte, wurde denn auch tatsächlich vom Konsistorium des Herzogtums Anhalt-Bernburg für die christlichen Gemeinden empfohlen und verwendet (Herrmann 2015). Demgegenüber suchte Ludwig Philippson mit seiner Übersetzung die Lutherbibel aus sprachlich-ästhetischen Gründen durch eine eigene zu ersetzen (Philippson 1859). Die Kommentare sollten darüber hinaus ausschließlich „antiquarischen, topographischen und naturhistorischen Zwecken dienen“ (Philippson 1878, 770; zum Ganzen Herrmann 2015). Man kann sich daher leicht vorstellen, dass alle diese Bibelübersetzungen von den orthodoxen Religionsvertretern ausgesprochen misstrauisch beäugt wurden: Sie bemängelten, dass man in einer Übersetzung lediglich die ‚schriftliche Tora‘, nicht aber die sog. ‚mündliche Tora‘* mit abbilden könne; überdies war bekannt, dass die Kommentare teilweise auf Ergebnisse der christlichen Bibelforschung und Archäologie zurückgegriffen hatten. An Philippsons Bibelübersetzung (einschließlich ihrer Abbildungen) bemängelte man neben der rabbinischen Traditionsferne sein modernes Frauenbild, das entsprechend der aufgeklärten Pädagogik Jungen und Mädchen gleichermaßen in den religiösen Grundlagen unterwiesen sehen wollte (Herrmann 2015). Der Kampf um die Übersetzung sollte sich zunehmend zu einem Lagerwettstreit zwischen Orthodoxie / Neo-Orthodoxie und Reform entwickeln, denn die Orthodoxie befürchtete, dass eine Übersetzung ins Deutsche die ohnehin

Bibelübersetzun­ gen aus jüdischen Reformkreisen

Josef Johlson

Salomon Herxheimer

Ludwig Philippson

Orthodoxe Kritik an den Reformbibeln

298    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Bibelüber­ setzungen der Orthodoxie

Bibelüber­ setzungen im 20. Jahrhundert

Die Bibel von Naf­ tali Herz Tur-Sinai

im Religionsgesetz nicht mehr sattelfeste Mehrheit der Juden und Jüdinnen noch zusätzlich von der religionsgesetzlichen Observanz entfernen würde. Insbesondere im Pentateuch finden sich nicht wenige Passagen, deren biblischer Wortsinn (Peschat*) mit der traditionellen Halakha* nicht eindeutig übereinstimmt, manchmal dieser sogar deutlich zuwiderläuft. Was also sollte übersetzt werden? Obwohl daher die Erarbeitung einer aus der Sicht der Orthodoxie benutzbaren Bibel- oder Pentateuchausgabe lange umstritten war, waren es die Fakten, d. h. die bereits vorliegenden Übersetzungen aus den Kreisen der Reform, die die orthodoxen Vertreter zum Einlenken brachten. War die Übersetzung in der 2. Auflage von Tzvi Meklenburgs ha-Ketav we-ha-Qabbala (1853; vgl. unten Kap. 9.2.a.) noch in hebräischen Lettern gesetzt, so erschien 1863 der erste Band der Ausgabe von Julius Dessauer, der nicht nur eine Übersetzung des Bibeltextes enthielt, sondern darüber hinaus einen ins Deutsche übersetzten Raschi-Kommentar. 1867 erschien der erste Band der kommentierten Übersetzung von Samson Raphael Hirsch, der mit dieser Ausgabe eine ganz eigene und nicht für alle Kreise der Orthodoxie gleichermaßen akzeptable Pentateuch-Übersetzung vorlegte. Tatsächlich konnte erst 1873 eine Pentateuchausgabe der Orthodox-Israelitischen Bibelanstalt erscheinen. Die von Seligmann B. Bamberger, Abraham Adler und Markus Lehmann besorgte Ausgabe suchte eine traditionelle Übersetzung zu erstellen. Man wollte eine Übersetzung, die „Nichts gegen die Tradition enthalten“ sollte (Hirsch 1860, 142; vgl. unten Kap. 9.3.e.). Kurze Annotationen und Kommentare zum deutschen Text sollten ihn dort ergänzen, wo der biblische Wortlaut die Halakha nicht widerspiegelt oder ihr sogar entgegensteht (vgl. z. B. in dieser Ausgabe die Kommentierung zu Ex 13,6). 1899 publizierten Josef Wohlgemuth und Isidor Bleichrode eine ebenfalls für die Orthodoxie zu verwendende Pentateuch-Übersetzung. Auch Wohlgemuth, der am Orthodoxen Rabbinerseminar in Berlin unterrichtete (vgl. Kap. 9.1.b.), verfolgte dabei bereits einen wissenschaftlichen Anspruch, aber er wollte neben einer philologisch zuverlässigen auch eine leicht lesbare und traditionelle Übersetzung für den Synagogengebrauch bieten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts weicht die Gegenüberstellung von Orthodoxie und Reform einer über diese Kategorien hinausgehenden erweiterten theologisch-philologischen Haltung gegenüber der Bibel. Die Sache als solche bedurfte keiner Rechtfertigung mehr, und die jüdischen Wissenschaftler nahmen selbstverständlich am zeitgenössischen Wissenschaftsdiskurs teil, wenngleich sie sich ihm gegenüber jeweils eigens positionierten. 1935 – 37 erschien als Gemeinschaftswerk die von mehreren jüdischen Bibelwissenschaftlern (Erich Auerbach, Max Dienemann,

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    299

Benno Jacob, Max Wiener u. a.) verfasste und durch Naftali Herz Tur-Sinai (ehemals Harry Torczyner) redigierte Bibelübersetzung, die bereits 1924 auf Anregung einer von Leo Baeck ins Leben gerufenen Bibelkommission der Jüdischen Gemeinde zu Berlin initiiert worden war. Die einzelnen Bücher wurden von vorwiegend liberalen Rabbinern der Berliner Gemeinde und einigen Fachgelehrten von außerhalb übersetzt und von Tur-Sinai vereinheitlichend redigiert. Tur-Sinai, der seit 1933 als Professor für hebräische Sprache an der Hebräischen Universität lehrte, nahm darüber hinaus 1954 noch einmal eine grundlegende Überarbeitung vor. Die bis heute bekannteste und gleichzeitig auch die umstrittenste der deutschen Bibelübersetzungen ist wohl diejenige von Martin Buber und Franz Rosenzweig. Die von Buber und Rosenzweig begonnene Zusammenarbeit bei der Verdeutschung der Schrift, deren erster Band 1925 erschien, endete allerdings bereits 1929 mit Rosenzweigs Tod. Das Übersetzungswerk wurde von Buber, der 1938 nach Palästina übersiedelte, weitergeführt, bis 1961 nach vielfacher Revision der letzte Band erscheinen konnte. Die berühmte Rede Gershom Scholems zu dieser Übersetzung (Scholem 1963), die in dem bekannten Wort vom Gastgeschenk an die Deutschen, das als Grabmal endete, gipfelte (zum Ganzen Bodenheimer 2003), hob darüber hinaus noch einen gewichtigen Aspekt dieser ‚Verdeutschung‘ hervor, nämlich ihre artifizielle, maniriert-hebraisierende Sprache (Reichert 1993). Allerdings hat Scholem dies in deutlich positiveren Worten vermerkt: Die anregende Wirkung dieser Bibel liege in der Sprache, die „nicht die des deutschen Alltags, (…) auch nicht die der deutschen Literatur der zwanziger Jahre [war] (…) ein Deutsch, das als Möglichkeit, aus alten Tendenzen sich nährend, in dieser Sprache angelegt war“ (Scholem 1963, 214). Der von Buber ausführlich dargelegte und in der Verdeutschung systematisch angewandte ‚Leitwortstil‘ (Buber 1936) und die Ersetzung des Tetragramms* durch ein Personalpronomen in Versalien (Losch 2014; Liss 2003a; Reichert 1993) sind denn auch die hervorstechendsten Merkmale dieser Übersetzung und heben sie darin nicht nur von allen anderen ab, sondern machen sie gerade auch für nicht-hebräischsprachige Leser und Leserinnen ausgesprochen sperrig und schwierig zu lesen. Kritische Rezensionen kamen vor allem aus der jüdischen Welt (z. B. von Siegfried Kracauer 1926; dazu ausführlich Bodenheimer 2003). Dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) gilt die Buber / Rosenzweig-Bibel insbesondere in christlichen Kreisen als authentisches Zeugnis deutsch-jüdischer Übersetzungskultur.

Die Übersetzung durch Buber /  Rosenzweig

Der Nachhall der Buber-Rosen­ zweig-Bibel

300    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Tabelle: Übersicht über die wichtigsten deutsch-jüdischen Bibelübersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts Jahr

Übersetzer / Herausgeber, Titel

Umfang

Sonstiges

1824 – 27

Schalom ben Jakob Cohen (1772 – 1845), Die heilige Schrift. Mit möglichster Correctheit des hebräischen Textes. Nebst verbesserter deutscher Uebersetzung

Ganzbibel (Tanakh)

Hebräisch–­ Deutsch

1831 – 36

Josef Johlson (1777 – 1851), Die heiligen Schriften der Israeliten

Pentateuch (1831), Vordere Propheten (1836)

Deutsch (mit hebr. Überschriften); kurze Annotationen

1837

Gotthold Salomon (1784 – 1862), Deutsche Volks- und Schulbibel für Israeliten

Ganzbibel (Tanakh)

Deutsch (mit hebr. Überschriften); keine Annotationen

1838

Leopold Zunz (1794 – 1886), Heymann Arnheim (1796 – 1865), Julius Fürst (1805 – 73), Michael Sachs (1808 – 1873), Die vier und zwanzig Bücher der Schrift

Ganzbibel (Tanakh)

Deutsch (mit hebr. Überschriften); keine Annotationen

1840

Salomon Herxheimer (1801 – 84), Der Pentateuch : oder, die fünf Bücher Mose’s in correctem hebräischen Texte mit worttreuer Übersetzung, vollständiger Erklärung, und erbaulichen und homiletisch benutzbaren Andeutungen

Pentateuch

Hebräisch–­ Deutsch; elaborierter Kommentar

1841 – 54

Salomon Herxheimer (1801 – 84), Torah Neviʾim u-Khetuvim = Die vier und zwanzig Bücher der Bibel im ebräischen Texte mit worttreuer Übersetzung, fortlaufender Erklärung und homiletisch benutzbaren Andeutungen

Ganzbibel (Tanakh), Pentateuch mit Haftarot

Hebräisch–­ Deutsch; elaborierter Kommentar

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    301 Jahr

Übersetzer / Herausgeber, Titel

Umfang

Sonstiges

1839 – 54

Ludwig Philippson (1811 – 89), ‫מקרא תורה‬ ‫ נביאים כתובים‬Die Israelitische Bibel, enthaltend den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung, die allgemeine ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten

Ganzbibel (Tanakh)

Hebräisch–­ Deutsch; elaborierter Kommentar

1853

Julius-Jona Cossmann (1816 – 55)

Pentateuch (in der 2. Aufl. von ha-Ketav we ha Qabbala)

Deutsch in hebräischen Lettern

1863 – 68

Pentateuch, Julius Dessauer Haftaraot (1832 – 83), Der Pentateuch – Die Fünf Bücher Mosche mit worttreuer deutscher Uebersetzung. Nebst dem RaschiCommentare (hebr./dt.) punktiert, leichtfasslich übersetzt und mit vielen erklärenden Anmerkungen versehen

1867 – 78

Samson Raphael Hirsch (1808 – 88), Der Pentateuch, übersetzt und erläutert

Pentateuch

Hebräisch–­ Deutsch; elaborierter Kommentar

1882

Samson Raphael Hirsch (1808 – 88), Die Psalmen, übersetzt und erläutert

Psalmen

Hebräisch–­ Deutsch; elaborierter Kommentar

1873

Seligmann B. Bamberger (1807 – 78), Abraham Adler (1808 – 80), Markus Lehmann (1831 – 90), Orthodox-Israelitische Bibelanstalt, Übersetzung der fünf Bücher Moses

Pentateuch, Haftaraot, Megillot

Hebräisch–­ Deutsch (Übersetzung auf der Basis der Zunz-Bibel); kurze Annotationen

Hebräisch–­ Deutsch; Raschi-Kommentar Hebräisch–Deutsch

302    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Jahr

Übersetzer / Herausgeber, Titel

Umfang

Sonstiges

1886

Hillel Sondheimer (1840 – 99), Der Pentateuch für den Schulgebrauch

Pentateuch, Haftarot

Hebräisch–­ Deutsch (interlineare Teilübersetzung)

1899

Josef Wohlgemuth (1867 – 1942), Isidor Bleichrode (1867 – 1954), Pentateuch (hebr.) mit deutscher Übersetzung

Pentateuch, Haftaraot

Hebräisch–­ Deutsch

1902

Simon Bernfeld (1860 – 1940), Die Heilige Schrift. Nach dem masoretischen Text neu übersetzt und erklärt, nebst einer Einleitung

Ganzbibel (Tanakh)

Deutsch

1921 – 23

Lazarus Goldschmidt (1871 – 1950)

Pentateuch, Vordere Propheten

Deutsch

1925 – 61

Martin Buber (1878 – 1965), Franz Rosenzweig (1886 – 1929), Die Schrift

Ganzbibel (Tanakh)

Deutsch

1935 – 37

Harry Torczyner (Naftali Herz Tur-Sinai; 1886 – 1973), Die Heilige Schrift ins Deutsche übertragen

Ganzbibel (Tanakh)

überarb. Ausgabe 1954 Hebräisch – Deutsch

d.  Die Auseinandersetzung mit der christlichen PentateuchForschung Insbesondere in Deutschland sahen sich die jüdischen Gelehrten des 19. Jahrhunderts durch die christliche, vor allem protestantische Bibelauslegung herausgefordert. Sie reagierten aber jeweils unterschiedlich darauf. Nicht nur, dass sich das Judentum in Deutschland spätestens seit den 1840er Jahren neben der traditionellen (Alt-)Orthodoxie in einen reformorientierten Flügel und eine kleine Gruppe sog. ‚neo-orthodoxer‘ Gemeinden (Austrittsgemeinden) ausdifferenzierte; es war auch ein bedeutender Unterschied, ob man im deutschsprachigen Raum und für ein solches Publikum publizierte, oder ob man, wie die Vertreter der Haskala* und der osteuropäischen Orthodoxie, auf Hebräisch für ein ausschließlich jüdisches Publikum schrieb.

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    303

Gerade Vertreter der Orthodoxie im Habsburgerreich (Osteuropa; Italien) zeigten hier nicht nur ein ausgesprochen hohes intellektuelles und kritisches Niveau, sondern auch einen selbstsicheren Diskurs. Bereits Schemu’el David ben Hiskia Luzzatto ließ sich seine bibelkritischen Themen nicht von seinen christlichen Zeitgenossen vorgeben und etablierte sehr selbstbewusst eine andere, nicht minder ‚kritische‘ Bibelwissenschaft. Andere übersetzten später sogar Schriften der deutschen Alttestamentler ins Hebräische. So publizierte Avraham Schemu’el Hirschberg (1858 – 1943) Rudolph Kittels Die alttestamentliche Wissenschaft in ihren wichtigsten Ergebnissen (1910) als Ha-Chaqira be-Khitve ha-Qodesch al Pi Masqenoteha ha-Joter Chaschuvot (1911). Auch die von Menachem Soloveitchik und Schneur Zalman Rubaschow verfasste hebräischsprachige Geschichte der Bibelkritik (Toldot Biqqoret ha-Miqra, 1925) lässt erkennen, dass man auf den Spuren der Tradition ebenso wie auf den Spuren der Haskala wandelte, und man sich daher auch intensiv der ‚Bibelkritik‘ zuwandte: sachlich und erstaunlich unpolemisch, aber eben auch mit der gebotenen Distanz zur Sache. Dass gerade außerhalb Deutschlands die kritische Betrachtung der Bibel oftmals unproblematischer war, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass soziale und gesellschaftliche Konflikte, wie sie die deutschen Juden mit den deutschen Nicht-Juden auszufechten hatten, insbesondere dort, wo die Juden vom akademischen Leben ausgeschlossen blieben, keine Rolle spielten. Demgegenüber zeigt sich für das Judentum in Deutschland, dass sich die Bibelwissenschaft hier in weitaus stärkerer Resonanz (positiv wie negativ) entwickelte. Der reformorientierte Theologe Abraham Geiger ließ einen ausgesprochen positiven Zugang zur zeitgenössischen christlichen Bibelwissenschaft erkennen, indem er dafür plädierte, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Hebräischen Bibel anzunehmen und damit die Bibelauslegung als ein interkonfessionelles Feld zu betrachten. In diesem von Geiger und anderen liberal-jüdischen Forschern wie Kaufmann Kohler und später auch Max Dienemann formulierten Verständnis von Bibelwissenschaft als religionsunabhängiger und historisch-philologisch arbeitender Religions- und Textgeschichte zeigte sich ein vollkommener exegetischer Paradigmenwechsel, der dem Wissenschaftsbegriff der christlichen alttestamentlichen Forschung verpflichtet war. Anders war dies bei Samson Raphael Hirsch: Er lehnte die kritische Bibelwissenschaft rundweg ab, weil die Tora keine Literatur- oder Rechtssammlung gleich allen anderen (altorientalischen) Literaturen sei, der man sich religions-, kultur- oder literaturvergleichend nähern könne. Die in erster Linie literaturhistorisch orientierte Forschung, der es im Wesentlichen darum ging, die antike

Jüdische Bibel­ wissenschaft in Osteuropa

Jüdische Bibel­ wissenschaft in Deutschland

304    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Welt mit ihren damaligen Maßstäben zu messen, konnte schon deshalb unter den orthodoxen Forschern nicht verfangen, weil der Sinn eines Textes in seiner Entstehungssituation rekonstruiert, nicht aber seine Bedeutung für die eigene Zeit dargetan werden sollte. Die archäologische und literar-historische Forschung brach das bis dahin geltende zusammenhängende und kontinuierlich sich entwickelnde Gefüge von Schrift und Schriftauslegung auf; das biblische Schrifttum sollte mit einer außerhalb des bisherigen Traditionsstranges liegenden Verstehenskategorie und entsprechenden kritischen Methoden interpretiert werden. Das Ausscheren aus der Auslegungstradition im Bewußtsein eines zeitlichen Abstandes zwischen Antike und Jetztzeit ermöglichte es, externe Frage- und Problemstellungen auf das eigene, nunmehr aber antik gewordene heilige Schrifttum anzuwenden. Die scriptura sacra wurde zu einem Teil der antiken Literatur(en), für die Vertreter der traditionellen Orthodoxie ebenso wie für die Repräsentanten der Neo-Orthodoxie ein unhaltbarer Gedanke, auf den sich manche (wie Hirsch) erst gar nicht (offiziell) einließen und daher allenfalls implizite Polemik gegen die zeitgenössischen Bibelforschungen vorbrachten. Allerdings gab es auch hier nochmals Unterschiede zwischen der Berliner und der Frankfurter Austrittsgemeinde: So beschrieb Ze’ev Jawitz (1844 – 1924) die Berliner Separat-Gemeinde als eine (gelungene) Mélange der Heiligkeit Israels, der Tora-Gelehrsamkeit Litauens und der Pariser Kultur (Shapiro 1999, 76 – 109), die Frankfurter waren deutlich konservativer. Insbesondere die Pentateuch-Kritik geriet ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Fokus der jüdischen Wissenschaftler. Erstaunlich ist hier allerdings, dass man sich sowohl auf orthodoxer (David Hoffmann) wie auch auf liberaler Seite (Benno Jacob) einig in der Ablehnung war, wie es aber auch in allen Lagern etliche gab, die die Herausforderung annahmen (seitens der Orthodoxie Sigmund Jampel, Menachem Soloveitchik, Simon Bernfeld; auf liberaler Seite Kaufmann Kohler) und sich damit nicht nur auf das Thema, sondern in gewisser Weise auch auf bestimmte Methoden einlassen mussten (von der Krone 2012; haCohen 2010; Shavit / Eran 2007, 85 – 155). e.  Das Ende der Wissenschaft des Judentums in Europa und der Neubeginn in Israel und in Nordamerika Die Auflösung der Rabbinerseminare

Die berühmte von Mosche Schreiber ‚Chatam Sofer‘ (1762 – 1839) gegründete Jeschiva* in Pressburg wurde nach 1938 aufgelöst und 1950 von dem Urenkel des Chatam Sofer, Aqiva Sofer (1878 – 1959) in Jerusalem (Kirjat Mosche) wieder gegründet. Auch die Israeli-

9.1.  Voraussetzungen und Hintergründe    305

tisch-Theologische Lehranstalt Wien, das Breslauer Seminar sowie das Orthodoxe Rabbinerseminar Berlin mussten 1938 endgültig schließen. Bis zur Schließung hatte das Breslauer Seminar weit über 700 Schüler, von denen etwa 130 das Rabbinerdiplom erhielten und eine ganze Reihe auch heute noch als große Wissenschaftler angesehen ist (Wilhelm Bacher, Leo Baeck, Hermann Cohen, Ismar Elbogen oder Moritz Güdemann). Das Breslauer Seminar hat in gewisser Weise im Jewish Theological Seminary (seit 1886 New York; später auch an weiteren Standorten) eine bleibende Nachfolge-Institution gefunden (vgl. auch oben Kap. 9.1.b.). Der letzte Rektor des Orthodoxen Rabbinerseminars (von 1932 – 38) war Jechi’el Ja‘aqov Weinberg (1884 – 1966), der seine Doktorarbeit noch bei Paul Kahle an der Universität Gießen zur Peschitta geschrieben hatte (Shapiro 1999, 76 – 89; vgl. Kap. 9.2.r.). Eine Weiterführung des Orthodoxen Rabbinerseminars in Palästina, um die sich Hildesheimers Sohn Meïr (st. 1934) bereits in den dreißiger Jahren bemüht hatte, scheiterte seinerzeit am Widerstand sowohl reformorientierter als auch orthodoxer Kreise. Hildesheimers Enkel Erich Esriel (Meïrs Sohn), der später der Leiter der Stadtbibliothek in Tel Aviv wurde, konnte lediglich einen Teil der Bibliothek des Orthodoxen Rabbinerseminars nach Israel überführen und so vor der Vernichtung bewahren. 2009 – 71 Jahre nach der Schließung des Hildesheimer’schen Rabbinerseminars durch die Nationalsozialisten 1938 – wurde das Rabbinerseminar zu Berlin als dessen Nachfolge-Institution als Gemeinschaftsprojekt des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie der Ronald S. Lauder Foundation gegründet (www.rabbinerseminar.de). Allerdings ist hier kein wissenschaftliches Studium der jüdischen Quellen und Literaturen möglich; das Studium beschränkt sich auf das traditionelle Lernen von Talmud* und Halakha*, dem begleitend verschiedene berufsvorbereitende Kurse beigegeben werden. Die Verfolgung der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaftler durch Das Ende der Nazi-Deutschland hatte enorme Auswirkungen nicht nur auf das deutsch-jüdischen Privatleben der Einzelnen und ihrer Familien, sondern auch auf Bibelwissenschaft die (akademische) Entwicklung der jüdischen Bibelwissenschaft. So ist die wissenschaftliche Traditionskette und damit das Erbe der in Deutschland und den von Deutschland besetzten Gebieten lebenden Gelehrten, ob sie deutsch- oder hebräischsprachig waren, durch ihre Ermordung, aber auch durch die Auswanderung ins Ausland oder die Einwanderung nach Eretz Israel, zu großen Teilen abgerissen. Der Sprachenwechsel, wie man im Falle Benno Jacobs deutlich sehen kann, tat sein Übriges: Die deutsch-jüdische Bibelwissenschaft kam an ihr Ende. Dort, wo die Auswanderung in die USA und vor allem nach Eretz Israel möglich war, sah die

306    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Sache anders aus: Tur-Sinai bekam nun endlich eine universitäre Professur, und konnte seine Forschungen auf dem Gebiet der Bibel und der Semitistik in einem für ihn angemessenen Rahmen und mit bleibender Wirkung für die akademische Forschungslandschaft fortsetzen. Auch Yehezkel Kaufmann gelang der Neuanfang. Vor allem in (Eretz) Israel wurde auch so etwas wie eine ‚akademische Schulbildung‘ möglich.

9.2. Persönlichkeiten a.  Ja‘aqov Tzvi Meklenburg (1785 – 1865) Ja‘aqov Tzvi (Jakob Hirsch) Meklenburg gehört heute zu den in traditionellen Kreisen meistgelesenen hebräischsprachigen Bibelauslegern, der jedoch in Westeuropa kaum rezipiert wurde und wird, weil seine Schriften erst in jüngster Zeit (in Teilen) übersetzt wurden. Geboren in Inowrocław (Provinz Posen), genoss er eine traditionelle Ausbildung bei Secharja Mendel ben Tewele in Lissa und Akiba Eger in Posen. Obwohl er 1823 in Gniezno zum Rabbiner ordiniert wurde, verdiente er seinen Lebensunterhalt zunächst als Kaufmann. Als jedoch die Geschäfte schlechter gingen, nahm er 1830 ein Rabbinat in Königsberg an (nach Wilke 2004, 656, als ‚Vizerabbiner‘), das er bis zu seinem Tod 1865 innehatte. Gemeinsam mit Meïr Löw ben Jechi’el Michael Weisser (Malbim; vgl. unten Kap. 9.2.f.) und anderen unterzeichnete er 1844 den Aufruf gegen die reformorientierte Rabbiner-Konferenz in Braunschweig. Ha-Ketav Meklenburg verfasste mit Ha-Ketav we-ha-Qabbala (1839) we-ha-Qabbala einen Kommentar zum Pentateuch, in dem er nicht nur die Übereinstimmung zwischen der schriftlichen und der mündlichen Tora* nachzuweisen suchte, sondern die mündliche Tora als die eigentlich lebendige Tradition gegenüber dem ewigen schriftlichen, darin aber auch starren göttlichen Wort herausstellte. Als die zweite Auflage erschien (1853), wurde ihr eine deutsche Bibel-Übersetzung von Julius-Jona Cossmann (vgl. oben Kap. 9.1.c.) beigegeben, die den Kommentar zugrunde legte. Beide Kommentarausgaben sind aber nicht identisch; so sind beispielsweise Kommentierungen, die belegen, dass Meklenburg sowohl Griechisch als auch Latein und Arabisch konnte, in der zweiten Auflage herausgestrichen worden (dazu vor allem E. Breuer 1995). 1880 publizierte Abraham Berliner eine neue Ausgabe des Kommentars, in die er auch weitere handschriftliche Ergänzungen und Notizen aus dem Nachlass des Autors einarbeitete (Preschel 2007b). Biographie

9.2. Persönlichkeiten    307

Meklenburg hat in seinem Kommentar wichtige Aspekte aus dem Bibelkommentar des Elijah Ben Salomon Salman, dem sog. ‚Gaon von Wilna‘ (1720 – 1797) aufgenommen, sich darüber hinaus aber auch auf maskilische Gelehrte wie Naphtali Herz Wessely (vgl. oben Kap. 8.2.b.), Salomon Pappenheim (1740 – 1814), vor allem dessen Sefer Jeri‘ot Schelomo (Rödelheim 1831), oder Schemu’el David Luzzatto (Schadal; vgl. nachfolgend Kap. 9.2.b.) berufen, die vor allem dem Studium des Hebräischen einen hohen Rang einräumten und es darin vor allem für die Bibelauslegung zu nutzen suchten (zum Ganzen E. Breuer 1995). Mose habe die Kinder Israels nicht einfach die mündliche Tora* gelehrt, sondern vor allem die (rabbinischen) Auslegungsregeln (middot*), mit deren Hilfe die schriftliche Tora zum Leben erweckt werden könne (so auch nach ihm Netziv; vgl. unten Kap. 9.3.a.). Ähnlich wie Malbim in seiner Einführung Ajjelet ha-Schachar (‚Morgenröte‘), einer Zusammenstellung zur biblischen Sprache und Rhetorik, weist auch Meklenburg die Beherrschung der rhetorischen Regeln der biblischen Sprache als Grundlage für alle Auslegung im rabbinischen Sinne aus. Aus diesem Grund laufe eine isolierte Betrachtung der biblischen Texte ohne die rabbinische Auslegung wie auch umgekehrt an der Sache vorbei: beide seien nur gemeinsam zu studieren. Anhand des Verses Dtn 30,14 (Fürwahr, sehr nahe ist dir dies Wort … in deinem Herzen) legt er dar, dass der Ausdruck ‚in deinem Herzen‘ sich auf die mündliche Lehre beziehe, durch die erst die Gebote letztgültig verstanden und ausgeübt werden könnten. Meklenburg verfasste darüber hinaus einen Kommentar zum Siddur* (Ijjun Tefilla; 1846), der zusammen mit dem Gebetbuch des R. Ja‘aqov Lorbeerbaum von Lissa (Derekh Chajjim) gedruckt wurde (detaillierte Bibliographie in Wilke 2004, 656 – 657).

Hebraistik und Bibelauslegung

Schriften zur Liturgie

b.  Schemu’el David ben Hiskia Luzzatto (Schadal; 1800 – 1865) Unter den Vertretern der italienischen Wissenschaft des Judentums Biographie nimmt Schemu’el David Luzzatto (Schadal) im Habsburgerreich und darüber hinaus einen herausragenden Rang ein. Von der hebräischen Sprache und Grammatik über die Bibelwissenschaft, die hebräische Poesie, Liturgie und Philosophie: Es gibt kaum ein Gebiet der Wissenschaft des Judentums, an dem er nicht interessiert gewesen wäre und zu dem er nicht substantielle Beiträge geleistet hat. Geboren in Triest, erhielt er seine erste (und einzige) formelle Ausbildung in den jüdischen und nicht-jüdischen Wissenschaften, allen voran Talmud*, Tora und Hebräisch, auf der Talmud-Tora-Schule seiner Heimatstadt. Aus finanziellen Gründen musste er 1813 die Schule verlassen und nach dem Tod seiner Mutter 1814

308    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Am Collegio Rabbinico Italiano

Schriften zur Bibel

Textkritik am Targum

seinem Vater in der Drechslerwerkstatt und zuhause zur Hand gehen. Von da an bildete er sich vor allem mit seinem Verwandten Samuel Chajjim ben David Lolli und als Autodidakt weiter (Penkower 2004). Er schrieb hebräische Gedichte und übersetzte 1822 den Siddur* des aschkenasischen* Ritus, 1829 jenen des italienischen Ritus ins Italienische. In späteren Jahren beschäftigte er sich überdies intensiv mit dem Werk Jehuda ha-Levis. Als 1829 das Collegio Rabbinico Italiano als das erste moderne Rabbinerseminar in Padua gegründet wurde (vgl. oben Kap. 9.1.b.), konnte Luzzatto als Dozent für Bibel / Bibelauslegung, hebräische Grammatik sowie (jüdische) Philosophie (Moral; Dogmatik) und Geschichte (Miletto 2012) gewonnen werden. Er unterrichtete dort zeitlebens und unterhielt wissenschaftliche Kontakte in ganz Europa. Berühmt ist sein umfangreicher Briefwechsel (mehr als 700 Briefe) mit Isaak Samuel Reggio, Abraham Geiger, Leopold Zunz, Moritz Steinschneider und vielen weiteren Vertretern der europäischen Wissenschaft des Judentums (Luzzatto 1992, Tobias 2007). Seine Autobiographie wurde in einzelnen Faszikeln bereits in der Zeitschrift HaMaggid publiziert (1858 – 62), die deutsche Ausgabe besorgte Grünwald 1882. Luzzatto verfasste einen Kommentar einschließlich einer Übersetzung ins Italienische zum Pentateuch und den Haftarot (1871 – 76). Von den prophetischen Büchern kommentierte er das Buch Jesaja (ebenfalls mit italienischer Übersetzung; 1845 – 97) sowie die Bücher Jeremia und Ezechiel (1876). Aufgrund seines besonderen Interesses an der hebräischen Sprache lagen ihm vor allem die Bücher der Ketuvim am Herzen. So schrieb er einen Kommentar zu den Büchern Mischle (Proverbia) und Hiob (beide 1876) sowie eine lange Abhandlung zum Buch Qohelet (1876). In seiner Untersuchung zum Targum* Onqelos (Ohev Ger; 1830), in deren erstem Abschnitt Luzzatto (sicher nicht zufällig) die Ziele und Methoden des Onqelos in „zweiunddreißig Pfaden der Weisheit“ (32 Netivot ha-Chokhma) erläutert (zu den 32 Pfaden im Sefer Jetzira* vgl. oben Kap. 5.3.c.), wendet er sich im zweiten Teil (nach biblischen Wochenabschnitten geordnet) der textkritischen Überlieferung des Targum zu und diskutiert insbesondere mögliche Fehlerquellen von der mündlichen Überlieferung bis zu den schriftlichen Versionen. Hier findet sich auch eine kurze Abhandlung zur syrischen Grammatik. Der Targum spielt bei Luzzatto auch deshalb eine so wichtig Rolle, weil er mit dessen Hilfe nachzuweisen suchte, dass der biblische Text zur Zeit der Entstehung des Targum lediglich im Konsonantentext vorgelegen habe (Luzzatto, Wikkuach 97). Es ist bemerkenswert, dass Luzzattos Ohev Ger auch ausführliche Manuskript- und Druckvergleiche (Bibel- und

9.2. Persönlichkeiten    309

Kommentarausgaben) anstellt. In seiner Einleitung, die die einzelnen Quellen genau beziffert, bedauert er überdies, dass ihm die berühmte Complutensische Polyglotte* (vgl. auch oben Kap. 7.1.f.) nicht zur Verfügung stand. Er hatte also auch keine Probleme damit, eine christliche Bibel zu konsultieren. Gleichwohl lehnte Luzzatto die christliche Quellenkritik rundweg ab. Er sah in ihr eine destruktive Lüge und wünschte ihren (nicht nur christlichen) Verfechtern das erdenklich Schlechteste an den Hals. So schreibt er über Johann Gottfried Eichhorn (vgl. oben Kap. 8.1.c.): „Mögen die Knochen Eichhorns, dieses unverständigen Mannes, der nicht nach Wahrheit sucht, zermalmt werden“ (zitiert nach Shavit 2013, 551). Auch den Historiker Israel Markus Jost (vgl. auch oben Kap. 9.1.a.), der in seiner Geschichte der Israeliten seit der Zeit der Maccabäer (1820 – 28) Fragmente auszumachen suchte, aus denen die Bibel zusammengesetzt sei, traf sein gelehrter Bannstrahl. Auch Shavit / Eran heben die ambivalente Haltung Luzzattos gegenüber den ‚unbeschnittenen Häretikern‘ hervor, die nur zu oft in einer apologetischen Sackgasse endete (Shavit 2013, 552). Luzzatto legte eine Reihe von grammatischen Arbeiten vor, die ihn als den ersten modernen jüdischen Sprachwissenschaftler bekannt werden ließen: Prolegomeni ad una grammatica ragionata della lingua ebraica (1836), Grammatica della lingua ebraica (1853 – 69), Elementi grammaticali del caldeo biblico (1865) oder Ma᾿amar be-Sode ha-Diqduq (1865). Seine Arbeiten erschienen teilweise gleichzeitig in Italienisch und Hebräisch und wurden schon bald auch in andere europäische Sprachen übersetzt. In gewisser Weise gehört auch sein Traktat Wikkuach al Chokhmat ha-Qabbala (verfasst 1825, publiziert erst 1852; Penkower 2004) zu seinen sprachgeschichtlichen Arbeiten, denn in ihm legt er das relativ junge Alter (nachtalmudische Periode) der Punktation und Akzentuierung dar und gelangt von dort aus zu dem Schluss, dass der Zohar eben nicht aus der tannaitischen* oder amoräischen* Epoche stammen könne, sondern ein deutlich jüngeres Produkt der hebräischen Literatur sein müsse (Vargon / Zippor 2007; Penkower 2004; Vargon 2002). Insgesamt stellt sich Luzzatto vor allem gegen Mendelssohns Annahme, wonach Esra das Punktations- und Akzentsystem etabliert und fixiert habe (vgl. oben Kap. 8.3.c.). Überdies formulierte er auch eine grundsätzlich verschiedene Bewertung von Punktatoren und Masoreten: Jene seien schließlich in Babylonien in großen und berühmten Akademien geschult worden; diese hätten aus Eretz Israel gestammt, wo es zu dieser Zeit keine berühmten Jeschivot mehr gegeben habe. Die Punktatoren, so Luzzatto, vervollkommneten eine intellektuelle Weisheit, die

Ablehnung der Quellenkritik

Sprachwissenschaft und Grammatik

310    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Arbeiten zur hebräischen Poesie

Gegen die jüdische Assimilation

Masoreten dagegen praktizierten lediglich ein bloßes Handwerk, denn man könne einfach keinen Nutzen darin erkennen, zu wissen, wie viele Verse / Buchstaben ein biblisches Buch habe, und derlei Zeitverschwendungen fänden sich zuhauf in der Masora (Luzzatto 2013 [Erstveröff. 1852], 106 – 107). Neben der hebräischen Sprachwissenschaft galt Luzzattos besonderes Interesse der hebräischen Poesie. Er schrieb selbst hebräische Gedichte und widmete sich in mehreren Werken der Poesie Jehuda ha-Levis (Betulat Bat Jehuda, 1840). Eine Zusammenstellung von 86 Gedichten ha-Levis erschien 1864 unter dem Titel Diwan Rabbi Jehuda ha-Levi. Mit Tal Orot kam 1881 (posthum) eine weitere Anthologie von 81 bis dahin unbekannten mittelalterlichen hebräischen Dichtungen heraus. Luzzattos gesamtes wissenschaftliches Arbeiten diente dabei insbesondere dem Zweck, den ‚genio nazionale‘, den ‚Nationalgeist‘ des Judentums zu stärken (Miletto 2012). Die Rückbindung an Sprache, Literatur und Religion sollte seine Zeitgenossen vor der Assimilation bewahren, die für ihn gleichbedeutend mit Akkulturation war, die nach seiner Überzeugung letztlich nur zur Auflösung führen konnte. Aus diesem Grund lehnte Luzzatto neben der Kabbala die hellenistische Philosophie ebenso wie den Intellektualismus des Maimonides und die rationalistische Religionskritik des Spinoza ab. c.  Salman Frensdorff (1803 – 1880)

Biographie

Von dem in Hamburg gebürtigen Salman (Salomon) Frensdorff sind uns nur wenig zuverlässige biographische Notizen erhalten. Nach häuslichem Elementarunterricht kam er im Alter von zwölf Jahren an die Hamburger Talmud-Tora-Schule, wo er von Natan Ettlinger und später auch von dem ‚Chacham‘ Isaak Bernays (1792 – 1849) unterrichtet und geprägt wurde, der seit 1821 als Oberrabbiner an der deutsch-israelitischen Gemeinde in Hamburg amtierte (Wilke 2004). Bernays hatte das Curriculum der Schule dahingehend reformiert, dass neben den hebräischen Fächern auch Deutsch und weitere profane Fächer analog den weltlichen (Grund-)Schulen pflichtmäßig angeboten wurden. Dieser modern-orthodoxe Bildungsanspruch sollte für Frensdorff prägend bleiben. Erst im Alter von fünfundzwanzig Jahren (ab 1828) besuchte er das Hamburger humanistische Gymnasium Johanneum, studierte aber bereits 1830 – 34 an der Universität Bonn semitische Sprachen, Philosophie und Theologie. In Bonn kam er auch in engen Kontakt mit Samson Raphael Hirsch und Abraham Geiger (vgl. unten Kap. 9.2.d. und 9.2.g.). Mit Geiger verband ihn vor allem das Interesse an der bib-

9.2. Persönlichkeiten    311

lischen Textüberlieferung. Geiger seinerseits schätzte Frensdorff als jüdischen Theologen wegen seiner offenbar unkomplizierten und freundlichen Umgänglichkeit und lobte „seine schönen Kenntnisse“, seinen „gesunden Verstand, recht gute Geistesanlagen, einen vorzüglichen Fleiss“ (Geiger 1878, 22). 1834 kam Frensdorff als Rabbinatskandidat nach Frankfurt und begann 1837 als Religionslehrer an der jüdischen Religionsschule in Hannover. Wo und mit welcher Schrift Frensdorff den Doktorgrad erwarb (wohl nicht, wie manchmal zu lesen, 1842 an der Universität Leipzig mit einer Arbeit über den Propheten Habakuk und seine Zeit [De Habacuci prophetae vita atque aetate; Wilke 2004]), konnte bislang noch nicht zweifelsfrei geklärt werden. Von 1848 an wirkte er zeitlebens als Direktor an der Bildungsanstalt für jüdische Lehrer in Hannover, wo er 1880 starb. Frensdorff berief sich für seine eigene religiöse Positionierung, die auch sein wissenschaftliches Arbeiten prägte, auf seinen Lehrer Bernays, der das Judentum zwischen „hyperorthodoxer Frömmelei“ und „hohler Neuerungssucht“ durch bewegte Zeiten manövriert habe (Frensdorff 1847, vorangestellte Widmung an Bernays ohne Seitenangabe). Sein besonderes Interesse galt der biblischen Textgeschichte und der Masora. 1847 gab Frensdorff die Isaak Bernays gewidmete Schrift Fragmente aus der Punctation’s- und Accentlehre der hebräischen Sprache, angeblich von R. Moses Punctator (Darkhe ha-Niqqud we-ha-Neginot ha-Mejuchasot le-R. Mosche ha-Naqdan) heraus. Allerdings stellte diese kleine Schrift lediglich eine Neuausgabe des Druckes von ben Chajjim dar, obwohl Frensdorff bereits um die Münchener Handschrift (MS München hebr. 53 [Steinschneider]) des Werkes gewusst hatte (Neuedition Loewinger 1929). 1862 veröffentlichte Adolf Neubauer eine Miszelle zur Handschrift Paris Bibliothèque Nationale hébreu 148 (Liss 2019b; ausführlich Seemann 2016), die er als Rezension ‚der alten‘ Masora ansah und die 1864 von Frensdorff unter dem Titel Das Buch Ochlah W’ochlah herausgebracht wurde. Frensdorff sah in diesem Werk das bei Elia Levita erwähnte Buch Okhla we-Okhla (vgl. auch oben Kap. 7.3.f.), das Levita als Grundlage für seine Arbeiten an der Masora verwendet, das aber bis zu dem Pariser Fund als verschollen gegolten hatte. Im Gegensatz zur gedruckten Masora durch Ja‘aqov ben Chajjim (zweite Rabbinerbibel von 1524 / 25; vgl. oben Kap. 7.1.f.) überliefere das in dieser Handschrift vorliegende Buch Okhla „die ursprünglichen alten Massoraangaben“ (Frensdorff 1864, V). 1876 publizierte Frensdorff ein masoretisches Wörterbuch alphabetischer Sortierung unter dem Titel Die Massora Magna nach

Schriften zur Punktations- und Akzentlehre

Das Buch Okhla we-Okhla

Die Massora Magna

312    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums den ältesten Drucken mit Zuziehung alter Handschriften. Erster Theil: Die Massora in alphabetischer Ordnung. Der Druck, der faktisch durch ‚crowd-funding‘ gesponsert war, ging noch auf die Initiative Bernays zurück (M. Fraenkel 1936). Er unterstützte Frensdorffs Arbeiten zur Masora, deren Ziel es war, die Masora „auf ihre authentische Gestalt zurückzuführen“ (Frensdorff 1876, VI). Frensdorff teilte die Einschätzung von Neubauer, wonach dem einen (akkuraten) Bibeltext auch ursprünglich eine Masora bzw. ein Buch der Masora, zugeordnet gewesen sei. Seine Arbeiten zur Masora sind allerdings unvollständig geblieben; auch ein offenbar fertiges Manuskript als Fortsetzung seiner Massora Magna ist nicht publiziert worden (zum Ganzen Seemann 2016; detaillierte Bibliographie auch in Wilke 2004, 335 – 336). d.  Samson Raphael Hirsch (1808 – 1888) Samson Raphael Hirsch erfährt heute sowohl in der modernen Orthodoxie Israels als auch in Gruppierungen wie der Aleph-Bewegung (Alliance for Jewish Renewal) ein revival, vor allem durch seine Kritik an der Orthopraxie der Alt-Orthodoxie und sein Verständnis der Gebote als Symbole. Dies mag daran liegen, dass er auf seine Weise tatsächlich grundständige Neuerungen für die Orthodoxie initiierte, die er jedoch in ein ausgesprochen traditionelles Gewand kleidete, sodass viele es damals und heute nicht einmal bemerk(t)en. Biographie Geboren 1808 in Hamburg, durchlief Hirsch einen profanen Ausbildungsgang, genoss aber auch die traditionelle jüdische Erziehung, vor allem bei seinem Großvater, Mendel Frankfurter, sowie bei Jakob Ettlinger in Altona (1798 – 1871) und Isaak Bernays (1792 – 1849). Er studierte kurze Zeit an der Universität Bonn, wo er auch Geiger kennenlernte, und ging 1830 als Landesrabbiner nach Oldenburg. Weitere Stationen waren 1841 Emden mit den Rabbinaten in Aurich und Osnabrück sowie 1846 – 51 Nikolsburg (Mähren). Hier war er auch politisch für die Emanzipation der Juden in Österreich und Mähren aktiv. 1851 wurde Hirsch zum Rabbiner der Orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft (später Adass Jeschurun) nach Frankfurt am Main berufen, eine Gruppe, die sich mit dem Austrittsgesetz von 1876 offiziell von der Einheitsgemeinde abgelöst hatte, aber bereits 1853 in eine eigene Synagoge (Frankfurter Schützenstraße; Vorgängerin der Synagoge Friedberger Anlage) umgezogen war. Bereits kurz nach Amtsantritt gründete er eine eigene Realschule (1853), deren Leiter er wurde und in der er seine neu-orthodoxen Erziehungs-, Lehr- und Lern-

9.2. Persönlichkeiten    313

prinzipien umsetzen konnte. Hirsch hatte seine Aufgaben in dieser Frankfurter Gemeinde bis zu seinem Tod 1888 inne. Bereits in seiner Oldenburger Zeit entstanden die Neunzehn Briefe über Judentum (publiziert 1836 zuerst unter dem Pseudonym Ben Usiel) sowie die große Abhandlung ‫( חורב‬Chaurew) Versuche über Jissroéls Pflichten in der Zerstreuung zunächst für Jissroéls Jünglinge und Jungfrauen (1837). Mit diesen Schriften prägte Hirsch in Deutschland die Richtung der sog. Neo-Orthodoxie, die zwischen den Fronten der traditionellen oder Alt-Orthodoxie einerseits und der aufziehenden Reformbewegung andererseits einen dritten Weg zu beschreiten suchte (dazu ausführlich Grözinger 2009, 496 – 537). Sein Leitmotiv war dabei der aus der Mischna* (mAv II,2) stammende Satz ‚Schön ist das Studium der Tora zusammen mit weltlicher Beschäftigung‘ (jafe talmud tora im derekh eretz). In Chorev arbeitet Hirsch darüber hinaus das Konzept aus, dass die Pflicht Israels nicht allein im mechanischen Ausüben der Gebote liegen dürfe, sondern mit Geist und Nachdenken zu erfüllen sei. Hier entwickelt Hirsch ein ganz eigenes Tora- und Gebotsverständnis, wonach die Gebote als Symbole verstanden und mithin über sich hinaus auf etwas anderes, eine höhere Wahrheit verweisen (Tasch 2011, bes. 279 – 314). Aus den Zeremonialgeboten werden so Symbolhandlungen für die Beziehung Israels zu Gott. 1854 veröffentlichte Hirsch die Schrift Die Religion im Bunde mit dem Fortschritt von einem Schwarzen, in der er nochmals eindrücklich die Verbindung zwischen traditionellem Judentum und einer weltlichen Erziehung verteidigte. Um seinen Ideen noch mehr Breitenwirkung zu verleihen, gründete er 1854 die Zeitschrift Jeschurun, die er nicht nur herausgab, sondern auch inhaltlich umfangreich bestückte. Es versteht sich fast von selbst, dass das Verständnis der Gebote als Symbolhandlungen auch Auswirkungen auf Hirschs Bibelauslegung haben musste. Hirsch legte eine Reihe kommentierter (Teil-) Bibelübersetzungen vor und reihte sich damit unter den Übersetzern ein, die sowohl auf liberaler als auch (später) auf orthodoxer Seite wirkten (vgl. oben Kap. 9.1.c.). Während aber beispielsweise die Zunz’sche Bibelübersetzung schon beinahe ‚akademisch‘ zu nennen ist, insofern sie textkritische Überlegungen, manchmal sogar den Rekurs auf die griechische Bibel mit einbezieht, ist das Ziel der Hirsch’schen Übersetzung und Kommentierung, den Leser und die Leserin – bei Hirsch sind die Frauen weitaus stärker eingebunden als in der traditionellen Orthodoxie – auf einem traditionellen jüdischen Weg zu bestärken (so auch Ganzel 2010). Tora-,Wissenschaft’ im Sinne der kritischen Beschäftigung mit der Tora war für ihn eine contradictio in adjecto.

Rabbinische Schriften

Das Verständnis von talmud tora

314    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Ab 1867 entstanden die jeweils kommentierte Pentateuchübersetzung (1867 – 78) und die Psalmenübersetzung (1883). In die Reihe dieser Schriften gehört auch die kommentierte Übersetzung des Siddur* (1895). Der Pentateuch-Kommentar umfasst insgesamt mehr als 3000 Seiten, wovon allein die Leviticus-Ausgabe (1873) mit 749 Seiten einmal mehr zeigt, wie wichtig Hirsch die Explikation der Gebote war. In seinen Kommentaren polemisiert er explizit gegen die Vertreter der Reform, während die christliche (vor allem protestantische Exegese) von ihm zumeist nur implizit angegriffen wird. Eine direkte apologetische Zurückweisung, wie sie sein jüngerer Zeitgenosse David Hoffmann in unzähligen Schriften vorgelegt hat, findet sich bei Hirsch nicht (Bronznick 2007). Symbolische und Hirschs Kommentare weisen vor allem zwei ins Auge springende etymologische Charakteristika auf, die sie von allen anderen zeitgenössischen BiSchriftdeutung belkommentaren (beispielsweise dem Kommentar der Philipp­sonBibel) grundlegend unterscheiden: die symbolische Schrifterklärung und die etymologische Auslegung nach dem „Prinzip der Lautverwandtschaft“ (Hirsch 1867, Vorwort, VI). Für seine Hermeneutik stützte sich Hirsch auf die romantische Symbolmetaphysik des 19. Jahrhunderts (Tasch 2011). Mit seinen sehr elaborierten Symboldeutungen der Religionsgesetze suchte er nicht nur die Bibelauslegung mit der praktischen Halakha* zu verbinden, sondern (und hier natürlich gegen die Reform gerichtet) die ‚antiquierten‘ Gesetze mit neuem Sinn zu füllen. Für Hirsch stand die Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit der Tora im Mittelpunkt. Notwendig folgte daraus für ihn jedoch ein Weiteres: die Unvergleichlichkeit Israels (auf der Basis der Tora) und der damit verbundene Anspruch einer jüdischen Bibelauslegung. Unter „jüdischer Wissenschaft“ verstand er die Theorie, die im Leben ihre praktische Verwirklichung finden sollte und keine ‚antiquarische Forschung und Gelehrtenneugierde‘. Geiger hatte dagegen vor allem unter Bezugnahme auf die etymologischen Texterklärungen bereits 1838 in der Rezension von Hirschs Chorev dessen Wissenschaftsverständnis der orthodoxen „Intoleranz, Narrheit und Unkenntnis der hebräischen Sprache“ bezichtigt, und diese Rezension mit der Aufforderung aus Spr 26,4 geschlossen: Dem Toren sollst Du nicht antworten (Geiger 1839, 358).

Die kommentierten BibelÜbersetzungen

e.  Meïr Löw ben Jechi’el Michael Weisser (Malbim; 1809 – 1879) Biographie

Meïr Löw oder Meyer Löbusch (Leibusch) ben Jechi’el Michael Weisser wurde 1809 in Wolotschysk, Wolhynien, geboren. Er ist heute beinahe ausschließlich unter seinem Beinamen ‚Malbim‘ bekannt. Ob dieses ein aus seinen Vornamen gebildetes Akronym

9.2. Persönlichkeiten    315

darstellt (MaLBiM) oder (Pfeffer 2003) eine falsch geschriebene Übersetzung seines Namens ins Hebräische (offizielle Dokumente schreiben seinen Namen als ‚Malbin‘), muss dahingestellt bleiben. Als Prediger, Talmudgelehrter und Bibelausleger war er einer der einflussreichsten Rabbiner des 19. Jahrhunderts. Er genoss eine traditionelle jüdische Ausbildung; eine erste und nach dem Tod des Vaters viel zu früh geschlossene Ehe (1823) wurde schnell geschieden. Eine zweite Ehe mit der Tochter des R. Chaim Auerbach aus Łęczyca (Lentschütz; Woiwodschaft Łódź) ließ ihn zunächst das Leben eines Privatgelehrten führen, bis er 1834 längere Reisen nach Pressburg, Breslau und Amsterdam als Wanderprediger (Maggid) unternahm (Wilke 2004). 1839 erhielt er einen Ruf als Rabbiner nach Września (Wreschen; Provinz Posen) und ging von dort aus nach Kempen (Kępno), wo er 18 Jahre lang als Rabbiner wirkte (1840 / 41 – 59). Kempen gehörte seit 1815 zu Preußen, und es ist nicht verwunderlich, dass er sich gerade in diesem kulturpolitischen Klima auch besonders dem Bildungswesen (er lehnte das moderne Schulsystem generell ab) und dem Studium der Bibel zugewandt hat. 1858 / 59 wurde er als Rabbiner nach Bukarest und noch im selben Jahr zum Oberrabbiner von Rumänien berufen (Horowitz / Derovan 2007). In Bukarest kam es bald zu massiven Konflikten um Reformen Konflikte um die und Neuerungen in den Gemeinden, denn Malbim sah in der Re- Reform formbewegung eine Gefahr für das Judentum. Er verschärfte nicht nur die Regeln für die Kaschrut und den Schabbat, sondern widersetzte sich auch dem Bau einer neuen Synagoge (‚Tempel‘) mit Orgel und lehnte die damit verbundenen liturgischen Reformen – Chorund Orgelbegleitung während des Gottesdienstes – rigoros ab. Die Reformer waren in seinen Augen ‚Neo-Karäer‘ (Pfeffer 2003). Die Streitigkeiten mit jüdischen wie nicht-jüdischen Autoritäten eskalierten in seiner Verhaftung 1864, die nur durch die Intervention von Moses Montefiore aufgehoben wurde. Malbim musste aber Rumänien verlassen. Nach unruhigen Jahren in Russland und Polen kam er nach Königsberg (damals zu Deutschland gehörig), wo er vier Jahre als Rabbiner amtierte. Verschiedene Rabbinerrufe, sogar aus New York, lehnte er ab; dem 1879 ergangenen Ruf nach Wilna konnte er wegen der Ablehnung durch den russischen Gouverneur nicht folgen. Bevor er eine weitere Stelle in Kremenchuk, Ukraine, antreten konnte, verstarb er 1879 in Kiev. Malbim verfasste Kommentare zu fast allen biblischen Büchern Schriften zur Bibel (außer zu Qohelet und Ekha), die in unterschiedlichen Ausgaben der Miqra’ot Gedolot gedruckt wurden (detaillierte Bibliographie in Wilke 2004, 640 – 642). Bereits 1845 begann er mit dem Kommentar zum Buch Ester, gefolgt 1848 / 49 vom Kommentar

316    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Ha-Tora weha-Mitzwa

Ajjelet ha-Schachar

Traktate zur biblischen Sprache und Rhetorik

Rabbinische und homiletische Schriften

zu Jesaja. 1860 erschien der Kommentar zum Hohenlied (Schire ha-Nefesch). Die übrigen biblischen Kommentare wurden zwischen 1867 und 1876 verfasst. 1860 veröffentlichte Malbim seinen Pentateuch-Kommentar, der unter dem Titel Ha-Tora we-ha-Mitzwa erschien, und in dem er das für ihn grundlegende hermeneutische Prinzip der Zusammengehörigkeit von Schrift und Tradition, schriftlicher und mündlicher Tora entfaltete und das Reformjudentum scharf attackierte. Dabei kommentierte er das Buch Schemot (Exodus) gemeinsam mit der Mekhilta (de R. Jischma‘el; ab Ex 12,1, Paraschat* Bo), das Buch Wajjiqra (Leviticus) gemeinsam mit dem rabbinischen Kommentar Sifra, das Buch Bemidbar mit dem rabbinischen Kommentar Sifre (beginnt Num 5,1 in Paraschat Naso) sowie das Buch Devarim (Deuteronomium) mit dem entsprechenden Kommentar Sifre. Der Leviticus- und Sifra-Kommentar ist sehr elaboriert, denn gerade diese Bücher waren den reformorientierten Kreisen ein Dorn im Auge, da man die biblischen Opferbestimmungen für obsolet hielt und den halachischen Kommentar als für die Peschat-Auslegung* unbrauchbar zurückwies. Seinem Leviticus- und Sifra-Kommentar stellte Malbim eine Einleitung unter dem Titel Ajjelet ha-Schachar (‚Morgenröte‘; vgl. Ps 22,1) voran, die gleichzeitig eine Erörterung zur biblischen Sprache und Rhetorik beinhaltet. Die in Ajjelet ha-Schachar zusammengestellten rhetorischen Regeln biblischer Sprache sind dort in insgesamt 613 Abschnitten unter 54 peraqim (Sg. pereq) organisiert: 248 Abschnitte bilden eine Zusammenstellung unter linguistischen Aspekten zum Hebräischen, 365 (beginnt in pereq 31) zu den biblischen Synonyma, die die rabbinische Grundlage für alle Auslegung bildeten. Malbim beschäftigte sich intensiv mit der biblischen Sprache und Rhetorik der biblischen Texte. Er legte dar, dass die Synonyma in der figurativen Sprache des Pentateuch und vor allem der poetischen Abschnitte in den Propheten und den Schriften nicht einfach auf Redundanz oder bloße Wiederholungen zurückzuführen seien, sondern einem jeweils eigenen exegetisch-theologischen Prinzip folgten. Malbim hat darin das rabbinische Prinzip der Omnisignifikanz rezipiert, das James Kugel als wichtiges Kennzeichen bereits für die rabbinischen Schriften herausgearbeitet hat (Kugel 1981, 103 f.; vgl. auch oben Kap. 6.2.a.). Seine Schriften Liqqute Schoschannim (1875) und Ja’ir Or (1892; posthum) sind Zusammenstellungen zu den biblischen Synonyma. Neben seinen Arbeiten zur Bibel verfasste Malbim mit Artzot ha-Chajjim Chidduschim* und Erklärungen zum Schulchan Arukh (1837; 1861) sowie Chidduschim zum Talmud* unter dem Titel

9.2. Persönlichkeiten    317

Jalqut Schelomo. Seine Schrift Eretz Chemda (1882) enthält Predigten zu den einzelnen Wochenabschnitten der Tora sowie Abhandlungen zu rabbinischen Deraschot. f.  Abraham Geiger (1810 – 1874) Abraham Geiger war schon zu seiner Zeit einer der umstrittensten Exponenten der jüdischen Reform. Er stammte aus Frankfurt am Main und hat dort noch die traditionelle Cheder*- und Jeschiva*-Ausbildung genossen, sich daselbst nebenbei aber durch Privatunterricht in den profanen Fächern ausgebildet. 1829 immatrikulierte er sich an der Universität Heidelberg im Fach Orientalische Philologie, wechselte aber 1830 an die Universität Bonn, wo er neben den Orientalia auch philosophische, theologische und kulturgeschichtliche Studien betrieb (Wilke 2004; Grözinger 2009). 1832 wurde er mit der Arbeit Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen? (eingereicht als Preisschrift auf Latein: Inquiratur in fontes Alcorani seu legis Mohammedicae eas qui ex Judaismo derivandi sunt) an der Universität Marburg zum Doktor der Philosophie promoviert. Geiger amtierte zunächst in Wiesbaden als Rabbiner (1832 – 38), bevor er 1840 in Breslau den Posten zunächst als Rabbinatsassessor und zweiter Rabbiner, von 1844 – 63 als erster Rabbiner erhielt. Geigers Wirken für die Reform des Judentums zeigt sich auch an seiner Initiative zu drei Rabbiner-Konferenzen 1844 (Braunschweig), 1845 (Frankfurt am Main) sowie 1846 (Breslau). Daneben lagen Geiger die jüdischen Bildungseinrichtungen am Herzen. Einige Jahr nach Zunz’ Gesuch um einen Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Literatur 1848 (vgl. oben Kap. 9.1.b.) beantragte auch Geiger einen Lehrstuhl für Jüdische Literatur an der Philosophischen Fakultät der Universität Breslau, was im Februar 1850 aber ebenfalls abschlägig beschieden wurde (Wilke 2004, 360). Bereits 1836 hatte Geiger die „Gründung einer jüdisch-theologischen Facultät“ als „dringendes Bedürfniß unserer Zeit“ gefordert (Geiger 1836a). Als 1854 unter einflussreicher Beteiligung Geigers endlich das Jüdisch-theologische Seminar in Breslau gegründet wurde, hoffte Geiger vergeblich auf einen leitenden Posten. Er galt zu sehr als kompromissloser Reformer. 1869 / 70 gehörte er jedoch zu den Gründern der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, der liberalen Ausbildungsstätte, deren Rektor er wurde, und an der er von 1872 bis zu seinem Tod 1874 lehrte (vgl. auch oben Kap. 9.1.b.). Geiger hat eine Vielzahl systematischer Schriften hinterlassen (detaillierte Bibliographie bei Stallmann 2013 und Wilke 2004,

Biographie

Eine jüdisch-theo­ logische Fakultät?

Schriften zur bibli­ schen Literatur

318    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Schriften zur Bibel und zur Bibelkritik

Arbeiten zur Auslegungsliteratur

Bibelkritische Arbeiten

361 – 365), die sich mit tagesaktuellen religions- und kultusrelevanten Fragen, mit der Unterrichts- und Liturgie-Reform sowie mit religionspolitischen Themen wie beispielsweise der Stellung und Funktion einer Jüdischen Theologie in der deutsch-jüdischen Bildungslandschaft beschäftigten (dazu vor allem Grözinger 2009, 578 – 616). Seine Schriften zur Bibel sind dabei zumeist Teil eines größeren systematischen Kontextes; er sah in ihr die Grundlage aller (jüdischen und christlichen) Theologie. Geigers Arbeiten zur Bibel erscheinen im Gesamt seines Œuvres eher eklektisch. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass er keinen Bibelkommentar geschrieben oder eine kommentierte Übersetzung angefertigt hat. Überdies sind seine in verschiedenen Zeitschriften erschienenen bibelkritischen Arbeiten eher untergegangen und fanden auch in der protestantischen Exegese selten Widerhall. Bereits 1836 erschien ein Beitrag zur karäischen* Literatur (Geiger 1836b), 1855 dann seine berühmte Abhandlung Parschandatha zur nordfranzösischen Exegetenschule (Geiger 1855), die in vier hebräischen Beiträgen einzelne Exegeten – R. Sa‘adja Gaon; Menachem bar Chelbo, R. Josef Qara, Raschbam, Rabbenu Tam, R. Josef Bekhor Schor u. a. – abhandelt, wobei auch Auslegungsbeispiele gegeben werden. Am Ende findet sich eine weitere Abhandlung zur Entwicklung der nordfranzösischen Exegese in deutscher Sprache, die nochmals eigens auf die Exegese Raschis Bezug nimmt. Geiger hat sich insgesamt jedoch noch weniger mit der Auslegungsliteratur beschäftigt als Zunz (vgl. dazu Liss 2014c, bes. 344 – 346). In einer kurzen Abhandlung zur Geschichte der jüdischen Exegese, in der er nicht weniger als 1000 Jahre Bibelauslegung resümiert, weist er selbst auf den „unverhältnismäßig geringen Umfang, in dem ich die jüdische Exegese behandelt habe“ hin (Geiger 1870a, 219). In Geigers eigener Logik gälte dies allerdings vor allem für die mittelalterliche und neuere jüdische Bibelauslegung, denn bei Geiger beginnt die Bibelauslegung eigentlich schon mit der innerbiblischen Texterstellung, und mit dieser wie mit den Parallelversionen (Samaritanischer* Pentateuch, griechische Übersetzungen, Targum, masoretischer Text) hat sich Geiger intensiv auseinandergesetzt (Geiger 1858; Geiger 1862). Als sein Hauptwerk kann seine Abhandlung Urschrift und Ueber­ setzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der innern Entwickelung des Judenthums (1857) gelten. Mit diesem Buch suchte er den Anschluss an die literar-historische Forschung seiner christlichen Zeitgenossen. Entscheidend ist hier die innere Zusammengehörigkeit zwischen biblischer und nachbiblisch-(proto)rabbinischer Zeit und die damit einhergehende sachliche Zusammenbindung der Entwicklung des Bibeltextes mit der nachbiblischen Entwicklung des

9.2. Persönlichkeiten    319

Judentums. Für Geiger stand dabei die Entwicklungsgeschichte des Bibeltextes in enger Beziehung zu den Auseinandersetzungen unter den verschiedenen jüdischen Gruppierungen während der zweiten Tempelperiode (bes. der Pharisäer* und Sadduzäer). Diese Sicht der Kontinuität zwischen biblischem und nachbiblisch-rabbinischem Schrifttum und der besonderen Bedeutung der Bibel spiegelt exemplarisch den positiv-historischen (‚konservativen‘) bzw. reformorientierten Ansatz wider. Die Entwicklung des biblischen Textes und die (textkritisch zu evaluierende) Textgeschichte werden miteinander relationiert, und Geiger behandelt daher neben der Rezeptionsgeschichte des biblischen Textes seit der rabbinischen Zeit auch intensiv die masoretische Textgeschichte mit der entsprechenden Ausführlichkeit. In der Nachfolge Herz Wesselys und Heidenheims will er den Text der Hebräischen Bibel und die Auslegungstradition nicht als zwei voneinander völlig zu trennende Bearbeitungsfelder sehen. Die masoretische Literatur nahm hierin für ihn eine Schlüsselfunktion ein, da sie den althebräischen Konsonantentext mit seiner mittelalterlichen Lese- und Aussprachepraxis verbindet (Geiger 1864 / 65). 1866 erscheint der Thalmud als bibelkritisches Hülfsmittel, posthum seine Einleitung in die biblischen Schriften (1876). Die Frage nach der religionsgeschichtlichen Entwicklung wird bei ihm tatsächlich auch interkonfessionell behandelt; er bearbeitet die Relation des biblischen Schrifttums zum pharisäischen Judentum ebenso wie zum frühen Christentum (Geiger 1867). Noch 1872 weist Geiger in einer programmatischen Schrift zur Stellung der hebräischen Bibel in der gegenwärtigen christlichen Theologie darauf hin, dass der christlichen Bibelwissenschaft in ihrer Kritik der biblischen Schriften ohne Berücksichtigung der jüdischen Auslegungsliteratur eine entscheidende Komponente fehle, ein Mangel, dem erst seit dem Ende des letzten Jahrhunderts von einigen christlichen Bibelwissenschaftlerinnen und Bibelwissenschaftlern Abhilfe geschaffen wird. Die Bibel war also für Geiger insbesondere als Exponentin einer Biblische ‚biblischen Theologie‘ der ersten Epoche der jüdischen Geschich- Geschichte und te relevant. Diese Zusammenbindung von ‚biblischem‘ und ‚jüdi- jüdische Theologie schem‘ Geist (zum Ganzen v. a. Stallmann 2013, bes. 138 – 201) ist zentral in Geigers Denken und entspringt seiner literar-historischen Arbeit an Bibel, Targum und dem nachbiblischen Schrifttum ebenso, wie sie umgekehrt auch auf diese immer wieder eingewirkt hat. Als zentrales Thema der biblischen Theologie formuliert Geiger die Einheit und Heiligkeit Gottes und damit den ‚reinen Monotheismus‘. Geiger sah hier vor allem die biblischen Propheten als geistigen Motor dieser theologischen Idee. Dieser Topos und die Rolle der Propheten sollte im 19. und frühen 20. Jahrhundert vor allem

320    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums für die Explikation eines ‚Wesens des Judentums‘ zentral werden. Auch deshalb stellte die Bibel für Geiger die Grundlage jeder Theologie dar, der jüdischen wie auch der christlichen (Geiger 1872). g.  Ludwig Philippson (1811 – 1889) Ludwig Philippson stammte aus Dessau und besuchte zunächst die dortige Herzogliche Franzschule, was für sein weiteres Lebenswerk bestimmend war, denn die Gründung der Franzschule ging auf die Maskilim* zurück, und der Unterricht folgte daher weitgehend deren modernem pädagogischen Konzept (Eliav 2001). Anders jedoch als in Berlin und Breslau nahm man Rücksicht auf die Befindlichkeit der orthodoxen Zeitgenossen und gab daher nicht nur den jüdischen Fächern gegenüber den profanen den Vorrang, sondern folgte in der inhaltlichen Ausrichtung ebenfalls noch weitgehend der traditionellen Ausrichtung. Die Ausbildung an der Franzschule (bis 1824) sowie der Besuch des Dessauer Bet Midrasch* sorgten daher für eine solide traditionelle Ausbildung. Nach dem Besuch der Lateinschule in Halle / Saale (1826 – 1829) ging Philippson 1829 nach Berlin, um dort Philosophie (u. a. bei Hegel) und, wie vor ihm bereits Leopold Zunz, Klassische Philologie bei August B ­ oeckh (vgl. oben Kap. 9.1.a.) zu studieren. Er schloss das Studium 1830 mit einer altphilologischen Promotion ab (De internarum humani corporis partium cognitione Aristotelis cum Platonis sententia comparata). Nach Tätigkeiten als Prediger in Magdeburg (1833) absolvierte er 1834 die preußische Dienstprüfung als ‚geistlicher Lehrer‘ (Wilke 2004, 702) und erwarb 1839 die rabbinische Lehrbefugnis von Joseph Abrahm Friedländer, der als reformorientierter Landesrabbiner für das Herzogtum Westfalen sowie das Fürstentum Wittgenstein amtierte. Früh erblindet, ging Philippson bereits 1862 in den Ruhestand und lebte fortan in Bonn, wo er noch einige Jahre als Ehrenrabbiner wirkte und noch bis ins hohe Alter publizierte. Philippson starb 1889 in Bonn. Wirken für die Obwohl sich Philippson stets für die Reform eingesetzt hat und Reform und die auch an den drei Rabbinerversammlungen in Braunschweig (1844), Wissenschaft Frankfurt (1845) und Breslau (1846) teilnahm, gehörte er doch eher dem gemäßigten Flügel an und bezeichnete sich selbst im Frankel’schen Sinne als ‚geschichtlicher‘ (positiv-historischer) Jude (vgl. oben Kap. 9.1.b.). Von 1837 bis zu seinem Tod 1899 gab er die Allgemeine Zeitung des Judentums. Ein unpartheiisches Organ für alles jüdische Interesse heraus. 1855 gründete er (gemeinsam mit Israel Markus Jost [vgl. oben Kap. 9.1.a.] und Adolph Jellinek) das Institut zur Förderung der israelitischen Literatur (Leipzig), in dem so berühmte Bücher wie Abraham Geigers Parschandatha, Biographie

9.2. Persönlichkeiten    321

Heinrich Graetz’ Geschichte der Juden oder Levi Herzfelds Zwei Vorträge über die Kunstleistungen der Hebräer und alten Juden erschienen (zum Ganzen auch Sabel 2010). Seine Allgemeine Zeitung nutzte er vor allem, um seine Ideen zu Reform und Wissenschaft in die breitere Öffentlichkeit zu tragen, so bereits 1837 mit der Aufforderung zur Gründung eines jüdischen Seminars für Deutschland (Philippson 1837). Philippson ist heute vor allem für sein Übersetzungswerk bekannt (vgl. auch oben Kap. 9.1.c.). Bereits 1827 erschienen Die Propheten Hosea, Joel, Jona, Obadja und Nahum in metrisch-deutscher Übersetzung, allerdings unter dem Namen seines Bruders Phöbus. Zwischen 1839 und 1854 erschien dann (in verschiedenen Ausgaben; detaillierte Bibliographie in Wilke 2004, 703) sein Lebenswerk, die Israelitische Bibel, die neben dem hebräischen Bibeltext die deutsche Übersetzung sowie ausführliche Kommentare und Abbildungen enthielt (berühmt ist heute vor allem die Prachtausgabe mit Holzschnitten von Gustave Doré; 1874 – 76). Philippsons Aufruf zur Herstellung und Verbreitung wohlfeiler Bibeln (Philippson 1859) suchte dabei vor allem, die Grabenkämpfe zwischen Reform und Orthodoxie zu vermeiden, indem er eine neue Bibelübersetzung gegen die Lutherbibel postulierte und hier vor allem wissenschaftliche, literarische und ästhetische Gründe ins Feld führte (Herrmann 2015; Sabel 2010; Schatz 1995). Diese Zurückweisung der Lutherbibel – schon Geiger hatte sie 1835 als Träger christlicher Dogmen und darum für Juden und Jüdinnen ungeeignet ausgewiesen – steht insgesamt in einer Linie mit Philippsons genereller Zurückhaltung gegenüber dem Christentum und seiner nachdrücklichen Betonung des grundsätzlichen Gegensatzes zwischen Judentum und Christentum (dazu vor allem Kohler 2010). Dennoch kam aus dem orthodoxen Lager Widerstand, und dies vor allem deshalb, weil seine Übersetzung dem Anspruch einer ‚traditionellen‘, d. h. auf der Basis der Einheit von schriftlicher und mündlicher Tora erstellten Übersetzung, nicht entsprach. Philippson hat sich zeitlebens intensiv mit der Bibelauslegung und der Bibelkritik beschäftigt (Philippson 1857; 1864; 1868; 1879; 1885a; 1889). Seine Beiträge sind größtenteils in der Allgemeine[n] Zeitung des Judentums erschienen, waren also an ein breiteres Publikum gerichtet und wurden schon deshalb von der zeitgenössischen (christlichen) Bibelwissenschaft nicht rezipiert. Was die Bibelkritik angeht, so sind Philippsons Überlegungen nicht einfach der Reformseite zuzuschlagen: Er war zwar ein Philologe, und dies nicht nur in den klassischen Sprachen, sondern durchaus auch im Hebräischen, und er wusste auch um die literar-historische kritische Bibelforschung. Dennoch rief er bereits 1864 dazu auf, die

Philippsons Übersetzungswerk

Abhandlungen zur Bibelkritik

322    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Bibelkritik nicht zu überschätzen; sie sei eine Wissenschaft, die es zu schätzen gelte, die sich aber selbst immer wieder in Frage stelle und deshalb auch nicht zu verabsolutieren sei. Dem Judentum, das sich gerade auch der Einheit von Lehre und Leben verschrieben habe und die Heiligung aller Lebensverhältnisse anstrebe, könne daher auch die moderne Bibelkritik nichts anhaben (Philippson 1864). Mit solchen Erwägungen zeigt Philippson immer wieder eine Nähe zu Samson Raphael Hirsch, was einmal mehr darauf verweist, dass die Differenzierung in Reform und Neo-Orthodoxie auf einer gemeinsamen und grundsätzlichen Kritik an der Alt-Orthodoxie fußte. Auf der anderen Seite zeigt Philippsons positiv-historische Rezension von Georg Ebers Aegypten und die Bücher Moses, dass auch er zu den Gelehrten gehörte, die der protestantischen Bibelkritik mit Hilfe der Altertumswissenschaften den Wind aus den Segeln nehmen wollten (Philippson 1868; zum Ganzen Wittler 2017). h.  Naftali Tzvi Jehuda Berlin (Netziv; 1817 – 1893) Naftali Tzvi Jehuda Berlin, bekannt unter dem Akronym ‚Netziv‘, stammte aus Mir, einer Kleinstadt in der Nähe von Minsk, und wuchs in einer talmudischen* Gelehrtenfamilie auf, die ihm eine ebensolche Ausbildung zukommen ließ. Durch Heirat in eine Gelehrtenfamilie aus Waloschyn (Volozhin) kam er an die dortige Jeschiva*, an der er 1854 zum Rosch Jeschiva ernannt wurde, ein Amt, das er bis 1892 innehatte. Nach Auseinandersetzung mit den russischen Behörden und der nachfolgenden Schließung der Jeschiva 1892, musste auch Berlin mit seiner Familie die Stadt verlassen; er ließ sich zunächst in Minsk und dann in Warschau nieder, wo er 18 Monate nach seiner Ausweisung aus Waloschyn 1893 starb. Schriften zur Bibel Anders als an den meisten osteuropäischen Jeschivot legte Netziv ein besonderes Augenmerk auf tägliches Bibelstudium, das bei ihm auch nicht allein den Pentateuch, sondern tatsächlich die gesamte Hebräische Bibel einschloss (Sosland 2002). Wahrscheinlich schon zwischen 1860 und 1870 verfasste Netziv seinen traditionellen Tora-Kommentar Ha‘ameq Davar (‚Vertiefe das Wort‘), der jedoch erst später gedruckt wurde (Wilna 1879 / 80). 1883 erschien sein Kommentar zum Hohenlied (Rinna schel Tora). Ha‘ameq Davar Netzivs Tora-Kommentar Ha‘ameq Davar ist grundsätzlich auf der Linie von Meklenburg und Malbim zu verorten: Auch er suchte die Übereinstimmung zwischen der schriftlichen und der mündlichen Tora aufzuweisen und legte besonderen Nachdruck auf die linguistischen Fertigkeiten der Rabbinen, deren Auslegungen bereits die Feinheiten hebräischer Syntax und Grammatik berücksichtigt hätten. In Ha‘ameq Davar spiegelt sich im Besonderen die Lehrsituation wider. Es finden sich in diesem Kommentar auch viele Biographie

9.2. Persönlichkeiten    323

Erwähnungen moderner und zeitgenössischer Gelehrter, mit denen er sich auseinandersetzt. Netziv verarbeitete die grammatischen Schriften von Jehuda ben Elijahu Hadassi (Eschkol ha-Kofer; vgl. oben Kap. 1.2.b.) ebenso wie Elia Levitas Masoret ha-Masoret (vgl. oben Kap. 7.2.d.), Mendelssohns Bi’ur, Wesselys Gan Na‘ul (vgl. oben Kap. 8.2.b.) sowie die Schriften von Benjamin Wolf Heidenheim (vgl. oben Kap. 8.2.c.). Besonderes Charakteristikum dieses Kommentars ist der extensive Rückgriff auf Midrasch-Quellen*. Dies ist auch der Grund, weshalb Netziv seine Kommentierung auf zwei Kommentare verteilte: Ha‘ameq Davar einerseits, wo der aktuelle Bibelvers besprochen wird, und Harchev Davar (‚Erweitere die Sache‘), in dem längere Exkurse, Rückgriffe auf Midrasch-Diskussionen u. a. ihren Platz finden (dazu Perl 2012, bes. 168 – 189). Nach Gil S. Perl ist Ha‘ameq Davar ein ‚Midrasch des 19. Jahrhunderts‘: (…) In Ha‘amek Davar nimmt Neziv nicht nur (textliche) Anleihen vor oder interpretiert und erläutert den Gedankengang eines rabbinischen Midrasch, sondern führt den Midrasch (formal) durch die Verwendung signifikant ähnlicher, wenn nicht identischer Auslegungstechniken fort, (und zwar an den Stellen), wo es bei den rabbinischen Gelehrten nicht ausreichend war (Perl 2012, 182).

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass Ne­ tziv insbesondere das Buch Deuteronomium (Devarim) nicht einfach als Wiederholung, sondern in Aufnahme der Ideen Rambans auch als Explikation, Erklärung, Weiterentwicklung verstand (dazu auch Elman 2010). Ähnlich wie Samson Raphael Hirsch warnte auch Netziv in scharfen Worten vor wissenschaftlichen, literatur-historischen Untersuchungen am Pentateuch, denn er sah die Gefahr, dass die Platzierung eines Gebotes in seine Entstehungszeit und damit seine historische Kontextualisierung zur Auflösung des Gedankens der immerwährenden Gültigkeit der Tora-Gesetzgebung führen könnte. Noch vor seinem Pentateuch-Kommentar, wahrscheinlich zwi- Rabbinische schen 1830 und 1840, verfasste Netziv einen Kommentar zu Sifre Schriften (Emeq ha-Netziv; veröffentlicht posthum 1959 – 61; dazu ausführlich Perl 2012). Auch seine Kommentare zur Mekhilta und Torat Kohanim (Sifra) erschienen sehr viel später (detaillierte Bibliographie in Perl 2012). Einige seiner zahlreichen Responsen wurden unter dem Titel Meschiv Davar (Warschau 1892) herausgegeben. Netzivs Kommentar zur Pesach-Haggada* wurde hingegen noch zu Lebzeiten 1889 unter dem Titel Imre Schefer publiziert. Eine für Netzivs Werk und Wirken maßgebliche Schrift ist sein Kommentar zu R. Achai Gaons (680 – 752 u. Z.) Sche’iltot, der unter dem Titel Ha‘ameq Sche’ela publiziert wurde (1859). In der Einleitung zu Ha‘ameq Sche’ela, Darka schel Tora, von Netziv auch

324    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums als Qadmat ha-Ha‘ameq erwähnt (Greenman 2009, 13), findet sich eine ausführliche und sehr komplexe Darlegung des Verhältnisses von schriftlicher und mündlicher Tora. Auch Netziv macht es sich hier nicht leicht, indem er nicht einfach die einlinige Aufeinanderfolge und die damit verbundene identische Autorität beider torot behauptet. Mit Blick insbesondere auf die Halakha* folgt er der Auffassung des Maimonides (Rambam), wonach die im Talmud als Hilkhata gemire la ausgezeichneten Gebote solche sind, die den rabbinischen Ableitungen entstammen, aber dieselbe Autorität haben wie jene dem Mose auf dem Sinai gegebenen Gesetze (zum Ganzen ed. Greenman 2009, 32 – 41). Dazu gehört auch, dass die Auslegungstechniken selbst nicht einfach Teil der (göttlichen) mündlichen Tora sind, sondern ihrerseits ein Produkt der rabbinischen (menschlichen) Scharfsinnigkeit (J. Harris 1995, 239 – 244; Elman 2010). i.  Abraham Berliner (1833 – 1915) Biographie

Auch Abraham Berliner steht exemplarisch für diejenigen jüdischen Gelehrten in Deutschland, die im Bereich der semitischen Sprachen sowie der Text- und Auslegungstraditionen der Hebräischen Bibel einschließlich der Targumim* bahnbrechende Forschungsarbeit leisteten, für diese Forschung in Deutschland allerdings nie einen gesicherten akademischen Rahmen vorfanden, sodass ihre Forschungen deshalb nur unzureichend wahrgenommen und gewürdigt wurden. Geboren am 1. Mai 1833 in Obersitzko, Posen (heute: Obrzyc­ ko / Poznan), als Sohn eines Schullehrers, der ihn schon früh an den Unterricht in talmud tora im örtlichen Bet Midrasch*, aber auch an die profane Bildung heranführte, übernahm Berliner 1849 die Nachfolge seines im gleichen Jahr verstorbenen Vaters am Hauptschullehrerseminar in Posen und bildete sich darüber hinaus kontinuierlich beim Ortsrabbiner Salomon Michael Struck im rabbinischen Schrifttum weiter. Ab 1858 wirkte er in Berlin, und zwar vor allem als Lektor der Talmud-Gesellschaft (Bet Midrasch), dem späteren Rabbinerseminar. Daneben begann er mit seiner wissenschaftlichen Arbeit. Ab 1873 unterrichtete Berliner am Orthodoxen Rabbinerseminar (gegründet von Esriel Hildesheimer; vgl. oben Kap. 9.1.b.) jüdische Geschichte und Literatur. 1885 gründete er gemeinsam mit Marcus Jastrow, der seit 1866 in Philadelphia lebte, den Verein Mekize Nirdamim für die wissenschaftliche Edition hebräischer Handschriften. Gleichwohl hat Berliner seinen (orthodox-) religiösen Standpunkt immer beibehalten; er war Mitbegründer der orthodoxen Austrittsgemeinde Adass Jisroel (1869) und ist deshalb

9.2. Persönlichkeiten    325

ebenso wie Samson Raphael Hirsch in der Neo-Orthodoxie zu verorten. Als ‚tora-treuer‘ orthodoxer Jude kam für ihn die Konversion zum Christentum nicht in Frage, und so war auch ihm das wissenschaftliche Arbeiten an der Universität verwehrt (es reichte 1903 nur zum Ehrenprofessor durch die preußische Regierung auf Befürworten des Assyriologen Friedrich Delitzsch). Zeitlebens stand er mit den von christlichen Theologen ins Leben gerufenen und der Judenmission verpflichteten Instituta Judaica – das erste, das Leipziger Institutum Judaicum ‚Delitzschianum‘ wurde 1880 gegründet – auf Kriegsfuß (Berliner 1884; dazu Wiese 1999, 99 – 111). Berliner starb 1915 in Berlin. Berliners Forschungen umfassten die Arbeit am Bibeltext und an der aramäischen Bibelübersetzung, dem Targum, an der Masora wie auch an der exegetischen und halachischen Literatur der mittelalterlichen Bibelausleger und der Tosafisten* (ausführliche Bibliographie in Wilke 2004, 139 – 140). Seine wissenschaftliche Tätigkeit begann mit Untersuchungen zum Pentateuch-Kommentar des R. Schelomo Jitzchaqi ‚Raschi‘ (Berliner 1862; Berliner 1863), die 1866 in eine Edition dieses Kommentares mündeten, für den er 1867 auf Empfehlung von Franz Delitzsch in Leipzig zum Doktor der Philosophie ernannt wurde. Bereits 1864 beschreibt er jene einzige Raschbam-Handschrift, die sich seinerzeit auch einmal in Mendelssohns Besitz befunden hatte (vgl. oben Kap. 3.2.a.). In den folgenden Jahren reiste er immer wieder in verschiedene europäische Bibliotheken, um hebräische Handschriften einzusehen und seine Editionsprojekte voranzutreiben (Berliner 1877a). 1872 veröffentlichte er mit Pletath Soferim weitere Untersuchungen und Teileditionen von seinerzeit unbekannten Kommentarfragmenten zur nordfranzösischen Exegese. Raschi und sein soziokultureller Kontext sollten ihn zeit seines Lebens nicht loslassen. 1900 erschien sein Büchlein zur Charakteristik Raschis (Berliner 1900), es folgten Beiträge zur Geschichte der Raschi-Commentare (1903), Blicke in die Geisteswerkstatt Raschis (Berliner 1905a) und Altfranzösische Ausdrücke im Pentateuch-Kommentar Raschis (Berliner 1905b). All diese Arbeiten Berliners sind bis heute nur unzureichend ausgewertet. Sie enthalten eine Fülle aus heutiger Sicht vielleicht manchmal unsystematischer, aber doch relevanter textkritischer Beobachtungen zu den handschriftlichen Zeugnissen der nordfranzösischen Exegese und verdienten eine umfassende Aufarbeitung. Berliners Publikationen zum Targum Onqelos (Berliner 1875; 1877b), unter denen sich auch die erste kritische und annotierte Textausgabe überhaupt findet, stellten einen Meilenstein für die hebräische Textforschung dar und haben bis heute in der Targum-

Schriften zur Aus­ legungsliteratur

Arbeiten zu Raschi und seiner Schule

Schriften zum Targum

326    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums forschung ihren Platz. Daneben publizierte er auch grammatische und sprachwissenschaftliche Arbeiten (Berliner 1876; 1879; 1886). Arbeiten zur Im Rahmen seiner editorischen Arbeit ergab sich sein Interesse an Handschriften- und den hebräischen Handschriften und frühen Drucken von selbst. Bis Buchkunde heute ist sein Gang durch die Bibliotheken Italiens (Berliner 1877a) lesenswert. Literaturgeschichte war bei ihm stets mit Buchgeschichte verknüpft, wie (u. a.) sein Censur und Confiscation hebräischer Bücher im Kirchenstaate (Berliner 1891), Aus meiner Bibliothek: Beiträge zur hebräischen Bibliographie und Typographie (Berliner 1898) und Über den Einfluß des ersten hebräischen Buchdrucks auf den Cultus und die Cultur der Juden (Berliner 1896) zeigen. j.  Kaufmann Kohler (1843 – 1926) Biographie

Kaufmann Kohler stammte aus Fürth und erhielt eine traditionelle orthodoxe Erziehung in Fürth und Haßfurt, bis er 1856 nach Höchberg kam, um seine Ausbildung beim dortigen Ortsrabbiner Lazarus Ottensoser in dessen Talmud-Tora-Schule (Israelitische Präparandenschule) fortzusetzen. 1857 begab er sich für weitere vier Jahre in die Mainzer Jeschiva* zu Markus Lehmann (1831 – 90), dem Gründer des Israelit[en] (1860) und späteren Unterzeichner für die ungarische Trennungsorthodoxie. Von hier aus ging Kohler zunächst nach Altona (1861), um seine orthodoxe Ausbildung bei Jakob Ettlinger fortzusetzen, bei dem auch schon Samson Raphael Hirsch gelernt hatte (vgl. oben Kap. 9.2.d.), und kam 1862 nach Frankfurt, wo er nun direkt bei Samson Raphael Hirsch weiterlernte, während er gleichzeitig mit zwei Söhnen Geigers das Gymnasium besuchte, das er mit dem Abitur abschloss. 1864 nahm er für kurze Zeit ein Studium an der Universität München auf, wechselte aber bereits ein Jahr später an die Universität Berlin, um dort das Studium der Orientalistik und verwandter Fächer fortzusetzen. Hier prägten ihn u. a. der Sprachwissenschaftler Chajim Heymann Steinthal (1823 – 99), der Ägyptologe Richard Lepsius (1818 – 84) sowie der Orientalist und Semitist Emil Rödiger (1801 – 74). Nebenbei setzte er (noch immer) das traditionelle rabbinische Studium fort, diesmal im (orthodoxen) Berliner Bet Midrasch* des Michael Landsberger (1804 – 70). 1867 schloss er das wissenschaftliche Studium mit einer Promotion in Erlangen ab (Der Segen Jacob’s [Genesis Cap. 49,1 – 28] mit besonderer Berücksichtigung der alten Versionen und des Midrasch kritisch-historisch untersucht und erklärt. Ein Beitrag zur Geschichte des hebräischen Alterthums wie zur Geschichte der Exegese). Spätestens mit dieser Schrift hatte sich Kohler von der Orthodoxie verabschiedet.

9.2. Persönlichkeiten    327

Kohler selbst hat die Studienzeit bei Hirsch rückblickend als „Befreiung aus blindem Autoritätsgehorsam“ charakterisiert; Hirsch habe ihn aus der „alten Denkweise“ befreit und ins „Reich des freien Denkens und der Wissenschaft“ gebracht (zitiert nach Bechtoldt 1995, 294). Ob es also der in seinem eigenen Denk- und Sprachraum durchaus eigenwillige Hirsch oder eher die historische Erforschung der Bibel oder der semitischen Sprachen war, die Kohler sich seit seiner Münchner Zeit endgültig von der Orthodoxie verabschieden ließ, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden: „Der Jeschiwazögling Kaufmann Kohler hatte zwar seine talmudische* Bildung mittels der Sprachsymbolik seines rabbinischen Lehrers Hirsch zu einem modern-orthodoxen Weltbild ausbauen können, dieses aber zerschellte ihm schon im ersten Semester an der semitistischen Philologie der Münchner Universität. Sein Meister habe ihm nur den hilflosen Rat geben können, seine Zweifel auszusitzen“ (Wilke 2003, 691). Kohlers ‚Konversion‘ zum Reformjudentum wurde offiziell mit der Ordination durch den Berliner Reformrabbiner und Dozenten an der Veitel-Heine-Ephraimschen Lehranstalt Josef Aub (1804 – 80) besiegelt, aber nach einem kurzen Aufenthalt in Fürth (1868) und nach der Teilnahme an der Leipziger Reformsynode (1869) suchte er tatsächlich die ‚Neue Welt‘ und wanderte in die USA aus. Dort gelangte er von New York nach Detroit (Prediger der Gemeinde Beth-El), um im selben Jahr (1869) bereits Mitglied der Rabbinerversammlung in Philadelphia zu werden. Nach einigen Jahren in Chicago (1871 – 79 Sinai-Gemeinde), kam er 1879 als Nachfolger seines Schwiegervaters, des Reformrabbiners David Einhorn (1809 – 79), als Rabbiner nach New York (Gemeinde Beth-El). Kaufmann Kohler war der Initiator der radikal reformorientierten sog. Pittsburgh Platform (1885) und amtierte 1903 als Präsident des Hebrew Union College in Cincinnati. Wie schon vor ihm Geiger, war auch Kohler der Meinung, dass das gründliche Studium der religionsgeschichtlichen Entwicklung des frühen Christentums und Judentums auch gleichzeitig zu einer Verbesserung der christlich-jüdischen Beziehungen führen könnte. Seine Arbeiten zum Verhältnis von Neuem Testament zu Talmud* und Midrasch*, von Synagoge und Kirche nehmen in vielerlei Hinsicht die jüdische Jesusforschung seit der Mitte des letzten Jahrhunderts (Schalom Ben Chorin; David Flusser) vorweg. Hierin hat Kohler auch auf die Entwicklung des liberalen Judentums in Amerika einen großen Einfluss gehabt (Ariel 2012). Kohler ging 1921 in den Ruhestand und kehrte in den letzten Jahren nach New York zurück, wo er 1926 starb. Seine alte Heimat hat er geistig wie geographisch nie vermisst.

Abkehr von der Orthodoxie

Auszug in die Neue Welt

328    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Exegetische und theologische Schriften

Kurz nach seiner Promotion über den Segen Jacob’s (1867) verfasste Kohler 1868 ein kleines Büchlein über die Bibel und die Todesstrafe. Vom historisch-kritischen Standpunkte aus betrachtet. Wie schon in seiner Dissertation legt er hier großen Wert auf die literar-historische Nachzeichnung biblischer Motive und Gesetze. Die Bibel wird bei ihm darin zum theologischen Zeugnis, dass sie keinen ewigen, sondern einen (antiken) religiös-sittlichen Zeitgeist widerspiegelt, der sich als Prophetismus stetig fort- und weiterentwickelt habe (Kohler 1868, VI). Die historische Philologie und Kritik erschließt mithin die biblische Entwicklungsgeschichte, und die Aufgabe einer kritischen Bibelwissenschaft bestehe darin, die Geschichte der prophetischen Religion als die eines stetigen Fortschrittes der sittlichen Ideen aufzuzeigen. Dazu hat er in einer kleinen Abhandlung zu den Psalms and their Place in the Liturgy (Kohler 1931, 122 – 148) auch komparatistisch gearbeitet. Der Vergleich mit „hymns as represent the highest stage of religious poetry among other nations“ diente ihm dazu, „to illustrate the matchless beauty and grandeur of the Psalms“ (Kohler 1931, 123). Vor allem im Rahmen seiner Tätigkeit als Rabbiner hat Kohler darüber hinaus eine Vielzahl kleinerer Miszellen zu biblischen Themen publiziert (detaillierte Bibliographie in Jansen 2009; 533 – 535). Die Summe seiner theologischen Arbeit legte er 1910 zunächst auf Deutsch mit seinem Grundriß einer systematischen Theologie des Judentums auf geschichtlicher Grundlage vor, einem Werk, das in überarbeiteter englischer Fassung 1918 als Jewish Theology Systematically and Historically Considered erschien. Dieses Buch präsentiert in 58 Abschnitten, verteilt auf drei Hauptteile (1: Gott, 2: Der Mensch und 3: Israel und das Gottesreich), „die Zusammenfassung und Darlegung des Glaubens- oder Lehrgehalts des Judentums“ (Kohler 1910, 1). Im Grundriß einer systematischen Theologie des Judentums, in dem Kohler auch zu Anfang seine Definition von jüdischer Theologie darlegt, spielt die Bibel eine Schlüsselrolle, da sie die erste literarische Manifestation der Religion des Prophetismus ist. k.  David Tzvi Hoffmann (1844 – 1921)

Biographie

David Hoffmann, der heute vor allem durch seine Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Bibelwissenschaft und hier insbesondere den Forschungen von Julius Wellhausen (1844 – 1918) bekannt ist, war es zunächst nicht in die Wiege gelegt, zum Streiter für eine moderne, aber doch jüdische Bibelauslegung zu werden. Hoffmann stammte aus Verbó (Ungarn) und besuchte zunächst die Jeschivot in Verbó und Pápa und kam 1860 in die Rabbinats-Schule von Esriel Hildesheimer in Eisenstadt (vgl. auch oben 9.1.b.). Von

9.2. Persönlichkeiten    329

1862 an, übrigens gemeinsam mit Hyle Wechsler (Elchanan-Henlein Pinchas Mosche Chajjim, 1843 – 1894), besuchte er nicht nur die berühmte von Mosche Schreiber ‚Chatam Sofer‘ (1762 – 1839) gegründete Jeschiva* in Pressburg, sondern absolvierte gleichzeitig auch ein (evangelisches!) Gymnasium, das er 1865 mit dem Abitur abschloss. Von 1865 – 68 studierte Hoffmann an der Universität Wien Philo- Wissenschaftliche sophie, Altphilologie, (österreichische) Geschichte und Orientali- Ausbildung sche Sprachen und ging nach einem Zwischenaufenthalt in Berlin, wo er an Hildesheimers Bet Midrasch* lernte, 1871 nach Tübingen. Im selben Jahr wurde er dort mit einer literar-historischen Arbeit zu dem babylonischen Amoräer* Samuel ben Abba ha Kohen promoviert. Die Arbeit wurde 1873 publiziert (Mar Samuel. Rector der jüdischen Akademie zu Nehardea in Babylonien. Lebensbild eines talmudischen Weisen der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts nach den Quellen dargestellt), allerdings ohne den Hinweis darauf, dass es sich hierbei um seine Dissertation handelte. Von 1873 bis zu seinem Tod unterrichtete er am Orthodoxen Rabbiner-Seminar in Berlin die Fächer Talmud* und Codex-Literatur sowie Pentateuch. Diese Fächerzusammenstellung zeigt schon exemplarisch Hoffmanns Ausrichtung, denn Bibel (im altorientalischen Kontext), d. h. Hebräisch, Exegese (der übrigen biblischen Bücher) und Philosophie unterrichtete am Seminar der Arabist Jacob Barth (1851 – 1914). Nach Hildesheimers Tod 1899 übernahm Hoffmann auch die Leitung des Seminars. Daneben amtierte er am Bet Din* der Austrittsgemeinde Adass Jisroel. Er starb 1921 in Berlin. Wie es sich für einen gesetzestreuen Lehrer ziemte, konzentrier- Mar Samuel ten sich Hoffmanns Arbeiten auf die halachischen Teile der jüdischen Traditionsliteratur sowie auf die Tora (d. i. der Pentateuch). Wie es sich aber gleichzeitig für einen jüdischen Wissenschaftler am Ende des 19. Jahrhunderts gehörte, setzte er sich dabei formal und inhaltlich intensiv mit den Methoden der historischen und philologischen Wissenschaft auseinander. Ein Einstieg in diese persönliche ‚Synthese‘ war sicher seine Dissertation über Mar Samuel. Mar Samuel nimmt formal und inhaltlich in einzigartiger Weise Leben und (Gelehrten)-Wirken Hildesheimers wie auch Hoffmanns vorweg (und rückt damit gleichsam in die Nähe des exemplums). Die Darstellung Hoffmanns konzentriert sich jedoch, wie bereits der Titel insinuiert (‚Rector …‘), auf die Periode der Wirksamkeit Mar Samuels als Haupt des Bet Midrasch* und Bet Din* in Nehardea, stellt also Mar Samuel vor allem als halachische Autorität vor. Die Gründung der ‚Hochschulen‘ in Nehardea und Sura habe den Juden Babyloniens vor allem ihre geistige Selbstständigkeit gebracht (Mar Samuel, 28) und damit Babylonien vor allen anderen

330    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Hoffmanns religionspolitischer Spagat

Orthodoxe Angriffe auf Mar Samuel

Schriften zum Pentateuch

Ländern der Diaspora eine Vorrangstellung eingeräumt. Ziel sei es gewesen, nicht mehr nach Palästina abzuwandern, sondern das geistige Leben der Juden in Babylonien zu stärken (Mar Samuel, 35 – 36) und „der sich weiter fortpflanzenden Traditionslehre eine einheitliche Grundlage“ (Mar Samuel, 28) zu bieten. Mar Samuel habe das Studium der Wissenschaften als religiöse Pflicht geübt und dabei auch den intensiven Austausch mit nichtjüdischen Astrologen nicht gescheut (Mar Samuel, 40 – 48). Strenge Absonderung habe für Babylonien nicht gegolten, schon gar nicht für theologische Dispute mit nicht-jüdischen Theologen. Hoffmann lässt Mar Samuel als ersten Apologeten in die Geschichte eingehen, wie überhaupt die Beschreibung von Mar Samuels Umgang mit den Nicht-Juden in vielen Teilen eine Vorwegnahme dessen darstellt, was Hoffmann 1885 in seinem Buch Der Schulchan-Aruch und die Rabbinen über das Verhältniß der Juden zu Andersgläubigen beschreiben sollte: den Anspruch eines ungezwungenen wissenschaftlichen Austausches, Rechtschaffenheit, Toleranz und Versöhnlichkeit. Mar Samuel, das an vielen Stellen deutlich unter dem Einfluss der Arbeiten Schelomo Jehuda Rappoports steht und diesen mehrfach explizit aufnimmt, blieb in orthodoxen Kreisen nicht unwidersprochen. Hyle Wechsler attackierte das Buch als kefira ba-iqqar (Gottesleugnung), woraufhin Hoffmann Gutachten von Samson  Raphael Hirsch und dem Londoner Rabbiner Natan Adler einholte. Adler gab ein positives Urteil ab, Hirschs Begutachtung indes stellte eine vernichtende Kritik dar, die der von Hyle Wechsler in nichts nachstand. Die harsche Kritik Hirschs und der Vorwurf der ‚Häresie‘ musste Hoffmanns wissenschaftliche Arbeit ebenso treffen wie sein jüdisches (toratreues) Selbstverständnis. Dass Hoffmann wie selbstverständlich auch die Vertreter der Reformbewegung zitierte und auf ihren Arbeiten aufbaute, stellte das eigentliche Sakrileg in den Augen seiner orthodoxen Zeitgenossen dar. Hirsch stieß sich aber auch an der Charakterisierung Mar Samuels als eines „Gesetzeserneuerers“, wohl wissend, dass es Hoffmann eben nicht einfach um ein biographisches Portrait Mar Samuels und / oder die Schilderung der Zustände im damaligen Babylonien ging, als vielmehr darum, unter Berufung auf die rabbinische Epoche die Gesetzestreue auf der einen Seite und seine literar-historische Arbeit auf der anderen Seite mittels des Rückgriffes auf die talmudische Zeit zu rechtfertigen. Hoffmann hat ausschließlich zum Pentateuch und zu entsprechenden Themen (Priester / Leviten; Opfergesetze; Feiertage etc.) gearbeitet. Es gibt von ihm keine Schriften zu den Propheten oder den Schriften. Die Hebräische Bibel interessierte ihn lediglich in ihrer

9.2. Persönlichkeiten    331

religionsgesetzlichen und rabbinisch rezipierten Gestalt, was ihn wiederum in eine Reihe mit Meklenburg, Malbim und Netziv stellt. Bereits 1878 erschienen seine Abhandlungen über die pentateuchischen Gesetze. Er verfasste vor allem zu den religionsgesetzlich relevanten Büchern des Pentateuch ausführliche Kommentare (zum Buch Leviticus 1905 / 06; zum Buch Deuteronomium 1913 / 22). Kleinere Miszellen zu den Büchern Genesis und Exodus, die aber nicht als fortlaufender Kommentar herausgegeben wurden, finden sich in verschiedenen Reihenpublikationen oder Zeitschriften. So setzen sich seine in der Zeitschrift Jeschurun publizierten Probleme der Pentateuch-Exegese (NF 1914 – 19) von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen vor allem mit der zeitgenössischen Quellenscheidung auseinander. Seit den 60er Jahren wurden seine wichtigsten Arbeiten zu den tannaitischen* Midraschim* (1968) sowie seine Kommentare zu Deuteronomium (1960 / 61) und Leviticus (1963 / 64) ins Hebräische übersetzt. 1971 erschien Sefer Bereschit, 2010 Sefer Schemot, beide kompiliert und übersetzt von Ascher Wasserteil, dem deutsches Kommentar-Material vorlag; eine genaue Verhältnisbestimmung dieser Übersetzungen zum Nachlass David Hoffmanns steht jedoch bislang aus. Bekannt ist vor allem seine zweiteilige Abhandlung Die Wichtigs- Gegen die ten Instanzen gegen die Graf-Wellhausensche Hypothese (1902 / 03 Graf-Wellhausen­ und 1914 / 15). Erschienen in den Jahres-Bericht[en] des Rabbiner-­ sche Hypothese Seminars zu Berlin, zeigt sie darin bereits das Lesepublikum an, das hier eine „orthodoxe Impfung“ gegen die Bibelkritik erhalten sollte (Isaac Breuer; zitiert in Liss 2004, 33, Anm. 60). Sie richtet sich gegen die von Julius Wellhausen (1844 – 1918) formulierte Neuere Urkundenhypothese zur Entstehung des Pentateuch, wonach Jahwist (J) und Elohist (E) etwa um 850 und die Grundfassung des Deuteronomiums (D) im 7. Jahrhundert entstanden, und diese Zusammenstellung um ca. 400 durch die Quelle P (Priesterkodex / Priesterschrift) nacharrangiert und erweitert worden sei. Die Diskussion um die relative chronologische Zuordnung der Quellen und das Postulat von P als dem jüngsten literarischen stratum führte dazu, dass die von Wellhausen behauptete These, man könne das israelitische Altertum nicht ohne Propheten, aber ohne das Gesetz, d. h. ohne die in P enthaltene exilisch-nachexilische Gesetzgebung, verstehen (‚lex post prophetas‘), von der Orthodoxie als Angriff auf das Gesetz überhaupt verstanden wurde, zumal ja auch die Reformbewegung mit der traditionellen Halakha* haderte. Anstatt aber die literar-historische Entstehung der schriftlichen Tora unabhängig von ihrer späteren rabbinischen und jüdischen Rezeption zu diskutieren – das historische Alter allein begründet ja noch keine Autorität – , wollte Hoffmann nun umgekehrt, aber auf derselben

332    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Die Rezeption von Hoffmanns Schriften zur Bibel

Hoffmanns rabbinisches Œuvre

methodischen Grundlage nachweisen, dass P den übrigen Quellenschriften (vor allem D) zeitlich vorangegangen war. Hoffmanns Ansatz ist später (wenn auch mit anderen Schwerpunktsetzungen) vor allem von Yehezkel Kaufmann aufgegriffen und innerhalb der israelischen und amerikanischen Bibelwissenschaft (Menahem Haran, Israel Knohl, Moshe Greenberg und Jacob Milgrom) vielfach rezipiert worden (dazu Liss 2004; 2006). Wie schon seine Dissertation Mar Samuel wurden auch seine bibelwissenschaftlichen Arbeiten von der Orthodoxie abgelehnt. Man verstand nicht, wie die jüdischen Zeitgenossen durch eine solche wissenschaftliche Arbeit wieder zur Tora und darin zur Gesetzestreue zurückgeführt werden könnten. Auch sein Bemühen, Anschluss an die nicht-jüdische wissenschaftliche Arbeit zu finden, indem er neben den klassischen Auslegern auch die protestantischen Alttestamentler wie August Knobel, Carl Friedrich Keil, Hermann Leberecht Strack und Julius Wellhausen wie selbstverständlich zitierte, vertrug sich nicht mit einer toratreuen Haltung. Der Leviticus- und der Deuteronomium-Kommentar wurden erst seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts sowohl auf christlicher Seite (z. B. von Rolf Rendtorff) als auch in der modernen Orthodoxie Israels verstärkt wahrgenommen. Dies hängt damit zusammen, dass viele biblische Gesetze (vor allem in diesen beiden Büchern der Tora) tatsächlich nur unter Zuhilfenahme der rabbinischen Auslegungs- und Praxisdiskurse verständlich werden. Anders war dies hingegen bei den narrativen Teilen der Tora (Genesis; Exodus). Hier hatte sich Hoffmann das methodische Grundgerüst der protestantischen Exegese ganz zu eigen gemacht, die Sache selbst aber auf den Kopf gestellt, indem nun mit literar-historischen Mitteln die göttliche Autorität und mosaische Autorschaft bewiesen werden sollte: „War für die jüdische Traditionsliteratur wie auch noch für Hirsch die göttliche Autorität des Textes die Voraussetzung für ihre Auslegungen, so war sie für Hoffmann das Ziel seiner Untersuchungen“ (Liss 2004, 34). Natürlich lässt sich dies historisch nicht verifizieren, genauso wenig wie umgekehrt die damals wie heute angestellten literar-historischen Rekonstruktionsversuche am biblischen Text, die ja damit endeten, dass zumindest der Elohist wie auch der Jahwist schon längst zu Grabe getragen wurden (Gertz u. a. 2016; Hartenstein / Schmid 2015; Gertz / Schmid / Witte 2002). Neben seinen Arbeiten zur Bibel verfasste Hoffmann eine Reihe von Untersuchungen zur rabbinischen Literatur, u. a. Die erste Mischna und die Controversen der Tannaim (1882, übersetzt ins Hebräische 1914: Ha-Mischna ha-Rischona u-Felugta de-Tanna’ei), Zur Einleitung in die halachischen Midraschim (1887, übersetzt ins Hebräische 1928: Le-Cheqer Midresche ha-Tanna’im), Die

9.2. Persönlichkeiten    333

Mischna-Ordnung Nesikin uebersetzt und erklaert mit Einleitung (1898) oder Zur Einleitung in die Mechilta de Rabbi Simon ben Jochai (1906). Dass der durch David Hoffmann vertretene (neo-orthodoxe) David Hoffmann Ansatz einer ‚toratreuen wissenschaftlichen‘ Erforschung der Bi- und die Hebräische bel keine schulbildende Kraft hatte, zeigt sich insbesondere in den Universität Diskussionen um die Ausgestaltung des Faches Bibel bei der Gründung der Hebräischen Universität (Shapiro 1999). Im Rahmen der Jewish Studies sollten hier zwei Lehrstühle für Bibel geschaffen werden: ein der traditionellen Bibelauslegung nach orthodoxem Muster verpflichteter, der andere als Exponent der modernen Bibelkritik. Auch Hoffmann hatte zwar zunächst auf die Gefahren und etwaige Konflikte hingewiesen, die das Aufeinanderprallen von moderner Wissenschaft und traditionellem Bibelstudium vor allem für traditionstreue Juden mit sich bringen könnte, dennoch aber dafür plädiert, die Universität nicht den reformorientierten Kreisen allein zu überlassen. So sollten zwei theologische Fakultäten für Bibel- und Talmudstudium* gegründet werden, eine streng gesetzestreuer und eine eher reformorientierter Provenienz. Allerdings zog er sein Plädoyer kurz darauf zurück und argumentierte, dass die Orthodoxie in dieser Frage völlig gespalten und auch er daher zu keiner autoritativen Meinung befugt sei. Schließlich wurde an der Hebrew University 1925 zunächst ein Lehrstuhl für Palästinakunde und biblische Archäologie eingerichtet, ab 1926 / 27 gab es auch Kurse in der jüdischen Auslegungsliteratur, unterrichtet durch Moshe Tzvi (Moses Hirsch) Segal (1876 – 1968). Erst 1939 wurde Umberto Cassuto als Professor für Bibel berufen (zum Ganzen auch unten Kap. 10.1.). l.  Benno Jacob (1862 – 1945) Benno Jacob, geboren im schlesischen Frankenstein (Ząbkowice Biographie Śląskie), entstammte einer langen Reihe von Rabbinergenerationen. In seiner Jugend erhielt er eine gründliche hebräische und altphilologische Ausbildung, an die sich nach dem Abitur 1883 das Studium an der Universität Breslau (Klassische Philologie und Philosophie) sowie am Jüdisch-Theologischen Seminar daselbst anschloss (1883 – 90). Er leistete einen einjährigen Militärdienst ab (1887 / 88) und wurde 1889 mit einer Arbeit über das Esterbuch in der Septuaginta* promoviert. Nach kurzer Tätigkeit als Lehrer in Breslau (1889) amtierte er von 1891 – 1906 als Rabbiner in Göttingen, wo u. a. Julius Wellhausen (1844 – 1918), Rudolf Smend sen. (1851 – 1913) und Wilhelm Bousset (1865 – 1920) lehrten. Von persönlichen Begegnungen zwischen ihnen ist jedoch nichts wei-

334    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums ter bekannt (Liwak 2013). Von 1906 – 29 war Benno Jacob als Rabbiner in Dortmund tätig, bis er 1929 in den Ruhestand ging und 1931 nach Hamburg übersiedelte. Benno Jacob hat zeit seines Lebens gegen Antisemitismus und Antijudaismus in Gesellschaft und Wissenschaft gekämpft (dazu v. a. Wiese 1999, 182 – 198); dennoch war er kein Zionist. Von einem Besuch bei seinem Sohn Ewald in Palästina (1934!) kehrte er nach Deutschland zurück, um 1939 aus extrem prekärer Lage noch nach England zu emigrieren. Zwar hat sich Jacob 1935 auf den zweiten Bibel-Lehrstuhl an der Hebräischen Universität Jerusalem beworben. Eine Berufung kam aber nicht zustande, nicht nur aus Altersgründen, sondern wohl auch wegen seiner mangelnden Kenntnisse des Modernhebräischen (Jürgensen 2003). Benno Jacob starb 1945 in London. Schriften zur Bibel Benno Jacob war nicht einfach ein Rabbiner, der auch zur Bibel schrieb: Er war ein Bibelwissenschaftler, aber er beschäftigte sich auch als Lehrer und Rabbiner mit der Frage nach der Vermittlung von Bibelwissen und Bibelwissenschaft in den weiteren Kreis der jüdischen Gemeinde und Schule. Für ihn war „die primäre Beziehung der Tora zu Israel der maßgebliche hermeneutische Schlüssel“ (Schüle 2003, 47). Deshalb hat ihn auch die Relation zwischen wissenschaftlicher Bibelauslegung und konfessioneller Gebundenheit am meisten beschäftigt. Sein Genesis-Kommentar sollte ein „wissenschaftlicher, unabhängiger jüdischer Kommentar“ sein, der „von unserer Gemeinschaft die Beschämung nehmen sollte, zur wissenschaftlichen Belehrung (…) nur auf christliche Kommentare angewiesen zu sein“ (Jacob 1934, 12). Mit dieser Definition einer ‚jüdischen Bibelwissenschaft‘ eckte er aber unter seinen liberalen Zeitgenossen immer wieder an (Lattki 2016, bes. 96 – 112). Seine Schriften zur Bibel lassen sich nicht leicht unter einem Stichwort zusammenfassen. Bereits in seiner Dissertation über die Septuagintaversion* des Esterbuches (Das Buch Esther bei den LXX, 1890) erweist sich Jacob als sicherer Philologe und Bibelkritiker, denn die Arbeit enthält nicht nur einen umfangreichen textkritischen Teil, sondern auch eine detaillierte Untersuchung zu Ort und Abfassungszeit. Für die Bibelübersetzung von Harry Torczyner (1937; vgl. oben Kap. 9.1.c.) übersetzte er die Bücher der Könige. Obwohl er für den Lehrplan im Schulunterricht die gesamte Bibel vorsah (mit Schwerpunkten auf Jesaja, Jeremia und den Psalmen [letztere vor allem für die Mädchen]), galt sein Hauptaugenmerk für die wissenschaftliche Arbeit allerdings dem Pentateuch. Schriften zum Benno Jacob hat nicht nur gegen die auch in der christlichen Pentateuch exegetischen Forschung immer wieder herrschenden Vorurteile gearbeitet (Im Namen Gottes, eine sprachliche und religionsgeschichtliche Untersuchung, 1903; oder Auge um Auge, eine Unter-

9.2. Persönlichkeiten    335

suchung zum Alten und Neuen Testament, 1929). Seine Arbeiten setzen sich beinahe von Anfang an und bis zum Schluss mit der zeitgenössischen protestantischen Quellenkritik und Religionsgeschichte auseinander. Wichtige Arbeiten entstanden in seiner Göttinger Zeit sicher nicht zufällig, denn seine Kritik an der Neuen Urkundenhypothese richtete sich natürlich gegen die Wellhausen-Schule (Jürgensen 2003). Neben einer Vielzahl von kleineren und größeren Miszellen zu einzelnen biblischen Themen (vollständige Bibliographie in Jacob 1997, 1090 – 1098) sei hier nur auf seine umfangreichen Studien Der Pentateuch. Exegetisch-kritische Forschungen (1905), Die Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri (1909), Die Thora Moses (1912 / 1913), Quellenscheidung und Exegese im Pentateuch (1916) oder Mose am Dornbusch (1922) verwiesen. Sein umfangreicher Kommentar zum Buch Genesis (1934), in gewisser Weise die Quintessenz seines wissenschaftlichen Werkes, enthält nicht nur einen eigenen Anhang zur Quellenscheidung, sondern sucht durchgehend den entwicklungsgeschichtlichen Gedanken (gegen Albrecht Alt, Hugo Gressmann u. a.) zurückzuweisen. Obwohl der Kommentar zum Buch Exodus noch in Deutschland begonnen wurde (1934), hat Benno Jacob ihn erst in seinem Londoner Exil nach mehrfacher Überarbeitung 1944 abgeschlossen. 1992 erschien die englische Ausgabe dieses Kommentares (übersetzt von Walter Jacob und Yaakov Elman). Ihr war 1964 ein Auszug aus diesem Kommentar mit dem Titel The First and Second Commandments vorausgegangen. Die Originalfassung in deutscher Sprache konnte erst 1997 erscheinen. Ein Leviticus-Kommentar blieb fragmentarisch; von ihm liegt lediglich ein Typoskript vor, das Übersetzungen und Kommentartexte bis Lev 5,8 bzw. 4,16 umfasst (immerhin bereits 112 Seiten). Überblickt man das Gesamtwerk von Benno Jacob, so zeigt sich, dass seine früheren Arbeiten deutlich kritischer sind als sein Spätwerk (so auch Gesundheit 2002), und wenn er beispielsweise eine „Entwicklung der Religion zwischen Jakob und Mose“ zurückweist (Jacob 1934, 319), so offenbart er darin auch eine für heutiges Verständnis unangemessene historisierende Auffassung der Patriarchen- und der Mosezeit. Man täte Benno Jacob allerdings Unrecht, wenn man ihn aus- Benno Jacob als schließlich als Apologeten und Gegner der protestantischen Bi- ‚jüdischer‘ Exeget belauslegung verstehen möchte. Seine Pentateuchstudien zeigen in Teilen eine stupende Detailverliebtheit, die schon damalige, aber auch heutige Leserinnen und Leser ebenso fasziniert wie aufs Erste ratlos zurücklässt: Bereits im Pentateuch (1905) widmet er einen Großteil der Untersuchung einer detaillierten Analyse der Chronologien, der Zahlen und der Zahlensystematik, und diese nu-

336    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums merologischen Abhandlungen und Berechnungen werden in den Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri (1909) auf die Spitze getrieben, um die Einheitlichkeit des biblischen Zahlensystems aufzuweisen. Yaakov Elman hat ihn deshalb in die Reihe traditioneller jüdischer Exegeten gestellt, denen es vor allem um den Aufweis von exegetischer Relevanz auch der kleinsten sprachlichen oder numerologischen Details geht (‚meaningfulness‘ oder ‚omnisignificance‘; Elman 2002), und die darin auch die exegetische Relevanz der Intertextualität stark gemacht hatten. Dass Benno Jacob diese Kompositionstechnik auch immer wieder gegen die zeitgenössische Literarkritik ins Feld führte, weil seine Zahlenspekulationen voraussetzen, dass der Text genau so erhalten ist, wie ihn der Verfasser niedergeschrieben hat (Jacob 1909, 35 spricht von der „unvergleichlichen Treue der Textüberlieferung“), ändert nichts daran, dass sich seinen Arbeiten unter diesem Aspekt durchaus neue (neu-alte) exegetische Impulse abgewinnen lassen. Die Bibel als Nicht nur in seinen numerologischen Spekulationen, auch in ‚Quelle des Lebens‘ seinem Wissenschaftsverständnis erweist sich Benno Jacob immer wieder als ein getreuer Nachfolger Samson Raphael Hirschs, und dies, obwohl er ein liberaler Rabbiner war. Bibelstudium sollte zum jüdischen Leben führen, nicht als „verwitterte Schicht des religiösen Lebens“ im „Alterthumsmuseum“ (Jacob 1898, Nr. 43, 513) verschwinden: ein Echo von Hirschs harschem Wort über jene, die sich um die Erarbeitung von Abfassungszeit und Autor der selichot* bemühten, statt diese zu beten, wenn es Zeit dafür sei. Dennoch lehnte er die religionsgeschichtlichen Untersuchungen und deren Ergebnisse nicht rundweg ab: als Reaktion auf den sog. Babel-Bibel-Streit (vgl. auch unten Kap. 9.3.g.) konstatiert er, dass „der Stern Israels umso heller strahle“, wenn man ihn gegen die dunkle Folie des antiken Heidenthums ansehe (dazu ausführlich Liwak 2013). Tatsächlich war es aber gerade der konservativere Bibelforscher und Rabbiner Sigmund Jampel, der sich mit Benno Jacob auch immer wieder wissenschaftliche Gefechte lieferte (Jampel 1910; dazu von der Krone 2012, bes. 309 – 327) und der diesen Stern noch viel deutlicher zum Leuchten bringen wollte (vgl. unten Kap. 9.3.g.). m.  Sigmund Jampel (1874 – 1934) Biographie

Sigmund Jampel wurde 1874 in Tucholka (Galizien) geboren und entstammte einer orthodoxen Familie. Nach traditionellem Talmudstudium* in Preßburg studierte er semitische Sprachen in Heidelberg und Gießen und schloss das Studium 1905 mit einer

9.2. Persönlichkeiten    337

Promotion zum Esterbuch ab (Die Beurteilung des Estherbuches und des Purimfestes bei den jüdischen Gesetzeslehrern der nachalttestamentlichen Zeit). Nach einigen Jahren als Rabbinatsassessor in Fulda (1894 – 1900) kam er 1910 nach Schwedt an der Oder und amtierte dort als Rabbiner bis zu seinem Tod 1934. Neben seinem Rabbinat arbeitete er als Lehrer für die Jüdische Gemeinde in Berlin. Obwohl Jampel zeitlebens dem traditionellen Judentum verbunden blieb und sowohl gegen die „liberalen“ als auch die „konservativen“ Zeitgenossen wetterte (Jampel 1928), suchte er die Ergebnisse der zeitgenössischen Archäologie und Altorientalistik für die Geschichte Israels fruchtbar zu machen. Neben Gelehrten wie David Heinrich Müller (1846 – 1912), der den Codex Hammurabi* ins Hebräische übersetzte (Müller 1903), gehörte auch Jampel zu denjenigen, die sich auf jüdischer Seite ernsthaft mit der Relation zwischen den Primärquellen, d. h. Ausgrabungen und epigraphischen Funden, und den Sekundärquellen, d. h. den literarischen Zeugnissen der Bibel, beschäftigte. Dabei ging es ihm auch nicht nur um die ‚hehre Wissenschaft‘ als solche; vielmehr suchte er mit Hilfe der Archäologie die „frivolen Thesen“ (Jampel 1928, 82) Wellhausens zu erschüttern und nachzuweisen, dass „auf Grund unserer stets zunehmenden Kenntnis der orientalischen Religionsgeschichte (…) sich nämlich die sog. ‚vorprophetische Literatur Israels‘ immer mehr als gleichzeitige historische Überlieferung“ erweist (Jampel 1909a, 646). So arbeitete er zu dem für die Bücher Esra / Nehemia relevanten epigraphischen Material (Die Wiederherstellung Israels unter den Achämeniden, 1902 – 04) und nahm auch nach seiner Promotion seine Studien zum Esterbuch nochmals auf (Esther. Eine historisch-kritische Untersuchung, 1905; Das Buch Esther in geschichtlicher Beleuchtung, 1906; Studien zum Buche Esther, 1906; Das Buch Esther auf seine Geschichtlichkeit kritisch untersucht, 1907; Esther und Purim im Lichte der Geschichte, 1911; detaillierte Bibliographie in Jansen 2009, 310). Vor allem die Ausgrabungen in Susa gaben ihm hier Material an die Hand, das als archäologischer Kronzeuge für die Beschreibungen des königlichen Palastes im Esterbuch fungieren sollte. Seine Arbeiten zu den Papyrusfunden (Der Papyrusfund von Assuan, 1907; Die neuesten Papyrusfunde in Elephantine, 1911), die auch kommentierte Transkriptionen und Übersetzungen enthalten, verweisen uns Heutige einmal mehr auf den Tatbestand, dass die Verschlossenheit der Universitäten für die damalige hochdifferenzierte Wissenschaft des Judentums nicht nur für die jüdischen Gelehrten und Studierenden selbst zum Schaden war, sondern für alle damals Studierenden (vor allem die christlichen), denen dadurch

Schriften zur bibli­ schen Archäologie

Marginalisierung der Jüdischen Wissenschaft

338    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums großartige Lehrer, aber auch spannende Kontroversen vorenthalten wurden, die sie außerhalb der Universität nur im Ausnahmefall durch ihre Schriften kennenlernten, denn die jüdischen Diskurse fanden in den jüdischen Zeitungen statt: sowohl in den orthodoxen wie liberalen und an ein breiteres Publikum gerichteten Zeitungen wie der Allgemeine[n] Zeitung des Judentums (ab 1837) oder Jeschurun (ab 1854) als auch in der jüdischen Wissenschaftspresse, der Zeitschrift für die Wissenschaft des Judenthums (ab 1822 / 23) oder der berühmten Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums (1851 – 1939), die infolge der Marginalisierung der Wissenschaft des Judentums von der christlichen Wissenschaft nur im Ausnahmefall wahrgenommen wurden (zum Ganzen ausführlich von der Krone 2012). Archäologie als Als Nachhall zum sog. Babel-Bibel-Streit, den Friedrich Delitzsch Kriegsschauplatz (1850 – 1922) mit seinen Vorlesungen zwischen 1902 und 1904 ausgelöst hatte (Gebauer 2015; Shavit / Eran 2007, bes. 195 – 352), sind Jampels Artikel Die bibelwissenschaftliche Literatur der letzten Jahre (1907 – 08), Neueste exegetische Methoden (1910) sowie sein Buch Vom Kriegsschauplatz der israelitischen Religionswissenschaft (1909) anzusehen (vgl. auch unten Kap. 9.3.g.). Hier setzt sich Jampel kritisch mit den zeitgenössischen Ergebnissen, aber auch den ‚Blüten‘ der damaligen Altorientalistik auseinander. So wirft er dem Marburger Altorientalisten Peter Jensen (1861 – 1936) und dessen Gilgamesch-Epos in der Weltliteratur (1906) vor, „sämtliche biblische Ereignisse in Gilgamesch aufzulösen“ (Jampel 1910, 394) und prangert dies als „Gilgamesch-Wahnsinn“ (ebd.) an. n.  Umberto Mosche David Cassuto (1883 – 1951) Biographie

Umberto Cassuto wurde in eine traditionell ausgerichtete jüdische Florentiner-Familie hineingeboren. Seine rabbinische Ausbildung erhielt er am Rabbinerseminar von Florenz, wo er 1908 zum Rabbiner ordiniert wurde. Gleichzeitig studierte er an der Universität Florenz und schloss das Studium 1906 ab. Von großem Einfluss war sein Lehrer Samuel Hirsch Margulies (1858 – 1922), der selbst in Breslau und Leipzig semitische Sprachen studiert hatte und diesen Anspruch einer gründlichen philologischen Ausbildung an seine Schüler weitergab. Bis 1922 blieb Cassuto in verschiedenen Funktionen am Rabbinerseminar und folgte Margulies nach dessen Tod auf den dortigen Posten des Rektors, bis er 1925 eine Professur für hebräische Sprache und Literatur an der Universität Florenz annahm. 1933 folgte er dem Ruf auf eine Professur für Semitistik und Hebräisch an die Universität Rom (La Sapienza), einen Posten, den er nur noch bis 1938 bekleiden konnte. 1939 nahm er einen Ruf

9.2. Persönlichkeiten    339

als Bibelwissenschaftler an die Hebräische Universität in Jerusalem an, wo er bis zu seinem Tod 1951 unterrichtete. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in Italien verfasste Cassuto Werke zur Geschichte der italienischen Juden (vollständige Bibliographie in Cassuto-Salzmann 1954) und arbeitete verschiedene hebräische Handschriften- und Inkunabelbestände* in der Biblioteca Vaticana (Cassuto 1956) sowie weiteren Bibliotheken Italiens auf (Cassuto 1929). Cassutos Schwerpunkte lagen auf dem biblischen Schrifttum im Vergleich zu, aber auch als Teil der altorientalischen Schriftkulturen. Er verfasste Kommentare zu den Büchern Genesis (Ital. 1934; Hebr. 1944; Engl. 1961 – 64) und Exodus (Hebr. 1951; Engl. 1967). Cassuto war einer der ersten Bibelwissenschaftler, die die Relevanz der 1929 gemachten Funde von Ugarit (in Mīnet el-Bēḍā und auf Tell Rās Šamra) erkannten und für die wissenschaftliche Arbeit an der Bibel fruchtbar zu machen suchte. Hier befand er sich inhaltlich in vielfacher Übereinstimmung mit den Vertretern der skandinavischen ‚Myth and Ritual School‘. Die durch diese Funde bekannt gewordenen Epen, Lieder und Ritualtexte in ugaritischer, akkadischer und hurritischer Sprache und die mit Ba‘al in Verbindung stehenden Motive wie Chaoskampf, Gottesberg oder Königtum Gottes sind aus der biblischen Exegese heute nicht mehr wegzudenken (Grätz 2006). Bereits 1939 erschienen Untersuchungen zu den Ostraka von Lachisch (Cassuto 1939), seine erste komparatistische Arbeit legte er mit Schirat ha-Alilah be-Yisrael (1944) vor. 1951 erschien Cassutos Übersetzung kanaanäischer Anat-Epen ins Hebräische unter dem Titel Ha-Ela Anat (Engl. The Goddess Anath: Canaanite Epics of the Patriarchal Age, 1971) Obwohl er die ‚höhere Kritik‘ nicht grundsätzlich ablehnte, war er doch ein entschiedener Gegner der Graf-Wellhausen’schen Neueren Urkundenhypothese. Bereits 1941 veröffentlichte Cassuto acht Vorlesungen, in denen er sich mit der Wellhausen-Schule auseinandersetzt (Torat ha-Te‘udot: We-Sidduram schel Sifre ha-Tora; Engl. 1961 als The Documentary Hypothesis and the Composition of the Pentateuch). Ausgehend von seinen Forschungen zu Ugarit postulierte er stattdessen eine lange Tradition poetischer Epen, die in die biblischen Texte eingegangen seien. 1966 erschien eine Zusammenstellung verschiedener Abhandlungen unter dem Titel Mechqarim ba-Miqra u-va-Mizrach ha-Qadmon (Engl. Biblical and Oriental Studies, 1973 – 75).

Kodikologischpaläographische Schriften

Schriften zur Bibel und zum Alten Orient Ugarit und die Bibel

Gegen die Neuere Urkundenhypo­ these

340    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums o.  Harry Torczyner (Naftali Herz Tur-Sinai; 1886 – 1973) Naftali Herz Tur-Sinai wurde als Harry Torczyner in Lemberg geboren, wuchs aber in Wien auf und ging auch dort zur Schule. Von 1905 – 09 studierte er an der Universität Wien semitische Sprachen und besuchte gleichzeitig die dortige Israelitisch-Theologische Lehranstalt (vgl. oben Kap. 9.1.b.), wo er bei David Heinrich Müller lernte, von dem er wichtige Impulse hinsichtlich der Frage nach der sprachlichen und kulturgeschichtlichen Relevanz der Altorientalistik für die Bibelwissenschaft erhielt (vgl. Müller 1903). Nach einem kurzen Aufenthalt in Jerusalem, wo Tur-Sinai als Lehrer an einem von ihm selbst mitbegründeten Gymnasium unterrichtete (1910 – 12), ging er zurück nach Wien, um dort von 1913 – 19 als Privatdozent an der Universität Wien im Fach Semitistik zu lehren. 1919 – 33 war er Dozent für Bibel und Semitische Philologie an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. 1933 wanderte er nach Israel ein und lehrte von da an als Professor für hebräische Sprache an der Hebräischen Universität. Seit 1934 amtierte er als Präsident des ‚Rat[es] der hebräischen Sprache‘ (Wa‘ad ha-Laschon ha-Ivrit; ab 1953 ‚Akademie für die hebräische Sprache‘ ha-Aqademja la-Laschon ha-Ivrit). Er starb 1973 in Jerusalem. Schriften zur Bibel Neben seiner 1935 – 37 erschienenen und von ihm redigierten Bibelübersetzung (vgl. oben 9.1.c.) arbeitete Tur-Sinai vor allem philologisch-semitistisch. Bereits 1916 veröffentlichte er Die Entstehung des semitischen Sprachtypus. Sein Kommentar zum Buch Hiob (1920) und die Schrift Die Bundeslade und die Anfänge der Religion Israels (1922) erschienen gleich zu Beginn seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Der Hiob-Kommentar geht bereits auf seine Zeit in Wien zurück und beleuchtet das Buch konsequent unter sprachwissenschaftlichen Aspekten. Dabei geht er mit dem Tradenten / Abschreiber des Buches Hiob und dessen Hebräischkenntnissen nicht zimperlich um und formuliert auch darüber hinaus manch kühne These: So war er der Meinung, dass aufgrund der schlechten Überlieferung der Papyrushandschriften „abgesehen von den Klageliedern, von denen es zu Kultzwecken wohl mehrere Abschriften gegeben hat, (…) die Bibel keinen poetischen Abschnitt von größerem Umfang aufzuweisen [hat], der uns halbwegs in seiner ursprünglichen Ordnung erhalten wäre“ (Tur-Sinai 1920, VI). Tur-Sinai hat die Hebräische Bibel konsequent vor ihrem sprachlichen und kulturgeschichtlichen Hintergrund untersucht. So stammt die Erstedition der in paläo-hebräischer Schrift notierten Ostraka aus Lachisch (Tell ed-Duweir), die sog. Lachisch Letters (entdeckt von James Leslie Starkey Anfang 1935) aus seiner Feder Biographie

9.2. Persönlichkeiten    341

(Tur-Sinai 1938). Auch als Universitätslehrer für die hebräische Sprache publizierte Tur-Sinai kontinuierlich zur (Sprache der) Bibel: 1950 erschien The Literary Character of the Book of Psalms; eine Vielzahl einzelner biblischer Studien wurden unter dem Titel Peschuto schel Miqra (1962 – 68) herausgegeben. 1927 veröffentlichte er (gemeinsam mit Simon M. Laser) ein Sprachwissen­ Deutsch-Hebräisches Wörterbuch. Zwischen 1934 und 1954 war schaftliche Arbeiten er Herausgeber der Zeitschrift Leshonenu. Darüber hinaus setzte er die Arbeit am Complete Dictionary of Ancient and Modern Hebrew (1908 – 59) von Eli‘ezer Ben-Yehuda (1858 – 1922) fort. p.  Yehezkel Kaufmann (1889 – 1963) Yehezkel Kaufmann (Chaskel Koifmann) wurde 1889 in Dunajewzi Biographie (Ukraine) geboren und erhielt zunächst eine traditionelle jüdische Erziehung (Cheder*; Talmud* Tora). Profane Bildung erwarb er sich nach eigener Auskunft bei Privatlehrern (Krapf 2017; Staubli 2017; Krapf 1990). 1910 kam er an die von David Günzburg gegründete Petersburger Akademie für Jüdische und Orientalische Studien, 1913 setzte er sein Studium der Philosophie und Semitistik in Bern (Schweiz) fort, das er 1918 mit einer Promotion zum Doktor der Philosophie abschloss (Eine Abhandlung über den zureichenden Grund. Erster Teil: der logische Grund; Berlin 1920). Seine Promotion und eine kleinere Kritik an Husserl sollten jedoch seine einzigen Publikationen im Bereich der Philosophie bleiben. Ca. 1920 ging Kaufmann nach Berlin, wo er jedoch weder Neuanfang in Israel wissenschaftlich noch ökonomisch Fuß fassen konnte, sodass er 1928 nach Israel einwanderte. Er kam zunächst nach Haifa und unterrichtete an einem von dem aus Deutschland stammenden Semitisten Arthur Biram gegründeten Gymnasium (Bet ha-Sefer ha-Reali) Bibel und Hebräische Literatur. 1949 erhielt er einen Ruf an die Hebräische Universität Jerusalem auf den Lehrstuhl für Bibel, den er bis 1957 innehatte. Dass er diesen Lehrstuhl erst im Alter von 60 Jahren erhielt, zwanzig Jahre nachdem sich der hebräische Dichter Chaim Nachman Bialik (1873 – 1934) 1930 für seine Berufung beim Kanzler und späteren Präsidenten der Universität, Judah Leon Magnes, eingesetzt hatte (dazu Krapf 1990, 60), mag mit den Differenzen zusammenhängen, die zwischen Umberto Cassuto und Kaufmann bestanden, vielleicht auch insgesamt mit den Auseinandersetzungen, die gerade um die Abteilung für Bibel an der Hebräischen Universität von Anfang an bestanden hatten (Shavit / Eran 2007, 371 – 471). Yehezkel Kaufmann starb 1963 in Jerusalem. Er hat das Fach Bibel für den nachfolgenden hebräischsprachigen akademischen Diskurs wie kaum einer vor ihm geprägt.

342    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Kurz nach seiner Immigration nach Israel veröffentlichte Kaufmann seine sozialgeschichtliche Untersuchung Gola we-Nekhar (‚Exil und Fremde‘; 4 Bde., 1929 / 30), die Bialik als ein Werk charakterisierte, das „alle grundlegenden Probleme des Schicksales Israels unter den Völkern vom Tage, da es ins Exil ging, bis heute“ erfasse (Zitat nach Krapf 1990, 60). Gola we-Nekhar analysiert die Faktoren, die für Israels Schicksal in der nachbiblischen Zeit und der Zeit der Diaspora bestimmend waren und legt damit bereits die Grundlage für die wichtigste These Kaufmanns, die er in seiner Religionsgeschichte ausarbeiten sollte. Nach Kaufmann war es vor allem die Religion Israels, im Besonderen der biblische Monotheismus, gewesen, der Israels Einzigartigkeit von Anfang an ausgemacht habe. Hatte Kaufmann bereits in seiner Berliner Zeit, aber auch noch als Lehrer in Haifa kleinere Arbeiten zur israelitischen Religionsgeschichte verfasst und publiziert (detaillierte Bibliographie in Elrefaei 2016, 288 – 289; Haran 1960), so entschloss er sich wohl spätestens mit den Ereignissen 1933 dazu, seine umfangreiche und ursprünglich auf Deutsch konzipierte vierbändige Religionsgeschichte (Toldot ha-Emuna ha-Jisra’elit; 1937 – 56) wie alle weiteren Werke (mit nur einer Ausnahme; Kaufmann 1954) auf Hebräisch zu veröffentlichen. Obwohl die Toldot im Titel den historiographischen Rahmen von den ältesten Zeiten bis in die zweite Tempelperiode spannen (mijjeme qedem ad sof bajit scheni), endet die Darstellung mit dem Ende der Perserzeit (333 v. u. Z.; dazu zuletzt auch Jindo 2017). In seinen letzten Jahren erschienen 1956 seine Schrift Ha-Sippur ha-Miqra’i al Kibbusch ha-Aretz (‚Der biblische Bericht von der Landnahme‘; 1956) sowie ein Josua-Kommentar (1959; dazu zuletzt Wazana 2017) und ein Kommentar zum Richterbuch (1962), die beide uneingeschränkt die in den Toldot entwickelte religionsgeschichtliche These vom hohen Alter der biblischen Berichte und ihrer Historizität aufnehmen. Die Entstehung des Zentral in Kaufmanns Denken ist die Idee, dass der monotheisMonotheismus tische Gedanke in frühester Zeit in Israel entstanden sei, und zwar in Israel nicht als eine allmählich sich vollziehende Entwicklung, sondern als grundsätzlicher, aber umso wirkungsvollerer Gegensatz zum paganen Polytheismus. Die entscheidende Differenz zwischen Israel und den paganen Umweltkulturen und -religionen habe darin gelegen, dass Israel keinen Mythos der Theogonie, d. h. einen Mythos über Gottes Sein, sein Werden, kurz eine für das polytheistische Denken übliche Metaphysik entwickelt habe (zum Ganzen ausführlich Knohl 2017; Elrefaei 2016, 115 – 142; Krapf 1990, 81 – 113). Nach Kaufmann zeigt die Tatsache, dass die biblischen Schriften, die die paganen Religionen nur noch als (Götzen-)Verehrung von Holzoder Steingöttern, allenfalls als Sternenanbetung beschreiben, und Schriften zur bibli­ schen Geschichte

9.2. Persönlichkeiten    343

nichts (mehr) über die metaphysische Realität anderer Götter erkennen lassen, dass bereits zur Entstehungszeit der frühesten literarischen strata der Bibel die Götter gestorben und der mythologische Polytheismus ausgerottet waren. Die Bibel entstamme einem reinen monotheistischen Milieu: Gott ist der Höchste, er beherrscht die Welt, und dies, ohne dass darin eine magische Realität formuliert werden müsse. Diese biblische Religion sei schon zu mosaischer Zeit entstanden, und so mutiert bei Kaufmann Mose zum Gründungsvater des biblischen Monotheismus. Nach Kaufmann entsprang also der Monotheismus weniger einer literarischen Elite-Religion als dem israelitischen Volksglauben. Damit entwickelte er gleichzeitig eine Auffassung vom Verhältnis zwischen Prophetie und Tora, die der damaligen protestantischen Bibelwissenschaft, aber auch den (jüdischen wie christlichen) Vertretern der Idee des Geistes der Prophetie als sukzessive Entfaltung des ethischen Monotheismus diametral entgegenstand: Hatte insbesondere Bernhard Duhm (1847 – 1928) die Auffassung vertreten, wonach gerade die Propheten die religionsgeschichtliche Entwicklung Israels maßgeblich vorangetrieben hatten, und darin die Graf-Wellhausen’sche Hypothese des lex post prophetas (vgl. oben Kap. 9.2.k.) bestätigt, so behauptete Kaufmann, dass sich der israelitische Monotheismus unabhängig von der späteren literarischen Prophetie entwickelt habe. Die historischen Bücher der Hebräischen Bibel zeigten, dass die Propheten ursprünglich einfache Weissager und Wundermänner gewesen seien; die josianische Reform sei mit dem priesterlichen Milieu verbunden gewesen. Der Ansicht Wellhausens, der vom biblischen Monotheismus behauptet hatte, er sei evolutionistisch entstanden und deshalb nicht „mit einem Sprunge zur Zeit Abrahams oder zur Zeit Moses aus dem Heidentum ausgewandert, sondern [habe] sich langsam daraus emporgearbeitet“ (Wellhausen 1965, 80), setzte Kaufmann die These entgegen, dass „diese Idee zuerst als Gedankenblitz, als ursprüngliche Intuition erschienen ist. Die(se) neue religiöse Idee hat nie eine abstrakte, systematische Ausarbeitung in Israel erhalten. Vielmehr hat sie Elemente der Volksreligion aufgenommen und darin die israelitische Kreativität vollständig durchdrungen“ (Kaufmann 1960, 60). Der entscheidende Ausdruck sei die Vorstellung einer omnipotenten, höchsten Gottheit gewesen, deren Wille sich im Gesetz zum Ausdruck gebracht habe (Kaufmann 1933; 1960, 60 – 149). Entsprechend fällt bei Kaufmann auch die literar-historische Rekonstruktion der biblischen Schriften bzw. Quellen aus (Kaufmann 1930; 1933; 1960, 153 – 211): Der biblische Monotheismus wird in der Tora widergespiegelt, und zwar in deren ältestem Dokument, dem Priesterkodex. Hierin nimmt Kaufmann auch David Hoff-

Tora versus Prophetie

Die Datierung des Priesterkodex

344    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums mann wieder auf, wenngleich der hermeneutische Hintergrund ein völlig anderer ist: Stand für Hoffmann das Gesetz als zentrales Element im Vordergrund, das deshalb auch historisch möglichst in die Frühzeit verlegt werden sollte, so argumentierte Kaufmann, dass die Tora das Gesetz als Element der Frühzeit der religionsgeschichtlichen Entwicklung ausweise, und das Gesetz damit die eigentliche Quelle für den biblischen Monotheismus darstelle (dazu auch Elrefaei 2016, bes. 95 – 114). Nach Kaufmann war Israels Religion also von Anfang an monotheistisch, und obwohl er die von der protestantischen Bibelwissenschaft vorausgesetzte Quellenscheidungs- und Urkundenhypothese grundsätzlich akzeptierte, stellte er doch, wie vor ihm schon Hoffmann, deren Reihenfolge auf den Kopf, weil er den Priesterkodex vor das Deuteronomium platzierte und die Tora insgesamt den Propheten vorangehen ließ. Nachhall Wie bei kaum einem anderen jüdischen Bibelwissenschaftler lässt sich die unterschiedliche Rezeption von Kaufmanns Entwurf zur frühen Religion Israels, vor allem seine Frühdatierung des Priesterkodex, so einmütig konfessionell aufteilen: Die christliche Bibelwissenschaft hat seinen Entwurf von Anfang an durchweg abgelehnt, während die israelische/(amerikanisch-)jüdische Bibelwissenschaft, vertreten u. a. durch Menahem Haran, Moshe Greenberg, Moshe Weinfeld, Avi Hurvitz oder Jacob Milgrom unterschiedliche, oftmals auch linguistische, Argumente aufbot, um bei dieser These bleiben zu können (dazu ausführlich Blenkinsopp 1996). Bis heute hat sich an dieser ‚jüdisch-christlichen Datierungsdifferenz‘ des ‚Priesterkodex‘ (im alttestamentlichen Sprachgebrauch: ‚Priesterschrift‘) trotz aller Unterschiede auf der christlichen Seite hinsichtlich der Bestimmung seines literarischen Umfanges oder der Charakterisierung als Quelle oder Redaktion kaum etwas geändert (zum Ganzen zuletzt Hartenstein / Schmid 2015). q.  Isac Leo (Arie) Seeligmann (1907 – 1982) Biographie

Isac Leo Seeligmann stammte aus Amsterdam und erhielt seine höhere akademische Ausbildung sowohl am Niederländischen Israelitischen Seminar als auch an der Universität Amsterdam, wo er vor allem Griechisch und Latein studierte (Hoogewoud 2007). Von 1936 an unterrichtete er am Seminar, bis er in die Mühlen der nationalsozialistischen Verfolgung geriet und die Lager Westerbork und Theresienstadt nur knapp überlebte. 1946 übernahm er die Judaica- und Hebraica-Sammlung der Bibliotheca Rosenthaliana Amsterdam und erhielt 1949 einen Ruf an die Hebräische Universität auf die Nachfolge des Lektorats von Moshe Tzvi Segal, dem er 1950 folgte, anfangs allerdings nur auf einen halben Lehrstuhl

9.2. Persönlichkeiten    345

(er teilte sich das Lektorat zunächst mit Yehezkel Kaufmann; vgl. unten Kap. 10.1.). Die Ernennung zum Professor erfolgte 1956, und er wirkte in dieser Position bis 1977. Seeligmann starb 1982. Entsprechend seiner altphilologischen Ausbildung interessierte Wichtige Schriften sich Isac Seeligmann vor allem für die Textgeschichte der Hebräi- zur Bibel schen Bibel und die biblische Historiographie. Er war neben Benno Jacob einer der wenigen jüdischen Bibelwissenschaftler im 20. Jahrhundert, die zur Septuaginta* arbeiteten. Seiner Dissertation zur Septuagint Version of Isaiah: A Discussion of Its Problems (1948) gingen bereits kleinere Septuagintastudien voraus (eine detaillierte Bibliographie in Seeligmann 2004a, 493 – 499). Mit seinem berühmten Aufsatz Voraussetzungen der Midraschexegese (1953; in: Seeligmann 2004a) war er nach Geiger der erste moderne Bibelwissenschaftler, der den jüdischen Midrasch* und die biblischen Literaturen in ihrem Entstehungsstadium zusammendachte und so jene Idee prägte, die heute als ‚innerbiblischer Midrasch‘ aus der alttestamentlichen Wissenschaft nicht mehr wegzudenken ist (wenngleich auch dieser Ausdruck nicht ganz unproblematisch ist). Mit Untersuchungen zur Textgeschichte der Hebräischen Bibel (1956) und Indications of Editorial Alteration and Adaptation in the Massoretic Text and the Septuagint (1961) oder Hebräische Erzählung und biblische Geschichtsschreibung (1962; alle nachgedruckt und / oder übersetzt in Seeligmann 2004a) war Seeligmann vielleicht überhaupt der erste jüdische (israelische) Bibelwissenschaftler, der den christlichen Alttestamentlern auf Augenhöhe begegnen konnte. 2004 brachte Erhard Blum die wichtigsten Forschungsbeiträge Seeligmanns in deutscher Übersetzung unter dem Titel Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel heraus und fügte dem Band einen ausführlichen biographischen Essay von Rudolf Smend bei („Begegnung mit Isac Leo Seeligmann“; Seeligmann 2004a, 469 – 492). Er zeugt davon, dass sich Seeligmann wie kein anderer israelischer Bibelwissenschaftler vor ihm in die europäischen Netzwerke der alttestamentlichen Forschung begab. r.  Paul Kahles jüdische Schüler und Kollegen Ein kleiner Kreis jüdischer (z. T. orthodoxer) Wissenschaftler schar- Paul Kahle te sich kurz nach dem Ersten Weltkrieg um den Gießener Orienta- (1875 – 1964) listen Paul Kahle (1875 – 1964). Kahle, von Haus aus lutherischer Theologe und Semitist (Halle a. d. Saale), übernahm 1914 den Lehrstuhl für Orientalische Philologie und Islamkunde in Gießen. 1938 wurde er zwangsemeritiert, weil er und seine Familie jüdischen Freunden und Mitbürgern Unterstützung und Hilfe hatten angedeihen lassen. Die Familie Kahle emigrierte nach England. Kahle

346    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

Israel Rabin (1882 – 1952)

Jechi’el Ja‘aqov Weinberg (1884 – 1966)

Julius Moritz Lewy (1895 – 1963)

Mendel Billig (Menahem Zulay; 1900 – 1954)

kehrte erst 1963, ein Jahr vor seinem Tod, aus familiären Gründen nach Deutschland zurück. Insbesondere das Studium der Masora, das er maßgeblich vorangetrieben hatte und das bis heute in der alttestamentlichen Wissenschaft nur zur niederen Kritik gehört, hat durch den Ausschluss Kahles aus dem deutschen Wissenschaftsbetrieb nachhaltig gelitten. In Gießen befreundete sich Kahle zunächst mit dem Lektor für ‚Jüdische Wissenschaften‘ am Orientalischen Seminar, Israel Rabin (1882 – 1952), mit dem er intensiv an liturgischen Texten mit palästinischer Punktation arbeitete. Rabin, aus Proskurov (Ukraine), wurde 1907 in Bern promoviert und zunächst Leiter des Rabbinerseminars in Odessa, bis er 1919 zum Lektor für ‚Jüdische Wissenschaften‘ am Orientalischen Seminar Gießen berufen wurde (Wiese 1999, 356 – 357). Über Rabin lernte Kahle Jechi’el Ja‘aqov Weinberg (1884 – 1966) kennen, einen litauischen Rabbiner aus Pilviškiai, der Rabins Lehrauftrag ab 1921 übernahm. Weinberg sollte 1923 mit einer Arbeit zu den frühen Versionen der Targumim* promovieren, reichte allerdings nach der mündlichen Doktorprüfung die verlangte Revision der Dissertation nicht mehr ein und schloss deshalb auch das Promotionsverfahren nie offiziell ab (Shapiro 1997; 1999). Weinberg amtierte später als der letzte Rektor des Orthodoxen Rabbinerseminars in Berlin bis zu dessen Schließung (von 1932 – 38) und überlebte die Nazi-Zeit im Warschauer Ghetto und in einem sowjetischen Strafgefangenenlager, bis er nach dem Krieg in die Schweiz übersiedelte (Shapiro 1999, 76 – 109). 1922 stieß auch der jüdische Assyriologe Julius Moritz Lewy (1895 – 1963) aus Berlin zu dem Gießener Kreis um Paul Kahle. Lewy unterrichtete Akkadisch und erhielt 1930 die Professur für Assyriologie. Nach seiner Entlassung 1933 emigrierte er über Paris in die USA und lehrte als Professor für Semitistik bis 1963 am Hebrew Union College. Neben der Gruppe um Lewy und Weinberg in Gießen pflegte Kahle auch in Bonn intensiven Kontakt zu jüdischen Studenten und Kollegen. Einer der frühen Bonner Schüler Kahles war Mendel Billig (Menahem Zulay; 1900 – 54) aus Roudky in Galizien, der in Eretz Israel am Lipschitz-Institute studiert und ab 1926 für Schelomo Zalman Schocken in Zwickau gearbeitet hatte. Zulay wurde bei Kahle mit einer Arbeit zur Liturgie der babylonischen* Juden promoviert und veröffentlichte verschiedene Studien zu den Geniza-Texten*. Er wanderte 1934 nach Eretz Israel ein und arbeitete bis zu seinem Tode in der Schocken-Library in Jerusalem. Auch dort war er noch wissenschaftlich tätig. 1964 erschien posthum

9.3.  Neue Zugänge    347

seine Studie Ha-Askola ha-Pajetanit schel R. Sa‘adja Gaon (‚Die liturgischen Dichtungen von R. Sa‘adja und seiner Schule‘). Etwa zur gleichen Zeit begegnete Kahle dem Hebraisten und Romanisten Kurt Levy (1907 – 35), der in Genf und Hamburg studiert hatte. Levy hatte zu Ladino gearbeitet und erforschte nun die frühe Vokalisation des Hebräischen. Seit 1930 war er Assistent am Orientalischen Seminar in Halle und veröffentlichte 1933 unter Kahle eine Monographie zur Geschichte der Hebräischen Lautlehre (Zur masoretischen Grammatik. Texte und Untersuchungen). Ein weiterer bedeutender Bonner Schüler Kahles war Lazar Lipschütz (1899 – 1975; Hoffmann 2015, bes. 39 – 42). Lipschütz assistierte Kahle bei dessen Arbeiten an der Masora von MS Leningrad, Evr. I B 19a für die Biblia Hebraica (BHK3) und wurde 1935 mit einer Studie zu Michael ben Uzziels Kitāb Al-Khilaf promoviert. Nach dem Krieg arbeitete er bis 1971 als Gemeinderabbiner und bis 1972 als Landesrabbiner von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Nicht zuletzt muss Harry Levy, einer der wenigen in Deutschland (Stettin) geborenen Juden unter den Kahle-Schülern, erwähnt werden. Levy, der seit 1932 unter Ismar Elbogen an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin studiert hatte (vgl. oben Kap. 9.1.b.), arbeitete seit 1935 mit Kahle an den tiberiensischen Masoreten-Schulen und an der Edition der masoretischen Schrift Adat Deborim (‚Bienenschwarm‘) des Josef ha-Qostandini. Da Levy jedoch als Jude in Bonn nicht mehr promovieren durfte, schickte Kahle ihn zu Gottfried Widmer nach Bern, wo er 1938 mit einer kritischen Teiledition von Adat Deborim (gedruckt in Berlin 1939) promoviert wurde. Nach dem Krieg lebte Harry Levy als Rabbiner Jehezkel Levy in Israel, hatte aber, vermittelt durch den Züricher Rabbiner Dr. J. Speier, seit 1956 wieder Kontakt zu Paul Kahle (Kahle 1961, 15). Der weitere Lebenslauf von Harry Levy ist bislang ungeklärt.

9.3. Neue Zugänge a.  Alt-neue Wege in der rabbinischen Bibelauslegung Zeichnet sich die osteuropäische und vor allem die litauische Orthodoxie dadurch aus, dass man die Zusammengehörigkeit zwischen schriftlicher und mündlicher Tora oder die Übereinstimmung zwischen Peschat* und Derasch* niemals ernsthaft in Frage gestellt hat, so konnte dies im 19. Jahrhundert doch nicht mehr so pauschal behauptet werden. Daher sollen die hier vorzustellenden Auslegungen zeigen, wie unterschiedlich die einzelnen Gelehrten zu Werke gingen: Alle bemühten sich dabei um einen ‚wissenschaftlichen‘

Kurt Levy (1907 – 1935)

Lazar Lipschütz (1899 – 1975)

Harry Levy (1914 – ?)

348    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Zugang, und man kann durchaus dem Rosenzweig’schen Diktum folgen, der sagte: „Der Wissenschaft folgen wir doch immer, nur eben unserer“ (Rosenzweig 1984, XI). Manche, wie Meklenburg und vor allem Malbim, suchten rabbinische Auslegungen mit Hilfe sprachlich-linguistischer Beobachtungen als dem Bibeltext bereits inhärent auszuweisen, andere, wie der die deutsche Neo-Orthodoxie repräsentierende Hirsch, erstellten ein ganz eigenes System ‚rabbinisch-philosophischer‘ Wissenschaft. All dies war insbesondere mit Blick auf die halachischen Teile des Pentateuch von Relevanz. Rabbinische Ein gutes Beispiel dafür ist die Auslegung von Ja‘aqov Tzvi Philologie Meklenburg zu Lev 21,9. Der Bibeltext lautet: Wenn aber eine Priestertochter (u-vat isch kohen) sich entweiht, indem sie hurt, so entweiht sie ihren Vater: im Feuer soll sie verbrannt werden. Bereits die rabbinische Literatur diskutiert an dieser Stelle, ob hier einfach alle Priestertöchter, oder nicht doch nur die verheirateten, gemeint seien. Raschi ad. loc. legt dar, dass die verwendete Verbform deutlich mache, dass hier nur eine verheiratete Frau gemeint sein könne, die sich durch eine verbotene geschlechtliche Zusammenkunft entweiht. Meklenburg erklärt wie folgt: Meklenburg zu Lev 21,9

Eine (nicht mehr ledige) Priestertochter (u-vat isch kohen): Das Wort ‚Mann‘ (isch) scheint (auf den ersten Blick) überflüssig zu sein; es hätte auch ausgereicht, (an dieser Stelle) u-vat kohen ‚eine Priestertochter‘ zu formulieren. Mir scheint jedoch aus diesem Ausdruck zwingend hervorzugehen, dass der Vers hier nicht von einer ungebundenen, sondern von einer verlobten oder verheirateten (Frau) spricht, denn das Nomen ben ‚Sohn‘ wie auch bat ‚Tochter‘ kommt von der Wurzel ‫[ בנה‬bana ‚bauen‘], denn die Nachkommen der Väter sind diejenigen, die nach ihnen ihre Häuser bauen. Wie (schon unsere Weisen) sagten: Wer Kinder hat, wird ‚(auf)gebaut‘ (banuj) genannt; wer hingegen keine Kinder hat, wird ‚niedergerissen‘ (harus) genannt [vgl. bNed 64b] (…) (Wenn der Vers) sagt: Und dann magst du dein Haus bauen (Spr 24,27), so will er damit sagen ‚(dann) kannst du dir eine Frau nehmen.‘ Und in einem solchen (Zusammenhang) wird auch eine verheiratete Frau bat ‚Tochter‘ genannt, wie (in) … hatte Mordecai sie sich zur ‚Tochter‘ [d. h. zur Frau; vgl. bMeg 13a] genommen (Est 2,7). Und es schlief in seinem Schoß und war ihm wie eine Tochter (2Sam 12,2), wie es in (Bavli) Megilla gesagt wird (…) [es folgt ein Exkurs zu Num 26,46, der Tochter Serachs]. So auch hier: der Ausdruck bat ‚Tochter‘ wird im wörtlichen und im erweiterten (doppelten) Sinn verwendet: Mit Blick auf ihre Abstammung von ihrem Vater her wird sie ‚Priestertochter‘ (bat kohen) genannt. Mit Blick darauf, dass sie einem Mann angeheiratet wurde, um ihm sein Haus zu bauen, wird sie ‚Tochter eines Mannes‘ (bat isch) genannt (Meklenburg ad loc., ed. 2015, 122).

Bereits der Talmud* diskutiert (bSan 51a), ob mit dem Ausdruck u-vat isch kohen einfach jede Tochter eines Priesters, ob verheiratet, verlobt oder noch ledig, oder nur eine verheiratete / verlobte Tochter gemeint ist (und dieser Fall wird wiederum für jeden Stand Kohen,

9.3.  Neue Zugänge    349

Levi, Israel eigens diskutiert). Aber anders als Raschi, der sich mit dem lapidaren Satz auf die talmudische Diskussion beruft, dass hier keine ledige (penuja) Frau gemeint sei, bietet Meklenburg eine Reihe intertextueller Beispiele auf, die die rabbinische Diskussion linguistisch unterstützen können. Gleichzeitig sucht er mit Hilfe der Etymologie von bat/ben die doppelte Bedeutung von Tochter und Ehefrau zu rechtfertigen. Seine Eingangsargumentation dient dabei dem Nachweis, dass kein Wort in der Schrift überflüssig sei und eine exegetische Operation daher vor allem die Multivalenz einer sprachlichen Wendung aufzuzeigen habe. In der Kommentierung zu Ma’amar ha-Tora, seiner Einleitung zu Meklenburgs Ha-Ketav we-ha-Qabbala, in der Meklenburg seine Hermeneutik Hermeneutik in ausführlich darlegt, finden sich grundsätzliche Überlegungen zur Ma’amar ha-Tora Ausdrucksweise der schriftlichen Tora, die damit einsetzen, dass der sprachliche Ausdruck, sei er auch auf den ersten Blick redundant oder verkürzend, darin den Anspruch zeige, den Ausleger zum vertieften Nachdenken anzuregen: Aus der Tatsache heraus, dass es an vielen Stellen in der Tora Ausschweifungen oder Doppelungen gibt, wie beispielsweise die Erzählung von Elieser, dem Knecht Abrahams (…), können wir (nun auch umgekehrt) erkennen, dass an anderen Stellen, wo sich die Tora (im Ausdruck) kurz fasst, dies nicht einfach zur Sprachregel der Tora erhoben werden kann, wonach (der sprachliche Ausdruck eben eher) verkürzt werde; vielmehr liegt die Verkürzung eines Ausdruckes in der Tiefendimension dieser Worte (omeq ha-devarim ha-hem) begründet, und sie verpflichtet uns, in unseren exegetischen Untersuchungen über das normale Maß hinauszugehen und uns darum zu bemühen, zum Geheimnis ihrer eigentlichen Aussageabsicht vorzudringen (Meklenburg, Ha-Ketav we-ha-Qabbala, 5 [Nr. 1], ed. 2015).

Die hebräische Sprache ist nach Meklenburg so strukturiert, dass ihre sprachlichen Ausdrucksformen oftmals multivalent sind, und dies nicht nur im Kontext eines Textes oder durch seine Syntax, sondern auch durch ein ungewöhnliches Idiom bis hin zu seiner äußeren Form und Schreibung. Dies bedeutet aber keinen Mangel an sprachlichem Ausdrucksvermögen, sondern umgekehrt die (biblische) Aufforderung des ‚Lege mich aus‘. Ein auf den ersten Blick schwieriger biblischer Ausdruck entspringt also nicht einer sprachlichen Unzulänglichkeit, sondern wird positiv als Herausforderung für den Ausleger verstanden. Nach Jay Harris zeigt sich hierin die Aufnahme und Weiterentwicklung midraschischen* Denkens in der Orthodoxie des 19. Jahrhunderts (J. Harris 1995, 211 – 250): Das Bemühen um den Aufweis dieser indirekt angedeuteten Bedeutungen, also das, was wir Midrasch nennen, besteht nach Meklenburg darin, zu zeigen, dass das, was durch die Traditionsliteratur vermittelt wird, bereits im sprachlichen Ausdruck des schriftlichen (Bibel-)Textes verschlüsselt ist, und dies tatsächlich den Peschat des biblischen Ausdrucks repräsentiert.

350    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Die (nachbiblische) Tradition rettet uns aus den Problemen der (sprachlichen) Ambiguität, während sie uns gleichzeitig erlaubt, die Multivalenz eines Textes positiv zu würdigen (J. Harris 1995, 216). Middot als ‚Merkzeichen‘ und ‚Denkzeichen‘

Meklenburgs Erläuterungen zu Ma’amar ha-Tora umfassen in diesem Zusammenhang eine intensive Auseinandersetzung mit den dreizehn Auslegungsregeln (middot) des R. Jishma‘el (Meklenburg, Ha-Ketav we-ha-Qabbala, 15 – 22 [Nr. 4], ed. 2015). Er unterscheidet zwischen dem siman moda‘i (Meklenburg erklärt es im Deutschen mit dem Begriff ‫‚ מערקמאל‬Merkmal‘), d. h. einem Merk-Zeichen, das mit dem Bezeichneten in einer substantiellen Verbindung steht und die Tiefendimension des Bezeichneten ausleuchtet (mit‘atzem bi-dvar ha-mesuman), und dem siman sikh­ roni (‫‚ דענקמאל‬Denkmal‘), d. h. einem rein äußerlich-assoziativen Merk-Zeichen wie beispielsweise Alliteration, Zahlwert etc. Gott habe Mose nicht einfach die mündliche Tora* in die Hand gegeben, sondern ihm vielmehr hermeneutische Techniken vermittelt, mittels derer er das entsprechende Merkzeichen eines Gebotes ausmachen und darin die intrinsische Relation zwischen der schriftlichen und der mündlichen Tora anhand des sprachlichen Ausdrucks aufzeigen könne (E. Breuer 1995; J. Harris 1995, 216). Dies gilt nicht nur für die halachischen, sondern ebenso auch für die narrativen Teile in der Tora, auch wenn die Erschließung der Tiefendimension des sprachlichen Ausdrucks manchmal nur auf Umwegen zu erreichen ist: Im Kontext des nicht gebotenen Opfers der beiden Söhne Aharons (Nadav und Avihu) in Lev 10,1 – 3 kommt es Meklenburg darauf an, aufzuzeigen, wie die grundsätzlich positive Wertung der Tat Nadavs und Avihus durch die rabbinische Exegese bereits im biblischen Ausdruck mitschwingt:

Meklenburg zu Lev 9,24 und 10,2

9,24 Es verzehrte auf dem Altar: Der Ausdruck ‚Verzehr‘ (akhila) bedeutet (in der Regel) Verderben und Vernichten, wie (in) Der Wald verzehrte an jenem Tag mehr vom Volk, als das Schwert gefressen hatte (2Sam 18,8), und so (auch) in … und sie verzehrten es (Gen 18,8), wo die Engel mit ihrer Kraft das, was ihnen vorgesetzt wurde, verschwinden ließen (samu … le-ajin). So auch hier: … und verzehrte das Hochopfer (‫)פערצעהרטה‬. Es schwingt aber in dem Ausdruck ‚Verzehr‘ noch die Bedeutung der (göttlichen) Annahme einer Sache in Jubel und Freude mit, wie in: Fanden sich Worte von dir, so habe ich sie verzehrt, und deine Worte waren mir zum Jubel und zur Freude meines Herzens (Jer 15,16), und so in: … verzehre diese Buchrolle … und ich verzehrte sie, und da war es süß wie Honig in meinem Mund (Ez 3,3), und in dieser Bedeutung ist auch der Verzehr der Opfer durch das Feuer an dieser Stelle gemeint (…) 10,2 Da ging ein Feuer von dem Ewigen aus und verzehrte sie, und sie starben: Dieser (Ausdruck ‚verzehrte sie‘) bedeutet nicht einfach Verderben oder Vernichtung, denn wenn dies so wäre, warum hätte (der Vers) dann noch ‚und sie starben‘ hinzufügen müssen? Und im (Zusammenhang mit dem Tod) der Gemeinde um Korach sagt es (der Bibeltext gerade) nicht so, wie es heißt: Und Feuer

9.3.  Neue Zugänge    351 ging aus … und verzehrte (Num 16,35) usf., wo er also nach dem Verzehr durch das Feuer den Tod nicht (eigens) erwähnt. Weil tatsächlich die Absicht (der Söhne Aharons) nicht darin bestand, zu sündigen, (sondern), wie unsere Weisen in ihrer Auslegung von Da nahmen die zwei Söhne Aharons erklärten, dass sie, als sie in ihrer Freude, als sie das neue Feuer sahen, das vom Himmel herunterkam und die Opfer verzehrte, Liebe zu Liebe hinzufügen wollten. Da sagte Gott (ha-maqom) zu ihnen: Ihr habt mich ehren wollen, und so ehre ich nun euch (vgl. bZev 115b; Raschi zu Lev 10,3) (…). Und in dieser Hinsicht ist der Ausdruck ‚verzehrte sie‘ in der (oben dargelegten) zweiten Bedeutung von ‚Verzehr‘ zu verstehen: die freudige Annahme ihres Lebens.

Um sein exegetisches Ziel zu erreichen, bedarf es hier mehrerer intertextueller Durchgänge. Der Derasch* steht in unmittelbarer Korrelation zum Peschat*, aber der Peschat ist nicht ohne Weiteres mit dem einfachen Wortsinn eines sprachlichen Ausdruckes identisch, sondern will seinerseits in einer eigenen exegetischen Operation ermittelt werden. So verstanden werden die ‚Merkmale‘ zu einem exegetischen Werkzeug, das Peschat und Derasch nicht nur in ihrer gegenseitigen Beziehung zueinander, sondern in ihren jeweiligen Tiefendimensionen erschließen, und darin die sprachliche Besonderheit des biblischen Ausdrucks einerseits und die Autorität der rabbinischen Auslegung in ihrer bleibenden Gültigkeit andererseits behaupten kann. Im vierten Abschnitt des Darka schel Tora, seinem Sche’il- Netzivs Darka schel tot-Kommentar (Ha‘ameq Sche’ela), bietet Netziv in gewisser Weise Tora die theoretische Grundlage für sein Erziehungsprogramm in der Jeschiva* von Waloschyn, in der jeden Tag ein bestimmtes Bibel-Pensum zu absolvieren war. Auf der Basis von ShemR, Ki Tissa 41, legt Netziv dar, warum ein Talmudgelehrter auch in den biblischen Schriften versiert sein müsse (… de-talmid chakham tzarikh lihjot zariz be-24 sefarim): Gemeint ist nicht, dass er [der talmid chakham] in ihnen (oberflächlich) Der talmid chakbelesen ist, ohne ‚die Falten der Schrift zu glätten‘ [d. h. ohne tiefer in die ham als Schrift einzudringen; vgl. tNeg I,8 u. ö.], denn so stiege er nicht zur Weisheit Bibelgelehrter empor. Das wäre etwa so, wie wenn eine Braut ihren Zierrat (so) in der Hand hält, dass er ganz zerknittert ist, und sie dann nicht mehr anmutig aussehen ließe. Im Gegenteil würde es so aussehen, dass es ihr an Verstand mangele, weil sie nicht weiß, was der eigentliche Zweck dieser Preziosen ist, und wie man damit umgeht. Mit dem Diktum, wonach der talmid chakham (in den gesamten 24 Büchern) versiert sein soll, ist gemeint, dass er wissen soll, wie man zur einfachen Bedeutung der Verse vordringen kann, um aus ihnen vielerlei Weisheit, Sittenlehre (musarim) und Tugenden (middot tovot) zu erfassen (le-haskil), die von ihm zu einer gewissen Stunde verlangt werden. Entsprechend seinem Verständnis der Heiligen Schriften ist seine (allgemeine) Weisheit: So, wie auch bei den Geschmeiden einer Braut nicht alle in ihrem Wert und in ihrer Schönheit gleich sind, so ist zweifellos ein talmid chakham, der ein (tiefreichendes) Verständnis für die biblischen

352    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Schriften (aufweist, höher angesehen) als die übrigen Talmud-Gelehrten. In jedem Fall gilt, dass jeder Talmud-Gelehrte daran gewöhnt sein sollte, etwas Sinnnvolles aus den Heiligen Schriften zu ziehen, denn er wird (darin) mit Rechtschaffenheit und Gottesfurcht umkleidet, (denn) es gibt ja keinen Tugendaspekt und keine (auch profane) Weisheit in der Welt, auf die nicht schon in den Heiligen Schriften angespielt wäre (merummaz), entweder durch einen ungewöhnlichen sprachlichen Ausdruck (schinnui laschon) oder Pleonasmus (kefel) (Netziv, Darka schel Tora, ed. Greenman, 138).

Das Besondere an diesen Ausführungen liegt darin, dass die talmudische* Gelehrsamkeit mit der Versiertheit in den biblischen Schriften korreliert und die Güte des talmid chakham als Bibelgelehrter von seinen bibelexegetischen Fähigkeiten abhängig gemacht wird. Ein rabbinischer Gelehrter erwirbt sich Kenntnisse in Talmud und Codexliteratur für die Ausübung der praktischen Religion; die eigentliche Anerkennung vor Gott und den Menschen, so Netziv, erwirbt er sich, indem er sich jene den Heiligen Schriften inhärente Weisheit, Sittenlehre und Tugend aneignet. Aus diesem Grund gebe es nichts in den Propheten und Schriften, auf das nicht schon durch Mose in der Tora angespielt worden sei (vgl. bTaan 9b): Die grundlegende Weisheit der Tora

Es ist ja bekannt, dass unsere Weisen sel. A. in bTaan (9a) sagen ‚Da staunte Rabbi Jochanan und sprach: Gibt es denn irgendetwas, das in den Schriften geschrieben ist, das nicht in der Tora angedeutet ist (remize be-orajta)?‘ (…) Daher bemühten sich (unsere Weisen), an allen möglichen Stellen eine Anspielung in der Tora auf etwas zu finden, das in den Heiligen Schriften [i. e. Propheten und Schriften] (explizit) dargelegt ist. Es war nämlich bei den ersten rabbinischen Generationen so, (dass) ihre (intellektuelle) Kraft sehr groß war, und sie (daher) die Lichter (der Tora) [d. h. die erleuchtenden Einsichten] schon sahen, die (erst) später in die (restlichen) Schriften (der Bibel) geraten sind, und dies alles durch genaueste Exegese der fünf Fünftel der Tora, um das Verständnis für jedes ungewöhnliche Häkchen (schinnui kol qotz we-qotz) zu mehren (…). Ich möchte sogar (sagen), dass die (früheren Weisen allein) aus der Tora heraus jenes Verständnis erreichten, zu der die späteren Generationen erst (aus der Auslegung) der 24 Bücher (insgesamt) gelangen konnten (Netziv, Darka schel Tora, ed. Greenman, 141).

Auch hier behauptet Netziv, dass es vor allem auf die Fähigkeit zur diffizilen linguistischen Wahrnehmung ankomme, um die in der Tora bereits angelegten Wahrheiten auch in den übrigen Heiligen Schriften zu finden. Dass ihm bewusst war, dass er mit der traditionellen Behauptung der zeitlichen Vorgängigkeit der Tora vor den Propheten und den Schriften gleichzeitig die Gegenposition zur westeuropäischen Bibelkritik einnahm, ist eher nicht anzunehmen, mag aber den Späteren zur Stütze ihrer Argumentation gedient haben. Die Unverän­ Die Relevanz traditionellen Torastudiums wird bei Netziv so derlichkeit des hoch angesetzt, dass ihre bleibende und unveränderliche QualiTorastudiums tät bis zurück zur Wüstengeneration Israels behauptet wird (Perl

9.3.  Neue Zugänge    353

2012, 190 – 237). Ausgehend von der Erklärung zu Ex 27,6 (Mache auch Stangen für den Altar, Stangen aus Akazienholz), wo Netziv zunächst ausführlich den umständlichen sprachlichen Ausdruck und die Unterschiede zwischen der Beschreibung der Bundeslade (aron) und dem Altar ausführt, gelangt er zur je verschiedenen Kraft und Wirkmacht von Tora-Erhöhung (d. h. Tora-Lernen) und Gottesdienst: Mehr noch: die Kraft der Tora (koach ha-tora) ist verschieden von der Kraft Netziv zu Ex 27,6 des Gottesdienstes (koach ha-avoda), denn die Kraft der Tora ist (noch heute) in derselben Form erhaben, wie sie (schon seinerzeit) in der Wüste und (später auch) im Land Israel erhaben war. Mag es auch Unterschiede in der Art des Studiums der Tora (schinnujim be-ofen ha-ijjun ba-tora) gegeben haben, entsprechend dem Bedürfnis der (jeweiligen) Zeit, so war es doch alles in allem von derselben Art, (nämlich) die Sprache der Schrift genauestens zu untersuchen und Lehre hinzuzufügen ([d. h. neue Interpretationen hervorzubringen] vgl. Spr 16,21), was nun beim Gottesdienst nicht so ist, denn nicht nur, dass das Gebet anstelle des Opferdienstes trat, so hat auch jeder Gottesdienst seine je eigene Form (Netziv, Ha‘ameq Davar Ex 27,6, S. 341, ed. Kuperman).

Schon die Wüstengeneration, so Netziv, habe das Studium der Tora in einer ganz bestimmten Weise kultiviert, die sich bis heute gehalten habe, und darin sei es hinsichtlich seiner Wertbeständigkeit dem Gottesdienst überlegen. Hier kommt gleichzeitig das litauische Ideal der gelehrten Orthodoxie zum Ausdruck, das sich gegen die Frömmigkeit des Chasidismus* richtet. Wie schon Ja‘aqov Tzvi Meklenburg vor ihm legt auch ­Netziv Exegetische ‚Hilfe großen Wert auf die Feststellung, dass Mose nicht einfach die zur Selbsthilfe‘ mündliche Tora* übermittelt, sondern auch die Auslegungsregeln (middot*) gelehrt habe, mit deren Hilfe Israel selbst zu neuen Auslegungen gelangen könne (zum Ganzen Elman 2010): Und darüber sagten (unsere Weisen) in Chagiga 6 (vgl. bHag 6b) und Sota 37 (vgl. bSot 37b), dass Mose das Allgemeine auf dem Sinai lernte und die Einzelheiten im Zelt der Begegnung wiederholte (…). Und in der Tat, der Satz ‚(alles), was der Ewige (ihm für sie) geboten hatte‘ (Dtn 1,3bβ), umfasst auch die Überlieferungen, die Mose von der großen Kraft (mippi ha-gevura [zu diesem Ausdruck vgl. oben Kap. 6.3.b.]) zukamen, d. h. wie man die Tora auslegt, nämlich die dreizehn Auslegungsregeln, mit denen die Tora ausgelegt wird, und die 32 Auslegungsregeln in der Aggada, und von dort gelangte er zum Talmud, um zu verstehen, wie die Mischna aus der schriftlichen Tora hervorgeht, (und dies alles), damit sie [Israel] verstehen sollten, wie man Lehre hinzufügt (vgl. Spr 16,21), d. h. (Halakhot) aus eigener Überlegung heraus erneuert (u-lechadesch mi-da‘atam) durch die talmudischen Diskussionen (hawajot ha-talmud) (Netziv, Ha‘ameq Davar Dtn 1,3, 3 – 4, ed. Kuperman).

Der hier in Auszügen dargestellte Argumentationsgang (vgl. auch Netzivs Einleitung in das Buch Leviticus) entspringt dem Bemühen,

354    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums das Buch Deuteronomium – Mischne ha-Tora (Dtn 17,18) – nicht einfach als (althergebrachte) ‚Wiederholung‘ zu charakterisieren, sondern es als eine Schrift vorzustellen, der die Möglichkeit zu halachischer Erneuerung bereits inhärent ist. Dazu muss er zwar einige Umwege über rabbinische Diskurse in Kauf nehmen, kann aber die Möglichkeit innovativer und je und je zeitgemäßer Bibelauslegung selbst wiederum in der Tradition verankern. Der Pentateuch als Vor allem in den gesetzlichen Abschnitten des Pentateuch suchte ‚Ergebnisprotokoll‘ auch Samson Raphael Hirsch die notwendige Zusammengehörigkeit zwischen schriftlicher und mündlicher Tora immer wieder her­ auszustellen. Aber bei ihm wird die notwendige Zusammengehörig­ keit zwischen schriftlicher und mündlicher Lehre hinsichtlich der relativen Chronologie umgedreht und darin eine ganz neue Herme­ neutik formuliert. Dies zeigt sich exemplarisch an seiner Auslegung von Ex 21,1 (Beginn Paraschat* Mischpatim), die Gesetze über den hebräischen („ibrischen“) Sklaven. Ausgehend von Ex 21,1 Dies aber sind die Rechtsordnungen, die du ihnen ausführlich auseinander setzen sollst (Übersetzung Hirsch ad loc.), erklärt er: Hirsch zu Ex 21,1

Es heißt aber: ‫‚[ אשר תשים לפניהם‬die du ihnen vorlegen sollst‘] (…). Auf Mittheilung von Gesetzen übertragen, heißt es daher nichts Anderes, als eine dergestalt ausführliche und deutliche Mittheilung, daß sie für die Erkenntniß und Ausführung vollständig und klar vorliegen (…). Es ist damit in der Ueberschrift dieser Gesetze das Faktum constatirt, daß die hier folgenden schriftlichen Aufzeichnungen nur kurze, nackte Sätze enthalten, deren genauere Präcision und vollständige Ausführung der mündlichen Ueberlieferung vorbehalten blieb, wir somit in diesen Sätzen der ‫תורה שבכתב‬ [‚schriftliche Tora‘] nicht schon das Gesetz in seiner Totalität vor uns sehen, wir vielmehr die Vollständigkeit des Gesetzes nur der ‫‚[ תורה שבעל פה‬mündliche Tora‘] zu entnehmen haben (…). Sollte doch aus diesem Buche nicht das Recht geschöpft werden. Sollte es doch dem bereits des Rechtes Kundigen nur als Mittel der Erhaltung und Immerwiederneubelebung seiner dem Gedächtniß anvertrauten Kunde, so wie dem Rechtslehrer zum Lehr-Mittel in die Hand gegeben sein, daran die zu tradirende Rechtskunde also befestigend zu knüpfen, daß es dem aufhorchenden Rechts-Jünger leicht werde, an der Hand der ihm schriftlich vorliegenden Sätze die mündlich empfangene Kunde sich immer auf’s Neue im Geiste zu reproduciren. Es verhält sich die ‫ תורה שבכתב‬zur ‫תורה שבעל פה‬, wie die kurzen Diktate nach einer vollständig mündlich vorgetragenen Disziplin einer Wissenschaft sich zu dem mündlich Vorgetragenen verhalten. Für die Jünger der Wissenschaft, die die mündlichen Vorträge gehört, sind kurze Diktate vollkommen hinreichend, um zu jeder Zeit, an der Hand dieser Diktate, sich die ganze Wissenschaft vollständig gegenwärtig zu halten (…). Für diejenigen, die die mündlichen Vorträge des Meisters nicht gehört, werden solche Diktate völlig unbrauchbar sein. Wollen sie sich lediglich aus ihnen die Wissenschaft construiren, so werden sie vielfach irre gehen müssen; (…) die Wahrheiten, welche die eingeweihten Jünger nur an ihnen reproduciren, nicht aber aus ihnen produciren, werden die Uneingeweihten nur als bodenlose Spiele

9.3.  Neue Zugänge    355 des Witzes und leere Träumereien belächeln (Hirsch 1869, 249 – 251 [alle Hervorhebungen im Original gesperrt gedruckt]).

Die Mose-Tora ist also nach Hirsch nicht einfach die Abbildung des in der Mosezeit geltenden Rechts (vgl. seine Einleitung in die Sklavengesetzgebung ebd., 249), sondern die Nachschrift eines weitaus umfangreicheren theologisch-rechtlichen und einstmals mündlichen Regelwerkes. Die mündliche Tora geht also der schriftlichen voraus und stellt nicht einfach ihre nachträgliche Auslegung oder Ausarbeitung dar. In gewisser Weise befindet sich Hirsch damit im Gleichklang mit den protestantischen Bibelwissenschaftlern, die das biblische Recht mit den weitaus umfangreicheren mesopotamischen Rechtscorpora relationierten und deshalb darum wussten, dass das biblische Regelwerk nicht exhaustiv sein konnte. Aber Hirschs Schlussfolgerungen daraus sind dezidiert der traditionellen jüdischen Lehre verpflichtet: Der wöchentliche Tora-Abschnitt wird bei ihm zur Gedächtnisstütze für jene, die die mündliche Tora bereits gelernt haben und täglich anwenden. Wer also die mündliche Tora nicht beherrscht – und dazu gehören natürlich in jedem Fall die protestantischen Bibelforscher – , versteht die Nachschrift nicht, weil ihm wichtige Informationen fehlen. Der jüdische Gelehrte hat demnach einen enormen Wissensvorsprung; er gehört zur Gruppe der ‚Eingeweihten‘, die nun ihrerseits die ‚bodenlose Produktion‘ der Außenstehenden belächeln kann. Auch aus diesem Grund insistiert Hirsch gegen jede religionsgeschichtliche und literar-historische Forschung auf der Unvergleichbarkeit der Mose-Tora gegenüber ähnlichen Texten und Gattungen antiker Literaturen: Sie [die Tora] ist einzig wie Gott, ihr Schöpfer. Sie hat keine Gemeinschaft Die Unvergleich­ mit anderen Gesetzen (…), unterliegt nicht mit Andern einem höheren Be- barkeit der griff und unterscheidet sich von ihnen etwa nur durch die besondere Art Mose-Tora ihres Seins, daß du nun etwa das Zeichen jenes gemeinschaftlichen Höhern nehmen, und das Merkmal des Besonderen hinzufügen (…) könntest (…). So nicht. Die Thora hat keine Art, gehört zu keiner Gattung, sie ist einzig und, wie Gott, nur sich selber vergleichbar (Hirsch 1902, 81 – 82).

„Die Tora ist alles andere als eine Art Weltkulturerbe des Judentums“ (Schüle 2003, 46), und in diesem Anspruch wird ihm ein halbes Jahrhundert später vor allem Benno Jacob folgen, der in seinen Bibelkommentaren ebenfalls auf der besonderen Relation zwischen der Tora und dem Volk Israel insistiert. Der Hirsch-Kommentar sowohl zum Pentateuch als auch zu den Hirschs Psalmen stilisiert sich in seiner äußeren Form als dem traditionellen symbolische Auslegungsideal der Miqra’ot Gedolot verpflichtet. Dringt man Bibelauslegung jedoch tiefer ein, so zeigt sich, dass dieser Kommentar wie kaum ein anderer einer sehr subjektiven Hermeneutik folgt, deren spe-

356    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums kulative Ingredienzien dem philosophisch-theologischen Zeitgeist entspringen und auf eine beinahe geniale Weise Neues schaffen. Als Beispiel sei hier in gebotener Kürze auf Hirschs Auslegung des Tzi­ tzit-Gebotes in Num 15,37 – 41 verwiesen (Hirsch 1876, 231 – 241; vgl. auch Hirsch 1906, bes. 318 – 348). Bereits seine Übersetzung ist auffällig, denn der aus der täglichen halachischen Praxis bekannte Ausdruck Tzitzit wird bei ihm nicht wie in den meisten anderen Übersetzungen üblich als „Schaufäden“, sondern mit dem Begriff ‚Sprossen‘ übersetzt: „Sprich zu Jisrael’s Söhnen und sage es ihnen so, daß sie sich Sprossen an die Ecken ihrer Kleider machen für ihre Nachkommen, und sollen sie an die Sprossen der Ecke einen Faden himmelblauer Wolle geben“ (Hirsch 1876, 231 – 233). Der elaborierte Kommentar, der nur zu geringsten Teilen auf rabbinische Quellen oder Ausleger und Dezisoren zurückgreift, unterlegt jedes einzelne Detail der Vorschrift mit einer (neuen) Begründung; die Bedeutung der halachischen Praxis ist der Sache symbolhaft inhärent: Hirsch zu Num  15,37 – 41

Vergegenwärtigen wir uns, wie sich das Gesetz selbst über Bedeutung und Zweck dieser Zieziethfäden [sic!] an unseren Gewändern V. 39 – 41 ausspricht, so kann ja hierüber keinerlei Zweifel obwalten. Offenbar sollen sie Erinnerungsmittel sein, durch Vergegenwärtigung des göttlichen Gesetzes und unserer Verpflichtung zu demselben uns vor irrigen zum Abfall von Gott und unserer Pflicht verleitenden Anschauungen zu schützen und uns unserer Bestimmung als Menschen und Juden treu und heilig zu erhalten. Es bleibt nur die Frage nach dem Zusammenhange des von [sic!] Gesetze gewählten Mittels mit der Idee, die es in Erinnerung bringen soll (…) wie die Mila [Beschneidung; H. L.] am Leibe, die Thefillin an Hand und Haupt, die Mesusah am Hause, die Heiligung des Leibes, des Hauptes, der Hand, des Hauses, welchem sie als Symbol angefügt sind, durch Hingebung derselben an ihre göttliche Bestimmung bezwecken, so kündigen sich auch die Ziezith an unsern Kleidern als eine Heiligung des menschlichen Kleides, durch Hingebung desselben an seine von Gott gewiesene Bestimmung an, und um die Bedeutung der Ziezith am Kleide zu finden, müssen wir von der Bedeutung des Kleides für die sittliche Menschenbestimmung ausgehen. Wir müssen dies um so mehr, da der Name Ziezith als ‚Sprossen‘ nicht nur die äußere Darstellung, als aus dem Gewande hervorgehende Fäden, sondern auch ihre symbolische Bestimmung, ‫‚[ והיו לכם לציצת‬diese sollen euch zu Tzitzit sein‘] (…) und somit deutlich ausspricht: es solle durch sie das menschliche Gewand ‚sprossen‘ d. h. die Blüthe und Frucht erringen, die in ihm als Zweck liegt, und ‫‚[ ציצת הכנף‬die Tzitzit des Zipfels‘] zu uns spricht: lasset euer Kleid nichts Unfruchtbares sein, hüllet euch nicht vergebens und gedankenlos in ein menschliches Gewand, lasset das Kleid an euch Das vollbringen, wozu es euch ward (Hirsch 1876, 237 – 238). Das Menschenkleid hat aber ferner eine doppelte Bedeutung: Es ist ‫בגד‬ [‚Bekleidung‘]: soll durch Verhüllung des Thierischen am Menschenleibe den sittlichen Menschencharakter zur Anschauung bringen. Es ist aber auch ‫‚[ כסות‬Bedeckung‘]: gegen die Welt der Elemente deckender Schutz (…). Wie daher das Ziezithgebot für das Kleid als ‫בגד‬, als Verhüllung des sinnlichen Leibes, lautet: ‫[ ועשו להם ציצת על כנפי בגדיהם לדרתם‬Num 15,38aβ ‚ … dass sie

9.3.  Neue Zugänge    357 sich Tzitzit machen an den Zipfeln ihrer Kleider für alle künftigen Generationen‘], und damit die Lösung unserer jüdischen Menschenaufgabe unbedingt für alle Zeit und unabhängig von jedem Wechsel der Zeiten, ‫לדרתם‬ [‚für alle künftigen Generationen‘] ausspricht: also spricht sich dasselbe Gebot für das Kleid als ‫כסות‬, als schützende Bedeckung also aus: ‫גדילים תעשה לך‬ ‫[ על ארבע כנפות כסותך‬Dtn 22,12 ‚Schnüre mache dir an den vier Ecken deines Kleides], und setzt damit die Lösung unserer jüdischen Menschenaufgabe unbedingt für jede Oertlichkeit auf weiter Erde und unabhängig von dem Wechsel der Klimate und der Verhältnisse gestaltenden Erdverschiedenheit‘ (Hirsch 1876, 240 [alle Hervorhebungen im Original gesperrt gedruckt]).

Hier zeigt sich exemplarisch, dass Hirsch mit seinem Kommentar eine sehr eigene theologisch-philosophische Agenda verfolgt. Rabbinische Explikationen werden eklektisch herangezogen und dienen stets der systematischen Ausrichtung des Kommentars. Im einzelnen zeigt sich dabei allerdings immer wieder eine mehr assoziativ als exegetisch-philologisch motivierte Auslegung, die Hirschs Kommentare (wahrscheinlich schon damals, sicher aber) heute beinahe ‚esoterisch‘ erscheinen lässt. In seiner Fokussierung auf das ‚Sittliche‘ spiegelt dieser Kommentar seine Entstehungszeit musterhaft wider. Trotz anderslautender Bezeugungen durch Hirsch selbst hat Grözinger Hirsch in dessen Betonung der menschlichen Aufgabe als „Erhebung und Weihe des inneren Lebens (…) in Symbolhandlung und Wort“ (zitiert nach Grözinger 2009, 525) sicher zu Recht mit Friedrich Schleiermacher in Verbindung gebracht. Und hierin ist Hirsch auch ausgesprochen ‚untraditionell‘: „Es ist die Einfügung der traditionellen Halacha in ein Netz von Deutungen, die auf den Menschen bezogen sind. Nicht in der Erfüllung des königlichen Gebotes als solcher erfüllt sich das jüdische Leben, sondern im Verstehen dieses Gebotes als eines umfassenden Instruments zur Erziehung des Menschen als Diener (…) des Schöpfers“ (Grözinger 2009, 537). Das wichtigste Mittel zur Erreichung dieses Zieles war der Rekurs auf die Bibel und ihre Kommentierung. b.  Die Auseinandersetzung mit der jüdischen Reform In Malbims Einführung zum Pentateuch-Kommentar, in der er die Zusammengehörigkeit von schriftlicher und mündlicher Tradition gegen die moderne Bibelkritik verteidigte, bezog er sich auf die Reformsynode von Braunschweig 1844, die er als eine „Versammlung von Rabbinern, Predigern und Lesern, die ihre Gemeinden schlachten“, bezeichnete. In der Reformbewegung und der von ihr aufgenommenen modernen Bibelkritik sah er eine Entweihung der göttlichen Überlieferung, weil die Vertreter der Reform nicht nur die mündliche Tora* von der schriftlichen vollkommen abkoppel-

358    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums ten, sondern ihr auch absprachen, zum (eigentlichen) Peschat* eines Verses / Satzes vorzudringen: Malbims Kritik an der Reform

Und es geschah im Jahr 1844, da hörten wir eine Stimme wie die einer Kreißenden, Bedrängnis wie die einer Erstgebärenden (Jer 4,31). Es war die Stimme der Tora des Ewigen. Sie seufzt und breitet ihre Hände aus (ebd.), und ihre Tränen laufen über ihre Wangen (Klgl 1,2). Ja, ihre F ­ reunde haben treulos an ihr gehandelt (vgl. Klgl 1,2), denn einige der Hirten Deutschlands sind dumm geworden, und den Ewigen haben sie verworfen (Jes 1,4). Sie haben sich versammelt, um Religion und Satzungen zu zerschlagen (…). Viele Hirten sind hinaufgezogen (vgl. Jer 12,10), Hirten, die ihre Gemeinde (tzon mar‘it) fressen. Sie nennen sich selbst Rabbiner [rabbanim] und Prediger [darschanim], sogar Kantoren [chazzanim] (…), dabei schlachten sie ihre Gemeinde (vgl. Hos 13,2). All diese verbündeten sich (und kamen) in die Stadt Braunschweig, in das Tal Siddim (Gen 14,3) (…). Und so versammelten sie sich (wie) kleine Füchse, und an ihren Schwänzen waren Holzscheite (vgl. Ri 15,4). Da ging ein Feuer aus und fraß (Ri 9,20) Dornen und Disteln (Jes 9,17) und verbrannte alles von der Garbe bis zum stehenden Getreide, bis zum Weinberg und zum Ölbaum (Ri 15,5). Und es brannte im Tempel des Ewigen, und verbrannte (alles, was) zwischen den Stangen war und setzte die Bundeslade in Brand (…). In jenen Tagen und in jener Zeit sah ich (das), und da kam es mir, dass es Zeit sei, für den Ewigen zu handeln, eine Zeit, etwas für die Tora zu tun, die schriftliche, aber auch die mündliche, eine undurchdringliche Mauer rundherum (zu ziehen) (Jes 2,15), Tore und Riegel (Dtn 3,5), damit nicht Räuber eindringen und sie [die Tora] entweihen (vgl. Ez 7,22), sei es, dass diese gottlose Gemeinde die schriftliche Tora mit den Erzählungen der antiken Völker vergleicht, indem man ihren poetischen Stücken und ihrer bilderreichen Sprache den gleichen Wert beimisst wie der Naturlyrik, sei es, dass die mündliche Tora in ihrem Mund zur reinen Fabel und zum Gespött wird. Sie haben sie verleugnet, indem sie sagten: Sie ist nichts (wert). Ihre Weisen haben sie verachtet, indem sie sagten: Sie kennen die Peschat-Bedeutungen der Bibelverse nicht, und mit der Grammatik der Sprache sind sie nicht vertraut (…). Von da an gürtete ich meine Lenden wie ein Mann (vgl. Hiob 38,3) und begann, meinen Kommentar zum Tanakh zusammenzustellen, dessen (exegetische) Wege und Pfade ich schon in der Vorrede zum Jesaja-Kommentar bekannt gemacht habe (…). Und mit Blick auf die mündliche Tora bereitete ich ein schützendes Dach und einen starken Turm (Ps 61,4) und hochragende Befestigung (Jes 25,12), die hier vorliegende Kommentarzusammenstellung: Ihre Pfeile sind wie die eines geschickten Helden, keiner kehrt mit leeren Händen zurück (Jer 50,9). Er kämpft gegen die Feinde der Überlieferung [qabbala] im Tor; sein Köcher ist voller richtiger (Gegen-)Argumente und Beweise, und durch ihn kommt das Zeichen und Wahrzeichen (Jes 20,3), dass die mündliche Tora diejenige ist, die vom Himmel gegeben wurde, und dass alle Worte der mündlichen Tora in den einfachen Wortsinn und die Tiefendimension der (hebräischen) Sprache (hinein) verwoben und ihm eingesenkt sind. Fürwahr, allein die Derasch-Auslegung ist der wahre Peschat (ha-derusch hu levaddo hu ha-peschat ha-paschut), wie er gemäß den genauen und verständlichen Gesetzen der Sprache grundgelegt ist. Und überall dort, wo unsere Weisen eine Derasch-Auslegung vornahmen, gibt es irgendeine sprachliche Besonderheit, die eine Ausnahme von den

9.3.  Neue Zugänge    359 (regulären) Sprachregeln bildet, und (nur) durch die Derasch-Auslegung wird der Vers nachhaltig deutlich, und zwar durch die Syntax der Sprache und ihre Regeln (…). Sieh nun, die Einzelheiten (dieser exegetischen) Wege und Pfade, die ich in dem ganzen Kommentar eingeschlagen habe, habe ich aufgeschrieben und entsprechend arrangiert in der zweiten Vorrede, die ich mit Ajjelet ha-Schachar betitelt habe. Darin habe ich all jene sprachlichen Regeln, Grundsätze und Prinzipien gesammelt, die (schon) unseren Weisen sel.A. (zur Hand) waren, und die (schon) in das Buch Sifra gelangten, die nämlich die Grundlagen der Überlieferung und der mündlichen Tora bilden, und die unsere Weisen (für ihre Auslegungen) aus diesem Buch heraus verwendet haben. Sie addieren sich zu 613 Regeln auf (…) (Malbim, Ha-Tora we-ha-Mitzwa, Tokhen ha-Machberet, 3 – 4, ed. 2010).

Allein wie Malbim in dieser Einleitung seine Worte drechselt, ist schon Programm: Der Text besteht aus unzähligen Zitaten, die einmal mehr unter Beweis stellen sollen, dass das Hebräische von der biblischen Sprachstufe bis in die Gegenwart hinein ausdrucksfähig ist und dass es im Wesentlichen von der Beherrschung dieser Sprache abhängt, ob eine Bibelauslegung zum Kern der Sache vorzustoßen vermag oder nicht. Sein Kommentar will den Beweis antreten, dass auch die mündliche Tora min ha-schamajim (‚vom Himmel‘, d. h. vom Sinai) ist und alle Aussagen der mündlichen Tora bereits untrennbar mit der schriftlichen verwoben sind. Interpretation ist der Aufweis der grundlegenden Bedeutung (eines Wortes / Satzes), basierend auf einem elaborierten linguistischen und grammatischen Regelwerk. In harschen Worten wirft er den Vertretern der jüdischen Reform ‚Brandstiftung‘ vor, wobei seine Zitiertechnik einen theologischen Kontext aufgräbt, der den Beginn der Reform und die Organisation auf den Reformsynoden unmittelbar mit den bei Jesaja oder im Richterbuch angeprangerten Sünden Israels gleichsetzt. Auch der Pentateuch-Kommentar des Samson Raphael Hirsch Hirschs Auslegung arbeitet sich wiederholt an den Vertretern der Wissenschaft des der Aqeda Judentums und den hier aufgenommenen zeitgenössischen Wissenschaftsparadigmen ab. Ein prägnantes Beispiel dafür ist seine Auslegung zu Gen 22. Hirschs Kommentar ist deshalb so bemerkenswert, weil es in diesem Text keine halachischen Bestimmungen der Tora ‚alt-neu‘ zu begründen gilt, sondern weil es darum geht, mit der sog. Aqeda*, der Bindung Jitzchaqs, einen Text auszulegen, der vor allem im Kontext mittelalterlicher jüdischer Verfolgungserfahrungen und den in diesem Zusammenhang formulierten hebräischen Kreuzzugsberichten eine große Rolle gespielt hatte. Es geht also nicht einfach um einen Tora-Text, sondern um diesen Text in seiner Spiegelung durch die jüdischen Generationen. Der Kommentar zu Gen 22,11 – 13 lässt dabei nicht nur seine psychologische Feinsin-

360    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums nigkeit in der Exegese, sondern auch seine polemischen Qualitäten erkennen: Hirschs Auslegung zu Gen 22,11

(Da rief ihm ein Engel Gottes vom Himmel zu …): (…) Es dürfte bedeutsam sein, daß Gott diese Mittheilung durch einen Engel sandte, während sonst in Abraham’s Leben Gott selbst mit Abraham spricht. Zum Innehalten genügt die Sendung eines Engels (…). Hätte ihm ein Engel die Aufforderung gebracht: opfere deinen Sohn, er hätte ihm nicht geglaubt (…). Zum Nichtopfern genügte die Sendung eines Engels (…). Wir heben dies aber noch ganz besonders hervor, weil ein, Das ‚Wissenschaft des Judenthums‘ nennender, Wahnwitz auch an diese, den Glanz- und Höhepunkt nicht nur der jüdischen, sondern überhaupt der sittlichen Menschengröße bildende Begebenheit, seine Wahrheit in Lüge verkehrende Hand gewagt, auch sie in ihr Gegentheil zu verwandeln und zu sprechen: nicht, daß Abraham auf Gottes Geheiß seinen Sohn zu opfern bereit gewesen, sondern, daß er dem Zuruf des Engels gehorcht, ihn nicht zu opfern, darin besteht seine Größe, daß ihm noch zur rechten Zeit das Bewusstsein gekommen, Menschenopfer sei Gott nicht wohlgefällig! Eben damit sei Abraham der große Reformator seiner Zeit geworden und habe zuerst Menschenopfer abgeschafft und ihnen Thieropfer substituiert (…). Nur Wahnwitz kann dies aus unserer Geschichte heraus argumentiren. „Wo ist das Lamm zum Opfer“, fragt Isaak schon auf dem Wege, und war daher wohl schon gewöhnt, in seinem Vater keinen Kanibalen zu sehen, der seinem Bizzipuzli einen Menschen schlachtet (…), nur darin erkennt Gott die Größe Abraham’s, daß er ihm selbst seinen einzigen Sohn zu opfern bereit gewesen, nicht aber darin, daß er dies noch zur rechten Zeit unterlassen! Und eben darauf, auf die ‚Akedah Jizchak’s‘, blickt die ganze jüdische Judenheit bis heute, als auf das Höheziel mustergiltiger Gottesfurcht begeistert hin (…) (Hirsch 1867, 352 – 353).

Hirsch beginnt mit einer psychologisierenden Auslegung, wonach Abraham nur allzu gerne und unverzüglich auf den Befehl des Engels gehört habe, seinen Sohn nicht zu opfern, um im Anschluss daran die aus der zeitgenössischen christlichen Exegese stammende und unter den reformorientierten Theologen des 19. Jahrhunderts vielfach rezipierte Ansicht zu geißeln, wonach die eigentliche sittliche Leistung Abrahams darin bestanden habe, Menschenopfer durch Tieropfer zu ersetzen. Für seine Argumentation macht Hirsch aber nun nicht allein den Peschat* des Verses Gen 22,12 geltend; vielmehr verweist er auf die Rezeption der Aqeda* in den hebräischen Berichten und Klageliedern aus der Zeit der Verfolgungen, bes. der Kreuzzüge. In den Jahren der Kreuzzüge gewann die Aqeda* eine nahezu realsymbolische Bedeutung für das jüdische Märtyrertum, und dies zeigen auch die hebräischen Kreuzzugsberichte (Haverkamp 2005). Die Bereitschaft Abrahams, seinen Sohn für Gott zu töten, war den jüdischen Verfolgten von damals Ansporn und Gewissheit genug, dass auch sie zu diesem äußersten Schritt des Qiddush ha-Schem, der Heiligung des göttlichen Namens, bereit waren. Ob Hirsch mit der „jüdischen Judenheit“ (a. a. O. 353) so

9.3.  Neue Zugänge    361

weit gehen wollte, den Reformtheologen einen Verrat am eigenen Judentum zu unterstellen, bleibt zu fragen. In jedem Fall zeigt Hirschs Polemik, dass für ihn die Adaptation der christlichen Exegese mit der Aufgabe der eigenen Auslegungstradition notwendig zusammenging und von daher als inakzeptabel zu verwerfen war. Samson Raphael Hirsch hat in seinen Schriften immer wieder Netzivs Anwen­ die Tora-Obervanz gegen die historisch-kritische Philologie gestellt dung der rabbini­ und den Vertretern der Wissenschaft des Judentums vorgeworfen, schen middot ihre Wissenschaft führe zur Abkehr von der Essenz des Judentums, der Ausübung der göttlichen Gebote. Eine ähnliche Argumentation finden wir nun auch bei dem in Waloschyn wirkenden Gelehrten Naftali Tzvi Jehuda Berlin (Netziv). Sein Insistieren auf den rabbinischen Auslegungsregeln (middot*), mittels derer er ja durchaus erweiternde Möglichkeiten für die (halachische) Exegese zugestehen möchte (vgl. oben Kap. 9.3.a.), richtet sich dabei auch gegen eine Bibelauslegung, wie sie für die jüdische Reform typisch war, wonach eine historisch-kritisch ausgelegte Wissenschaft gleichzeitig auch zu (halachischer) Reform und Erneuerung, wenn nicht gar zur Abschaffung bestimmter Halakhot führen sollte (zum Ganzen Perl 2012, 229 – 237). Mit sicherem Blick hatte auch Netziv erkannt, dass es von einer historisch-kritischen Exegese, die die biblischen Regularien und Gesetze in einer bestimmten Zeit zu verorten vermag, nicht mehr weit ist zu einer Auslegung, die diese Gesetze als nur für diese Zeit wichtig und gültig und damit für eine spätere Zeit für obsolet erklärt. So betont er in seiner Auslegung zu Lev 19,37 (Ihr sollt alle meine Anordnungen und Rechtssätze bewahren, und ihr sollt sie tun, ich bin der Ewige): Der Vers warnt nochmals davor, dass man nicht meine, dass dann, wenn Netzivs Auslegung die Begründung eines Gesetzes nicht mehr aktuell ist, auch das Gesetz selbst zu Lev 19,37 seine Gültigkeit verliert – Gott behüte! – , oder (davor), dass man nicht sage, dass man es nicht mehr nach den (rabbinischen Auslegungs-)Regeln der Tora (chuqqe ha-Tora) auslegen müsse, oder es in der Argumentation lediglich auf die Frage nach der (ursprünglichen) Begründung zulaufen lassen (vgl. bShab 78a). Daher warnte die Tora Ihr sollt alle meine Anordnungen und Rechtssätze bewahren (Lev 19,37) (und meint damit) die Derasch-Auslegungen (deraschot), die den exegetischen Regeln, durch die die Tora ausgelegt wird, entspringen, und die Gesetze (dinim), die daraus hervorgehen. Nun, da die Tora einmal in Kraft trat, so ist es nicht an uns, die (dazugehörigen) Zeit- und Rechtsumstände (für passend) zu erkennen (en lanu la-da‘at et u-mischpat), sondern allein die Gesetze der Tora (Netziv, Ha‘ameq Davar zu Lev 19,37, 208).

Perl (Perl 2012, 233) verweist darauf, dass Netziv dieses Argument mehrfach wiederholt (z. B. auch in seinem Kommentar zu Num 1,19): Die Gesetze seien le-dorot gegeben, d. h. auch für alle zukünftigen Generationen, ungeachtet der Tatsache, dass sie ihre

362    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums ursprüngliche Begründung möglicherweise längst verloren hätten. Im Gegenteil, so Netziv, würden sie gerade damit zu einem unveränderlichen Gesetz (na‘asa choq). Dieser Gedanke ist dann kein Problem, wenn, wie im Falle der chuqqa, wonach ein Mensch durch Berührung mit einem Toten unrein wird (Num 19), das dazugehörige Gesetz der Applikation der Asche der Roten Kuh nicht (mehr) durchführbar war. Dass Netziv dies aber ausgerechnet zu Beginn des Buches Numeri nochmals anführt, einem Buch der Tora, das nach der rabbinischen Tradition nicht wenige Gesetze enthält, die zwar für den damaligen Moment gegeben, aus verschiedenen Gründen jedoch im Laufe der Zeit modifiziert oder ganz abgeschafft worden seien (man denke nur an Injan Sota aus Num 5), weist eher darauf hin, dass er argumentativ wenig gegen die historische Kontextualisierung ausrichten konnte. Gegen welche Art von Wissenschaft er zu Felde zog, ist nicht einfach auszumachen. Die Vertreter der Wissenschaft des Judentums waren von ihm nicht explizit als Gegner benannt. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse bezog er vor allem aus der Traditionsliteratur (Avraham ibn Ezra; Maimonides; Azarja; Elia Levita; Moses Mendelssohn; vgl. Perl 2012, 168 – 189). Die Argumente ähneln aber jenen, die schon Hirsch immer wieder ins Spiel gebracht hatte: Tora-Observanz gegen historisch-kritische Wissenschaft. c.  Das Studium der Masora Frensdorffs Er­ klärung der Masora

Die Bedeutungszuschreibung der Masora und die intensiven philologischen Arbeiten spätestens seit Moses Mendelssohn (vgl. oben bes. Kap. 8.3.c.) entspringen nicht einfach einem allgemeinen philologischen Interesse. Sie gehörten von Anfang an zum textkritischen Diskurs und standen insbesondere in Auseinandersetzung mit den protestantischen Bibelforschern wie schon bei Michaelis u. a., die lediglich den Konsonantentext als ursprünglichen biblischen Text gelten lassen wollten. Für Frensdorff stellte die Masora die schriftliche Fixierung der äußeren Form des Bibeltextes dar, die er in die Zeit der Verschriftlichung selbst datiert:

Das Buch Okhla we-Okhla

Der Zweck dieser Bemerkungen und deren Sammlung war, die heil. Schrift in ihrer Ganzheit und speciellsten Einzelnheit treu und sicher zu erhalten, so dass weder beim Gebrauche, noch beim Abschreiben derselben eine Veränderung vorgenommen werden konnte (…). Die Heiligkeit der Schrift machte es zum Gebot, diese unversehrt zu erhalten; das Gegebene war, unbekümmert um Gründe, für alle Zeiten so zu fixiren, wie es überliefert worden. Darum musste jede Ausnahme in allen ihren Beziehungen bemerkt und durch fromme Lehrer und treue Abschreiber erhalten werden. Man verliess sich dabei nicht auf Zugrundelegung und (mit Ausnahme einzelner Fälle) Vergleichung der Mpte. [Manuskripte], weil das Abschreiben und

9.3.  Neue Zugänge    363 Vervielfältigen zu gar vielen Fehlern und Zweifeln Veranlassung geben, wie das die Erfahrung selbst beim Abschreiben der massoretischen Schriften deutlich beweist. Die Ausnahmen und Eigenthümlichkeiten mussten daher objectivirt und in bestimmte, allgemeine Sätze umgewandelt werden, welche die Betreffenden zuerst durch Auswendiglernen und Anwendung beim Unterricht und Abschreiben sich zu eigen machten, die aber dann später, wie alles Traditionelle überhaupt niedergeschrieben wurden (Frensdorff 1864, VII).

Frensdorff postulierte hier wie an anderen Stellen die eine, ursprüngliche masoretische Textzusammenstellung, die es zu rekonstruieren gelte. Der Pariser Handschrift (BNF hébr. 148) kam nach Frensdorff hierbei zentrale Bedeutung zu. Demgegenüber kritisierte Hermann Hupfeld (1796 – 1866), der seinerseits im Frühjahr 1865 eine Okhla-Handschrift in der Universitätsbibliothek Halle entdeckt hatte (MS Halle Yb 4o10), Frensdorffs Präferenz für das Pariser Manuskript und erklärte, dass die Geschichte der Okhla-­ Überlieferungen ähnlich dem biblischen Text eine Reihe von Redaktionsstadien durchlaufen habe und dass nur eine kritische Edition aller Manuskripte zu klareren Ergebnissen gelangen könne (Liss 2019b). Nach Hupfelds Tod 1866 sollte es 109 Jahre dauern, bis dieser Anspruch mit den Editionen von Fernando Díaz Esteban (1995) und Bruno Ognibeni (1995) annähernd eingelöst wurde. In der Folge vor allem der Textarbeiten von Wolf Heidenheim Masora und setzte sich auch Abraham Geiger intensiv für das Studium der Ma- Textgeschichte sora und der masoretischen Textgeschichte ein. Anders als Frensdorff wollte er dabei aber nicht einfach einen textkritischen Beitrag zur Eruierung des ‚besten‘ Textes leisten. Vielmehr suchte er nachzuweisen, dass die Textgeschichte nicht von der Auslegungstradition zu trennen sei. Bereits 1854 hatte er die Fehlerhaftigkeit der masoretischen Noten in den gedruckten Textausgaben bemängelt (Geiger 1864 / 65) und darauf insistiert, dass die Masora nicht nur anhand der Bibelhandschriften, sondern vor allem durch die Bibelausleger wie ibn Ğanaḥ, ibn Ezra oder David Qimchi rekonstruiert werden müsse. Geiger wusste, dass gerade der europäische Bibeltext masoretische Hypertexte aufweist, die sich philologisch deutlich von der Masora der orientalischen Schulen unterscheiden (auf die masora figurata hebt er in seinen Schriften nicht ab; zum Ganzen Liss 2019b). Mit diesem Ansatz wehrte sich Geiger auch immer wieder gegen die christliche Bibelkritik, die den alten Konsonantentext dem (mittelalterlichen) masoretischen Text vorzog: Es genüge vorläufig an diesen beiden Beispielen, um zu zeigen, wie man vom maßorethischen Texte spricht, ohne nur im Geringsten zu untersuchen, wie denn dieser wirklich lautet. Nun aber verdient dieser doch, wenn ihn auch die Kritik nicht immer als den ursprünglichen betrachten mag, als ein althistorischer immerhin volle Beachtung. In jeder anderen Literatur sucht

364    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums man vor Allem den historisch bezeugten Text festzustellen und geht erst nachher an die selbstständige Conjectur; bei der hebräisch-biblischen aber hat man in neuerer Zeit jede ernster eingehende Prüfung über die wirkliche Gestalt des überlieferten Textes bei Seite gelassen, sei es, weil man sich vornehm darüber wegsetzte, oder weil man die Mühe scheute, und begnügte sich mit einem ganz unberechtigten Texte, an dem man dann willkürlich herumoperirte. Jedoch die Maßorah bietet uns noch mehr. In ihren äußerlichen Gruppirungen sind eine Masse von Thatsachen der Textesgeschichte verhüllt, die uns von Wichtigkeit sind (…). Die „Thikkun Soferim“, die Aenderungen, welche sie, als von den alten Abschreibern oder Schriftgelehrten vorgenommen, verzeichnet, führen uns tief in die Grundsätze ein, welche das Alterthum bei der freien und selbstständigen Behandlung des Textes leiteten; die Stellen, in denen Worte nicht geschrieben und dennoch gelesen werden und umgekehrt, die Anstandsvarianten, die mit Klammern versehenen Stellen, die oben punctirten Buchstaben, die Verse, in welchen die Satzverbindung zweifelhaft ist, enthalten eine Fülle von Belehrungen, die, richtig angewandt, uns eine lange innere Geschichte offenbaren (…) (Geiger 1864 / 65, 109 – 110).

Daher beklagte er, dass das Studium der Textgeschichte so gänzlich ohne ‚masoretischen Unterbau‘ vonstatten ging: Im Allgemeinen hat die Unkenntniß der Maßorah in einem bedauerlichen Grade zugenommen. Die neuere biblische Wissenschaft, und zwar nicht blos jene, welche sich nach allerhand selbsterdachten Meinungen den Text bildete, sondern auch jene, welche sich streng an den recipirten Text zu halten vorgab, hatte und – hat nicht das geringste Verständniß der Maßorah. Als recipirter Text gilt ihr der, welchen sie gerade in irgend einer, etwa als correct geltenden Ausgabe vorfindet, ohne daß sie untersuchte, ob man es nicht etwa mit Druckfehlern zu thun hat (…). So erscheinen nach wie vor Ausgaben und Uebersetzungen, die angeblich nach dem masorethischen Texte bearbeitet sind, ohne daß Herausgeber oder Uebersetzer wirklich einen Blick in die Maßorah geworfen (…) (Geiger 1864 / 65, 107 – 108).

In diesem Kontext plädierte Geiger einmal mehr für die ‚editorische Kärrnerarbeit‘ von Frensdorff, weil ohne philologische Erschließung auch das biblische Altertum im Dunkeln bleibe: Jedenfalls ist die Maßorah für die Feststellung eines vollständigen Textes, so unumgänglich ihre Beachtung ist, immerhin nicht ausreichend, und einen besonderen Werth hat sie gerade dadurch, daß sie eine historische Quelle ist zur Bezeugung von Erscheinungen, deren richtige Zurückführung auf ihre Ursachen für uns zur reichen Belehrung wird. Wer dieses Moment bei ihr ignorirt, wirkt bei dem heutigen Stande der Wissenschaft nicht für die Hebung ihres Ansehens, sondern er bringt sie noch um das Bischen Credit, das sie etwa noch hat. Jedoch dieses Buch ist im Grunde blos der Vorläufer für ein größeres Werk, das Hr. Fr. schon lange als das Resultat seiner Studien vorbereitet hat, nämlich ein umfassendes maßorethisches Handbuch. Daß dieses erscheinen könne, dazu sollten Freunde der Wissenschaft wie Gesellschaften zur Förderung jüdischer Literatur ernstlich mitwirken. Die Ueberlieferungen des Alterthums bleiben, auch wenn sie oft kleinlich erscheinen, wichtige Geschichtsquellen, man muß blos verstehen aus ihnen zu

9.3.  Neue Zugänge    365 schöpfen. Zuerst aber müssen sie zugänglich gemacht und gereinigt werden (Geiger 1864 / 65, 119).

Die Tragik dieses wissenschaftlichen Dialoges zwischen Geiger und Frensdorff liegt aus heutiger Sicht eben darin, dass dieser Dialog den jüdischen Gelehrtenraum nie verlassen hat, weil die akademische Theologie von den jüdischen Wissenschaftlern einfach zu wenig Notiz nahm, sodass diese den akademischen Diskurs nicht mitprägen konnten. d.  Bibelauslegung angesichts der ‚höheren Kritik‘ Die Auseinandersetzung mit der protestantischen Bibelkritik spielte unterschwellig und explizit eine entscheidende Rolle, zum einen, weil die Wissenschaft des Judentums zu einer Erneuerung im Umgang mit den Jüdischen Literaturen drängte und in diesem Zuge auch die Bibel wieder mehr ins Blickfeld geriet, zum andern, weil sich in dieser Zeit gerade auf dem Feld der universitären Bibelwissenschaft die Theorien gegenseitig jagten und kaum ein Jahr verging, in dem nicht bahnbrechende Neuerungen und kühne Thesen in Umlauf kamen. Die jüdischen Reaktionen darauf waren unterschiedlich. Es zeigt sich aber auch, dass zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Ton schärfer und die Abgrenzungstendenzen markanter wurden, weil sich die jüdischen Gelehrten politisch-gesellschaftlich und theologisch zunehmend in die Enge getrieben sahen. Zwischen Geigers Forderung, „die wissenschaftliche Behandlung der hebräischen Bibel als ein interkonfessionelles Gebiet zu betrachten“ (Liss 2004, 24), und Benno Jacobs ‚jüdischem Kommentar‘ liegen die unterschiedlichsten Versuche, auf die religiöse und akademische Herausforderung durch die protestantische Theologie zu reagieren. Ludwig Philippson, der sich zeitlebens mit der Bibelkritik ausei- Selbstbewusste nander gesetzt hatte, zeigte dabei eine eher entspannte Einstellung, Distanzierung die der Bibelkritik den ihr gebührenden Platz gab: Das Judenthum hat zuviel Concretes und Positives, es ist zu sehr eine vier- Philippson über die tausendjährige geschichtliche Erscheinung, (…) als daß es von einem be- ‚Schriftkritiker‘ stimmten Punkte aus angegriffen und zerstört werden könnte. Wir schätzen die Arbeiten der Schriftkritiker nach ihrem Werthe. Wollen sie uns nur nicht zwingen, ihre sich tausendfach widersprechenden Resultate für wirklich und unumstößlich anzunehmen, sondern uns gestatten, den Fortgang der Wissenschaft abzuwarten, die täglich Neues und Bedeutendes aus dem Schutt und den Trümmern der Zeiten ans Licht schafft, so mögen wir auch diese Geistesarbeit achten (…). Aber daß sie damit dem wirklichen und wesentlichen Judenthume zu nahe treten, es schädigen, gefährden oder nur wankend machen, können wir weder ihrer eigenen Selbstüberschätzung noch dem Geschrei der Buchstabenfanatiker zugestehen. (…) Wer von der

366    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Nothwendigkeit des Sabbaths überzeugt ist, wird dessen Heilighaltung nicht von den Untersuchungen über die Verschiedenheiten des Exodus und Deuteronomiums abhängig machen. (…) Von der Besorgnis über die Angriffe gegen die h. Schrift können wir uns also frei machen. Im Gegentheil: Vielleicht regen diese wieder viele zum Studium der Bibel an (…) (Philippson 1864, 540).

Hier klingt an, was zum Grundtenor Philippsons gehörte: Der religiöse Standpunkt wird nicht unmittelbar von der kritischen Beschäftigung mit der Bibel beeinflusst oder notwendig in die eine oder andere religiöse Richtung bestimmt. Noch 1895 formulierte ein Leitartikel in der von Philippson begründeten Allgemeinen Zeitung des Judenthums in seinem Sinne, dass „die Bibelkritik an sich berechtigt und zulässig sei“, dass aber „nur innerhalb der religiösen Auslegung (…) von einem Unterschiede der vernünftigen und thörichten Auffassung der Bibel gesprochen werden [kann]“ (Allgemeine Zeitschrift des Judentums, 59. Jg., Nr. 50, 1895, 589). „Eine wissenschaftliche Auslegung, sie mag welche immer sein, hat für die Religion oder die religiöse Auffassung keine Bedeutung“ (ebd.). Toldot Biqqoret Eine ähnlich entkrampfte Haltung zeigt sich bei Menachem Soloha-Miqra veitchik (1879 – 1941) und Schneur Zalman Rubaschow (der spätere Schneur Zalman Schazar; 1889 – 1974), die 1925 eine hebräischsprachige Geschichte der Bibelkritik (Toldot Biqqoret ha-Miqra) verfassten, deren erste Abhandlung (Seder Rischon) exemplarisch nachweist, dass die osteuropäische Orthodoxie auf den Spuren der Tradition ebenso wie auf den Spuren der Haskala* wandelte und man sich daher auch selbstverständlich der ‚Bibelkritik‘ zuwandte: Sowohl von innen als auch von außen ist die Zeit reif für eine Annäherung. Aus der Bibelwissenschaft selbst heraus kommt die Entwicklung langsam ins Gleichgewicht: Die Zeit der ersten Irrwege ebenso wie der Rausch der überraschenden Entdeckungen haben nachgelassen. Die Hauptströme der Bibelwissenschaft, nachdem sie einander befruchtet haben, werden langsam ruhiger, und der Ertrag der Ergebnisse, die man aus den Tiefen hervorbrachte, kommt zu einem ersten Abschluss. Es ist Zeit für ein Resümee und dafür, ein Fazit der (wissenschaftlichen) Arbeit mehrerer Generationen zu ziehen (Soloveitchik / Rubaschow 1925, 2).

In drei Abschnitten – Biqqoret sche-ba-Masoret (‚Kritik in der Traditionsliteratur‘); ha-Biqqoret ha-Madda‘it (‚die wissenschaftliche Kritik‘); Ha-Biqqoret be-Jisrael be-Meah ha-Tescha-Esre (‚die jüdische [Bibel-]kritik im 19. Jahrhundert‘ – mit insgesamt 13 Unterkapiteln wird nun die Geschichte der jüdischen Bibelauslegung als biqqoret entsprechend weit gefasst und ein großer Bogen vom biblischen Schrifttum bis hin zu Schemu’el David Luzzatto (siehe oben Kap. 9.2.b.) und Peretz Smolenski(n) (1842 – 85), dem Gründer der maskilischen Monatsschrift ha-Schachar (Wien 1868 – 85), geschlagen.

9.3.  Neue Zugänge    367

Soloveitchik und Rubaschow beschränken sich dabei nicht auf die jüdische Bibelauslegung, die sie bei den ersten innerbiblischen Überarbeitungsspuren beginnen lassen und über die tiqqune sofrim* zu den talmudischen* Diskursen, den Masoreten und zu den mittelalterlichen spanischen Grammatikern führen. Vielmehr werden nicht nur die altkirchliche, mittelalterliche und reformatorische christliche Bibelauslegung behandelt, sondern – beginnend mit Jean Astruc (1684 – 1766) – die christlichen Wissenschaftsdiskurse zu Quellentheorien und Geschichte Israels von Eichhorn, Herder, Hupfeld, de Wette und Vater bis hin zu Wellhausen, Gunkel und Dalman ausführlich referiert. Die letzten beiden Abschnitte, Chokhmat Jisrael sche-ba-Ma‘arav (‚Wissenschaft des Judentums in West[europa]‘) und Be-Sifrut ha-Ivrit ha-chadascha (‚in der modernhebräischen Literatur‘), behandeln die Wissenschaft des Judentums seit Moses Mendelssohn und die osteuropäische Haskala (z. B. ben Ze’ev; vgl. oben Kap. 8.2.d.). Soloveitchik und Rubaschow haben in ihrem Buch schon rein Grammatik, formal die ‚höhere Kritik‘ von der mittelalterlichen Sprachwis- Semitische Philolo­ senschaft einerseits und der Haskala bzw. der Wissenschaft des gie und Textkritik Judentums andererseits eingerahmt und sie in dieser Umzäunung gleichzeitig auch gezähmt. Die Darstellung der unterschiedlichen Quellentheorien insistiert gleichzeitig auf ihrer Falsifizierbarkeit und lässt sie darin als wissenschaftliche Methode neben Grammatik, Semitischer Philologie und Textkritik Platz finden. Fast schon wie ein Fazit wird daher gerade die Textkritik als eine jener Disziplinen ausgewiesen, die schon immer betrieben wurden, und die deshalb als grundlegende Disziplin für jede kritische Beschäftigung mit der Bibel gelten kann: In der Bibelkritik gibt es eine Teildisziplin, die im Judentum mehr als alle anderen akzeptiert ist, und in der man versucht, auch neue Anschauungen durchzusetzen und zur Spitze des wissenschaftlichen Lagers vorzudringen: in der Textkritik. Diese Tradition, die unter jüdischen Gelehrten seit der spanischen Epoche verbreitet ist, sowie die gründliche Kenntnis der hebräischen Sprache und die philologische Ausbildung standen jenen jüdischen Forschern zur Verfügung, die ihre Arbeit auf diese Teildisziplin gründeten und auch ihre Horizonte öffneten. Derlei Anmerkungen und Konjekturen füllen sämtliche Monatshefte und Sammelbände zur jüdischen Wissenschaft in den verschiedenen Sprachen (Soloveitchik / Rubaschow 1925, 142; zitiert nach Shavit 2013, 555).

Am Ende der Darstellung steht also die besondere Betonung der Sprachwissenschaft für die wissenschaftliche Arbeit an der Bibel. Die selbstbewusste Betonung der Hebraistik / Semitistik für die Bibelwissenschaft unterschied Soloveitchik und Rubaschow nachhaltig von ihren deutschsprachigen Zeitgenossen.

368    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums

9.3.  Neue Zugänge    369

Abb. 12a / b: Max (Menachem) Soloveitchik / Zalman (Schazar Schneur) Rubashow (Rubascheff), Toldot Biqqoret ha-Miqra (Mada‘e ha-Miqra, Bd. 1). Berlin 1925.

370    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums e.  Hebräische Bibel in deutscher Diktion Die Bibelübersetzungen, die im 19. Jahrhundert erschienen, zeigen nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit dem Christentum und den christlichen Übersetzungen (vor allem Luthers), sondern auch ein Umdenken von der Tora-Zentriertheit der Orthodoxie zum reformorientierten gesamtbiblischen Ansatz der religiösen Reform (zum Ganzen zuletzt Gilman 2018). So sind immerhin fünf der zwölf Übersetzungen Teil- bzw. Ganzbibel-Übersetzungen (vgl. oben Kap. 9.1.c.), die über den liturgischen Pentateuch-Haftarot-Kanon hinaus den Blick vor allem auf die Geschichtsbücher und die Propheten weiten sollen. Die Bibelübersetzung sollte damit den Juden und Jüdinnen nicht nur für den liturgischen Rahmen eine Lesehilfe an die Hand geben, sondern gleichzeitig auch den Kenntnisstand in Theologie und Wissenschaft heben. Bei Philippson sollte dies nicht nur durch die Übersetzung, sondern vor allem durch den beigegebenen Kommentar erreicht werden: Philippsons Bibelwerk

„Der Commentar, in edler, deutscher Sprache, sucht vor Allem den Zusammenhang der einzelnen Partien, Abschnitte und Verse darzustellen, geht dann auf all die Bedenken und Fragen ein, die sich im Ganzen und Einzelnen erheben und sucht sie zu lösen, erforscht hierauf den Wortsinn, indem sie [sic!] theils die Auslegung in den Talmudim, Midraschim, bei den bedeutendsten rabbinischen Exegeten, so wie bei den vorzüglichsten christlichen bis auf die neueste Zeit anführt, theils selbstständig nach Prüfung der früheren Erklärungen nach einer Entscheidung strebt. Hierbei ist denn aus vielen und besten Reisewerken über Sitten und Gegenstände des Orients Mannichfaltige angeführt, was zur Beleuchtung der schwierigen Stellen dient (…). In ‚Schlußbemerkungen‘ ist der positive Gedankeninhalt des Buches concinn zusammengestellt. In den Einleitungen wird im kritischen Theil eine vorurtheilslose Erforschung ohne hyperkritische Anmaßung (…) am meisten aus dem innern Charakter, dann auch aus äußern Momenten, über Zeit, Stellung, Verfasser angestrebt, dann die Idee, die Lehre, die Tendenz, der geschichtliche Inhalt, die Form u. s. w. in positiver Weise erörtert“ (Philippson 1854, 348).

Philippson bestimmte sein „Bibelwerk“ als Quelle für „Predigt, Unterricht und zur Selbstbelehrung und Selbstforschung“ (Philippson 1854, 348). Nicht nur seine deutsch-jüdische Bibel gehörte damit von Anfang an zum Erziehungs- und Bildungsideal der Wissenschaft des Judentums, die insbesondere das jüdische Bürgertum, des Hebräischen nicht mehr mächtig und für die Quellen der Traditionsliteratur daher auch nicht mehr zugänglich, für das jüdische Lernen zur Identitätsstiftung im deutschsprachigen und christlich geprägten Raum zurückgewinnen wollte. Abwehr der lutheri­ Auf den Aspekt eines dem jüdischen Denken entwurzelten Puschen Theologie blikums hatte bereits Abraham Geiger in seiner Besprechung der Bibelübersetzung Joseph Johlsons hingewiesen und eine jüdische

9.3.  Neue Zugänge    371

Bibelübersetzung gefordert, um die Lutherbibel aus den jüdischen Haushalten zu verbannen (Herrmann 2015): Jedoch es wird der Wunsch einer Synagogenübersetzung noch um so dringender, da viele Laien, wenn sie die Bibel kennen lernen wollen, sich der weit verbreiteten lutherischen bedienen, die, abgesehen von ihren vielfachen Irrthümern, die der Fortschritt der Wissenschaft erkannt hat, christliche Dogmen in das einfache Wort hineinträgt, und so der Jude am Ende zu Täuschungen verleitet wird (Geiger 1835c, 444)

Geiger argumentierte hier vor allem mit der lutherischen Theologie (Christologie), die mittels der Übersetzung transportiert wird (man denke nur an Luthers ‚Gnadenstuhl‘ für das hebräische kapporet ‚Sühnplatte‘, der sich sogar noch heute in wissenschaftlichen Kommentaren findet!). Auch Ludwig Philippson war die Lutherbibel (in Gestalt der Zurückweisung der Missionsbibel) ein Dorn im Auge, aber über die Tatsache hinaus, Lutherbibel dass eine christliche Bibel notwendig christliche Inhalte transportiert und deshalb abzulehnen sei, lag sein Argument stärker auf dem sprachlich-ästhetischen Aspekt (Wittler 2017; Schatz 1995). Darüber hinaus und mit Blick auf die Bibelübersetzungen von Zunz und Herxheimer postulierte er eine Bibel, die weniger die Begüterten und Gebildeten, als vielmehr auch die breiten Massen lesen können sollten: ‚Die Bibel ist den neueren Juden abhanden gekommen – sie müssen sie wieder haben!‘ (…). Wir beklagen tief diese Zustände (…). Ohne der Missionsbibel einen Vorwurf daraus zu machen, daß ihre Auffassungsweise eine christliche ist, denn dafür geht sie von einer christlichen Gesellschaft aus, und hat die Verbreitung des Christenthums zu ihrem Zwecke – so ist sie doch darum für Juden untauglich, und ihre Verbreitung unter den Juden ist von unserm Standpunkte eher schädlich als nutzenbringend. Die Missionsbibel hat die Luther’sche Uebersetzung zu ihrem Grunde, und diese ist voller Irrthümer, und hat einen Charakter, der nicht der der heil. Schrift ist. Das Judenthum hat in der Erklärung der heil. Schrift stets sich völlig frei erhalten. Es hat keine Uebersetzung als kanonisch angenommen, es hat keine Auslegung als die allein richtige erklärt. Gerade der Talmud huldigt der freiesten Exegese (…). Nicht Septuaginta, nicht Targum, nicht Saadia, nicht Mendelssohn wurden ihm sanctionirte Uebertragungen. Wir sind daher auch mit den neueren Bibelforschern, die seit Luther so Großes leisteten, fortgeschritten und nehmen das Gute von Jedermann an. Aber die Luther’sche Uebersetzung, voller Fehler, hat auch durchaus den Charakter der h. Schrift nicht getroffen, vielmehr völlig alterirt. Die Luther’sche Uebersetzung hat für die Entwickelung der deutschen Sprache außerordentliche Verdienste, und sie ist originell. Aber sie ist hart, steif, eisig, wo das Original weich, flüssig, voll Gefühlsströmung ist; sie ist einseitig, monoton und prosaisch, wo das Original viel- und tiefsinnig und voll Schwunges, voll Zartheit oder Erhabenheit, voll Abwechslung und Biegsamkeit ist. Schon von allgemeinem Standpunkte aus wäre es ein Rückschritt und ein großes Unrecht, die Luther’sche Uebersetzung jetzt unsern Glaubensgenossen in die Hand geben zu lassen (Philippson 1859, 183 – 184).

372    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Nach Philippson ist die Lutherbibel nicht allein aus theologischen, sondern gleichermaßen aus ästhetischen und wissenschaftlichen Gründen durch eine jüdische Übersetzung zu ersetzen, die zum einen diesen Ansprüchen genügen und zum anderen auch die Gräben zwischen Orthodoxie und Reform überbrücken sollte. Ersteres ist ihm auch durchaus gelungen. Dass ihm Letzteres nicht gelang, zeigt obiges Zitat schon darin, dass die (Neo-)Orthodoxie hier den Hinweis auf die jüdische Traditionsliteratur vermisst hätte. Darauf aber kam es an, und der Cossmann-Pentateuch mit dem Kommentar des Tzvi Meklenburg ebenso wie der Dessauer’sche Chumasch mit Raschi (vgl. oben Kap. 9.1.c.) bildete kein genaues Pendant zu den liberalen Bibelübersetzungen. Um der Reform das Feld nicht kampflos zu überlassen, musste sich auch die Orthodoxie in die Niederungen der deutschen Bibel-Diktion begeben: „Es genügte nicht, das traditionelle Judentum zu verteidigen, indem man seine Autorität polemisch zu retten versuchte. Autorität mußte in der Praxis neu begründet werden“ (Schatz 1995, 94). Aus diesem Grund betonten die neo-orthodoxen Gelehrten – Samson Raphael Hirsch ebenso wie Vertreter der orthodox-israelitischen Bibelanstalt – den Aspekt, wonach eine jüdische Übersetzung auch die jüdische Traditionsliteratur widerzuspiegeln habe: Hirschs Überset­ zungsanspruch

Den biblischen Text aus sich selber heraus zu erklären; diese Erklärung aus dem Wortausdruck in allen seinen Nüancen zu schöpfen; die Bedeutung der Worte aus dem in dem überlieferten Schriftthum vorliegenden Sprachschatze zu ergründen; an der Hand dieser linguistischen Forschungen und den halachischen und agadischen Ueberlieferungen derselben nationalen Vergangenheit, aus deren Händen uns der biblische Text überkommen, die Wahrheiten zu schöpfen und darzustellen, aus welchen sich die jüdische Welt- und Lebensanschauung erbaut, und die für alle Zeiten die Normen des jüdischen Lebens bilden: das war das angestrebte Ziel. Und wenn dieses Ziel nicht ganz verfehlt, wenn damit auch nur ein kleiner Beitrag zu der Erkenntniß geliefert worden sein möge, welch’ ein durchaus einheitlicher Geist die Schrift des göttlichen Wortes durchwehe, und wie dieser Geist nicht ein Geist antiquirter Vergangenheit, wie vielmehr sein die lebendigste Gegenwart und die Zukunfthoffnung alles Strebens der Menschheit sei, so hat der Verfasser nicht vegebens sich versucht (Hirsch, Vorwort zur Genesis, V). Die Uebersetzung soll traditionell gehalten sein, d. h. sie soll Nichts gegen die Tradition enthalten, sie soll vielmehr, wo es möglich sein wird, ohne der Sprache Gewalt anzuthun, die traditionelle Auffassung wiedergeben: Stellen, bei denen das nicht möglich sein wird, werden in einem kurzgefaßten Commentar, der namentlich die Halachah berücksichtigt, Erklärung und Erläuterung finden (Hirsch 1860, 142)

Als Beispiel möge an dieser Stelle ein kurzer Übersetzungsvergleich zeigen, was gemeint ist, wenn die Forderung erhoben wird, ‚nichts gegen die Tradition‘ zu übersetzen, und wie dies auch solche auf den ersten Blick völlig unspektakuläre Texte der Tora betrifft.

9.3.  Neue Zugänge    373

In Dtn 21,10 – 14 finden sich Bestimmungen zum Umgang mit Übersetzungsver­ einer Kriegsgefangenen. Hier heißt es u. a. (V. 12) Dann sollst du gleich Dtn 21,12 sie in das Innere deines Hauses bringen. Und sie soll ihren Kopf scheren und ihre ‚Nägel machen‘ [‫]ועשתה את צפרניה‬. Im Vergleich der hier einschlägigen jüdischen Übersetzungen lautet der Vers: 1. Johlson (1831): (…) und beschneide ihre Nägel [im Kommentar findet sich ein Verweis auf Onqelos]. 2. Zunz (1838): (…) und ihre Nägel beschneiden. 3. Herxheimer (ed. 1854): (…) und beschneide ihre Nägel [im Kommentar findet sich ein Verweis auf Onqelos, Raschi sowie auf Ramban (mit anderer Erklärung) sowie die Erklärung der Übersetzung nach LXX und VUL]. 4. Philippson (1858): (…) und beschneide ihre Nägel [im Kommentar die Erklärung der Beseitigung der langen Nägel als Zeichen ihrer Gefangenschaft]. 5. Dessauer (1905): (…) und beschneide ihre Nägel [Übersetzung Raschi: Sie soll ihre Nägel groß wachsen lassen, damit sie verunziert erscheine (‫])כדי שתתנול‬. 6. Hirsch (1878): (…) und pflegt ihre Nägel [im Kommentar findet sich der Verweis auf Sifre und bYev 48a]. 7. Orthodox-Israelitische Bibelanstalt (1881): (…) und lasse wachsen ihre Nägel. 8. Wohlgemuth / Bleichrode (ND 1979): So soll sie (…) die Nägel wachsen lassen.

Der biblische Ausdruck ‚Nägel machen‘ (*‫‚ עשה‬machen / tun‘) ist zunächst einmal eine allgemeine Formulierung, die noch nichts darüber aussagt, was gemacht werden soll. Nach dem Targum*, der rabbinischen Tradition und Raschi soll sich die Frau die Nägel wachsen lassen, damit sie dem Mann gegenüber möglichst unattraktiv aussieht. Anders dagegen LXX und VUL, wonach sie ihre Nägel beschneiden soll. Tatsächlich haben sich die orthodoxen Bibelübersetzungen (Nr. 7.8.) an die rabbinische Auslegung gehalten; Nr. 1 – 5 beschneiden und übersetzen darin mit der LXX. Dessauer (Nr. 5) bietet den traditionellen Raschi-Kommentar (in Deutsch), ohne jedoch seine Bibelübersetzung darauf abzustimmen. Einzig Hirsch (Nr. 6) geht in der Übersetzung einen eigenen Weg; er verweist zwar auch auf die rabbinischen Quellen, liest diese jedoch in einer sehr eigenen Bedeutung. Die rabbinische Lesart, die sich faktisch an einer Ehe mit einer nicht-israelitischen Frau störte, war im 19. Jahrhundert offenbar kaum noch zu vermitteln. Wohl kaum eine jüdische Bibelübersetzung des 20. Jahrhunderts Die Übersetzung stand so in der (jüdischen) Kritik, ist aber auch gleichzeitig so oft von Buber / Rosen­ wissenschaftlich bearbeitet worden wie diejenige von Buber / Ro- zweig senzweig. Bemerkenswert ist dabei auch, dass insbesondere im nicht-jüdischen und nicht-judaistischen Resonanzraum die früheren deutsch-jüdischen Bibelübersetzungen, wenn sie mit Buber / Ro-

374    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums senzweig verglichen werden, oftmals ausgesprochen schlecht wegkommen. Klaus Reichert (Reichert 1993) verweist beispielsweise auf Philippsons Kommentar, mit seinen „subtilen philosophischen Schätzen“ (ebd. 8), um gleichzeitig eine ‚unüberbrückbare Kluft‘ zwischen Kommentar und Übersetzung aufzutun und in wohl deutlich pejorativem Sinn zu konstatieren: Die Übersetzung ist im Stil einer geborgten archaischen Naivität geschrieben, in einer Art Sagenstil à la Schwab und Uhland, sie wälzt sich auch dann in vollständigen Sätzen dahin, wenn das Original sie nicht hat, ohne Tonwechsel (…) in einer homogenen und kompakten Masse (Reichert 1993, 8).

Auch das „hebräische Kolorit“ in den Namen sieht Reichert vor allem als eine „Reverenz vor dem Zeitgeist“. Demgegenüber wird die Buber / Rosenzweig’sche Sprache als ein „erfundenes Urdeutsch und eine Hebraisierung des Deutschen (…) ohne einen Rest christlich vorgeprägten Sprachmaterials“ bezeichnet (Reichert 1993, 25). In der Tat wird die Buber / Rosenzweig-Bibel gerade bei christlichen Lesern und Leserinnen oftmals nicht nur als die ‚jüdischste‘, sondern darin auch als sehr authentische Bibelübersetzung betrachtet, was nicht zuletzt an dem in der Verdeutschung systematisch angewandten ‚Leitwortstil‘ (Buber 1936) und der konsequenten Ersetzung des Tetragramms* durch das Personalpronomen liegt (dazu Liss 2003a). Der Leitwortstil Gerade der Leitwortstil, in dem beispielsweise jene ausgehend von der hebräischen Wurzel* ‫ זבח‬gebildeten Nomina mit ‚Schlachten‘, ‚Schlachtstatt‘ oder ‚Schlachtmahl‘ verdeutscht werden (Buber / Rosenzweig 1936, 145; 285 u. ö.), sorgt dabei für den nötigen Verfremdungs-, d. h. Hebraisierungs- bzw. Archaisierungseffekt. Allerdings kann dies auch manchmal auf Kosten der Bedeutung gehen, denn der biblische mizbeach wird an keiner Stelle im Pentateuch als ‚Schlachtstatt‘ ausgewiesen. Auf ihm wird auch niemals geschächtet, sondern stets verbrannt. Wo und wie die Schlachtung stattfindet, wird nicht gesagt, und das Wissen darum wurde stets als Teil der mündlichen Tora betrachtet. Hier zeigt sich also bereits, dass die Buber / Rosenzweig’sche Übersetzung ihren Leserinnen und Lesern weniger die jüdische Bibeltradition als vielmehr eine manchmal sogar imaginierte hebräische Frühzeit Israels nahebringen wollte. Das Prinzip der Bubers Ausführungen zum Leitwortstil sind nicht zu trennen Oralität von seiner Forderung, die Leser und Leserinnen von heute müssten den Zugang zur Bibel ganz neu, ohne die (jüdische und christliche) Tradition lesen und hören: Dazu muß er freilich die Schrift vornehmen, als kennte er sie noch nicht; als hätte er sie nicht in der Schule und seither im Schein ‚religiöser‘ und ‚wissenschaftlicher‘ Sicherheiten vorgesetzt bekommen (…) neu muß er sich dem

9.3.  Neue Zugänge    375 neugewordenen Buch stellen, nichts von sich vorenthalten, alles zwischen jenem und ihm geschehen lassen, was geschehen mag. Er weiß nicht welcher Spruch, welches Bild ihn von dort aus angreifen und umschmelzen, woher der Geist brausen und in ihn fahren wird, um sich in seinem Leben neu zu verleiben; aber er ist aufgetan. Er glaubt nichts von vornherein, er glaubt nichts von vornherein nicht. Er liest laut, was dasteht, er hört das Wort, das er spricht, und es kommt zu ihm, nichts ist präjudiziert, der Strom der Zeiten strömt, und dieses Menschen Heutigkeit wird selber zum auffangenden Gefäß (Buber 1954, 4 – 5).

Buber / Rosenzweigs Leserinnen und Leser sollten also mit Hilfe der Verdeutschung zur „echten Gesprochenheit“ (Buber 1936, 11) und zur ‚althebräischen Sinnlichkeit‘ zurückfinden. Deutsche Lautgestalt kann nie hebräische Lautgestalt reproduzieren, aber sie kann, aus analogem Antrieb wachsend und analoge Wirkung übend, deutsch entsprechen, sie verdeutschen. Damit er solchem Anspruch gerecht werde, muß der Dolmetsch aus dem hebräischen Buchstaben wirkliche Lautgestalt empfangen; er muß die Geschriebenheit der Schrift in ihrem Großteil als die Schallplatte ihrer Gesprochenheit erfahren, welche Gesprochenheit sich – als die eigentliche Wirklichkeit der Bibel – überall neu erweckt, wo ein Ohr das Wort biblisch hört und ein Mund es biblisch redet. Nicht bloß Weissagung, Psalm, Spruch sind ursprünglich zungen-, nicht federgeboren, sondern auch Bericht und Gesetz; heiliger Text ist für alle ungebrochene Frühzeit mündlich überlieferter Text (…), der erst, wenn seine unverfälschte Erhaltung trotz seiner dem Gedächtnis sich einprägenden Rhythmik und trotz allen strengen Memorialvorschriften unsicher geworden ist (…) aufgezeichnet wird (Buber 1936, 140 – 141).

Damit dient die Verdeutschung der Vergegenwärtigung und Wiederholung prophetischer Erfahrung: „Der Bibel-Leser soll die Bibel nicht als Text lesen, der Ereignisse und ihre Interpretation durch Spätere konserviert und darin dem Nachvollziehen durch die Generationen (bis heute) preisgibt, sondern er soll sich selbst vermittels des lauten und lautgestaltenden Lesens in dieses Ereignis zurückversetzen“ (Liss 2014b, 227 – 228). Buber / Rosenzweigs Verdeutschung sucht demnach einen ausschließlich individuellen und subjektiv-ästhetischen, darin aber gleichzeitig über- oder unkonfessionellen Zugang zum göttlichen Wort (nicht mehr: zur Schrift) zu ermöglichen. Vor allem dies unterscheidet sie von allen anderen zeitgenössischen Bibelübersetzungen, war aber gleichzeitig auch der Ausgangspunkt harscher Kritik, insbesondere auf jüdischer Seite (dazu Reichert 1993, 27 – 28). f.  Bibelauslegung als theologische Entfaltung des Prophetismus Insbesondere das 19. Jahrhundert in Deutschland entdeckte die Bibel als einzigartige Quelle der Erziehung, in der weniger auf (biblische und jüdische) Geschichte Wert gelegt wurde, als darauf,

376    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums ein Religionsverständnis zu vermitteln, das auf Moral und Sittlichkeit gegründet war. Exemplarisch wurde dies beispielsweise im Gründungskonzept der Berliner Gemeindeschule formuliert, wo der Religionsunterricht den ‚goldenen Mittelweg zwischen Rabbinismus und Indifferenz‘ lehren sollte, und man daher auf die Bibel, repräsentiert durch Mose und die Propheten, zurückverwies: Die ethische Di­ mension der Bibel

In diesem unserem Gemeindeamte ist es unsere Pflicht, für eine bessere religiöse und bürgerliche Bildung der Jugend der hiesigen Judenschaft zu sorgen. Wir können und dürfen es nicht verhehlen, daß ein Teil der Juden in Ansehung der Religion auf den beiden äußersten Abwegen gehet, teils auf dem Pfade des Rabbinismus, teils auf dem des Indifferentismus, und die einzig richtige Mittelstraße verläßt. Diese Mittelstraße ist die Bahn der reinen mosaisch-prophetischen Religion, auf welcher wir auch nach dem Willen unseres allergnädigsten Königs und Herrn wandeln sollen (zitiert nach Behm 2002, 99).

Bereits die Bibelübersetzungen hatten den Blick von der liturgischen Bibel (Tora und Haftarot) auf die Propheten (Nevi’im) und die Schriften (Ketuvim) ausgeweitet, und dies zeigte sich auch in der Beschäftigung mit der Bibel insgesamt. Hatten sich die hebräischsprachigen Maskilim* Osteuropas insbesondere aus sprachlich-ästhetischen Gründen mit den Ketuvim beschäftigt (vgl. oben Kap. 8.3.d.), so finden wir in der deutschsprachigen Exegese (und Philosophie) eine besondere Hinwendung zur Botschaft der Propheten, die insgesamt als Entfaltung des ‚religiös fortschrittlichen Geistes‘ formuliert wurde. Dass dieses ‚neuromantische Prophetieverständnis‘ vor allem durch die Wellhausen-Schüler Bernhard Duhm (1847 – 1928) und Carl Heinrich Cornill (1854 – 1920) geprägt wurde und die „positive Deutung der Prophetie im Sinne des ‚ethischen Monotheismus‘ – d. h. als des Glaubens an den einen Gott und seinen Anspruch auf die menschliche Verwirklichung seines heiligen Willens – ein wichtiges Fundament jüdisch-liberaler Identität“ war (Wiese 1999, 200), hat Christian Wiese vor allem ausgehend von dem Philosophen und Rabbiner Max Wiener (1882 – 1950) dargelegt (Wiese 1999, 199 – 205). Dieser sah die Bedeutung der biblischen Propheten weniger „in der Entwicklung grundsätzlich neuer Ideen, als ‚vielmehr in der Läuterung, der Versittlichung längst überkommener religiöser Vorstellungen‘ “ (zitiert nach Wiese 1999, 202). Lex post Die Betonung eines fortschrittlichen prophetischen Geistes mussProphetas? te Auswirkungen auf das Verständnis von Tora und Prophetie haben. Die jüdischen Gelehrten sahen sich dabei vor allem durch Julius Wellhausens Prolegomena zur Geschichte Israels (1878) herausgefordert. Dessen These, wonach die Propheten noch kein Religionsgesetz gekannt hätten („[…] ich durfte mir gestehen, dass das hebräische Altertum ohne das Buch der Thora verstanden werden

Das Konzept des ethischen Monotheismus

9.3.  Neue Zugänge    377

könne“; [Wellhausen 1895, 4]), und die darin postulierte zeitliche Ansetzung eines Großteils des Religionsgesetzes ins babylonische* Exil, erzwangen auf jüdischer Seite eine bibelwissenschaftliche Verhältnisbestimmung von Prophetie und mosaischer Gesetzgebung. Bereits Ludwig Philippson suchte in seiner Abhandlung Die Pro- Lex und Prophetae pheten und das mosaische Gesetz (1885b) die These des Lex post Prophetas zu entkräften und die Übereinstimmung zwischen der prophetischen Botschaft und der Tora nachzuweisen, weil „die Propheten selbst auf dem Boden des mosaischen Gesetzes stehen“ (Philippson 1885b, 729). Nach ausführlichen Vergleichen einzelner gesetzlicher Topoi gelangt er zu der Auffassung: Der Prophetismus mit seinen eigenthümlichen, von den Verhältnissen der Zeit gebotenen Richtungen, war also die zweite Entwickelungsphase, der zweite concentrische Kreis, der sich um den ersten, den Mosaismus, und seine Peripherie über denselben hinaus legte, bis er zuletzt die ganze Menschheit umfaßte, diese jedoch um Israel als Mittelpunkt versammelte (Philippson 1885b, 766).

Vor allem Kaufmann Kohlers bibelwissenschaftliche und spätere Der ‚religiös-fort­ theologisch-systematische Arbeiten haben diesen Gedanken auf- schrittliche Geist‘ genommen und umfassend an den biblischen Schriften nachzu- der Bibel weisen gesucht (Bechtoldt 1995, 325 – 351). Damit einhergehend postulierte Kohler bereits in seiner Dissertation von 1868 (Die Bibel und die Todesstrafe) den Entwicklungscharakter des ‚religiös fortschrittlichen Geistes‘: Aber wir wollen durch beifolgende Arbeit den Beweis liefern, daß der religiös-fortschrittliche Geist der biblischen Gesetzgebung nach ihren verschiedenen Entwicklungsphasen selbst sichtbar dahin strebt, die Todesstrafe aufzuheben und durch bessere Institutionen zu ersetzen. Wir wollen die Bibel heilig halten nicht als das unverbesserliche Wort Gottes aus einer Zeit, sondern als den Ausdruck des religiösen Bewußtseins durch eine mehrtausendjährige Entwicklung. Nur der Geist Gottes, der über den Buchstaben des Gesetzes steht, bleibt, belebt und lebt fort, der Buchstabe ist todt und tödtet (Kohler 1868, VII [alle Hervorhebungen im Original]).

Kohlers Darlegung des ‚religiös-fortschrittliche[n] Geist[es]‘ der Bibel, ein Ausdruck, der gerade in Die Bibel und die Todesstrafe mehrfach wiederholt wird (ebd. 17; 21 u. ö.), lässt daher den Gedanken der Todesstrafe von der Blutrache im Lied des Lamech (Gen 4,23) als „echtes Beduinenlied aus althebräischer Zeit“ (ebd. 24) über weitere „traurige Spuren solcher Metzeleien ganzer Stämme oder Städte“ (ebd. 24) bis „zum reineren und einheitlichen Religioncultus im Lande Juda (…) wie sie im Deuteronomium zum Ausdruck kommen“ (ebd. 32) Revue passieren. Auch Kohler sieht dabei eine nahtlose Kontinuität des religiösen Fortschritts von der Bibel in die rabbinische Zeit:

378    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Die spätere nachexilische Jurisdiktion, die, vertreten durch die sadokitische oder sadduzäische Priesteraristokratie das alte mosaische Gesetz so gut wie möglich mit aller Stabiltät buchstäblich restaurirte, wurde von dem fortschreitenden Rechtsbewußtsein des Volkes immer mehr zur Milderung des criminellen Strafverfahrens gedrängt, und die spätere pharisäische Volkspartei hob das ganze Prinzip der Wiedervergeltung, das jus talionis, auf und suchte die Todesstrafe durch allerlei Rechtsklauseln und erschwerten Zeugenverhör in vielen Fällen illusorisch zu machen (ebd. 43).

Dabei zeigt der Bibelwissenschaftler Kohler schon seinen Anspruch der Durchdringung von Exegese und systematischer Theologie: Aus so tief verschlammten religiösen Vorstellungen hatte eine Religion klarer Ideen sich herauszuwinden, unter so schweren Geburtswehen erzeugte die israelitische Nation die Lehre, die Leben gibt und Leben hat für Alle (ebd. 27 – 28). Von der Wiedervergeltung zur Sühne, von der Sühne zur Gnade und zum Erbarmen schreitet die religiöse Idee fort (ebd. 47). Die Inferiorität altorientalischer Quellen

Es zeigt sich allerdings, dass die Idee des religiös-fortschrittlichen Geistes im Zuge der Rezeption der altorientalisch-archäologischen Forschung und der Auseinandersetzungen in der Babel-Bibel-Debatte (vgl. auch Kap. 9.3.g.) dazu führte, dass Kohler den Spieß Delitzschs von der Superiorität Babels umdrehte und seinerseits die Bibel als die sittlich höher entwickelte Literatur postulierte. In seiner Abhandlung Assyriology and the Bible (1903), entstanden unmittelbar zur Zeit des Babel-Bibel-Streites, gelangt er nach Rechtsvergleichen zwischen dem biblischen Recht und dem Codex Hammurabi* zu dem Ergebnis: Zusammenfassend (bleibt festzuhalten): Babel war eine Welt ohne Gerechtigkeit, ohne Liebe und ohne Mitgefühl – eine einzige Leerstelle [one void] in Sachen Reinheit und Wahrheit. (Erst) die Bibel eröffnete der Menschheit all die tieferen Schätze der Seele, indem sie ihr einen Gott der Rechtschaffenheit und Heiligkeit gab, um ihm nachzueifern und in Demut zu folgen (…). Aber der Einfluss Babyloniens endete nicht mit der Bibel oder dem hebräischen Zeitalter (…). Es war babylonischer Aberglaube, der in Judaea eingepflanzt war, aber während die großen Lehrer in Israel solche Bräuche in der talmudischen und mittelalterlichen Zeit verwarfen, haben die Verantwortlichen der Kirche sie ohne Ausnahme gefördert und ihr Gedankengebäude auf ihnen errichtet. Nur in der jüdischen Mystik, der Kabbala, konnten diese Ideen Babyloniens fortdauern als Kräfte, die die Menschen in Angst versetzen. Die Bibel (hingegen), dort, wo man sie zur Grundlage des Glaubens erhob, jubelte dem Herzen mit den Worten des Schöpfers zu: ‚Es werde Licht‘! ([Gen 1,3] Kohler 1931, 437 – 438).

Der ‚aufgeklärte Schuss‘ gegen die Kabbala und gegen die Mystik der Chaside Aschkenaz* war allen Vertretern der Wissenschaft des Judentums gemeinsam, deren Talmudlektüre* entsprechend einseitig war und deren jüdisches Mittelalter abgesehen von Raschis und Raschbams Peschat-Exegese*, den tosafistischen* Rechtsdis-

9.3.  Neue Zugänge    379

kursen und der Pijjut-Literatur* nichts kennen wollte. So wurde beispielsweise behauptet, der „erschütternde Verlust von Gattin und Tochter“ während der Kreuzzugsverfolgungen habe R. El‘azar ben Jehuda aus Worms die Sinne verwirrt und seine „phantastische Mystik“ hervorgerufen (Steinschneider 1905, 52). Aber abgesehen davon, dass die judaistische Forschung heute sehr wohl um die Rezeption gerade der babylonischen* Magie im Judentum bis weit ins Mittelalter hinein weiß, zeigt sich spätestens an diesem Zitat, dass die Verbindung zwischen religionsgeschichtlich komparatistischer Forschung und einer apologetisch motivierten theologischen Perspektive auf allen Seiten fehlging. Auf jeden Fall schälte sich im Denken Kaufmann Kohlers in der nahtlosen Aufeinanderfolge von biblischer zu rabbinischer Literatur als der sukzessiven Entwicklung des religiös-fortschrittlichen Geistes die Idee vom Judentum als Religion des Prophetismus heraus: Und was sind denn die Zukunftsideale der Menschheit anders als die, die Judentum als das Judenthum, oder um allgemeiner zu sprechen, der Prophetismus vor Religion des mehr als drittehalb Jahrtausenden aufgestellt hat: dass die Zeit herbei- Prophetismus komme, in der die Menschen in Friedens- und Wahrheitsliebe geeint, als Kinder Eines Gottes sich erkennen und lieben? Um aber fürderhin noch wirksam sein zu können, muss die Religion des Prophetismuss [sic!] als geschichtlich gegeben, nach ihren einzelnen Entwicklungsphasen und -formen erkannt und mit geschichtlicher Würdigung fort- und umgebildet werden. Der Prophetismus ist nichts anderes ein steter Fortschritt der Ideen, ein mit immer wirksamerem Erfolg fortgesetzter Kampf der Wahrheit gegen den Unverstand, der Idee gegen die rohe Sinnlichkeit, der reinen sittlichen Gottesverehrung gegen den menschenentwürdigenden Götterdienst. Der Prophetismus ist es, der durch allmähliche Umbildung der gesetzlichen Institutionen und der geschichtlichen Ueberlieferungen die alte väterliche Religion und Sitte auf eine neue höhere Stufe zu setzen bemüht ist. Und als einen Theil dieser halb priesterlichen, halb prophetischen Arbeit, ja theilweise als Ergebniss derselben ist der Pentateuch selber anzusehen und hat darnach im Kultus und besonders im Unterricht seine Geltung und Stellung zu erhalten. Denn das Alpha und das Omega des Judenthums ist nicht das Gesetz, sondern die ewige sittliche Idee! (Kohler 1867, VI – VII [Hervorhebungen im Original]).

Allerdings hatte diese Gleichsetzung von Judentum und Prophetismus ihren theologischen Preis, denn um die Wellhausen’sche Scheidung in Prophetismus und Gesetz zu umgehen, musste Kohler diese Unterscheidung als Binnendifferenzierung in die Tora selbst hineintragen: An die Stelle des lebendigen Prophetenworts, das im babylonischen Exil die Quelle des Trostes und der Neubelebung des jüdischen Volkes geworden war, trat mit dem Auftreten Ezras des Schriftgelehrten das Gesetzbuch Mosis in den Mittelpunkt des Gemeindelebens und wurde der Sammelpunkt volkstümlicher Belehrung (Kohler 1910, 33). (…) Es geht durch

380    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums das Judentum eine doppelte Geistesströmung: eine priesterlich-gesetzliche Richtung, die Staat und Tempel durch Rechts- und Ritualbestimmungen ordnen, also das Volks- und Privatleben gesetzlich regeln will, und eine prophetisch-ethische Richtung, die das sittlich-religiöse Bewusstsein des Menschen und der Menschheit wecken und heben will. Je nachdem die eine oder andere vorherrscht, ist die Thora abwechselnd Gesetz und Lehre (Kohler 1910, 35). (…) Als Gesetzbuch verlieh die Thora dem Judentum ein strenges Pflichtgefühl, das dem Leben den Stempel der Heiligkeit aufdrückt. Freilich erwuchs daraus auch jene ängstlich an den Buchstaben und das Herkommen sich anklammernde Gesetzesfrömmigkeit, die zu haarspaltender Kasuistik und zur Verknöcherung der Religion in der Halaka [sic!] führen musste. Als Buch der Lehre dagegen mit ihrem rein sittlichen und universal-menschlichen Gehalt verlieh sie dem religiösen Bewusstsein einen hohen, über die Enge nationaler Begrenzung weit hinaustragenden Geistesschwung, der das jüdische Volk zum Denkervolk in dem Grade machte, als die Lehre als Quelle der Weisheit und der Erkenntnis Gut der Gesamtheit ward (Kohler 1910, 37).

Ob Kohler die Gefahr unterschätzt hat, von der protestantischen Theologie als Ombudsmann gegen die mosaische Gesetzesreligion vereinnahmt zu werden, wie manche seiner deutschen jüdischen Zeitgenossen beklagten (dazu Wiese 1999, 163 – 164), kann hier nicht diskutiert werden. Sein amerikanisches Umfeld trug sicher dazu bei, dass sich Kohlers reformorientiertes Religionsverständnis so selbstbewusst und kritisch mit den eigenen Literaturen auseinandersetzen konnte. g.  Mit Archäologie und Altorientalistik gegen die ‚höhere Kritik‘ Die zum Teil sehr positive Aufnahme der archäologischen und altorientalischen Forschungen durch jüdische Gelehrte mag nur aufs Erste verwundern. Auf den zweiten Blick stellt man fest, dass die Ausgrabungen in Mesopotamien dazu führten, dass „Abraham dem Agamemnon folgte“ (Shavit / Eran 2007, 168), insofern, als nun die biblischen Gestalten aus dem Reich der Mythen ebenso in die Geschichte zurückgeholt wurden wie Agamemnon nach Schliemanns Ausgrabungen von Troja (1871 – 1890). Jampels Schriften So legte Sigmund Jampel eine Reihe von Schriften zur biblischen zur Altertumskunde Altertumskunde vor, die die Literaturen Israels wieder in der Geschichte verankern und gleichzeitig die Neuere Urkundenhypothese Wellhausens entkräften wollten: ‚Panbabylonismus gegen Wellhausianismus‘

Wir haben bis jetzt die beiden extremsten, einander diametral zuwiderlaufenden Anschauungen über die biblische Religion kennengelernt. Während nach der ersteren, der Entwickelungstheorie, die höhere biblische Religion nachisraelitischen, d. h. nachexilischen, Ursprungs ist, ist sie nach dem Panbabylonismus schon in vorisraelitischer Zeit vorhanden gewesen. Um einzusehen, daß der konsequente Wellhausianismus, der sich das vor-

9.3.  Neue Zugänge    381 exilische Israel als gegen jeden orientalischen Kultureinfluß abgeschlossen und als dauernd auf der Stufe wilder Beduinen beharrend, vorstellt, eine phantastische Absurdität sei, dazu braucht man wirklich nicht erst ein panbabylonistischer Chauvinist zu sein; denn schon der Tell-el Amarna-Fund ganz allein ist, wie H. Winckler mit Recht bemerkt, der Tod der Entwicklungstheorie. Daß aber auch der Panbabylonismus, obgleich auf gesicherten zeitgenössischen Dokumenten basierend, durch die völlige Verkennung der qualitativen Eigenart der biblischen Religion seinen babylonischen Günstlingen zuliebe vom geraden Wege weit abgewichen ist, merkt man schon auf den ersten Blick (Jampel 1908, 27 – 28).

Jampel suchte in seinen Arbeiten vor allem die konservativ-traditionellen Kreise an die Wissenschaft heranzuführen. Auf der Basis der altorientalischen Forschungen könne die (historische) Zuverlässigkeit der biblischen Berichte gerade gegen die neueren Quellenscheidungstheorien behauptet werden: Tatsächlich hat die Altertumsforschung sich bescheiden gelehrt und niemand wagt es heute, angesichts einer inschriftlichen Notiz mit Wahrscheinlichkeits-Rechnungen zu operieren. Aber in der Bibel? Da erscheint jede künstlich kombinierte und bei den Haaren herbeigezogene Unwahrscheinlichkeit hinreichend, um die ganze biblische Geschichte auf den Kopf zu stellen. Wir fragen nun: Warum dies? Mit welchem Recht? Hat sich vielleicht die Bibel der historischen Wahrhaftigkeit gegenüber schon so viele Delikte zu Schulden kommen lassen, dass man sich verpflichtet oder berechtigt fühlt, jedes ihrer Worte, welches in den Urkunden anderer Völker nicht bezeugt ist, zu verdächtigen oder gar zu verwerfen? Welcher Fachgelehrte darf heute die Behauptung wagen, dass die Bibel durch die anderweitigen zeitgenössischen Urkunden in irgend einem wichtigen Punkte überführt worden sei? (…) Wenn es bisweilen so scheint, als hätte die Bibel durch orientalische Urkunden eine Korrektur erfahren, so ist es in Wirklichkeit nicht der biblische Bericht, sondern unser Verständnis desselben, welches hier korrigiert worden ist (Jampel 1928, 77 – 78).

Jampel verweist hier auf die Gefahren, auf die bereits Ze’ev Jawitz (1847 – 1924) aufmerksam gemacht hatte (Jawitz 1911; dazu Shavit / Eran 2007, 183 – 186), dass jenes begeisternde Moment, das die Sintfluterzählung in Babylonien* oder die Stele des Asarhaddon mit der Bibel in Verbindung brachte, sich ebenso schnell gegen die Heilige Schrift wenden konnte, wenn man umgekehrt für die biblischen Erzählungen auf derartigen Evidenzen insistierte. Daher verwendet er gerade in seiner Vorgeschichte des israelitischen Volkes und seiner Religion alle Mühe darauf, zunächst einmal die theoretischen Möglichkeiten der Integration der Altorientalistik in die Bibelauslegung auszuloten. Neben der Darstellung der Wellhausen’schen Thesen findet sich neben anderen ein Abschnitt zur berechtigten und unberechtigten Skepsis, ein Wort an jüdisch-liberale Bibelforscher, ein Wort an die jüdisch-konservativen Bibelforscher und ein Abschnitt zur freie[n] Richtung in der katholischen Bibelwissen-

382    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums schaft. Jampel verweist darauf, dass „die katholische Theologie von jeher das Alte Testament auch nach seiner historischen Seite hin geschützt [hat], u. zw. in einer Weise, die selbst dem konservativen Juden genügte“ (Jampel 1928, 143), und zeigt damit in bemerkenswerter Weise, dass ihm die Analogie zwischen Katholizismus und Judentum insbesondere in seinen traditionellen Ausprägungen nicht entgangen war (dazu vor allem Kasiri 2010). Der Umgang mit Eine bemerkenswerte Darstellung des sog. Babel-Bibel-Streites, dem Babel- der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Gemüter erhitzte (Gebauer Bibel-Streit 2015; Shavit / Eran 2007, 195 – 330), findet sich in Soloveitchik / Rubaschows Toldot Biqqoret ha-Miqra. Auslöser waren die Vorträge des Berliner Assyriologen und Direktors der Deutschen Orient-Gesellschaft und der Orient-Abteilung der Königlich-Preußischen Museen, Friedrich Delitzsch (1850 – 1922), der zwischen 1902 und 1904 Vorträge zu den Ausgrabungen im Vorderasiatischen Raum hielt (die ersten vor dem Kaiser und damit in einem entsprechenden öffentlichen Fokus), die die altorientalischen Schriftfunde ins Verhältnis zum Alten Testament stellten. Dabei verglich er die mesopotamischen Erzählungen wie Schöpfungs- oder Fluterzählung mit den biblischen Berichten und arbeitete die Parallelen altorientalischer Rechtskodices mit dem biblischen Recht heraus. Delitzschs Ergebnisse waren seinerzeit vor allem deshalb so umstritten, weil er zum einen die Originalität der babylonischen* Kultur und Religion vor der Bibel betonte, wie er umgekehrt die ethisch-sittliche Inferiorität des Alten Testaments gegenüber der babylonischen Religion hervorhob. Auch Soloveitchik / Rubaschow nutzten die Altorientalistik, um mit ihrer Hilfe die Neuere Urkundenhypothese zur Entstehung des Pentateuch auszuhebeln. Nachdem sie unter Hinweis auf Müllers Gesetze Hammurabis (1903) zunächst Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Codex Hammurabi* und dem Bundesbuch aufgelistet haben, schließt der Vergleich mit den Worten: Gegen die Neuere Urkunden­ hypothese

Nun aber, da es deutlich geworden ist, dass bereits 2000 Jahre v. u. Z. ein komplexer und detailliert ausgearbeiteter Rechtscodex existierte, und dass dieser Codex auch dem Gesetzgeber (mechoqeq) in Israel zugänglich war, fällt auch die Ansicht in sich zusammen, wonach die ersten (schriftlichen) Zeugnisse der hebräischen Literatur erst ins 8. Jahrhundert (zu datieren seien), und hat ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt (Soloveitchik / Rubaschow 1925, 108 – 109).

Selbst der für die jüdische Sicht problematischste Punkt der Delitzsch’schen These, wonach die babylonische Kultur und ihre literarischen Zeugnisse auf einer höheren Stufe gestanden hätten als die Hebräische Bibel (vgl. z. B. Delitzsch 1903, 32.36), erhält in Soloveitchik / Rubaschows Darlegung nicht mehr Gewicht als

9.3.  Neue Zugänge    383

nötig und wird sogar noch einmal so zum Guten gedreht, dass man sich heute fragt, warum es überhaupt seinerzeit zu einer so großen Debatte kam: Die Frage nach dem historischen Zusammenhang zwischen der Bibel und Babel wechselte schnell zur Frage nach dem Verhältnis der (jeweiligen) moralischen und sittlichen Werte beider Kulturen: Friedrich Delitzsch schritt in seinen öffentlichen Vorträgen schnell von der Frage ‚Wer (kam) vor wem?‘ zur Frage ‚Wer steht über wem?‘, und die Antwort entsprach (natürlich) dem Publikumsgeschmack, den einflussreichen Männern der christlichen Welt und wahrhaften Israelhassern. In den Gesetzen Hammurabis fand Delitzsch eine sittlich höhere Entwicklungsstufe vor als bei jenen im Bundesbuch, die babylonischen Preisgesänge waren in seinen Augen höherwertig als die biblischen Preisgesänge, und die Propheten des Ewigen – die waren nun in seinen Augen (ohnehin nur) Propheten des Partikularismus und der nationalen Überheblichkeit, die, weil sie vom Hass der fremden Völker gefressen wurden, die sittliche Stärke der babylonischen Erbschaft verworfen haben (…). Der jüngste Spross der wissenschaftlichen Forschung ist ins Straucheln geraten und vom wissenschaftlichen Pfad abgekommen, aber der Pfad als solcher hat seine Richtung durch diese Episode (‫)אפיזודה‬ in der Geschichte nicht geändert. Die (ganze) Polemik, die aufgrund der (maßlosen) Übertreibung in der Folge des Panbabylonismus aufkam, war durchaus hilfreich, denn sie führte dazu, dass man (schlussendlich doch wieder) auf der Unabhängigkeit der hebräischen Kultur und ihrer Literatur im Kontext der altorientalischen Kultur(en) bestand. (Umgekehrt) waren die Entdeckungen Babyloniens im Verbund mit den Ausgrabungen Ägyptens darin wirklich hilfreich, dass man (endlich) die Verbindung zwischen Israel und den Völkern, in deren Mitte es wohnte, aufdeckte (Soloveitchik / Rubaschow 1925, 113).

Aus heutiger Sicht ist man überrascht über die nüchterne Zusam- Selbstbewusstsein menfassung dieser theologischen Auseinandersetzung. Nicht einmal statt Apologetik der von Delitzsch angegriffene ‚national-partikularistische Monotheismus‘ (Delitzsch 1903, 37) blieb unerwähnt. Möglicherweise hängt das hierin zum Ausdruck kommende Selbstbewusstsein auch daran, dass diese beiden auf Hebräisch schreibenden Gelehrten nicht für eine deutsche oder deutsch-jüdische Leserschaft geschrieben haben, sondern für ein maskilisches Publikum, das schon länger auf eine kritische Bibelwissenschaft zurückblicken (vgl. oben Kap. 8), und dem in der Anwendung des Hebräischen als lebendiger Tradition von der Bibel bis in die eigene Zeit und Diktion hinein die Polemik Delitzschs (und all der anderen christlichen Bibelwissenschaftler) nicht wirklich etwas anhaben konnte. So, wie schon Jampel die kreativ-kritische Bibelwissenschaft bereits in der Raschi-Schule zu finden glaubte, haben Soloveitchik / Rubaschow die ‚Bibelkritik‘ bereits mit den innerbiblischen Fortschreibungen beginnen lassen (iqvot peruschim betokh ha-miqra; Soloveitchik / Rubaschow 1925, 9 – 13). Beide waren deshalb weder zu dogmatischen Einschränkungen nach innen noch zu Abgrenzungsmanövern nach

384    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums außen genötigt. Demgegenüber zeigt sich auch bei Kaufmann Kohler, David Hoffmann und Benno Jacob, dass die nicht-hebräischsprachigen und vor allem theologisch motivierten Diskurse nicht ohne polemische Auseinandersetzungen auskamen und darin auch nach innen den Graben zwischen (Neo-)Orthodoxie und Reform faktisch stabilisierten. Ugarit und Was für Soloveitchik / Rubaschow gegolten hatte, lässt sich in die Bibel gewisser Weise auch für Umberto Cassuto behaupten: auch er hat die Polemik gegenüber der christlichen Exegese nicht (mehr) nötig. Sein wissenschaftliches Anliegen war die Aufhellung des Verhältnisses zwischen der Literatur (des Stadtstaates) Ugarit und der Bibel. Eine grundsätzliche Verhältnisbestimmung beider findet sich in der umfangreichen Einleitung seiner Untersuchung zur Goddess Anath (1971). Cassuto lehnt die Überlegung ab, wonach Israels Literaturen vor allem den Einfluss Ägyptens, Babyloniens* und Assyriens zeigten, da zwar all diesen Kulturen grundlegende Elemente dichterich-poetischer Sprache wie Versmaß oder Parallelismus membrorum* gemeinsam seien, diese Literaturen aber gleichermaßen aus einem kultischen Kontext stammten, den einfachhin zu übernehmen für die Propheten und die Schriftgelehrten Israels nicht vorstellbar gewesen sei. Stattdessen postulierte er die Literatur Israels als Fortsetzung des Erbes von Ugarit: Die Bibel als Erbin Ugarits

Das kunstvolle Erbe der biblischen Literatur beschränkt sich nicht auf diejenigen Elemente, die man einfach von einer in die andere Sprache übernehmen könnte, wie beispielsweise bestimmte Elemente der Dichtkunst (…). Vielmehr erweist sich die Literarizität der Sprache in den frühesten hebräischen Zeugnissen bereits als voll ausgeprägt (…). Wir müssen daher die Erklärung für dieses Phänomen in einer anderen Richtung suchen. Das Problem wird einfach gelöst, wenn wir annehmen, dass die Bibel nichts anderes als eine Weiterentwicklung der kanaanäischen Literatur ist (…). So, wie die hebräische Sprache einfach ein weiterer kanaanäischer Dialekt ist (…), so trat auch die hebräische Literatur das Erbe der kanaanäischen literarischen Tradition an, die unter den kanaanäisch sprechenden Bevölkerungsgruppen bereits ausgeprägt war, (lange) bevor Israel existierte (…). Die ugaritische Literatur beweist dies: Es gibt literarische Werke in Ugarit, die in eine Zeit lange vor der aufkeimenden Literatur in Israel gehören, und in der wir zahlreiche Eigentümlichkeiten finden, die mit jenen für die Bibel charakteristischen identisch sind. Es ist daher ganz offensichtlich, dass diese literarischen Eigenschaften ein Erbe der kanaanäischen Tradition sind, das auf beide Völker gleichermaßen, Ugarit wie Israel, aus frühester Zeit kam (Cassuto 1971, 19 – 20).

In The Goddess Anath suchte Cassuto diese These durch einen ausführlichen Vergleich bestimmter Synonyma, metaphorischer Sprach- und Spruchformeln oder besonderer Nominal- und Verbalformen zu untermauern (Cassuto 1971, 18 – 52). Sein komparatistischer Zugriff führte dabei auch zu einer grundlegenden Zurückwei-

9.3.  Neue Zugänge    385

sung der Neueren Urkundenhypothese (Cassuto 1961). Cassutos Ansatz wurde von Forschern wie Baruch Margalit (Haifa) u. a. weitergeführt, und obwohl das Verhältnis zwischen Ugarit und Israel vor allem hinsichtlich ihrer Sprachen wissenschaftlich deutlich modifiziert diskutiert wird (Mondriaan 2013; Knauf 1990), bilden die Forschungen Cassutos bereits ein Scharnier zur (überkonfessionellen) modernen Bibelforschung, die die Bibel als Teil der Kultur und Literatur des Vorderen Orients wissenschaftlich bearbeitet. h.  Deutsch-jüdischer ‚Sonderweg‘? So unterschiedlich auch in der Geschichtswissenschaft die These vom sog. ‚Deutschen Sonderweg‘ beurteilt wird (Kocka 1982) – für den hier nachfolgenden Abschnitt bildet dieser Diskurs eine ganz eigene Hintergrundfolie, denn im Kontext der Darstellung neuer und alt-neuer Zugänge fällt doch auf, dass insbesondere David Hoffmann und Benno Jacob im Vergleich mit vielen anderen in diesem Kapitel behandelten Gelehrten tatsächlich eine Sonderrolle einnehmen, die sich u. a. auch darin zeigt, dass beide Gelehrte in ihrer sehr dezidierten Auseinandersetzung mit der christlichen Bibelkritik eine Bibelwissenschaft vertraten, die weder mit den Ansprüchen einer traditionellen Jeschiva*, noch mit denjenigen in jüdisch-amerikanischen Reformkreisen oder der seit Ende der 20er Jahre (und bereits hebräischsprachigen) universitären Bibelwissenschaft in Israel wirklich kompatibel war. Auch Meir Seidler hat nicht zufällig gerade diese beiden Bibelgelehrten unter der Frage nach ihrem Umgang mit der Quellenscheidung in einer vergleichenden Betrachtung zusammengebracht (Seidler 2003), weil beide vor allem angetreten waren, gegenüber der Quellentheorie nachzuweisen, dass die Tora und ihre Gesetze „aus einem Guss(e)“ seien (Hoffmann 1905, 271; Jacob 1905, 396). Gegenüber beispielsweise Kaufmann Kohler, dessen Arbeiten in den USA auf fruchtbaren Boden fielen und diesen gleichzeitig wiederum mitzuprägen in der Lage waren, oder Naftali Herz Tur-Sinai, der sich in Israel in einem wissenschaftlichen Umfeld etablieren konnte und gleichzeitig auch dieses bestimmend mitgeformt hat, waren die Schriften von Hoffmann und Jacob tatsächlich für eine deutsche und deutsch-jüdische Leserschaft geschrieben, von denen erstere von ihnen nichts wissen wollte („Die Kritik hat das Werk leider mit fast vollständigem Stillschweigen übergangen“; Jacob 1909, 3) und letztere aufgrund des Mordes an den europäischen Juden schon bald nichts mehr lesen konnte. Daran konnten weder die Übersetzungen von Hoffmanns Büchern ins Hebräische noch die späten Übersetzungen und Herausgaben der Bibelkommentare von Benno Jacob in den USA und in Deutschland etwas ändern. In Israel ist die hier adressierte Kritik

386    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums an der Quellenkritik bis heute nicht wirklich Teil des akademischen Diskurses (vgl. unten Kap. 10), und es ist aufschlussreich, dass Hoffmanns Kommentare heute vor allem von der (Ultra-)Orthodoxie wahrgenommen werden (Shapiro 2015, bes. 119 – 141). Auf der anderen Seite zeigt die Übersetzung des auf Deutsch verfassten Exodus-Kommentars von Benno Jacob exemplarisch, dass viele der Spitzen und Polemiken, die diesen Kommentar auszeichnen, im amerikanischen Raum nicht mehr verstanden und deshalb herausgenommen wurden (dazu Liss 2003a). Hybride Was die bibelwissenschaftlichen Arbeiten David Hoffmanns anBibelwissenschaft geht, so gehört er mit seiner Hermeneutik noch ganz zur Orthodoxie, in seiner Methodik adaptiert er allerdings in vielerlei Hinsicht die protestantische Bibel- und Quellenkritik (wenn auch mit anderen Vorzeichen). So weisen seine Arbeiten eine ganz eigene Hybridität auf, und es zeigt sich gerade in der Gegenüberstellung mit den osteuropäischen Gelehrten, dass Hoffmann als Bibelwissenschaftler weitaus weniger eigenständige und nachhaltige Produktivität aufzuweisen hat als Meklenburg oder Malbim, die in ihren sprachwissenschaftlich-linguistischen Arbeiten bis heute nicht nur als Quelle (für die osteuropäische Wissenschaft des Judentums), sondern auch als Sekundärliteratur für das jüdische Bibelstudium lesenswert sind. Dies kann von David Hoffmann nur noch eingeschränkt gesagt werden. Viele Details seiner Probleme der Pentateuch-Exegese (Jeschurun NF 1914 – 1919), die sich der Widerlegung der zeitgenössischen Quellenscheidung widmen, sind heute fast ungenießbar: Sie referieren einzelne literarkritische Details und suchen mit denselben Mitteln, mit denen die einen ihre Literarkritik behaupteten, das Gegenteil zu beweisen. Einen beinahe dogmatischen Zugang zeigt sein Opus Magnum Das Buch Leviticus (1905 / 06). In einer ausführlichen Einleitung teilt er seinen hermeneutischen Standpunkt mit und errichtet gleich zu Beginn ‚einen Zaun‘ um die wissenschaftliche Bibelauslegung: Hoffmanns Einleitung zum Leviticus-­ Kommentar

Der jüdische Erklärer des Pentateuchs hat einen besonderen Umstand zu berücksichtigen (…), der ihm gewissermassen die Gesetze für seine Exegese vorschreibt. Dieser Umstand ist: unser Glaube an die Göttlichkeit der jüdischen Tradition. Das wahre Judenthum hält die ‫‚[ תורה שבעל פה‬mündliche Tora‘] (…) für göttlichen Ursprungs (…). Aber auch in den Fällen, wo der Sinn der Stelle nicht durch die Tradition gegeben ist, muss sich der jüdische Ausleger stets davor hüten, die Stelle so auszulegen, dass sie mit einer traditionellen ‫[ הלכה‬Halakha] in unlösbarem Widerspruch sich befinde (…). Eine jede Auslegung (…), wodurch einer traditionellen ‫ הלכה‬widersprochen wird, ist als Erklärung ‫[ שלא כהלכה‬nicht mit der Halakha in Übereinstimmung] und daher als eine unjüdische Erklärung zu verwerfen (…). Da wir von der Göttlichkeit der Tradition fest überzeugt sind, so gelten für uns die Worte der Tradition gerade so viel, wie die Worte der Schrift (Hoffmann, Das Buch Leviticus I, 1).

9.3.  Neue Zugänge    387 Der erste Grundsatz ist: Wir glauben, dass die ganze Bibel wahr, heilig und göttlichen Ursprungs ist. Dass jedes Wort der ‫[ תורה‬tora] auf Befehl Gottes niedergeschrieben wurde, ist mit dem Grundsatze ‫תורה מן השמים‬ [‚Tora vom Himmel‘] ausgesprochen (…). Wer also diese Schriften angreift, deren Heiligkeit oder Göttlichkeit negirt, hat sich damit von dem Judenthume losgesagt. Daher muss auch der jüdische Bibelexeget jede Auslegung einer Bibelstelle verwerfen, die sich mit diesem Glauben an die Wahrheit, Heiligkeit und Göttlichkeit der Bibel nicht verträgt (Hoffmann, Das Buch Leviticus I, 6 – 7).

Hoffmann insistiert nicht einfach darauf, dass bestimmte biblische Keine Bibelaus­ Gesetze ohne die mündliche Traditionsliteratur leichter oder über- legung gegen haupt erst verstanden werden können (diese Position sollten Jahre die Tradition später Rolf Rendtorff oder Jacob Milgrom vertreten), sondern er schreibt dem jüdischen Exegeten vor, keine Auslegung gegen die Tradition vornehmen zu dürfen. Ginge es hierbei um die Bedeutung einzelner Verse / Abschnitte für das zeitgenössische jüdische Leben und die religiöse Praxis, so läge darin nichts Ungewöhnliches; eine solche Bibelauslegung hätte dann auch nicht den Sinn einer literar-historischen und traditionsgeschichtlichen Rekonstruktion, sondern den des Aufweises der Relevanz der Texte für die heutige jüdische Religion. Aber gerade die Einleitung in den Leviticus-Kommentar zeigt, dass Hoffmanns Ansatz stets zwischen dogmatischer Argumentation und historisierender Darstellung changiert. Der Glaubensgrundsatz, wonach die Tora göttlichen Ursprungs ist, soll auch historisch nachgewiesen werden. Zu Beginn und am Ende eines Abschnittes, der die Überschrift Authentie des Leviticus trägt, heißt es: Es seien hier nur einige Gründe, welche für den mosaischen Ursprung Der mosaische unseres Buches sprechen, in Kürze angegeben (…). 1) Die Opfergesetze (c. Ursprung des 1 – 7) haben den Zustand Israels in der Wüste zum historischen Hintergrund Buches Leviticus und sind ohne diesen nicht verständlich. Das Stiftszelt steht in der Mitte des Lagers, von den Israeliten umgeben. Das Opfer wird an den Eingang des Stiftszeltes, ‫פתח אהל מועד‬ (…), gebracht. Unmittelbar vor dem Einzuge in das heilige Land, wo andere Zustände zu erwarten sind, wird dieser Ausdruck nicht mehr gebraucht (…). Diese Bemerkungen mögen vorläufig genügen, zu zeigen, wie uns in den meisten Abschnitten des Buches Lev. Spuren begegnen, welche in die mosaische Zeit führen (Hoffmann, Das Buch Leviticus I, 13.17).

In der Leviticus-Einleitung zeigt sich das ganze Dilemma des Hoffmann’schen Ansatzes, denn er möchte den heiligen Text auf göttliche Autorität und mosaische Autorschaft zurückführen, diese ‚dogmatische‘ Aussage aber gleichzeitig historisch verifizieren. Hoffmanns Ergebnisse ließen sich (natürlich) historisch ebensowenig nachweisen wie die damals wie heute angestellten literar-­ historischen Rekonstruktionsversuche des biblischen Textes. Weil Hoffmann jedoch die theologische These von der Göttlichkeit der

388    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums biblischen Texte an den Anfang seiner Auslegung stellt, muss er, wie übrigens nach ihm auch Benno Jacob, den Text selbst für sakrosankt erklären: Die Integrität des masoretischen Textes

Der zweite Grundsatz, der jeden jüdischen Ausleger eines biblischen Buches leiten muss, ist die Annahme der Integrität des Massora-Textes oder des überlieferten Textes. Die Massora oder die überlieferte Schreibart der heiligen Schriften (…) ist nach dem Zeugnisse unserer Weisen ebenso alt wie die heilige Schrift selbst (…). Wenn wir auch zugeben müssten, dass an manchen Stellen der Text nicht unversehrt geblieben, so müssten wir wieder andererseits zugestehen, dass uns alle Mittel fehlen, einen Text, der ‫‚[ ברוח הקדש‬mit dem heiligen Geist‘] geschrieben ist, wieder herzustellen und dass jede Conjectur, und mag sie von noch so vielen exegetischen und historisch-kritischen Gründen unterstützt sein, uns noch nicht einmal die Wahrscheinlichkeit bietet, dass der Prophet, resp. der Verfasser der heiligen Schrift in dieser Form und nicht wie der uns vorliegende Text geschrieben habe (…). Geben wir nur einmal eine andere Leseart zu, so geht es stufenweise immer weiter bis zur Fälschung der heiligen Schrift. Zuerst äussert man seine Conjectur, schreibt sie auch wohl an den Rand seines Bibelexemplars. Findet sie allgemeine Zustimmung, so lässt man die vermeintlich verbesserte Leseart in den Text aufnehmen (…) und so bekommen wir im Laufe der Zeiten eine ganz neue Bibel (…). Statt der göttlichen Bibel lesen wir dann ein menschliches Buch (…). Wir werden demnach (…) bei unserer Auslegung uns streng an den überlieferten ‫מסרה‬-Text [‚masoretischen Text‘] halten, jede Textkritik, die sich nicht auf massoretischem Boden bewegt, vollständig ausschliessen. Wir wollen ferner uns ganz den biblischen Worten unterordnen, die Wahrheit und Göttlichkeit ihres Inhaltes nicht in Zweifel ziehen und uns derjenigen sogenannten höhern Kritik entschlagen, die sich zum Richter über die Bibel aufwirft. (Hoffmann, Das Buch Leviticus  I, 7 – 9).

Ob Hoffmann an dieser Stelle Frensdorff aufnimmt, der ja ebenfalls das hohe Alter der Masora betont hatte, lässt sich nicht ermitteln. Auf jeden Fall hat er den kritischen Weg Geigers ebensowenig eingeschlagen wie jenen seiner protestantischen Zeitgenossen, die sich vor allem auf den Konsonantentext stützten. Wir können heute nicht mehr genau sagen, welchen Bibeltext Hoffmann vor sich hatte (Benno Jacob verwendete die Bibelausgabe des Meïr Letteris aus dem Jahr 1852 / 1866; vgl. W. Jacob 2011), aber mit dem Verzicht auf jedwede Textkritik, die damit die ihm vorliegende Druckausgabe zum göttlichen Text erklärt, ist Hoffmann sogar noch vor Elia Levita oder Menachem de Lonzano zurückgegangen (vgl. oben Kap. 7.3.f.). David Hoffmann: Zurückblickend hat Hoffmann, der in seinem Aufsatz Thora und ein ‚Schrei ins Wissenschaft (Hoffmann 1920) ausgehend von Gen 9,27 (Raum Leere‘ schaffe Gott für Jafet. In Schems Zelten wohne er …) gefordert hatte, dass Schem Eigner in seinen Zelten bleiben müsse, diese Forderung selbst nicht einlösen können, im Gegenteil: „Hoffmann hat sich von den Ideen Jefets die Inneneinrichtung seines Zeltes

9.3.  Neue Zugänge    389

vorschreiben lassen, um im Zelt überhaupt Besuch empfangen zu können. Allerdings ist dennoch niemand gekommen, denn die protestantischen Bibelwissenschaftler (…) nahmen seine Arbeit erst gar nicht ernst“ (Liss 2004, 34). Anders als seine osteuropäischen Zeitgenossen, die ausgehend von der hebräischen Sprache ganz eigene Untersuchungen zur biblischen Diktion, zu Stil, Satzbau, Rhythmus und rhetorischen Figuren angestellt haben, kam Hoffmanns „aufgeklärter Dogmatismus“ (Seidler 2003, 124) über die vor allem in der protestantischen Exegese vorherrschenden Fragestellungen nicht hinaus. „Im Vergleich zwischen Jacob und Hoffmann (…) läßt sich mithin eine Benno Jacob und vorläufige Zwischenbilanz formulieren: Beide sind um eine harmonisieren- die Einheit der Tora de Auslegung der von den Bibelkritikern als konfliktträchtig betrachteten Bibelstellen bemüht. Die Schrift und in erster Linie der Pentateuch ist ‚aus einem Gusse‘. Während Hoffmann jedoch darum bemüht ist, die harmonisierenden Erklärungen auch auf die mündliche Lehre und somit auf die halachischen Konsequenzen auszudehnen, richten sich Jacobs Bemühungen vor allem auf den Beweis der theologischen Einheit und historischen Unversehrtheit der Schrift“ (Seidler 2003, 133).

Benno Jacob hat sich tatsächlich in ähnlicher Weise gegen die protestantische Bibelauslegung verkämpft wie David Hoffmann. Dabei war er aber manchmal deutlich kreativer und erstaunlich weniger dogmatisch als letzterer. In seiner kleinen Schrift Die Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri (1909) suchte er eine eigenartige Rhythmik der Gesetzesrede nach den Grundzahlen 7(0) Numerologische und 12, die auf die zwölf Söhne des Stammvaters Jakob und die siebzig Pentateuchkritik Seelen seines Hauses, letzten Endes auf den Rhythmus der Zeit in Woche, Monat und Jahr nach den Gesetzen des Himmels zurückgehen (Jacob 1909, 34),

nachzuweisen. Seine numerologischen Detailuntersuchungen lassen ihn jene aus der Altphilologie gewonnenen Erkenntnisse auf den Pentateuch und die Pentateuchkritik anwenden: Was bedeuten diese Abzählungen? Haben sie einen besonderen Zweck und Sinn? Welches ist ihre sprachliche und literarhistorische Bedeutung? Welches werden die Folgen für Exegese, Grammatik und Syntax sein? Kann aus einer derartig gebundenen und eingeschnürten Sprache überhaupt noch die Sprache des Lebens erkannt werden? Ist dieses System ein Zeichen hohen Altertums, ein archaischer Stil, oder im Gegenteil sehr später Zeit? Wie haben wir uns seine Entstehung vorstellig zu machen? Ist es ursprüngliche Konzeption des Gesetzgebers oder späte nachträgliche Diaskeuase von Schriftgelehrten? (Jacob 1909, 35).

Dass Mose / der Redaktor hier mit einem homerischen Diaskeuasten* verglichen wird, ist ebenso bemerkenswert wie die in Aussicht gestellte „Einsicht in die Entstehung, Redaktion und Komposition

390    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums der Gesetze und somit des Pentateuchs“ (Jacob 1909, 35), wenn auch seine textkritischen Folgerungen „der unvergleichlichen Treue der Textüberlieferung“ (ebd.) schon damals widerlegt waren, im Grunde hier aber auch nötig gewesen wären. Deutlicher noch als bei Hoffmann war Benno Jacobs Umgang mit der Bibel von Samson Raphael Hirschs Theologie der ‚Unvergleichlichkeit der Tora‘ geprägt. Dies wird insbesondere in seiner Schrift Die Thora Moses deutlich. Weitaus weniger dogmatisch als man ihn aus seinem 1934 verfassten und erst 2000 wieder nachgedruckten Kommentar zum Buch Genesis kennt, gesteht er zumindest der traditions- und motivgeschichtlichen Forschung, gerade im Vergleich mit den nicht-biblischen Quellen, eine wichtige Rolle zu und erlaubt darin sogar den Gedanken der Entstehungsgeschichte der Tora: Jacobs Verständnis von Torat Mosche

Die Entstehungsgeschichte der Thora ist möglicherweise noch viel verwickelter als die Kritik annimmt. Aber unsere Mittel reichen nicht aus, sie zu verfolgen (…). Wie aber, dies ist nun die inhaltsschwere Schlußfrage, kann nach alledem noch von der Thora Moses geredet werden? Wie stellen sich hierzu Dogma und praktische Religion, vor allem im Judentum? Soviel muß rückhaltlos zugegeben werden: In dem traditionellen Sinne kann die alte Formulierung nicht mehr verstanden werden. So schwer dieses Bekenntnis fallen, so tief es in eine überkommene Gedankenwelt eingreifen mag, dieses Opfer muß gebracht werden und es kann dem Gott der Wahrheit nur ein wohlgefälliges Opfer sein. Auch der Begriff der Inspiration kann in dem orthodoxen Sinne einer wörtlichen göttlichen Eingebung unmöglich noch aufrechterhalten werden (…). Dennoch kann nach wie vor zweierlei behauptet werden: 1. Der Pentateuch ist ein einheitliches Werk. Der Verfasser schrieb in einer an geschichtlichen Traditionen reichen Zeit, unterstützt von einem großen literarischen, teils mündlich überlieferten, teils bereits schriftlich geformten Material, und er hat diese Traditionen mit Schonung ihrer Formen zu einer organischen Einheit verschmolzen. Die Verarbeitung des mannigfachen Stoffes ist das Resultat eines intensiven Prozesses und aufs gründlichste durchdacht. Mit einer bewunderungswürdigen Kraft, gewaltige Stoffmassen zu ordnen und aufzubauen, ist von Anfang bis zu Ende Ein [sic!] großes Thema planmäßig durchgeführt: Israel und sein Gott von den Uranfängen bis zu den Grenzen des gelobten Landes, die Erfüllung der den Vätern gegebenen Verheißung an den Kindern, Gott als der Lenker der Geschichte, als der Urquell der sittlichen, rechtlichen und religiösen Ordnungen. Eine stärkere Einheitlichkeit kann es nicht geben. Etwas anderes kann es niemals bedeuten, wenn wir jemanden den ‚Verfasser‘ eines Geschichtswerkes oder Gesetzbuches nennen (…). Nicht die eine Feder, sondern der eine Geist, in dem viele Federn geschrieben haben, macht die Einheit. Sind aber die verschiedenen Bestandteile nicht widersprechender Herkunft sondern aus Einem Geist geboren und nur verschiedene Schößlinge aus Einer Wurzel, ist dieser Geist der Geist Moses, dann dürfen wir 2) nach wie vor von der Thora Moses reden, selbst wenn sie nicht buchstäblich von seiner Hand ist (…). Es ist eine echt geschichtliche und freie

9.3.  Neue Zugänge    391 Auffassung, wenn derselbe Talmud sagt, daß auch die ganze mündliche Thora mit allen ihren Verzweigungen bis zu den Deutungen eines R. Akiba, d. i. der Talmud selber, schon dem Mose auf dem Sinai geoffenbart worden sei. Auch das nachmosaische Gesetz, wollen sie sagen, ist mosaisch, insofern es nur eine Entfaltung des am Sinai gelegten Keimes und eine Entwicklung mosaischer Grundgedanken ist (…). Das ist es, woran letzten Endes das Schicksal der Thora und damit das Daseinsrecht des Judentums hängt: nicht ob sie eine Thora Moses, sondern eine Lehre Gottes ist (Jacob 1912, 92 – 94 [alle Hervorhebungen im Original gesperrt gedruckt]).

Benno Jacob behauptet hier eine nahtlose und theologisch unverän- Keine derte Kontinuität zwischen der biblischen (israelitisch-judäischen) ‚Väterreligion‘ und nachbiblischen (rabbinisch-jüdischen) Zeit (ganz ähnlich auch in seinem Vorwort zum Genesis-Kommentar). Die Quellenscheidung wird noch nicht aus dem einfachen Beharren auf der Inspirationslehre und (historischen) Verfasserschaft des Mose heraus abgelehnt. Wie besonders seine unterschiedlichen Ausführungen zum Gottesnamen zeigen, sah Jacob vor allem in der von Albrecht Alt (1883 – 1956) formulierten Idee eines Vätergott-Religionstypus, wonach die Erwählung Israels von der Erwählung der Väter religionsgeschichtlich zu trennen sei, die eigentliche theologische Gefahr, weil hierin nicht nur der Erwählungsgedanke Israels, sondern auch der Ausschließlichkeitsanspruch Israels auf seinen Gott auf dem Spiel stünde (dazu ausführlich Liss 2003a): El Schaddaj hat keine Vergangenheit. Er ist nicht ein Gott der Väter, der sich an ihnen bewährt hätte (Jacob 1922, 193 [Hervorhebung im Original]). Des ferneren wird das Verständnis der Genesis unmöglich gemacht durch die auf sie angewandte religionsgeschichtliche Entwicklungstheorie. Hierzu vergleiche man meine Einleitung in die Vätergeschichte. Im Grunde ist sie nur eine andere Form der Abwertung des Alten Testamentes, indem sie gleichfalls dabei anlangt, es für eine ‚Vorstufe‘ zu erklären. Auch bei ihr hört die Entwicklung mit dem Christentum auf, obgleich sie doch kein Ende haben dürfte (Jacob 1934, 9 – 10).

Hier ist nun ganz deutlich, dass die exegetische Arbeit Benno Ja- Jüdische Exegese cobs nur mit Blick auf seine damalige Situation in Deutschland zu in Zeiten des verstehen ist und seine theologische Polemik zunehmend schärfer Antisemitismus wurde. Den Gedanken Hermann Gunkels (1862 – 1932) vom „Walten Gottes (…), der damals zu Kindern kindlich sprach“ (dazu ausführlich Schüle 2003), suchte er wegen des für ihn offenbar neuralgischen Punktes der immer wieder behaupteten religiös-theologischen Inferiorität des Judentums gegenüber dem Christentum mit religionsgeschichtlichen Mitteln zurückzuweisen, ein Aspekt, der 1934 nochmals und in schon sehr bedrückender Situation der Juden und Jüdinnen in Deutschland aufgenommen wird:

392    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Dieser Kommentar will und soll ein jüdischer sein, das soll heißen: von einem Sohne des Volkes verfaßt, für das die Tora geschrieben ist, läßt er sich nicht von vornherein das Verständnis durch die Zielsetzung oder stillschweigende Voraussetzung verbauen, daß das ‚alte‘ Testament nur Vorbereitung auf ein ‚neues‘ sei und erst in diesem seine Vollendung und seinen wahren Sinn finde. Noch weniger hat er selbstverständlich mit einer Denkweise gemein, welche das Alte Testament als Zeugnis und Erzeugnis einer minderwertigen Rasse betrachtet, einer Denkweise, die hier und da auch in die (deutsche) biblische Wissenschaft Eingang gefunden hat, so daß eine Herabwürdigung des Juden und seiner heiligen Schrift sich auf angeblich sachverständige Gewährsmänner glaubt berufen zu dürfen (Jacob 1934, 10).

Hier wird aus dem Exegeten ein Theologe, und dies verbindet Benno Jacob wiederum mit Samson Raphael Hirsch. Exegetische Wissenschaft wird damit zu einem Teil der jüdischen Theologie, die aber notgedrungen außerhalb der universitären Mauern blieb und sich deshalb auch nie entwickeln konnte, zumal auch die Bibelkritik von der nationalsozialistischen Ideologie kontaminiert wurde, und sich eine Bezugnahme auf diese Forschung irgendwann von selbst verbot. Insofern sind beide, Benno Jacob wie David Hoffmann, am deutschen Religions- und Wissenschaftssystem gescheitert, denn in der Zurückweisung der zeitgenössischen Bibelkritik kamen sie methodologisch eben auch nicht über die (literar-)historische Fragestellung hinaus. Obgleich vor allem Benno Jacobs Exegesen im Detail eine Fülle philologischer und theologisch scharfsinniger Beobachtungen bieten, blieb es doch ein vergeblicher Versuch, Text und Geschichte in unmittelbare Kongruenz zu bringen. i.  Biblische Religions- und Sozialgeschichte Yehezkel Kaufmann hat zeitlebens vor allem die Beschäftigung mit der Entstehung und der spezifischen Ausprägung des biblischen Monotheismus umgetrieben. Der israelitische Monotheismus sei im Gegensatz zum paganen Polytheismus entstanden, und zwar blitzartig aus religiöser Intuition heraus. Exemplarisch sei hier eine Zusammenfassung vorgestellt, in der Kaufmann die Anlage seiner Religionsgeschichte skizziert (dieser Text aus dem Yehezkel Kaufmann Archive wurde erstmals in Krapf 1990, 117 – 119, publiziert und wird danach zitiert): Kaufmanns Entwurf zum israelitischen Monotheismus

Ich arbeite seit vielen Jahren an einem umfangreichen Werk über die Geschichte der israelitisch-jüdischen Religion. Dieses Werk ist speziell aus Untersuchungen über den Prophetismus entstanden (…). Die leitende Idee meiner Untersuchungen glaube ich allgemein und kurz folgendermassen angeben zu dürfen: Es handelt sich um eine Überprüfung des historischen Verhältnisses zwischen Jahvereligion und Heidentum, und damit auch um einen Versuch, den Werdegang der Jahvereligion (und dann des Frühju-

9.3.  Neue Zugänge    393 dentums) neu zu klären. Man denkt sich gewöhnlich den Kampf zwischen Jahvereligion und Heidentum als einen bewussten Kampf, nach Art des späteren Kampfes im Zeitalter der Entstehung des Christentums. Es soll nun aber gezeigt werden, dass das eigentliche Ringen der Jahvereligion ein Ringen in den Sitten war; sie wuchs und erstarkte nicht im bewussten Verneinen des Heidentums (der Mythologie), sondern in positivem Wirken und Bilden. Ihr Urgrund war eine eigenartige religiöse Intuition, die keine rational erkannte Bezugnahme auf die Mythologie einschloss, sondern sich schöpferisch und positiv im Leben des Volkes auswirkte. Der Gegensatz zur Mythologie war freilich schon da, aber erst nach Jahrhunderten wurde er erkannt – erst zur Zeit der Berührung mit der griechischen Welt. In zahlreichen ins Einzelne gehenden Untersuchungen habe ich es versucht, dieses einzigartige Ringen und Schaffen als Ganzes darzustellen, das sich in verschiedenen Schöpfungen symbolisierte und kundtat (Kaufmann 1926, zitiert in Krapf 1990, 117 – 118 [alle Hervorhebungen im Original]).

Mit Blick auf die Entstehung des Monotheismus postulierte Kaufmann die vollkommene „Unabhängigkeit des Pentateuchschrifttums vom Prophetismus“ (Kaufmann 1933, 35): Die WELLHAUSENsche Schule in ihrer klassischen Prägung ging von dem Gedanken aus, daß der schriftstellerische Prophetismus den „idealen Anfang“ des israel. Monotheismus bilde. Nicht die Tora, sondern die Propheten waren am Anfang – das war ihre „kopernikanische Tat“. Der Pentateuch sei nichts als der durch volkstümliche und priesterliche Elemente getrübte Niederschlag der prophetischen Lehren. In der Entwicklung des Monotheismus sei der Prophetismus allein als das gestaltende und treibende Prinzip zu betrachten (…) (Kaufmann 1933, 35 – 36). Gesetzt nun, die Bücher der Pentateuchgruppe wären aus dem Geiste des schriftstellerischen Prophetismus entstanden oder von demselben wesentlich beeinflußt worden, wie wäre dann dieser Unterschied in der Geschichtsansicht zu erklären? Vervolkstümlichung oder etwa Verpriesterlichung liegt hier sicher nicht vor. Denn einerseits handelt es sich hier um den gänzlichen Ausfall einer Grundidee des späteren Prophetismus. Andererseits aber handelt es sich nicht um einen bewußten Gegensatz, weil doch die Weltanschauung der Pentateuchgruppe dieser prophetischen Idee durchaus entspricht und sie gleichsam involviert. Jahwe ist ja hier, wie gesagt, ein ethisches Wesen, und bestraft jede Übertretung des Rechtes. Der Gedanke, daß auch das Schicksal des Volkes durch ethische Vergehen mit entschieden wurde, liegt da sehr nahe (…). Das Prinzip ist vorhanden, nur die geschichtliche Anwendung auf die Geschicke Israels fehlt. Da kann es sich unmöglich um die Abstreifung einer Nuance im Prozesse der „Vervolkstümlichung“ handeln. Das Phänomen ist nur durch Mangel an lebendiger Berührung zu erklären. Prophetische Religion und Torareligion sind eben zwei Formen des israelitischen Monotheismus, die wohl eine gemeinsame Wurzel haben, voneinander aber unabhängig sind. Die Tatsache, daß die historischen Bücher so gut wie nichts von den schriftstellerischen Propheten zu berichten wissen, wird uns von hier aus erst recht verständlich (Kaufmann 1933, 39 – 40).

Kaufmann formuliert hier in wenigen Sätzen seinen später in der Religionsgeschichte Toldot ha-Emuna ha-Jisraelit ausgearbeiteten

394    9. Kapitel:  Zwischen jüdischer Tradition und Wissenschaft des Judentums Entwurf von Torareligion und Prophetismus als zwei voneinander unabhängigen religiösen Strömungen (zum Ganzen Krapf 1992; 1990, 92 – 110). In der Ethik sah er das Proprium des späteren Prophetismus, während der treibende Motor der religiösen Reformbewegungen in Israel die Abwendung vom Götzendienst gewesen sei: Der Monotheismus des Pentateuchs ist durchaus national-aristokratisch. Zwischen Israel und der Heidenwelt besteht ein gleichsam naturhafter Unterschied, der in alle Ewigkeit bestehen wird. Nur Israel hat Gott die Pflicht auferlegt, ihn zu kennen und zu verehren; nur Israel darf keinen Götzendienst treiben. Den Völkern aber wird der Götzendienst nicht als Sünde angerechnet (Kaufmann 1933, 42).

Dem religionsgeschichtlichen Entwurf der Wellhausen-Schule setzte Kaufmann als einziger unter den jüdischen Bibelwissenschaftlern ein eigenes Modell entgegen, das mit der Reihenfolge „Pentateuchliteratur, prophetische Literatur und nachprophetisches Schrifttum“ als „Niederschläge dreier Entwicklungsstufen der israelitisch-jüdischen Religion, von denen der Pentateuchstufe die historische Priorität zukommt“ (Kaufmann 1933, 47), bis heute in der israelischen Bibelwissenschaft nachwirkt.

9.4. Zusammenfassung Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert begegnen wir einer Vielzahl verschiedener jüdischer Lern- und Lehrkulturen in unterschiedlichen geographischen Räumen West- und Osteuropas, denen vor allem gemeinsam ist, dass sie sich alle auf ihre je eigene Weise um neue Aufbrüche bemühten, dass sie aber alle gleichermaßen durch den Nationalsozialismus zu einem jähen Ende kamen. Der Beginn der Wissenschaft des Judentums im Westen, die alt-neuen rabbinischen Lehrtraditionen im Osten, die Gründung unterschiedlicher Rabbinerseminare und die Anfänge wissenschaftlichen Arbeitens in der Semitischen Philologie oder der Archäologie bildeten eine einzigartige und bis heute nachhaltig wirksame Kultur jüdischen Lebens und Lernens. Die Bibel spielte dabei eine entscheidende Rolle, denn schon die Maskilim* des 18. Jahrhunderts hatten ihr eine Schlüsselrolle für die Wiederbelebung des Hebräischen und die Erneuerung der hebräischen Sprach- und Literaturwissenschaft zugewiesen. Waren auch die rabbinischen Repräsentanten der großen Jeschivot in Osteuropa keine Vorreiter der akademischen Wissenschaft und Reform, so zeigt die Vielzahl der hier verfassten Bibelkommentare, dass die intellektuellen Gärungsprozesse auch vor diesem Milieu nicht haltmachten und die einfache Rückkehr in eine religiöse Naivität und Observanz nicht mehr möglich war. Die

9.4. Zusammenfassung    395

hier entstandene und auf ihre Weise ganz eigene exegetische Bearbeitung der Bibel wurde mit großem Selbstbewusstsein betrieben, sicher auch deshalb, weil in diesem Kulturraum keine unmittelbare Herausforderung durch die christliche Bibelwissenschaft gegeben war und sich die Formierung einer Wissenschaftssprache auf Hebräisch vollzog. In Westeuropa, vor allem in Deutschland, kam es durch die doppelte Konfliktlage – die Aufspaltung in Neo-Orthodoxie und Reform einerseits sowie die theologische Auseinandersetzung mit der christlichen Bibelwissenschaft andererseits – zu einer weitaus disparateren Bibelwissenschaft, die sich auf einer breiten Skala zwischen ideologisch unbeugsamer Orthodoxie und liberal-progressivem akademischem Arbeiten entfaltete, dabei aber nicht selten die Themen und Methoden der christlichen Bibelwissenschaft übernahm, wodurch viele ihrer Vertreter keine eigene Methode entwickeln konnten, die sie selbstbewusst nach innen wie nach außen hätten vertreten können. Die letzten Vertreter der europäisch-jüdischen Bildungskultur waren allerdings gleichzeitig auch die ersten, die in Israel eine neue und akademisch fundierte Bibelwissenschaft bleibend und entsprechend ausdifferenziert aufbauen konnten.

9.4. Zusammenfassung    397

10. Kapitel: Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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398    10. Kapitel:  Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart Sommer, Benjamin D. (Hg.), Jewish Concepts of Scripture: A Comparative Introduction. New York 2012. Zakovitch, Yair, Scripture and Israeli Secular Culture. In: Benjamin D. Sommer (Hg.), Jewish Concepts of Scripture: A Comparative Introduction. New York 2012, S. 229 – 316.

10.1. Bibel und Bibelwissenschaft in (Eretz) Israel Tatsächlich hätte man erwarten können, dass sich das Studium der He­ bräischen Bibel in (Eretz) Israel – außerhalb der Arena jüdisch-christli­ cher Polemik und in einer freien, säkularen Atmosphäre – sowohl von der ­standhaften Opposition gegen die Urkundenhypothese als auch von der ­Ansicht hätte befreien können, wonach die protestantische Bibelwissenschaft nur ein weiterer Zweig anti-jüdischer Theologie sei. Mit anderen Worten: Man hätte erwarten können, dass das Studium der Bibel sich nicht mehr von der traditionellen und darin grundsätzlich apologetischen Vor­gabe hätte knebeln lassen müssen, die die Einheit des (­ biblischen) Textes für sakrosankt erklärt (…). Aber das Gegenteil war der Fall: Die negative Einstellung gegenüber der Höheren Kritik bildete (nach wie vor) einen integralen Bestandteil der Auseinandersetzung darüber, wie die Bibel verstanden werden, und was ihre Rolle in der neuen hebräischen Kultur sein sollte. Diese Auseinandersetzung war nichts anderes als die ­Fortsetzung des innerjüdischen Bibelstreites, wie er in Europa getobt hatte. Er kam aus Europa nach Eretz Israel mit allen Gelehrten, S­ chriftstellern und Lehrern, aber er wurde hier auch mit neuen Inhalten gefüllt (…). Ein Teil der ­säkularen Öffentlichkeit hat sich in eine Richtung entwickelt, die mittler­weile tief verwurzelt ist, und die wir als historisch-säkularen ­bibli(zisti)­schen ­Fundamentalismus bezeichnen, insofern er die (religiöse) Relevanz und Wertigkeit der historischen Glaubwürdigkeit des in der Bibel grundgelegten national-geschichtlichen Narrativs zuschreibt. Gleichzeitig hat das nationale religiöse (orthodoxe) Lager der Bibel als Ganze einen religiösen Wert zugeschrieben, einschließlich ihres geschichtlichen Narrativs in den Büchern auch außerhalb des Pentateuchs, und hier entwickelte sich eine Haltung, die wir als religiösen biblisch-historischen Fundamentalismus bezeichnen würden (Shavit / Eran 2007, 372).

Shavit und Eran haben mit dieser Einschätzung bereits die wesentlichen Eckpunkte benannt, die ebenso aber auch als neuralgische Punkte bezeichnet werden können, die die jüdische / israelische Bibelwissenschaft bis heute kennzeichnen. Der Streit um die Die bereits im 18. und 19. Jahrhundert angelegte Rückkehr zur Bibel im Bibel gewann unter den Einwanderern des sog. Neuen Jischuv* Schulunterricht zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Staatsgründung Israels eine ganz neue und vom Diaspora-Denken deutlich zu unterscheidende nationale Bedeutung. Das archäologische Interesse an Eretz Israel und vor allem die Bücher der Vorderen und Hinteren Propheten führten dazu, dass man der Bibel in der Schule die Aufgabe der Etablierung eines nationalen Identitätsgefühls einräumen

10.1.  Bibel und Bibelwissenschaft in (Eretz) Israel    399

und darin, wie manche feststellten, den Typos des ‚Jew without Judaism‘ erziehen wollte. Dass sich hier neue Konfliktfelder auftaten, wie der paradigmatische Streit über das (Bibel-)Curriculum am Tel Aviver Herzliya-Gymnasium zeigt, lässt sich leicht denken (zum Ganzen Shavit / Eran 2007, 371 – 393). Die einen, wie Benzion Mossinsohn (1878 – 1925), ein Schüler des Schweizer Bibelwissenschaftlers Karl Marti (1855 – 1925), erhoben die Bibel zur „Nationalliteratur des Jüdischen Volkes, als es zur Zeit des Ersten und Zeiten Tempels noch ein freies Leben führte“ (zitiert nach Shavit / Eran 2007, 375), und forderten, die „Schale der Religion und der Halacha“ als ein Diaspora-Phänomen von der Bibel zu lösen (ebd.); die anderen, wie der Essayist Zalman Epstein (1860 – 1936) oder der Mizrachi-Aktivist und Rabbiner Israel Chaim Daiches (1851 – 1937) wollten die ‚höhere Kritik‘ den (deutschen) Universitäten vorbehalten und Israels Jugend die Bibel weiterhin im Geist des religiösen Judentums lesen lassen. Selbst der Schriftsteller Achad Ha‘am war in den Schulstreit involviert. Allein zwischen 1918 und 1938 erschienen zahlreiche unterschiedliche Veröffentlichungen in und außerhalb Palästinas zu dem Thema, wie die Bibel in den Schulen (Palästinas) gelehrt werden sollte, die alle zeigen, wie virulent das Thema gerade im Zusammenhang mit dem zionistischen Projekt war (Shalom Yonah Tscharni [1878 – 1932], Darkhe Hora’at ha-Miqra be-Vet ha-Sefer, 1918; Hayyim Aryeh Zuta [1868 – 1939], Darkhe ha-Limmud schel ha-Tanakh, 1935 – 1937; Tzvi Scharfstein [1884 – 1972], Darkhe Limmud ha-Tanakh, 1938; zum Ganzen vgl. Zakovitch 2012; Shavit / Eran 2007). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der spätere Premierminister David Ben Gurion eine Gruppe zum Bibelstudium gründete, die sich später ‚Kreis der Residenz des Präsidenten zum Bibel(studium) und (zum Studium) der Quellen Israels‘ nannte (chug bet ha-nasi le-tanakh we-le-meqorot jisrael; Zakovitch 2012, 314) und in der man die Bibel und die nachbiblischen jüdischen Literaturen studierte, meist mit professioneller akademischer Begleitung, um sich hiermit gleichsam ein ideologisches Rüstzeug für den jungen Staat zuzulegen. Beinahe noch kontroverser war die akademische Etablierung Die Bibel an der des Faches Bibel, die aus den Akten zur Gründung der Hebräi- Hebräischen schen Universität (ha-Universita ha-Ivrit) im April 1925 bzw. Universität zur vorangehenden Gründung des Institutes für Jüdische Studien (ha-Makhon le Mada‘e ha-Jahadut) nahezu exemplarisch erkennen lässt, dass die gesamten Auseinandersetzungen um die traditionelle Auslegung wie die wissenschaftliche Bearbeitung der Bibel, wie sie vor allem im deutschsprachigen Raum geführt wurden, nach Palästina / Eretz Israel mitgewandert sind. Erst seit den 50er Jahren

400    10. Kapitel:  Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart des letzten Jahrhunderts hat sich die Gemengelage ein bisschen beruhigt, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich manche Konflikte mit der Gründung mehrerer unterschiedlich ausgerichteter Universitäten faktisch beilegen ließen (zum Ganzen Shavit / Eran 2007, 385 – 422; Japhet 1992). Bereits 1926 hatte man sich darauf geeinigt, zwei Lehrstühle für Bibel einzurichten, den einen für ‚Biblische Philologie‘, den anderen für ‚Biblische Kultur‘. Berufungen auf diese Lehrstühle, der eine eher traditionell, der andere eher kritisch ausgerichtet, kamen zunächst aber nicht zustande, denn der ursprünglich aus Litauen stammende, aber in England und Schottland ausgebildete Moshe Tzvi Segal (1876 – 1968), der 1926 in das britische Mandatsgebiet eingewandert war, lehnte zuerst ab, weil die Bibel unter den Hauptfächern der Geisteswissenschaften (Archäologie, Arabische Sprache und Literatur, Altphilologie, hebräische Sprache und Literatur, Geschichte, Islamische Kultur, Jüdische Geschichte und Soziologie, Jüdische Philosophie und Mystik, Palästinakunde [Palestinology], Philosophie, Semitische Philologie und Talmud*; Klausner 1938, 6 – 7) nicht vorgesehen war. In der Tat listete Klausner noch 1938 die Bibel unter Nebenfächern auf, gemeinsam mit Archäologie Palästinas, Archäologie des Vorderen Orients, Agrarökonomie, Ägyptologie, Erziehungswissenschaft und Englisch (Klausner 1938). Segal nahm zwar 1931 / 32 einen Ruf an das frisch gegründete Bibel-Institut an, das von Naftali Herz Tur-Sinai bis zu dessen Berufung auf den Bialik-Lehrstuhl für Hebräisch verstärkt wurde; es blieb aber bis 1940 eine untergeordnete Nebenfachabteilung. Dies lag daran, dass man sich weder auf eine Richtung noch auf entsprechende Kandidaten zu einigen vermochte. Die Bewerbung von Benno Jacob 1935 wurde abschlägig beschieden. Umberto Cassuto wurde 1939, Yehezkel Kaufmann erst 1949 berufen, obwohl beide bereits Anfang der 30er Jahre im Gespräch gewesen waren (Japhet 1992): Es scheint doch so zu sein, dass es vor allem um die grundsätzliche Frage ging, wie sich diese Disziplin aufzustellen hätte: Sollte der (Bibel)-Wissenschaftler (bzw.) der Lehrer [scholar-teacher] eher konservativ und ‚jüdisch‘ oder kritisch und wissenschaftlich sein? Sollte eher ‚Religion‘ oder eher ‚Text‘ unterrichtet werden? Und wie sollte sich das Verhältnis zur jüdischen Auslegungstradition einerseits und gegenüber der internationalen und hier vor allem der europäischen Bibelforschung andererseits gestalten? (Japhet 1992, 17) Bibel- und Talmud­ studium für beide Geschlechter

Immerhin bildeten Bibel als Neben- und Talmud als Hauptfach Meilensteine hinsichtlich der akademischen Gleichberechtigung der Geschlechter. Nicht ohne Stolz stellte Klausner fest, dass bei der Synthese von „Jewish Studies and the Humanities“ das Studium

10.1.  Bibel und Bibelwissenschaft in (Eretz) Israel    401

von Tora und Talmud auch den Frauen zugänglich sei und mithin zur Gleichberechtigung der Geschlechter beitrage (Klausner 1938). Aus heutiger Sicht ist das fast schon wieder zwiespältig, denn es sind ebenso viele Frauen in der biblischen Kultur- und Literaturgeschichte und der Archäologie sehr gut vertreten, wie sie in den Fächern Rabbinische Literatur, Talmud und Tosafot eher unterrepräsentiert sind. Sara Japhet verweist darauf, dass bereits mit der Integration des Faches in die Jüdischen Studien wichtige Weichenstellungen vorgenommen wurden (Japhet 1992). Als philologische und historische Disziplin orientierte es sich vornehmlich auf die Jüdischen Studien hin und konzentrierte sich auf die Geschichte der biblischen Literaturen und der biblischen Religion sowie auf die Auslegungsgeschichte. Das Fach gehörte damit nicht zur (Alt)-Orientalistik, nicht zur Semitistik und nicht zur hebräischen Sprachwissenschaft. Archäologie, Epigraphik und Semitistik waren und sind bis heute (nicht nur in Israel) Teil der Vorderasiatischen Kulturen und Literaturen (Altorientalistik). Das Studium des Hebräischen wiederum ist nicht auf das Biblisch-Hebräische und Aramäische beschränkt, sondern umfasst ebenso rabbinisches, mittelalterliches und modernes Hebräisch und bildet mit dem Studium der Phonetik und Phonologie, der Morphologie, Syntax, Semantik und Pragmatik sowie der Soziolinguistik ein ganz eigenes Forschungsfeld. Das Fach Bibel mit einem entsprechenden Curriculum hat sich an der Hebräischen Universität anfänglich mit der Berufung von Umberto Cassuto (1939), vor allem aber mit der gleichzeitigen Ernennung von Isac Leo Seeligmann (1907 – 82) und Yehezkel Kaufmann (1889 – 1963), beide zunächst auf einer halben Stelle, entwickeln können: Beide waren weit entfernt von jedweder Apologetik, wie sie durch religiösen Konservatismus motiviert ist, und beide waren mit dem Ehrgeiz erfüllt, biblische Forschung in Eretz Israel auf eine feste wissenschaftliche Basis zu legen und innerhalb der Hauptströme internationaler Bibelforschung zu verankern. Kurz nach den Berufungen von Kaufmann und Seeligmann starb Cassuto (Dezember 1951), was einer Wachablösung gleichkam, denn der Charakter der (akademischen) Lehre im Fach Bibel wurde damit umfassend verändert (Japhet 1992, 22).

Neben der eigentlichen Bibelwissenschaft (Miqra) etablierte sich darüber hinaus ein eigenes Forschungsfeld zur (Geschichte der) Jüdischen Bibelauslegung (Parschanut). Neben Nechama Leibowitz (1905 – 1997) und Sarah Kamin (1938 – 1989) sind hier vor allem Sara Japhet (* 1934) und Simcha B. Kogut (* 1937) zu nennen. Zwischen Miqra und Parschanut stand und steht schließlich auch die Masoraforschung (Mordechai Breuer, 1921 – 2007; Aron

Bibel als Teilfach der Jüdischen Studien

Bibelwissenschaft und Auslegungs­ geschichte

402    10. Kapitel:  Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

Bibelstudium an anderen Universi­ täten Israels

Moderne hebräische Bibelkommentare

Bibelwissenschaft im heutigen Israel

Dotan, * 1928 und Yosef Ofer, * 1955), die auch erst an den israelischen Universitäten hinreichend weiterentwickelt werden konnte. Die aus der europäischen Bibelwissenschaft nachhallenden ideologischen Grabenkämpfe konnten vor allem durch die Gründungen weiterer Universitäten nach der Staatsgründung entschärft werden. Die religiös orientierte Bar-Ilan Universität öffnete 1955 ihre Pforten, 1956 wurde die Universität Tel Aviv gegründet. Es folgten die Universität Haifa (1963) sowie die Universität in Beer Sheva, die spätere Ben-Gurion-Universität des Negev, 1969. Anders als beispielsweise an der Hebräischen Universität, wo die Jüdischen Studien einen Teil der Geisteswissenschaften bildeten, eröffnete man an der Bar-Ilan Universität eine eigene Fakultät der Jüdischen Studien, in der die Bibel ein Teilfach bildete, und diese Fakultät, ähnlich wie auch die in Deutschland etablierten theologischen Fakultäten, legte sich engere theologisch-ideologische Beschränkungen bei der Bearbeitung der Bibel und ihrer Auslegungskultur auf. In Beer Sheva wiederum bildete das Fach Bibel (bis heute) einen integralen Bestandteil einer gemeinsamen Abteilung mit Archäologie, Semitistik und Altorientalistik (mizrach ha-qadum). Im 20. Jahrhundert erschienen mehrere hebräischsprachige Kommentare, die einen Mittelweg zwischen traditioneller Auslegung und moderner Bibelwissenschaft gingen. Von Abraham Kahana (1874 – 1946) erschienen die Kommentare zu Genesis (Zhytomir 1903), Exodus und Numeri (Kiew 1913) unter dem Titel Biblia Hebraica cum Commentariis Criticis Adjuvantibus Doctoribus (hebr.). Bekannter sind heute zum einen die 1970ff. bei Mossad Harav Kook erschienene und von unterschiedlichen Autoren verfasste, eher traditionell ausgerichtete Kommentarreihe Da‘at Miqra, die sehr viel Realienkunde integriert, zum anderen jene vom Erziehungsministerium empfohlene 24bändige Reihe Die Welt der Bibel. Neuer Kommentar (1982 – 1999; zum Ganzen Shavit / Eran 2007, 435 – 471). Heute ist das Fach Bibel an den verschiedenen Universitäten Israels mit unterschiedlichen Schwerpunkten vertreten und umfasst die Erforschung der literarischen Entwicklung der (verschiedenen Genres der) biblischen Literaturen, biblische Literaturen im Kontext der altorientalischen Literaturen, Textgeschichte der Hebräischen Bibel mit besonderem Schwerpunkt auf den Textfunden in der Judäischen Wüste, Theologie und Glaubensvorstellungen der biblischen Schriften, Auslegungsgeschichte der Hebräischen Bibel von der zweiten Tempelperiode über die mittelalterliche Auslegungsgeschichte in Westeuropa und Spanien, Karäerforschung, Bibelauslegung von der Renaissance bis in die Neuzeit sowie die Erforschung der Bibel im Kontext moderner kulturgeschichtlicher Fragestellungen. Daneben

10.2.  Jüdische Bibelhermeneutik in Nordamerika und in Israel heute    403

hat sich ein breites Spektrum von biblischer Auslegungskultur im Rahmen mehr oder weniger religiöser Schul- und Volksbildung etabliert, wie sie bereits durch Nechama Leibowitz begonnen wurde und heute sowohl in verschiedenen Jeschivot als auch im Rahmen der Erwachsenen- und Lehrerausbildung und an verschiedenen Colleges (Sg. mikhlala) fortgeführt wird.

10.2. Jüdische Bibelhermeneutik in Nordamerika und in Israel heute In Kanada und in den USA finden wir das Fach Bibel oftmals als Teil der Near Eastern Languages and Civilizations Fakultäten, und obwohl diese Lehrstühle manchmal auch mit jüdischen und / oder israelischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besetzt sind oder waren (James L. Kugel; Hindy Najman; Benjamin Sommer u. a.), würde man hier nicht von ‚jüdischer Bibelauslegung‘ im Sinne einer konfessionell ausgerichteten oder religiös-ideologisch eingehegten Wissenschaft sprechen. Dies ist eher an den Rabbinerseminaren wie dem Hebrew Union College (Cincinnati; Los Angeles), dem Jewish Theological Seminary (New York) und ähnlichen Institutionen und Zweigstellen oder an konfessionell ausgerichteten Universitäten wie der (orthodox ausgerichteten) Yeshiva University (New York) der Fall. Daneben gibt es Institutionen wie die Brandeis University, die zwar nicht konfessionsgebunden ist, die aber seit ihrer Gründung 1948 bis heute hauptsächlich von amerikanisch-jüdischen Sponsoren gefördert und einen jüdischen Studierendenanteil von mehr als 50 % hat. In diesem akademischen Milieu findet man seit etwa 20 Jahren lebhafte jüdisch-theologische Diskurse und Publikationen, die den Spagat zwischen traditioneller Auslegung und moderner Bibelwissenschaft thematisieren und zu überbrücken suchen (Sommer 2012; Dohrmann / Stern 2008; Kugel 2007; Neusner 2005; Najman / Newman 2004). Bereits 1996 erschien Modern Scholarship in the Study of Torah: Modern Scholar­ Contributions and Limitations (Carmy 1996). Die hier diskutierten ship in the Study of Beiträge sind die ersten zaghaften Versuche, dieses ideologisch um- Torah kämpfte Minenfeld auszuloten: Die Beiträge von (u. a.) The State and Directions of Orthodox Bible Study (Levy 1996) über The Study of Bible and the Primacy of the Fear of Heaven: Compatibility or Contradiction? (M. Breuer 1996) bis hin zu Rabbinic Midrash as Evidence for Textual Variants in the Hebrew Bible: History and Practice (Maori 1996) zeigen dabei nicht nur, dass sogar die ‚Verketzerung‘ der Urkundenhypothese kein orthodoxes Dogma mehr ist (dazu auch Ekstein 1999), sondern auch, dass die

404    10. Kapitel:  Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

The Hebrew Bible: New Insights and Scholarship

The Bible and the Believer

Bibel-Forschung – und sei es auch ‚nur‘ die Textkritik – tatsächlich eine andere praktische Relevanz hat als für die christliche Theologie, denn welche Lesart eine Tora-Rolle bezeugt, bleibt ein theoretisches Problem für Christinnen und Christen, ist aber von äußerster Relevanz für Juden und Jüdinnen. Allein die Tatsache, dass das Buch erschien, zeigt darüber hinaus einmal mehr, welchen Rang die Bibel mittlerweile auch für das orthodoxe Judentum einnimmt. Der israelische orthodoxe Bibelwissenschaftler Mordechai Breuer, ein Ur-Enkel väterlicherseits von Samson Raphael Hirsch (und nicht zu verwechseln mit seinem Cousin, dem israelischen Historiker Mordechai Breuer [1918 – 2007]) übersetzte beispielsweise nicht nur den Pentateuchkommentar Hirschs (vgl. oben Kap. 9.2.d.) ins Hebräische, sondern legte darüber hinaus eine Vielzahl von Forschungen zur mittelalterlichen hebräischen Bibeltextüberlieferung und Masora vor (z. B. M. Breuer 2003; 1992; 1976). 2008 veröffentlichte Frederick Greenspahn in der Reihe Jewish Studies in the 21st Century den Band The Hebrew Bible: New Insights and Scholarship. Neben Beiträgen zur Archäologie, biblischer Literaturkritik und Rechtsgeschichte findet sich auch ein Abschnitt zu Judaism and the Bible, der (u. a.) mit From Judaism to Biblical Religion and Back Again (Zevit 2008) das Verhältnis zwischen israelitisch-judäischer Religionsgeschichte und rabbinischem Judentum diskutiert (vgl. auch Liss 2014c) und mit Jewish Biblical Theology (Sweeney 2008) die grundlegende Tatsache weiterdenkt, dass „die jüdische Tradition ganz andere Anliegen [und Fragen an die Hebräische Bibel; H. L.] hat, als die christliche Theologie“ (Sweeney 2008, 194). Das 2012 von Marc Zvi Brettler, Peter Eric Enns und Daniel J. Harrington publizierte Gemeinschaftswerk The Bible and the Believer: How to Read the Bible Critically and Religiously geht bereits noch einen Schritt weiter und diskutiert interkonfessionell aus der Perspektive jüdischer, protestantischer und katholischer Forscher, inwieweit die moderne Bibelkritik mit bestimmten traditionellen Glaubensvorstellungen kompatibel (zu denken und zu gestalten) sei. Der jüdische Bibelwissenschaftler Marc Brettler diskutiert hier zum einen die bereits von Mordechai Breuer aufgeworfene Problematik, wie gläubige Jüdinnen und Juden, die an die Ideen der tora min ha-schamajim glauben und sich daher auch verpflichtet fühlen, die Gebote zu halten, die Idee akzeptieren können, dass ein Teil der Tora nach dem Tod des Mose geschrieben wurde, und bietet hier (u. a.) auch die eigentlich schon von Frankel (vgl. oben Kap. 9.1.b.) formulierte Idee an, wonach die Heiligkeit des Textes ‚min ha-schamajim‘ nicht im Autor oder seiner Entstehungssituation, sondern in ihrer Rezeptionsgeschichte durch das Judentum begründet liege.

10.2.  Jüdische Bibelhermeneutik in Nordamerika und in Israel heute    405

Ähnliche Fragen diskutiert auch das von Yehuda Brandes, Tova People of Faith and Ganzel und Chayuta Deutsch im Jahr 2017 herausgegebene Buch Biblical Criticism People of Faith and Biblical Criticism (hebr.). Neben dem Problem der mosaischen Autorschaft des Pentateuch wird (u. a.) die Frage angesprochen, wie observante Juden und Jüdinnen mit der Tatsache umgehen, dass die biblische Gesetzgebung Vorläufer und / oder Parallelen im altorientalischen Recht (zum Codex Hammurabi* vgl. oben Kap. 9.3.g.) oder die Beschreibung des zukünftigen Tempels im Buch Jechesqel Einflüsse babylonischer* Tempelkultur aufweist. Die in der heutigen (modernen) Orthodoxie angesiedelte Bibelwissenschaft arbeitet natürlich auch am biblischen Text sowohl sprachwissenschaftlich als auch literatur- und erzähltheoretisch, zeigt aber in dieser bis heute so geführten Auseinandersetzung mit der ‚höheren Kritik‘, dass der von Shavit ausgemachte ‚religiöse biblisch-historische Fundamentalismus‘ (vgl. oben Kap. 10.1.) im Grunde nicht viel weiter ist, als die (Neo-)Orthodoxie des 19. Jahrhunderts, in der wie bei David Hoffmann hermeneutische und historische Fragen vermischt werden. Denn die rabbinische Aussage, wonach Mose ‚sein Buch‘ [die Tora], den Abschnitt von Bileam (Num 23 – 24) und das Buch Hiob verfasste (bBB 15a.b), wird hier als historische Aussage verstanden und in diesem Sinne auch problematisiert. Stattdessen sollte man bei der literar-historischen Rückfrage nach der Entstehung des Pentateuch, der ja erst zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer von mehreren Rezensionen zur jüdischen Tora werden sollte, darauf verweisen, dass keine Hypothese (auch nicht die Neuere Urkundenhypothese) hinter die Texte von Qumran zurückgehen kann (zum Ganzen zuletzt Stökl Ben Ezra 2016), um derlei theoretischen Reißbrettspielen den ihnen gebührenden (Nebenschau-)Platz zuzuteilen oder sich sogar entspannt an der Debatte zu beteiligen. Die Pentateuchforschung ist zwar „das Flaggschiff der alttestamentlichen Wissenschaft“ (Gertz 2013 / 14, 112), aber, so müsste man wohl ergänzen, der deutschen universitären Bibelwissenschaft: nicht weniger, aber sicher auch nicht mehr. Die heutige Altphilologie jedenfalls misst ähnlich gelagerten Fragen aus der Homerforschung (vgl. oben Kap. 9.1.a.), wie sie im 19. Jahrhundert durchaus diskutiert wurden, keine analoge Bedeutung mehr bei. Und hatte auch Jan Gertz unter Berufung auf Wellhausen den „programmatischen Verzicht auf die literaturund religionsgeschichtliche Rekonstruktion in der literarkritischen Analyse“ als „langweiliges Kegelspiel“ bezeichnet (Gertz 2013 / 14, 114), so lassen sich doch mittlerweile weder die amerikanische (jüdische und nicht-jüdische) noch die israelische Bibelforschung diese Frage als das alles entscheidende Untersuchungsfeld aufzwingen. Zwar bemühten sich insbesondere deutschsprachige Bi-

406    10. Kapitel:  Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart belwissenschaftler in den letzten Jahren, die Diskussion um die Neuere Urkundenhypothese auch in Israel und den USA nochmals anzufachen (Gertz u. a. 2016; Gertz 2013 / 14), aber der von Gertz konstatierte „programmatische Verzicht auf eine historische und geistesgeschichtliche Einordnung der Quellen und des Kompilators“ auf Seiten der israelischen Forschung (Gertz 2013 / 14, 114) zeigt einmal mehr, dass „das vermeintliche Chaos in der Pentateuchforschung auch ein Streit um das Erbe Wellhausens“ (Gertz 2013 / 14, 115) ist, d. h. eine in Teilen schon sehr selbstreferenzielle Rezeptionsgeschichte, an der sich vielleicht die christliche Theologie, nicht aber die jüdische Bibelforschung beteiligen muss.

10.3. Ausblick Was bedeutet dies alles nun für eine moderne wissenschaftliche jüdische Bibelwissenschaft? Mit Blick auf die dahinter lauernde Frage, was denn eine ‚jüdische Bibelauslegung‘ sei, ist zunächst einmal festzuhalten, dass eine solche nicht darin erschöpfend charakterisiert ist, dass sich zufällig Juden (möglichst noch: Israelis) mit der Archäologie oder der Geschichte religiöser Vorstellungen diverser Menschengruppen in Eretz Israel und seinen Nachbarländern von der Mittelbronzezeit bis zum Anbruch der römischen Herrschaft widmen. Diese Themen gehören in die Arbeitsfelder der religions-/konfessionsunabhängigen und historisch-philologisch wie archäologisch arbeitenden Disziplinen zur Religions-, Text- und Artefakt-Geschichte, gleich jeder anderen Altertumswissenschaft (…). Mit anderen Worten: Aus unserer Sicht sollte die religionsgeschichtlich-archäologische Forschung an der Hebräischen Bibel überhaupt nicht mehr unter einer konfessionellen Flagge segeln (müssen!); jede Universität sollte diese Forschungen in den Kontext der ägyptologischen, altorientalischen oder vorderasiatischen Archäologie, Sprache und Geschichte eingliedern und an sie den Maßstab der für die Erforschung antiker Kulturen geltenden philologisch-historisch-archäologischen Methoden anlegen. Keine Frage, dass dies zu einer hitzigen Debatte im Kontext der katholischen und protestantischen Bibelforschung führen würde; diese würde doch aber wohl vor allem zu der Erkenntnis führen, dass es eben nicht die Religionsgeschichte ist, die die Bibel-Forschung konfessionell werden lässt, sondern die Rezeptions- und Interpretationsgeschichte (…). Eine jüdische Bibelauslegung gehört in die Jüdischen Studien, das heißt, sie muss ein Teil der Wissenschaft des Judentums (genetivus objectivus und subjectivus) seit dem rabbinischen Judentum werden. Jüdische Bibelauslegung, die den Bibeltext im Rahmen und Kontext der jüdischen Kultur- und Literaturgeschichte analysiert, setzt damit von vornherein eigene inhaltlich-theologische Akzente gegenüber der protestantischen oder katholischen alttestamentlichen Wissenschaft (…) (Liss 2014c, 350 – 351).

Bezeichnenderweise hat Paul Kahle seine Forschungstätigkeit zur Hebräischen Bibel nicht im Fach Theologie, sondern im interdis-

10.3. Ausblick    407

ziplinären Rahmen der Orientalistik durchgeführt! Der Blick auf Kahle und sein akademisches Umfeld zeigt heute nicht nur, wieviele jüdische Gelehrte in Deutschland bis 1933 die Bibelwissenschaft mit den ihr angrenzenden Disziplinen mit gestaltet und entwickelt haben, sondern auch, dass die akademische Arbeit an der Bibel, der Masora, den Targumim* sowie an den Texten aus der Kairoer Geniza* heute in Deutschland und im deutschsprachigen Ausland anders aussähe, wenn sie (nach NS-Zeit und Emigration) nicht wieder allein den christlichen Forschern überlassen und auf die theologischen Fakultäten beschränkt worden wäre. Im deutschsprachigen Raum finden sich derzeit vor allem drei Standorte, an denen jüdische Bibelauslegung in unterschiedlichem Umfang und mit verschiedenen Schwerpunkten unterrichtet und erforscht wird. In Bern wird vor allem der jüdische Hellenismus und die griechische Text- und Auslegungstradition bearbeitet und damit stärker in den Kontext der Jüdischen Studien zurückgeholt, als dies in Deutschland bislang der Fall gewesen ist. Auch der sich heute in Deutschland an zwei Standorten, der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und dem Abraham Geiger Kolleg Potsdam, formierende Fachschwerpunkt Bibel und Jüdische Bibelauslegung sucht gegenüber den christlich-theologischen Fakultäten eigene Akzente zu setzen. So werden am Potsdamer Standort vor allem die Qumrantexte (und hier besonders die sog. pescharim; vgl. oben Kap. 1.1.b.) bearbeitet. Hier rücken also die Nahtstellen zwischen der Hebräischen Bibel und ihrer Auslegung in der formativen Periode der Bibeltexte ins Blickfeld. Demgegenüber liegt der wissenschaftliche Fokus an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg auf der Erforschung der mittelalterlichen Bibeltext- und Auslegungstradition. Bearbeitet werden hier vor allem die verschiedenen hochmittelalterlichen Bibelmanuskripte, ihre Textüberlieferung und ihre verschiedenen Masorot, der Targum sowie die mittelalterliche Kommentarliteratur. Dieser Forschungsschwerpunkt umfasst dabei nicht nur die kodikologisch-paläographische und editorische Bearbeitung der Quellen, sondern auch die Forschung zu den am Schreiben und Lesen dieser Quellen Beteiligten (liturgische Tradition: Synagoge; Auslegungstradition: Lehrhaus). Und hier zeigt sich dann auch, dass ‚der‘ eine heilige masoretische Bibeltext durchgehend auf seine Rezipienten und darin auf die nicht auflösbare Spannung zwischen der Einheit des Heiligen und der Vielfalt seiner Rezeption verweist, die im wissenschaftlichen Diskurs stets mitzubedenken ist. Die Erforschung der biblischen Textgeschichte von Qumran bis zum Hochmittelalter wird so auch die sog. (masoretische) Rezeptionsgeschichte des biblischen Textes als

Jüdische Bibelwissenschaft im deutsch­ sprachigen Raum

408    10. Kapitel:  Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart Text-Geschichte wahrzunehmen lehren (eine ähnliche Forderung wird heute auch in der rezenten Koran-Forschung formuliert; Neuwirth 2014; vgl. auch oben Kap. 1.1.a.). Gegenüber einer literaturwissenschaftlichen, literar-historischen oder archäologischen wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Bibel, die konfessionsunabhängig ausschließlich die Erforschung einer antiken Literatur und Gesellschaft zum Ziel hat, und anders als in Israel, wo Juden und Jüdinnen die Mehrheitsgesellschaft bilden und die denominative Ausprägung zwischen (ultra)-orthodox, konservativ / liberal und säkular eine reine Binnendifferenzierung bedeutet (vgl. auch Kap. 10.1.), trägt eine jüdische Bibelwissenschaft in der Diaspora zur Schärfung der exegetisch-theologischen Binnenperspektive angesichts einer andersgläubigen oder ohnehin säkularisierten Mehrheitsgesellschaft bei. Darüber hinaus hat sie die Aufgabe, der christlichen Majoritätskultur zu vermitteln, dass es seit mindestens eintausend Jahren in Westeuropa eine alternative Bibelauslegung gegeben hat, die sich dezidiert von der christlichen unterscheidet und damit nicht einfach in einem ‚jüdisch-christlichen Abendland‘ aufgehoben werden darf, sondern in ihrer Alterität wahrgenommen zu werden verdient. Vor allem im deutschsprachigen universitären Kontext steht die jüdische Bibelwissenschaft noch immer in unmittelbarer Konkurrenz zur christlichen (katholischen / protestantischen) Bibelwissenschaft und muss sich hier behaupten. Aber auch innerhalb der Jüdischen Studien mit ihren einzelnen Teilbereichen von der rabbinischen Literatur über die Philosophie und Kabbalaforschung bis hin zur Kunstgeschichte hat sie sich noch nicht überall durchsetzen können. Jüdische Bibelauslegung sollte daher auch in Deutschland endlich an den Universitäten fest etabliert werden.

10.3. Ausblick    409

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: St. Petersburg, Russian National Library, Firkovich Evr. I B 19a, fol. 118v. Online: goo.gl/EuRsjH 14 Abb. 2: London, British Library, Or. 2091, fol. 203r. Online: goo.gl/8YmHeP

16

Abb. 3: London, British Library, Add. 21160, fol. 142r. Online: https://t1p.de/a2lc

17

Abb. 4: Paris, Bibliothèque Nationale de France, hébr 5, fol. 119r. Online: goo.gl/F7iwWL

18

Abb. 5: München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. hebr. 5,1, fol. 84r. Online: goo.gl/u8GsGx 52 Abb. 6: Leipzig, Universitätsbibliothek, B. H. fol. 1, fol. 92v. Online: goo.gl/KKo3LM

53

Abb. 7: Raschi, Perusch al ha-Tora. Venedig 1522. Online: hebrewbooks.org

59

Abb. 8: Miqra’ot Gedolot [= Zweite Bomberg-Ausgabe] (Hg. Ja‘aqov ben Chajjim ben Jitzchaq ibn Adoniah). Venedig 1524 / 25. © Courtesy of the Library at the Herbert D. Katz Center for Advanced Judaic Studies, Kislak Center for Special Collections, Rare Books and Manuscripts, University of Pennsylvania 197 Abb. 9: Moses Mendelssohn, Targum Aschkenazi. Karlsruhe 1793. © Bibliothek Albert Einstein, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg 256 Abb. 10a / b: Moses Mendelssohn, Megillat Schir ha-Schirim. Meturggemet Aschkenazit (Hg. Joel Bril / Aaron Wolfsohn). Berlin 1788. Online: Gesammelte Schriften Bd. 6, 369 f. 260 Abb. 11a / b: Benjamin Wolf Heidenheim, Chumasch Me’or ­Enajim. Rödelheim 1818 – 21. © Bibliothek Albert Einstein, ­Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

264

Abb. 12a / b: Max (Menachem) Soloveitchik / Zalman (Schazar Schneur) Rubaschow (Rubascheff), Toldot Biqqoret ha-Miqra (­Mada‘e ha-Miqra, Bd. 1). Berlin 1925. © Bibliothek Albert Einstein, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

368

1.  Online-Datenbanken und Hilfsmittel    411

Allgemeine Bibliographie

1.  Online-Datenbanken und Hilfsmittel Books Within Books, online: goo.gl/mM3X7j. Compact Memory, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, online: goo. gl/6xS4tW. Das Portal Compact Memory umfasst laut eigenen Angaben die 234 wichtigsten jüdischen Zeitungen und Zeitschriften des vorwiegend deutschsprachigen Raumes aus den Jahren 1768 – 1938. Die Periodika repräsentieren die gesamte religiöse, politische, soziale, literarische und wissenschaftliche Bandbreite der jüdischen Gemeinschaft und der „Wissenschaft des Judentums“ (keine Registrierung erforderlich). Epidat, Salomon Ludwig Steinheim-Institut Duisburg, online: goo.gl/vg5nhW Epigraphische Datenbank und digitales Textarchiv zur jüdischen Grabsteinepigraphik von den Anfängen (4819 = 1058 / 59) bis zum Ende des Mittelalters. Freimann-Sammlung, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, online: goo.gl/NpEk9J. Die Freimann-Sammlung war bis 1933 die umfangreichste und bedeutendste Spezialsammlung des europäischen Kontinents. Die Sammlung mit ihren ca. 15 000 Titeln ist in einem Katalog verzeichnet und umfasst die gesamte historische Literatur zur Wissenschaft des Judentums bis 1932 in Form von Digitalisaten (keine Registrierung erforderlich). Friedberg Genizah Project, Friedberg Jewish Manuscript Society, online: goo.gl/xVg5wi. Die Friedberg Jewish Manuscript Society bietet zum einen Zugang zu den Fragmenten der Kairoer Geniza und zum anderen zu Digitalisaten und Transkriptionen aller Textzeugen des Talmud Bavli u. a. (kostenlose Registrierung erforderlich). Maagerim: The Hebrew Language Historical Dictionary Project, Academy of the Hebrew Language (Jerusalem), online: goo.gl/Bab8ia. Maagerim ist als Online-Datenbank ein historisches Wörterbuch der hebräischen Sprache und umfasst mit über 4000 Quellen verschiedene antike, rabbinische, mittelalterliche und moderne Schriften in hebräischer Sprache (keine Registrierung erforderlich). Sembi: Bibliographies on Semitic Languages, Bible and Related Subjects (Hg. Viktor Golinets), Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, online: goo.gl/6LpT3R. Sembi bietet thematisch sortierte Bibliographien zu Themen der semitischen Sprachen, der hebräischen Bibel, ihrer Textgeschichte und ihren Übersetzungen. Oxford Bibliographies: Jewish Studies, Oxford University Press, online: goo.gl/aAvMwE. Die Datenbank enthält englischsprachige kommentierte Auswahlbibliographien zu wichtigen Themen einer großen Zahl von Fachbereichen.

412    Allgemeine Bibliographie Gelistet werden monographische Werke, Sammelbände und Zeitschriftenartikel zur Einführung in verschiedene Themengebiete, Handbücher, Literatur zu Teilaspekten und relevante Zeitschriften-Titel. Die Bibliographien sind über eine gemeinsame Oberfläche suchbar und werden vierteljährlich aktualisiert (Zugang z. T. über Campus-Lizenzen). Wissenschaftliches Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Deutsche Bibelgesellschaft, online: goo.gl/7REmiS. WiBiLex ist als Projekt der Deutschen Bibelgesellschaft ein wissenschaftliches Bibellexikon im Internet. Derzeit entsteht auf diesen Seiten ein umfangreiches, kostenlos zugängliches wissenschaftliches Lexikon zur gesamten Bibel. Aktuell sind über 1700 Artikel, vor allem zur Hebräischen Bibel, eingestellt.

2.  Moderne Bibelausgaben Bibelausgaben und -kommentare: Online alhatorah.org, online: goo.gl/QaHCwJ. Bar Ilan Responsa Project, Bar Ilan University, Ramat Gan, online: goo.gl/9ZrQAJ. Das Bar Ilan Responsa Project bietet die umfangreichste Textsammlung jüdischer Traditionsliteraturen, wie Tanakh (Codex Leningradensis), Mischna (Albeck), Tosefta (Lieberman / Zuckermandel), Talmud Bavli (Wilna / Steinsaltz), Talmud Jeruschalmi (Wilna / Venedig), Midraschim sowie verschiedene Bibel- (Abravanel, Ba‘al ha-Turim, ibn Ezra, Malbim, Paltiel, Hirsch, Bachja, Radak, Ralbag, Ramban, Raschbam, Raschi, Revanati, Sforno u. a.), Mischna- und Talmudkommentare, halachische Werke und Responsen-Literatur (kostenpflichtige Registrierung erforderlich; Zugang über Campus-Lizenzen möglich). Biblia Hebraica Stuttgartensia (Hgg. Albrecht Alt / Paul Kahle / Rudolf Kittel). Stuttgart 51997, online: goo.gl/ikpZjn. The Greek Bible in Byzantine Judaism (Hgg. Nicholas de Lange u. a.), University of Cambridge, online: goo.gl/QhyKYw. Miqra’ot Gedolot HaKeter (Hg. Menahem Cohen), online: goo.gl/1NicLQ. Die Online-Verison von Miqra’ot Gedolot HaKeter bietet den Bibeltext (Aleppo-Codex; Codex Leningradensis), Masora magna und parva, En ha-Masora, Targum Onkelos sowie die Kommentare von Raschi, Raschbam, ibn Ezra, Bechor Schor, Ramban, Radak und Ralbag (freie Registrierung erforderlich). Online Critical Pseudepigrapha (OCP) (Hgg. u. Übers. Ian W. Scott / Ken  M. Penner / David  M. Miller), online: goo.gl/Nqk85R. Sefaria: A Living Library of Jewish Texts, online: goo.gl/x44xDT. Auf sefaria.org finden sich leicht zugänglich verschiedene Texte, wie Tanakh, Bibelkommentare, Mischna, Tosefta, Talmud Bavli, Talmud Jeruschalmi, Midraschim, halachische, kabbalistische, liturgische und philosophische Werke bzw. Kommentare in nicht-kritischer Edition und zum Teil in englischer Übersetzung (keine Registrierung erforderlich).

2.  Moderne Bibelausgaben    413 Septuaginta. Id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes edidit Alfred Rahlfs. Editio altera quam recognovit et emendavit. Duo volumina in uno (Hg. Robert Hanhart). Stuttgart 2006, online: goo.gl/FDYUyg. Targum Institute, Protestantse Theologische Universiteit Amsterdam (online: goo.gl/i3gVPu. Das Targum Institute bietet kritische Editionen von Targumim, eine Targum Manuscript Database, Einführungen sowie eine Auflistung moderner Targum-Editionen. Targumic Texts (Hg. International Organization for Targumic Studies), online: goo.gl/UFWKQp. Die International Organization for Targumic Studies stellt hier die englische Übersetzung zahlreicher Targumim zur Verfügung.

Hebräische Bibel The Hebrew University Bible Project (Hg. Moshe Goshen-Gottstein). Jerusalem 1956 – 2004. Torat Chajjim, 5 Bde. (Hg. Aryeh Kaplan). Jerusalem / New York 1981. Miqra’ot Gedolot HaKeter, 17 Bde. (Hg. Menahem Cohen). Ramat Gan 1992 – 2003. Miqra’ot Gedolot HaKeter beinhaltet den Bibeltext (Aleppo-Codex; Codex Leningradensis), Masora magna und parva, En ha-Masora, Targum Onkelos sowie die Kommentare von Raschi, Raschbam, ibn Ezra, Bechor Schor, Ramban, Radak und Gersonides (Levi ben Gerschon; Ralbag). Biblia Hebraica Stuttgartensia (Hgg. Albrecht Alt / Paul Kahle / Rudolf Kittel). Stuttgart 51997, online: goo.gl/ikpZjn. Biblia Hebraica Quinta (Hgg. Adrian Schenker u. a.). Stuttgart 2004–.

Masora The Massoreth ha-Massoreth of Elias Levita in Hebrew, with an English Translation and Critical and Explanatory Notes (Hg. u. Übers. Christian David Ginsburg). London 1867 (ND New York 1968). The Massorah. Compiled from Manuscripts. Alphabetically and Lexically Arranged (hebr.), 3 Bde. (Hg. Christian David Ginsburg). London / Wien 1905. Massorah Gedolah. Iuxta Codicem Leningradensem B19a (Hg. Gérard Weil). Rom 1971. Biblia Hebraica Leningradensia: Prepared According to the Vocalization, Accents, and Masora of Aaron ben Moses ben Asher in the Leningrad Codex (Hg. Aron Dotan). Peabody, MA 2001. BIMA: Biblical Masora Database (Hgg. u. Übers. Hanna Liss / Kay Joe Petzold / Clemens Liedtke). Heidelberg 2016– , online: goo.gl/wqemM8.

Griechische Bibel The Greek Bible in Byzantine Judaism (Hgg. Nicholas de Lange u. a.), University of Cambridge, online: goo.gl/QhyKYw.

414    Allgemeine Bibliographie Septuaginta. Id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes (Hg. Alfred Rahlfs). Stuttgart 1935. Septuaginta. Id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes edidit Alfred Rahlfs. Editio altera quam recognovit et emendavit. Duo volumina in uno (Hg. Robert Hanhart). Stuttgart 2006, online: goo.gl/FDYUyg. Septuaginta Deutsch (Hgg. Wolfgang Kraus / Martin Karrer). Stuttgart 2009.

Samaritanischer Pentateuch Der hebräische Pentateuch der Samaritaner, 5 Bde. (Hg. August von Gall). Giessen 1914 – 18 (ND 1966). The Pentateuch: The Samaritan Version and the Masoretic Version. Edited and Annotated (Hgg. Abraham Tal / Moshe Florentin). Tel Aviv 2010. Die Vokale des Gesetzes: Die samaritanische Lesetradition als Textzeugin der Tora, Bd. 1: Das Buch Genesis (Hg. Stefan Schorch; Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, Bd. 339). Berlin u. a. 2004. The Samaritan Pentateuch. A Critical Editio Maior, Bd. 3: Leviticus (Hg. Stefan Schorch). Berlin u. a. 2018.

Targumim Ausführliche Literatur findet sich bei Alberdina Houtman / Eveline van Staalduine-Sulman, Targum Editions After Sperber. Kampen 2010, online: goo.gl/jF9D95. The Bible in Aramaic Based on Old Manuscripts and Printed Texts, 5 Bde. (Hg. Alexander Sperber). Leiden 1959 – 73 (2. Aufl. 1992).

Vulgata Biblia Sacra Vulgata. Editio quinta (Hgg. Robert Weber /Roger Gryson). Stuttgart 2007, online: goo.gl/vBbWpP.

Pseudepigraphische und deuterokanonische Schriften The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments (Hg. James Charlesworth). Garden City, NY 1983. The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the Old Testament and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works (Hg. James Charlesworth). Garden City, NY 1985. Outside the Bible. Ancient Jewish Writing Related to Scripture, 3 Bde. (Hgg. Louis  H. Feldman / James  L. Kugel / Lawrence  H. Schiffman). Philadelphia 2013.

3.  Rabbinische Literaturen    415

3.  Rabbinische Literaturen The Saul and Evelyn Henkind Talmud Text Databank. The Index of References Dealing with Talmudic Literature, Saul Lieberman Institute of Talmud Research of the Jewish Theological Seminary of America / Institute for Computerization in Jewish Life, Bar-Ilan University, online goo.gl/C5FbtM. Die Talmud Text Databank hat sich zum Ziel gesetzt, die Editionen und Abbildungen aller Handschriften und frühen Drucke des Talmud Bavli bereitzustellen. Die Datenbank ist durchsuchbar und umfasst darüber hinaus Mischna und Tosefta.

Mischna Die sechs Ordnungen der Mischna, hebräischer Text mit Punktation, übersetzt und erklärt, 6 Bde. (Hg. Eduard Baneth / John Cohn / David Tzvi Hoffmann). Leipzig / Wiesbaden / Berlin 1927 – 33. Schischa Sidre Mischna, 6 Bde. (Hgg. Chanoch Albeck). Jerusalem 1952 – 58. Die Mischna. Textkritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Kommentar, 63 Bde. (Hgg. Michael Krupp u. a.). Jerusalem 2002 – 16. Die Mischna. Aus dem Hebräischen übersetzt und herausgegeben, 6 Bde. (Hgg. Michael Krupp u. a.). Berlin 2007 – 17.

Tosefta The Tosephta. According to Codex Vienna, with Variants from Codex Erfurt, Geniza MSS. and Editio Princeps (Venice 1521) Together with References to Parallel Passages in Talmudic Literature and a Brief Commentary, 5 Bde. (Hg. Shaul Lieberman). New York 1955 – 88. Tosephta. Based on the Erfurt and Vienna Codices with Parallels and Variants with ‚Supplement to the Tosephta‘ by Rabbi Saul Lieberman. New Edition with Additional Notes and Corrections (Hg. Mose Samuel Zuckermandel). Jerusalem 1970. The Tosefta. Translated from the Hebrew (Hg. Jacob Neusner). New York 1977 – 81.

Talmud Bavli Talmud Bavli. Vilna 1880 – 86 (ND Jerusalem 1978). Der babylonische Talmud. Nach der ersten zensurfreien Ausgabe unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materials neu übertragen, 8 Bde. (Hg. Lazarus Goldschmidt). Berlin 1897 – 1909 (2. Aufl. Berlin 1967, 12 Bde.). The Babylonian Talmud. Translated into English with Notes, Glossary and Indices (Hg. Isidore Epstein). London 1935 – 52 (ND u. a. London 1961, 18 Bde.). Talmud Bavli, 29 Bde. (Hg. Adin Steinsaltz). Jerusalem 1965 – 2010. Talmud Bavli. Commentary by Rabbi Adin Even-Israel (Steinsaltz) (Hgg. u. Übers. Tzvi Hersh Weinreb u. a.). Jerusalem 2012–.

416    Allgemeine Bibliographie Talmud Jeruschalmi Talmud Jeruschalmi (Hg. Zion Behrend). Krotoschin 1866 (ND Jerusalem 1959 – 60). The Talmud of the Land of Israel (Hg. u. Übers. Jacob Neusner). Chicago 1982 – 94. Übersetzung des Talmud Yerushalmi (Hgg. u. Übers. Peter Schäfer u. a.). Tübingen 1975 – 2011.

Midraschim Ausführliche Literatur findet sich in der vorliegenden Reihe bei Gerhard Langer, Midrasch (Jüdische Studien, Bd. 1). Tübingen 2016.

Sonstige rabbinische Traktate The Minor Tractates of the Talmud, 2 Bde. (Hg. u. Übers. Aaron Cohen). London 1965 (2. Aufl. 1971). Minor Tractates. Hebrew-Englisch Edition of the Babylonian Talmud (Hg. u. Übers. Avraham Cohen). London 1984.

4.  Überblickswerke und Lexika Cameron, Euan u. a. (Hgg.), The New Cambridge History of the Bible, 4 Bde. Cambridge u. a. 2012 – 16. Jansen, Katrin Nele, Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871 – 1945, 2 Bde. (Biographisches Handbuch der Rabbiner, Bd. 2). München 2009 (online: goo.gl/YhsJc3; s. auch die Online-Datenbank: Biographisches Portal der Rabbiner [BHR], Steinheim-Institut Essen goo.gl/KjPY4r). Lange, Armin / Tov, Emanuel (Hgg.), Textual History of the Bible. Bd. 1A – C: The Hebrew Bible. Leiden 2017. Liss, Hanna, Tanach: Lehrbuch der jüdischen Bibel (Schriften der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, Bd. 8). Heidelberg 2019a (4., aktual. u. überarb. Aufl.). Sæbø, Magne (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,1: Antiquity. Göttingen 1996. – (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 1,2: The Middle Ages. Göttingen 2000. – (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 2: From the Renaissance to the Enlightenment. Göttingen 2008. – (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 3,1: The Nineteenth Century – A Century of Modernism and Historicism. Göttingen 2013. – (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament: The History of Its Interpretation, Bd. 3,2: The Twentieth Century – From Modernism to Post-Modernism. Göttingen 2015.

5. Wörterbücher    417 Skolnik, Fred / Berenbaum, Michael (Hgg.), Encyclopaedia Judaica, Second Edition, 17 Bde. Detroit u. a. 2007. Steinschneider, Moritz (Red.), Hebraeische Bibliographie. Blätter für neuere und ältere Literatur des Judenthums: Zugleich eine Ergänzung zu allen Organen des Buchhandels, Berlin 1858 – 81 (online: goo.gl/S6g8GF). Wilke, Carsten, Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781 – 1871, 2 Bde. (Biographisches Handbuch der Rabbiner, Bd 1). München 2004 (online: goo. gl/uQVgwW; s. auch die Online-Datenbank: Biographisches Portal der Rabbiner (BHR), Steinheim-Institut Essen [goo.gl/KjPY4r]). Zeitlin, William, Bibliotheca Hebraica post-Mendelssohniana. Bibliographisches Handbuch der neuhebräischen Litteratur seit Beginn der Mendelssohn’schen Epoche bis zum Jahre 1890. Leipzig 1895 (2., neu bearb. u. erw. Aufl.).

5. Wörterbücher The Comprehensive Aramaic Lexicon, Hebrew Union College of Cincinnati, online: goo.gl/ftyaxp. Even-Shoshan, Avraham, Millon Even Schoschan, 6 Bde. Jerusalem 2003 ([3., überarb. u. erw. Aufl.]; Erstedition 1947 – 52; 2., überarb. u. erw. Aufl. 1966 – 70). Gesenius, Wilhelm, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament (Hg. Frants Buhl). Leipzig 121895, online: goo.gl/NdAFs5. – , Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. Gesamtausgabe (Hg. Rudolf Meyer / Herbert Donner). Berlin u. a. 18 2013. Jastrow, Marcus, A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature. Philadelphia 1903 (ND New York 1971; 2004), online: goo.gl/dy7MiY / goo.gl/PyBwgk. Koehler, Ludwig / Baumgartner, Walter, Konzise und aktualisierte Ausgabe des Hebräischen und Aramäischen Lexikons zum Alten Testament (Hg. Walter Dietrich / Samuel Arnet). Leiden u. a. 2013. Rav Milim, Melingo Ltd. (Tel Aviv), online: goo.gl/EUEBvd. Rav Milim ist ein laufend aktualisiertes Online-Wörterbuch (hebr. – engl./ engl. – hebr.) der hebräischen Sprache und bietet darüber hinaus u. a. morphologische Analysen und einen Thesaurus (Registrierung erforderlich).

6.  Einführungen und Überblicksdarstellungen Ahrend, Moshe, Fundamentals of Bible Teaching (hebr.). Ramat-Gan 1987. Berlin, Adele / Brettler, Marc Zvi (Hgg.), The Jewish Study Bible. Oxford / New York 22015. Casper, Bernard Moses, An Introduction to Jewish Bible Commentaries. New York / London 1961.

418    Allgemeine Bibliographie Dohrmann, Natalie B./Stern, David (Hgg.), Jewish Biblical Interpretation and Cultural Exchange: Comparative Exegesis in Context (Jewish Culture and Context). Philadelphia 2008. Fishbane, Michael (Hg.), The Midrashic Imagination. Jewish Exegesis, Thought and History. Albany 1993. Najman, Hindy / Newman, Judith H. (Hgg.), The Idea of Biblical Interpretation: Essays in Honor of James L. Kugel (Supplements to the Journal for the Study of Judaism, Bd. 83). Leiden / Boston 2004. Neusner, Jacob, Bible Interpretation: How Judaism Reads the Bible. In: Jacob Neusner / William Scott Green / Alan  J. Avery-Peck (Hgg.), The Encyclopaedia of Judaism, Bd. 1. Leiden / Boston 22005, S.  193 – 210. Sommer, Benjamin D. (Hg.), Jewish Concepts of Scripture: A Comparative Introduction. New York 2012.

7. Handschriften 7.1.  Sonstige Orte / Privatbesitz Codex Cairensis (Kairo, Moshe al-Dari Synagoge in Abbasiyya, Ms. 34), online: goo.gl / qex94Y Codex S1 (früher: Sassoon 1053), online: https://t1p.de/piwo Valmadonna 1 (Washington, Museum of the Bible, CG. MS. 000858; früher: Sassoon 282), Auszüge online: https://t1p.de/6v7o; https://t1p.de/z99l

7.2.  Öffentliche Bibliotheken Cambridge, University Library Add. 669,2 Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Yb 4°10, online: https://t1p.de/9fgi Jerusalem, Israel Museum Aleppo-Codex („Keter Aram Tzova“; Ben Zvi Institute Jerusalem Ms. 1), online: goo.gl / E1M1JH; goo.gl / yvo88G IM 180_52 („Regensburg Pentateuch“) Jerusalem, The National Library of Israel Heb. 24°5702 („Keter Damascus“; „Damascus Pentateuch“; Codex S; früher: Sassoon 507), online: https://t1p.de/gnq9 Leipzig, Universitätsbibliothek B. H. fol. 1, online: https://t1p.de/ujh2 London, British Library Add. 21 160 („Yonah Pentateuch“), online: https://t1p.de/a2lc Add. 27 199, online: https://t1p.de/rmio Or. 2091, online: https://t1p.de/3dt3 Or. 4445, online: goo.gl / Nd93pm

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    419 Moskau, Russian State Library Guenzburg 82, online: https://t1p.de/dx50 München, Bayerische Staatsbibliothek Cod. hebr. 5, online: goo.gl / Yt8f9G; goo.gl / XmRVKh Cod. hebr. 53, online: goo.gl / c9mTMG Cod. hebr. 81, online: goo.gl / KdJdYS Oxford, Bodleian Library Opp. 27 (Neubauer 268) Opp. 111 (Neubauer 1566) Opp. 506 (Neubauer 1843) Opp. 540 (Neubauer 1567) Opp. 625 (Neubauer 1465 Paris, Bibliothèque Nationale de France Hébr. 5 – 6, online: https://t1p.de/p2lq; https://t1p.de/uz4w Hébr. 148, online: https://t1p.de/8vnk Hébr. 711, online: goo.gl / VG27H1 Hébr. 1007, online: https://t1p.de/i8i6 Parma, Biblioteca Palatina Cod. Parm. 2199 (de Rossi 810), online: https://t1p.de/2xvf Cod. Parm. 2668 (de Rossi 782), online: https://t1p.de/b5g4 Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana Ebr. 14, online: goo.gl / pLSyVx; Digitale Edition der Masora Figurata in Handschrift MS Vat. ebr. 14 (Hgg. u. Übers. Hanna Liss / Kay Joe Petzold / Clemens Liedtke), Heidelberg 2016– , online: goo.gl / 3RRk6Q. Ebr. 183, online: goo.gl / qNwXdP Ebr. 468 („La Rochelle“), online: goo.gl / ZeXW38 St. Petersburg, Russian National Library Firkovich Evr. I B 19a („Codex Leningradensis“), online: goo.gl / cD6yTW Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. hebr. 220 (Wien 23), online: goo.gl / Wx31fn

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen Bibel und antike Literaturen 1. Kapitel Der Bibeltext und seine Überlieferung bis zum Hochmittelalter Das Buch Ochlah W’ochlah (Massora). Herausgegeben, übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen versehen nach einer, soweit bekannt, einzigen, in der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris befindlichen Handschrift (Hg. Salomon Frensdorff). Hannover 1864.

420    Allgemeine Bibliographie Séfer ’Oklah we-’Oklah: Colección de listas de palabras destinadas a conservar la integridad del texto hebreo de la Biblia entre los Judíos de la Edad Media (Hg. Fernando Díaz Esteban) (Textos y estudios / Seminario filológico Cardenal Cisneros, Bd. 4). Madrid 1975. The Masora Magna to the Bible: Ochla ve-Ochla, Codex Paris (hebr.) (Hg. David Samuel Loewinger). Jerusalem 1987. La seconda parte del ‚Sefer ’oklah we’oklah‘: Edizione del ms. Halle Yb4 °10, ff. 68 – 124 (Hg. Bruno Ognibeni) (Textos y estudios, Bd. 57). Madrid / Fribourg 1995. ben Ascher, Aharon, Sefer Diqduqe ha-Teaʿmim. Al Pi Kitve Jad Atiqim of Aharon ben Mosche ben Ascher: With a Critical Edition of the Original Text from New Manuscripts (Hg. Aron Dotan). Jerusalem 1967. ben Uzziel, Michael, Sefer ha-Chillufim (Hg. Lazar Lipschütz). Jerusalem 1965. ben Ja‘aqov, Schemu’el, The Masorah Magna to the Pentateuch by Shemuel ben Ya‘aqov (Ms. ‫)למ‬, 2 Bde. (Hg. Mordechai Breuer) (Manfred and Anne Lehmann Foundation Series, Bd. 16). New York 1992 (ND Jerusalem 2002). ben Todros, Meïr ha-Levi Abulafia, Sefer Masoret Seyag La-Tora. Florenz 1750 (ND Berlin 1761). Frensdorff, Salomon, Die Massora Magna. Erster Theil: Massoretisches Wörterbuch oder Die Massora in alphabetischer Ordnung. Hannover / Leipzig 1876 (ND New York 1969). Qimchi, David, Et Sofer. Lyck 1864 (ND Jerusalem 1969 / 70).

Bibelauslegung in Qumran und im jüdischen Hellenismus Schriftrollen vom Toten Meer (Qumran) Ausführliche Literatur findet sich in der vorliegenden Reihe bei Daniel Stökl Ben Ezra, Qumran: Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum (Jüdische Studien, Bd. 3). Tübingen 2016. Discoveries in the Judean Desert. 40 Bde. (Hg. Roland de Vaux / Pierre Benoit / John Strugnell / Emanuel Tov). Oxford 1955 – 2010. Beyer, Klaus (Hg.), Die aramäischen Texte vom Toten Meer, 2 Bde. Göttingen 1984 – 2004. Charlesworth, James (Hg.), The Dead Sea Scrolls: Hebrew, Aramaic, and Greek Texts with English Translations, 9 Bde. Tübingen 1994 – 2011. García Martínez, Florentino / Tigchelaar, Eibert J. C. (Hgg.), The Dead Sea Scrolls Study Edition. Leiden u. a. 1997. Maier, Johann, Die Qumran-Essener, Bd. 1: Die Texte der Höhlen 1 – 3 und 5 – 11 (UTB, Bd. 1862). München / Basel 1995. – , Die Qumran-Essener, Bd. 2: Die Texte der Höhle 4 (UTB, Bd. 1863). München / Basel 1995. – , Die Qumran-Essener, Bd. 3: Einführung, Zeitrechnung, Register und Bibliographie (UTB, Bd. 1916). München / Basel 1996. Ulrich, Eugene, The Biblical Qumran Scrolls. Transcriptions and Textual Variants, 3 Bde. (Vetus Testamentum, Supplements, Bd. 134). Leiden 2010.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    421

(Pseudo)-Aristeas Shutt, Rowland J. H., Letter of Aristeas. In: James Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the Old Testament and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works. Garden City, NY 1985, S.  7 – 34. Meisner, Norbert, Aristeasbrief. In: Erling Hammershaimb / Norbert Meisner (Hgg.), Unterweisung in erzählender Form (Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. 2). Gütersloh 1973, S. 35 – 87.

Aristobul Fragmente jüdisch-hellenistischer Exegeten: Aristobulos, Demetrios, Aristeas (Hg. u. Übers. Nikolaus Walter) (Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. 3,2). Gütersloh 1975. Yarbro Collins, Adela, Aristobbulus: A New Translation and Introduction. In: James Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the Old Testament and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works. Garden City, NY 1985, S.  831 – 842. Holladay, Carl R. (Hg.), Fragments from Hellenistic Jewish Authors, Bd. 3: Aristobulus (Pseudepigrapha Series, Bd. 13). Atlanta, GA 1995.

Demetrios Fragmente jüdisch-hellenistischer Exegeten: Aristobulos, Demetrios, Aristeas (Hg. u. Übers. Nikolaus Walter) (Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd. 3,2). Gütersloh 1975. Holladay, Carl R. (Hg.), Fragments from Hellenistic Jewish Authors, Bd. 1: Historians (Pseudepigrapha Series, Bd. 10). Chico, CA 1983, S.  51 – 91. Hanson, John, Demetrius the Chronographer: A New Translation and Introduction. In: James Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the Old Testament and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works. Garden City, NY 1985, S.  843 – 847.

Flavius Josephus (Joseph ben Mathitjahu) Flavii Iosephi Opera, 7 Bde. (Hg. Benedikt Niese). Berlin 1885 – 97. Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer. Übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen, 2 Bde. (Hg. u. Übers. Heinrich Clementz). Halle an der Saale 1899 (ND Wiesbaden 1989, 2012). De bello Judaico: Der Jüdische Krieg. Zweisprachige Ausgabe der sieben Bücher, 3 Bde. (Hg. u. Übers. Otto Michel / Otto Bauernfeind). Darmstadt 1959 – 69. Contra Apionem, Buch I: Einleitung, Text, textkritischer Apparat, Übersetzung und Kommentar (Hg. u. Übers. Dagmar Labow) (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, Bd. 167). Stuttgart 2005.

422    Allgemeine Bibliographie Über die Ursprünglichkeit des Judentums (Contra Apionem), 2 Bde. (Hg. u. Übers. Folker Siegert) (Schriften des Institutum Judaicum Delitzschianum, Bd. 6). Göttingen 2008. Aus meinem Leben (Vita). Kritische Ausgabe, Übersetzung und Kommentar (Hg. u. Übers. Folker Siegert). Tübingen 22011.

Philo von Alexandria (Philo Iudaeus) Philo von Alexandria. Die Werke in deutscher Übersetzung, 7 Bde. (Hgg. u. Übers. Leopold Cohn u. a.). Berlin 1909 – 39 (ND Berlin 1964). Philonis Alexandrini Opera quae supersunt. Editio maior, 7 Bde. (Hgg. Leopold Cohn / Paul Wendland). Berlin 1896 – 1930 (ND Berlin 1962).

Griechische Bibel Origenis Hexaplorum quae supersunt, 2 Bde. (Hg. Frederick Field). Oxford 1875. Greek Jewish Texts from the Cairo Genizah (Hg. Nicholas de Lange) (Texte und Studien zum antiken Judentum, Bd. 51). Tübingen 1996. Japheth in the Tents of Shem. Greek Bible Translations in Byzantine Judaism (Hg. Nicholas de Lange) (Texts and Studies in Medieval and Early Modern Judaism, Bd. 30). Tübingen 2015.

Der Beginn der philologischen und philosophischen Bibelauslegung Sa‘adja Gaon, Die jüdischen Religionsphilosophen des Mittelalters oder Uebersetzungen der seit dem zehnten Jahrhundert verfaßten jüdischen Religionsphilosophien, Bd. 1: Emunot we-Dēot (Hg. u. Übers. Julius Fürst). Leipzig 1845 (ND Hildesheim 1970). – , Saadia Al-fajjû-mi’s arabische Psalmenübersetzung. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde (Hg. Samuel Hirsch Margulies). Breslau 1884. – , Sefer ha-Emunot we-ha-De‘ot (Hg. I. Kitover). Josefow 1885 (ND Jerusalem 1961 / 62). – , Saadia ben Joseph al-Fayyumi. Œuvres Complètes, 5 Bde. (Hg. Joseph Derenbourg / Hartwig Derenbourg / Mayer Lambert). Paris 1893 – 99 (ND Hildesheim 1979). – , Saadja al-Fajjumi’s arabische Psalmenübersetzung und Commentar. Nach einer Münchener und einer Berliner Handschrift herausgegeben, übersetzt und mit Anmerkungen versehen (Hg. Sally Baron). Berlin 1900. – , Sa‘adja al-Fajjumi’s arabische Psalmenübersetzung und Commentar (Psalm 73 – 89). Nach einer Münchener, einer Berliner und einer Oxforder Handschrift herausgegeben und mit Anmerkungen versehen (Hg. Siegfried Galliner). Berlin 1903. – , Saadja al-Fajjumi’s arabische Psalmenübersetzung und Commentar: Psalm 107 – 124. Inaugural-Dissertation (Hg. Jacob Z. Lauterbach). Berlin 1903. – , Saadja al-Fajjumi’s arabische Psalmenübersetzung und Commentar (Psalm 125 – 150) (Hg. Bernhard Schreier). Berlin 1904.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    423 – , Saadja al-Fajjumi’s arabische Übersetzung und Erklärung der Psalmen (Psalm 90 – 106) (Hg. Ernst Eisen). Leipzig 1934. – , The Book of Beliefs and Opinions (Hg. u. Übers. Samuel Rosenblatt) (Yale Judaica Series, Bd. 1). New Haven 1948 (ND New Haven 1955. 1976). – , Tehillim im Targum u-Ferusch ha-Gaon Rabbenu Sa‘adja ben Josef Fayyumi (Hg. u. Übers. Yosef Qafih). Kirjat Ono 1966. – , Ha-Egron: Kitab Usul al-Sir al-Ibrani. Me-et Rav Sa‘adja Gaon (Hg. Nehemya Allony). Jerusalem 1969. – , Mischle im Targum u-Ferusch ha-Gaon Rabbenu Sa‘adja ben Josef Fayyumi (Hg. u. Übers. Yosef Qafih). Kirjat Ono 1976. – , Selections from Rav Sa‘adjas Commentary on Lamentations (Hg. Yehuda Ratzaby), Bar-Ilan-Annual 20 / 21 (1983), S. 349 – 381. – , Rabbi Saadia’s Commentary on the Scroll of Ester (hebr.) (Hg. Yehuda Ratzaby). In: Shmuel Israeli / Norman Lamm / Yitzhak Raphael (Hgg.), Jubilee Volume in Honor of Moreinu Hagaon Rabbi Joseph B. Soloveitchik, Bd. 2. Jerusalem 1984, S. 1153 – 1198. – , Sa‘adjas Commentary on Genesis. Edited with Introduction, Translation, and Notes (hebr.) (Hg. Moshe Zucker). New York 1984. – , Sa‘adjas Translation and Commentary on Isaiah. Collected, Edited with Translation and Notes (hebr.) (Hg. Yehuda Ratzaby). Jerusalem 1984. – , The Book of Theodicy. Translation and Commentary on the Book of Job by Saadiah ben Joseph al-Fayyūmī (Hg. u. Übers. Lenn E. Goodman) (Yale Judaica Series, Bd. 25). New Haven / London 1988. – , Saadya Gaon’s Arabic Version of the Book of Daniel (Hg. u. Übers. Alan John Cameron). Utrecht 1988. – , Daniel im Targum u-Ferusch Rabbenu Sa‘adja ben Josef Fayyumi (Hg. u. Übers. Yosef Qafih). Kirjat Ono 21993 / 94. – , Or Rischon be-Chokhmat ha-Laschon: Sefer Tzachut Leschon ha-Ivrim le-Rav Sa‘adja Gaon (Hg. Aron Dotan). Jerusalem 1997. – , Mi-Perusche R. Sa‘adja le-Sefer Wajjiqra (Hg. Yehuda Ratzaby), Sinai 120 / 121 / 122 (1997 / 98), S.  1 – 17; 145 – 161; 1 – 10. – , Sa‘adjas Commentary on Exodus. Collected, Edited with Translation and Notes (hebr.) (Hg. Yehuda Ratzaby). Jerusalem 1998. – , Mi-Perusche Rav Sa‘adja le-Miqra (Hg. Yehuda Ratzaby). Jerusalem 2004. – , The Book of Daniel: The Commentary of R. Saadia Gaon. Edition and Translation (Hg. u. Übers. Joseph Alobaidi) (Bible dans l’histoire, Bd. 6). Bern u. a. 2006.

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8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    425 Harkavy, Albert (Hg.), Aus den ältesten Karäischen Gesetzbüchern (von Anan, Beniamin Nehawendi und Daniel Kummissi[sic!]) (Studien und Mittheilungen aus der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek zu St. Petersburg, Bd. 8). St. Petersburg 1903. ibn Faraj, Abû al-Faraj Hârûn, Sefer Ta‘ame ha-Miqra we-hu Horajat ha-Qore. Jerusalem 1979. – , Horayat ha-qore: una grammatica ebraica del secolo XI (Hg. Giulio Busi) (Judentum und Umwelt, Bd. 11). Frankfurt am Main 1984. – , The Karaite Tradition of Hebrew Grammatical Thought in Its Classical Form. A Critical Edition and English Translation of al-Kitāb al-Kāfī fi al-Luga al-‘Ibrāniyya by ’Abū al-Faraj Harūn ibn al-Faraj, 3 Bde. (Hg. Geoffrey Khan / María Ángeles Gallego / Judith Olszowy-Schlanger) (Studies in Semitic Languages and Linguistics, Bd. 37). Leiden u. a. 2003. ibn Nûḥ, Yûsuf, The Early Karaite Tradition of Hebrew Grammatical Thought Including a Critical Edition, Translation and Analysis of the Diqduq of ’Abū Ya'aqūb Yūsuf ibn Nūh on the Hagiographa (Hg. Geoffrey Khan) (Studies in Semitic Languages and Linguistics, Bd. 32). Leiden u. a. 2000.

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8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    427 Parschandatha: The Commentary of Rashi on the Prophets and Hagiographs, Edited on the Basis of Several Manuscripts and Editions, Translated (Hg. Isaac Maarsen). Amsterdam 1930 (ND Jerusalem 1972). Secundum Salomonem: A Thirteenth Century Latin Commentary on the Song of Solomon (Hgg. Sarah Kamin / Avrom Saltman). Ramat Gan 1989. Perusch Raschi al ha-Tora. The Torah: With Rashi’s Commentary, 5 Bde. (Hg. Yisrael I. Z. Herczeg). Brooklyn 1995 – 99. Rashi’s Commentary on Psalms (Hg. Mayer I. Gruber) (The Brill Reference Library of Ancient Judaism, Bd. 18). Leiden / Boston 2004. Avinery, Isaac, Heichal Rashi: Encyclopaedia, Containing Alphabetically all that Rashi Created in the Field of Language and Exegesis (hebr.), 3  Bde. Jerusalem 1979 – 85.

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8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    429

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a.  R. Avraham ben Meïr ibn Ezra Abraham aben Ezra’s Commentary on the Book of Esther, After Another Version. Copied from an Old Ms. in the Harleian Collection, and Edited for the First Time (Hg. Josef Zedner). London 1850 (ND Jerusalem 1972 in Kitve R. Avraham Ibn Esra, Bd. 5). The Commentary of Ibn Ezra on Isaiah: Edited from Manuscripts and Translated, with Notes, Introduction and Indexes, 3 Bde. (Hg. u. Übers. Michael Friedländer). London 1873 – 74 (ND New York 1964). Abraham Ibn Ezra’s Commentary on the Canticles: After the First Recension (Hg. Henry John Mathews). London 1874. Reime und Gedichte des Abraham ibn Esra. In: David Rosin (Hg.), Jahresbericht des jüdisch-theologischen Seminars „Fraenckel’scher Stiftung“.

430    Allgemeine Bibliographie Breslau 1885 / 1887 / 1888 / 1891 / 1894, S. 1 – 48; 49 – 100; 101 – 166; 167 – 226; 1 – 48. Sefer Safa Berura (Hg. Michael Wilensky). Devir 2 (1923), S. 274 – 302. Kitve R. Avraham ibn Ezra, 4 Bde. Jerusalem 1970 – 72. Perusche ha-Tora le-Rabbenu Avraham Ibn Ezra: al-Pi Kitve Jad u-Defusim Rischonim, 3 Bde. (Hg. Asher Weiser). Jerusalem 1977. The Short Commentary on Daniel: A Critical Edition (Hg. Aharon Mond­ schein). Ramat Gan 1977. Ibn Ezra’s Commentary on the Pentateuch, Translated and Annotated, 5 Bde. (Hgg. u. Übers. Norman H. Strickman / Arthur M. Silver). New York 1988 – 2004. Abraham Ibn Ezra’s Two Commentaries on the Minor Prophets: An Annotated Critical Edition, Bd. 1: Hosea, Joel, Amos (Hg. Uriel Simon). Ramat Gan 1989. Ibn Ezra’s Introduction and Commentary on Psalms 1 – 2: the ‚First Recension‘. In: Uriel Simon (Hg.), Four Approaches to the Book of Psalms. From Saadiah Gaon to Abraham Ibn Ezra. Albany 1991, S. 308 – 329. El comentario de Abraham Ibn Ezra al libro del Eclesiastés: Introducción, traducción y edición crítica (Hg. u. Übers. Mariano Gómez Aranda) (Textos y estudios, Bd. 56). Madrid 1994. Abraham Ibn Esras Kommentar zur Urgeschichte. Mit einem Anhang: Raschbams Kommentar zum Ersten Kapitel der Urgeschichte (Hg. Dirk U. Rottzoll). Berlin 1996. A Third Version of Abraham Ibn Ezra’s Commentary on the Pentateuch? On a New Fragment of His Commentary (Hg. Aharon Mondschein) (hebr.). In: Yair Joffman / Frank H. Polak (Hgg.), A Light for Jacob: Studies in the Bible and the Dead Sea Scrolls in Memory of Jacob Shalom Licht. Jerusalem / Tel Aviv 1997, S. 169 – 170. Abraham Ibn-Esras Kommentare zu den Büchern Kohelet, Ester und Rut (Hg. Dirk U. Rottzoll) (Studia Judaica, Bd. 12). Berlin 1999. Abraham Ibn Esras langer Kommentar zum Buch Exodus. Bd. 1: Parascha Schemot bis Beschalach (Ex 1 – 17) (Hg. Dirk U. Rottzoll) (Studia Judaica, Bd. 17). Berlin 2000. Abraham Ibn Esras langer Kommentar zum Buch Exodus. Bd. 2: Parascha Jitro bis Pekudej (Ex 18 – 40) (Hg. Dirk U. Rottzoll) (Studia Judaica, Bd. 17). Berlin 2000. Sefer Moznayim: Abraham Ibn Ezra. Intoducción (en castellano e inglés), edición critica del texto hebreo, y versión castellana de Lorenzo Jiménez Patón (Hg. Ángel Sáenz-Badillos) (Autores hebreos de al-Andalus, Bd. 4). Córdoba 2000. Śafah Běrurah: Edición crítica del texto hebreo / Abraham Ibn ʿEzraʾ. Introd. en castellano e inglés, traducción española y notas de Enrique Ruiz González (Hg. Ángel Sáenz-Badillos) (Autores hebreos de al-Andalus, Bd. 5). Córdoba 2004. El comentario de Abraham Ibn Ezra al libro de Job: Edición crítica, traducción y estudio introductorio (Hg. Mariano Gómez Aranda). Madrid 2004. Abraham Ibn Ezra. Jesod Mora we-Sod Tora. The Foundation of Reverence and the Secret of the Torah. An Annotated Critical Edition (Hgg. Joseph Cohen / Uriel Simon). Ramat Gan 2007 (2. überarb. u. erw. Aufl.).

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    431 The Book of Reasons: A Parallel Hebrew-English Critical Edition of the Two Versions of the Text (Hg. Shlomo Sela) (Études sur le judaïsme médiéval, Bd. 35). Leiden u. a. 2007. The Book of the World: A Parallel Hebrew-English Critical Edition of the Two Versions of the Text (Hg. Shlomo Sela) (Études sur le judaïsme médiéval, Bd. 39). Leiden u. a. 2010.

b.  R. Josef Qimchi (Riqam) Joseph Kimchi’s Pentateuch-Commentar (Hg. Abraham Berliner), Magazin für Jüdische Geschichte und Literatur 1 (1874), S. 21 – 22. Ein Sammelwerk in der Bodlejana (Hg. Adolf Neubauer), Israelitische Letterbode 2 (1876 / 77), S. 178 – 180. Sefer ha-Galui (Hg. Henry John Matthews). Berlin 1887. Sefer ha-Zikkaron (Hg. Wilhelm Bacher). Berlin 1888. Un fragment du commentaire de Joseph Kimḥi sur Job (Hg. Simon Eppen­ stein), Revue des études juives 37 (1898), S. 86 – 102. Shekel Hakodesh. The Metrical Work of Joseph Kimchi, now Edited for the First Time from MSS. of the Bodleian with an English Translation, Introduction, Notes, etc., to Which is Added Yesod Hayirah (so), from MSS. in the British Museum, with an English Translation and Notes (Hg. Hermann Gollancz). London 1919. Zitate aus dem Pentateuch-Kommentar. In: Hayim Josef Gad (Hg.), Chamischa ha-Meo’rot ha-Gedolim. Johanesberg 1952, S. 39 – 48. Hiob-Kommentar. In: Israel Schwartz (Hg.), Tiqwat Enosch. Berlin 1868 (Jerusalem 1969), S.  151 – 166. The Book of the Covenant of Joseph Kimhi (Hg. u. Übers. Frank Talmage). Toronto 1972. Sefer ha-Berit (Hg. Frank Talmage). Jerusalem 1974. Proverbia-Kommentar. In: Frank Talmage (Hg.), The Commentaries on Proverbs of the Kimhi Family. Jerusalem 1990, S. 1 – 153.

c.  R. Mosche Qimchi (Remaq) Esra-Nehemia-Kommentar. Nur in: Miqra’ot Gedolot. Mahalakh Schevile ha-Da‘at. Lemberg 1867. Sepher Sechel Tob: Grammatik der hebräischen Sprache nach der Karlsruher Handschrift herausgegeben (Hg. Benjamin Meyer). Krakau 1894. Le Sefer Sekhel Tov. Abrégé de grammaire hébraïque de Moïse Qimhi (Hg. David Castelli), Revue des études juives 28 / 29 (1894), S. 101 – 110, 212 – 227. Moisés Kimchi y su obra Sekel Tov (Hg. Francisco Javier Ortueta y Murgoitio). Madrid 1920. Sepher Sechel-Tob: Eine hebräische Grammatik aus dem 13. Jahrhundert, mit ausführlicher Einleitung, Quellennachweis und textkritischen und erläuternden Noten versehen (Hg. Arthur Meyer). Karlsruhe 1926. Proverbia-Kommentar. In: Frank Talmage (Hg.), The Commentaries on Proverbs of the Kimhi Family. Jerusalem 1990, S. 154 – 327. Commentary on the Book of Job (Hgg. Herbert W. Basser / Barry Walfish) (South Florida Studies in the History of Judaism, Bd. 64). Atlanta 1992.

432    Allgemeine Bibliographie d.  R. David Qimchi (Radaq) Commentar zur Genesis, von Rabbi David Kimchi. Nach einem Manuscripte in der Bibliotheque royale zu Paris, auf Veranlassung des Orientalisten Herrn A. Kohn, aus Pressburg herausgegeben (hebr.) (Hg. Avraham Ginzburg). Pressburg 1842. Et Sofer. Lyck 1864 (ND Jerusalem 1969 / 70). Teile des Hiob-Kommentars. In: Israel Schwartz (Hg.), Tiqwat Enosch. Berlin 1868 (ND Jerusalem 1969), S. 129 – 145. Tehillim: Im Perusch ha-Arokh. Ha-Sefer ha-Rischon mi-Schire ha-Tehillot (…) (Hg. Solomon Marcus Schiller-Szinessy). Cambridge 1883. The Commentary of David Kimhi on Isaiah. Edited, with His Unpub­ lished Allegorical Commentary on Genesis, on the Basis of Manuscripts and Early Editions (hebr.) (Hg. Louis Finkelstein) (Columbia University Oriental Studies, Bd. 19). New York 1926. Der Kommentar des David Qimchi zum Propheten Nahum. Mit Erläuterungen und einem Wörterverzeichnis der nachbiblischen Ausdrücke (Hg. u. Übers. Walter Windfuhr) (Rabbinische Übungstexte, Bd. 1). Gießen 1927. The Commentary of Rabbi David Kimhi on Hosea (hebr.) (Hg. Harry Alan Cohen) (Columbia University Oriental Studies, Bd. 20). New York 1929. The Commentary of Rabbi David Ḳimḥi on Psalms 42 – 72. Edited on the Basis of Manuscripts and Early Editions (Hg. Sidney I. Esterson), Hebrew Union College Annual 10 (1935), S. 309 – 443. Die Kommentare von Raschi, Ibn Ezra, Radaq zu Joel. Text, Übersetzung und Erläuterung. Eine Einführung in die rabbinische Bibelexegese (Hg. Gottfried Widmer). Basel 1945. The Commentary of David Kimhi: On the Fifth Book of the Psalms, CVII – CL (hebr.) (Hg. Jacob Bosniak). New York 1951. R. David Qimchi: Ha-Perusch ha-Schalem al Tehillim (Hg. Avraham Darom). Jerusalem 1967 (4. Aufl. 1979). Sefer ha-Schoraschim (Hg. Elia Levita). Jerusalem 1967 (ND d. Ausg. Berlin 1847). Perusche R. David Qimchi al ha-Tora (Hg. Moshe Kamelhar). Jerusalem 1970. The Commentary of Rabbi David Kimḥi on Psalms CXX-CL (Hgg. u. Übers. Ernest Wilson Nicholson / Joshua Baker) (University of Cambridge Oriental Publications, Bd. 22). Cambridge 1973. Peticha le-Perusch ha-Tora (Hg. Avraham Golan). Jerusalem 1982. The Commentary of Rabbi David Kimhi on the Book of Judges (hebr.) (Hg. Michael Celinker). Toronto 1983. (Ps.-)Proverbia-Kommentar. In: Frank Talmage (Hg.), The Commentaries on Proverbs of the Kimhi Family. Jerusalem 1990, S. 328 – 427. The Commentary of Rabbi David Kimhi to Chronicles: A Translation with Introduction and Supercommentary (Hg. u. Übers. Yitzhak Berger) (Brown Judaic Studies, Bd. 345). Providence, RI 2007.

e.  R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières Kommentare zu den Büchern Jeremia und Ezechiel: Miqra’ot Gedolot.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    433

f.  Tanchum ben Josef ha-Jeruschalmi Aus dem Woerterbuche Tanchum Jeruschalmi’s. Nebst einem Anhange ueber den sprachlichen Charakter des Maimuni’schen Mischne-Tora (Hg. Wilhelm Bacher). Budapest 1903. Der Josua-Kommentar des Tanchum Ben Josef ha-Jeruschalmi. Neu herausgegeben, übersetzt und mit ausführlichen Erläuterungen versehen (Hg. Hans-Georg von Mutius) (Judaistische Texte und Studien, Bd. 9). Hildesheim 1983. Strangers in the Land. The Judaeo-Arabic Exegesis of Tanḥum ha-Yerushalmi on the Books of Ruth and Esther (Hg. Michael G. Wechsler). Jerusalem 2010. Old Jewish Commentaries on the Song of Songs, Bd. 2: The Two Commentaries of Tanchum Yerushalmi. Text and Translation (Hg. Joseph Alobaidi) (Bible in History, Bd. 10). Bern u. a. 2014.

g.  Menachem ben Schelomo ha-Me’iri Perusch le-Sefer Mischle. Leira 1492. Perusch ha-Me’iri al Mischle. Fürth 1843 / 44 (ND in: Otzar ha-Peruschim, Bd. 2, Tel Aviv 1965 / 66; 1968 / 69; 1977). Perusch le-Sefer Tehillim (Hg. Josef Hacohen). Jerusalem 1935; 1959; 1970; 1977. Qirjat Sefer, al Hilkhot Sefer Tora, Tefillin u-Mezuza le-Rabbenu Menachem ben Shelomo ha-Me’iri (Hg. Moshe Herschler). Jerusalem 1955 / 56 (ND in: Otzar ha-Peruschim, Bd. 2, Tel Aviv 1965 / 66; 1968 / 69; 1977). Perusch ha-Me’iri al ha-Tora (Hg. Chajjim J. Isser). London 1956 / 57. Perusch le-Sefer Tehillim. Chibbero Menachem b”R Shelomo ha-Me’iri (Hg. Josef Hacohen). Jerusalem 1997.

5. Kapitel Allgemeine Quellen ben Baruch, Meïr, Rabbi Meir ben Barukh (Maharam) of Rothenburg. Responsa, Rulings and Customs: Collected, Annotated Arranged in the Order of the Shulchan Arukh, 2 Bde. (Hg. Isaac Zeev Cahana). Jerusalem 1957 / 60. ben Barzilai, Jehuda, Commentar zum Sepher Jezira von R. Jehuda b. Barsilai aus Barcelona. Nach der einzigen Handschrift in Padua zum ersten Male herausgegeben, mit Einleitung und Anmerkungen, von S. J. Hal­ berstam, nebst ergänzenden Noten von Prof. Dr. D. Kaufmann (Hg. Solomon J. Halberstam). Berlin 1885. Paltiel, Haim, Perusche ha-Tora le-R. Chajjim Paltiel: Talmid Chaver schel Maharam me-Rotenburg (Hg. Isaak S. Lange). Jerusalem 1981. Princeton University Sefer Hasidim Database (PUSHD) (Hgg. Peter Schäfer u. a.), online: goo.gl/ttmm7n. Sefer Hasidim, Heb. Ms. Parma, Biblioteca Palatina 3280, Cod. de Rossi No. 1133 (Hgg. Jehuda Wistenetzki / Jacob Freimann). Frankfurt am Main 21924. Sefer Hasidim (Hg. Reuven Margoliot). Jerusalem 1957.

434    Allgemeine Bibliographie Taqu, Mosche, Ketav Tammim – R. Mosche Taqu, Faqsimile schel Ketav Jad Paris be-Tzeruf Mavo u-Mafteach (Hg. Joseph Dan). Jerusalem 1984.

a.  R. Jehuda ben Schemu’el he-Chasid (‚der Fromme‘) Perusch ha-Tora le-R. Jehuda he-Chasid (Hg. Jitzchaq Shimon Lange). Jerusalem 1975. Ta‘ame Masoret ha-Miqra le-Rabbi Jehudah he-Chasid (Hg. Jitzchaq Shimon Lange). Jerusalem 1980. Sefer Gematriot of R. Judah the Pious (Hgg. Daniel Abrams / Israel TaShma) (Sources and Studies in the Literature of Jewish Mysticism, Bd. 6). Los Angeles 1998.

b.  R. El‘azar ben Jehuda von Worms Scha‘are ha-Sod ha-Jichud we-ha-Emuna le-R. Ela‘zar mi-Garmiza Ba‘al ha-Roqeach (Hg. Adolph Jellinek), Kochve Jizchak 27 (1867), S. 7 – 15. Perusch al Sefer Jetzira. Przemysl 1883. Sefer Chokhmat ha-Nefesch. Safed 1883 (ND Jerusalem 1967 / 68). Sefer Sode Razajja (Hg. Israel Kamelhar). Bilgoraj 1936. Sefer ha-Chokhma, in: Rabbi Eleazar of Worms’ Sefer Ha-Hokhma (‚Book of Wisdom‘) and its Significance for the History of the Doctrines and Literature of the Ashkenazic Hassidim (Hg. Joseph Dan), Zion 3 / 4 (1964), S.  168 – 181. Jichud schel ha-Rav R. Ela‘zar me-Worms, in: The ‚Yiḥud-Literature‘ of German Ḥasidism (hebr.) (Hg. Joseph Dan), Kirjath Sepher (1965 / 66), S.  541 – 544. Sefer ha-Roqeach ha-Gadol (Hg. Barukh Schim‘on Schneurson). Jerusalem 1967. Scha‘are ha-Sod ha-Jichud we-ha-Emuna (Hg. Joseph Dan), Temirin 1 (1972), S.  141 – 156. Perusch ha-Hallel le-Rabbenu El‘azar mi-Germaiza (Hg. Moshe Hirschler), Sinai 72 (1973), S. 228 – 247. Midrasch Schemone Esre le-Rabbenu El‘azar mi-Wermaiza Ba‘al ha-Roqeach (Hg. Moshe Hirschler), Sinai 74 (1974), S. 193 – 200. Rokeach: A Commentary on the Bible by Rabbi Elazar of Worms (hebr.), 3 Bde. (Hg. Chaim Konyevsky). Bene Brak 1986 (2., überarb. Aufl.). Sefer Sode Razajja (Hg. Shalom Weiss). Jerusalem 1988. El‘azar ben Yehuda von Worms: Hilkhot ha-Kavod. Die Lehrsätze von der Herrlichkeit Gottes. Edition. Übersetzung. Kommentar (Hg. u. Übers. Hanna Liss) (Texts and Studies in Medieval and Early Modern Judaism, Bd. 12). Tübingen 1997.

6. Kapitel Allgemeine Quellen Maimonides, Moses, Führer der Unschlüssigen (Hg. Adolf Weiß) (Philosophische Bibliothek, Bd. 184). Hamburg 1972 (Unveränd. ND d. Ausg. v. 1923 / 24). – , Abraham Maimonides’ Wars of the Lord and the Maimonidean Controversy (Hg. u. Übers. Fred Rosner). Haifa 2000.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    435 – , Maimonides on Asthma (Maqālah fī al-rabw). A Parallel Arabic-English Text (Hg. Gerrit Bos). Provo, UT 2002. – , The Complete Medical Works, 6 Bde. (Hg. Gerrit Bos). Provo, UT 2002 – 2006. Recanati, Menachem, Perusch al ha-Tora (Hg. Amnon Gross). Tel Aviv 2003.

a.  R. Mosche ben Nachman (Ramban) Commentary on the Torah. Translated and Annotated, 5 Bde. (Hg. u. Übers. Charles B. Chavel). New York 1960. Perusch ha-Ramban al ha-Tora, 2 Bde. (Hg. Menahem Eizenstadt). New York 1959 / 60; 1969 / 70. Kitve Rabbenu Mosche ben Nachman, 2 Bde. (Hg. Charles B. Chavel). Jerusalem 1963 / 64. Commentary on the Torah. Translated and Annotated with Index, 5 Bde. (Hg. u. Übers. Charles B. Chavel). New York 1971 – 1976. Writings and Discourses. Translated and Annotated with Index, 2 Bde. (Hg. u. Übers. Charles B. Chavel). New York 1978. Die christlich-jüdische Zwangsdisputation zu Barcelona: Nach dem hebräischen Protokoll des Moses Nachmanides (Hg. u. Übers. Hans-Georg von Mutius) (Judentum und Umwelt, Bd. 5). Frankfurt am Main 1982. Perusche ha-Ramban al Nevi’im u-Khtuvim (Hg. Charles B. Chavel). Jerusalem 1986. Rechtsentscheide von Moses Nachmanides aus Gerona. Aus dem Hebräischen und Aramäischen übersetzt, 3 Bde. (Hg. u. Übers. Hans-Georg von Mutius) (Judentum und Umwelt, Bde. 75 – 77). Frankfurt am Main 2003.

b.  Bachja ben Ascher Ben Chalawa Perusch Rabbenu Bachja al Ijov. Amsterdam 1766 / 67. Sefer Sova Semuchot (…) we-hu Perusch (…) al Sefer Ijov. Amsterdam 1778. Be’ur al ha-Tora, 5 Bde. Lemberg 1864. Midrasch Rabbenu Bachja al Chamischa Chumsche Tora, 2 Bde. Großwardein 1941 / 42 (ND Jerusalem 1957 / 58; 1973; 1987 / 88; Warschau 1878 / 79; New York 1966 / 67; Brooklyn 1987 / 88; Bne Berak 1995). Perusch Rabbenu Bachja al Ijov. Jerusalem 1947 / 48. Be’ur al ha-Tora (Hg. Charles B. Chavel). Jerusalem 31974. Sefer Rabbenu Bachja al ha-Tora: Im Sefer Tuv Ta‘am. He‘arot u-Ve’urim. Bne Berak 1992. Midrasch Rabbeinu Bachya, 7 Bde. (Hg. u. Übers. Eliyahu Munk). Jerusalem 1998.

7. Kapitel a.  Jehuda ben Jechi’el Messer Leon Nofet Tzufim. Mantua 1475. Nofet Zufim. R. Jehuda Messer Leon’s Rhetorik, nach Aristoteles, Cicero und Quintilian, mit besonderer Beziehung auf die Heilige Schrift. Zur Feier des LXX. Geburtstages Sr. Ehrwürden des Predigers Herrn Isaak

436    Allgemeine Bibliographie Noa Mannheimer herausgegeben nebst Regeln zur Erklärung der Hagada (hebr.) (Hg. Adolf Jellinek). Wien 1863. Nofet Zufim, On Hebrew Rhetoric, Facsimile Edition of the 1475 Printing, with an Introduction (hebr.) (Hg. Robert Bonfil). Jerusalem 1981. The Book of the Honeycomb’s Flow. Sēpher Nōpheth Ṣūphīm. First published at Mantua, 1475 / 76 (Hg. u. Übers. Isaac Rabinowitz). Ithaca / London 1983.

b.  Don Jitzchaq Abravanel Meschu‘ot Meshicho. Königsberg 1861. Zevach Pesach. In: Seder Haggada schel Pesach. Lemberg 1872 (ND Jerusalem 1985). Ateret Zeqenim. Jerusalem 1894 (ND 1967). Tzurot ha-Jesodot. In: Ateret Zeqenim. Jerusalem 1894 (ND 1967). Nachalat Avot. In: Pirqei Avot im Perusch Mosche ben Maimon we-im Perusch Nachalat Avot. New York 1953. Perusch al Nevi’im Rischonim. Jerusalem 1955. Ma‘ajane Jeschu‘a. In: Perusch al Nevi’im u-Khtuvim. Tel Aviv 1961. Maschmi‘a Jeschu‘a. In: Perusch al Nevi’im u-Khtuvim. Tel Aviv 1961. Perusch al Nevi’im u-Khtuvim. Tel Aviv 1961. Perusch al ha-Tora, 5 Bde. Jerusalem 1964. Der Kainiterstammbaum Genesis 4 / 17 – 24 in der jüdischen und christlichen Exegese. Von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters nach dem Zeugnis des Don Isaak Ben Jehuda Abravanel. Gleichzeitig ein Beitrag zur Erforschung des Josephustextes (Hg. Hans-Georg von Mutius) (Judaistische Texte und Studien, Bd. 7). Hildesheim 1978. Perusch al Nevi’im Acharonim. Jerusalem 1979. Mif‘alot Elohim (Hg. Berakhah Genut-Deror). Jerusalem 1988. Perusch ha-Tora le-Rabbenu Jitzchaq Abravanel, 5 Bde. (Hg. Avishai Shotland). Jerusalem 1997 – 2007 / 08. Perusch ha-Nevi’im le-Rabbenu Jitzchaq Abravanel, 4 Bde. (Hg. Yehuda Shaviv). Jerusalem 2008 / 09 – 2012 / 13. Chamischa Chumsche Tora. Im Perusch Abravanel al Tora, 5 Bde. (Hg. Yehuda Shaviv). Jerusalem 2012.

c.  Ovadja Sforno Or Ammim. Bologna 1537 (Lat. Übers. Bologna 1548: Lumen Gentium). Be’ur al ha Tora. Venedig 1567. Be’ur Qohelet. Venedig 1567. Be’ur Schir ha-Schirim. Venedig 1567. Be’ur al Sefer Tehillim. Venedig 1586. Mischpat ha-Tzedeq. Venedig 1589. Kitve Rabbi Ovadja Sforno: Perusch le-Sifre Jona, Chavaqquq u-Tzefanja, Schir ha-Schirim, Qohelet, Ijov u-Tehillim, Pirqe Avot, Or Amim, Igrot, Deraschot, Sche’elot u-Teschuvot (Hg. Ze'ev Gottlieb). Jerusalem 1983 (2. Aufl. Jerusalem 1987). Ma’amar Kawwanat ha-Tora le-Rabbenu Ovadja Sforno, Ne‘erakh we-Suddar (Hg. Yehudah Kuperman). Jerusalem 1993 / 94.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    437 Commentary on the Tora: Be’ur al ha-Tora. Translation and Explanatory Notes (Hg. Raphael Pelcovitz) (ArtScroll Mesorah Series). Brooklyn, NY 2004.

d.  Elijjahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi Pirqe Elijjahu. Pesaro 1520 (ND Berlin 1788, Hg. Isaac Abraham Euchel). Meturggeman: Lexicon Chaldaicum. Isny 1541 (ND Jerusalem 1967). Tischbi. Isny 1541. Schemot Devarim. Nomenclatura Hebraica autore Helia Levita Germano Gram[m]atico, in gratiam omnium tyronum ac studiosorum linguae sanctae. Isny 1542 (ND London 1988). Sefer Tehillim. Venedig 1545. Uebersetzung des Buchs Massoreth Hammassoreth (Hg. u. Übers. Johann Salomo Semler). Halle 1772. The Massoreth ha-Massoreth of Elias Levita in Hebrew, with an English Translation and Critical and Explanatory Notes (Hg. u. Übers. Christian David Ginsburg). London 1867 (ND New York 1968). Sefer ha-Tischbi: Lefi Defus Rischon Izna 1541 (Hg. Michael Krupp). Jerusalem 2001. Elia Levita Bachur’s Bovo-Buch: A Translation of the Old Yiddish Edition of 1541 with Introduction and Notes by Elia Levita Bachur (Hg. u. Übers. Jerry C. Smith). Tucson, AZ 2003. Bovo d’Antona by Elye Bokher: A Yiddish Romance. A Critical Edition with Commentary (Hg. Claudia Rosenzweig) (Studies in Jewish History and Culture, Bd. 49). Leiden / Boston 2015.

e.  Azarja (Bonaiuto) ben Mosche dei Rossi Me’or Enajim. Mantua 1573 (ND Berlin 1794, Wien 1829, Edinburgh 1854, Wilna 1864 – 66, Hg. David Cassel [ND Warschau 1899; Jerusalem 1970]). Selected Chapters from Sefer Me’or ‘Einayim and Matsref la-Kessef. Edited with Introduction and Notes (hebr.) (Hg. Robert Bonfil). Jerusalem 1991. The Light of the Eyes (Hg. u. Übers. Joanna Weinberg) (Yale Judaica Series, Bd. 31). New Haven / London 2001.

f.  Abraham ben David Portaleone Dialogi tres de auro, in quibus non solum de Auri in re Medica facultate, verum etiam de specifica eius, & caeterarum rerum forma, ac duplici potestate, qua mixtis in omnibus illa operatur, copiose disputantur. Venedig 1584. Die Heldenschilde, 2 Bde. (Hg. Gianfranco Miletto). Frankfurt am Main / New York 2002.

g.  Menachem ben Jehuda de Lonzano Schte Jadot. Venedig 1618.

438    Allgemeine Bibliographie Or Tora. Amsterdam 1695 (ND Hamburg 1738, Berlin 1745, Zolkiev 1747). Ma’arikh (Hg. Adolph Jellinek). Leipzig 1853. Texto Hebreo Bíblico de Sefarad en El ʼÔr Tôrah de Mĕnaḥem de Lonzano (Hg. María Teresa Ortega Monasterio). Madrid 1980.

h.  Jedidja Salomon Raphael ben Abraham Nortzi Jedidiah Solomon Raphael Norzi: Minḥat Shay on the Torah. Critical Edition, Introduction and Notes (hebr.) (Hg. Zvi H. Betzer) (Sources for the Study of Jewish Culture). Jerusalem 2005.

i.  Uriel da Costa Die Schriften des Uriel da Costa. Mit Einleitung, Übertragung und Regesten (Hg. u. Übers. Carl Gebhardt) (Bibliotheca Spinozana, Bd. 2). Heidelberg 1922. Uriel da Costa: Examination of Pharisaic Traditions. Exame das tradicões phariseas. Facsimile of the Unique Copy in the Royal Library of Copenhagen (Hgg. u. Übers. Herman Prins Salomon / Isaac S. D. Sassoon) (Brill’s Studies in Intellectual History, Bd. 44). Leiden u. a. 1993. Exemplar humanae vitae – Beispiel eines menschlichen Lebens (Hg. u. Übers. Hans-Wolfgang Krautz) (Ad Fontes, Bd. 7). Tübingen 2001.

j.  Baruch Spinoza Spinoza Opera, 5 Bde. (Hg. Carl Gebhardt). Heidelberg 1925 – 87 (Unveränderter Nachdruck: Heidelberg 1972). Tractatus Theologico-Politicus / Theologisch-politischer Traktat (Hgg. u. Übers. Günter Gawlick / Friedrich Niewöhner). Darmstadt 1979 (2. Aufl. 1989). Theologisch-politischer Traktat: Tractatus theologico-politicus. Vollständige Neuübersetzung (Hg. u. Übers. Wolfgang Bartuschat) (Philosophische Bibliothek, Bd. 93). Hamburg 2012.

8. Kapitel Allgemeine Quellen Lohmann, Uta / Lohmann, Ingrid (Hgg.), ‚Lerne Vernunft!‘ Jüdische Erziehungsprogramme zwischen Tradition und Modernisierung. Quellentexte aus der Zeit der Haskala, 1706 – 1811 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, Bd. 6). Münster u. a. 2004.

a.  Moses Mendelssohn „De sacra poesi Hebraeorum (…). das ist: Robert Lowths akademische Vorlesungen von der heiligen Dichtkunst der Hebräer; nebst einer kurzen Widerlegung des harianischen Systems von der Prosodie der Hebräer [Rezension].“ Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste 1 (1757), S.  122 – 155; 269 – 297.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    439 Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele in drey Gesprächen. Berlin / Stettin 1767 (2. Aufl. 1768; 3., verm. Aufl. 1769; 4., verm. u. verb. Aufl. 1776; neueste verm. Aufl. 1784; 5. Aufl. 1814; 6. Aufl. 1825; 7. Aufl. 1856; 8. Aufl. 1868; hebr. Übers. u. a. Brünn 1798: Fedon: Sefer ha-Nefesch. Hu Sefer hasch’arat ha-Nefesch). Netivot ha-Schalom, 5 Bde. Berlin 1780 – 83 (JubA 15.1 – 8; ND Wien 1846; Jerusalem 1974). Die fünf Bücher Mose, zum Gebrauch der jüdischdeutschen Nation nach der Übersetzung des Herrn Moses Mendelssohn. Erstes Buch. Berlin / Stettin 1780. Siegeslied der Debora. In: Moses Mendelssohn (Hg.), Die fünf Bücher Mose, zum Gebrauch der jüdischdeutschen Nation nach der Übersetzung des Herrn Moses Mendelssohn. Erstes Buch. Berlin / Stettin 1780 (Wiederabgedruckt als „Bi’ur Sifre ha-Qodesch. Schirat Devora.“ ha-Me’assef [1788], 263 – 271), S. XII – XVI. Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum. Berlin 1783 (neu hg. v. Michael Albrecht, Hamburg 2005). Die Psalmen. Berlin 1783 (2., verb. Aufl. 1788; Neuausg. Berlin 1991). Megillat Schir ha-Schirim. Meturggemet Aschkenazit (Hgg. Joel Bril / Aaron Wolfsohn). Berlin 1788. Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, 38 Bde. (Hgg. Alexander Altmann u. a.). Stuttgart / Bad Cannstatt 1972–. Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 10,3: Schriften zum Judentum IV. Unter Benutzung von teilweisen Vorarbeiten aus dem Nachlaß von Simon Rawidowicz, bearbeitet von Werner Weinberg. Mit Beiträgen von Alexander Altmann (Hgg. Werner Weinberg / Alexander Altmann). Stuttgart / Bad Cannstatt 1985. Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 15,1: Hebräische Schriften. II,I: Der Pentateuch. Einleitung zu den Bänden 15 – 18 von Werner Weinberg. Das Hohelied (Hg. Werner Weinberg). Stuttgart / Bad Cannstatt 1990. Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 9,3: Schriften zum Judentum. III,3: Pentateuchkommentare in deutscher Übersetzung (Hgg. Daniel Krochmalnik / Rainer Wenzel). Stuttgart / Bad Cannstatt 2009. Ausgewählte Werke: Studienausgabe, Bd. II: Schriften zu Aufklärung und Judentum 1770 – 1786 (Hgg. Christoph Schulte / Andreas Kennecke / Grażyna Jurewicz). Darmstadt 2009. Ausgewählte Werke: Studienausgabe, Bd. I: Schriften zur Metaphysik und Ästhetik 1755 – 1771 (Hg. Christoph Schulte / Andreas Kennecke / Grażyna Jurewicz). Darmstadt 2009. Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 9,4: Schriften zum Judentum. III,4: Einleitungen, Anmerkungen und Register zu den Pentateuchkommentaren in deutscher Übersetzung, bearbeitet von Rainer Wenzel, mit einem Beitrag von Werner Weinberg (Hgg. Daniel Krochmalnik / Rainer Wenzel). Stuttgart / Bad Cannstatt 2016.

b.  Hartwig Wessely (Naphtali Herz Wessely) Gan Na‘ul, 2 Bde. Amsterdam 1765 / 66. Massekhet Avot im Perusch Jen Levanon. Berlin 1775 (Dt. Übers. der Einleitung; Übers. Rainer Wenzel). In: Uta Lohmann / Ingrid Lohmann

440    Allgemeine Bibliographie (Hgg.), ‚Lerne Vernunft!‘ Jüdische Erziehungsprogramme zwischen Tradition und Modernisierung. Quellentexte aus der Zeit der Haskala, 1706 – 1811 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, Bd. 6). Münster u. a. 2004, S. 44 – 55. Chokhmat Schelomo (…) Ruach Chen. Berlin 1780. Mahalal Re‘a. In: Moses Mendelssohn (Hg.), Netivot ha-Schalom, Bd. 2. Berlin 1781 (Hebr. Text. in JubA 5,1 [1990], 8 – 14; dt. Übers. in JubA 20,1 [2004], S.  324 – 333. Divrei Schalom we-Emet. Berlin 1782 – 85 (ND Wien 1826). Schire Tif’eret. Berlin 1789 – 1829 (ND Warschau 1858, Hg. David Fried­ richsfeld). Wessely, Naphtali Hartwig, Die Moseide in achtzehn Gesängen (Hgg. Wilhelm Friedrich Hufnagel / Johann Joachim Spalding / Emanuel Wessely). Hamburg 1806. Ha-Levanon. Lemberg 1806. Imre Schefer. Be’ur al Sefer Bereschit, nach einer im Besitze des Herrn N. H. Günzburg in Paris befindlichen Handschrift zum ersten Male herausgegeben durch den Verein Mekize Nirdamim, 2 Teile. Lyck 1868 / 71. Worte des Friedens und der Wahrheit. Dokumente einer Kontroverse über Erziehung in der europäischen Spätaufklärung (Hg. Ingrid Lohmann) (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, Bd. 8). Münster / New York 2014.

c.  Benjamin Wolf Heidenheim Sefer Torat ha-Elohim: Mechubar lo Targum Onqelos, Perusche Raschi, Raschbam, Minchat Schai (…). Rödelheim 1798. Sefer Qerovot. Rödelheim 1800 – 02. Siddur Sefat Emet. Rödelheim 1806. Sefer Mischpate ha-Te‘amim. Rödelheim 1808. Chumasch Me’or Enajim. Rödelheim 1818 – 21. Ibn Ezra, Abraham, Mozne Leschon ha-Qodesch (Hg. Benjamin Wolf Heidenheim). Offenbach 1791. Tiqqun Sofer we-ha-Qore. Rödelheim 1859.

d.  Jehuda Löw ben Ze’ev Ha-Emunot we-ha-De‘ot. Berlin 1789. Talmud Leschon Ivri. Breslau 1796. Chokhmat Jehoschua ben Sira. Breslau 1798. Megillat Jehudit. Wien 1799. Bet ha-Sefer. Wien 1806. Otzar ha-Schoraschim. Wien 1807. Mavo el Miqra’e Qodesch. Wien 1810. Jesode ha-Dat. Wien 1811.

e.  Jehuda Löw Jeitteles Sicha be Eretz ha-Chajjim. Brünn 1810. Mevo ha-Laschon. Aramit. Prag 1813.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    441

f.  David und Jechi’el Hillel Altschuler Altschuler, David, Metzudat, 2 Bde. Schowkwa 1753 / 54. Altschuler, Jechi’el, Binjan ha-Bajit. Amsterdam 1775. – , Metzudat David. Leghorn 1780 – 82. – , Metzudat Zijjon. Leghorn 1780 – 82.

9. Kapitel Allgemeine Quellen Bamberger, Seligmann Baer, Fackel der Wahrheit: Eine kritische Beleuchtung des Philippson’schen Bibelwerkes. Würzburg 1860. Bamberger, Seligmann Baer / Adler, Abraham / Lehmann, Markus, Uebersetzung der fünf Bücher Moses: Von der orthodox israelitischen Bibelanstalt. Frankfurt am Main 1897. Buber, Martin, Über die Wortwahl in einer Verdeutschung der Schrift. In: Martin Buber / Franz Rosenzweig (Hgg.), Die Schrift und ihre Verdeutschung. Berlin 1936, S. 135 – 167. – , „Das Ende der deutsch-jüdischen Symbiose.“ Jüdische Weltrundschau, Jg. 1, Nr. 1 (10. 03. 1939), S. 5. – , Moses. Heidelberg 21952. – , Zu einer neuen Verdeutschung der Schrift. In: Martin Buber / Franz Rosenzweig (Hgg.), Die fünf Bücher der Weisung, Bd. 1. Köln / Olten 1954 (Neubearb. Ausg.), S.  3 – 44. – , Werke, Bd. 2: Schriften zur Bibel. München 1964. – , Der Glaube der Propheten. Heidelberg 21984. Buber, Martin / Rosenzweig, Franz (Hgg.), Die Schrift und ihre Verdeutschung. Berlin 1936. Frankel, Zacharias, Programm zur Eröffnung des jüdisch-theologischen Seminars zu Breslau ‚Fränckel’sche Stiftung‘ den 16. Ab 5614. 10. August 1854. Breslau 1854. Gans, Eduard, Halbjähriger Bericht, im Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden (am 28. April 1822) abgestattet. Hamburg 1822. – , Rede bei der Wiedereröffnung der Sitzungen des Vereins für Cultur und Wissenschaft der Juden. Gehalten (Berlin, den 28. October 1821). Hamburg 1822. Hirsch, Samuel, ‚Unerhörte Pilpulistik‘: Offenes Sendschreiben an Rev. Dr. K. Kohler, Rabbiner der Beth-El Gemeinde in New York. Philadelphia 1880. Holdheim, Samuel, Verketzerung und Gewissensfreiheit: Ein 2. Votum in dem Hamburger Tempelstreit, mit bes. Berücks. d. Erwiederung eines Ungenannten auf mein 1. Votum. Schwerin 1842. – , Vorträge über die mosaische Religion für denkende Israeliten. Schwerin 1844. – , „Materialien zu einem Commissionsbericht über die Speisegesetze.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie (1847), S.  41 – 63. Michaelis, Johann David, Anfangs-Gründe der Hebräischen Accentuation: Nebst einer kurzen Abhandlung von dem Alterthum der Accente und hebräischen Puncte überhaupt. Halle 1741. – , Johannis Davidis Michaelis: Philos. Profess. Ord. ET Societatis Regiae Scientiarum Goettingensis Collegae, in Roberti Lowth prælectiones de

442    Allgemeine Bibliographie sacra poesi Hebræorum notæ et epimetra. Ex Goettingensi editione prælectionum. Oxford 1763. – , Deutsche Übersetzung des Alten Testaments, mit Anmerkungen für Ungelehrte. Der erste Theil welcher das Buch Hiobs enthält. Göttingen / Gotha 1773 (2. verb. u. verm. Ausg.). – , Mosaisches Recht. Reutlingen 21793. Müller, David Heinrich, Die Gesetze Hammurabis und ihr Verhältnis zur mosaischen Gesetzgebung sowie zu den XII Tafeln. Text in Umschrift, deutsche und hebräische Übersetzung, Erläuterung und vergleichende Analyse. X. Jahresbericht der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt in Wien für das Schuljahr 1902 / 1903. Voran geht: Die Gesetze Hammurabis und die mosaische Gesetzgebung von Hofrat Prof. Dr. D. H. Müller. Wien 1903. Rosenzweig, Franz, Die Schrift und das Wort. In: Martin Buber / Franz Rosenzweig (Hgg.), Die Schrift und ihre Verdeutschung. Berlin 1936, S.  76 – 87. – , Die Schrift und Luther. In: Martin Buber / Franz Rosenzweig (Hgg.), Die Schrift und ihre Verdeutschung. Berlin 1936, S. 88 – 129. – (Hg.), Der Mensch und sein Werk. Gesammelte Schriften, Bd 4,2: Arbeitspapiere zur Verdeutschung der Schrift. Dordrecht 1984. Soloveitchik, Max (Menachem) (Hg.), Treasures of the Bible: A Collection of Pictures for the Holy Scriptures and Their Antiquities (hebr.). Berlin 1925. Soloveitchik, Max (Menachem) / Rubaschow (Rubascheff), Zalman (Schazar Schneur), Toldot Biqqoret ha-Miqra (Mada‘e ha-Miqra, Bd. 1). Berlin 1925. Wolf, Immanuel, „Ueber den Begriff einer Wissenschaft des Judenthums.“ Zeitschrift für die Wissenschaft des Judenthums 1 (1822), S. 1 – 24. Zunz, Leopold, Etwas über die rabbinische Literatur. Nebst Nachrichten über ein altes bis jetzt ungedrucktes hebräisches Werk. Berlin 1818 (ND Berlin 1875 in Gesammelte Schriften, Bd.  I, S.  1 – 31). – , Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden, historisch entwickelt. Ein Beitrag zur Alterthumskunde und biblischen Kritik, zur Literatur- und Religionsgeschichte. Berlin 1832 (ND Berlin 1875 in Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 32 – 40 [Vorrede]).

a.  Ja‘aqov Tzvi Meklenburg Ha-Ketav we-ha-Qabbala. Leipzig 1839 (2. erw. Aufl. Königsberg 1832, 5 Bde.; 3. Aufl. Pisz 1857; 4. Aufl. 1880 [unvollst. ND]; 5. Aufl. Frankfurt am Main 1890, Hg. Abraham Berliner [ND New York 1946; Jerusalem 2015]). Sefer Tefillat Jisrael: Ke-Minhag Aschkenaz (…). Warschau 1895 (Ndr. Jerusalem 1988 / 89). Sefer Tefillat Jisrael: Ke-Minhag Polin (…). Königsberg 1846. Haketav Vehakabbalah: Torah Commentary by Rabbi Yaakov Tzevi Mecklenburg. Demonstrating the Indivisibility of the Written and Oral Torah. Translated and Annotated, 7 Bde. (Hg. u. Übers. Eliyahu Munk). Jerusalem / New York 2001.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    443

b.  Schemu’el David ben Hiskia Luzzatto (Schadal) Ohev Ger: Ma’amar Mechqari al Targum Onqelos. Wien 1830. Prolegomeni ad una Grammatica Ragionata della Lingua Ebraica. Padua 1836. Betulat Bat Jehuda. Virgo filia Jehudae, sive excerpta ex inedito celeberrimi Jehudae Levitae Divano, praefatione et notis illustrata. Prag 1840. Ha-Wikkuach: Wikuach al Chokhmat ha-Qabbala we-al Qadmut Sefer ha-Zohar we-Qadmut ha-Nequddot we-ha-Te‘amim. Gorice 1852 (ND Jerusalem 2013, Hg. Yonatan Baśi). Grammatica della lingua ebraica, 7 Bde. Padua 1853 – 69. Diwan Rabbi Jehuda ha-Levi. Lyck 1864. Elementi Grammaticali del Caldeo Biblico e del Dialetto Talmudico Babilonese. Padua 1865 (Dt. Übers. Breslau 1873, Hg. u. Übers. Marcus Salomon Krüger). Ma ̓amar be-Sode ha-Diqduq. Wien 1865. Sefer Jescha‘jahu. Meturggam Italqit u-Meforasch Ivrit. Padua 1867. Il Pentateuco, volgarizzato e commentato. Padua 1871 – 76. Perusch Schadal al Jirmijahu, Jechesqel, Mischle we-Ijov. Erläuterungen über einen Theil der Propheten und Hagiographen (hebr.). Lemberg 1876 (ND Jerusalem 1969). Tal Orot (Hg. Solomon J. Halberstam). Przemyśl 1881. Autobiographie S. D. Luzzato’s, Biographie Ezechia Luzzato’s u. Luigi Pasquali’s. Aus dem Italienischen ins Deutsche übertr. von M. Grünwald, u. mit Anm. vers. von J. Luzzato. Padua 1882. Il Profeta Isaia, volgarizzato e commentato ad uso Degl’Israeliti. Padua 1966. The Book of Genesis. A Commentary (Hg. u. Übers. Daniel A. Klein). Northvale, NJ 1998. Torah Commentary by Samuel David Luzzatto. Translated and Annotated, 4 Bde. (Hg. u. Übers. Eliyahu Munk). Brooklyn, NY / Jerusalem 2012. Perusch SchaDal la-Tora: Im Perusch Raschi, u-Ferusch SchaDal – Schemu’el David Luzzatto, 5 Bde. (Hg. Yonatan Baśi). Jerusalem 2015. Shadal on Exodus: Samuel David Luzzatto’s Interpretation of the Book of Shemot (Hg. u. Übers. Daniel A. Klein). New York 2015.

c.  Salman Frensdorff De Habacuci prophetae vita atque aetate. Leipzig 1842. Darkhe ha-Niqqud we-ha-Neginot, Fragmente aus der Punktations- und Accentlehre der hebräischen Sprache, angeblich von R. Moses Punctator (Mosche ha-Naqdan) verfasst. (Zuerst abgedruckt in Miqraot Gedolot. Venedig, 1526) Nach correcter Ausgabe mit Stellennachweisen, erklärenden Anmerkungen (in deutscher Sprache) und einer Skizze über den Verfasser. Hannover 1847. Das Buch Ochlah W’ochlah (Massora). Herausgegeben, übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen versehen nach einer, soweit bekannt, einzigen, in der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris befindlichen Handschrift. Hannover 1864. Die Massora Magna. Erster Theil: Massoretisches Wörterbuch oder Die Massora in alphabetischer Ordnung. Hannover / Leipzig 1876 (ND New York 1969).

444    Allgemeine Bibliographie d.  Samson Raphael Hirsch Ben Usiel (= Samson Raphael Hirsch) (Hg.), Neunzehn Briefe über Judentum. Altona 1836. Chaurew, oder Versuche über Jissroéls Pflichten in der Zerstreuung zunächst für Jissroéls Jünglinge und Jungfrauen. Altona 1837. Die Religion im Bunde mit dem Fortschritt, von einem Schwarzen. Frankfurt am Main 1854. „Eine Bibelanstalt für die Anhänger des traditionellen Judenthums.“ Israelit 12 (1860), S. 141 – 143. Der Pentateuch übersetzt und erläutert, 5 Bde. Frankfurt am Main 1867 – 78. Die Psalmen übersetzt und erläutert, 2 Bde. Frankfurt am Main 1883. Siddur Tefillat Jisrael. Israels Gebete, übersetzt und erläutert. Frankfurt am Main 1895. Grundlinien einer jüdischen Symbolik. In: Naphtali Hirsch (Hg.), Gesammelte Schriften, Bd. 3. Frankfurt am Main 1906, S. 213 – 447. Gesammelte Schriften, 6 Bde. (Hg. Naphtali Hirsch). Frankfurt am Main 1902 – 12.

e.  Meïr Löw ben Jechi’el Michael Weisser (Malbim) Artzot ha-Chajjim, Bd. 1. Breslau 1837 (Erw. Neufaufl. 1860). Ha-Tora we-ha-Mitzwa. Bukarest 1860 (= Kommentar zu Leviticus und Sifra). Artzot ha-Chajjim, Bd. 2 (Hg. Elias Heilperin). Warschau 1861. Nevi’im u-Khtuvim: Im Perusch Raschi u-Ferusch Jaqar Niqra be-Schem Miqra’e Qodesch, 12 Bde. Warschau 1874 – 77. Ha-Tora we-ha-Mitzwa, 5 Bde. Warschau 1874 – 80 (= Kommentar zum Pentateuch). Liqqute Schoschannim. Wilna 1875. Eretz Chemda. Warschau 1882. Ja’ir Or. Warschau 1892. Jalqut Schelomo (Hg. Salomon Drillich). New York 1938. Turnabout: The Purim Story. Megilas Esther in Novelette Form Based on the Malbim’s Commentary (Hg. Mendel Weinbach). New York 1976 (2. Aufl. Southfield 1990: Turnabout: The Malbim on Megillas Esther). Malbim on Mishley: The Book of Proverbs in Hebrew and English with the Commentary of Rabbi Meir Leibush Malbim (Hgg. Charles Wengrov / Avivah Gottlieb Zornberg). Jerusalem / New York 1982. Ha-Malbim: Parschanut, Filosofja, Madda u-Misttorin be-Khitve ha-Rav Me’ir Lejbusch Malbim (Hg. Noah H. Rosenbloom). Jerusalem 1988. Malbim’s Job: The Book of Job. Newly Translated and Interpreted According to the Commentary of Rabbi Meir Lebush Malbim (Hg. Jeremy I. Pfeffer). Jersey City, NJ 2003. Perusch ha-Malbim ha-Menuqqad: ha-Schalem al ha-Tora, 3 Bde. Jerusalem 2010. Perusch ha-Malbim ha-Menuqqad: al Nevi’im u-Khtuvim, 2 Bde. Jerusalem 2010.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    445

f.  Abraham Geiger Inquiratur in fontes Alcorani seu legis Mohammedicae eas qui ex Judaismo derivandi sunt. Bonn 1832 (Dt. Übers. Bonn 1833: Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen? Eine von der Königl. Preussischen Rheinuniversität gekrönte Preisschrift; 2. erw. Aufl. Leipzig 1902 [ND Osnabrück 1971; Berlin 2005]; engl. Übers. Madras 1898: Judaism and Islam. A Prize Essay [ND Tel Aviv 1969; New York 1970]). „Das Judenthum unserer Zeit und die Bestrebungen in ihm.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für Jüdische Theologie 1 (1835a), S. 1 – 12. „Die wissenschaftliche Ausbildung des Judenthums in den zwei ersten Jahrhunderten des zweiten Jahrtausends bis zum Auftreten des Maimonides.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für Jüdische Theologie 1 (1835b), S.  13 – 38; 151 – 168; 307 – 326. „Nachrichten.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie 1 (1835c), S.  428 – 476. „Der Kampf christlicher Theologen gegen die bürgerliche Gleichstellung der Juden, namentlich mit Bezug auf Anton Theodor Hartmann.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für Jüdische Theologie 1 / 2 (1835 / 36), S.  52 – 67; 340 – 357; 78 – 92. „Die Gründung einer jüdisch-theologischen Facultät, ein dringendes Bedürfniß unserer Zeit.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie 2 (1836a), S. 1 – 21. „Karäische Literatur.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie 2 (1836b), S.  93 – 125. „Johlson’s Bibelwerk.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie 3 (1837), S.  121 – 122. Über die Errichtung einer jüdisch-theologischen Facultät. Wiesbaden 1838. „Recensionen Chaurew, Versuche über Jissroéls Pflichten in der Zerstreuung, zunächst für Jissroéls Jünglinge und Jungfrauen.“ Wissenschaftliche Zeitschrift für Jüdische Theologie 4 (1839), S. 355 – 381. Der Hamburger Tempelstreit, eine Zeitfrage. Breslau 1842. Beiträge zur jüdischen Literatur-Geschichte in vier Abhandlungen (Sammlung aus alten schätzbaren Manuscripten, Bd. 2). Breslau 1847. Seder Tefilla Devar-Jom be-Jomo. Israelitisches Gebetbuch für den öffentlichen Gottesdienst im ganzen Jahre: Deutscher Ritus. Breslau 1854. Parschandatha. Die nordfranzösische Exegetenschule. Ein Beitrag zur Geschichte der Bibel-Exegese und der jüdischen Literatur. Leipzig 1855. Urschrift und Uebersetzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der innern Entwickelung des Judenthums. Breslau 1857. „Die Theologie und Schrifterklärung der Samaritaner.“ Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 12 (1858), S. 142 – 149. „Symmachus, der Übersetzer der Bibel.“ Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 1 (1862), S. 39 – 64. „Bibelkritisches.“ Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 2 (1863), S.  155 – 157. „Zur Geschichte der Maßorah.“ Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 3 (1864 / 65), S. 78 – 119. „Thalmud als bibelkritisches Hülfsmittel“ Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 4 (1866), S. 165 – 171.

446    Allgemeine Bibliographie „Die neuesten Fortschritte in der Erkenntniß der Entwickelungsgeschichte des Judenthums und der Entstehung des Christentums.“ Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 5 (1867), S. 252 – 282. Unser Gottesdienst: Eine Frage, die dringend Lösung verlangt. Breslau 1868. „Zur Geschichte der Bibel-Exegese.“ Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 8 (1870a), S. 217 – 222. Plan zu einem neuen Gebetbuche nebst Begründungen. Breslau 1870b. „Die Stellung der hebräischen Bibel in der gegenwärtigen christlichen Theologie.“ Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 10 (1872), S.  208 – 209. Abraham Geiger’s nachgelassene Schriften, 5 Bde. (Hg. Ludwig Geiger). Berlin 1875 – 78. Einleitung in die biblischen Schriften. In: Ludwig Geiger (Hg.), Abraham Geiger’s nachgelassene Schriften, Bd. 4. Berlin 1876, S. 1 – 279. Qevutzat Ma’amarim (Hg. Samuel Abraham Posnanski). Berlin 1877 (ND Warschau 1883 (gek.); Warschau 1910; Haifa 1966). Abraham Geiger’s Leben in Briefen (Hg. Ludwig Geiger). Berlin 1878. Abraham Geiger and Liberal Judaism: The Challenge of the Nineteenth Century (Hg. Max Wiener; Übers. Ernst J. Schlochauer). Philadelphia 1962 (ND New York 1981).

g.  Ludwig Philippson Die Propheten Hosea, Joel, Jonah, Obadiah, und Nahum, in metrisch-deutscher Uebersetzung. Halle 1827. Hylē anthrōpinē. Pars I. De internarum humani corporis partium cognitione Aristotelis cum Platonis sententia comparata. Pars II: Philosophorum veterum usque ad Theophrastum doctrina de sensu. Berlin 1830. „Aufforderung an alle Israeliten Deutschlands zu Subscriptionen, um eine jüdische Fakultät und ein jüdisches Seminar für Deutschland zu begründen.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 1 (1837), S. 349 – 351. Miqra Tora Nevi’im u-Khetuvim. Die israelitische Bibel. Enthaltend: Den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung, die allgemeine ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten, 3 Bde. Leipzig 1839 – 54 (2. Aufl. Leipzig 1858; ND u. a. als Prachtausgabe mit Holzschnitten von Gustave Doré, Stuttgart 1874 – 76). „Unser Bibelwerk beendet.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 18 (1854), S.  347 – 348. „Die Bibel und ihre Auslegung.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 21 (1857), S.  41 – 43. „Die Herstellung und Verbreitung wohlfeiler Bibeln.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 23 (1859), S. 183 – 185. „Das Judentum und die Schriftkritik.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 28 (1864), S.  539 – 540. „Zur Bibelkritik.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 32 (1868), S.  811 – 815. „Ein Brief an M. G. in L. III.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 42 (1878), S.  769 – 772.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    447 „Die Einheit der Ideen in der heiligen Schrift Israels.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 43 (1879), S.  1 – 4; 33 – 35; 49 – 52; 131 – 133; 145 – 147; 243 – 245; 257 – 259; 321 – 325; 370 – 373; 386 – 388; 418 – 421. „Die biblische Wissenschaft.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 49 (1885a), S.  681 – 683. „Die Propheten und das mosaische Gesetz.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 49 (1885b), S.  729 – 731; 747 – 749; 765 – 766. „Die Bibelkritik in Frankreich.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 53 (1889), S.  559 – 561. Gesammelte Abhandlungen, 2 Bde. Leipzig 1911. Die Tora: Die fünf Bücher Mose und die Prophetenlesungen (hebräisch-deutsch) in der revidierten Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson (Hgg. Walter Homolka / Hanna Liss / Rüdiger Liwak). Freiburg u. a. 2015 (2., korr. Aufl. 2016). Ausgewählte Werke (Hg. Andreas Brämer) (Deutsch-jüdische Autoren des 19. Jahrhunderts, Bd. 5). Köln u. a. 2015. Die Propheten (hebräisch-deutsch) in der revidierten Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson (Hgg. Walter Homolka / Hanna Liss / Rüdiger Liwak). Freiburg u. a. 2016. Die Psalmen. Aus der Hebräischen Bibel übersetzt von Rabbiner Ludwig Philippson (Hg. Rüdiger Liwak). Freiburg u. a. 2017. Die Schriften (hebräisch-deutsch) in der revidierten Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson (Hgg. Walter Homolka / Hanna Liss / Rüdiger Liwak). Freiburg u. a. 2018.

h.  Naftali Tzvi Jehuda Berlin (Netziv) Ha‘ameq Sche’ela: Sefer Sche’iltot de-Rav Achai Gaon. Wilna 1859. Ha‘ameq Davar: Sefer Torat Elohim, 5 Bde. Wilna 1879 / 80. Haggada schel Pesach: Im Be’ur ba-Schem Imre Schefer. Warschau 1889. Meschiv Davar. Warschau 1892. Chumasch Ha‘ameq Davar Sefer … le-Torat Elohim, im Targum Onqelos u-Ferusch Raschi (…), 5 Bde. (Hg. Yehudah Kuperman). Jerusalem 2005 – 09. The Path of Torah: Originally Published as the Introduction to Ha‘amek Scheʾela = Darka schel Tora (Hg. Elchanan Greenman). New York u. a. 2009.

i.  Abraham Berliner „Zu dem Raschi-Commentar[e].“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 11 / 12 (1862 / 63), S.  312 – 317; 31 – 33. „Eine wiederaufgefundene Handschrift.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 13 (1864), S. 217 – 224. Raschi al ha-Tora. Hu Perusch Rabbenu Schelomo bar Jitzchaq (…). Berlin 1866 (2., ganz umgearb. Aufl. Frankfurt am Main 1905; ND Hildesheim u. a. 1999). Pletath Soferim, Beiträge zur jüdischen Schriftauslegung im Mittelalter, nebst Midrasch über die Gründe der defectiva und plena, aus handschriftlichen Quellen herausgegeben und näher beschrieben. Breslau 1872.

448    Allgemeine Bibliographie Die Massora zum Targum Onkelos. Berlin 1875. Migdal Chananel. Über Leben und Schriften R. Chananel’s in Kairvan nebst hebräischen Beilagen, enthaltend Chananel’s Commentar zum Tr. Makkoth, Erklärungen zum Pentateuch und zum Buche Jecheskel. Leipzig 1876. Ein Gang durch die Bibliotheken Italiens. Vortrag, gehalten im Sefath-­ Emeth-Verein. Berlin 1877a. Die Massorah zum Targum Onkelos: Enthaltend Massorah magna und Massorah parva. Nach Handschriften und unter Benutzung von seltenen Ausgaben zum ersten Male edirt und commentirt. Leipzig 1877b. Beiträge zur hebräischen Grammatik im Talmud und Midrasch. Berlin 1879. „Eine Mahnung, ein Warnruf.“ Die jüdische Presse. Organ für die Gesammtinteressen des Judenthums 15 (1884), S. 131 – 132. Lehrgedichte über die Accente der biblischen Bücher. Berlin 1886. Censur und Confiscation hebräischer Bücher im Kirchenstaate. Auf Grund der Inquisitions-Akten in der Vaticana und Vallicellana dargestellt. Berlin 1891. Über den Einfluss des ersten hebräischen Buchdrucks auf den Cultus und die Cultur der Juden. Berlin 1896. Aus meiner Bibliothek: Beiträge zur hebräischen Bibliographie und Typographie. Frankfurt am Main 1898. Zur Charakteristik Raschis. Breslau 1900. Beiträge zur Geschichte der Raschi-Commentare. Berlin 1903. Blicke in die Geisteswerkstatt Raschis. Frankfurt am Main 1905a. Die altfranzösischen Ausdrücke im Pentateuch-Commentar Raschi’s. Alphabetisch geordnet und erklärt. Krakau 1905b.

j.  Kaufmann Kohler Der Segen Jacob’s mit besonderer Berücksichtigung der alten Versionen und des Midrasch kritisch-historisch untersucht und erklärt. Ein Beitrag zur Geschichte des hebräischen Alterthums wie zur Geschichte der Exegese. Berlin 1867. Die Bibel und die Todesstrafe. Vom historisch-kritischen Standpunkte aus betrachtet. Leipzig 1868. „Über die Ursprünge und Grundformen der synagogalen Liturgie: Eine Studie.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums (1893), S.  489 – 497. The Psalms and their Place in the Liturgy. A Paper Read before the Gratz College of Philadelphia, February 3, 1896. Philadelphia 1897. Grundriß einer systematischen Theologie des Judentums auf geschichtlicher Grundlage (Grundriß der Gesamtwissenschaft des Judentums). Leipzig 1910 (Überarb. engl. Ausg.: Jewish Theology Systematically and Historically Considered. New York 1918). Studies, Addresses, and Personal Papers. New York 1931.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    449

k.  David Tzvi Hoffmann Mar Samuel. Rector der jüdischen Akademie zu Nehardea in Babylonien. Lebensbild eines talmudischen Weisen der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts nach den Quellen dargestellt. Leipzig 1873. Abhandlungen über die pentateuchischen Gesetze. Berlin 1878. Die erste Mischna und die Controversen der Tannaim. Berlin 1882 (Hebr. Übers. 1914: Ha-Mischna ha-Rischona u-Felugta de-Tanna’ei). Der Schulchan-Aruch und die Rabbinen über das Verhältniß der Juden zu Andersgläubigen. Berlin 1885 (2., verm. u. verb. Aufl. 1894). Zur Einleitung in die halachischen Midraschim. Berlin 1887 (Hebr. Übers. 1928: Le-Cheqer Midresche ha-Tanna’im). Die Mischna-Ordnung Nesikin uebersetzt und erklaert mit Einleitung. Berlin 1898 (2. Aufl. 1924). Die wichtigsten Instanzen gegen die Graf-Wellhausensche Hypothese, Heft 1 (Jahres-Bericht des Rabbiner-Seminars zu Berlin, Bd. 1902 / 1903). 1902 / 03. Das Buch Leviticus übersetzt und erklärt, Erster Halbband. Lev. I – XVII. Berlin 1905. Das Buch Leviticus übersetzt und erklärt, Zweiter Halbband. Lev. XVIII – Ende. Berlin 1906. Zur Einleitung in die Mechilta de Rabbi Simon ben Jochai. Frankfurt am Main 1906. Das Buch Deuteronomium übersetzt und erklärt, Erster Halbband. Deut. I – XXI. Berlin 1913. Die wichtigsten Instanzen gegen die Graf-Wellhausensche Hypothese, Heft 2 (Jahres-Bericht des Rabbiner-Seminars zu Berlin, Bd. 1914 / 1915). 1914 / 15. „Thora und Wissenschaft.“ Jeschurun 7 (1920), S. 497 – 504. Das Buch Deuteronomium übersetzt und erklärt, Zweiter Halbband. Deut. XXI,16-XXXI. Berlin 1922. Die sechs Ordnungen der Mischna, hebräischer Text mit Punktation, übersetzt und erklärt, 6 Bde. (Hgg. Eduard Baneth / John Cohn / David Tzvi Hoffmann). Leipzig u. a. 1927 – 33.

l.  Benno Jacob „Das Buch Esther bei den LXX.“ Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 10 (1890), S. 241 – 298 [Separat abgedruckt als Das Buch Esther bei den LXX. Giessen 1890]. „Unsere Bibel in Wissenschaft und Unterricht.“ Allgemeine Zeitung des Judentums 62 (1898), S.  511 – 513; 525 – 526; 534 – 536. Im Namen Gottes. Eine sprachliche und religionsgeschichtliche Untersuchung zum Alten und Neuen Testament. Berlin 1903. Der Pentateuch. Exegetisch-kritische Forschungen. Leipzig 1905. Die Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri. Frankfurt am Main 1909. Die Thora Moses, Bd. 1: Das Buch (Volksschriften über die jüdische Religion, Bd. 1, III / IV). Frankfurt am Main 1912 / 13. Quellenscheidung und Exegese im Pentateuch. Leipzig 1916.

450    Allgemeine Bibliographie „Mose am Dornbusch. Die beiden Hauptbeweisstellen der Quellenscheidung im Pentateuch, Ex 3 und 6, aufs Neue exegetisch geprüft.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 66 (NF 30) (1922), S.  11 – 33; 116 – 138; 180 – 200. Auge um Auge, eine Untersuchung zum Alten und Neuen Testament. Berlin 1929. Das Erste Buch der Tora Genesis. Berlin 1934 (ND Stuttgart 2000; engl. Übers. New York 1974: The First Book of the Bible: Genesis. Augmented Edition. Interpreted by Benno Jacob. His Commentary Abridged, Edited and Translated by Ernst U. Jacob and Walter Jacob; ND New York 2007). „The First and Second Commandments. An Excerpt from the ‚Commentary on Exodus‘. Translated by Walter Jacob with an Introduction by Abraham Joshua Heschel.“ Judaism 13 (1964), S. 3 – 18. The Second Book of the Bible: Exodus. Interpreted by Benno Jacob, Translated with an Introduction (Hg. Walter Jacob). New York 1992. Das Buch Exodus. Hgg. Shlomo Mayer u. a. im Auftrag des LBI (maschinengeschr. Manuskript mit handschriftlichen Korrekturen, Ergänzungen und Änderungen im Archiv des LBI Jerusalem). Stuttgart 1997.

m.  Sigmund Jampel „Die Wiederherstellung Israels unter den Achämeniden.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 46 / 47 (NF 10 / 11) (1902 / 03), S.  97 – 118; 206 – 229; 301 – 325; 395 – 407; 491 – 513; 1 – 23; 97 – 110; 193 – 201; 385 – 399; 481 – 490. Die Wiederherstellung Israels unter den Achämeniden: Kritisch-historische Untersuchung mit inschriftlicher Beleuchtung. Breslau 1904. Die Beurteilung des Estherbuches und des Purimfestes bei den jüdischen Gesetzeslehrern der nachalttestamentlichen Zeit. Pressburg 1905a. „Esther. Eine historisch-kritische Untersuchung.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 49 (NF 13) (1905b), S.  405 – 426; 513 – 533. „Studien zum Buche Esther.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 50 (NF 14) (1906a), S.  152 – 168; 289 – 315. „Das Buch Esther in geschichtlicher Beleuchtung.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 50 (NF 14) (1906b), S.  513 – 538; 641 – 663. Das Buch Esther auf seine Geschichtlichkeit kritisch untersucht von Sigmund Jampel nebst einem Anhange: Die topographische Beschreibung des Achašveroš-Palastes im Buche Esther und die Burg zu Susa von Marcel Dieulafoy. Frankfurt am Main 1907a. „Der Papyrusfund von Assuan.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 51 (NF 15) (1907b), S. 617 – 634. „Die bibelwissenschaftliche Literatur der letzten Jahre.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 51 / 52 (NF 15 / 16) (1907 / 08), S.  659 – 677; 21 – 36; 145 – 161. „Die neuesten Aufstellungen über Moses und sein Werk.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 53 (NF 17) (1909a), S.  641 – 656.

8.  Gedruckte Quellen und Übersetzungen    451 Vom Kriegsschauplatz der israelitischen Religionswissenschaft: Eine gemeinverständliche Schilderung der Kämpfe auf dem Gebiete der modernen Bibelwissenschaft. Frankfurt am Main 1909b. „Neueste exegetische Methoden.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 54 (NF 18) (1910), S. 385 – 399. Esther und Purim im Lichte der Geschichte. Berlin 1911a. „Die neuen Papyrusfunde in Elephantine.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 55 (NF 19) (1911b), S. 641 – 665. Vorgeschichte Israels und seiner Religion: Nach der altjüdischen Ueberlieferung und den zeitgenössischen Inschriften gemeinverständlich dargestellt. Frankfurt am Main 1913 (ND 2. Aufl. 1928). Vorgeschichte des israelitischen Volkes und seiner Religion. Mit Berücksichtigung der neuesten inschriftlichen Ergebnisse auf kritisch-historischer Grundlage gemeinverständlich dargestellt. 1. Teil: Die Methoden. Berlin 1928 (2. völlig umgearb. u. vielfach erw. Aufl. in drei Teilen).

n.  Umberto Mosche David Cassuto „Manoscritti e incunaboli ebraici nelle biblioteche italiane.“ Atti del 1. congresso mondiale delle biblioteche e di bibliografia 3 (1929), S. 1 – 8. La questione della Genesi. Florenz 1934 (Hebr. Übers. 1944: Perusch al Sefer Bereschit; engl. Übers. 1961 – 64: A Commentary on the Book of Genesis). „Die Ostraka von Lakisch.“ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 83 (NF 47) (1939), S. 81 – 92. Torat ha-Te‘udot: We-Siddurim schel Sifre ha-Tora. Schemone Schi‘urim. Jerusalem 1941 (engl. Übersetzung Jerusalem 1961: The Documentary Hypothesis and the Composition of the Pentateuch. Eight Lectures; ND Jerusalem 1972; Jerusalem / New York 2006). „Schirat ha-Alila be-Jisrael.“ Knesset 8 (1944), S. 121 – 142. Ha-Ela Anat: Schire Alila Kena‘anijim mi-Tqufat ha-Avot. Jerusalem 1951 (engl. Übers. Jerusalem 1971: The Goddess Anath: Canaanite Epics of the Patriarchal Age; Texts, Hebrew Translation, Commentary and Introduction). Perusch al Sefer Schemot. Jerusalem 1951 (engl. Übers. Jerusalem 1967: A Commentary on the Book of Exodus). Sifre ha-Miqra: Mefarschim Perusch Chadasch be-Tzaro Mevo’ot Arukkot, 19  Bde. Tel Aviv 1954 / 55 – 56 / 57. Codices Vaticani Hebraici, Bd. 1: Codices 1 – 115. Rom 1956. Mechqarim ba-Miqra u-va-Mizrach ha-Qadmon. Biblical and Oriental Studies, Bd. 1: Bible. Translated from the Hebrew and Italian by Israel Abrahams. Jerusalem 1973. Mechqarim ba-Miqra u-va-Mizrach ha-Qadmon. Biblical and Oriental Studies, Bd. 2: Bible and Ancient Oriental Texts. Translated from the Hebrew and Italian by Israel Abrahams. Jerusalem 1975. Leon, Messer Judah ben Jehiel. In: Fred Skolnik / Michael Berenbaum (Hgg.), Encyclopaedia Judaica, Second Edition, Bd. 12. Detroit / New York u. a. 2007, S. 646.

452    Allgemeine Bibliographie o.  Harry Torczyner (Naftali Herz Tur-Sinai) Die Entstehung des semitischen Sprachtypus: Ein Beitrag zum Problem der Entstehung der Sprache. Wien 1916. Das Buch Hiob: Eine kritische Analyse des überlieferten Hiobtextes. Wien 1920 (ND Frankfurt 2016). Die Bundeslade und die Anfänge der Religion Israels. Berlin 1922. Deutsch-hebräisches Wörterbuch (Hgg. Naftali Herz Tur-Sinai / Simeon Menachem Laser). Berlin / Wien 1927. Lachish (Tell ed Duweir), Bd. 1: The Lachish Letters (Wellcome Archaeological Research Expedition to the Near East Publications, Bd. 1). London 1938. „The Literary Character of the Book of Psalms.“ Oudtestamentische Studien 8 (1950), S. 263 – 281. Peschuto schel Miqra: Perusch li-Stumot sche-be-Khitve ha-Qodesch lefi Sefer ha-Ketuvim ba-Masoret, 6 Bde. Jerusalem 1962 – 68. Mueller, David Heinrich. In: Fred Skolnik / Michael Berenbaum (Hgg.), Encyclopaedia Judaica, Second Edition, Bd. 14. Detroit / New York u. a. 2007, S. 597.

p.  Yehezkel Kaufmann „Die hebräische Sprache und unsere nationale Zukunft.“ Der Jude 1 (1916 / 17), S.  407 – 418. „Probleme der israelitisch-jüdischen Religionsgeschichte I.“ Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 7 (1930), S. 23 – 43. „Probleme der israelitisch-jüdischen Religionsgeschichte II.“ Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 10 (1933), S. 35 – 47. „Der Kalender und das Alter des Priesterkodex.“ Vetus Testamentum 4 (1954), S.  307 – 313. Gola we-Nekhar: Mechqar Histori-Sotziologi Bisch’elat schel Am Israel Mijjeme Qedem we-ad ha-Zeman ha-ze, 4 Bde. Tel Aviv 1929 / 30. Toldot ha-Emuna ha-Jisra’elit: Mijjeme Qedem ad Sof Bajit Scheni, 4 Bde. Jerusalem 1937 – 56 (engl. Übers. Chicago 1960: The Religion of Israel: From its Beginnings to the Babylonian Exile). Ha-Sippur ha-Miqra’i al Kibbusch ha-Aretz. Jerusalem 1956. Sefer Jehoschu‘a. Im Mavo’ le-Jehoschu‘a we-Schoftim 1 – 3. Jerusalem 1959. Sefer Schoftim. Im Mavo’. Jerusalem 1962.

q.  Isac Leo (Arie) Seeligmann Septuagint Version of Isaiah: A Discussion of Its Problems. Leiden 1948. Voraussetzungen der Midraschexegese. In: George W. Anderson u. a. (Hgg.), Congress Volume: Copenhagen, 1953 (Supplements to Vetus Testamentum, Bd. 1). Leiden 1953, S. 150 – 181. „Researches into the Criticism of the Masoretic Text of the Bible (hebr.).“ Tarbiz 25 (1956), S. 118 – 139. „Indications of Editorial Alteration and Adaptation in the Massoretic Text and the Septuagint.“ Vetus Testamentum 11 (1961), S. 201 – 221.

9. Sekundärliteratur    453 „Hebräische Erzählung und biblische Geschichtsschreibung.“ Theologische Zeitschrift 18 (1962), S. 305 – 325. Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel (Hg. Erhard Blum) (Forschungen zum Alten Testament, Bd. 41). Tübingen 2004a. The Septuagint Version of Isaiah and Cognate Studies (Hg. Robert Hanhart / Hermann Spieckermann) (Forschungen zum Alten Testament, Bd. 40). Tübingen 2004b.

r.  Paul Kahles jüdische Schüler und Kollegen ben Uzziel, Michael, Sefer ha-Chillufim (Hg. Lazar Lipschütz). Jerusalem 1965. Levy, Kurt, Zur masoretischen Grammatik. Texte und Untersuchungen (Bonner orientalische Studien, Bd. 15). Stuttgart 1936. Lipschütz, Lazar, Ben Ašer – Ben Naftali: Der Bibeltext der tiberischen Masoreten. Eine Abhandlung des Mischael ben ‘Uzziel, veröffentlicht und untersucht, Inaugutal-Dissertation, Philosophische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, Bonn 1935. Zulay, Menahem (Mendel Billig), Zur Liturgie der Babylonischen Juden. Geniza-Texte herausgegeben, übersetzt und bearbeitet sowie auf ihre Punktation hin untersucht (Bonner orientalische Studien, Bd. 2). Stuttgart 1933. – , Ha-Askola ha-Pajetanit schel R. Sa‘adja Gaon (‚Die liturgischen Dichtungen von R. Sa‘adja und seiner Schule‘). Jerusalem 1964.

10. Kapitel Brandes, Yehuda / Ganzel, Tova / Deutsch, Chayuta (Hgg.), People of Faith and Biblical Criticism (hebr.). Jerusalem 2017. Brettler, Marc Zvi / Enns, Peter Eric / Harrington, Daniel J. (Hgg.), The Bible and the Believer. How to Read the Bible Critically and Religiously. Oxford u. a. 2012. Carmy, Shalom (Hg.), Modern Scholarship in the Study of Torah: Contributions and Limitations (The Orthodox Forum Series). Northvale, NJ 1996. Greenspahn, Frederick E., The Hebrew Bible: New Insights and Scholar­ ship. Jewish Studies in the 21st Century. New York 2008. Plaut, Gunther W., The Torah: A Modern Commentary, 5 Bde. New York 1974 – 81 (Überarb. Aufl. New York 2005 [Tora mit Haftarot]; dt. Übersetzung Gütersloh 1999 – 2004: Die Tora in jüdischer Auslegung [Übers. u. Bearb. Annette Böckler]; 2. Aufl. 2003; 3. Aufl. 2008; 4. Aufl. 2011). – , The Haftarah Commentary. New York 1996.

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1.  Die synagogalen Lesungen aus dem Tanakh    501

Anhang

1.  Die synagogalen Lesungen aus dem Tanakh Parascha

Tora

Haftara

Bereschit

Gen 1,1 – 6,8

Jes 42,5 – 43,10 (aschk.) / 42,5 – 21 (sefard.)

Noach

Gen 6,9 – 11,32

Jes 54,1 – 55,5 (aschk.) / 54,1 – 10 (sefard.)

Lekh Lekha

Gen 12,1 – 17,27

Jes 40,27 – 41,16

Wajjera

Gen 18,1 – 22,24

2Kön 4,1 – 37 (aschk.) / 4,1 – 23 (sefard.)

Chajje Sara

Gen 23,1 – 25,18

1Kön 1,1 – 31

Toledot

Gen 25,19 – 28,9

Mal 1,1 – 2,7

Wajjetze

Gen 28,10 – 32,3

Hos 12,13 – 14,10 (aschk.) / 11,7 – 12,12 (sefard.)

Wajjischlach

Gen 32,4 – 36,43

Ob 1,1 – 21

Wajjeschev

Gen 37,1 – 40,23

Am 2,6 – 3,8

Miqqetz

Gen 41,1 – 44,17

1Kön 3,15 – 4,1

Wajjigasch

Gen 44,18 – 47,27

Ez 37,15 – 28

Wajjechi

Gen 47,28 – 50,26

1Kön 2,1 – 12

Schemot

Ex 1,1 – 6,1

Jes 27,6 – 28,13; 29,22 – 23 (aschk.) / Jer 1,1 – 2,3 (sefard.)

Waera

Ex 6,2 – 9,35

Ez 28,25 – 29,21

Bo

Ex 10,1 – 13,16

Jer 46,13 – 28

Beschallach

Ex 13,17 – 17,16

Ri 4,4 – 5,31 (aschk.) / 5,1 – 31 (sefard.)

Jitro

Ex 18,1 – 20,23

Jes 6,1 – 7,6; 9,5 – 6 (aschk.) /7,1 – 13 (sefard.)

Mischpatim

Ex 21,1 – 24,18

Jer 34,8 – 22; 33,25 – 26

Teruma

Ex 25,1 – 27,19

1Kön 5,26 – 6,13

Tetzawwe

Ex 27,20 – 30,10

Ez 43,10 – 27

Ki Tissa

Ex 30,11 – 34,35

1Kön 18,1 – 39 (aschk.) / 18,20 – 39 (sefard.)

502    Anhang Parascha

Tora

Haftara

Wajjaqhel

Ex 35,1 – 38,20

1Kön 7,40 – 50 (aschk.) / 7,13 – 26 (sefard.)

Pequde

Ex 38,21 – 40,38

1Kön 7,51 – 8,21 (aschk.) / 7,40 – 50 (sefard.)

Wajjiqra

Lev 1,1 – 5,26

Jes 43,21 – 44,23

Tzaw

Lev 6,1 – 8,36

Jer 7,21 – 8,3; 9,22 – 23

Schemini

Lev 9,1 – 11,47

2Sam 6,1 – 7,17 (aschk.) / 6,1 – 19 (sefard.)

Tazria

Lev 12,1 – 13,59

2Kön 4,42 – 5,19

Metzora

Lev 14,1 – 15,33

2Kön 7,3 – 20

Achare Mot

Lev 16,1 – 18,30

Ez 22,1 – 19 (aschk.) / 22,1 – 16 (sefard.)

Qedoschim

Lev 19,1 – 20,27

Am 9,7 – 15 (aschk.) / Ez 20,2 – 20 (sefard.)

Emor

Lev 21,1 – 24,23

Ez 44,15 – 31

Behar Sinai

Lev 25,1 – 26,2

Jer 32,6 – 27

Bechuqqotai

Lev 26,3 – 27,34

Jer 16,19 – 17,14

Bemidbar

Num 1,1 – 4,20

Hos 2,1 – 22

Naso

Num 4,21 – 7,89

Ri 13,2 – 25

Behaalotkha

Num 8,1 – 12,16

Sach 2,14 – 4,7

Schelach Lekha

Num 13,1 – 15,41

Jos 2,1 – 24

Qorach

Num 16,1 – 18,32

1Sam 11,14 – 12,22

Chuqqat

Num 19,1 – 22,1

Ri 11,1 – 33

Balaq

Num 22,2 – 25,9

Mi 5,6 – 6,8

Pinchas

Num 25,10 – 30,1

1Kön 18,46 – 19,21

Mattot

Num 30,2 – 32,42

Jer 1,1 – 2,3

Mas‘e

Num 33,1 – 36,13

Jer 2,4 – 28; 3,4 (aschk.) / Jer 2,4 – 28; 4,1 – 2 (sefard.)

Devarim

Dtn 1,1 – 3,22

Jes 1,1 – 27

Waetchanan

Dtn 3,23 – 7,11

Jes 40,1 – 26

Eqev

Dtn 7,12 – 11,25

Jes 49,14 – 51,3

Reeh

Dtn 11,26 – 16,17

Jes 54,11 – 55,5

Schoftim

Dtn 16,18 – 21,9

Jes 51,12 – 52,12

2. Glossar    503 Parascha

Tora

Haftara

Ki Teze

Dtn 21,10 – 25,19

Jes 54,1 – 10

Ki Tavo

Dtn 26,1 – 29,8

Jes 60,1 – 22

Nitzavim

Dtn 29,9 – 30,20

Jes 61,10 – 63,9

Wajjelech

Dtn 31,1 – 30

Jes 55,6 – 56,8

Haasinu

Dtn 32,1 – 52

2Sam 22,1 – 51

We-sot ha-Beracha

Dtn 33,1 – 34,12

Jos 1,1 – 18 (aschk.) / 1,1 – 9 (sefard.)

2. Glossar Adoptianismus (von lat. adoptio ‚Annahme‘): Bezeichnung für eine christliche / christologische Lehre, die nicht von einer wesenhaften Gleichheit von Gott und Jesus von Nazareth ausgeht, sondern diesen nur als einen ‚Gottessohn‘ im Sinne eines von Gott angenommenen Menschen sieht. Durch das altkirchliche Konzil von Nizäa (325) wurden adoptianistische Lehren als ‚Häresie‘ verurteilt. Aggada (aram. ‚Erzählung‘): Bezeichnung der jüdischen Legenden und erbaulichen Erzählungen, die in den Talmud* Eingang gefunden haben und dort von der Halakha* zu unterscheiden sind. Alenu: Das Schlussgebet des täglichen Gebetes (Schacharit*, Mincha* und Aravit*), auf das nur noch das Qaddisch* folgt. Amida (‚[Im] Stehen [zu beten]‘): Achtzehn- bzw. Siebenbittengebet für Wochen- und Feiertage (bBer 26b). Die Amida ist das zentrale Gebet in allen jüdischen Wochentags-, Schabbat- und Festtagsgottesdiensten, das in einer Anzahl von Bitten strukturiert ist, deshalb auch unter der Bezeichnung Schemone Esre (18-Bitten [Gebet]) bekannt, obwohl das Gebet in der Fassung für die Wochentage strenggenommen 19 Bitten umfasst. Der Mittelteil der Amida wird dem jeweiligen Tag (Schabbat; Feiertag) angepasst. Die Amida für den Schabbat oder die Feiertage hat sieben Bitten, der Mittelteil enthält dem Tag entsprechende Bitten. Amoräer / Amora’im / amoräisch (aram. amura ‚der Sprechende‘; vgl. hebr. amar ‚sprechen‘): Rabbinische Gelehrte ab dem 3. Jahrhundert u. Z.; ihre Lehren fanden Eingang in die Gemara* der Talmudim*; daneben verfassten sie auch Midraschim*. Aqeda (hebr. ‚Bindung‘): Erzählung über die Bindung Isaaks (Gen 22,1 – 19); in der christlichen Tradition auch bezeichnet als ‚Opferung Isaaks‘. Aron ha-Qodesch (hebr.: aron / qodesch ‚heiliger Schrein‘): Schrein, in dem in der Synagoge die Tora-Rolle aufbewahrt wird und der in der Regel von einer Parokhet (hebr.: ‚Vorhang‘) verdeckt ist. Aschkenaz / aschkenasisch: In der Bibel bezeichnet der Begriff ein Volk im Norden (Gen 10,3): Seit dem Mittelalter ist er die Bezeichnung für den geographischen Raum Zentral-, West- und Osteuropa und die dort lebenden Jüdinnen und Juden. Liturgisch gibt es im Wesentlichen zwei zu unterscheidende Traditionen: die aschkenasische und die sefardische* (spielt z. B. bei den Haftarot* eine Rolle).

504    Anhang Autograph (griech. autógraphos/lat. autographus ‚selbst geschrieben‘): Von einem Autor selbst niedergeschriebenes Schriftstück. Avoda / Avodot (hebr. ‚Dienst‘): a) Traditionelle Bezeichnung für den Gottesdienst; b) Bezeichnung eines pijjut* (= ‚religiöses Gedicht‘), der das Opfer am Jom Kippur* beschreibt. Babel / Babylon: Hauptstadt Babyloniens und damit eine der wichtigsten Städte des Alten Orients. Bet Din (hebr. ‚Haus des Gerichts / Gerichtshof‘): Rabbinatsgericht, das bis heute religionsgesetzliche Angelegenheiten regelt; zur Zeit des zweiten Tempels war der Sanhedrin* das oberste Gericht in Israel. Bet Midrasch (hebr. ‚Lehrhaus‘): Rabbinische Institution des Lernens (vgl. auch Jeschiva*). Berit Mila (hebr. ‚Bund der Beschneidung‘): Bezeichnung für die Beschneidung der männlichen Vorhaut als Zeichen des Bundes Gottes mit Abraham und gleichzeitig als Verpflichtung in diesem Bund (Gen 17,10 – 14). Chaside Aschkenaz (hebr. ‚Fromme Deutschlands‘): Bezeichnung für eine bis heute nicht ganz fest umrissene Gruppe von Gelehrten um die Qalonymos-Familie herum, die seit dem 9. Jahrhundert ins Rheinland eingewandert waren und vor allem in Speyer, Worms und Mainz, später auch in Regensburg geistige Zentren des jüdischen Lebens bildeten (vgl. auch ‚SchUM‘-Gemeinden*) Chasidismus (hebr. chasid ‚fromm / Frommer‘; chasidut ‚Frömmigkeit‘): Bezeichnung für verschiedene jüdische – antike, aschkenasische (Chaside Aschkenaz*) oder osteuropäische – Frömmigkeitsbewegungen. Der osteuropäische Chasidismus entstand im 18. Jahrhundert in Galizien und Polen als eine Folge des Sabbatianismus*. Chattat-(Opfer) (hebr. ‚Sünde / Schuld‘): Verfehlungs- oder Reinigungsopfer (Lev 4; 6,17 – 23). Das Verfehlungsopfer wird dargebracht, wenn jemand ohne Vorsatz gegen die Gebote Gottes verstoßen hat (Lev 4; 6,17 – 23). Cheder (hebr. ‚Zimmer‘): Traditioneller Schulunterricht im Haus des Lehrers im aschkenasischen und im osteuropäischen Judentum. Chiddusch (hebr. chadasch ‚novellae‘; Pl. Chidduschim): Neue Auslegung rabbinischer Texte, mit dem Ziel, die Halakha* zu spezifizieren und auszubauen. Codex Hammurabi: Die berühmteste der Königsinschriften von Hammurabi (st. 1750 v. u. Z.), König von Babylonien, die eine Sammlung von Rechtssprüchen darstellt; neben der berühmten Stele, die heute im Lou­ vre steht, ist der Text in Bruchstücken weiterer Stelen sowie in zahlreichen Tontafelabschriften erhalten. Dagesch: Diakritisches Zeichen im Hebräischen (‫)ּב‬, das die Verdopplung von Konsonanten oder die harte Aussprache der sog. BeGaDKeFaT-Konsonanten anzeigt. Defektiv → Plene- und Defektivschreibung. Derasch(-Auslegung)/Midrasch* (hebr. darasch ‚suchen‘): Im rabbinischen Kontext kann Derasch / Derascha zum einen ‚Lehre‘, zum anderen Interpretation und Auslegung von Schrift (v. a. Tora) bedeuten, manchmal auch Predigt im Kontext synagogaler Liturgie. Im Mittelalter wurde die Auslegung nach dem Derasch explizit der Peschat*-Erklärung gegenübergestellt.

2. Glossar    505 Diaskeuasten (griech. diaskeuázein ‚anordnen‘): Redaktoren oder Herausgeber der homerischen Epen. Ellipse (griech. élleipsis ‚Mangel‘): Linguistischer Begriff für eine Auslassung im Satz. Folio (lat. ‚Blatt‘): Bezeichnung sowohl für ein Blatt in einem Codex (Papyrus; Pergament; Papier) als auch für die übliche Nummerierung, bei der die Blätter und noch nicht einzelne Seiten gezählt werden (Zählung nach Folia mit der Angabe recto [Vorderseite] und verso [Rückseite]). Gaon (hebr. ‚Hoheit‘; Pl. Geonim)/gaonäisch: Ist der Ehrentitel für die religiösen Führer der babylonischen jüdischen Akademien (Jeschivot*) in Babylonien mit den beiden Zentren Sura und Pumbedita zwischen ca. 580 und ca. 1040. Gemara (aram. gemar ‚vollenden / lernen‘): Bezeichnung für den Teil der Talmudim*, in dem die Mischna* diskutiert und ausgelegt wird. Gematria (hebr. v. griech. geōmetriā ‚Feldmesskunst‘/grammateia ‚Geschriebenes‘): Methode der Schriftauslegung, mittels derer Wörter anhand des Zahlenwertes der einzelnen Buchstaben interpretiert werden. Geniza (hebr. ‚Versteck‘): Aufbewahrungsort für nicht mehr benutzbare religiöse und profane Schriften, die den Namen Gottes enthalten. Weil der Name Gottes nicht vernichtet werden darf, werden solche Schriften nicht weggeworfen, sondern an besonderen Orten gesammelt. Tora-Rollen werden zumeist sogar in einem separierten Bereich auf einem jüdischen Friedhof beerdigt. Die berühmteste Geniza befand sich in Fustat (Alt-Kairo) und wurde Ende des 19. Jahrhunderts bei der Renovierung der Ben-Ezra-Synagoge entdeckt. Haftara (hebr. ‚Abschluss‘ Pl.: haftarot): Die Lesung eines Textes aus den Propheten (= die Bücher Jehoschua bis Malachi), die an Schabbat und Festtagen die Ordnung der öffentlichen Toralesung abschließt. Halakha (hebr. ‚Wandel‘): Das jüdische Religionsgesetz bzw. die religionsgesetzliche Überlieferung; zumeist auch als Gegensatz zur Aggada*, der nicht-religionsgesetzlichen, d. h. erzählerischen und / oder erbaulichen Überlieferung, verstanden. Halakha meint die vom Bibeltext unabhängig entwickelte religionsgesetzliche Bestimmung. Hapaxlegomenon (griech. hápax ‚einmal‘/legómenon ‚das, was gesagt wird‘): Ein Ausdruck oder eine grammatikalische Form, die nur einmal in einem Text oder einem Corpus vorkommt oder belegt ist. Haskala (hebr. ‚Bildung / Aufklärung / Erziehung‘): Jüdische Aufklärung im 18./19. Jahrhundert mit dem Ziel der Vereinbarkeit von jüdischer Religion und Vernunftdenken, wobei sich Haskala als (Selbst-)Bezeichnung für ‚jüdische Aufklärung‘ erst im 19. Jahrhundert durchsetzte. Mit dem Bildungsprogramm der Maskilim* gingen auch eine Wiederbelebung des Hebräischen sowie die Entwicklung neuer Publikationsorgane einher. Der wichtigste Protagonist der Haskala war Moses Mendelssohn. Heqqesch: In der rabbinischen Hermeneutik eine Sachanalogie oder ein Vergleich ähnlich der Gezara Schawa. Inkunabel (lat., ‚Wiege, Ursprung‘): Druck aus der Frühzeit des Buchdrucks bis 1500 u. Z. Jachad / Jachadisch (hebr. jachad ‚gemeinsam‘): Eigenbezeichnung der hinter den Schriftrollen vom Toten Meer (Qumran) stehenden Gruppe (manchmal noch ‚Essener‘).

506    Anhang Jeschiva (hebr. ‚Sitzen / Sitzung‘; Pl. Jeschivot): Jüdische Institution des Lernens und Tora-Studiums (vgl. auch Bet Midrasch*). Jischuv (hebr. ‚[Be-]Siedlung‘): Bezeichnung für die jüdische Bevölkerung in Israel / Palästina vor der Staatsgründung 1948. Jom Kippur (hebr. ‚Tag der Entsühnung‘): Versöhnungstag. Ein Tag, der vollständig mit Fasten und Beten verbracht wird. Die biblischen Wurzeln werden in Lev 16 beschrieben. Kalām (arab. ‚Rede / Gespräch‘): Bezeichnung für den muslimischen Gelehrtendiskurs, teilweise auch als Begriff für islamische Theologie. Karäer (hebr. ‚[Bibel-]Leser‘; Pl. qara’im; vgl. hebr. miqra als Bezeichnung für den Tanakh; auch: ba‘ale ha-miqra ‚Meister der Schrift‘; bene ha-miqra ‚Söhne der Schrift‘): Eine jüdische Religionsgemeinschaft, die bis heute existiert und sich vom rabbinischen Judentum und anderen Strömungen unterscheidet. So lehnen die Karäer die rabbinische* Lehre der mündlichen Tora* ab und entwickelten eine eigene Hermeneutik der Schriftauslegung. Katharer (griech. katharós [‚rein‘] ‚die Reinen‘; auch: Albigenser): Eine christliche Bewegung vom 12. bis 14. Jahrhundert mit dualistischen Lehren, die durch die Inquisition verfolgt und vernichtet wurde. Ketiv / qere (aram. ‚geschrieben‘/‚gelesen‘): Das masoretische* Phänomen der ketiv-bzw. qere-Schreibung bzw. -Lesung bezieht sich auf Traditionen, nach denen im Bibeltext etwas Anderes (laut) zu lesen ist, als in der Tora-Rolle geschrieben steht, oder etwas zu lesen ist, was nicht geschrieben ist. Im Bibeltext wird in masoretischen (punktierten) Bibel-Codices dadurch auf Lese- oder Schreibvarianten aufmerksam gemacht, indem die Konsonanten des Geschriebenen die Vokalzeichen des zu Lesenden erhalten. Zudem machen Randbemerkungen mit dem Buchstaben Qaf (wie Qere) auf das Phänomen aufmerksam und bieten die Konsonantbuchstaben des Wortes, das gelesen werden soll. Kolophon (griech. ‚Ende / Abschluss‘): Paratextliches Element in Handschriften oder Drucken, das oft Informationen über Schreiber / Verfasser, Inhalt, Datierung oder Entstehungsort enthält. Lectio allegorica (lat. < griech. allēgoría ‚Allegorie / andere Sprache‘): Ein Element des christlichen drei- bzw. vierfachen Schriftsinns als Teil der Bibelhermeneutik. Literaturwissenschaftlich gehört die Allegorie zu den Tropen (Stilmitteln) als einem ‚uneigentlichen‘ oder ‚bildhaften‘ sprachlichen Ausdruck. Dieses Verständnis findet sich auch bei der Interpretation der biblischen Texte seit der Antike. Lectio historica (lat. < griech. historía ‚Forschung / Bericht‘): Ein Element des christlichen drei- bzw. vierfachen Schriftsinns als Teil der Bibelhermeneutik, das für eine wörtliche oder historische Interpretation steht. Lectio tropologica (lat. < griech. trópos ‚Redefigur‘): Eine Element des christlichen drei- bzw. vierfachen Schriftsinns als Teil der Bibelhermeneutik, das für eine moralische oder moraltheologische Interpretation steht. Lemma (griech. lēmma ‚das (An-)Genommene‘): Begriff aus der Linguistik und Lexikographie, der die Grundform eines Wortes / Begriffes darstellt. LXX → Septuaginta. Machsor (hebr. ‚Zyklus‘): Gebetbuch für Festtage und Hohe Feiertage (siehe auch Siddur*). Er zeichnet sich in besonderer Weise durch die Pijjutim* der jeweiligen Feiertage aus.

2. Glossar    507 Makkabäer: Herrscherdynastie und jüdische Freiheitskämpfer im Kampf gegen die Seleukiden. Der Name kommt von dem Beinamen des dritten Sohnes des Mattathias ben Jochanan, Jehuda, der nach dem Tod des Mattathias 167 / 166 v.d.Z den Kampf gegen die Politik des Antiochus weiterführte und den Beinamen Makkabi führte. Schon bei Josephus (Ant. 12,263) sowie in der Mischna* (mMid I,6) und im Talmud* (bShab 21b) werden die Makkabäer Hasmonäer (Chaschmona’im) genannt. Makulaturfragmente (lat. maculatura ‚beflecktes / schadhaftes Stück‘/macula ‚Fleck‘): Nicht mehr benötigte Bücher oder Pergamentbögen aus Handschriften wurden im Mittelalter zur Verstärkung von Einbänden verwendet. Heute werden solche Fragmente vorsichtig aus den Inkunabeln* und frühen Drucken herausgelöst und dienen als wertvolle Quellen mittelalterlicher Textüberlieferung. Maskilim (hebr. ‚Aufklärer / Erzieher‘; Sg. Maskil): Jüdische Gelehrte und Schriftsteller des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die als Verfechter der jüdischen Aufklärung die Ideen der Haskala* verbreiteten. Masora / Masoreten: Der Begriff der Masora bezieht sich auf alle meta-textuellen Elemente zum Konsonantentext der Hebräischen Bibel (Grapheme, grammatische, syntaktische und statistische Notizen, Referenzen und Verweise), wie sie zum ersten Mal in den orientalischen Bibelcodices (9. Jahrhundert) auftreten. Man unterscheidet zwischen perpendikulärer Randmasora (masora parva), horizontaler Rand- und Endmasora (sog. masora magna bzw. masora finalis) sowie masora figurata (figurativ gestaltete masora magna). Unter Masoreten im engeren Sinn versteht man jene Gelehrten, die zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert in Babylonien und Tiberias die Bibelcodices mit Konsonantentext, Punktation und masoretischer Notation versahen. Berühmt waren die masoretischen Gelehrtenstuben der Familien Ben Ascher und Ben Naftali aus Tiberias. Megilla / Megillot (hebr. ‚Rolle‘): a) Bezeichnung für die Ester-Rolle, die an Purim gelesen wird. b) Die fünf Megillot sind die fünf Festrollen für Pesach (Schir ha-Schirim), Schav‘uot (Rut), Sukkot (Qohelet), Purim (Ester) und 9. Av (Ekha), die traditionell an den jeweiligen Festen und Gedenktagen zuhause und / oder in der synagogalen Lesung vorgetragen werden. Mezuza (hebr. ‚Türpfosten‘; Pl. Mezuzot): Ein kleines Röhrchen, in dem ein Pergamentstück (qelaf) enthalten ist, auf dem handgeschrieben die ersten beiden Abschnitte des Schema* (Dtn 6,4 – 9; 11,13 – 21) stehen. Die Mezuzot werden normalerweise an jedem Türpfosten im Haus angebracht. Metatron: Engelfigur, die bereits im Talmud (bHag 15a; bSanh 38b; bAv. Zar 3b) und vor allem in der frühen jüdischen Mystik (Hekhalot-Literatur) eine besondere Rolle spielte. Der in Ex 23,20 f. erwähnte Engel (… denn mein Name ist in ihm) wurde schon früh auf Metatron bezogen, weil der Zahlwert des Namens (plene* geschrieben: ‫ )מיטטרון‬mit dem Zahlwert des göttlichen Namens Schaddai (‫ )שדי‬identisch ist (314). Middot (hebr. ‚Maße / Richtlinien‘; Sg. midda): In rabbinischer Hermeneutik seit der tannaitischen* Zeit Bezeichnung für exegetische Regeln, insbesondere die sieben Middot Hillels und 13 Middot R. Jischmaels, mittels derer der Bibeltext interpretiert wird.

508    Anhang Midrasch (hebr. ‚das, was erforscht / ausgelegt wird‘): a) Eine Ausführung zum Bibeltext, die entweder Schwierigkeiten des Bibeltextes zu erhellen versucht oder erzählerische Lücken im Text schließt. Der Midrasch folgt bestimmten hermeneutischen Auslegungsregeln (vgl. Middot*). Ein Midrasch kann die Erklärung eines Bibeltextes zum Ziel haben (aggadische Midraschim), die Erläuterung eines Festes (homiletische Midraschim) oder die Erläuterung bzw. Etablierung von Gesetzen (halachische Midraschim). b) Titel eines Buches, das eine Sammlung von Midraschim enthält. c) In der zeitgenössischen jüdischen Philosophie Bezeichnung eines hermeneutischen Aktes, demzufolge ein Text erst durch die Interpretation vollendet wird. Mischna (hebr. ‚Wiederholung von mündlich Überliefertem‘): Sammlung des traditionellen Religionsgesetzes, die um ca. 200 u. Z. redigiert wurde. Die Gelehrten dieser Schrift nennt man ‚Tannaiten‘ (‚Lehrer‘). Die Mischna gliedert sich in sechs Ordnungen (schischa sedarim ‚SchaS‘), eine Ordnung besteht aus verschiedenen Traktaten (insgesamt 63), die einzelne Lehrsätze (sg. mischna; halakha) enthalten. Mitnaggedim (hebr. ‚Gegner‘): Bezeichnung für die (rabbanitischen) Gegner des osteuropäischen Chasidismus*. Mündliche Tora: Das rabbinische Judentum entwickelte als eines seiner Grundprinzipien die Lehre von der Zweiheit der einen Tora, die aus der schriftlichen Tora (Sefer [Tora]*) einerseits und der mündlichen Tora andererseits besteht, die beide die gleiche theologische Dignität haben. Mutakallimūn (arab. kalām ‚Rede / Gespräch‘): Arabisch-islamische Gelehrte des Kalām* und damit des muslimischen Gelehrtendiskurses. Mu‘tazila: Theologische Strömung des Islam mit Einfluss im Mittelalter insbesondere auf die Karäer*. Notariqon (griech. notariqon ‚Schnellschreiber‘; lat. notarius ‚Schreiber / Stenograph‘): Methode der Schriftauslegung, mittels derer biblische Wörter zerlegt und die einzelnen Buchstaben zu Anfangsbuchstaben neuer Wörter werden. Panentheistisch / Panentheismus (griech. pân ‚alles‘; en ‚in‘; theós ‚Gott‘): Bezeichnung für den Glauben, dass Gott / das Göttliche als das ‚All‘ der Welt immanent ist (im Hebräischen: hu ha-kol/hu-ba-kol) und die Welt von Gott umfasst wird. Pantheistisch / Pantheismus (griech. pân ‚alles‘; theós ‚Gott‘): Bezeichung für den Glauben, dass Gott / das Göttliche und die Schöpfung, die Natur bzw. das Universum identisch sind. Parallelismus membrorum: Stilelement orientalischer Dichtung, das sich insbesondere in den biblischen Psalmen wiederfindet und aus der Wiederholung unterschiedlicher Satzsegmente besteht. Parascha (hebr. ‚Abschnitt‘): Der Abschnitt aus der Tora, der in einer bestimmten Woche in der Synagoge öffentlich vorgetragen wird, auch Sidra genannt. Pesach-Haggada / Haggada schel Pesach (hebr.: ‚Erzählung von Pesach‘): Name des Buches, das die Texte und Gebete für den Sederabend enthält. Peschat(-Auslegung): Auslegung ad litteram, sog. ‚einfacher Wortsinn‘, manchmal auch als lectio historica*. Pharisäisch / Pharisäer (hebr. peruschim ‚Abgesonderte‘): Eine jüdische Strömung zur Zeit des zweiten Tempels. Im Kontext der Entwicklung

2. Glossar    509 des rabbinischen Judentums sind gewisse Kontinuitäten und Überschneidungen zwischen Pharisäern und den späteren Rabbinen zu beobachten. Pijjut (hebr. ‚Gedicht‘, Pl.: Pijjutim; von griech. poiētḗs): Religiöse Gedichte, die Eingang in die Liturgie der Synagoge gefunden haben. Die Pijjutim benutzen häufig biblische Wendungen, um neue Inhalte zu schaffen, die ihren liturgischen Ort interpretieren. Plene- und Defektivschreibung: Eine Wortschreibung, die im hebräischen Konsonantentext mit den sog. matres lectiones (‚Lesemütter‘ Waw, Jod und Alef als Hilfszeichen, um die Vokale besser zu erschließen) notiert ist, nennt man Plene-Schreibung; fehlen die matres lectiones spricht man von Defektiv-Schreibung. Pleonasmus (griech. pleonasmós ‚Übertreibung / Überfluss‘): Ein rhetorisches Stilmittel, wobei eine Wortgruppe eine gewisse Redundanz ausdrückt. Polyglotte (griech. polýglōttos ‚mehrsprachig‘): Bezeichnung für mehrsprachige Bibelausgaben. Qalonymos / Qalonymiden: Repräsentanten der Familie Qalonymos, deren Vorfahren – ursprünglich aus Lucca in Oberitalien stammend – seit dem 9. Jahrhundert ins Rheinland eingewandert waren und vor allem Speyer, Worms und Mainz (später auch Regensburg) zu geistigen Zentren des jüdischen Lebens werden ließen (siehe auch ‚SchUM‘-Gemeinden*). Wichtige Vertreter der Familie Qalonymos waren R. Jehuda ben Schemu’el he-Chasid (‚der Fromme‘; ca. 1150 – 1217) und sein Schüler R. El‘azar ben Jehuda von Worms (1165 – 1230). Qere → Ketiv / qere. Qerova (hebr. ‚Annäherung‘; pl. qerovot): Bezeichnung für liturgische Hymnen (pijjutim*) in der Amida* (Achtzehn- bzw. Siebenbittengebet). Rabbinisch-rabbanitisch: Unter rabbinischem Judentum versteht man jene Strömung, die sich nach den Pharisäern und Sadduzäern vor allem nach der Tempelzerstörung 70 u. Z. unter Jochanan ben Sakkai sammelte und die Gelehrten-Diskurse, wie sie sich vor allem in Mischna, Tosefta und den Talmudim literarisch kristallisierten, entscheidend prägte. Zur Unterscheidung von dieser frühen Strömung des Judentums wird das mittelalterliche Judentum (im Gegensatz zu den Karäern) manchmal als rabbanitisches Judentum bezeichnet. Rafe (hebr. ‚schwach‘): Hebräisches Akzentzeichen (‫ )ֿה‬in Bibel-Codices über Konsonanten, um die absichtliche Auslassung eines Dagesch* oder eines Mappiq, ein finales He als Vokalbuchstaben oder einen der BeGaDKeFaT-Konsonanten als Spiranten zu kennzeichnen. Sabbatianismus: Bezeichnung für eine von Schabbtai Tzvi (1626 – 76) begründete messianische Bewegung. Samaritaner / samaritanisch (hebr. schomronim ‚Wächter / Bewahrer / Beobachter‘): Eine Religionsgemeinschaft, die, wie auch das Judentum, den einen Gott verehrt, und die das Heiligtum auf dem Berg Garizim bei Sechem / Samaria zum Zentrum hat; sie besteht bis heute und ihre Bibel ist der Samaritanische Pentateuch, der nur die Tora, d. h. die fünf Bücher Mose, umfasst. Sanhedrin (griech. synhedrion ‚Versammlung‘): Gericht bzw. religiöse und politische Versammlung der Juden zur Zeit des zweiten Tempels. Der gleichnamige Mischna-Trakrat beschreibt den großen Sanhedrin mit

510    Anhang 71 Mitgliedern als oberstes Gericht, den kleinen Sanhedrin mit 23 Mitgliedern sowie außerdem lokale Gerichte (sg. Bet Din*). Schabbtai Tzvi → Sabbatianismus. Schekhina / Schechina (hebr. ‚Einwohnung [Gottes]‘): Ein Begriff, der die Gegenwart Gottes in der Welt beschreibt. Sefarad / sefardisch: Von einem biblischen Ortsnamen in Ovadja 1,20 abgeleitete und seit dem Mittelalter verwendete Bezeichnung für die iberische Halbinsel und den Mittelmeerraum. Sefer (Tora) (hebr. ‚Buch‘): Eine handgeschriebene Tora-Rolle wird im Hebräischen ein Sefer Tora genannt. Ein sefer im Hebräischen ist ein Buch. Die Tora-Rolle ist also ‚das‘ Buch schlechthin. Sie gilt als das heiligste Objekt des Judentums und spielt eine prominente Rolle im jüdischen Gottesdienst. Sefer Jetzira (hebr. ‚Buch der Schöpfung / Formung‘): Kosmologische Abhandlung aus der talmudischen Zeit, die die Elemente der Schöpfung mit den zehn (Ur-)Zahlen (sefirot*) und den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabetes angibt. Sefirot: Sind die zehn (Ur-)Zahlen, die gemeinsam mit den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabetes die 32 Pfade ergeben, mittels derer Gott nach der Darstellung des Sefer Jetzira* die Welt erschuf. Septuaginta (lat. ‚siebzig‘/LXX): Griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel durch Juden zwischen dem 3. Jahrhundert v. u. Z. und dem 1. Jahrhundert u. Z. mit Einschluss einiger direkt auf Griechisch verfassten Schriften. Schir ha-Jichud (hebr. ‚Gesang über die [göttliche] Einheit‘): Religiös-liturgische Komposition von R. Jehuda he-Chasid (st. 1217). ‚SchUM‘-Gemeinden: Akronym aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der drei Städtenamen Speyer (Schapira), Worms (Warmaisa) und Mainz (Magenza), die seit dem 9. Jahrhundert die geistigen Zentren des jüdischen Lebens in Deutschland bildeten (vgl. auch oben Chaside Aschkenaz*). Selichot (hebr. ‚Vergebungsbitten‘): Gebete, die vor, zwischen und an den Hohen Feiertagen gesagt werden. In ihrem Kern bestehen sie aus der Rezitation der 13 Eigenschaften Gottes (Ex 34, 6 – 7). Siddur (hebr. ‚Ordnung‘; Pl.: Siddurim): Bezeichnung für ein Gebetbuch für Schabbat und Wochentage, welches die Anordnung und den Wortlaut der Gebete für Schabbat- und Wochentage beinhaltet. Sifre Pitronot (‚Bücher der Erklärungen‘): Hebräisch-französische Glossarien, die nach den biblischen Büchern vers-chronologisch sortiert waren und von den sog. (Bibel)-‚Erklärern‘ (poterim) verfasst wurden. Sofrim: (hebr. ‚Schreiber / Schriftgelehrte‘, Sg.: Sofer): a) Ausgebildete Schreiber von Torarollen und Pergamenten für Mezuzot* und Tefillin*. b) die Nachfolger von Ezra (ha-Sofer), auch bekannt als ‚Männer der großen Versammlung‘. Auf sie führt die jüdische Tradition einige Anmerkungen zum Bibeltext zurück. Diese Anmerkungen heißen Tiqqune Sofrim* und sind in traditionellen Bibelausgaben abgedruckt. Sola scriptura (lat. ‚alleine durch die Schrift‘): Bezeichnung für das reformatorische Schriftprinzip, dem gemäß die Bibel die alleinige Autorität darstellt, die keiner Erklärung durch kirchliche Überlieferung bedarf.

2. Glossar    511 Tafsīr (arab. ‚Interpretation / Erklärung / Deutung‘): a) Arabische Bibelübersetzung des R. Sa‘adja ben Joseph Al-Fayyūmī (R. Sa‘adja Gaon); b) islamisches Genre der Koran-Exegese. Taga (aram. ‚Krone‘; Pl. Tagin): Verzierung (‚Krönchen‘) bestimmter Buchstaben in Tora-Rollen (Sefer Tora*) oder Bibel-Codices. Nach dem Talmud (bMen 29b) werden sieben Buchstaben in einer Tora-Rolle mit besonderen Verzierungen geschrieben (Schin; Ajin; Tet; Nun; Zajin; Gimel; Tzade). Heutige Tora-Rollen weisen auf sieben Buchstaben drei Tagin (Schin; Ajin; Tet; Nun; Zajin; Gimel; Tzade), auf sechs Buchstaben einen Taga (Bet; Dalet; Qof; Chet; Jod; He) und auf neun Buchstaben keinen Taga auf (Mem; Lamed; Alef; Kaf; Taw; Samekh; Waw; Pe; Resch). Talmud: (hebr. ‚Lehre‘ von hebr. lamad ‚lehren / lernen‘): Sammlung rabbinischer Kommentare von Gelehrten aus sieben Generationen (vgl. Amoräer*) über 36 von 63 Traktaten der Mischna*; auch Gemara* (‚Vollendung‘) genannt. Der Talmud wurde nicht vor 400 u. Z. in einer palästinischen Version (‚Talmud Jeruschalmi / Talmud Eretz Jisrael‘) und seit 500 u. Z. in einer babylonischen Version (‚Talmud Bavli‘) (anfangs-) redigiert. Letztlich erlangte der Talmud Bavli eine größere Autorität als der Talmud Jeruschalmi. Tannaiten / Tanna’im / tannaitisch (aram. tanna ‚Lehrer / wiederholen / lehren / lernen‘; vgl. hebr. schana ‚wiederholen / lehren / lernen‘): Rabbinische Gelehrte bzw. Lehren aus der Zeit der Mischna* und der Tosefta* (1. – 2. Jahrhundert u. Z.). Von den Tannaiten haben sich auch Midraschim* erhalten. Targum (hebr. ‚Übersetzung‘): Aramäische Übersetzung der Hebräischen Bibel. Tefillin (vgl. hebr. tefilla ‚Gebet‘): Bezeichnung für Lederriemen und Ledergehäuse, die Pergamente mit Bibelversen enthalten (Ex 13,8 – 10; 11 – 16; Deut 6,4 – 9; 11,13 – 21), die sich die Betenden in der Zeit des Morgengebetes (Schacharit) um den Arm und an die Stirn binden, um sich daran zu erinnern, dass Gottes Gebote das Tun und Denken prägen sollen. Tefillin werden nicht am Schabbat und an Feiertagen gelegt. Tetragramm (griech. ‚Vier-Geschriebenes‘): Griechische Bezeichnung für den vierbuchstabigen Namen Gottes. Textus receptus (der ‚anerkannte‘ Text): Der Textus receptus der hebräischen Bibel ist nicht etwa der ‚Urtext‘, sondern der gedruckte Text, wie ihn nach den Frühdrucken des 16. Jahrhunderts (Pratensis 1517 und 1521) vor allem die zweite Bomberg-Ausgabe von 1525 abbildet. Tiqqune Sofrim (hebr. tiqqun / sofer ‚Korrekturen der Schreiber‘): Nach rabbinischer Überlieferung 18 Verbesserungen (tiqqunim), die die Schreiber (sofrim) am Konsonantentext vornahmen, um gewisse, als anstößig empfundene Lesarten zu ändern bzw. abzumildern. Tora lischma (hebr. ‚Tora [lernen] für sie‘): Bedeutet in der talmudischen Literatur das Studium der Tora um ihrer selbst willen und nicht für andere Zwecke (bSuk 49b; bTaan 7a; bSan 99b u. ö.). Tosefta (aram. ‚Ergänzung‘): Eine aus dem 3. Jahrhundert stammende Sammlung von tannaitischen Traditionen außerhalb der Mischna*, zum Teil Kommentare zur Mischna, zum Teil aber altes, in der Mischna nicht überliefertes Material. Die Tosefta ist in die gleichen Ordnungen unterteilt wie die Mischna, allerdings etwa viermal so umfangreich.

512    Anhang Tosafisten (hebr./aram. ‚[Verfasser der] Zusätze‘; auch ‚ba‘ale ha-tosafot‘): Gelehrte zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert (insbesondere in Nordfrankreich und Aschkenaz), die Kommentare zum Talmud oder den Talmud selbst kommentierten. Man bezeichnet diese Kommentare als Tosafot. Tosefet / tosafot kann jedoch auch einfach ‚Glosse‘/‚Glossierung‘ (eines Textes) bedeuten. Tzarfat: Ursprünglich biblische Ortschaft Tzarephat (1Kön 17,9 f.; Ob 1,20), im mittelalterlichen Judentum Name für (Nord-)Frankreich. Vestigia trinitatis (lat. ‚Spuren der Dreifaltigkeit‘): Begriff aus der christlich-altkirchlicher Trinitätstheologie, nach dem Hinweise auf die Trinität Gottes (Gott; Jesus von Nazareth; heiliger Geist) schon in der Hebräischen Bibel zu finden seien. Vierbuchstabiger Name → Tetragramm. Vulgata (lat. ‚volkstümlich‘): Die lateinische Übersetzung der Bibel, die in ihrer Fassung im Mittelalter am verbreitetsten war, wohingegen ältere lateinische Übersetzungen unter dem Begriff Vetus Latina zusammengefasst werden. Wurzeln: Das Hebräische basiert wie die semitischen Sprachen im Allgemeinen auf drei Stamm- oder Wurzelkonsonanten (hebr. schoresch, ‚Wurzel‘). Die verschiedenen Wortformen werden durch Hinzufügung von Präfixen, Infixen und Suffixen gebildet.

1. Handschriftenregister    513

Indices

1. Handschriftenregister 1.1.  Sonstige Orte / Privatbesitz Codex Cairensis  13, 122 Codex S1 (früher Sassoon 1053)  13

1.2.  Öffentliche Bibliotheken Cambridge, University Library, Add. 669,2  140 Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Yb 4°10  363 Jerusalem, Israel Museum, Aleppo-Codex  13, 69, 122 Jerusalem, The National Library of Israel Israel, heb. 24°5702 ­(Codex  S)  13 Leipzig, Universitätsbibliothek, B. H. fol. 1  51, 53, 55 London, British Library, Add. 21 160  17 London, British Library, Add. 27 199  206 London, British Library, Or. 2091  16 London, British Library, Or. 4445  13 Moskau, Russian State Library, Guenzburg 82  140 München, BSB, Cod. hebr. 5  51 – 52, 55 München, BSB, Cod. hebr. 53  311 München, BSB, Cod. hebr. 81  206 Oxford, Bodleian Library, Opp. 27  142 Oxford, Bodleian Library, Opp. 111  139 Oxford, Bodleian Library, Opp. 506  142 Oxford, Bodleian Library, Opp. 540  139 Oxford, Bodleian Library, Opp. 625  82 Paris, Bibliothèque Nationale de France, hébr. 5 – 6  18 Paris, Bibliothèque Nationale de France, hébr. 148  311 Paris, Bibliothèque Nationale de France, hébr. 711  151 Paris, Bibliothèque Nationale de France, hébr. 1007  205 Parma, Biblioteca Palatina, Cod. Parm. 2199  140 Parma, Biblioteca Palatina, Cod. Parm. 2668  213 Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, ebr. 14  123 Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, ebr. 183  140 Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, ebr. 468  14 St. Petersburg, Russian National Library, Firkovich Evr. I B 19a  12 – 14, 69, 122 – 123 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, cod. hebr. 220  51, 55, 80

514    Indices

2. Stellenregister 2.1.  Hebräische Bibel Tora Genesis Gen  21, 34, 45, 107, 109 – 110, 114, 131, 167 – 168, 172 – 173, 203, 205, 219, 239, 255, 257, 262, 331 – 335, 339, 372, 402 Gen 1  21, 89, 129, 150, 205 Gen 1,1  88, 94 – 95, 129, 168, 173 Gen 1,1 – 43,16  263 Gen 1,3  378 Gen 1,3  149 Gen 1,5  109 – 110 Gen 1,5 – 8  110 Gen 1,1 – 6,8  82 Gen 1,26 – 27  91 Gen 1,27  76, 91 Gen 1,29  76 Gen 1 – 3  251 Gen 1 – 22  262 Gen 2,4  271 Gen 2,11  28 Gen 2 – 3  128 Gen 3,8  63 Gen 3,22  123 Gen 4,8  64, 92 Gen 4,23  377 Gen 6,3  70 Gen 6,1 – 4  225 Gen 9,18  88 Gen 9,25  88 Gen 9,27  388 Gen 10,25 – 26  70 Gen 12,6  184 Gen 12,10 – 20  184 Gen 12,17  185 Gen 13,2  185 Gen 14,3  358 Gen 15,1  273 Gen 17,1  169 – 170 Gen 17,16  226 Gen 18,8  350 Gen 18,12 – 13  143 – 144 Gen 19,24  125 Gen 21,1  225 – 226

Gen 22  273, 359 Gen 22,11 – 13  359 Gen 22,13  178 Gen 22,20  273 Gen 22,23  273 Gen 25  144 Gen 25,22  144 Gen 28  156 Gen 29,17  85 Gen 29,18  65 Gen 29,30  279 Gen 32,23 – 33  87 Gen 35,4  93 Gen 35,16  60 Gen 35,22  88 Gen 36,31  237 Gen 37,2  79, 86 Gen 41,45  107 Gen 44,16  67 Gen 46,15  170 Gen 47,4  185 Gen 49,1 – 28  326 Gen 49,4  88 Gen 49,10  67, 93 – 94

Exodus Ex  21, 107 – 110, 129, 203, 219, 245, 255, 257, 316, 331 – 332, 335, 339, 402 Ex 1,10  109 Ex 2,5  39 Ex 3,2  125 Ex 3,14  269 – 270 Ex 3,15  107 Ex 5,16  69 Ex 5,21  109 Ex 6,2  170, 270 Ex 6,3  109 Ex 6,28 – 29  123 Ex 7,15  83 Ex 9,17  67, 109 Ex 9,24  125 Ex 12,1  316 Ex 12,2  95, 168 Ex 12,3  168 Ex 12,8  115 Ex 12,9  107

2. Stellenregister    515 Ex 12,29  143 Ex 12,38  185 Ex 13,6  298 Ex 13,9  87 Ex 13,16  169 Ex 13,17 – 17,16  82 Ex 14,19 – 21  150 Ex 15,23  68 Ex 16,25  110 Ex 18,3  123 Ex 18,14 – 26  220 Ex 18,22 – 23  130 Ex 19,1  148 Ex 20  89 Ex 20,1  146 Ex 20,2  119 – 120, 148 Ex 20,8 – 11  89 Ex 20,12  92 Ex 20,17  148 Ex 21  271 Ex 21,1  354 Ex 23,20 – 21  145 Ex 23,25  171 Ex 24  202 Ex 24,7  239, 293 Ex 24,12  167 Ex 25,4  82 Ex 25,31  123, 234 Ex 27 – 30  232 Ex 27,6  353 Ex 28,4  76 Ex 28,6  140 Ex 29,18.41  176 Ex 30,10  140 Ex 30,20  176 Ex 31,18  5, 109 Ex 32,20  92 Ex 33,13  140 Ex 33,18  30 Ex 33,18 – 20  130 Ex 33,21  107 Ex 34,6  130 Ex 34,6 – 7  123 Ex 34,8  5, 109 Ex 40,35  81, 86

Leviticus Lev  177, 203, 245, 262, 314, 316, 331 – 332, 335 – 336, 353, 386 – 388

Lev 1,1  148 Lev 1,2  179 Lev 1,3  177 Lev 1,9  173 – 180 Lev 2,11.16  176 Lev 3,3. 9. 11.4  176 Lev 4,16  335 Lev 5,8  335 Lev 7,37  148 Lev 9,1  70 Lev 9,24  350 Lev 10  182 Lev 10,2  350 Lev 10,3  351 Lev 10,1 – 3  350 Lev 10,9  181 Lev 11  226 Lev 11,42  12, 227 Lev 12,1  226 Lev 15,31  182 Lev 16,1  181 Lev 19,17  39, 279 Lev 19,18  279 Lev 19,37  361 Lev 20,16  92 Lev 21,9  348 Lev 25,1  182 Lev 26,3 – 27,34  170 Lev 26,4  170 Lev 26,11  170 Lev 26,19  170 Lev 27,33  175

Numeri Num  203, 219, 245, 316, 336, 362, 402 Num 1,19  361 Num 5  362 Num 5,1  316 Num 7,1  182 Num 7,3  82 Num 10,35  145 Num 11,22  170 Num 13  226 Num 15,37 – 41  356 Num 16,35  351 Num 19  362 Num 20,5  171 Num 21,14  239 Num 23 – 24  405

516    Indices Num 26,46  348 Num 30,2 – 32,42  140 Num 33,1  171 Num 34,4  235 Num 35,16 – 17  92

Deuteronomium Dtn  82, 202, 219, 245, 316, 323, 331 – 332, 344, 354 Dtn 1,1  142 Dtn 1,2  82 Dtn 1,3  353 Dtn 1,3  353 Dtn 1,5  142 Dtn 1,6 – 4,43  220 Dtn 1,9 – 18  220 Dtn 3,5  358 Dtn 3 – 4  353 Dtn 4,2  120 Dtn 4,5.8  222 Dtn 4,24  29 Dtn 4,42  93 Dtn 6,5  279 Dtn 8,19 – 20  240 Dtn 10,10  83 Dtn 10,16  118 Dtn 13,1  120 Dtn 14,4  179 Dtn 16,18 – 21,9  221 Dtn 17  221 – 222 Dtn 17,14 – 20  221 – 222 Dtn 17,15  68 Dtn 17,18  202, 354 Dtn 18,7  228 Dtn 20  211 Dtn 20,10 – 14  224 Dtn 21,12  373 Dtn 21,10 – 14  373 Dtn 22,12  357 Dtn 24,15  82 Dtn 26,1 – 29,8  170 Dtn 29,5  171 Dtn 30,12  33 Dtn 30,14  307 Dtn 30,20  276 Dtn 32,17  217 Dtn 32,39  93, 270 Dtn 32,47  166 Dtn 33,17  83 Dtn 33,29  222

Nevi’im Rischonim Josua Jos  115, 202, 342 Jos 5,2  132 Jos 10,12  156 Jos 10,13  70 Jos 24,26  93

Richter Ri  9, 80, 115, 236, 342 Ri 3,2  230 Ri 5  258 Ri 9,20  358 Ri 11,26  70 Ri 15,4  358 Ri 15,5  358

Samuel 1 / 2Sam  115, 202, 268 1Sam 1,17 – 18  62, 65 1Sam 1,22  70 1Sam 2,27  70 1Sam 5,3 – 4  143 1Sam 8  222 1Sam 8 – 12  221 1Sam 13  223 1Sam 16,14  223 2Sam 12,2  348 2Sam 12,11  121 2Sam 15,30  121 2Sam 18,8  350

Könige 1 / 2Kön  80, 115, 203, 236, 239, 268, 334 1Kön 4,3  61 1Kön 7,49  123 1Kön 7,50  61 1Kön 12,1  93 1Kön 14,19  239 1Kön 15,25 – 32  69 1Kön 16,8 – 14  69 1Kön 16,21 – 28  69 1Kön 16,34  61 1Kön 21,19  92 1Kön 22,19 – 22  92 2Kön 4,4  143

2. Stellenregister    517 2Kön 14,26  61 2Kön 17  70 2Kön 17,2  70

Nevi’im Acharonim Jesaja

Jer 10,19  235 Jer 12,10  358 Jer 15,16  350 Jer 36,18  230 Jer 27,5  95 Jer 50,9  358

Jes  8, 27 – 29, 70, 80, 82, 106, 164, 203, 258, 308, 316, 334, 345, 358 Jes 1,4  358 Jes 1,21  92 Jes 2  203 Jes 2,1 – 4  231 Jes 2,4  223 – 224 Jes 2,15  358 Jes 2,18 – 20  127 Jes 3,19  62 Jes 3,22  76 Jes 6,2  132 Jes 6,3  148 Jes 6,8  92 Jes 7,14  127 Jes 9,17  358 Jes 10 – 11  203 Jes 10,24  61 Jes 11,6  157 Jes 14,3  82 Jes 20,3  358 Jes 24,23  97 Jes 25,6  227 Jes 25,12  358 Jes 30,26  149 Jes 33,24  82 Jes 43,7  131 Jes 43,16 – 17  183 Jes 49,9 – 13  183 Jes 52,7 – 12  183 Jes 61,3  34 Jes 63,1 – 3  281 Jes 63,12  132 Jes 65,25  157 Jes 66,20  82

Ezechiel

Jeremia

Joel

Jer  9, 70, 80, 82, 110, 115, 203, 258, 308, 334 Jer 4,31  358 Jer 9,23  240

Joel  80, 321 Joel 1,10  62 Joel 1,17  84 Joel 2,2  118 Joel 2,23  35

Ez  70, 80, 82, 90 – 91, 97, 110, 115 – 116, 268, 308 Ez 1  89, 114, 125, 131 Ez 1,4  125 Ez 3,3  350 Ez 5,7  40 Ez 7,6  40 Ez 7,22  358 Ez 14,13  40 Ez 20,11  276 Ez 37,11  133 Ez 37,12  97 Ez 40 – 43 / 48  126, 268 Ez 40,4  89 Ez 42,11  60 Ez 44,2  126

Zwölfprophetenbuch Hosea Hos  35, 70, 80, 321 Hos 2,1 – 3  96 Hos 2,14.18  40, 109 Hos 4,8  82 Hos 4,14  84 Hos 5,1  66 Hos 5,3  70 Hos 8,4  68 Hos 8,7  36 Hos 10,8  69 Hos 10,9  69 Hos 11,4  40, 109 Hos 12,9  185 Hos 13,2  358

518    Indices

Hag  21, 231

Ps 3,1  121 Ps 6,4  109 Ps 6,11  95 – 96 Ps 12,2  280 Ps 14,6  96 Ps 19,8  161 Ps 19,10  127 Ps 22,1  316 Ps 22,17  133 Ps 27,14  28 Ps 31,1  95 Ps 33,19  170 Ps 37,1  28 Ps 44,10  132 Ps 56,13  230 Ps 61,4  358 Ps 74,6  35 Ps 78,1  28 Ps 90,14 – 15  28 Ps 104,5  28 Ps 104,19  117 Ps 105,37  185 Ps 106,2  28 Ps 109 (LXX) 124 Ps 110,1 – 3  124 Ps 111,6  95 Ps 114,1  74, 257 Ps 114,2  64 Ps 119,1  33 Ps 119,130  149 – 150 Ps 124,4  235 Ps 136,22  235

Sacharja

Proverbia

Sach  80, 205 Sach 4,14  35

Spr  9, 27, 29, 111 – 112, 114, 116, 258, 268, 308 Spr 1,22  230 Spr 2,6  146 Spr 3,13  114 Spr 6,23  149 – 150 Spr 16,21  353 Spr 17,6  202 Spr 21,14  114 Spr 24,27  348 Spr 25,28  276 Spr 26,4  314

Amos Am 80 Am 8,12  275

Obadja Ob 321 Ob 1,20  200

Jona Jon  116, 205, 321

Micha Mi 80 Mi 4,4  224 Mi 4,1 – 6  231

Nachum Nah  47, 321 Nah 2,4  62

Habakuk Hab  116, 205 Hab 3,6 – 7  82

Haggai

Maleachi Mal 70

Ketuvim Psalmen Ps  9, 27 – 29, 36, 80, 82 – 83, 95, 106 – 107, 109, 114, 116, 122, 132 – 133, 142, 146, 205 – 206, 258, 268, 314, 334, 341, 355 Ps 2  83 Ps 2,12  280

2. Stellenregister    519

Hiob

Esra

Hi  24, 28 – 29, 47, 80 – 81, 106, 111 – 112, 164, 205, 207, 258, 268, 308, 340, 405 Hi 5,20  185 Hi 11,6  173 Hi 11,17  81 Hi 20,26  125 Hi 38,3  358 Hi 40,25 – 42,17  58

Esr  21, 58, 112, 240, 268, 337 Esr 7,6  239 Esr 7,10  239

Nehemia Neh  21, 58, 112, 240, 268, 337

Chronik

Hohelied

Chr  58, 114, 121, 268 1Chr 1,1  125

Hld  9, 78, 80 – 81, 106 – 107, 111, 164, 204, 245, 258, 316, 322 Hld 7,5  63 Hld 8,6  87

2.2.  Antike Autoren und Werke

Rut Rut  9, 56, 106, 245

Klagelieder Klgl  9, 105 – 106, 116 Klgl 1,2  358

Qohelet Koh  9, 81 – 82, 105 – 106, 116, 204, 245, 272, 308, 315 Koh 1,10  146 Koh 1,15  275 Koh 7,18  86 Koh 8,1  19

Ester Est  27, 80 – 81, 106 – 107, 245, 315, 333 – 334, 337 Est 2,7  348

Daniel Dan  27, 82, 106 – 107, 164, 203, 268 Dan 4,3  19 Dan 8,15  109

Apokryphen und Pseudepigraphien Ben Sira (Sirach)  9, 267 Prolog (I,8)  8, 23 1. Ezra  9, 27 Judit  9, 267 Tobit 9 1. – 4. Makkabäer  9 Psalmen Salomos  9 Sapientia Salomonis  262, 267

Philo von Alexandrien De Decalogo  21 De Specialibus Legibus  21 De Vita Contemplativa 78  21 De Vita Mosis  21 Quaestiones in Genesim  21 Quaestiones in Exodum  21

Flavius Josephus Antiquitates Judaicae  21 – 22 Ant. 1 – 11  21 Bellum Judaicum  21 Contra Apionem  22 C.  Ap. I, §§  37 – 41  9 Vita 22

Schriftrollen vom Toten Meer 1QpHab 35

520    Indices 1QpHab VII,1 – 5  20 1QIsa 8 1QS 35 4Q167 35 11Q5 36 CD (Damaskusschrift)  35

Neues Testament Apg 15,9.19 – 20,28 – 29  128 Röm 4,1 – 3.9 – 13  184 Röm 7 – 8  127 1Kor 10,1 – 11  183 Gal 3,6 – 9.16 – 18  184

2.3.  Rabbinische Literaturen Mischna mAr II,4 228 mAv  203, 205, 262 mAv I,1  145, 168 mAv II,2 313 mAv II,14 90 mAv III,13 233 mAv V,21  216 mMeg III,4 – 6  11 mMeg IV,1 – 4  11 mShab VI,6 62 mSan VII,1 178 mTaan IV,2 210 mTem I – VII 175

Tosefta tMeg III,1 – 4.10  11 tNeg I,8  351

Talmud Jeruschalmi jMeg 1,11 [71c]  10 jSan 2,6 [20d]  66 jSheq 6,1 [49d]  172 jSot 7,2 [21c]  74 jSuk 5,1 [55a]  182

Talmud Bavli bAr 11a  228 bAZ 81 bAZ 75a  57

bBB  81, 83, 164 bBB 15a – b  405 bBB 15b  121 bBB 60b  34 bBB 123a  85 bBer 22a  148 bBer 28b  246 bBM 164 bBM 59b  33 bBM 87a  144 bHag 6b  353 bHag 13a  90 bHag 13b  125 bHul  83, 164 bHul 60a  180 bMak 24a  90 bMeg 13a  348 bMeg 29b  11 bMen 28b  123 bMen 29b  172 bMen 45a  90 bMen 110a  148 bNed 38a  146 bNed 64b  348 bNid  81, 164 bNid 31a  226 bPes 81 bQid 30a  9 bQid 37b  108 bQid 38b  286 bQid 39b  146 bRhSh 13a  108 bRhSh 21b  146, 172 bSan 38b  145 bSan 51a  348 bSan 67a  126 bShab 83 bShab 13b  90 bShab 78a  361 bShab 104b  126 bShab 127a  146 bSot 20a  12 bSot 37b  353 bSot 49b  74 bSuk 51a  228 bTaan 9a – b  352 bTaan 24a  85 bTem 14b  10 bYev 83 bYev 48a  373 bYom 70a  74

2. Stellenregister    521 bZev 83 bZev 97b  179 bZev 115b  351

2.4. Kommentarliteratur: Bibelkommentare und zitierte Werke

Außertalmudische Traktate

Im Folgenden werden Kommentare zu einzelnen Bibelstellen sowie zitierte Texte aus anderen Werken aufgeführt. Wo keine explizite Bibelstelle bzw. kein Vers genannt ist, wird auf übergreifende Ausführungen oder Einleitungen verwiesen.

Sof  11, 325, 364 Sof I,7  11 Sof IX,2 12 SefT I,6  11

Midraschim Bereschit Rabba  63 BerR 70,16  85 BerR 70,17  65 Bereschit Rabbati  103, 111 Ekha Rabba EkhaR 1,57  161 EkhaR Petichta 24  96 Ester Rabba II 103 Mechilta deRabbi Shimon ben Jochai 333 Midrasch Rabba  45, 55, 103 Midrasch Tehillim II 103 Schemot Rabba ShemR 41  351 ShemR 1,22  185 ShemR 10,1  145 Seder Olam Rabba  70 SOR 22  70 Sifra  316, 323, 359 Sifra 1,16 – 18  179 SifBam 316 SifDev 161  10 Midrasch Tanchuma  55, 145, 178, 179, 184, 235

Targumim Gen 49,10  93 Ex 3,2  125 Dtn 21,12  373 Jes 30,26  149 Ez 1,4  125

Abravanel, Jitzchaq Gen  203, 219 Gen 6,1 – 4  225 Ex  203, 219 Ex 18,14 – 26  220 Ex 24  202 Lev 203 Num  203, 219 Dtn  202, 219 Dtn 1,6 – 4,43  220 Dtn 1,9 – 18  220 Dtn 4,5.8  222 Dtn 16,18 – 21,9  221 Dtn 17  221 – 222 Dtn 17,14 – 20  221 – 222 Dtn 17,18  202 Dtn 20,10 – 14  224 Dtn 33,29  222 1Sam 8  222 1Sam 8 – 12  221 Kön 203 Jes 203 Jes 2  203 Jes 2,1 – 4  231 Jes 2,4  223 – 224 Jes 10 – 11  203 Jer 203 Mi 4,4  224 Mi 4,1 – 6  231 Spr 17,6  202 Dan 203

Altschuler, David Ez 40 – 43 / 48  268 Ps 268

522    Indices Spr 268 Hi 268

Altschuler, Jechi’el Hillel Ez 40 – 43 / 48  268 Ps 268 Spr 268 Hi 268

Avraham ben Meïr ibn Ezra Nedod Hesir Oni 105 Iggeret Schabbat  109 – 110 Gen  107, 109 – 110 Gen 1  129 Gen 1,1  129 Gen 1,5  109 – 110 Gen 2,11  28 Gen 2 – 3  128 Gen 3,22  123 Gen 36,31  237 Gen 41,45  107 Ex  107 – 108, 129 Ex 1,10  109 Ex 3,15  107 Ex 5,21  109 Ex 6,3  109 Ex 6,28 – 29  123 Ex 9,17  109 Ex 12,9  107 Ex 16,25  110 Ex 18,3  123 Ex 18,22 – 23  130 Ex 20,2  119 – 120 Ex 25,31  123 Ex 31,18  5, 109 Ex 33,18 – 20  130 Ex 33,21  107 Ex 34,6  130 Ex 34,6f  123 Ex 34,8  5, 109 Dtn 10,16  118 1Kön 7,49  123 Jes 106 Joel 2,2  118 Ps  106 – 107, 109 Ps 6,4  109 Ps 12,2  280 Ps 104,19  117 Hi 106

Hld  106 – 107 Rut 106 Klgl  105 – 106 Koh  105 – 106 Est  106 – 107 Dan  106 – 107 Dan 8,15  109 Hos 2,14.18  40, 109 Hos 11,4  40, 109 Joel 2,23  35 Ps 74,6  35

Bachja ben Ascher Lev 1,3  177 Lev 1,9  177 – 180 Gen 22,13  178 Dtn 14,4  179

Bekhor Schor  Josef ben Jitzchaq Ben Ze’ev, Jehuda Löw Mavo. Hakdama Klalit 282

Berlin, Naftali Tzvi Jehuda ­(Netziv) Ex 27,6  353 Lev 353 Lev 19,37  361 Num 362 Num 1,19  361 Dtn 323 Dtn 1,3  353 Dtn 3 – 4  353 Spr 16,21  353 Hld 322

Buber, Martin „Über die Wortwahl in einer Verdeutschung der Schrift“ (1936) 375 „Zu einer neuen Verdeutschung der Schrift“ (1954)  374 – 375

Cassuto, Umberto Mosche David The Goddess Anath (1971)  384

2. Stellenregister    523 Gen 339 Ex 339

Culi, Ja`aqov Gen 257 Ex 257 Ps 114,1  257

David Qimchi (Radaq) Mikhlol 1b  113 Gen  114, 131 Ex 12,8  115 Jos 5,2  132 2Sam 12,11  121 2Sam 15,30  121 Jes 2,18 – 20  127 Jes 6,2  132 Jes 7,14  127 Jes 43,7  131 Jes 63,12  132 Ez 1  114, 131 Ez 37,11  133 Ez 40 – 48  126 Ez 44,2  126 Ps  114, 132 – 133 Ps 3,1  121 Ps 19,10  127 Ps 22,17  133 Ps 44,10  132 Ps 109 (LXX) 124 Ps 110,1  124 Spr 114 Spr 3,13  114 Spr 21,14  114 Chr 121

El‘azar ben Jehuda von Worms Sefer ha-Chokhma, Einleitung 146 Gen 1  150 Ex 14,19 – 21  150 Ex 19,1  148 Ex 20,2  148 Ex 20,17  148 Lev 1,1  148 Lev 7,37  148 Jes 30,26  149 Ps  142, 146

Ps 119,130  149 – 150 Spr 2,6  146 Spr 6,23  149 – 150

Eli‘ezer aus Beaugency Gen 1,1 – 6,8  82 Ex 13,17 – 17,16  82 Dtn 82 Dtn 1,2  82 Jes 82 Jes 14,3  82 Jes 24,23  97 Jes 33,24  82 Jer 82 Ez  82, 90 Ez 1  89 Ez 37,12  97 Ez 40,4  89 Hos 2,1 – 3  96 Hos 4,8  82 Hab 3,6  82 Ps 82 Koh 82 Dan 82

Elijahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi (Elia Levita, Elijjahu Bachur) Masoret ha-Masoret, Einleitung II  232 – 233 Ps 206 Hi 207

Frensdorff, Salman (Salomon) Das Buch Okhla we-Okhla, „Zum Verständiss“ (1864)  362 – 363

Geiger, Abraham „Nachrichten“ (1835c)  371 „Zur Geschichte der Maßorah“ (1864 / 65)  363 – 365

Hirsch, Samson Raphael „Eine Bibelanstalt für die Anhänger des traditionellen Judenthums“ (1860)  372

524    Indices „Siwan“ (Ges. Schriften, Bd. 1, 1902) 355 Gen 372 Gen 22  359 – 360 Ex 21,1  354 Lev 314 Num 15,37 – 41  356 Dtn 21,12  373 Dtn 22,12  357 Ps  314, 355

Hoffmann, David Tzvi Das Buch Leviticus, Allgemeine Vorbemerkung (1905)  386 – 388 Gen 9,27  388 Lev  331 – 332, 386 – 388 Gen  331 – 332 Ex  331 – 332 Dtn  331 – 332

Jacob, Benno Die Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri (1909)  389 Die Thora Moses, Bd. 1 (1912)  390 – 391 Das Erste Buch der Tora Genesis (1934) 392 Gen  334 – 335 Ex 335 Lev  335 – 336 Lev 4,16  335 Lev 5,8  335 Num 336 Est  333 – 334 1 / 2Kön  334 Jes 334 Jer 334 Ps 334

Jampel, Sigmund „Die bibelwissenschaftliche Literatur der letzten Jahre“ (1908)  380 – 381 Vorgeschichte des israelitischen Volkes und seiner Religion (1928) 381

Est 337 Neh 337 Esr 337

Jefet ben Eli ha-Levi (Abu Ali ibn al Hasan ibn Ali al-Basri) Hos 35 Joel 2,23  35

Jehuda ben Schemu’el he-Chasid Gen 18,13  143 – 144 Gen 25  144 Gen 25,22  144 Ex 12,29  143 Ex 23,20  145 Ex 28,6  140 Ex 30,10  140 Ex 33,13  140 Num 10,35  145 Num 30,2 – 32,42  140 Dtn 1,1  142 Dtn 1,5  142 1Sam 5,3 – 4  143 2Kön 4,4  143

Jeitteles, Jehuda Löw Kitve Qodesch, Sefer Schemu’el  282 – 283 Sam 268 Kön 268 Ez 268 Dan 268 Esr 268 Neh 268 Chr 268

Josef ben Jitzchaq (Bekhor Schor) Gen 1,26  91 Gen 1,27  91 Ex 7,15  83 Ex 32,20  92 Dtn 10,10  83 Ps 83 Ps 2  83

2. Stellenregister    525

Josef ben Schim‘on Qara

Kohler, Kaufmann

Ex 5,16  69 Dtn 17,15  68 Jos 10,13  70 Ri 11,26  70 1Sam 1,17  62, 65 1Sam 1,22  70 1Sam 2,27  70 2Kön 17  70 2Kön 17,2  70 Jes 3,22  76 Hos 4,14  84 Hos 5,1  66 Hos 5,3  70 Hos 8,4  68 Hos 10,8  69 Joel 1,10  62 Joel 1,17  84 Nah 2,4  62 Rut 56 Hi 11,17  81

Der Segen Jacob’s (1867)  379 „Die Bibel und die Todesstrafe“ (1868)  377 – 378 Grundriß einer systematischen Theologie des Judentums (1910) 380 Studies, Addresses, and Personal Papers (1931)  378 Gen 1,3  378 Gen 4,23  377 Gen 49,1 – 28  326

Josef Qimchi (Riqam) Jer 110 Ez 110 Spr 111 Hi 111 Hld 111 Jes 7,14  127

Kahana, Abraham Gen 402 Ex 402 Num 402

Kaufmann, Yehezkel (Chaskel Koifmann) „Bewerbung um eine Stelle […]“ [Kaufmann Archive, no 125] (1926)  392 – 393 „Probleme der israelitisch-jüdischen Religionsgeschichte II“ (1933)  393 – 394 Jos 342 Ri 342 Dtn 344

Luzzatto, Schemu’el David ben Hiskia (Schadal) Jes 308 Jer 308 Ez 308 Spr 308 Hi 308 Koh 308

Malbim  Weisser, Meïr Löw Meklenburg, Ja‘aqov Tzvi Ha-Ketav we-ha-Qabbala, Ma’amar ha-Tora 349 Ha-Ketav we-ha-Qabbala 5  349 Darka schel Tora IV  351 – 352 Gen 18,8  350 Lev 9,24  350 Lev 10,2  350 Lev 10,1 – 3  350 Lev 21,9  348 Num 16,35  351 Num 26,46  348 Dtn 30,14  307 2Sam 12,2  348 2Sam 18,8  350 Jer 15,16  350 Ez 3,3  350 Spr 24,27  348 Est 2,7  348

Menachem ben Schelomo ha-Meïri Spr 116

526    Indices Menachem ben Schim‘on aus Posquières

Minchat Schai  Nortzi, Jedidja Salomon ben Abraham

Jer 115 Ez 115 Ez 1  125 Ez 1,4  125 Ez 5,7  40 Ez 7,6  40 Ez 14,13  40

Mosche ben Maimon (Maimonides, Rambam)

Mendelssohn, Moses Jerusalem (JubA 8)  269 Or la-Netiva (JubA 9,1)  275 – 276 Rez. Lowths (JubA 4)  280 – 281 Gen 2,4  271 Gen 15,1  273 Gen 22  273 Gen 22,20  273 Gen 22,23  273 Ex 3,14 – 15  269 – 270 Ex 6,2  270 Ex 21  271 Dtn 30,20  276 Dtn 32,39  270 Ri 5  258 Jes 258 Jes 63,1 – 3  281 Jer 258 Am 8,12  275 Ps 258 Ps 2,12  280 Ps 2,8  280 Spr 258 Spr 25,28  276 Hi 258 Hld 258 Koh 272 Koh 1,15  275

Messer Leon, Jehuda ben Jechi’el Nofet Tzufim I,13  216 – 217 Dtn 32,17  217

Michaelis, Johann David Deutsche Übersetzung des Alten Testaments (1773)  277

Mischne Tora, Hilkhot Melachim XI,3 – 4  156 – 157 More ha-Nevokhim III,32  173 – 174 More ha-Nevokhim III,46 174

Mosche ben Nachman (Ramban, Nachmanides, Moses Gerondi, Bonastrug da Porta) Gen  167 – 173 Gen 1,1  168, 173 Gen 12,6  184 Gen 12,10 – 20  184 Gen 12,17  185 Gen 13,2  185 Gen 17,1  169 – 170 Gen 46,15  170 Gen 47,4  185 Ex 6,2  170 Ex 12,2  168 Ex 12,38  185 Ex 13,16  169 Ex 23,25  171 Ex 24,12  167 Lev 177 Lev 1,9  173 – 176 Lev 10  182 Lev 10,9  181 Lev 15,31  182 Lev 16,1  181 Lev 25,1  182 Lev 26,3 – 27,34  170 Lev 26,4  170 Lev 26,11  170 Lev 26,19  170 Num 7,1  182 Num 11,22  170 Num 20,5  171 Num 33,1  171 Dtn 26,1 – 29,8  170 Dtn 29,5  171 Jes 164 Hos 12,9  185 Ps 33,19  170

2. Stellenregister    527 Ps 105,37  185 Hi 164 Hi 5,20  185 Hi 11,6  173 Hld 164 Dan 164

Mosche Qimchi (Remaq)

Lev 11,42  227 Dtn 18,7  228 Dtn 20,1 – 4  211 Ri 3,2  230 Jes 25,6  227 Jer 36,18  230 Ps 56,13  230 Spr 1,22  230

Spr 112 Hi 112 Esr 112 Neh 112

Pseudo El‘azar  El‘azar ben Jehuda von Worms

Netziv  Berlin, Naftali Tzvi Jehuda

Radaq  David Qimchi

Nortzi, Jedidja Salomon ben Abraham (Minchat Schai)

Ramban  Mosche ben Nachman

Ex 25,31  234 Num 34,4  235 Jer 10,19  235 Ps 124,4  235 Ps 136,22  235

Raschi  Schelomo Jitzchaqi

Philippson, Ludwig „Unser Bibelwerk beendet“ (1854) 370 „Die Herstellung und Verbreitung wohlfeiler Bibeln“ (1859)  371 „Das Judentum und die Schriftkritik“ (1864)  365 – 366 „Die Propheten und das mosaische Gesetz“ (1885b)  377 Dtn 21,12  373 Hos 321 Joel 321 Ob 321 Jona 321 Nah 321

Portaleone, Abraham ben David Schilte ha-Gibborim 4  228 Schilte ha-Gibborim 12  228 – 229 Schilte ha-Gibborim 41  229 Schilte ha-Gibborim 43  230 Schilte ha-Gibborim 53  227 Lev 11  226 – 227

Qara  Josef ben Schim‘on Rambam  Mosche ben Maimon

Raschbam  Schemu’el ben Meïr Remaq  Mosche Qimchi Riqam  Josef Qimchi dei Rossi, Azarja (Bonaiuto) ben Mosche Me’or Enajim, Imre Bina 46  232 Ex 27 – 30  232

Rubaschow, Schneur Zalman (Schneur Zalman Schazar) Toldot Biqqoret ha-Miqra (1925)  366 – 367, 382 – 383

Sa‘adja Gaon (R. Sa‘adja ben Joseph Al-Fayyu¯mi¯ ) Dtn 4,24  29 Ex 2,5  39 Ex 33,18  30 Jes  27 – 29 Ps  27, 29 Ps 27,14  28 Ps 37,1  28 Ps 78,1  28 Ps 90,14 – 15  28

528    Indices Ps 104,5  28 Ps 106,2  28 Hi  24, 28 – 29 Est 27 Spr  27, 29 Ezra 27 Dan 27

Schadal  Luzzatto, Schemu’el David ben Hiskia Schelomo Jitzchaqi (Raschi) Gen 1,1  94 – 95 Gen 1,26 – 27  91 Gen 1,27  76, 91 Gen 3,8  63 Gen 4,8  64 Gen 6,3  70 Gen 10,25 – 26  70 Gen 29,18  65 Gen 35,16  60 Gen 44,16  67 Gen 49,10  67 Ex 9,17  67 Ex 12,2  95 Ex 12,3  168 Ex 15,23  68 Ex 28,4  76 Lev 1,2  179 Lev 9,1  70 Lev 10,3  351 Jes 3,19  62 Jes 10,24  61 Jer 27,5  95 Hos 8,4  68 Nah 2,4  62 Ps 6,11  95 – 96 Ps 14,6  96 Ps 31,1  95 Ps 111,6  95 Ps 114,2  64 Hld 7,5  63 Hi 40,25 – 42,17  58 Esr 58 Neh 58 Chr 58 1Kön 4,3  61 1Kön 7,50  61 1Kön 16,34  61

2Kön 14,26  61 Ez 42,11  60

Schemu‘el ben Meïr (Raschbam) Gen 1,1  88 Gen 1,5 – 8  110 Gen 1,29  76 Gen 4,8  92 Gen 9,18  88 Gen 9,25  88 Gen 22  273 Gen 29,17  85 Gen 32,23 – 33  87 Gen 35,4  93 Gen 35,22  88 Gen 37,2  79, 86 Gen 49,4  88 Gen 49,10  93 – 94 Ex 13,9  87 Ex 20,8 – 11  89 Ex 20,12  92 Ex 40,35  81, 86 Lev 20,16  92 Num 35,16 – 17  92 Dtn 4,42  93 Dtn 32,39  93 Jos 24,26  93 Ri 80 Kön 80 1Kön 12,1  93 1Kön 22,19 – 22  92 Jes 80 Jes 1,21  92 Jes 6,8  92 Jer 80 Ez 80 Hos 80 Joel 80 Am 80 Mi 80 Sach 80 Ps 80 Hi  80 – 81 Hi 11,17  81 Hld  78, 80 – 81 Hld 8,6  87 Koh 81 Koh 7,18  86 Est  80 – 81

2. Stellenregister    529

Seeligmann, Isac Leo (Arie) Jes 345

Sefer Chasidim SHP #386  SHP #498  SHP #773  SHP #796  SHP #806 

144 140 140 140, 142 140

Sforno, Ovadja Gen 1  205 Gen 17,16  226 Gen 21,1  225 – 226 Lev 12,1  226 Num 13  226 Jon 205 Hab 205 Sach 205 Ps 205 Hi 205 Hld 204 Koh 204

Soloveitchik, Menachem Toldot Biqqoret ha-Miqra (1925)  366 – 367, 382 – 383

de Spinoza, Baruch (Bento, Benedictus) Tractatus Theologico-Politicus TTP. 3  240 TTP.  5  240 – 241 TTP.  7  237 – 239 TTP. 8  239 Gen 239 Dtn 8,19 – 20  240 Jer 9,23  240 Esr 240 Esr 7,6  239 Esr 7,10  239 Neh 240 Kön 239

Tanchum ben Josef ha-Jeruschalmi Jos 115 Ri 115 Sam 115 Kön 115 Jer 115 Ez 115 Jon 116 Hab 116 Klgl 116 Ps 116 Koh 116

Torczyner, Harry  Tur Sinai, Naftali Herz Tur Sinai, Naftali Herz Ps 341 Hi 340 Joel 1,17  84

Weisser, Meïr Löw (Meyer Löbusch / Leibusch) ben Jechi’el Michael (Malbim) Ha-Tora we-ha-Mitzwa, Tokhen ha-Machberet 3 – 4  358 – 359 Gen 14,3  358 Ex 316 Ex 12,1  316 Lev 316 Num 316 Num 5,1  316 Dtn 316 Dtn 3,5  358 Ri 9,20  358 Ri 15,4  358 Ri 15,5  358 Jes  316, 358 Jes 1,4  358 Jes 2,15  358 Jes 9,17  358 Jes 20,3  358 Jes 25,12  358 Jer 4,31  358 Jer 12,10  358 Jer 50,9  358

530    Indices Ez 7,22  358 Hos 13,2  358 Ps 61,4  358 Hi 38,3  358 Hld 316 Klgl 1,2  358 Est 315 Koh 315

Wessely, Hartwig (Naphtali Herz Weisel) Vorrede zum Bi’ur Wajjiqra (JubA 9,3) 278 Gen 262 Gen 1 – 22  262 Gen 29,30  279 Lev 262 Lev 19,17  39, 279 Lev 19,18  279 Dtn 6,5  279 Sapientia Salomonis  262, 267

Ya‘qûb al-Qirqisânî Gen 34

3. Namensregister    531

3. Namensregister Abravanel, Jitzchaq  3, 191 – 193, 200 – 203, 219 – 225, 228, 231 – 232, 297 Abd al-Rahman III. 37 Abû al-Faraj Hârûn ibn Faraj  34 Abū al-Walîd Merwân ibn Ğanaḥ → Jona ibn Ğanaḥ Abû Dscha‘far Muhammad ibn Dscharīr ibn Yazīd at-Tabari 27 Abû Ya‘qûb Yûsuf ibn Nûḥ 34 Achai Gaon  323 Adler, Abraham  298, 301 Adler, Nathan  263, 330 Aharon ben Ascher  12 – 13 Albeck, Chanoch  292 Alfonso II. (Neapel)  201 Alfonso  V. (Portugal)  200 – 201 Alfonso X. (el Sabio, Kastilien) 101 Alt, Albrecht  335, 391 Altschuler, David  268 Altschuler, Jechi’el Hillel  268 Anan ben David  32 – 34 Andreas von St. Victor  46 Anselm von Laon  46 Aquila 10 Aristobul 20 Aristoteles  29, 134, 155 – 156, 193, 199, 205, 218, 223, 246 Ascher der Ältere  12 Astruc, Jean  367 Aub, Josef  327 Auerbach, Chaim (aus Łęczyca) 315 Auerbach, Erich  298 Augustinus  45, 193 Averroes 193 Avicenna 193 Avner von Burgos  133 Avraham ben Azri’el  80 Avraham ben Jitzchaq aus Narbonne (Ravad II) 118 Avraham ben Meïr ibn Ezra  XIV, 2, 5, 24, 27 – 29, 35 – 36, 39 – 40, 58, 82, 90, 100 – 101, 104 – 120, 123 – 124, 126, 128 – 130, 134, 137, 145, 147, 149, 155, 162, 179, 196, 219, 232, 235,

237, 246, 263, 269 – 280, 297, 362 – 363 Ba‘al ha-Arukh → Natan ben Jechi’el aus Rom Bacher, Wilhelm  40, 294, 305 Bachja ben Ascher  166 – 167, 177 – 180, 186 Baeck, Leo  292, 299, 305 Bamberger, Seligmann B.  298, 301 Baschwitz, Baruch  263 Basile, Raffael Chajjim  213 Bekhor Schor → Josef ben Jitzchaq Bellette (Tochter des El‘azar ben Jehuda von Worms)  141 Ben Bag Bag  216 Ben Chorin, Schalom  327 Ben Eli‘ezer, Israel (Ba‘al Schem Tov) 244 Ben Gurion, David  399 Ben Sira  8 – 9, 23, 267 Ben Ze’ev, Jehuda Löw  XVII, 266 – 268, 281 – 283, 367 Benjamin ben Joav  105 Benjamin ben Mosche al-Nahawendi 32 Benjamin ben Jona aus Tudela 105 Berlin, Naftali Tzvi Jehuda (Netziv)  307, 322 – 324, 331, 351 – 353, 361 – 362 Berliner, Abraham  51, 54, 56, 60, 293, 306, 324 – 325 Bernay, Isaak  310 – 312 Bernfeld, Simon  302, 304 Bernhard, Isaac  253 Bernhard von Chartres  241 Bernhard von Clairvaux  136 Bialik, Chaim Nachman  341 – 342 Billig, Mendel (Menahem Zulay) 346 Biram, Arthur  341 Blanca von Kastilien  159 Blau, Ludwig  294 Bleichrode, Isidor  298, 302, 373 Blitz, Jekutiel  257 Boeckh, August  286, 320

532    Indices Bomberg, Daniel  195 – 197, 207, 212 Bousset, Wilhelm  333 Breuer, Mordechai  401, 404 Buber, Martin  84, 253, 271, 299, 302, 373 – 375 Büdinger, Moses Israel ben Isaak Mordechai 296 Buxtorf, Johann der Ältere  198, 208, 249 Buxtorf, Johann der Jüngere  208 Calcagnini, Celio  205 Calixt II. (Papst)  136 Capellus, Ludovicus  207 Cassuto, Umberto Mosche David  333, 338 – 339, 341, 384 – 385, 400 – 401 Cataneo, Gerolamo  193 Chmelnyzkyj, Hetman Bogdan 244 Chrétien de Troyes  77, 87 Christiani, Pablo  90, 160 – 161, 165 Cicero  199 – 200, 219 Clemens IV. (Papst)  163 Clemens VI. (Papst)  188 Cohen, Hermann  305 Cohen, Schalom ben Jakob  297, 300 Conat, Abraham  199 Cornill, Carl Heinrich  376 Cossmann, Julius-Jona  301, 306, 372 da Costa, Uriel  213 – 214, 236 – 237, 242 Culi, Ja‘aqov  257 Daiches, Israel Chaim  399 Dalman, Gustaf  367 Daniel al-Qûmisî  32 – 36 Daniel da Prate (Felix Pratensis)  195 – 196 David ben Abraham al-Fasi  35 David Qimchi (Radaq)  3, 19, 24, 100 – 117, 120 – 122, 124, 126 – 128, 130 – 134, 154 – 159, 196, 207, 219, 246, 363 Delitzsch, Friedrich  325, 338, 378, 382 – 383 Delitzsch, Franz  81, 325

Demetrios 20 Descartes, René  244 Dessauer, Julius  298, 301, 372 – 373 Díaz Esteban, Fernando  363 Dienemann, Max  298, 303 Dohm, Christian Wilhelm  247 Dominikus 136 Donin, Nicholas  90, 158 – 159 Dotan, Aaron  236, 401 – 402 Dubno, Salomon Joel  255, 257, 263 Duhm, Bernhard  343, 376 Dulcea / Dolce (Frau des R. El‘azar ben Jehuda von Worms)  141 Dunasch ibn Labrat  24, 38 – 39, 67, 106, 108 Duran, Profiat  194 Ebers, Georg  322 Edel, Samuel  245 Eger, Akiba  306 Eichhorn, Johann Gottfried  251 – 252, 266 – 267, 275, 282, 288, 309, 367 Einhorn, David  327 El‘azar ben Jehuda von Worms  137, 139 – 141, 143, 145 – 147, 149 – 150, 206, 270, 379 Elbogen, Ismar  292, 305, 347 Eliano, Vittorio  206 Eli‘ezer ben Hyrqanos  246 Eli‘ezer aus Beaugency  XIV, 50, 81 – 82, 85, 89 – 90, 96 – 98, 115, 125 Eli‘ezer ben Jitzchaq (ha-Gadol, Gaon) 49 Eli‘ezer Josef Tov Elem  107 Eli‘ezer von Tarascon  160 Elijahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi (Elia Levita, Elijjahu Bachur)  112, 198, 206 – 207, 232 – 234, 249, 257, 274, 311, 323, 362, 388 Elman, Yaakov  166, 335 – 336 Emden, Jakob Israel Ben Tzvi Aschkenazi 245 van den Enden, Franciscus  214 Epstein, Zalman  399 Ettlinger, Jakob  312, 326

3. Namensregister    533 Ettlinger, Natan  310 Eusebius von Caesarea  20 Ewald, Georg Heinrich August Ewald 297 Eybeschütz, Jonathan ben Nathan 262 Fagius, Paulus  206 Ferdinand III. von Kastilien und Léon 101 Ferdinand von Aragon  189, 201, 203 Ferrante I. (Ferdinand I.) von Neapel 201 Firkovich, Avraham  31 – 32 Flavius Josephus  9, 21 – 23, 232, 297 Flusser, David  327 Fraenkel, David Hirschel  253 Fraenckel, Jonas  80, 291, 294 Frankel, Zacharias  236, 291, 320, 404 Frankfurter, Mendel  312 Franz I. (Österreich)  290, 294 Franz von Assisi  136 Frensdorff, Salman (Salomon)  249, 310 – 312, 362 – 365, 388 Friedländer, Joseph Abraham 320 Friedrich III. 199 Friedrich Barbarossa  136 Garbitius, Matthias  208 Geiger, Abraham  XII – XIII, 209, 266, 291 – 292, 297, 303, 308, 310 – 312, 314, 317 – 321, 326 – 327, 345, 363 – 365, 370 – 371, 388, 407 Gentili, Mosche Chefetz  191 Gerhoch von Reichersberg  136 Gerschom ben Jehuda Me’or ha-Gola  19, 48 – 49 Gesenius, Wilhelm  297 Gikatilla → Josef ben Avraham Gikatilla Gilbert von Poitiers  46, 56 Goldschmidt, Lazarus  302 Goldziher, Ignaz  294 Graetz, Heinrich  321

Graf, Karl Heinrich  287, 331, 339, 343 Greenberg, Moshe  332, 344 Gregor VII. (Papst)  78 Gregor IX. (Papst)  158 Gregor XIV. (Papst)  192 Gressmann, Hugo  335 Güdemann, Moritz  305 Gunkel, Hermann  367, 391 Gutenberg, Johannes  191 Ha‘am, Achad  399 Hadassi, Jehuda ben Eliyahu  36, 323 Haimo aus Auxerre  45 Hanna (Tochter des El‘azar ben Jehuda aus Worms)  141 Hasdai ben Jizchaq ben Ezra ibn Schaprut 37 Heidenheim, Benjamin Wolf  236, 263, 265 – 267, 297, 319, 323, 363 Heinrich II. (Frankreich)  189, 204 Heinrich IV. (HRR)  48, 78 Heinrich V. (HRR) 136 Herder, Johann Gottfried  249 – 252, 258, 297, 367 Hermann, Johann Gottfried Jacob 288 Herodot 291 Herxheimer, Salomon  297, 300, 371, 373 Herzfeld, Levi  321 Hieronymus  45, 83, 124, 193 Hildegard von Bingen  136 Hildesheimer, Erich Esriel  305 Hildesheimer, Esriel  292 – 293, 305, 324, 328 – 329 Hildesheimer, Meïr  305 Hirsch, Samson Raphael  215, 298, 301, 303 – 304, 310, 312 – 314, 322 – 327, 330, 332, 336, 348, 354 – 362, 372 – 373, 390, 392, 404 Hirschberg, Avraham Schmu’el 303 Hoffmann, David Tzvi  272, 293, 304, 314, 328 – 333, 343 – 344, 384 – 392, 405 Homer  20, 287, 291, 389, 405

534    Indices Honorius III. (Papst)  136 Horowitz, Pinchas ben Tzvi Hirsch ha-Levi  259 Hrabanus Maurus  44 Hugo von St. Victor  46 Hupfeld, Hermann  363, 367 Hurvitz, Avi  344 Isabella von Kastilien  189, 201, 203 Isidor von Sevilla  44 Ja‘aqov ben Ascher (Ba‘al ha-Turim)  48, 111, 137, 141 Ja‘aqov ben Jaqar  49, 57 Ja‘aqov ben Meïr (Rabbenu Tam)  19, 56, 83, 108, 111, 318 Ja‘aqov ben Re’uven  90, 111, 126 Ja‘aqov ben Chajjim ben Jitzchaq ibn Adoniah  196, 311 Jacob, Benno  252, 271, 299, 304 – 305, 333 – 336, 345, 355, 365, 384 – 392, 400 Jacob, Ewald  334 Jacob, Walter  335 Jampel, Sigmund  304, 336 – 338, 380 – 383 Jastrow, Marcus  324 Jawitz, Ze’ev  304, 381 Jechi’el ben Josef aus Paris  90, 132, 159, 160 – 162 Jefet ben Eli ha-Levi (Abu Ali ibn al Hasan ibn Ali al-Basri)  32, 35, 109 Jehuda ben Barzilai  149 – 150 Jehuda ben David Chajjūğ  39 – 41, 67, 101, 108, 110, 113, 115 Jehuda ben David von Melun 159 Jehuda ben Jaqar  163 Jehuda ben Meïr ha-Cohen Leontin  48 – 49 Jehuda ben Scha’ul ibn Tibbon  30, 39, 101 – 102 Jehuda ben Schemu’el he-Chasid  137 – 145, 157, 162 Jehuda ha-Levi  23, 102, 308, 310

Jehuda ibn Qoresh  108 Jeitteles, Jehuda Löw  XVII, 268, 282 – 283 Jellinek, Adolph  295, 320 Jensen, Peter  338 Jequtiel ben Jehuda ha-Naqdan  249, 266 Jitzchaq ben Abraham Troki  109 Jitzchaq ben Ascher ha-Levi (Riba) 49 Jitzchaq ben El‘azar ha-Levi  57, 60, 61 Jizchaq ben Ja‘aqov Alfasi  24, 81, 101 Jitzchaq ben Jehuda  49, 57 Jitzchaq ibn Ezra  104 Jochanan  96, 352 Johlson, Josef  297, 300, 370, 373 Jona ben Avraham Gerondi  155 – 156, 163 Jona ibn Ğanaḥ (Abū al-Walîd Merwân ibn Ğanaḥ, R. Marinus, R. Meron ben Ğanach)  39 – 40, 67, 101, 108 – 110, 113, 115, 125, 363 Josef ben Avraham Gikatilla  180, 270 Josef ben David ibn Yachya  191 Josef ben Jitzchaq (Bekhor Schor)  61, 83, 90 – 92, 318 Josef ben Natan Official (Josef ha-Meqanne) 159 Josef ben Schim‘on Qara  32, 40, 47, 56, 60 – 61, 65 – 70, 75, 83 – 84, 318 Josef ben Uzziel  137 Josef Bonfils  107 Josef ibn Ezra  124, 126 Josef Qimchi (Riqam)  82, 90, 110 – 112, 115, 127 Joseph II. 247 Jost, Israel Markus  286, 309, 320 Juda ben David Chajjuğ  39 – 41, 67, 101, 108, 110, 113, 115 Kahana, Abraham  402 Kahle, Paul  XVII, 213, 305, 345 – 347, 406 – 407 Kamin, Sarah  90, 401

3. Namensregister    535 Karl VIII. (Frankreich)  201 Karl der Große  44 – 45 Karo, Joseph  209 Kaufmann, David  294 Kaufmann, Yehezkel (Chaskel Koifmann)  XVI, 306, 332, 341 – 345, 392 – 394, 400 – 401 Keil, Carl Friedrich  332 Kennicott, Benjamin  248 Khan, Geoffrey Allan  34 Kittel, Rudolph  303 Klausner, Jakob  241, 400 Kluger, Schelomo ben Jehuda Aharon (Maggid von Brody)  259 Knapp, Georg Christian  280 Knobel, August  332 Knohl, Israel  332 Kogut, Simcha B.  401 Kohler, Kaufmann  303 – 304, 326 – 328, 377 – 380, 384 – 385 Konrad III. 136 Kracauer, Siegfried  299 Kuenen, Abraham  287 Kugel, James L.  166, 183, 316, 403 Landau, Ezechiel  259, 272 Landsberger, Michael  326 Langer, Gerhard  25 Lavater, Johann Kaspar  254 – 255 Lehmann, Markus  298, 301, 326 Leibowitz, Nechama  401, 403 Lepsius, Richard  326 Lessing, Gotthold Ephraim  253 – 254 Letteris, Meïr ha-Levi  267, 388 Levita, Elia → Elijahu ben Ascher ha-Levi Aschkenazi Levi ben Gerschon (Ralbag)  266, 269 Levy, Harry  347 Levy, Jehezkel  347 Levy, Kurt  347 Lewy, Julius Moritz  346 Lipschütz, Lazar  347 Lolli, Samuel Chajjim ben David 308 de Lonzano, Menachem ben Jehuda  3, 211 – 213, 234, 388 Lorbeerbaum, Ja‘aqov  307

Lowth, Robert  258, 262, 280 – 281, 287 Ludwig VII. (Frankreich)  136 Ludwig IX. (der Heilige)  158 – 159 Ludwig der Fromme  44 Luria, Jitzchak ben Schelomo aus Safed  211, 244 Luther, Martin  196, 255, 277, 296 – 297, 321, 370 – 372 Luzzatto, Schemu’el David ben Hiskia (Schadal)  303, 307 – 310, 366 Magnes, Judah Leon  341 Maimonides → Mosche ben Maimon Makhir bar Cresbien  51 Makhir ben Jehuda (Bruder des Me’or ha-Gola)  19 Makhir ben Jehuda (aus Narbonne) 47 Malbim → Weisser, Meïr Löw (Meyer Löbusch / Leibusch) ben Jechi’el Michael Margulies, Samuel Hirsch  338 Marie de Champagne  77 Marti, Karl  399 Meïr bar Jitzchaq  61 Meïr ben Baruch aus Rothenburg  140, 162 Meïr ben Jitzchaq aus Trinquetaille 163 Meïr ben Todros ha-Levi Abulafia  19, 154 – 156, 235 Meklenburg, Ja‘aqov Tzvi  XV, 266, 298, 306 – 307, 322, 331, 348 – 350, 353, 372, 386 Menachem aus Joigny  19 Menachem bar Chelbo  47, 60, 318 Menachem ben Ja‘aqov ibn Saruq  24, 37 – 39, 67, 84, 108 Menachem ben Schelomo ha-Meïri  112, 116 Menachem ben Schim‘on aus Posquières  40, 110 – 111, 115, 125, 154 – 156 Menahem Haran  332, 344 Mendel ben Tewele, Secharja 306

536    Indices Mendelssohn Bartholdy, Felix 253 Mendelssohn, Moses  80, 215, 241, 244, 248 – 249, 251, 253 – 263, 266 – 283, 286, 289, 296, 309, 323, 325, 362, 367, 371 Messer Leon, David ben Judah  199, 201 Messer Leon, Jehuda ben Jechi’el  3, 193 – 194, 198 – 199, 201, 208, 211, 216 – 218, 228, 232, 241 Metzlan, Nathan  189 Michaelis, Johann David  250 – 253, 257 – 258, 269, 275, 277, 280 – 281, 287, 297, 362 Michaelis, Johann Heinrich  248 – 250 Milgrom, Jacob  332, 344, 387 Minchat Schai → Nortzi, Jedidja Salomon ben Abraham Modena, Leone  214 de Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède 250 Mosche ben Ascher  12 – 13 Mosche ben David ben Naftali  12 – 13 Mosche ben Jehuda Zaltman  139 – 140, 143 Mosche ben Maimon (Maimonides, Rambam)  XV, 25, 29, 31, 101, 112 – 116, 122, 130 – 132, 154 – 157, 162, 173 – 174, 177, 179, 185, 202, 246, 310, 324, 362 Mosche ben Nachman (Ramban, Nachmanides, Moses Gerondi, Bonastrug da Porta)  3, 81, 90, 95, 114, 132, 154, 157, 160 – 186, 203, 205, 219, 231 – 232, 279, 323 Mosche Gad ben Tuvja  206 Mosche ha-Cohen  154 Mosche ha-Darschan  103 Mosche ha-Naqdan  196, 311 Mosche ibn Ezra  102 Mosche ibn Gikatilla  101 Mosche Qimchi (Remaq)  112

Mosche Taqu  151 Mosche von Coucy  159, 162 Mossinsohn, Benzion  399 Müller, David Heinrich  337, 340, 382 Münster, Sebastian  112, 114, 206 Najman, Hindy  403 Natan ben Jechi’el aus Rom (Ba‘al ha-Arukh)  41, 58, 103, 109, 212 Neubauer, Adolf  311 – 312 Neumann, Salomon  292 Niebuhr, Carsten  250, 280 Nikolaus von Lyra  193 Nortzi, Jedidja Salomon ben Abraham (Minchat Schai)  3, 191, 198, 212 – 213, 234 – 236, 263 Ofer, Yosef  402 Ognibeni, Bruno  363 Oppenheim 80 Otto II. (HRR) 48 Pablo de Santa Maria (Erzbf. v. Burgos) 222 Pappenheim, Salomon  307 Paschasius Radbertus  92 Paul IV. (Papst)  209 Petrus Lombardus  46, 56 Philipp II. August (Frankreich) 98 Philippson, Ludwig  257, 292, 296 – 297, 301, 314, 320 – 322, 365 – 366, 370 – 374, 377 Philippson, Phöbus Moses  321 Philo von Alexandrien  4, 10, 20, 21, 23, 193, 232 Pius  V. (Papst)  208 – 209 Platon  20 – 21, 291 Plutarch 193 Portaleone, Abraham ben David  3, 192 – 194, 209 – 211, 216, 225 – 230 Qara → Josef ben Schim‘on Quintilian  193, 199, 218 Rabbenu Tam → Ja‘aqov ben Meïr Rabin, Israel  346

3. Namensregister    537 Radaq → David Qimchi Rade, Martin  294 Radulf von Laon  46 Ralbag → Levi ben Gerschon Rambam → Mosche ben Maimon Ramban → Mosche ben Nachman Rappoport, Schelomo Jehuda 330 Raschi → Schelomo Jitzchaqi Raschbam → Schemu’el ben Meïr Recanati, Menachem  232 Reggio, Isaak Samuel  290, 308 Remaq → Mosche Qimchi Remigius aus Auxerre  45 Rendtorff, Rolf  332, 387 Reuchlin, Johannes  114, 191 – 192, 204 Reuß, Eduard  287 Richard von St. Victor  46 Riqam → Josef Qimchi Rödiger, Emil  326 Rosenzweig, Franz  84, 271, 299, 302, 348, 373 – 375 de Rossi, Giovanni Bernado  248 dei Rossi, Azarja (Bonaiuto) ben Mosche  3, 193 – 194, 208 – 209, 231 – 232, 241 – 242, 248, 267, 274, 362 dei Rossi, Salomone  208 Roth, Cecil  25 Rubaschow, Schneur Zalman (Schneur Zalman Schazar)  303, 366 – 367, 382 – 384 Rupert von Deutz  136 Sa‘adja Gaon (R. Sa‘adja ben Joseph Al-Fayyūmī)  2, 23 – 31, 34, 36 – 41, 44, 74, 106, 117, 119, 130, 132, 138, 151, 155, 162, 215, 267, 318 Salman, Elijah Ben Salomon (Gaon von Wilna)  307 Salomon, Gotthold  297, 300 Schadal → Luzzatto, Schemu’el David ben Hiskia Scharfstein, Tzvi  399 Schelomo ben Avraham aus Montpellier  155 – 156 Schelomo ben Avraham Adret (Raschba)  163, 166, 180 Schelomo ben Buja’a  13

Schelomo ibn Gabirol  23, 102, 128 – 129 Schelomo Jitzchaqi (Raschi)  XIV, 2, 24, 32, 47 – 51, 54 – 88, 91 – 98, 106 – 109, 114, 120, 123, 134, 144 – 145, 149, 167 – 169, 179, 181 – 182, 185, 189, 193, 196, 219, 232, 245 – 246, 253, 259, 263, 266 – 267, 269, 271 – 272, 278, 280, 282, 297 – 298, 318, 325, 348 – 349, 372 – 373, 378, 383 Schem Tov ben Josef ibn Falaquera 286 Schema‘ja  51, 56, 58, 60 – 61 Schemu’el  80, 82 Schemu’el bar Yitzḥaq 80 Schemu’el ben Chofni  2, 26 – 27, 117 Schemu’el ben Meïr (Raschbam)  XIV, 2, 19, 56, 61, 66, 74, 76 – 94, 97 – 100, 108 – 110, 181, 246, 251 – 252, 263, 271 – 274, 278, 297, 318, 325, 378 Schemu’el ben Schelomo von Château-Thierry 159 Schim‘on bar Chelbo  60 Schim‘on bar Jitzchaq  57 Schim‘on (ha-Zaqen)  57 Schimschon 80 Schliemann, Heinrich  380 Scholem, Gershom  165, 254, 299 Schreiber, Mosche (Chatam Sofer)  304, 329 Seeligmann, Isac Leo (Arie)  XV, XVI, 344 – 345, 401 Segal, Moshe Tzvi (Moses Hirsch)  333, 344, 400 Semler, Johann Salomo  249 Seneca  200, 219 Sforno, Chanan’el  204 Sforno, Ovadja  191 – 192, 204 – 205, 225 – 226, 232 Simcha ben Schmu’el aus Vitry 58 Sixtus V. (Papst)  210 Smend sen., Rudolf  333, 345 Smolenski, Peretz  366 Sofer, Aqiva  304

538    Indices Soloveitchik, Menachem  303 – 304, 366 – 369, 382 – 384 Sommer, Benjamin  403 Sondheimer, Hillel  302 Speier, J.  347 de Spinoza, Baruch (Bento, Benedictus)  214 – 215, 236 – 242, 244, 248, 310 Steinschneider, Moritz  204, 308 Steinthal, Chajim Heymann  326 Strack, Hermann Leberecht  332 Struck, Salomon Michael  324 Tacitus 291 Täubler, Eugen  292 Tanchum ben Josef ha-Jeruschalmi 115 Theodulf von Orléans  45 Thomas von Kent  85 Torczyner, Harry → Tur Sinai, Naftali Herz Tscharni, Shalom Yonah  399 Tur Sinai, Naftali Herz  XVI, 84, 292, 298 – 299, 302, 306, 334, 340, 385, 400 Tuvja ben Eli‘ezer  103, 119 Urban II. (Papst)  95 Vater, Johann Severin  367 Vergil 291 Vincent von Beauvais  54 da Viterbo, Egidio  206 – 207, 234 Walch 80 Wasserteil, Ascher  331 Wechsler, Hyle (Elchanan-Henlein Pinchas Mosche Chajjim)  329 – 330

Weinberg, Jechi’el Ja‘aqov  258, 305, 346 Weinfeld, Moshe  344 Weisser, Meïr Löw (Meyer Löbusch / Leibusch) ben Jechi’el Michael (Malbim)  252, 286, 306 – 307, 314 – 316, 322, 331, 348, 357, 358 – 359, 386 Wellhausen, Julius  252, 287, 328, 331 – 339, 343, 367, 376, 379 – 381, 393 – 394, 405 – 406 Wessely, Hartwig (Naphtali Herz Weisel)  3, 249, 255, 262 – 263, 267, 278 – 280, 283, 307, 319, 323 de Wette, Wilhelm Martin Leberecht  251 – 252, 286 – 287, 297, 367 Widmanstetter, Johann Albrecht 206 Widmer, Gottfried  347 Wiener, Max  299, 376 Wilhelm von Champeaux  45 – 46 Witzenhausen, Josel  257 Winckler, Hugo  381 Wohlgemuth, Josef  298, 302, 373 Wolf, Friedrich August  286 – 288 Wolf, Immanuel  286 – 287 Ya‘qûb al-Qirqisânî  32, 34 – 35 Zülz, Bermann  253 Zunz, Leopold (Jom Tov Lippmann)  56, 286 – 289, 297, 300 – 301, 308, 313, 317 – 320, 371, 373 Zuta, Hayyim Aryeh  399

Zwingli, Ulrich  255