Ius Publicum: Studien zur barocken Rechtsgelehrsamkeit an der Universität Ingolstadt 3428030370, 9783428030378

Originally presented as the author's thesis, Munich, 1971. Diss., Ludwig-Maximilians-Univ. München, 1971

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German Pages 296 [297] Year 1974

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Ius Publicum: Studien zur barocken Rechtsgelehrsamkeit an der Universität Ingolstadt
 3428030370, 9783428030378

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KLAUS NEUMAlER · IUS PUBLICUM

LUDOVICO 1\IAXIMILIANEA Universität Iogoistadt • Landshut ·München Forschungen und Quellen

Herausgegeben von Johannes Spörl und Laetitia Boehm Forschungen Band 6

lus publicum Studien zur barocken Rechtsgelehrsamkeit an der Universität lngolstadt

Von

Klaus N eumaier

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

@ 1974 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L . Krohn, Berlln 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03037 0

Vorwort Diese Studie zur barocken Rechtsgelehrsamkeit an der Universität Ingolstadt im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert versucht, aus der Verbindung institutions-, geistes- und sozialgeschichtlicher Betrachtungsweise heraus die Entstehung des Jus publicum als differenzierten Entwicklungsprozeß zu verstehen, der von der Lehrverfassung, dem Stand der gelehrten Juristen und den Lern- und Lehrinhalten der Publicistik beeinflußt wurde, jener neuen Disziplin, die sich in der Wechselwirkung zwischen offiziöser, geschichtlich argumentierender Publizistik zu Problemen des Reichsverfassungsrechts einerseits und den Bedürfnissen des Staats an rechtswissenschaftlich geschulten Beamten andererseits herausbildete. Nachdem das Jus publicum, einerseits mehr und andererseits weniger als das heutige "Staatsrecht" umgreifend, in der Forschung teils in den Hintergrund getreten war, erkennt man heute im Werdegang dieser Disziplin den Wandel der Hochschulen zu "aufgeklärten" Universitäten, der sich im barock-absolutistischen Zeitalter an der Alma Mater Ingolstadt in traditionellen Formen anbahnte und in der Literatur Ingolstädter Rechtslehrer widerspiegelt. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit war der Weg des Jus publicum von der Reichs- zur Landespublicistik von einer auf das Reich bezogenen Sehweise getragen, die dem Naturrecht nur wenig Raum gab, ohne dadurch den Übergang von einer heilsgeschichtlichen Kosmosvorstellung zur Darstellung der natürlichen Ordnung im Sinne des Zeitgeistes zu versäumen. Historiographie und Publizistik als Ausdruck eines zeitgemäß gedeuteten Herrscherideals beschleunigten diesen Prozeß maßgeblich. Ungedruckte Quellen und bisher nicht monographisch behandelte Schriften Ingolstädter Rechtslehrer führten auf dem Hintergrund der Forschungslage zu diesen Ergebnissen. Die vorliegende Arbeit wurde in ihrer ursprünglichen Form 1971 von der Philosophischen Fakultät I der Universität München als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gebührt zuerst meinem verehrten Lehrer, Herrn Universitätsprofessor Dr. Dr. Johannes Spörl, der mich im Rahmen der laufenden Untersuchungen zur Geschichte der Universität Ingolstadt- Landshut-München auf diesen Fragenkomplex hinwies und als stets unentbehrlicher Helfer mit Rat und Tat die Erstellung der Arbeit überhaupt ermöglichte. In gleicher Weise ist Frau

Vorwort

6

Professor Dr. Laetitia Boehm für ihre vielseitige Hilfe und ihre Anregungen zu danken. Durch manche Hinweise half Herr Priv.-Doz. Dr. Harald Dickerhof, Material- und Erkenntnislücken zu schließen. Ihm und dem Direktor der Universitätsbibliothek, Herrn Dr. Ladislaus Buzäs, der mir auf der Suche nach dem Schrifttum Ingolstädter Rechtslehrer mannigfach großzügige Hilfe angedeihen ließ, sei ebenfalls mein Dank ausgesprochen. Nicht zuletzt haben meine Eltern und meine Gattin diese Arbeit ermöglicht. Ohne die Namen all derer nennen zu können, die mit wohlwollendem Interesse und jederzeit hilfsbereit dazu beitrugen, die Entstehung dieser Arbeit nach Kräften zu fördern, sei ihnen hier nochmals, eigentlich wortlos, gedankt. München, im November 1973

Klaus N eumaier

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

I. Publizistik und Jus publi cum als Spiegel des Zusammenhanges zwischen Jus und Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

1. Publizistik, ein Forschungsgegenstand der Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

2. Jus publicum in der Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz 13 3. Jurisprudenz und publizistische Historiographie . . . . . . . . . . . . . .

14

4. Jus und Historie im Wissenschaftsgefüge barocker Gelehrsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 5. Universalhistorische Auffassung im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

II. Jus publicum und Publizistik an der Universität Ingolstadt: Zur Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Die Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Material und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

3. Der zeitliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

B. Hauptteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

I. Zur Entwicklung des Begri ffs und der Disziplin Publicistik im 17. und beginnenden 18. J ahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

1. Der Begriff Publicistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 a) Faktoren der Entwicklung der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . 27 b) Der historische Zusammenhang von Jus publicum und Publizistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2. Jus publicum als Lehrfach an deutschen Universitäten . . . . . . . .

32

a) Norddeutsche Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

b) Hochschulen Süddeutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Universitäten des Rheinlands und des Südostens des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

8

Inhaltsverzeichnis II. Lebensbilder Ingotstädter Rechtslehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

1. "Professores juris canonici" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

2. Lehrer des Profanrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Der Stand der gelehrten Juristen der Universität Ingotstadt . . . . . .

86

1. Die Stellung der Beamten nach der fürstlichen Staatstheorie 86

2. Berufung, Herkunft, Konfession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

3. Anstellung und Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4. Besoldung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

5. Aufgabenbereiche Ingolstädter Rechtslehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

6. Beruf und Berufung: Soziales Aufstiegsstreben Ingolstädter

Rechtslehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Zusammenfassung . . ..... . . . .... . .. .. . .. . ...... .. . .. ... ... ..... . 102 IV. Das Jus publicum im Wissenschaftsgefüge der Ingotstädter Juristen-Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Geistliches und weltliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

2. Zur methodischen Ausrichtung der Ingolstädter Jurisprudenz: ein Reformversuch (1647) ..... . . . .. . . . ... ...... ... ..... . ... .. 105 3. Der Weg zur Aufnahme des Jus publicum in den juristischen Fächerkanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Die Jus publicum-Lektur und ihre Vertreter ................ 110 5. Lehr- und Lerninhalte des Jus publicum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Unterrichtsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ~) Die Erweiterung des römischen Jurisdiktionsbegriffs . . ß) Publidstische Theorie zwischen Politik und Historie . . . . b) Vorlesungen über Jus publicum an der Universität Ingolstadt

114 114 114 118 122

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 V. Jus publicum und Publizistik in der Literatur Ingotstädter Rechtslehrer des 17. und begin nenden 18. Jahrhunderts .. ... . ... . . .. .. . 125 1. Publidstische Anschauungen der Lehrschriften ....... ~· . . . . . . 127

a) Die Staatsform des Reiches und die Stellung des Kaisers . . b) Kaiser und Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Partikularrecht und dynastische Herrschaft ..... ..... ... . .. ~) Vom Jus Romanum zum Jus Patriae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Macht und Recht der Dynastie des Landes . . . . . . . . . . . . . .

127

132 139 139

143

Inhaltsverzeichnis

9

2. Publizistische Historiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Die Apologie Ludwig IV. des Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Die wiedererworbene Kurwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Der Kampf um das Reichsvikariat ......... . ....... . ...... 178 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Beiträge zur fürstlichen "reputatio" und "Repraesentatio Maiestatis" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Glaube und Vernunft im Herrscherideal des 17. Jahrhunderts . . ....... . .. . .... . .. ... .... ... . ..... . ... ... . . . .. .. .. b) Publidstische Erziehung und Bildung bayerischer Fürsten c) Fest-Publizistik der Universität Ingolstadt . . . . . . . . . . . . . . . . d) Katholische Reform und Staatsltirchenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . oc) Apologetische Quellenedition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Wittelsbachische Kirchenrechte .... .. ....... .. ... ..... .

181 183 187 192 192 196

e) Christoph von Chlingenspergs dynastischer Legitimismus . . 198 4. Aktenpublikationen und publidstische Gutachten: Ingolstädter Rechtslehrer als Berater und Anwälte fürstlicher Personen 203 a) Publidstische Gutachtertätigkeit Konsiliensammlungen .. 204 b) Christoph Besold als Ratgeber des Kaisers . . . . . . . . . . . . . . . . 209 c) Christoph von Chlingensperg als Fürsten-Rechtsbeistand . . 01:) "De jure reformandi in Electora tu Palatinatus inferioris" ß) Der Lodronsche Fideikommißstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r) Der Orleanssehe Erbstreit ..... .... ............. .... ....

215 215 217 218

C. Schluß: Zusammenfassung .. . . . ............... .. ............... .. ... 223 Quellenanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Alphabetisches Verzeichnis der in der vorliegenden Darstellung behandelten Ingolstädter Rechtslehrer des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts .... . .. . . . ................ . .............. ... ................ .. .. 269 Verzeichnis der benutzten Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Verzeichnis der gedruckten Quellen . ... ... ....... . .. ... . .. ........ ... 272 Bio-Bibliographische Nachschlagewerke ... ... ..... . ...... . . . .... .... . 277 Literaturverzeichnis

279

A. Einleitung I. Publizistik und Jus publicum als Spiegel des Zusammenhanges zwischen Jus und Historie 1. Publizistik, ein Forschungsgegenstand der Geschichtswissenschaft

Publizistik als eine von vielen historischen Quellengattungen deskriptiv zu analysieren ist zur Erhellung des "Zeitgeistes" wie des "Geistes der Zeit" unerläßlich1 • "Das literarische Werk im eigentlichen Verstande - d. h. alles zu Geschichtsschreibung, Publizistik, religiösem Schrifttum im weitesten Sinne, Dichtung usw. Gehörige - hat zweifellos eine erhebliche Funktion weit über die engeren Grenzen des Entstehungsortes hinaus, z. B. für die allgemeine Urteilsbildung, als Niederschlag der öffentlichen Meinung - und zwar sowohl als Anregung wie als Ausdruck, als Fortschritt nicht minder wie als Zusammenfassung des Bisherigen2." Die Untersuchungen zur Publizistik des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts prägen unterschiedliche methodische Ansätze. Forschungsgegenstand sind überwiegend Flugschriften, Traktate und "Zeitungen", die als theologisch oder juristisch-historisch gestaltete politische Publizistik anzusehen sind. Neben der Interpretation von Literatur als historischer Quelle3 und der Untersuchung von Sammelwerken zeitgenössischer Publizistik4 steht die Frage nach den Intentionen der Auftraggeber im Mittelpunkt der Erörterungen5 • Dabei erweist sich das offiziöse Schrifttum als politisches Mittel zur Selbstrechtfertigung und Darstellung des eigenen Ruhms. Man erhofft sich davon den Ausbau Vgl. Opgenoorth 30, 38 ff. Spörl, Geistesleben 199. 3 Untersucht wurden das Liedgut, Barockromane und romanhaft gestaltete Utopien, vgl. Opel, J. 0.- Cohn, A.: Der dreißigjährige Krieg, Eine Sammlung von historischen Gedichten und Prosadarstellungen, 1862; Becker; Weber, Staats -und Bildungsideale 307 ff. 4 Vgl. Bingel, Theatrum Europaeum. 5 Man vgl. etwa Graefe, F.: Die Publizistik in der letzten Epoche Kaiser Friedrichs II., Ein Beitrag zur Geschichte der Jahre 1239- 1250, 1909; Vehse, 0.: Die amtliche Propaganda in der Staatskunst Kaiser Friedrichs Il., 1929; Wieruszowski, H.: Vom Imperium zum nationalen Königtum, Vergleichende Studien über die publizistischen Kämpfe Kaiser Friedrichs II. und König Philipps des Schönen mit der Kurie, 1933; Diederichs; Dürrwaechter. 1

2

12

I. Publizistik - Jus publicum - Jus-Historie

fürstlicher Macht8 • Das vorgestellte Herrscherbild7 erscheint als Erfüllung eines zeitlosen Herrscherideals8• Oftmals werden in panegyrischhymnischer Weise Anschauungen über die rechte und gerechte Staatslenkung verkündet, die die Wechselwirkung zwischen zeitgenössischer Staatstheorie und Reichsrechtslehre, zwischen Jus publicum und Publizistik erkennen lassen9 • Wegen schwelender oder offen ausgetragener politisch-diplomatisch-militärischer Konflikte wurden diese Schriften abgefaßt. Solche Anlässe fördern ihren aggressiven, polemischen und apologetischen Ton. Sowohl "ratio" als auch "emotio" quellen über10• Die Frage nach dem Verfasser ist bei der zumeist anonym erfolgenden Veröffentlichung schwerlich oder oft gar nicht zu klären11 • Form und Inhalt der Publizistik wie auch die teils zu gewinnenden Erkenntnisse über Urheber- und Verfasserschaft lassen die Vermutung zu, daß die Autoren überwiegend gebildeten und gelehrten Kreisen entstammten. Für Schichten gleicher oder ähnlicher Bildung war die lateinisch oder in lateinisch-deutscher Mischprosa geschriebene Publizistik wohl auch bestimmt'2 • Der Verweis auf die Werke eines Christoph Besold, Christoph Gewold, Hermann Conring, Chemnitz und Pufendorf, Leibniz und Lisola möge diese Annahme bekräftigen. Das Schrifttum selbst läßt auf eine theologisch-juristisch-historische Ausbildung schließen. Insbesondere die Publizistik der Mitglieder des Jesuitenordens erlaubt diese These13• Publizistik des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts kann somit als die Erörterung der zeitgeschichtlichen politischen Probleme im konfessionellen und reichsstaatsrechtlichen Zusammenhang mittels theologisch-juristisch-historischer Deduktion und Argumentation bezeichnet werden. Als politisches Medium benützt ist sie vielfach von gelehrten s Diederichs 99. Vgl. Skalweit, Herrscherbild; Dollinger, Justus Lipsius; grundlegend ist noch Hartung, Fürstliche Testamente. 8 Vgl. Straub, Herrscherideal; Burglechner, ebd. 193 fälschlich als Disser~ tation aus dem Jahr 1968 genannt, wird durch Straub korrigiert und ergänzt. Straub geht vom Idealtypus und Topos des durch alle Zeiten sich ziehenden Herrscherideals aus, ohne die zeitverhaftete Darstellung des Herrscherbildes gleichgewichtig zu beachten. Dadurch übt er mehrmals nicht ganz zutreffend an Skalweit, Herrscherbild, Kritik. 9 Zur ideengeschichtlichen Betrachtungsweise Kaeber; Ritter, Der Westfälische Friede; Hegels; Kunkel. 10 Vgl. Münzer; Koser; Zwiedeneck-Südenhorst; Haller; Schmidt, Deutsche Publizistik in den Jahren 1667- 1671; Wätjen; Salzer; Weber, Hippolithus a Lapide; Sieher 72 ff. 11 So Zwiedeneck-Südenhorst 5 im Gegensatz zu Haller 4 ff., der insbesondere Lisola als Verfasser offiziöser Publizistik herausfand. 12 Vgl. Haller 4 ff.; Schmidt, Deutsche Publizistik 591. 13 Vgl. Krebs, Pfülf, Steinberger; Ritter, Der Westfälische Friede; Kraus, Annales 253 ff. 7

2. Jus publicum in der Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz

18

und gebildeten Autoren, die ihre Anonymität zu wahren suchen, verfaßt und für bildungssoziologisch ähnlich strukturierte Adressatengruppen bestimmt. 2. Jus publicum in der Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz

Eine institutionsbezogene Monographie zur Geschichte der Disziplin "Publicistik" an deutschen Universitäten fehlt1 4 • Die Darstellung der Geschichte der Staatsrechtswissenschaft von Rehm15 erörtert diesen Zusammenhang nicht. Der Verfasser gibt jedoch, Gierkes16 und Stintzings17 Anschauungen folgend, wertvolle Hinweise auf die bei der Entstehung einer eigenständigen positiven Staatsrechtswissenschaft wirkenden Bewegungen und Kräfte18• Gegen Ende des 15. Jahrhunderts habe sich diese bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Gegensatz zur allgemeinen naturrechtliehen Staatsrechtswissenschaft zu entfalten begonnen. Aus der Erörterung der Stellung der Gerichtsverfassung innerhalb der Staatsverfassung habe sich die Vorstellung einer eigenen Art des öffentlichen Rechts zuerst für das Stadtrecht, dann für die Landeshoheit und endlich für das Reich entwickelt19• Aufgrund der brennenden politischen Fragen und eines fehlenden geschriebenen Verfassungsrechts habe sich das Bedürfnis nach einer Aufstellung allgemeiner Rechtsprinzipien ergeben müssen, die neben dem Rückgriff auf die aristotelische Staatslehre ihre deduktive Herleitung aus der Historie gemäß der empirisch-praktischen Richtung der zeitgenössischen Rechtswissenschaft bedingte20 • Dem jeweiligen hilfswissenschaftliehen Primat von Politik oder Naturrecht entsprächen nun die beiden Zweige der Staatsrechtswissenschaft21 • Die Lehre der Monarchomachen, Badins Souveränitätsbegriff, Macchiavellis Idee der Staatsräson, Althusius' und seiner Nachfolger Naturrechtsdenken sowie Grotius' daraus abgeleitete Normen der Völkerrechtsbeziehungen seien die Marksteine dieser Entwicklung22• Der Wandel des Naturrechts zur Aufklärung hin habe wiederum die Loslösung der Staatsrechtsphilosophie von der Ver14 Stintzing I 1880 667 Anm. 1: "Leider fehlt es (außer für Jena und Ingolstadt) für andere Universitäten (über die Pflege des Jus publicum) an den nöthigen Nachweisungen." (Einführungen durchVerf.). 15 Siehe Rehm, Geschichte der Staatsrechtswissenschaft. 1& Vgl. Gierke, Althusius. 17 Stintzing I 1880 663 ff. 18 Rehm 204 ff. 19 Rehm 205. 20 Rehm 207, 210. 21 Rehm 214. 11 Rehm 215 ff.

14

I. Publizistik- Jus publicum- Jus-Historie

bindung mit der christlichen Staatslehre und die Erkenntnis des Unterschieds zwischen Rechts- und Moralphilosophie zur Folge gehabt23 • Schulze deutet den Entstehungsgrund und die Weiterentwicklung des Faches mittelbar an, wenn er die "Deduktionenliteratur" gelehrter Juristen für verschiedene Parteien in staats- und fürstenrechtlichen Streitigkeiten anführt, die seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einzelnen Abhandlungen und in umfangreichen Konsilienbänden gesammelt worden sei, indem er zugleich die wissenschaftliche Literatur der Kameralisten und der Professoren der Jurisprudenz, wie Andreas Knichens Abhandlung über die Territorialgewalt der Fürsten, darstellt24 • Der diesen Untersuchungen zugrundegelegte Begriff des "öffentlichen Rechts" scheint jedoch manchmal zu sehr der Wissenschaftsvorstellung der Gegenwart angepaßt. Der damalige Begriff des Jus publicum umfaßte einerseits mehr, andererseits weniger als die heutige Staatsrechtswissenschaft25 • Das Werden von Publicistik als eigenständiger Wissenschaft wird im Zuge der Bemühungen um eine Typologie der juristischen Literaturgeschichte auch aus dem Entstehen sachbezogener Erörterungseinheiten nach der Epoche der Postglossatoren gedeutet26 • Wegen verfassungsund standesgeschichtlicher Hintergründe sei eine Abhängigkeit der juristischen Literaturgeschichte von der politischen und sozialen Geschichte gegeben, die noch der näheren Erforschung bedürfe 27 • Die Funktion von Publicistik im Fächerkanon der Rechtswissenschaft des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts erscheint somit als wenig erforscht28 • Kaum beachtet ist ihre Rolle im Wissenschaftsgefüge der Ingolstädter Juristen-Fakultät. Ein Zusammenhang zwischen gelehrtem Jus publicum und Publizistik wurde bemerkt, ohne eine eingehendere Untersuchung hierzu vorzunehmen. 3. Jurisprudenz und publizistische Historiographie

Sigmund Riezler hebt die enge Verbindung von historischer und juristischer Gelehrsamkeit in der offiziellen Geschichtsschreibung des Rehm 215. Schulze 51 ff. 25 Vgl. Coing, Epochen der Rechtsgeschichte 8 : "Öffentliches Recht ist das Recht, nach dem der Staat und die Organisationen der öffentlichen Verwaltung leben." Öffentliches R€cht ist jedoch im 17. und beginnenden 18. Jahrhunedrt nicht mit Jus publicum gleichzusetzen, siehe Schubert, Reichstage 20 ff. 26 Holthöfer 139. 21 Holthöfer 142 Anm. 25. 2s Vgl. unten S. 27 ff. 23

24

3. Jurisprudenz und publizistische Historiographie

15

17. und beginnenden 18. Jahrhunderts hervor29 • Insbesondere für die Regierungszeit Maximilians II. Emanuel betont er, wie sich in der Historiographie der Jesuiten und Staatsbeamten, die überwiegend von Landfremden geschrieben worden sei, die ehrgeizige Richtung spiegle, in der sich das historisch-politische Denken des Hofes bewegte, und auf welche Weise dadurch auch eine Einwirkung auf das Geschichtsbild des Volkes beabsichtigt gewesen sei3°. Diese Geschichtsschreibung, die Ruhm und Würde des Hauses Wittelsbach poetisch-hymnisch verklärt, wertet Riezler als Verirrung, da Geschichte als Mittel zum Zweck mißbraucht worden sei31 • Erwachsen sei sie aus dem Kreis der Räte des Fürsten. Ein Bezug zur Bildung einer Geschichtsanschauung durch die Universität wird nicht angenommen. Auch Michael Doeberl integriert die bayerische Historiographie des genannten Zeitraums in die politische Geschichte Bayerns und deren "Zeitgeist", wobei er die Initiative der Landesfürsten zur Pflege der bayerischen Geschichte und Zeitgeschichte aus deren dynastischen, territorialen und konfessionellen Motiven zu erklären sucht32·• Die Verbindung Ingolstädter Rechtslehrer mit dem politischen Leben der Zeit wird nur sporadisch gestreift, eine weitergehende Analyse juristischer Schriften hinsichtlich historischer Elemente fehlt. Beiträge zu einer Geschichte der bayerischen Geschichtsschreibung weisen jedoch mehrmals auf Professoren der Universität Ingolstadt hin, die sich an einer publizistischen Historiographie des Hauses Wittelsbach beteiligten. Neben den älteren Abhandlungen Friedrich Roths33 und Ludwig Rockingers34, die den Einfluß der Regenten auf die Historiographie in den Vordergrund rücken, beleuchtet Anton Dürrwaechter3s die publizistische Tätigkeit des herzoglichen Rats und Archivars Christoph Gewold unter dem Gesichtspunkt eines absolutistischen Beamtentums, dessen Dienstcharakter eine offiziöse Geschichtsschreibung mit publizistischer Zielsetzung erst ermöglichte. Dabei verweist er mehrmals auf Universitätslehrer der Ingolstädter Juristen-Fakultät, die Gewolds Federführung fortsetzten, der selbst dort seine juristische Ausbildung empfangen hatte. Anna Coreths Darstellung der Österreichischen Geschichtsschreibung der Barockzeit (1620- 1740) versucht eine als gelungen zu bezeichnende Riezler VI 432, 438 u. ö. Riezler VIII 616 ff. s1 Riezler VIII 618. 32 Doeberl, Entwicklungsgeschichte I 31916 521, 619. 83 Vgl. Roth, Hauptwerke über bayerische Landesgeschichte. 34 Rockinger, Die Pflege der Geschichte durch die Wittelsbacher; ders., über ältere Arbeiten zur baierischen und pfälzischen Geschichte; Haeutle. ss Dürrwaechter 111 ff. 29

so

16

I. Publizistik -Jus publicum- Jus-Historie

Eingliederung der Historiographie in das einheitliche Bild der "politisch und kulturell entscheidensten Epoche Österreichs"so. Viele der genannten Grundzüge barocker Geschichtsschreibung scheinen modifiziert auf bayerische Verhältnisse übertragbar37• Neben dem Hinweis, daß erst im 18. Jahrhundert in Österreich, ein volles Jahrhundert früher aber bereits in deutschen Landen Jus und Historie in juristischen Streitschriften verbunden waren, so daß Karl Brandis Bemerkung, die Geschichte sei kaum mehr etwas anderes als eine Magd der Jurisprudenz gewesen, zutreffe, begründet die Verfasserin die Entstehung solcher historisch-politischen Publizistik mit der politischen Zersplitterung des Reichs in rivalisierende Kleinstaaten38• Nahezu unberücksichtigt bleiben Schulen und Universitäten, da diese nicht, wie etwa im 19. Jahrhundert, in der Österreichischen Historiographie maßgebend und besonders schöpferisch tätig gewesen seien39• Neben der apologetischen Intention bei der Verwendung von Geschichte in juristischen Schriften Ingolstädter Rechtslehrer, die den Gehalten der Österreichischen Geschichtsschreibung gleicht40 , sind ebenfalls Elemente der in der Studie Alfred Wolffs41 zur Geschichte des juristischen Schrifttums im Zeitalter des Absoultismus gegebenen Charakteristik rechtshistorischer Darstellungsformen und Interpretationen des Johann Limnaeus bedingt auf eine lngolstädter Geschichte der Wittelsbachischen Dynastie unter staatsrechtlichen Gesichtspunkten übertragbar42 • Limnaeus versucht in seiner Reichsstaatsrechtslehre eine Aufhebung der spätmittelalterlichen dualistischen Reichsstruktur zugunsten einer aristokratisch oder monarchisch, vorwiegend transpersonal ausgerichteten Staatsidee. Hoke beschreibt aus juristischer Sicht diese Vorstellungen erstmals umfassend. Er berührt jedoch die Frage nach dem Zusammenwirken zwischen Jus publicum, publizistischer Historiographie und Geschichte nicht43 • Das Anliegen von Andreas Kraus ist es, den "Historiker im Kraftfeld der Politik" 44 zu zeigen. Anband mehrerer Einzeluntersuchungen, die das 17. und 18. Jahrhundert betreffen45, klärt er die GeschichtsauffasCoreth 5. Coreth 10 ff. charakterisiert den dynastischen, geistlichen und ständischen Rahmen historiographischer Aktivität, den lehrhaften Grundzug der Geschichtsschreibung und die Funktion von Geschichte, Ausdruck barocken Ruhm- und Ehrebedürfnisses zu sein. Zur bayerischen Historiographie vgl. Spindler, Kraus, siehe Literaturverzeichnis I 38 Coreth 15. 38 Coreth 10. •o Vgl. Coreth 15. 41 Wolff, Die Notitia Regni Franciae des Johannes Limnaeus (1655). n Vgl. S. 198 ff. der vorliegenden Arbeit! o Hoke 51 Anm. 69, 54 ff., 94 ff. " Kraus, Annales 253. u Siehe Literaturverzeichnis I 36

37

3. Jurisprudenz und publizistische Historiographie

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sung der historiographisch tätigen Juristen in ihrer publizistischen Zielsetzung und beschreibt sie für das 17. Jahrhundert: "In einem Zeitalter, das dem Geschichtsschreiber vor allem die Aufgabe zuwies, die Macht, das Recht oder die Würde des Herrschers darzutun oder die eigene Konfession zu verteidigen und die feindliche anzugreifen, war jedes Geschichtswerk von vornherein umstritten, der Kontroversen war kein Ende46." Historische Probleme erlangten durch staatsrechtliche Behandlung aktuelle politische Bedeutung, die sich auch noch im 18. Jahrhundert in der publizistischen Historiographie von Juristen zur Frage der Abstammung der Bayern widerspiegelt. Aus einer utilitaristischen Haltung heraus ergab sich dabei zu oft eine zu enge Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit47. Die Fabeln und Theorien über die Abkunft der Habsburger stellen nach Lhotsky den Versuch dar, mittels der Genealogie denNachweis zu führen, daß sich im habsburgischen Stamme alles edle Blut Europas vereinige, wobei den Gelehrten die Hauptaufgabe zugefallen sei, dies zu beweisen, den Künstlern, dies sinnfällig darzustellen48. Die Wittelsbacher unterbauten ihre gesteigerte politische Geltung im Vergleich mit dem habsburgischen Geschlecht ebenfalls mit einer Genealogie ihrer Dynastie49, die, im Zuge einer absolutistischen Staatsräson vertreten50, historisch den Nutzen einer kontinuierlichen dynastischen Regierung legitimieren sollte. Die Verflechtung von Geschichte, Politik und Jurisprudenz ist auch in der historischen Forschung der Churbayerischen Akademie der Wissenschaften feststellbar. Das Ringen zwischen Tradition und Aufklärung, Pragmatik und gelehrter Methode 51 als Erbe einer im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert entstandenen wissenschaftlichen Kontroverse wirkt sich publizistisch bis zur Erhebung Bayerns zum Königtum im Jahre 1806 aus. "Geschichte als Gegenwart ist Sprengstoff, im Dienst der politischen Publizistik hämmerte die Geschichtsschreibung auf die öffentliche Meinung ein, bis mit dem Wandel der Machtverhältnisse auch die innere Bereitschaft geschwunden war, die alte Reichsverfassung zu bewahren. Im Grunde war aber die ganze Kette der juristischen Deduktionen um die alten Fragen über den Umfang der Landeshoheit, der Gewalt des Fürsten über die Bischöfe immer noch der Ehrfurcht vor dem Recht entsprungen, war nicht revolutionär und wollte keinen Umsturz; meist wird man annehmen müssen, daß die Autoren glaubten, was sie schrieben, sie hatten nur noch nicht gelernt, Kraus, Annales 253. Kraus, Abstammung der Bayern 53. 48 Lhotsky 210. 49 Vgl. Dürrwaechter 19 ff. 50 Dollinger, Justus Lipsius 243: Die fürstliche "reputatio" war ein Teil der Staatsräson. 51 Kraus, Historische Forschung 233. 4&

47

2 Neumaier

I. Publizistik- Jus publicum -Jus-Historie

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historisch zu denken, sie suchten nach dem guten alten Recht als einem unwandelbaren Richtpunkt im Wandel der Zeitens2. " Darin zeigt sich der Schnittpunkt der Geistesgeschichte mit der politischen Geschichte, daß historisches Rechtsdenken und eine historisch begründete Staatsauffassung eng verknüpft das staatliche Gebilde Bayern legitimieren53 • Daß die landesherrliche Universität Ingolstadt indirekt und direkt mit den staatsbestimmenden Kreisen durch die Nachzeichnung eines auf Aventin zurückgehenden Geschichtsbildes von Bayern im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert die dynastisch gegebene historische Staatlichkeit Bayerns förderte, ist anhand der publizistischen Historiographie Ingolstädter Rechtslehrer nachweisbar. 4. Jus und Historie im Wissenschaftsgefüge barocker Gelehrsamkeit

Es scheint das Phänomen einer allgemeinen Zeitströmung gewesen zu sein, daß Jus und Historie miteinander in Berührung traten, wobei die Juristen in der Historie fast ausschließlich die staatlichen Dinge sahen, da sie sich überwiegend mit Profangeschichte beschäftigten54 • An der protestantischen Universität Jena war beispielsweise der Lehrstuhl für Geschichte im 17. Jahrhundert zu einem guten Teil mit gelehrten Juristen besetzt55 • Nach dem Westfälischen Frieden ergab sich für die Landesfürsten die Notwendigkeit, ihre politische Selbständigkeit zu begründen und zu erweitern. In der Lehre vom Jus publicum als einer Art Wissenschaft vom Staate diente 'Geschichte als Instrument historisch-juristischer Ausführungen auch diesen Zielsetzungen56• Die zugleich erforderliche Verstärkung des Beamtenstabes mußte dessen Heranbildung der Universität anvertrauen, die eine Erziehung im Geist der Eigenständigkeit des Landes und seiner Zugehörigkeit zum Reichsverband vorzunehmen hatte. Das Geschehen der Vergangenheit wurde für die Schulung der akademischen Jugend genutzt, derer die Aufgaben von Politikern und Staatsmännern harrten57• So reagiert die Hohe Schule wie ein "Seismograph" 58 auf die politische Entwicklung. Als 52

Kraus, Historische Forschung 241.

sa Vgl. Rall 3 ff.

54 So Kappner 39. ss Vgl. Kappner 30 ff. u Vgl. Kappner 62 ff. 57 Vgl. Scherer 117 f., 153. 58 Terminus nach Spörl, Der Bildungsweg im Zeitalter Dantes 56 f.; zur Wechselwirkung zwischen allgemeiner und der Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte siehe Paulsen!

4. Jus und Historie im Wissenschaftsgefüge barocker Gelehrsamkeit

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Landes- und Gründungsuniversität ist sie ja dem Fürsten zudem in besonderer Weise verbunden59• Der in den Jahren 1623 und 1624 von Juristen wohl angeregte Plan zur Errichtung einerGeschichtsprofessur an der katholischen Universität zu Ingolstadtso zwingt zur Revision des Urteils, daß Geschichte in der Wissenschaftsauffassung der Jesuiten nur eine sekundäre Rolle gespielt habest. Geschichte erfüllt für die Jurisprudenz eine Funktion, die sie zwar noch nicht als integrierten Bestandteil des Rechtsverständnisses begreift62, aber ihre In-Dienst-Stellung als propädeutische Hilfswissenschaft forderts3. Als Synthese theologischer und juristischer Fragestellungen im Dienst der Kontroverse64 wird ihr zugleich ein autonomer Rang zugestanden65', der konfessions- und rechtspolitisch, im eigentlichen Sinne publicistisch begründet wird. Das Scheitern des Plans mußte dazu führen, daß der mit Geschichte in besonderem Maße beschäftigte Zweig der Rechtswissenschaft, das Jus publicum, intensiver behandelt und schließlich als eigene Disziplin gelehrt wurde6 6• Gerade im Jus publicum manifestierten sich aber die "Weisen der Ergründung des politischen Denkens" 67 • Die dabei erfol59 Hier erhebt sich die an diesem Ort nicht weiter zu verfolgende Frage, ob die Universität Ingotstadt als landesherrliche "Staatsanstalt" oder als "autonome Korporation" im mittelalterlichen Sinne zu betrachten ist. Als landesherrliche Gründungsuniversität mit weitgehenden Befugnissen der Selbstverwaltung ausgestattet führt der Weg der verfassungsrechtlichen Mischform zur "staatsanstaltlichen Konstruktion" im 17. und 18. Jahrhundert wegen der immer weitergehenden Eingriffe des Landesherrn. Vgl. Grundmann, Bezold; Boehm, Cancellarius; dies., Hochschulwesen 815 ff.; Hufen zeigt insbesondere für die Juristische Fakultät der Ingotstädter Universität den Weg auf, der vom herzoglich nicht geregelten Studienplan bis zur klaren Auffächerung der reinen staatsbürgerlichen Erziehung führe. Zusammenfassend zuletzt Seifert 407 ff. 60 Dickerhof, Geschichtsprofessur Ingotstadt 337 Anm. 37. 61 Dickerhof, Geschichtsprofessur Ingotstadt 327 ff. 62 Dickerhof, Geschichtsprofessur Ingotstadt 337. 63 Dickerhof, Geschichtsprofessur Ingotstadt 343. 64 Dickerhof, Geschichtsprofessur Ingotstadt 367. 65 Vgl. Engel 250 f.: "Geschichte wurde erst dann zu einer autonomen, von ihrem eigenen Gegenstand bestimmten Wissenschaft, als ihre vielfältige Verwendung als Hilfswissenschaft, die ihren Rang als propädeutisches Erziehungsfach überstieg, sie für die eigentlichen wissenschaftlichen Disziplinen immer unentbehrlicher und so wesentlich machte, daß diese selber nur mehr historisch zu verstehen waren, oder zumindest eine historische Kenntnis Vorbedingung für die juristische, theologische und selbst noch medizinische Erkenntnis wurde." 66 Die "Ausrichtung" der "Historie" "auf die philosophische Staatslehre" war im Grunde der Verbindung aristotelischer Politik mit dem Jus publicum entsprungen. Historie blieb vorläufig eine Hilfswissenschaft der Jurisprudenz, so daß zwischen juristischem Jus publicum und der Darstellung der Reichshistorie zu trennen ist. Vgl. Hoke 17 f., 21 ff.; siehe S. 125 ff. der vorliegenden Arbeit. 67 Vgl. Schubert 17 ff.

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I. Publizistik - Jus publicum - Jus-Historie

genden Auseinandersetzungen mit dem Bereich des Staatlichen verbreitet der lehrend und forschend, publizistisch und als Gutachter tätige Hochschullehrer der Rechtswissenschaftes. 5. Universalhistorische Auffassung im Wandel

Das 16. und 17. Jahrhundert zeigt die universalhistorische Auffassung im Umbruch. Da eine "Geschichte der Historiographie die Veränderungen des geistigen Lebens wie in einem Spiegel sehen lassen könne und müsse" 69 , liefert sie in der Epoche des Humanismus, die eine neue Form der Quellenkunde fand, das juristisch geprägte Geschichtsbild dynastischer Politik. Im Zeitalter der Glaubenskämpfe vermittelte die Jurisprudenz eine neue Geschichtsmethodologie, die eine Distanzierung von konfessioneller Geschichtsschreibung einleitete, da staatliche Interessen allmählich in den Vordergrund rückten70 • Heinrich Ritter von Srbik bezeichnet diesen Wandel der universalhistorischen Auffassung als Säkularisierung des Staats- und Rechtsdenkens71 • Geschichte ist ihm in diesem Zeitalter nur die Dienerio des öffentlichen Rechts, "schlechthin eine Schullehre mit ganz didaktischem Zweck" 72 • Adolf Klempt hat diese Anschauung modifiziert, indem er die Auflösung der theologischeschatologischen Gesamtdeutung der Menschheitsgeschichte als äußerst 68 Zur Reichsverfassungslehre: Gierke, Althusius; Heckel, Staat und Kirche; ders., Autonomia und Pacis Compositio; Huber; Wolf, Idee und Wirklichkeit des Reiches im deutschen Rechtsdenken des 16. und 17. Jahrhunderts; Hoke; zum Staatsgedanken: Joachimsen, Der deutsche Staatsgedanke; ders., Vom deutschen Volk zum deutschen Staat; Rassow; Wandruszka; die dynastischen und historischen Themen und Programme der barocken Malerei und ihrer Auftraggeber stellt in Zusammenhang mit der Fortentwicklung des Reichsgedankens und der Herausbildung des staatlichen Selbstbewußtseins der Territorialfürstentümer dar: Tintelnot, H.: Die barocke Freskomalerei in Deutschland, ihre Entwicklung und europäische Wirkung, 1951; zu wichtigen Beiträgen aus der älteren Forschung: Wolters, F.: Über die theoretische Begründung des Absolutismus im 17. Jahrhundert, Grundrisse und Bausteine zu einer Staats- und Geschichtslehre, 1908; aus geistesgeschichtlicher Sicht führt G. Oestreich das Werden des Staatsgedankens auf die Verbindung patriarchalisch-patrimonialer Herrschaft mit der neustoizistischen Ethik zurück, siehe Literaturverzeichnis! 69 Joachimsen, Geschiehtsauffassung 1. 70 Menke-Glückert 102, 106 ff. 71 Srbik I 69 ff. 72 Srbik I 94: "Wie an den protestantischen Universitäten die Kirchengeschichte der Theologie dienstbar war, so diente die politische, profane Geschichte der Jurisprudenz, als seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die beiden Disziplinen sich mehr und mehr schieden . . . An den katholischen Universitäten drängte höfisch-adeliges Bildungswesen, Bedürfnis des Staates und Säkularisierung der Politik und Verwaltung später in die gleiche Richtung, zu einer Wiedereinführung der geschichtlichen Lehre, in der zunächst noch Profan- und Kirchengeschichte vereint blieben."

1. Die Problemlage

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vielschichtigen und unterschiedlichen Prozeß charakterisierte und analysierte, der sich noch nicht in bewußtem Gegensatz zur christlichen Glaubenshaltung vollzog73• Eine Gesamtdeutung der Universalhistorie als christliche Heilsgeschichte schwindet jedoch mit der Trennung von Profan- und Kirchengeschichte und dem Aufkommen einer welthaftgeschichtlichen Betrachtungsweise74 • Die Hinwendung zu welthaften Aspekten der Historie mußte konsequent zu einer, wenn auch noch am Christentum orientierten Diesseitseschatologie führen, deren Glaube in der Hoffnung auf die Vollkommenheit staatlicher Allmacht beruhte. Die Säkularisierung des Geschichtsbewußtseins erfolgte anscheinend nicht zuletzt aus einer Symbiose, die Jurisprudenz und Historie im Dienst am und für den Staat eingingen, wodurch einer modernen Geschichtswissenschaft erst der Weg geebnet wurde75•

II. Jus publicum und Publizistik an der Universität lngolstadt: Zur Problemstellung 1. Die Problemlage

Das Schrifttum Ingolstädter Rechtslehrer des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts wurde bisher nicht unter disziplingeschichtlichem Aspekt monographisch gewürdigt1 • Im Rahmen der Erforschung der Universitätsgeschichte und der Bildungsgeschichte dieses Zeitraums erscheint hinsichtlich der Verknüpfung einer Geschichte der Rechtswissenschaft mit der allgemeinen politischen, sozialen und Geistesgeschichte2 eine Untersuchung der Publicistik3 aufschlußreich, die im Klempt 13. Vgl. Klempt 124 ff.; Dickerhof, Ignaz Schwarz 16 ff. 75 Antoni 89 ff. 1 Allgemein sei auf die älteren Nachschlagewerke von Baader, Buder, Finauer, Jugler, Kobalt und Lünig - siehe Literaturverzeichnis - verwiesen. Mederer II/III und Prantl li 483 ff. nennen bibliographische Fundorte für die Werke Ingolstädter Rechtslehrer; Wolff, Beiträge, berücksichtigt aus einer anderen Zielsetzung bewußt das Schrifttum der Juristen nicht. Für seine wertvollen Hinweise möchte ich ihm an dieser Stelle danken. StintzingLandsberg und Wolf, Große Rechtsdenker behandeln den institutionellen Aspekt der Wissenschaftsgeschichte kaum. Vorbildlich sind in dieser Hinsicht die Arbeiten von Guido Kisch, siehe Literaturverzeichnis I 2 Zur Disziplingeschichte: Stintzing-Landsberg; Bluntschli; Gierke, Althusius; Koschaker; Wieacker; Schulte; Janssen und Peter. 3 Im Folgenden wird die sinn-volle orthographische Unterscheidung zwischen "Publicistik" und "Publizistik" getroffen, die bisher, so weit ich sehe, nicht durchgeführt wurde. Publicistik meint die Lehre und das Schrifttum vom Jus publicum, während Publizistik zur Bezeichnung des offiziösen, politisch-propagandistischen Schrüttums gebraucht wird. 73

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22

II. Jus publicum und Publizistik in Ingolstadt

"natürlichen System der Geisteswissenschaften des 17. Jahrhunderts" 4 sich erst ihren Platz erringen muß. Denn sie spiegelt Wesen und Werden des neuzeitlichen, "modernen" Staates5 • Der Weg von der Entstehung einer Disziplin bis zu ihrer institutionellen Verankerung wird zum historischen Problem des Sich-Wandeins oder Beharrens, wenn dies an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten geschieht. Eine Beachtung nicht nur des Institutionalisierten, sondern auch der unterschiedlichen Wirkweisen des Gelehrten gemäß der Aufteilung der "sozialen Rollen" führt hier zu einer differenzierten Sehweise, die vom anthropologischen Ansatz der Geschichtswissenschaft ausgeht6 • Die sich im Schrifttum niederschlagenden Tätigkeitsformen Ingolstädter Rechtslehrer auf dem Gebiet des Jus publicum und der Publizistik7 ermöglichen erst ihre Kennzeichnung als Beitrag zum Reichs-, Staats- und Geschichtsbewußtsein des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, der der allgemeinen politischen und Bil~ dungs- wie auch der Wissenschaftsgeschichte zuzuordnen ist. 2. Material und Methode

Der Problemstellung entsprechend sind primär die gedruckten Schriften Ingolstädter Rechtslehrer als Quellengrundlage der vorliegenden Arbeit benützt worden, die Einzelbereiche des Jus publicum oder dessen Gesamtheit behandeln8 • Werke der Kanonistik waren nur hinsichtlich der moraltheologischen Ausrichtung der Staatslehre zu berücksichtigen9 • Die publizistische Behandlung staatsrechtlicher Pro4 Terminus nach Dilthey, Gesammelte Schriften II 5 1957 90 - 246. s Die Hinwendung zur Betrachtung der "natürlichen Ordnung" ist grundlegend für die Entstehung der modernen Geschichtswissenschaft, vgl. Scherer; Engel; Dickerhof, Geschichtsprofessur Ingolstadt; ders., Ignaz Schwarz; Antoni 89 ff. 6 Vgl. Bosl, Der "soziologische Aspekt" in der Geschichte 625; Boehm, Cancellarius 186: das besondere Interesse an der Geschichte des Hochschulwesens liege in der "notwendigen Verflechtung von Institutionengeschichte, allgemeiner Geschichte und politischer Geschichte". Zum sozialgeschichtlichen Aspekt der Universitätsgeschichte: Classen 145 ff.; Boehm, Libertas scholastica 15 ff. 7 Publizistik als Disziplin der Kommunikationswissenschaften kann der Geschichtswissenschaft Untersuchungsmethoden liefern. In diesem Sinne wurde das Schrifttum Ingolstädter Rechtslehrer zu betrachten versucht, vgl. S. 125 ff. der vorliegenden Arbeit. 8 Monographien zur Geschichte der Ingolstädter Juristen-Fakultät stammen bisher von Wagner, Strafrechtliche Spruchtätigkeit; Schrittenloher; Wolff, Beiträge; für das 18. Jahrhundert ist auf Prantl, Mederer und Kluckhohn zurückzugreifen. Kritisch ist trotz des guten Überblicks Schug zu benützen. 9 Vgl. Hecke!, Staat und Kirche; ders., Autonomia und Pacis Compositio; Bauerreiß VI 1965; Handbuch der Kirchengeschichte IV 1967 561-605,

2. Material und Methode

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bleme der zeitgenössischen Politik, die Ausformung der Herrschaftsideologie durch die Universität in ihren Festschriften und die Gutachtertätigkeit der Juristen-Fakultät in diesem Rechtsbereich sind in diesem Zusammenhang zu beachten gewesen. Diese Literatur findet sich größtenteils in der Münchener Universitäts-Bibliothek, der Bayerischen Staatsbibliothek in München oder im Stadtarchiv Ingolstadt, sofern sie nicht während der Weltkriege verschollen oder verbrannt ist10• Eine buch- und bibliotheksgeschichtliche Erforschung ihrer Wanderung und Verbreitung war nur in Einzelfällen möglich11 • Ihr Fortwirken im eigenen Kreis wie auch in der damaligen ZeitschriftenLiteratur und anderen juristischen Werken konnte teilweise bemerkt werden12• Archivalisches Material diente der Erhellung des Werdens von Publicistik in disziplin- und institutionsgeschichtlicher Sicht13• Es wurde auch zur kritischen Bearbeitung der Lebensbilder Ingolstädter Rechtslehrer herangezogen. Eine publizistische Tätigkeit auf dem Gebiet des Jus publicum konnte hier ebenfalls aufgedeckt werden, die gemäß dem Arkanprinzip des Absolutismus14 einer allgemeinen Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wurde1s. 669- 684 (H. Jedin); Jedin stellt ebd. 580 fest, daß sich am Ende des 16. Jahrhunderts auch in der Kanonistik ein .,Zug zum Positiv-Historischen" bemerkbar mache; zur kirchlichen Rechtsgeschichte Eder; Plöchl III 1; Feine; Raab, Kirche und Staat; Koeniger-Giese. 10 Die Zitierung der oftmals sehr umfangreichen barocken Titel beschränkt sich auf die inhaltlich wesentlichen Teile, siehe Quellenverzeichnis! 11 Vgl. zur Geschichte der Universitäts-Bibliothek Ingolstadt: Wolff, Beiträge 45 ff.; Euler; Buzäs 34 ff. 12 Als wissenschaftliches Organ entstand die Zeitschrift erst im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts. Spuren finden sich in Ingolstadt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts - es sei nur auf das große Unternehmen des Parnassus Boicus verwiesen - die sich in der Folgezeit verstärken. Kirchner, Zeitschriftenwesen II 329 f. stellt in vorwiegend katholisch regierten Ländern und Städten eine Vernachlässigung des Zeitschriftenwesens als wissenschaftlichem Nachrichtenorgan für die gelehrte Welt bis zum Josephinischen Zeitalter fest. Die in Nord- und Mitteldeutschland erscheinenden Zeitschriften des beginnenden 18. Jahrhunderts berücksichtigen die publicistische Literatur Ingolstadts und bilden damit einen Grundstock für die Erfassung des Schrifttums, siehe Literaturverzeichnis I ts Auskünfte verdanke ich dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien und den "Archives Generales du Royaume" in Brüssel; im Geheimen Hausarchiv in München ließ sich nach Auskunft des Vorstands, Herrn· Professor Dr. H. Rall kein Material ausfindig machen, da zudem der .zentrale Katalog im Krieg verbrannt ist. Zur Benützung anderer Archive siehe das Quellenverzeichnis! 14 Vgl. Hegels; Schneider; Haacke, Die politische Zeitschrift 1665- 1965, I; ders., Publizistik und Gesellschaft 74 f. 16 Vgl. Bauer; Habermas, der eine "räsonnierende Öffentlichkeit" erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts annimmt, ohne jedoch die Publikationsmotivationen früherer Zeiten zu berücksichtigen.

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II. Jus publicum und Publizistik in Ingolstadt

Eine kollegiale Zustimmung der gesamten Fakultät zu Veröffentlichungen ist gemäß ihrer in Statuten niedergelegten Verfaßtheit1 6 durch das Approbationswesen17 erforderlich gewesen. Dieses Verfahren erstreckte sich auf Lehrschriften, Fest-Publizistik und Consilia, die vom Spruchkollegium18 ausgearbeitet wurden. Eine nicht an den Lehrbetrieb gebundene literarische Tätigkeit war nur bedingt dieser Zustimmungsbefugnis der Fakultät unterworfen. Eine Präventivzensur übten die Theologische Fakultät im Auftrag der fürstlichen Obrigkeit und vornehmlich die herzoglich-kurfürstlichen Regierungsbehörden19 • Die Anwendung der Lehre bei der auf eine "öffentlich-rechtliche" Problematik gerichteten juristischen Beratung erlaubt die Darstellung der Wechselwirkung zwischen der Wissenschaftsgeschichte des Jus publicum zu Ingolstadt und seiner Förderung durch nicht fakultätsgebundene Publizistik. Da für den genannten Zeitraum nicht von der Geltung des Grundsatzes der "Freiheit von Forschung und Lehre" ausgegangen werden kann20 , ist eine Kritik an Inhalt und Gehalt des Schrifttums in diesem Sinne nicht berechtigt. Eine geistes- und sozialgeschichtliche Sehweise öffnet den Blick für die Erkenntnis der historischen Lage. Die kritische Verwendung der auf Strukturendarstellung zielenden typisierenden sozialgeschichtlichen Methode und des hermeneutischen Prinzips21 dient der Analyse der Beziehungen zwischen der Gelehrtenkorporation und dem Staat, zwischen dem Lehrkörper der Ingolstädter Juristen-Fakultät und der barocken Gesellschaft des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts. 16 Vgl. die ältesten, wieder von Wolff aufgefundenen Statuten der Ingolstädter Juristen-Fakultät in seinen Beiträgen 16 ff., 348 ff. nach StB Clm 19861 f. 119 ff. aus der Zeit zwischen den Jahren 1474 und 1477, die Statuten von 1524 bei Mederer IV 237 - 265(nr. XXXVIII), die modifiziert durch die Reform im Jahr 1642 bis zur Berufung Ickstatts 1746 galten. 17 Das Zensur- und Approbationswesen für Hochschulschriften lag jeweils in Händen der Theologischen und der Fakultät, aus der das Werk hervorging. Dies ließ sich anhand der Werkausgaben feststellen. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen ist jedoch kein archivalisches Material zur Approbationstätigkeit auffindbar. Vgl. S. 27, 107 ff., 151 ff., 166 ff. und Quellenanhang IV der vorliegenden Arbeit; zu verweisen ist besonders auf UA Arch. d. Georg. II Nr. 316 (Zensurakten der Theologischen Fakultät); allgemein zum Zensurwesen in Bayern Fichtl und Nicki; neuerdings Buzäs 35, 46, 63, 179. 18 Zur Spruchtätigkeit vgl. Wagner, Strafrechtliche Spruchtätigkeit; Schrittenloher; Wolff, Beiträge 138 ff. 19 Vgl. Buzäs 46. 20 Diese Forderung erscheint vielmehr als Reaktion auf die seit dem Absolutismus vermehrte staatliche Einflußnahme auf das Bildungswesen und wird soziologisch nach Theodor Litt als Abwehrhaltung gegen die einsetzende Dynamik der vornehmlich städtischen Mittelstandsgesellschaft angesehen, vgl. Boehm, Hochschulwesen 815 ff.; Lüthkens 27 f.; Rauch 414 ff. 21 Vgl. Bosl, Der "soziologische Aspekt" in der Geschichte 613 ff.

3. Der zeitliche Rahmen

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3. Der zeitliche Rahmen

Die zu behandelnde Problematik zwingt einerseits zu Rückgriffen bis in das 16. Jahrhundert, ja bis in das Mittelalter selbst, andererseits zu Ausblicken bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Aus diesem Grunde wurde auf eine konkrete zeitliche Abgrenzung der Thematik bewußt verzichtet. Da Publicistik wie auch Publizistik im neueren Sinne22 erst durch die Voraussetzungen der philologisch-antiquarisch-humanistischen Bewegungen und Kräfte23, verbunden mit dem Werden des historisch-politischenDenkens im neuzeitlichen Verständnis24 , den Weg antreten konnte, der zur Begründung der Disziplin und ihrer Aufnahme in das Wissenschaftsgefüge der Hochschulen führte, wird das 17. und beginnende 18. Jahrhundert schwerpunktmäßig als Behandlungszeitraum gewählt. Im Zeitalter der Glaubenskämpfe erfaßte das gesamte Bildungswesen ein weitgehender Umformungsprozeß, der auch in der Rechtswissenschaft deutliche Spuren hinterließ25 • Versuche, die Jurisprudenz aus dem "Prokrustesbett" des römischen Rechts zu befreien, setzen ein26 • Eine neuerliche Wende kündigt sich an, als Historie als Wissenschaft auch an katholischen Universitäten Eingang findet27, Sozietäts- und Akademiegründungen eine Weiterentwicklung der Publicistik erstreben28, die Epoche der Aufklärung29 dem Rationalismus30 allenthalben das Übergewicht verschafft. Die Berufung des Johann Adam Freiherrn von lekstatt als Direktor im August des Jahres 1746 an die Universität Ingolstadt31 kennzeichnet äußerlich diesen Einschnitt. Bildungsgeschichtlich ist die Einheit der Barockepoche durch das enzyklopädische Ideal gegeben32, das im "galant homme" des Hofesaa 22 Zum heutigen Begriff der Publizistik siehe Haacke, Publizistik und Gesellschaft 50 f. 23 Vgl. Stintzing I 1880 102 ff., 241 ff., 424 ff.; Koschaker 87 ff.; Forschungsbericht bei Kisch, Erasmus 381 ff. 24 Vgl. Ritter, Entwicklung der Geschichtswissenschaft; Meinecke, Historismus. 25 Vgl. Stintzing I 1880 88 ff.; Heckel, Autonomia und Pacis Compositio; ders., Staat und Kirche; Kisch, Erasmus; Raab, Kirche und Staat 36 ff. 2& Vgl. Schubert 275 ff. 27 Vgl. Dickerhof, Ignaz Schwarz. 28 Vgl. Lippert, J. C., Nachricht von den ehemaligen gelehrten Gesellschaften in Baiern, o. J.; Kraus, Historische Forschung; ders., Vernunft und Geschichte; Boehm, Hochschulwesen 835 ff.; Debitsch. 29 Vgl. Winter; Göbel; Grassl21 ff. 30 Vgl. Tholuck, Geschichte des Rationalismus. 31 Vgl. Prantl I 546 ff. a2 Vgl. Garin III 1967 21 ff. 33 Vgl. Paulsen, Das deutsche Bildungswesen 58 ff.

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li. Jus publicum und Publizistik in Ingolstadt

seinen besonderen Ausdruck findet. Eine Spiegelung dieser Grundhaltung in der "sozialen Rolle" 34 des Gelehrten war zu untersuchen, so weit es die Einordnung der Publizistik und des Jus publicum in das Wissenschaftsgefüge und eine Zuordnung zu Grundtendenzen des Zeitalters ermöglichten, was als vordringliche Aufgabe dieser Arbeit angesehen wurde.

34 Zu diesem soziologischen Begriff und seiner hermeneutischen Verwendung siehe Bolte, K. M.: Der gesellschaftliche Aspekt menschlicher Existenz: Deutsche Gesellschaft im Wandel, hrsg. v. K. M. Bolte, 21967, 12.

B. Hauptteil I. Zur Entwicklung des Begriffs und der Disziplin Publicistik im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert 1. Der Begrüf Publiclstik

a) Faktoren der Entwicklung der Rechtswissenschaft Bereits im Mittelalter, das zwar eine Trennung von "publicum" und "privatum" kennt, diese jedoch in der Praxis nicht anwendet1 , ist bei dem, was heute als mittelalterliche Publizistik bezeichnet wird, die Verbindung mit der Rechtswissenschaft ein Grundbestandteil ihrer Aussageformen und inhaltlichen Gestaltung2 • Nachweislich war bereits zu jener Zeit Publizistik ein Antriebsfaktor neuer Sehweisen, ja Denkformen3. Innerhalb des zur Neuzeit hin sich vollziehenden Strukturwandels der Öffentlichkeit4 und des Übergangs von der mittelalterlichen Kor1 H. Kirchner, "Öffentlich" und "Öffentliches Recht" 2; Vgl. Habermas 14; zur mittelalterlichen Rechtsanschauung Kern, Recht und Verfassung im Mittelalter; ders., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht. 2 Vgl. zur historisch-juristischen Argumentationsweise in mittelalterlicher Publizistik Goez; Ziese; Kölmel, W.: Regimen christianum, 1970 schildert, wie der iurisdictio-Begriff als Inbegriff der herrscherliehen Gerichtshoheit und irn weiteren Sinne als herrscherliehe Gewalt seit dem 12. Jahrhundert vor allem im kanonischen Recht hervortrete, ebd. 4 ff.; zur Mitwirkung juristisch Gebildeter an der Abfassung publizistischen Schrifttums siehe Wieruszowski, Vom Imperium zum nationalen Königtum 108 ff.; SchaUer, H. M.: Die Kanzlei Kaiser Friedrichs II., Ihr Personal und ihr Sprachstil: Archiv für Diplomatik 3 (1957) 207 ff. und 4 (1958) 264 ff.; bahnbrechend war die Gründung der ersten "Staatsuniversität" des Abendlandes in Neapel, vgl. Hampe, K.: Zur Gründungsgeschichte der Universität Neapel, SB Heidelberg 1924 (= Mitteilungen aus der Capuaner Briefsammlung V); Torraca, F., Monti, G. M. u. a.: Storia dell'universita di Napoli, 1924; zur Verbreitung mittelalterlicher Publizistik Bauer 190 ff., der das Wesen der "gesprochenen Zeitung" hervorhebt und auf die ungesicherte soziale Stellung ihrer Träger, der fahrenden Sänger hinweist; zur Einwirkung des Staates auf die Sozial'entwicklung vgl. Boehm, Libertas scholastica 47 ff.; Kuske, Der Einfluß des Staates auf die geschichtliche Entwicklung der sozialen Gruppen in Deutsch!lind, verzichtet leider auf Literaturbelege. a Vgl. insbesondere Ziesel 4 Vgl. Habermas 33 ff.

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I. Begriff und Disziplin Publicistik

porationsuniversität zur frühneuzeitlichen Gründungsuniversität5 unter der Obhut des nach Landeshoheit strebenden Territorialherren, der staatliche Eigenständigkeit erringen will, erlangt der ursprünglich mit dem lateinischen "res publica" zusammenhängende Begriff "publicus" 6 einen auf das Jus publicum ausgerichteten Sinn, das sich als auf den eigenen geopolitischen Raum beziehendes Fachgebiet der Jurisprudenz herausschält. Dies tritt ein, als durch die Wirkungen der Reformation7 das gesamte Universitätswesen und damit das traditionelle Lehrgefüge der Jurisprudenz in das Spannungsfeld der Konfessionen gerät8• Die Aufgabe der aus der katholischen Kirche ausgeschiedenen Rechtsgelehrten mußte es sein, eine Uminterpretierung des Verhältnisses von Staat und Kirche zu vollziehen9 • Auch auf katholischer Seite tritt ein Neutralisierungs- und Schrumpfungsprozeß der Kanonistik ein10• Aus dem Verhältnis zwischen Jus und Historie, juristischer und historiegraphisch-publizistischer Literatur entstehen verschiedene Richtungen in der Rechtswissenschaft, die einen Wandel des Geschichtsdenkens zugleich bedeuten11• Die oft erörterte und als zu einseitig beklagte Beschäftigung der Juristen mit dem Verfassungsbau des Reiches, wesentlicher Inhalt damaliger Publicistik innerhalb publizistischer Kontroversen12, folgt im "Zeitgespräch der Gesellschaft" 13 aktuell14 dem Verlauf der politischen Geschichte15 • 5 Vgl. Grundmann, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter; Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten II; Boehm, Libertas scholastica 47 ff.; dies., Hochschulwesen 815 ff. 8 Vgl. Pross, Publizistik 39; H. Kirchner, "Öffentlich" und "öffentliches Recht" 2 ff. 7 Vgl. Skalweit, St.: Reich und Reformation, 1967; zur Wirkung der Reformation auf die Bildungsgeschichte: Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts I 31919 179 ff.; Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten II 554 ff.; Petry. 8 Der Prozeß der Entkonfessionalisierung und Säkularisierung der Wissenschaft setzt mit dem modernen Naturrechtsdenken ein, ohne unmittelbar auf die Bildungsinstitutionen zu wirken. Den Durchbruch bringt erst das Zeitalter der Aufklärung in gemäßigtem Sinn, vgl. Kaufmann, Zwei katholische und zwei protestantische Universitäten; Gierke, Althusius; Wolzendorff. 9 Vgl. Hecke!, Staat und Kirche; zum Schrumpfungsprozen der Kanonistik Stintzing I 1880 273 ff., 281 f. und Schug, der Stintzing folgt, ohne jedoch eingehende Belege zu verzeichnen. 10 Vgl. Handbuch der Kirchengeschichte IV 580, 677 ff. (Jedin); der Wandel drückt sich auch in der Verminderung kanonistischer Lehrstühle aus. 11 Vgl. Stintzing I 1880 662 f .; Handbuch der Kirchengeschichte IV 677 ff. (Jedin); allgemein Klempt. 12 Vgl. Hoke 152 ff. 13 Der Terminus geht auf Rene König zurück, vgl. Habermas 34, der den neuen Stand der gelehrten Juristen im Gegensatz zum Bürger der mittelalterlichen Stadtgemeinde als Bürgerliche bezeichnet, die das öffentliche Räsonnement fördern halfen.

1. Der Begriff Publicistik

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Die Rückbesinnung auf den historischen Ursprung des römischen Rechts und seine Rezeption16 verhilft der Methode des "mos gallicus" und damit der postiven Jurisprudenz zum Druchbruch17. Die Germanistik tritt neben die Romanistik. Die formal- und materialrechtliche Ausbildung des "Staatsrechts" an der Wende des 16. Jahrhunderts18 wirkte an diesem Wandel in der Rechtswissenschaft wesentlich mit. Als weitere Triebkraft der Umgestaltung der Jurisprudenz im 17. Jahrhundert ist der einsetzende Säkularisierungsprozeß zu nennen19. Gemeint ist die Wandlung des alten Naturrechts zum modernen Naturund Völkerrecht, das der Baustein zu den vom Staat den Individuen zugesicherten Privat- und Menschenrechten wurde 20. Die Ablösung der Jurisprudenz von der Vorherrschaft der Theologie vollzieht sich in der rationalistischen Denkweise aufklärerisch wirkender Persönlichkeiten, ohne den konfessionell-christlichen Bezug aufzugeben21 . Die Lehre der Monarchomaehen vom Widerstandsrecht und Tyrannenmord beschränkt die Herrschaftsrechte in ihrem Absolutheitsanspruch22. Hier scheint der rechtsphilosophische Ursprung der modernen Scheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht greifbar zu werden. Die Entstehung der Publicistik ist demgemäß aufs engste mit Politik und Historie verknüpft. So muß die Rechtswissenschaft der Barockepoche23 und der beginnenden Aufklärung24 als politische Jurisprudenz 14 Zum Begriff der Aktualität Kirchner, Zeitschriftenwesen I 14; Nicki 4 ff.; Haacke, Publizistik und Gesellschaft 448 f.; Kraus, Annales 253 benennt

diese publizistische Komponente barocker Historiographie implizit. 15 Im 17. Jahrhundert ist es jedoch nicht "öffentliche Kritik politischer Zustände", sondern meist apologetische Publizistik, vgl. Haacke, Publizistik und Gesellschaft 450 ff. 16 Zur Rezeption des römischen Rechts Stintzing I 1880 37 ff., 103 ff., 241 ff., 424 ff.; Koschaker 124 ff.; Wieacker 108 ff.; Krause; Dahm kennzeichnet die Rezeption als Methodenrezeption; Trusen; Jus commune 1 (1967), 2 (1969). 17 Zur Beurteilung des mos gallicus und des mos italicus Koschaker 87 ff.; Forschungsbericht bei Kisch, Erasmus 381 ff.; Wieacker 108 ff.; weitere Differenzierungen neuerdings durch Holthöfer und Söllner, siehe Literaturverzeichnis! ts Stintzing I 1880 663; Rehm 204 ff. 19 Vgl. Klempt; Fischer, 0.: Rechtsforschung und Rechtsstudium im Allgemeinen: Die deutschen Universitäten I 1893 283; Rauch 414 ff.; Handbuch der Kirchengeschichte IV 1967 677 ff. (Jedin). 20 Vgl. Janssen; Coing, Epochen der Rechtsgeschichte 64 ff.; zur Begründung individueller Privatsphäre Heberer, 0.: Das göttliche Recht des 15. und 16. Jahrhunderts als Vorläufer der Menschenrechte, eine ideengeschichtliche Untersuchung, 1961; wesentlich war hierfür die Lehre vom Widerstandsrecht, vgl. Spörl, Widerstandsrecht und Tyrannenmord; Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht; Wolzendorff. 21 Vgl. Tholuck, Rationalismus; Klempt 124 ff. 22 Zum Fortwirken der monarchomachischen Vorstellungen Wolzendorff 278 ff. 23 Hubatsch, "Barock" als Epochenbezeichnung? lehnt diesen Begriff zur Kennzeichnung des 17. Jahrhunderts für die Geschichtswissenschaft ab und

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I. Begriff und Disziplin Publicistik

bezeichnet werden. Äußeres Merkmal ist das Aufkommen einer juristisch-historisch-politischen Literatur, neben der eine theologisch-historisch-politische Literatur allmählich in den Hintergrund gedrängt wird25 • b) Der historische Zusammenhang von Jus publicum und Publizistik

Der scheinbar von juristischem Gehalt losgelöste Begriff Publizistik, der heute ein aus der Zeitungskunde über Zeitungswissenschaft entstandenes Fachgebiet im Rahmen der Kommunikationswissenschaften bezeichnet26 , dessen Schwerpunkt im Bereich der kritischen Durchleuchtung und Kommentierung sozialen, politischen und kulturellen Geschehens gesehen wird27, ist im historischen Zusammenhang mit der Lehre vom Jus publicum zu betrachten28• Denn Publizistik ist im 17. Jahrhundert und darüber hinaus überwiegend die praktische Anwendung von Publicistik. Dies erhellt der Gebrauch des Wortes "publicierung" im zeitgenössischen Aktenmaterial29• Mandate sollen möchte seine Anwendung auf ästhetisch-, Iiteratur- und kulturwissenschaftliche Betrachtungsweisen beschränkt wissen, vgl. ebd. 122 ff.; der Begriff scheint jedoch aus geistes- und sozialgeschichtlicher Blickrichtung unentbehrlich, nachdem längst ein grundlegender Wandel in der Würdigung des Barocken eingetreten ist, vgl. Alewyn, R. (Hrsg.): Deutsche Barockforschung, Dokumentation einer Epoche, 1965; zum Menschenbild des 17. Jahrhunderts Flemming, W.: Die Auffassung des Menschen im 17. Jahrhundert, DVJS 6 (1928) 402- 446; Lüders, E.: Die Auffassung des Menschen im 17. Jahrhundert, Diss. Köln 1935; zur Sozialgeschichte: Trunz, E.: Der deutsche Späthumanismus um 1600 als Standeskultur, 17 ff.; zur politischen Bedeutung der Kulturgeschichte neuerdings Straub, Repraesentatio Maiestatis; zur Kennzeichnung der Historiographie scheint der Begriff unabdingbar: vgl. Coreth; Kraus, Grundzüge barocker Geschichtsschreibung 54 ff.; ders. in Spindlers Handbuch II 1969 791 ff. 24 Eine Verbindung des Barockbegriffs mit dem Zeitalter der Glaubenskämpfe scheint mehr gegeben als seine Zuordnung zum Zeitalter der Aufklärung. Zum Herrscherbild des 17. Jahrhunderts siehe Skalweit, Herrscherbild 65 ff.; Dollinger, Justus Lipsius; Straub, HerrscherideaL 25 Vgl. Kirchner, Zeitschriftenwesen II (Bibliographie), siehe Quellenverzeichnis! 26 Vgl. Haacke, Publizistik und Gesellschaft 19 ff. 27 Haacke, Publizistik und Gesellschaft 459: "Der Publizist publiziert zu aktuellen Ereignissen oder über Geschehnisse, die er aktualisiert, eigene oder von ihm freiwillig oder unfreiwillig vertretene Ansichten, zu denen er die von ihm angesprochene Öffentlichkeit überreden und überzeugen will." 28 Vgl. Haacke, Publizistik und Gesellschaft 47 ff. 415 ff.; Pross 46 f. 29 Vgl. zum Beispiel die gedruckten kürfürstlichen Mandate in UA C II 1 a, 2 a, die ebenso wie die Vorlesungsankündigungen zur "publicirung" bestimmt waren: StA Obb GL 1484 II 1 ff. (Vorlesungspläne bis 1799, lückenhaft); vgl. auch Habermas 33: "Die Obrigkeit adressiert ihre Bekanntmachungen an ,das' Publikum, im Prinzip also an alle Untertanen; aber für gewöhnlich erreicht sie auf diesem Wege nicht den ,gemeinen Mann', sondern allenfalls die ,gebildeten Stände'.... Ihr Kern sind die Beamten der landesherrlichen Verwaltung, vornehmlich Juristen (...). Hinzu kommen Ärzte, Pfarrer,

1. Der Begriff Publicistik

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"publiciert" werden, das heißt durch mündliche, schriftliche oder gedruckte Veröffentlichung den entsprechenden Ziel- und Adressatengruppen zugänglich gemacht werden. Dadurch werden Verwaltungsakte erst rechtskräftig und ihre Verbindlichkeit gewährleistet. Durch die Erfindung des Buchdrucks konnte die potentielle Zugänglichkeit von Aussagen für ein breiteres "Publikum" erreicht werden30. Die Buchdruckerkunst dient aber auch in spezifisch neuzeitlicher Weise der politischen Federführung, die während der Reformationszeit zu voller Blüte gelangt31 • Flugschriftenliteratur, die Entstehung eines "Zeitungs"-Wesens wegen der durch die Wirtschaft intensivierten Nachrichtenübermittlung auf einem neuen Linienverkehr32, die in gleicher Weise auf politischem Gebiet von den Fürsten-Höfen genutzt wird33 , ruft auf obrigkeitlicher Seite Maßnahmen zur Eindämmung wie auch zur Verwendung von Publizistik hervor, die in der heutigen Geschichtswissenschaft allgemein als Quellengattung der Streitschriftenund Propaganda-Literatur bekannt ist34. Das ins Leben gerufene Zensurwesen35 begünstigt durch den Versuch, eine verschärfte Konfrontation der Parteien zu vermeiden36 , ein publicistisches Räsonnement der Publizistik. Nach Walter Schöne sind die ursprünglichen Bedeutungsbereiche dieses Wortes - damit faßt er den historischen Zusammenhang zwischen Jus publicum und Publizistik zusammen-: Offiziere und Professoren, die ,Gelehrten', deren Stufenleiter sich über Schulmeister und Schreiber zum ,Volk' hin verlängert." 30 Vgl. Schottenloher, Flugblatt und Zeitung. 31 Vgl. Schottenloher, K.: Bibliographie zur deutschen Geschichte im Zeitalter der Glaubensspaltung 1517 -1585, 6 Bde. 1933- 1940. 32 Vgl. Nicki 10: "Größere soziale Zusammenhänge treten erst in den späteren Jahrhunderten hervor, als das Bürgertum der Städte durch gemeinsame Handelsinteressen und Bündnisse verknüpft war und die territoriale Adelsherrschaft städtische und ländliche Bezirke zu politischen und wirtschaftlichen Einheiten verband. Im Zusammenhang damit konnten sich erst die Einrichtungen des Verkehrs und der Nachrichtenvermittlung entwickeln." Dies erfolgte um die Wende zum 15. Jahrhundert. Zum ursprünglichen Bedeutungsbereich der "Zeitung" siehe Schottenloher, Flugblatt und Zeitung 13 ff. 33 Vgl. Schottenloher, Flugblatt und Zeitung 288 ff.; dabei ist zu bedenken: "Publizistik ist bewußte Einwirkung auf die öffentliche Meinung, nicht diese selbst." Ebd. 288. 34 Vgl. Opgenoorth 38 ff. 35 Vgl. Nicki 88 ff.; FichU 1 ff.; am 17.3.1479 ermächtigte Papst Sixtus IV. den Rektor der Kölner Universität, mit kirchlichen Zensuren gegen Drucker, Käufer und Leser häretischer Bücher einzuschreiten, FichU 4 Anm. 1; die Reichstagsabschiede von 1524 und 1529 ordnen eine allgemeine Bücherzensur nach konfessionspolitischen Gesichtspunkten an, ebd. 4; eine Verschärfung erfolgte nach der Erstellung des Tridentinischen Index im Jahr 1564, der sogleich in Bayern bekannt gegeben wurde, ebd. 4, 8; zur Mitwirkung von Gelehrten ebd. 9. 36 So die Stellungnahme Nickis 88 ff.; FichU 5 ff. vernachlässigt hingegen den staatspolitischen Aspekt der konfessionellen Zensurtätigkeit

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I. Begriff und Disziplin Publicistik

"1. die wissenschaftliche Darstellung der formalen Grundlagen des Staates (der Verfassung und des öffentlichen Rechts überhaupt) sowie der materiellen Grundlagen (des Zustandes der Bevölkerung und der Territorien in politisch-geographischer, ökonomischer und sonstiger Hinsicht),

2. amtliche und nichtamtliche öffentliche Kundgebungen aller Art, welche Dinge des Gemeinwesens betreffen87."

Die schrittweise Bedeutungserweiterung der Worte Publicist und Publicistik läßt sich an lexikalischen Erklärungen ablesen. "Publicisten" als "diejenigen unter den Gelehrten, die sich aufs Staatsrecht legen" 38, werden in der Mitte des 19. Jahrhunderts bereits jene genannt, "die nur überhaupt über öffentliche Angelegenheiten schreiben"39. Nach Wilmont Haacke gilt das Wort Publizist im 18. Jahrhundert als treffende Bezeichnung für einen mit den Problemen des Staates wohl vertrauten Mann, der darüber hinaus die Fähigkeit besaß, über die Fragen der Regierung oder der Verwaltung mit öffentlicher Wirkung zu schreiben40 • Publizistik habe fast ausschließlich das politischstaatswissenschaftliche Schrifttum vorzugsweise über Fragen des öffentlichen Rechts gemeint41 • 2. Jus publicum als Lehrfach an deutschen Universitäten

Die Aufnahme des Lehrgegenstandes Jus publicum in den juristischen Fächerkanon an deutschen Hochschulen erfolgte zu verschiedenen Zeitpunkten. Die am Aufbau der römischen Rechtsquellen ausgerichtete überkommene Gliederung der Lehrstühle der Juristen-Fakultäten erschwerte zumeist die Errichtung einer sachbezogenen neuen, eigenen Professur. Die neue materialrechtliche Einheit des Jus publicum war Schöne, W.: Zeitungswesen und Statistik, 1924, 103. Johann Hübners reales Staats-, Zeitungs- und Conversationslexicon, Zweyte Abtheilung, Neue verbesserte und vermehrte Ausgabe Grätz 1805, Sp. 291-292, zit. n. Haacke, Publizistik und Gesellschaft 47. 39 In der Allgemeinen deutschen Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände- Conversations-Lexikon, 11. Bd. Leipzig 91846, 581 heißt es: "Publicisten nannte man sonst lediglich diejenigen Gelehrten, die sich mit der Wissenschaft des positiven Staats- und Staatenrechts beschäftigten ... Später, wie auch noch gegenwärtig, nannte man öfters auch schon diejenigen Publicisten, die nur überhaupt über öffentliche Angelegenheiten schreiben." Zit. n. Haacke, Publizistik und Gesellschaft 452 Anm. 50. 40 Haacke, Publizistik und Gesellschaft 415. 41 Haacke, Publizistik und Gesellschaft 47; nach Haacke sei seit dem Wirken Schlözers (1735 - 1809) in Göttingen Publizistik nicht mehr öffentliches oder Staatsrecht allein, sondern verstärke sich "zu öffentlicher Kritik politischer Zustände", ebd. 452. Die Reichspublicistik früherer Zeit scheint bei Haacke nicht genügend beachtet. Eine Unterscheidung zwischen Publicistik und Publizistik trifft Haacke nicht. 37

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2. Jus publicum als

Le~ufach

an deutschen Universitäten

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deshalb anfänglich zumeist als außerordentliche Lektur vertreten, die ein Ordinarius nebenbei betreute42•

a) Norddeutsche Universitäten Die Hohen Schulen zu Jena, Helmstädt und Halle förderten die Ausgestaltung und Festigung der Publicistik als Reichsstaats- und Reichsverfassungsrecht. Jena, im Nordwesten des "Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation" gelegen, hatte sich überwiegend der lutherischen Reformation angeschlossen. Dieser Ort sollte "zum Sitz und zur Pflanzschule akademischer Publicisten" werden43 • Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts hatte an der 1548 gegründeten Universität eine empirisch-praktische Jurisprudenz den Vorrang, deren bedeutendster Vertreter Matthäus Wesenheck (1531- 1568)44 mit seiner "paratitla"-Methode auch die lngolstädter Rechtslehre beeinflußte4s. Eine Teilung der Rechtswissenschaft in Romanistik und Kanonistik bestand an dieser lutherischen Hochschule fort46 • Durch Dominicus Arumaeus (1579- 1637)47 wurde die Jenenser Publicistik ins Leben gerufen, die sich im Gegensatz zur rein monarchischen Lehre etwa des Gießener Staatsrechtslehrers Theodor von Reinking (1590- 1664)48 zur Form des "status mixtus" des Reiches bekannte, die durch die Werke des Johann Limmaeus (1592 -1663) 49 , einem Schüler des Arumaeus, auch an der Ingolstädter Hochschule als Lehre Eingang fand50• Durch Georg Adam Struve (1611-1692)51 wurde die Naturrechtslehre in den Jenaer Vorlesungsplan aufgenommen52 • Der Gegensatz zwischen der positivrechtlichen und der naturrechtliehen Richtung der Jenenser Jurisprudenz tritt jedoch erst im 18. Jahrhundert durch die sogenannte staatsrechtlich-literärgeschichtliche Bewegung zutage, die Hallesche Einflüsse empfängt53• 42 Der Sprachgebrauch im erhaltenen Aktenmaterial ist uneinheitlich. Zumeist wird der Auftrag, ,.lectiones publicae" über ein bestimmtes Fachgebiet zu halten, auch als Professur bezeichnet. 43 Stintzing I 1880 667; Schulze 53, 56; vgl. Geschichte der Universität Jena I 88 ff.; Hake 27 ff. 44 Vgl. ADB 32, 134- 138 (v. Eisenhart). 45 Vgl. Quellenanhang II. 46 Vgl. Geschichte der Universität Jena I 88 ff. 47 Vgl. ADB 1, 614 f. (Muther) (Arumaeus starb 1637, nicht wie ebd. angegeben 1673); Döhring 373; Hake 27 ff. 48 Vgl. ADB 28, 90 - 93 (Landsberg). 49 Vgl. ADB 18, 658 f. (Haenle); Hoke. 50 Vgl. unten S. 127 ff. der vorliegenden Arbeit. 51 Vgl. ADB 36, 677 - 81 (v. Eisenhart). 52 Vgl. Geschichte der Universität Jena I 144 ff. 53 Vgl. Geschichte der Universität Jena I 180 ff.

3 Neumaier

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I. Begriff und Disziplin Publicistik

Die von Herzog Julius (1568 -1589) von Braunschweig-Wolffenbüttel 1576 gegründete Universität zu Helmstedt ist neben Marburg (gegr. 1527), Königsberg (gegr. 1544) und Jena ein weiteres Zentrum der historisch orientierten Reichsrechtswissenschaft54 • Valentin Forster vertrat dort, nachdem er kurze Zeit in Ingolstadt gelehrt hatte, 1595 bis 1608 die französische Schule55 • Hermann Conring (1606 -1681)•6 , seit 1632 in Helmstedt Professor der Naturphilosophie und dann der Medizin, leitete die Beseitigung der Legende von der Einführung des römischen und der Verdrängung des deutschen Rechts durch einen kaiserlichen Setzungsakt ein. Da man Conrings Thesen als Verunsicherung der Rechtsprechung empfand, entstanden wissenschaftliche Kontroversen, bei denen der Straßburger Professor Johann Otto Tabor (1604 -1674) sich besonders hervortat57• Conrings Werk "De origine juris Germanici liber unus" (1643) begründete die historische Schule Helmstedts. Dadurch wurde anfänglich eine ablehnende Haltung gegenüber dem aus den Niederlanden einströmenden Naturrechtsdenken begünstigt. Erst 1675 hat Johann Eisenhardt als Pandektist und Kodizist der Naturrechtslehre auch in Helmstedt Eingang verschafft. Durch seinen zugleich von ihm versehenen Lehrauftrag für Geschichte war eine Hinwendung zur positiven Jurisprudenz gegeben58• Teils wurde das neue Fach Jus publicum der Philosophischen, teils der Juristischen Fakultät eingegliedert59• Eine Betonung seines Nutzens für den Juristen findet sich durchgehend bis ins 18. Jahrhundert. Franz Dominicus Haeberlin, der aus der publicistischen Schule von Halle kam und 1747 bis 1787 in Helmstedt lehrte, sah Geschichte als Dienerin des Jus publicum an60 • Die Lehrformen der Universität Halle wurden hier im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts rezipiert61 • Die im Jahr 1502 zu Wittenberg gegründete Hochschule, ehemals reformatorisches Bildungszentrum, erlebte im Laufe des 17. Jahrhunderts einen Niedergang, dessen Tiefpunkt sich in der Abspaltung und Neugründung der Hohen Schule zu Halle zeigt62 • In den Jahren 1665 bis 1670 wirkte hier der Kanoniker Konrad Ziegler als Lehrer des ChriVgl. Behse, Die juristische Fakultät der Universität Helmstädt. Behse 17; ADB 7, 181 f. (Stintzing) ; sein bekanntestes Werk war die 1565 in Basel erschienene Abhandlung "De historia juris civilis Romani libri tres". 56 Vgl. ADB 4, 446- 451 (Breßlau); NDB III 342 f. (Döhring); Lenz 128 ff. 57 Vgl. Behse 19 f.; zu Tabor ADB 37, 337-339 (v. Eisenhart); Stintzing II 1884 226 ff. ss Behse 24 ff.; zu Eisenhardt ADB 5, 766 (Muther). 59 Behse 55. so Behse 87 ff. 97; zu Haeberlin ADB 10, 274 f. (Wegele). 61 Behse 59 ff. 62 Vgl. Friedensburg; Halle- Wittenberg I- 111; Hammerstein 145 ff. 54

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2. Jus publicum als Lehrfach an deutschen Universitäten

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stian Thomasius (1655 - 1728)63 und entwarf in Anlehnung an das katholische ein protestantisches Kirchenrecht64• Die von Philipp Melanchthon (1497- 1560) geförderte Lehre der Universalgeschichte beeinflußte die juristische Sehweise65• Mit der Rückwirkung Hallescher Lehrformen auf Wittenberg erfolgte der Durchbruch zur Anschauung vom propädeutischen Charakter der Historie für das Staatsrecht66• Schüler von Thomasius und Samuel Stryk (1640 -1710)67 , dem Vertreter und Schöpfer des "usus modernus pandectarum" 68, lehrten an der Wittenberger Hochschule. Trotz dieser Angleichung an die etwa seit dem Jahr 1720 übernommene rationalistische Jurisprudenz thomasisch-wolffscher Prägung konnte der allgemeine Niedergang der vordem blühenden Universität nicht aufgehalten werden. Die seit 1693 zu Halle bestehende Juristen-Fakultät wurde bald zu der Lehrstätte, deren Professoren den Ruf der Fortschrittlichkeit genossen69. Die beiden Antipoden Johann Peter Ludewig (1668 -1743)1°, der "Anwalt der Krone Preußens", und Hieronymus Gundling (16711729)71 entwickelten kontrovers die Publicistik unter reichshistorischem Bezug72• Justus Henning Böhmer (1674- 1749)13 lehrte seit 1701 als Pandektist, Kirchenrechtier auch über das Staats- und Naturrecht74• J ohann Gottlieb Heineccius (1681 - 1741)15 war als universaler Rechtslehrer ebenfalls ein weitberühmter Jurist Halles. 63 Vgl. zu Ziegler ADB 45, 184-187 (v. Waldberg); zu Thomasius ADB 38, 93 - 102 (Landsberg); Halle - Wittenberg II 13- 27 (H. Freydank); Fleischmann, M. (Hrsg.): Christian Thomasius, Leben und Lebenswerk, 1931; Wolf, Rechtsdenker 367- 420; Bieber; Döhring 451 f.; Schubert-Fikentscher, G.: Hallesche Spruchpraxis, Consiliensammlungen Hallescher Gelehrter aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, 1960 (= Thomasiana Heft 3). 6 4 Vgl. Friedensburg 449 ff. 65 Vgl. Rambeau, E.: über die Geschichtswissenschaft an der Universität Wittenberg: Halle- Wittenberg I 255- 271; maßgebend wurde Jacob Karl Spener, ebd. I 263, der gemäß der Ludewigsehen Schule Historie als Grundlage des öffentlichen Rechts ansah, siehe auch Scherer 40 ff. 66 Vgl. Halle- Wittenberg I 264: die Geschichte des Rechts sei zur Magd des Staates geworden (Rambeau). 67 Vgl. ADB 36, 699 -702 (Landsberg). 68 Vgl. Stintzing I 1880 653 f.; Söllner 167 ff., der den Anwendungsbereich des Begriffs erweitert. 69 Vgl. Halle- Wittenberg II; Hammerstein 145 ff.; Sehrader I. 70 Vgl. ADB 19, 379-381 (Koser); Sehrader I 110 ff., 139 ff.; Ludewig gilt als publizistischer Verfechter der territorialen Souveränität BrandenburgPreußens. 71 Vgl. ADB 10, 129 f. (Stintzing); NDB VII 318 f. (R. Lieberwirth). 72 Vgl. Antoni 89 ff.; Wegele 612 ff.; Scherer 176. 73 Vgl. ADB 3, 79-81 (Dove); NDB III 392 (H. Liermann); LThK 2II 563 (J. Weier). 74 Vgl. Sehrader I 147 ff. 75 Vgl. ADB 11, 361 - 363 (Stintzing); NDB VIII 296 f. (R. Lieberwirth); zur wissenschaftlichen Verbindung zwischen Schwarz und Heineccius Dickerhof, lgnaz Schwarz 132 f. Anm. 1.

s•

I. Begriff und Disziplin Publicistik

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Auch auf den Vertreibungsort des Christian Thomasius strahlte die historisch-publicistische Jurisprudenz Halles zurück. In Leipzig öffnete man sich nun auch der neuen Fächerung der rechtswissenschaftliehen Disziplinen. 1702 errichtete man die erste Professur für deutsches Partikularrecht, 1710 ernannte man SeheHer als "Professor extraordinarius juris publici" gegen den Widerstand der Fakultät. Im Jahr darauf wurde zugunsten von Rechenbergs ohne Anregung der Fakultät eine ordentliche Professur für Naturrecht ins Leben gerufen76 • Die Leipziger Strafrechtswissenschaft diente mit den Konsiliensammlungen des Benedict Carpzov (1595- 1666)17, die das Vergeltungsprinzip vertraten78 , auch der Spruch- und Urteilstätigkeit der Ingolstädter Juristen-Fakultät79• Von Jena und Helmstedt gingen für die Universitätsgründung zu Kiel Impulse aus, während Halle bei der Errichtung der Hohen Schule zu Göttingen Pate stand. In der seit 1665 bestehenden Kieler Hochschule waren bald Ansätze einer systematischen Rechtsbehandlung spürbar80• Eine empirisch-rationalistische Richtung schlägt durch, die neben der Quellenexegese auf Eigenüberlegung abzielte81 • Ähnliche Reformansätze lassen sich etwas früher an der Ingolstädter Hochschule nachweisen82• Das in Kiel seit Unterrichtsbeginn nach Daniel Ottos Kompendium von 165783 gelehrte Jus publicum war reichs-, nicht landesrechtlich ausgerichtet und behandelte die üblichen Materien84 • Man klagt, wie in Ingolstadt, über die geringe studentische Anteilnahme85• Erst mit der stärkeren Verbindung des Jus publicum mit der Reichshistorie und dem Naturrecht seit 1730 - man unterrichtet nicht mehr nach Arumaeus und Otto, sondern nach den Werken Samuel Pufendorfs (1632 -1694)86 und Johann Jakob Mascovs (1689- 1761)87 - findet es mehr interessierte Zuhörer. Samuel Rache! (1628- 1691)88 wurde als erster Professor für Natur- und Völkerrecht seit dem Jahr 1665 zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten der Universität. Friedberg 78. Vgl. ADB 4, 11-20 (Muther); NDB III 156 f. (E. Döhring). 78 Vgl. His; Conring, Epochen der Rechtsgeschichte. 79 Wagner, Strafrechtliche Spruchtätigkeit 65. 8o Döhring, Kieler Juristen-Fakultät 64. 81 Döhring, Kieler Juristen-Fakultät 65 ff. 82 Vgl. Quellenanhang II. 83 Otto, Daniel: De jure publico Romani Imperii, 1616; vgl. Rehm 204 Anm.l. 84 Döhring, Kieler Juristen-Fakultät 66. ss Döhring, Kieler Juristen-Fakultät 76. 86 Vgl. ADB 26, 701- 708 (Breßlau); Döhring 432 f.; Wolf, Rechtsdenker 306 ff. 87 Vgl. ADB 20, 554-558 (v. Eisenhart); Stintzing III 1 Text 128 f., Noten 76f. 88 Vgl. ADB 27, 104 f. (Carstens). 76

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2. Jus publicum als Lehrfach an deutschen Universitäten

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Zu Beginn des 18. Jahrhunderts nahm die ältere, benachbarte Hohe Schule zu Greifswald, bereits 1456 gegründet, seit 1539 lutherisch, Lehrort großer Juristen wie Mattbias Stephanis (1576 -1646) und David Mevius' (1609- 1670)89, der auch Vorträge über Justus Lipsius' (15471606}90 "Politia" hielt, die Naturrechtslehre des Hugo Grotius (15831645}91 auf92 • In Göttingen wuchs die eigentliche "Hohe Schule des Staatsrechts" heran93 • Johann Stephan Pütter (1725 -1807}94 und Johann Jakob Moser (1701 - 1785}95 wurden die beiden großen Kontrahenten, die sich um eine Förderung der Publicistik bemühten, wobei Moser ausdrücklich darauf hinwies, daß "nicht aus jure publico historico" eine "historia juris publici" werden dürfe9o. Ähnlich verlief die Entwicklung an der Hohen Schule zu Marburg97. Nach den Statuten von 1653 vermischt sich dort die Kodex-Professur mit der Lehre vom Jus publicum98 • Das Naturrecht wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts anfänglich in der Philosophischen Fakultät gelehrt, dann jedoch bald auch an der Juristen-Fakultät aufgenommen99 • Die 1607 gegründete lutherische Landes-Universität von HessenDarmstadt zu Gießen betonte in der Publicistik die monarchische Stellung des Kaisers100• Nach ihrer vorübergehenden Aufhebung im Jahr 1624 wurde der Neuansatz durch die Einführung von Geschichte als eigenständigem Lehrfach geprägt, das sich 1697 als ordentliche Professur festigte 101 • Die gemäß dem Visitationsrezeß vom 22. Februar 1722 89 Vgl. zu Stephani ADB 36, 95 (v. Eisenhart); zu Mevius ADB 21, 544- 547 (v. Stintzing). 9o Vgl. ADB 18, 741-745 (Halm); Dollinger, Justus Lipsius; zu Mevius Vorträgen Kosegarten I 1857 247. 81 Vgl. ADB 9, 767-784 (Haelschner); Döhring 400 f.; Wolf, E.: Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; ders., Rechtsdenker 252 ff. (mit Bibliographie); Spörl, Hugo Grotius 350 ff. 92 Kosegarten I 1857 279. 93 Vgl. Frensdorff 1 ff.; Schug; Hammerstein. 94 Vgl. ADB 26, 749 - 777 (Frensdorff). 85 Vgl. ADB 22, 372 - 382 (H. Schulze). 8& Frensdorff 19 (Brief vom 14. 3. 1749). 97 Vgl. Gundlach, Catalogus Professorum Academiae Marburgensis ; Pätzold, G.: Die Marburger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. Marburg 1966 ( = Beiträge zur Hessischen Geschichte 5) trägt wenig zur Problematik des Jus publicum bei. 98 In den Statuten von 1653 heißt es: "primarius antecessor codicem et consuetudines feudorum connexamque regalium materiam nec non auream bullam et materiam jurisdictionis quemadmodum hodierno tempore in usu est." Gundlach, Catalogus 95. 98 Gundlach, Catalogus 105 ff. too Universität Gießen I 85, 136 (W. M. Becker). 101 Universität Gießen I 373 (G. Lehnert, H. Haupt); die Errichtung der außerordentlichen Professur für Profan- und Kirchengeschichte erfolgte 1651, ebd. I 373, 378.

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I. Begriff und Disziplin Publicistik

auf Ethik und Politik sich stützende Natur- und Völkerrechtslehre hatte seit der Berufung Hedingers im Jahr 1694 ebenfalls ihren Platz im Lehrgefüge der Juristen-Fakultät eingenommento2,

b) Hochschulen Süddeutschlands Gegenüber den im Norden Deutschlands gelegenen Universitäten des Reichs überlagern sich im süddeutschen Raum katholische und protestantisch-lutherische Kräfte. Neben den Hochschulen zu Freiburg, Ingolstadt und Würzburg stehen die Gelehrtenkorporationen der Universitäten zu Straßburg, Altdorf, Tübingen und der besonders von den Religionskämpfen heimgesuchten Heidelberger Hochschule. An der Altdorfer Universität, zur Reichsstadt Nürnberg gehörig, 1576 als katholische Hochschule gegründet, 1622 zum Luthertum übergetreten, hatte der "mos gallicus" durch die überragende Persönlichkeit des Hugo Doneil (1527- 1591)1°3 die Oberhand gewonnen. Diese philologischantiquarische Richtung, die eine quellenkritische Einstellung und damit eine historische Sehweise begünstigte, förderte auch die Beachtung der Publicistik, die mit Johann Limnaeus als dem "Sachwalter der reichsständischen Partei" einen würdigen Vertreter fand104• An der aus reformatorischen Bestrebungen entstandenen Hochschule in Straßburg hatte der Niederländer Hubert van Giffen (1534 - 1604)1°5 vor dem französischen Hugenotten Dionysius Gothofredus (1549 ..l 1622)106 , dem Herausgeber der damals gültigen Ausgabe des Corpus Iuris Civilis, gelehrt107 • Seit der Aufnahme des Faches Geschichte in der Philosophischen Fakultät im Jahr 1640 intensivierte man historische Studien, die ihre Wirkung auf das Jus publicum nicht verfehlten108• Johann Georg Kulpis109, weit über die städtischen Grenzen hinaus bekannt, verfaßte als anerkannter Staats- und Völkerrechtslehrer eine Universität Gießen I 378, 380 (G. Lehnert, H. Haupt). Vgl. ADB 5, 331 f. (Stintzing); NDB IV 70 f. (H. Liermann); Döhring 388; zur Geschichte der Altdorfer Juristen-Fakultät siehe Mummenhoff; Kunstmann, H.: Die Nürnberger Universität Altdorf und Böhmen, BeiträgE! zur Erforschung der Ostbeziehungen deutscher Universitäten, 1963, 163 ff. 104 Vgl. Stintzing l 1880 367; Mummenhoff 22; zur Tätigkeit von Limnaeus in Altdorf ebd. 127, 182 ff.; Hoke 7 ff. 105 Vgl. ADB 8, 182- 185 (Schirmer); NDB VI 407 (H. Liermann). 106 Vgl. ADB 9, 448 f. (v. Teichmann); NDB VI 656 f. (H. Liermann); Gothofredus' Ausgabe des CIC erschien erstmals 1583 zu Lyon. Diese oder andere weitere Auflagen der Gesetzesausgabe werden auch in den Schriften Ingolstädter Rechtslehrer zitiert. 101 Anrich, Straßburg 59 f. 1os Anrich, Straßburg 78. 109 Vgl. zu Kulpis ADB 17, 364 - 367 (Stintzing); Hoke, Register; Kulpis alias Sulpicius lebte 1658 bis 1698. Er vertrat die Lehre vom Status mixtus des Reiches. 1°2 103

2. Jus publicum als Lehrfach an deutschen Universitäten

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Einleitung in das "studium juris publici", die viel benützt wurde. Als Abgeordneter nahm er an den Friedensverhandlungen zu Rijswijk teil. Wie sein Nachfolger entfaltete er eine umfangreiche publizistische Tätigkeit. Vom Reichskammergericht aus tratSchragfür die an die Franzosen verlorene Stadt Straßburg ein, um sie für das Reich zurückzugewinnen110. Sein Nachfolger J ohann Schilter (1632- 1705)111 stärkte die Germanistik112 • Die Betonung des Staatlichen in der Straßburger Jurisprudenz führte im 18. Jahrhundert so weit, daß kaum von einer Rechtslehre, sondern eher von einer Lehre der Staatswissenschaften gesprochen werden muß, deren Rückgrat die Reichshistorie bildete113• Die württembergische Landesuniversität Tübingen114 hat mit der herausragenden Persönlichkeit Christoph Besolds (1577- 1638) 115 den für die Ingolstädter Juristen-Fakultät später bedeutsamen Rechtslehrer beherbergt, der das Jus publicum auf universalgeschichtlicher und historischpolitischer Grundlage ansiedelte und neben reichsgeschichtlicher auch eine staatengeschichtliche Darstellungsweise förderte. Die Gegenwartsbezogenheit seiner publicistischen Lehre wie die Anerkennung von Publizistik als politischem Agitationsmittel weist ihm eine besondere Stelle unter den Staatsrechtsgelehrten seiner Zeit zu. Die Konsiliarpraxis Tübingens diente ebenfalls zu großen Teilen der Spruchtätigkeit der Ingolstädter Juristen-Fakultät als Argumentationsbasis116• Das Naturrecht rezipierte man in Tübingen erst im 18. Jahrhundert117• Die "Ruperto-Carola" zu Heidelberg war zur Reformationszeit nach den Richtlinien der Reformvorschläge Melanchthons umgestaltet worden, mußte dann dem Calvinismus Friedrichs III. seit 1560 folgen, wandte sich 1576 bis 1583 notgedrungen wieder dem Luthertum zu und erlebte nach der Erstürmung Heidelbergs durch Tilly 1622 vier Jahre später ihre Auflösung und 1628 ihre Wiedererrichtung als Katholische Hochschule durch Kurfürst Maximilian I. von Bayern. Doch erst seit 1652 war wieder ein geregelter Lehrbetrieb gewährleistet118• Die Geschichte ihrer Juristen-Fakultät ist in diesem Zeitraum von Neuansätzen geprägt, ohne entscheidende Impulse auszustrahlen. Am Ende Vgl. Anrich, Straßburg 83; zu Schrag ADB 32, 440 f. (Landsberg). Vgl. ADB 31, 266- 268 (v. Eisenhart). 112 Anrich, Straßburg 84 ff. 113 So Anrich, Straßburg 88 f. 114 Eine umfassende Darstellung der Geschichte der Universität Tübingen fehlt noch. m Vgl. ADB 2, 556-558 (Muther); NDB II 179 f. (E. Niethammer). 116 Vgl. Geipel, der auch eine publicistische Gutachtertätigkeit der Tübinger Juristen-Fakultät berücksichtigt! 111 Vgl. Rauch 267. 118 Vgl. Ruperto-Carola, Aus der Geschichte der Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten, Zur 575. Jahrfeier, hrsg. v. G. Hinz, 1961. 11o 111

I. Begriff und Disziplin Publicistik

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des 16. Jahrhunderts begann neben dem Rückgang der Kanonistik ein pädagogischer Rechtshumanismus, der dem "mos gallicus" zum Durchbruch verhalf. Einer seiner bedeutendsten Vertreter war Marquard Freher (1565- 1614)119 , dessen publizistische Fehde mit Christoph Gewold (1556- 1621)120 in der lngolstädter Juristen-Fakultät fortwirkte. Die zu einem Wandel der Lehrverfassung führende veränderte Lehrmethode brachte seit 1652, 1672 statutarisch verankert, die Begründung einer Jus publicum-Lektur als Anhang des Kodex-Lehrstuhls121 • Mehrfache Zensurbestimmungen des Kurfürsten maßregelten die reichsrechtlich ausgerichtete Publicistik-Lehre122• Einen Markstein der Universitätsgeschichte bildet die erstmals in Deutschland von Samuel Pufendorf in der Philosophischen Fakultät der Heidelberger Universität übernommene "professura juris gentium et philologiae". Seit 1661 begann er hier das Naturrecht "more geometrico" vorzutragen123• D:e disziplinäre Aufteilung der Lehrstühle nach sachlich-materialer Gliederung, wobei die Kodex-Professur durch einen Lehrstuhl für deutsches Staatsrecht ersetzt wurde, erfolgte nach den von Kurfürst Karl Theodor (1777 -1799) revidierten Statuten im Jahr 1786124• Von den katholischen Universitäten des Südens hat die Hochschule Freiburgs die Disziplinen des Staats-, Natur- und Völkerrechts sehr früh zu ordentlichen Nominalfächern erhoben, als im Jahr 1716 neben den traditionellen Pandekten-Professuren Jus publicum, Lehenrecht und Prozeßrecht auch Geschichte ordentliche Lehrstühle erhielten125 • In Würzburg, an deren Hochschule, dem "Augapfel" des Schönbornscben Geschlechts, wohl schon früher Vorlesungen über öffentliches, Natur- und Völkerrecht gehalten wurden, sind diese Ende des Jahres 1724 in regelmäßiger Weise angeordnet worden126• Durch den Schüler Christian Wolffs (1679- 1754)127, Johann Adam Freiherrn von Ickstatt, öffnete sich diese Universität ebenfalls der modernen Rechtswissenschaft. lekstatt betreute hier 1731 bis 1741 das "studium juris publici" 128• Vgl. ADB 7, 334 f. (Wegele); NDB V 392 f. (P. Fuchs). Vgl. Dürrwaechter; Bezzel59 ff. 12 1 Dickel 185 ff. m Dickel 190. 123 Dicke! 193 f . 124 Dicke! 199. 125 Vgl. Schreiber III 1859 3 ff.; Wolff, H..J. (Hrsg.): Aus der Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaften zu Freiburg im Breisgau, 1957 (= Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 15) berücksichtigt das Jus publicum im genannten Sinn nicht. 126 Wegele, Universität Würzburg I 405. 127 Vgl. ADB 44, 12 - 28 (Schrader); Döhring 459 (mit weiteren Literaturangaben). 128 Wegele, Universität Würzburg I 428 ff. 119

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2. Jus publicum als Lehrfach an deutschen Universitäten

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c) Universitäten des Rheinlands und des Südostens des Reiches Die altbayerische Landesuniversität Ingolstadts befand sich im Spannungsfeld zwischen den nordwestlich gelegenen Hochschulen der Erzbistümer Köln, Mainz und Trier und der im Südosten des Reichs aufgebauten Universitäten Salzburgs, Innsbrucks und Wiens. An der alten Kölner Universität wirkte bereits Petrus Ostermann (1596- 1657)129 politisch-publicistisch. Hermann Hermes (1605- 1666)130 beschäftigte sich ausführlich mit dem Jus publicum. Im Jahr 1636 übernahm er das Ordinariat "juris publici ac codicis" in Salzburg131 • Eine nur publicistische Lehrtätigkeit nahm jedoch erst Gerhard Ernst Hamm (1692- 1776) mit öffentlichen Vorlesungen über das Staatsrecht auf132.. In der Zeit zwischen 1724 und 1733 fanden Beratungen und Planentwürfe mit dem Ergebnis statt, daß ein bekannter Publicist und Historiker berufen worden sei, nachdem zuvor ein Angebot der Jesuiten, einen Historiker für die Universität zu stellen, mit der Begründung abgelehnt worden war, daß man darunter vielleicht das Jus publicum bemäntle133• Historie war als reine Hilfswissenschaft der Publicistik aufgefaßt worden. Hamm erhielt 1726 die "lectio juris publici" und las seit 1743 nur mehr über diese Materie, und zwar in naturrechtlicher Ausrichtung nach Grotius134• Mit der Berufung von Hermes an die Hohe Schule des Erzbistums Salzburg war ein Kodizist gewonnen worden, dem die Erwerbung der Besoldschen Bibliothek durch die Universität Salzburg gute Dienste geleistet haben mag, um auch die Publicistik in umfassender Weise zu lehren135• Der Staats- und Kirchenrechtslehrer Franz Schmier (16801728)136 veranlaßte 1727 schließlich die Verselbständigung der Disziplinen des Staats- und Völkerrechts137 • Vgl. ADB 24, 513 f. (v. Eisenhart); Bohne 221 ff. In der ADB und NDB fehlen Angaben über Hermes; Stintzing I 1880 357 erwähnt ihn nur beiläufig; vgl. daher Bohne 225; Hermes verfaßte unter anderem: Assertiones juridicae de juris universi, in specie etiam juris publici Imperii nostri Rarnano Germanici principiis, 1657; ebd. 225. 131 Bohne 225 nennt fälschlich das Jahr 1663; vgl. Die Salzburger Universität 133 (K. H. Ritschel); nicht zutreffend ist die ebd. gemachte Angabe, daß Hermes der erste katholische Jurist gewesen sei, der ein ausführliches Werk über das Staatsrecht geschrieben habe, siehe die Werke von Waizenegger, Manz oder etwa Besold! 132 Vgl. ADB 10,477 f. (Ennen); Bohne 226; Keussen 234. 133 Bohne 233 Anm. 495; Scherer 320 f.; Dickerhof, Ignaz Schwarz 20. 134 Bohne 226. 135 Vgl. Die Salzburger Universität 133, 141 Anm. 184. 13 6 Vgl. ADB 32, 32 (v. Schulte); zur wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung mit weiteren Literaturverweisen Dickerhof, Ignaz Schwarz 135 f. 137 Die Salzburger Universität 133. 129 130

I. Begriff und Disziplin Publicistik

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Auch an der 1671 gegründeten Innsbrucker Universität war dem Kodex-Lehrstuhl anfänglich die Jus publicum-Lektur anhängig138• Erst nach dem Hofdekret vom 25. April 1733 wurden die vier traditionellen Lehrstühle durch einen fünften für Naturrecht und deutsche Reichsgeschichte ergänzt, während das "öffentliche Recht" Hauptfach wurde139• In Trier besprach man das Naturrecht in Exkursen der Vorlesungen, wobei die historisch-publicistische Komponente stark in den Vordergrund rückte 140• Im Jahr 1722 erging zur Reform der Juristen-Fakultät unter anderem auch der kurfürstliche Erlaß, daß "das jus publicum et historiarum ... alle jahre einmal, aber vollständig behandelt" werden solle141 • Der Wunsch nach der vorrangigen Pflege des Staatsrechts setzte sich später fort 142• Die Restauration der Mainzer Universität in diesem Sinne erfolgte erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts. In Wien hatte man zwar bereits im Jahr 1632 Kaiser Ferdinand II. (1578 -1637) um die Einführung des Jus publicum gebeten, das Gesuch jedoch dann fallen gelassen143• Nachdem zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Intensivierung des Publicistik-Studiums allenthalten beobachtbar war, trug man sich auch im Kaiserreich wieder mit Plänen einer Einführung des Faches an der Wiener und Frager Universität144 • 1722 gelangte eine Konkursausschreibung von Trier nach Wien mit der Bewerbung um eine Lehrkanzel für Jus publicum, worauf die Wiener Professoren selbst darum baten, wieder ohne Erfolg. Die Anträge der Juristen-Fakultät wiederholten sich 1725 und 1738, ohne zu einem Ergebnis zu führen, obwohl man der politischen Arkanhaltung und der kaiserlichen Stellung in der zu praktizierenden publicistischen Lehre Sonderrechte einräumte145'. Erst 1753 ernannte Maria Theresia (1717 Wretschko 103 ff., hier 110 f. Wretschko 117. t4o Vgl. Zenz 134 ff. 141 Zenz 137. 142 Vgl. Zenz 137 ff. ua Kink 50 f.; die bei Wretschko über das Jus publicum an der Wiener Universität angegebenen Daten sind teils unzutreffend. 144 Vgl. Dickerhof, Ignaz Schwarz 20 ff. 145 Kink 49, 53 f.; am 4. September 1725 schrieb die Wiener Juristen-Fakultät an Kaiser Karl VI. (1711 -1740): "Dem hat auch dieses die Juridische Facultet weithers vorsichtiglieh beigesetzet, daß obschon mann einwenden könnte, als ob das Jus publicum wegen verschidener ad jura Majestatica einlaufenden Quaestionen und anderer solch = mehrerer. politischer uhrsachen halber alhier in facie Summi terrae Principis sich vielleicht füeglichen nicht docieren lassen derffte, Ewer Kays. May. allerhöchste intention jedannoch ex eo gleichwohlen nicht gehemmt werden könne, umb willen ein jeglich = solcher Professor seinen methocturn tradendi dergestalten gar leicht wurde moderiren können, daß eine so andere Quaestiones, welche etwo zu weit auslauffeten, entweders ganz ausgelassen, oder aber auf solche arth modificiret werden müesten, daß alle gelegenheit einer yblen interpretation, nachdenkens oder inculpation vermieden wurde." Kink 53 f. 13s

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2. Jus publicum als Lehrfach an deutschen Universitäten

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1780) einen eigenständigen Lehrer für Jus publicum und Lehenrecht. Zugleich fand auch das Naturrecht an der Wiener Hochschule Eingangt4e.

Die Jesuiten-Universität Dillingen nahm das Naturrecht ebenfalls um die Mitte des 18. Jahrhunderts auf147, während die im humanistischen Zeitalter besonders rege Hochschule zu Mainz bei der großen Reform vom Jahre 1784 mit der Einführung zweier eigener Fakultäten, der Historisch-Statistischen und der Kameralwissenschaftlichen einen Endpunkt der Verselbständigung staatswissenschaftlicher Sachbereiche bezeichnet148. Starke Impulse für die Übernahme publicistisch-naturrechtlichen Gedankenguts waren von den Niederlanden, insbesondere Leiden ausgegangen, deren Universität die bekanntesten Juristen der Zeit besuchten149. Die von Philipp Reinhard Vitriarius (1647- 1720) vertretene Staatsrechtslehre zog besonders den katholischen Adel der Österreichischen Länder an150. Die dort fehlende Pflege eines Landesstaatsrechts, hingegen die gelehrte Reichspublicistik, die die Österreichischen Prärogativen hervorhob, darf nach Schneppen nicht als Rückgriff auf alte Reichstraditionen oder als letzter Ausdruck eines Reichsbewußtseins verstanden werden. Sie habe vielmehr ebenso wie das Bestreben, Politik nach Besold zu lehren, der vermehrten Aufnahme der Hochschule gedient151 . An der ehemals deutschen Universität Dorpats war zwar das Naturrecht statutarisch verankert; doch wurde überwiegend positive Rechtswissenschaft in historisch-publicistischer Weise betrieben. Diese Intention hatte insbesondere Olaus Hermelin. Er las über Jus publicum nach deutschen Kompendien. In den Diensten des Schweden-Königs Karl XII. (1697 - 1718) setzte er sein Wissen in politische Kampfschriften umts2.

Vgl. Kink 59 ff. Vgl. Specht 195; Hofmeister, Pb.: Zur Verfassung der Hohen Schule in Dillingen an der Donau: Dillingen und Schwaben, Festschrift 1949, 119 f.; Dickerhof, lgnaz Schwarz 132 ff. 148 Vgl. Brück 52 ff.; Just, L .: Die alte Universität Mainz von 1477-1798, Ein Überblick, 1957 ( = Beiträge zur Geschichte der Universität Mainz Bd. 4); Hasselwander, N.: Aus der Gutachter- und Urteilstätigkeit an der alten Mainzer Juristenfakultät ( = Beiträge zur Geschichte der Universität Mainz Bd. 3) trägt nichts zur Erörterung der Lehre vom Jus publicum bei. 14D Vgl. Schneppen 98 ff. 15o Schneppen 101; zu Vitriarius ADB 40, 82 (Frensdorff); siehe auch Schneppen, Register. · 151 Schneppen 101; der genannte Vorgang stellt sich zugleich im Rahmen der allgemein erfolgenden verstärkten Pflege der Reichspublicistik als natürlicher Bestandteil der Lehrverfassung der Juristischen Fakultät dar. t 52 Vgl. Rauch 269 ff. 146

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I. Begriff und Disziplin Publicistik

Die moderne rechtswissenschaftliche Bewegung verbreitete sich auch in der Schweiz. In Basel, deren gelehrte Juristen mehr der Historie als der Jurisprudenz zugewandt gewesen waren, erschien nach der Behandlung der Publicistik in Disputationen und Dissertationen erstmals 1706 im Lektionskatalog eine Vorlesungsankündigung über Grotius' Hauptwerk und die Nennung einer der Institutionen-Professur anhängigen Jus publicum-Lektur153• Zusammenfassung

Die unterschiedliche Ausprägung des Jus publicum an den deutschen Universitäten hinsichtlich einer reichshistorischen Erörterung oder einer rationalistisch-naturrechtliehen Betrachtungsweise des Unterrichtsgegenstandes wird neben der empirisch-praktischen Jurisprudenz des "usus modernus" als einer "ancilla fori" wesentliches Kriterium für die Typisierung der Juristen-Fakultäten des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts. Nachdem seit Grotius das Naturrecht als Grenzwissenschaft zwischen Jus und Philosophie sich im Vordringen befindet, gelten die das positiv-historische Recht in den Mittelpunkt stellenden Juristen-Fakultäten als konservativ, während die neue Schule des Naturrechts, hier an der Spitze Heidelberg und Kiel, für fortschrittlich revolutionär angesehen wird154 • Für die Lehre vom Jus publicum werden Ethik, Politik und Historie hilfswissenschaftlieh verwandt. In der Kennzeichnung des Publicisten wie des Jus publicum spiegelt sich so die Entwicklung einer staatswissenschaftlich-politisch-deduktiven Betrachtungsweise der Reichsverfassung unter dem Primat des historischen oder naturrechtliehen Aspekts. Seit Ludewigs Auftreten, der den historischen Teil des deutschen Staatsrechts mit dem Namen "Reichshistorie" belegt, wird die beides vertretende Lehrperson als Publicist bezeichnet155 • In Halle soll ein nicht an das Kaiser- und Reichsrecht erinnerndes Staatsrecht entwickelt werden. Die Geschichte des Rechts wird dadurch zu einer Magd des Staates156• Die Behandlung des Werdens des Staates "in abstracto" im Vergleich mit der Staatengeschichte subsumiert zu Beginn des 18. Jahrhunderts den Begriff des Jus publicum unter die allgemeineren Lehrgegenstände des "jus na153 Vgl. Staehelin 283 ff.; für die ebd. 312 aufgestellte Behauptung, in Basel sei den Zeitströmungen, wie etwa der vermehrten Pflege des öffentlichen Rechts, durch das Stadtkonsulententurn und die Rechtsberatung Rechnung getragen worden, fehlt ein genügender Nachweis. Zur Vorlesung über Grotius Bonjour 289; vgl. insbesondere die Arbeiten von Kisch, siehe Literaturverzeichnis! 154 Rauch 266 ff. m Frensdorff 37. 156 Vgl. Halle- Wittenberg I 264 (Rambeau); ebd. II 1-13 (Mende); Hiller.

Zusammenfassung

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turae et gentium" 157, wodurch der Wandel von der historischen zur naturrechtliehen Deduktion vollzogen war. Ausgangs- und Bezugspunkt beider Betrachtungsweisen blieb jeweils die eigene Gegenwart. Die konfessionellen, barocken und absolutistischen Kräfte zielen auf eine staatspolitische Konformität der Rechtslehrer. Wegen der Arkanhaltung der Fürstenregierungen ist die Behandlung politisch-publicistischer Fragen im Lehrbetrieb belastet. Die Möglichkeit der Preisgabe rechtspolitischer Positionen im juristischen Lehrbetrieb beeinflußt die Stoffauswahl und die Stoffdarbietung. Eine Freiheit der Lehre konnte in diesem Sinn nicht möglich sein158• Aus der Privatisierung der religiösen Sphäre der Individuen durch die Reformation ergibt sich folgerichtig die Hinwendung zum Historisch-Politischen juristischer Prägung159• Die Mittelpunkte der konfessionspolitischen Auseinandersetzungen - Kurpfalz, Kursachsen, Kurbayern und das Kaiserreich -, zu Brennpunkten publicistischer Tätigkeit geworden, vollziehen im Rahmen der Frühaufklärung die Eingliederung des Faches Jus publicum in den Lehrplan ihrer Juristen-Fakultäten. Die Disziplin Publicistik findet dabei teils früher, teils gleichzeitig an protestantischen und katholischen Hochschulen durch den vom Vernunftrecht geleiteten Säkularisierungsprozeß Eingang. Wegen der Konfessionsgebundenheit der Territorien und der Verpflichtung gegenüber den fürstlichen Regierungen muß das Jus publicum der Landesuniversitäten diesen politischen Gegebenheiten Rechnung tragen. Zur publicistischen Aufgabe wurde deshalb auch die Ausgestaltung eines barock-absolutistischen Herrscherbildes aufgrund eines traditionellen Herrscherideals160 •

ß. Lebensbilder lngolstädter Rechtslehrer Auch die Rechtslehrer der Hohen Schule Ingolstadts versuchten, historische und juristische Gelehrsamkeit zu verbinden. Die schon früh von juristischer Seite ausgehenden Impulse zur Eingliederung der Historie in das Wissenschaftsgefüge der Universität, denen kein Erfolg beschert war1 , argumentierten, daß mittels der in der Rechtswissenschaft vorherrschenden deduktiven Methode aus der Geschichte die 157

Kink 50.

Vgl. Rauch 414 ff. Vgl. Rehm 204 ff. 160 Andeutungen bei Straub, Herrscherideal 220. 1 Vgl. Dickerhof, Geschichtsprofessur Ingolstadt. t5s

1sD

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II. Lebensbilder Ingotstädter Rechtslehrer

Normen für das Jus publicum ableitbar seien2 • Doch erst im Jahr 1726 wurde ein Lehrstuhl für Geschichte errichtet, der ihre endgültige Anerkennung als Wissenschaft besiegelte3 • Eine klare Scheidung zwischen Jus publicum und Historie traf man schließlich im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts. Jene Persönlichkeiten, die diesen bildungs- und wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang mitgestalten halfen, wollen die nachfolgenden Lebensbilder Ingolstädter Rechtslehrer nennen4 • 1• .,Professores juris canonici"

Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein wirkte der mittelalterliche Gedanke vom .,ius utrumque", der innerhalb der Idee der .,res publica christiana" die beiden Bereiche des .,ius civile" und des .,ius canonicum" unterschied und zugleich einander zuordnete, wenn man auch seit der Reformation5 das .,imperium civile" 6 eingehender behandelte. Denn auch auf nichtkatholischer Seite hatte man sich für die Beibehaltung der Kanonistik entschieden7 • Die nun konfessionsgebundene Kanonistik beeinflußte wiederum die sich kontrovers ausbildende Reichsstaatsrechtslehre8. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts zeigt sich an der Ingolstädter Juristen-Fakultät, daß die Studierenden das Interesse am geistlichen Recht zu verlieren scheinen9 • Der .,Schrumpfungsprozeß" der Kanonistik setzt sich fort, obwohl man von obrigkeitlicher Seite auf dem Primat des geistlichen Rechts, um den während des ganzen Jahrhunderts gekämpft wird, beharrt und Abhilfe zu schaffen sucht. 1675 wird die Professur den Jesuiten übertragen10• Vgl. S. 106 ff. der vorliegenden Arbeit! Dickerhof, Ignaz Schwarz 21 Anm. 36 verweist zu Recht auf den unterschiedlichen Ausgangspunkt der von Jesuiten-Professoren in der Philosophischen Fakultät und der von Juristen betriebenen Historie. 4 Vgl. zu nicht genannten Professoren und zur Institutionsgeschichte der Ingolstädter·Juristen-Fakultät Wolff, Beiträge! 5 Vgl. Hecke!, Staat und Kirche; ders., Autonomia und Pacis C~mpositio. 6 Vgl. Stintzing I 1880 663 ff. 7 Vgl. Söllner 168 ff. 8 Zum evangelischen Staatskirchenrecht Heckel, Cura religionis; Hecke!, Staat und Kirche 22 ff., 74 ff. 9 UA E I 2: 1603 Mz 29: Canisius klagt über den Rückgang des Interesses der Studierenden am Jus canonicum; StA Obb GL 1484 II 12, f. 12 ff.: Caspar Denich klagt als Kanonist über die Unlust der Studenten; ebd. GL 1483 II 24: 1659 Okt. 24: Lossius macht Vorschläge zur Intensivierung des KanonistikStudiums, siehe Quellenanhangt 10 StA Obb GL 1484 II 15: 1655 (nicht genauer datierbar): Caspar Schmid beharrt auf dem Primat der Kanonistik; ebd. GL 1479, 22: 1659 Nov. 24: 2

3

1. "Professores juris canonici"

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Äußerer Anlaß für diesen Kampf um den Primat des Kanonisten war die kurfürstliche Sonderregelung bei der Anstellung von Heinrich Canisius, der ohne Beachtung eines Vorrückungsmodus11 nach der üblichen Probezeit als Lehrer für das geistliche Recht aufgenommen worden war, ohne "professor primarius" zu sein12• Bis 1675 führte dieser Vorrückungsmodus auch den Gedanken vom "ius utrumque" sinnfällig vor Augen. Im Idealfall stieg der Kodizist als Kanonist zu diesem höchsten Lehramt der Fakultät auf13 • Nun geriet diese Bindung ins Wanken und brach ab14 • Der von Heinrich Canisius und dann von Johann Jakob Lossius gemachte Versuch, das geistliche am weltlichen Recht auszurichten, war fehlgeschlagen15 • Dem Säkularisierungsprozeß einer historisch orientierten Publicistik war damit der Weg geebnet. Fast zwanzig Jahre lang bekleidete der Niederländer Heinrich Canisius (1548- 1610)1 6 an der Ingolstädter Juristen-Fakultät die Kanonistik-Professur. In Löwen und Perugia studierte der in Nimwegen geborene Vetter des Petrus Canisius (1521- 1597)17 und erwarb das Doktorat der beiden Rechte18• Als er als Präzeptor eines Sohnes von Marx von kurfürstlicher Seite wird die bessere Beachtung des KanonistikStudiums angeordnet. Vgl. Prantl I 453 f., 486, 520; UA C III 3: 1675 Dez. 21: Bestimmung des Kurfürsten über die Stellung des neuen Kanonisten, SJ; ebd. E I 5 a: 1708, 1709: Auseinandersetzung des Kanonisten Melchior Friedrich mit der Juristenfakultät wegen des Primats; StA Obb GL 1484 I A 2: 1711-12; 1717 wurde Vitus Pichler, Kanonist, trotzdes Einspruchs der Fakultät einmalig "professor primarius". Vgl. Prantl I 433 f.; UA C III 3: 1675 Mai 8 zur Übernahme der Professur durch die Jesuiten. 11 Die dem Aufbau der Rechtsquellen folgende Lehrstuhlgliederung beinhaltete eine Rangfolge der Lehrstühle, die vom Extraordinarius über den Institutionisten, Pandektisten, Digestisten und Kodizisten zum Kanonisten führte. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts bürgerte sich der Werdegang des Rechtslehrers so ein, diese Rangfolge einmal durchlaufen und jeden Lehrstuhl einmal betreut zu haben, bis er an der Spitze der Fakultät Professor primarius werden konnte. Durchbrechungen dieses erstrebten Vorrückungsmodus' durch landesherrliche Berufungen kamen jedoch immer wieder vor. Vgl. Wolff, Beiträge 199. 12 UA EI 2: 1590 Juli 2: Anstellungsdekret. 13 Nach Canisius war dies nur der Fall, als Joachim Denich die Professur übernahm! 14 Vgl. oben Anm. 10 der vorliegenden Arbeit! 15 StA Obb GL 1483 II 6: undatiert (wahrscheinlich Febr. 1606); ebd. GL 1483 II 24: 1659 Okt. 24. 16 Pölnitz, Matrikel I 1226: 1590 Febr. 18: "Henricus Canisius Nouioma·gus Geldrus iuris utriusque doctor, professor sacrorum canonum Ingolstadii et magni illius theologiae societatis Iesu reverendi Patris Canisii ex fratre patrueli nepos ..." Canisius hieß eigentlich Hendrik de Hondt. Vgl. Mederer II 121, 198, 199 u. ö.; Kobolt I 121 ff., II 48 ff.; Prantl I 416 f.; II 498; ADB 3, 749 (v. Schulte); NDB III 122 (H. Jedin); LThK 22, 915 (K. Weinzierl); v. Schulte III 1, 130 f., 337; Riezler VI 452; Duhr, Jesuiten als Historiker 64; Wolff, Beiträge 98 ff., 332; Dekkers 82; Neumaier 169. 17 Vgl. Buxbaum, E. M.: Petrus Canisius und die kirchliche Erneuerung des Herzogtums Bayern, Diss. masch. München 1966. 18 Nachweis bei Wolff, Beiträge 98 Anm. 143.

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II. Lebensbilder Ingolstädter Rechtslehrer

Fugger in Rom weilte, knüpfte Herzog Wilhelm V. (1579- 97) Verhandlungen an, um Canisius in seine Dienste zu ziehen. Marx Fugger willigte gerne ein19. Heinrich Canisius wurde auf Probe als Kanonist angestellt und nach erfolgtem positiven Personalgutachten durch die Ingolstädter Juristen-Fakultät am 2. Juli 1590 inkorporiert2o. Vier Jahre später wurde er auch dem Rang nach "Professor primarius" 21 . Als erfolgreicher Lehrer22 mit außergewöhnlichen schriftstellerischen Leistungen wirkte er bis zu seinem Tode am 2. September 1610 in Ingolstadt23. Ein Teil seiner Gelehrtenbücherei ging an die Ingolstädter Universitäts-Bibliothek24. Während seiner beiden letzten Lebensjahre wollte sich Canisius vom Fakultätsleben zurückziehen, um sich noch intensiver seinen Privatstudien widmen zu können25 . Gemäß der konfessionspolitischen Prägung der zeitgenössischen Wissenschaft versuchte er nicht nur in seiner Lehre, "cum sacris canonibus jus civile coniungere" 26, sondern verteidigte publizistisch die Geltung kanonistischer Dogmatik im Bereich des Eherechts. Sein Interesse an der Erforschung und Veröffentlichung historischer Quellen stellte er ganz in den Dienst einer Bekräftigung der Erhaltung der katholischen Religion durch die Dynastie der Wittelsbacher in Bayern und im Reich. Von Schulte nannte ihn einen 19 StA Obb GL 1482 II 19: 1589 Juni 23 und ebd. Reskript vom 28. Juni durch Marx Fugger. 20 UA EI 2: 1590 Febr. 2, 1590 Juni 25 (Personalgutachten in Konzeptform), 1590 Juli 2. 21 UA EI 2: 1594 Apr. 27. 22 Das oben Anm. 20 genannte Personalgutachten bemängelte die Aussprache des Canisius und seine Diktiermethode, ohne seine Qualifikation zu bestreiten. Sein Schüler, später selbst Rechtslehrer zu Ingolstadt, Hieronymus Arnold Rath, lobt ihn sehr: StA Obb GL 1484 II 8: 1606 Jan. 16: Canisius habe "cum magno applausu studiosorum" über kanonisches Recht gelesen. Rath bestritt die erste unter Canisius' Vorsitz stattfindende Disputation als Respondent: 1590 Nov. 14: Assertionum Matrimonialium pars prima, quae sub praes. H. Canisij publice defendet Hieronymus Arnoldus de Raedt, Geldrus; die Disputation ist Herzog Wilhelm V. gewidmet, StB Clm 1587 f. 139'; Clm 1624 f. 83 nennt eine weitere von Rath mit bestrittene Disputation gleicher Thematik; weitere Disputationen unter dem Präsidium von Canisius StB Clm 1587 f. 139' ff.; Clm 1624 f. 83 ff. 23 UA EI 2: 1610 Sept. 16 (Todesmeldung); StA Obb 1482 II 19 dass. 24 Mederer II 198; Günthner 188; Buzäs 83; mit eigenhändigen Widmungen versehene Exemplare seiner Lectiones antiquae, Ingolstadt 1601 - 1604 sind in der UB München erhalten. 25 StA Obb GL 1483 II 6: 1600 Febr. 24: Canisius bittet Herzog MaximiBan I., ihm sein Werk über das kanonische Recht widmen zu dürfen und um Beurlaubung für eine Reise nach Rom, was ihm ebd. 1600 Mz 23 bewilligt wird. Resignationswünsche ebd. GL 1483 II 48 (1608, 1609), GL 1485, 17 (1609: Verzicht auf Professur und Rektorat). 26 StA Obb GL 1483 II 6: undatiert (1606): "Et quo plus utilitatis J . V. studiosi ex meis praelectionibus caperent, conatus semper fui, quoad licuit, cum sacris canonibus Jus civile coniungere."

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"Scholastiker" und "Curialisten der reinsten Art" 27, ohne den konfessionspolitischen Beweggrund der publizistischen Tätigkeit von Canisius damit ausreichend zu erfassen, der in einem lebhaften Materialund Gedankenaustausch mit Jakob Gretser (1562 -1625)2ll und Markus Weiser (1558- 1614)29 eine konfessionsgebundene Barockhistoriographie apologetischen Zuschnitts schuf30 • In der Folgezeit wurde das geistliche Recht immer mehr ein für diese Stände bestimmtes und auf diese Gruppen bezogenes Fachgebiet. Nachdem Sirnon de Labrique31 nach dem Tod von Canisius stellvertretend zwei Jahre lang die Kanonistik-Professur betreute, übernahm sie der Kodizist Joachim Denich32 • Der in Lüttich geborene Labrique ging 1622, nachdem er durch die Erwerbung zweier "Hoffmarchen" "Kollersfriedt" und "Lauffenthal" "Landtseß" und "Lehenmann" des Herzogs Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg geworden war, als dessen Vizekanzler und Rat mit der Entlassungsbewilligung des bayerischen Herzogs von der Universität ab33 • Dem Neuburger diente er besonders 1627 bei der Einführung und Wiederherstellung der katholischen Religion und des katholischen Gottesdienstes im Herzogtum Sulzbach34 • Joachim Denich, 1563 in Bruchsal geboren, mit einer Tochter des Caspar Lagus (gest. 1605)35 verheiratet, war 1590 Professor in Ingolstadt geworden und lehrte hier bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1629, seit 1612 wahrscheinlich als Kanonist36• Kanonistische Schriften hinterließ v. Schulte III 1, 131. Vgl. Duhr, Jesuiten als Historiker 62 ff.; Neumaier 162 f. 29 Vgl. Roth 163 ff. 30 Vgl. Kraus, Grundzüge barocker Geschichtsschreibung; ders., Wissenschaft in der Barockzeit 31 Pölnitz, Matrikel II 1, 17: 1601 Mai 2: "Magister Sirnon de Labricq Leodius iuris utriusque baccalaureus nunc iuris utriusque doctor, et hic Ingolstadii ordinarius professor I. G. B."; vgl. Mederer II 233; Kobolt I 386 f., II 179; Prantl I 420, II 490; Wolff, Beiträge 337, der das Todesjahr nach 1632 ansetzt. Labrique wurde 1605 "Professor iuris civilis": UA E I 2: 1605 Mz 31; 1606 rückte er als Ordinarius zum Institutionisten auf: StA Obb GL 1483 II 21: 1609 Aug. 1 (Bericht des Akademischen Senats); dann vertrat er die Kanonistik, weshalb er auch um Besoldungsverbesserung bat: StA Obb GL 1479, 15 und ebd. 1479, 81: 1610 Juli 2; 1612 sollte er die "lectio codicis" halten, was auch geschah, ebd. 1482 II 34. 32 UA E I 2: 1590 Mai 24 (Joachim Denich wird Institutionist); ebd. 1594 Dez. 6 (Digestist); ebd. 1606 Jan. 15 (Denich wird von der Universität als Kodizist vorgeschlagen); ernannt wahrscheinlich nach dem Soldverbesserungsgesuch StA Obb GL 1483 II 15: 1606 Aug. 17; ebd. GL 1482 II 35 (Kanonist). 33 StA Obb GL 1482 II 55: 1622 Okt. 20, Nov. 22, 24. 34 Kobolt II 179. 35 Vgl. oben Anm. 32; Wolff, Beiträge 337 mit Literatur- und Quellenangaben. 36 Pölnitz, Matrikel I 1081 f.: 1580 Juli 15: "Ioachimus Denickh Bruxellensis dioecesis Spirensis rhetoricae studiosus, iuris utriusque doctor et professor 27

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er jedoch keine37• Seine Büchersammlung ging im Jahr 1656 an das Jesuiten-Kolleg38 • Joachim Denich, der am 27. März 1633 verstarb, diente auch als kurbayerischer und kurpfälzischer Rat39• Bei Denichs Emeritierung wurde der Lehrstuhl Ferdinand Waizenegger (um 1580 -1634) 40 übertragen, obwohl gemäß dem Vorrückungsmodus eigentlich der Kodizist Nikolaus Burgund diese Stelle hätte einnehmen sollen41 • Waizenegger war mit 17 Jahren als Student der "artes" nach Ingolstadt gekommen. Nachdem er seine rechtswissenschaftliehen Studien in Italien fortgesetzt hatte, bewarb er sich von dort aus beim bayerischen Herzog Maximilian I. um eine juristische Professur an der Ingolstädter Hochschule42 • Das sehr wohlwollende Personalgutachten der Juristen-Fakultät besiegelte seine Aufnahme in den Lehrkörper43 • Der Extraordinarius44 wurde bereits 1614 Nachfolger des in landesherrliche Dienste abgegangenen Johann Georg Brugglacodicis . . . et postea sacrorum Canonum primarius necnon serenissimorum principum Bauariae et Palatinatus Neoburgensis consiliarius ... "; zu seinem Werdegang siehe oben Anm. 32; Emeritierungsgesuch und -Bewilligung StA Obb GL 1482 II 34: 1629 Okt. 11, Nov. 25; vgl. allgemein Mederer II 67, 119, 121, 266; Kobalt I 151 f., II 61; Prantl I 353, 360, 370, 400, 418, 512; II 499; Stintzing I 1880 660; ADB 5, 50 (Steffenhagen); Wolff, Beiträge 333. 37 Schriften bei Mederer II 266; Kobalt I 151 f.; seine Werke behandeln das Zivil- und Prozeßrecht. 38 ADB 5, 50 (Steffenhagen); Buzäs 83. 39 Zur Erfüllung dieser Aufgabe StA Obb GL 1482 II 35: 1616 Mz 29: Kaspar Denich vertritt seinen Vater Joachim, der "auß E. frstl. drlt. gnedigsten beuelch bay Herren Pfalzgrauen zue Neuburg frstl. drlt. occupirt werden". Gedruckte Nekrologe von W. Uhlaeus SJ und Nikolaus Burgund in StB: 1633 Mz 30, Mai 11, genannt Denichiomnema. 40 Pölnitz, Matrikel I 1365: 1597 Okt. 16: "Ferdinandus Wazzenegger Brigantinus grammaticae ob fratrem suum vicarium Wembdingensem Postca insignis iurium professor"; weitere Eintragungen wahrscheinlich ebd. II 65: 1603 Dez. 12 als "logicae studiosus", sicher ebd. II 261: 1613 Apr. unter den amtierenden Professoren als "iuris extraordinarius"; vgl. Mederer II 272; Kobalt I 725, II 419; Prantl I 421, II 499; ADB 40, 634f. (v. Eisenhart); Wolff, Beiträge 105 f., 342. 41 Das Gutachten der Ingolstädter Juristen-Fakultät, von Kurfürst Maximilian I. angefordert, betont diesen Vorrückungsmodus, schlägt aber Waizenegger, der wahrscheinlich nach Arnold Raths Tod vertretungsweise die Kodex-Lektur betreute, vor: StA Obb GL 1482 II 34: 1629 Okt. 16; ebd. 1629 Nov. 15 erfolgt die Emeritierungsbewilligung für Joachim Denich und die Ernennung Waizeneggers zum Kanonisten. 42 Vgl. Wolff, Beiträge 105 zur Immatrikulation in Perugia; Bewerbungsschreiben von Perugia aus abgesandt: StA Obb GL 1482 II 90: 1612 Aug. 14; Anforderung des Personalgutachtens UA EI 3 a: 1612 Sept. 14. 43 UA E I 3 a: 1612 Okt. 26; StA Obb GL 1482 II 90 dass.; Waizenegger habe den Philosophiekurs mit Auszeichnung absolviert, dann auch das Studium der Jurisprudenz ergriffen, sei fleißig und auch "in moribus" als bestens beleumundet anzusehen. Man plädiert für seine Aufnahme. 44 StA Obb GL 1482 II 90: 1612 Nov. 17 (Anstellungsdekret im Konzept); UA EI 3 a: 1613 Mz 29 (Anstellungsdekret, Original).

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cher4 s. Im kurfürstlichen Ratskollegium Ingolstadts war er als Direktor tätig, von dem er sich 1627 mit einem Gnadengeschenk des Landesherrn von 1000 Gulden zurückzog46 • Die Stelle eines Präfekts zu Gerolfing versah er ebenfalls. Waizenegger wird als beliebter, vorzüglicher Lehrer, als freundlich, liebenswürdig und freigiebig geschildert47 • Nach der Übernahme der Kanonistik-Professur widmete er sich vorwiegend der Lehrtätigkeit und richtete in Ingolstadt in einem ererbten Haus eine Gaststätte ein, für die er vom Kurfürsten das Zapfrecht erbat48 • Am 28. August 1634 verstarb er in Ingolstadt49 • Als "Professor primarius" der Fakultät hatte Waizenegger mit den damals auf einen Höhepunkt zutreibenden Hexenprozessen zu tun. So weit es ging, übte er mit der gesamten Juristen-Fakultät passive Resistenz50. Trotz seines hohen Ansehens beim Landesherrn - er erhielt bis zum Ende seiner Dienstzeit den hohen Sold von 600 Gulden - zog er sich immer mehr von außeruniversitären Beschäftigungen zurück, so daß man später klagte, er habe nicht dazu bewegt werden können, in die unmittelbaren Dienste des Fürsten einzutreten51 . Auch als Schriftsteller hat Waizenegger Bedeutendes geleistet. Als erster Jurist Ingolstadts verfaßte er theoretische Abhandlungen über das Jus publicum. Er mag dadurch den Ruf nach einer Jus publicum-Lektur verstärkt haben. Das Jus canonicum und das Jus publicum vereinte er52. 45 StA Obb GL 1483 II 42: 1614 Juli 30; UA E I 3 a: 1614 Sept. 22; zu Brugglacher Wolff, Beiträge 331. 46 UA EI 4 a: 1627 Aug. 25. 47 Mederer II 272; Wolff, Beiträge 106. 48 UA E I 3 b: 1631 Febr. 11; StA Obb GL 1482 II 34: 1629 Dez. 10: Waizenegger schreibt, er sei entschlossen, sich "der priuatgeschefften genzlich zuenteussern ... ". Der Kurfürst möge deshalb bei der Kanzlei anordnen, "daß man mich mit Extra ordinarijs Commissionibus in: und ausser landts ferner nit beladen soll, dan auch dero Herrn Statthalter unnd anwesenden Rätben alhie gnedigist andeiten, daß ich fürthin zue dem Rathsiz tempore lectionum nit obligiert sein soll". Eine Kollision der Nebentätigkeiten mit der Lehrtätigkeit möchte er vermeiden. 49 UA E I 3 b: 1635 Jan. 12; StA Obb GL 1482 II 90 dass.; die verspätete Todesmeldung ist auf die Schließung der Universität in den Jahren 1634/35 zurückzuführen. 50 Vgl. Schrittenloher 325, 331, 333 f. u. ö. 51 Als Ordinarius begann Waizenegger mit 300 Gulden Sold, UA E I 3 a: 1614 Sept. 22, letzte Soldverbesserung wohl nach dem Gesuch von 1630: StA Obb GL 1482 II 34: 1630 Jan. 9; als außergewöhnlich, so ADB 30, 635 (v. Eisenhart) ist die Bezahlung jedoch nicht anzusehen, da die Staffelung der Gehälter der Lehrstuhlhierarchie entspricht; vgl. UA E I 3 b: 1631 Apr. 7 (Relation, der Herren Professoren zu Ingolstadt Besoldungsverbesserung betr.) zur Ablehnung unmittelbaren Fürsten-Dienstes. 52 Im Anhang der 1637 zu Ingolstadt posthum herausgegebenen Werke Waizeneggers - nur eine Schrift erschien zu seinen Lebzeiten 1618, die das kanonische Recht behandelt, so Kobolt II 419 - finden sich die beiden von W. Uhlaeus SJ und Kaspar Denich gehaltenen Nekrologe gedruckt: Speculum iuridicum, Ingolstadt 1634.



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Der Sohn Joachim Denichs, Kaspar53, war 1591 zu Ingolstadt geboren worden und hatte hier studiert und das Doktorat der Rechte 1612 erworben54. Nach einem Studienaufenthalt in Italien bekam er die ihm versprochene Stelle eines Extraordinarius55 • Als Titularordinarius vertrat er Labrique während dessen Aufenthalt in den Niederlanden56 und rückte schließlich zum Digestisten auf57. Aus diesem Bereich stammen auch seine Publikationen58. Nach dem Tode Waizeneggers weigerte sich Burgund, die Kanonistik-Professur zu übernehmen, obwohl sie ihm gemäß dem Vorrückungsmodus zustand. Zweimallehnte er ab59 • So erhielt sie Kaspar Denich, der sie bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1655 innehatte60 • Als Universitäts-Kämmerer und kurbayerischer Rat des Ingolstädter Kollegiums erhielt er bei seiner Resignation vom Kurfürsten eine goldene Kette als Anerkennungsgeschenk61 • Auch Denich der Jüngere war im Sinne passiver Resistenz an den Hexenprozessen beteiligt und mußte deswegen sogar mit anderen Professoren eine öffentliche Denunziation über sich ergehen lassen62 • Nach Mederers Bericht lehrte er nach seiner Emeritierung noch bis zu seinem Tode über das Jus publicum63 • 53 Pölnitz, Matrikel II 98: 1605 Okt. 22: "Casparus Denichius Ingolstadiensis philosophiae studiosus minorennis adhuc, filius clarissimi viri domini Ioachimi Denichij utriusque iuris doctor et professoris ·ordinarii - iam utriusque doctor. professor et Anno 1616 huius academiae Rector et camerarius 1620. postea uxoratus inaudito exemplo 1643 iterum rector." Vgl. allgemein Mederer li 209, 215, 304, 321, 353 f.; Kobolt I 152; Prantl I 421 f., 486, II 499; ADB 5, 50 f. (Steffenhagen); Stintzing I 1880 660; Wolff, Beiträge

106 f., 333.

Vgl. Wolff, Beiträge 106 f. UA E I 3 a: 1614 Jan. 3: Anstellungsdekret für den in Italien weilenden Kaspar Denich, der eine Exspektanz seit dem 6. Nov. 1613 zugesagt bekam; dass. ebd. mit Soldanweisung vom 22. Sept. 1614 (150 Gulden); vgl. auch StA Obb GL 1483 II 15: 1614 Juli 29. 56 UA EI 3 a: 1618 Nov. 18 : Ernennung zum Titularordinarius; StA Obb GL 1482 II 35: 1616 Mz 29 (Vertretung von Labrique auf den Antrag der JuristenFakultät hin). 57 StA Obb GL 1483 II 16: 1623. ss Schriften bei Mederer li 354; Kobolt I 152; die von Vater und Sohn erhaltenen Disputationen sind reine Thesendrucke, die in üblicher Weise auch kanonistische Materien beinhalten, vgl. StB Clm 1588 f. 33' (1611: De immunitate ecclesiastica), ebd. Clm 1624 (1592: Theses de Donationibus von Joachim Denich), ebd. (1624: Assertiones canonico de beneficiis ecclesiasticis von C. Denich). 59 StA Obb GL 1482 II 15 : 1635 Febr. 10, Febr. 19; ebd. GL 1482 II 35: 1635 Mz 14, dass. UA E I 3 b. so StA Obb GL 1482 li 35: 1635 Mz 14; Prantl li 499. 81 StA Obb GL 1483 II 16: 1636 Mai 30. 82 Vgl. Schrittenloher 343 ff. ; Wolff, Beiträge 146. 83 Mederer li 353, diese Aussage ist nicht nachweisbar; UA E I 4 a: 1660 Jan. 2 (Todesmeldung); Leichenrede von Lossius, Oratio funebris in obiturn C. Denichii, Ingolstadt 1660 (StB); sein Nachlaß DA Eichst. lr 89 (1654). 54

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Nachdem Kaspar Denich sich nicht über den "modus docendi", sondern über den "modus discendi" der "studiosi" 1647 negativ beim Kurfürsten geäußert hatte 64, und so mittelbar ein fortschreitendes Desinteresse der Studierenden am geistlichen Recht bezeichnete, bestand man bei der Frage nach der Neubesetzung dieses Lehrstuhls von Seiten der herzoglichen Räte auf dem Charakter der Hochschule als einer "universitas catholica" und damit dem Primat der Kanonistik65 • Johann Jakob Lossius66, geboren in Sandersdorf, 1639 an der Juristen-Fakultät als Extraordinarius benannt, 1642 wirklicher Ordinarius und seit 1653 Pandekten-Lehrer67, wurde der Nachfolger Kaspar Denichs68 . Als kurbayerischer Rat von der Universität abgeordnet, beteiligte er sich mit Johann Anton Crollalanza an dem 1669 in München abgehaltenen Landtag, um die Vermögensinteressen der Hohen Schule wahrzunehmen69. Nachdem Lossius seit 1668 öfters kränkelte70 , zog er sich immer mehr vom Lehrbetrieb zurück und verstarb schließlich auf seinem Schloß Sandersdorf am 21. August 167571 • Auch er hat keine nennenswerten Schriften über das kanonische Recht hinterlassen72 • Lossius schilderte in einem Bericht an Kurfürst Ferdinand Maria seine Vorstellungen über die Ausrichtung des Kanonistik-Studiums: "... daß die profitierung solcher Juris canonici nit allein auff die Laicos Juris utriusque, sondern auch und vornernblich auf die geistliche Religiosos et Clericos Saeculares Juris tantum Juris Canonici et Theologiae moralis aut speculativae studiosos (welche zum fleissigisten und in grosser anzahl daß Jus canonicum und sonsten gar kheine andere Lectiones ex jure civili hören, auch etliche in eodem Jure canonico tantum graduiern) zu richten ist. Dahero und weil alle die die materie Juris can: vel ad forumLaieuro vel ecclesiasticum nothwendig auch vill geistliche propter Processum Judiciarium daß Jus canonicum frequentieren" 73. Da den Klerikern verboten sei, die Zivilisten und Legisten zu hören, müsse mittels der "Paratitla"-Methode der Kanonist versuchen, sämtStA Obb GL 1484 II 12: 1647 Okt. 12, f. 12 f., siehe Quellenanhang II. StA Obb GL 1484 II 15: 1655 Juni 3. 66 Lossius ist in der Ingolstädter Matrikel nicht nachweisbar; vgl. Mederer II 294; III 16 ff.; Kobolt I 416; Prantl I 427, 463, 487, II 503. 67 UA E I 3 c: 1639 Sept. 1 (Titularordinarius); ebd. 1642 Apr. 14 (lnstitutionist); UA EI 4 a: 1653 Sept. 10 (Pandektist). 68 StA Obb GL 1483 II 24: 1655 Mai 3 (Bewerbung); UA EI 4 a: 1655 Juni 12 (Bewilligung). 69 Vgl. Mederer IV 410 ff.; Prantl I 463; die Landstandschaft besaß die Universität seit dem Erwerb des ehemaligen Klosters Schamhaupten im Jahr 1606, vgl. Wallenreiter 23; zum Landtag Hüttl 142 ff.; zum Instruktionsinhalt für Lossius Prantl I 474 f., gedruckt bei Mederer IV 414. 1o StA Obb GL 1482 II 5: 1668 Juni 28, Juli 15, Sept. 21; Lossius empfiehlt dabei seinen Vetter Dominicus Bassus für ein Extraordinariat. n Prantl II 503. 71 Schriften bei Kobolt I 416. 73 StA Obb GL 1483 II 24: 1659 Okt. 24. 64 6$

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liehe Rechtsmaterien zu berühren und das Prozeßrecht "in ordine ad Ecclesiasticos tractiern". Der Kurfürst ließ hierauf anordnen, daß man besser auf das Studium der Kanonistik achten solle, da Lossius sich beklagt habe, "daß daß studium juris canonici schier durchgehent ring gehalten und neglegiert" werde74 • Als nach dem Tod von Lossius nach halbjähriger Vakatur der Lehrstuhl den Jesuiten übertragen wurde, war das geistliche Recht auch institutionell als ständisches Recht anerkannt75. Das Jus publicum und das Profanrecht hatten damit an Selbständigkeit gewonnen, wenn es auch zunächst nicht so erscheinen mochte76 • 2. Lehrer des Profanrechts

Bereits im 16. Jahrhundert hatten Wiguläus Hundt (1514 -1588)17 , Johann Thurmair (1477 -1543)18 und Wolfgang Hunger79 im FürstenDienst chronistische Werke verfaßt. Die Freiburger Schule des Ulrich Zasius (1461-1535) 80 zog Hunger in ihren Bann und wirkte durch ihn in Ingolstadt. Als dessen Freund und Schüler hatte er in Freiburg studiert und seine rechtswissenschaftliche Ausbildung in Paris und Bourges, wo er 1539 zum Doktor beider Rechte promovierte, vervollständigt81. 1540 trat er seine Ingolstädter Professur an. Vombayerischen Herzog 1548 beim Reichskammergericht präsentiert, verblieb er bis 1551 in Speyer, um dann dem Ruf des pfälzischen Wittelsbachers Heinrich, Bischof zu Freising, zu folgen und ein Kanzleramt zu übernehmen. StA Obb GL 1479, 22: 1659 Nov. 24. UA EI 4 a: 1675 Mai 8, Mai 17, Dez. 21. 78 Vgl. Odenheimer 62 ff., 79 ff., der die von staatlicher Seite übernommene Bindung der Gesetzgebung und des Rechts an ein übernatürliches Recht als Ursache für den Schwund der übergreifenden Geltung des geistlichen Rechts ansieht. 77 Vgl. Wolff, Beiträge 33 u. ö. mit Literaturverweisen. 78 Vgl. ADB 1, 700 ff. (v. Wegele); LThK 21, 1142 f. (H. Rall); Strauss, G.: Historian in an age of crisis, The life and work of Johannes Aventinus, 1963; Werke: Johannes Turmair's genannt Aventinus Sämtlidl.e Werke, hrsg. v. der K. Akad. d. Wiss. (S. Riezler, M. Lexer, G. Leidinger) 6 Bde., 74

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1881 - 1908.

79 Pölnitz, Matrikel I 501: 1530 Sept. 25: "Wolfgangus Hunger Aquaburgensis nono annus post factus in Galliis utriusque iuris doctor item deinde hic institutionum professor ordinarius et huius rector academiae anno 1541 - tandem assessor Spirae et cancellarius Frisingensis dominorum episcoporum Henrici, Bavariae ducis et Leonis Leschii obiit Augustae in comitiis anno 1555 - vivat Deo." Vgl. Mederer I 174 f., 208 f.; Finauer I 133 ff.; Kobalt I 353, II 167, 348; Prantl I 196; li 486; ADB 13, 414 f. (Westermayer); Stintzing I 1880 502 f., 573 ff.; Riezler VI 412; Roth, Albredl.t Reiffenstern aus Stolberg 97 ff. 80 Vgl. Stintzing, R.: Ulrich Zasius, 1857; Döhring 460 f.; Wolf, Redl.tsdenker 56 ff. mit weiteren Literaturverweisen. 81 Vgl. Wolff, Beiträge 89, 337 u. ö. mit weiteren Literaturangaben.

2. Lehrer des Profanrechts

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Vom Kaiser wegen seines hervorragenden Wirkens geadelt, verstarb er während des Augsburger Reichstages am 26. Juli 1555. Wolfgang Hunger wird von Sigmund Riezler als der dritte Vertreter "einer von nationalem Pathos getragenen, mit unzureichender Sachkenntnis zuweilen leidenschaftlich über das Ziel hinausschießenden Polemik gegen das Papsttum" bezeichnet, "ein Beweis dafür, wie man noch gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts sogar an den Höfen von Kirchenfürsten über die Päpste habe urteilen dürfen" 82 • Damit ist Hungers Historiographie jedoch nicht ausreichend charakterisiert. Hunger trennt zwischen Politik, Konfession und Religon, wenn er die weltliche Macht als den eigentlichen politischen Faktor gegen Übergriffe der nach der mittelalterlichen Zwei-Schwerter-Lehre des Papstes Gelasius I. (492- 496) nur für die "res spirituales" zuständigen Kirche verteidigt83 • Seine Beschäftigung mit der mittelalterlichen Kaisergeschichte - er gab die "Historia Caesarum" seines Schwiegervaters Georg Spieß, auch Cuspinius genannt, heraus84 - gedieh zu einer publizistischen Apologetik des Profanen im Sinne spätmittelalterlichen Geschichtsdenkens85 • Franciscus ZoanettiB6 nahm nach dem Abgang Hungers die Stelle eines "primarius legum ordinarius" ein. Der zu Bologna, der alten Stätte der Pflege des römischem Rechts mit der ältesten 1119 gegründeten UniversitätB7 , geborene Adelige war im Jahr 1548 von Herzog Wilhelm IV. (1508- 1550) als Rechtslehrer nach Ingolstadt berufen worden. Herzog Albrecht V. (1550- 1579) betraute ihn mit der Aufgabe, als sein "consiliarius" in Rom bei Papst Julius III. (1550- 1555) um die Bestätigung des von Papst Paul III. (1534- 1549) gewährten Rechts nachzusuchen, einen "Zehenden" von Geistlichen zu erheben und die Einkünfte einiger Klöster für Ingolstadt verwenden zu dürfen88• Am Riezler VI 412. Zur Zwei-Schwerter-Lehre siehe LThK 2 10, 1429 f. (F. Merzbacher). 8' Vgl. Roth, Albrecht Reiffenstein; Ankwicz-Kleehoven 288 ff.; Aventin zählte ebenfalls zu Cuspinians Schüler, ebd. 25. 85 Vgl. zuletzt Graus, F.: Das Spätmittelalter als Krisenzeit, Ein Literaturbericht als Zwischenbilanz, Prag 1969 (= Mediaevalia Bohemica 1, Supple* mentum). ss Sein Geburtsdatum ist unbekannt. Pölnitz, Matrikel I 652: 1549 Mai 28: "Dominus Franciscus Zoanettus patritius Bononiensis iuris utriusque doctor illustrissimi Bavariae consiliarius et primarius legum professor ordinarius"; vgl. Mederer I 207 f., 213, 291 f.; Kobolt I 781 f., II 303; Prantl I 196, 312, 314, II 493; Gierke, Althusius 308; Schubert 275 ff.; Wolff, Beiträge 92, 343. 87 Vgl. Sorbelli, A.: Storia della universita di Bologna I: Il Medioevo, 1944; Stelling-Michaud, S.: L'universite de Bologne et la penetration des droits romain et canonique en Suisse aux XIIIe et XIVe siecles, 1955 (= Travaux d'Humanisme et Renaissance 17); Dissertationes historicae de universitate studiorum Bononiensi ad Columbiam universitatem saecularis ferias iterum solemniter celebrantem missae, 1956; Grundmann 47 führt den Ursprung der Universität im Mittelalter für Bologna auf die Wiederentdeckung der Digesten und das Studium des römischen Rechts zurück. 88 Prantl I 183; Kobolt I 781. e2

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3. Oktober 1564 sagte er den Scholaren der Hohen Schule "Lebewohl" 89, um dem 1560 erfolgten Ruf an die Universität seiner Heimatstadt Bologna Folge zu leisten und dort die Kanonistik-Professur zu übernehmen. Zoanettis Parteinahme für die Fürsten und seine aristokratischkuriale Reichspublicistik lassen Ansätze einer Befreiung des Jus publicum vom romanistischen Vorbild erkennen90 • Seinen Ruhm begründeten seine zivilrechtliehen Schriften, so daß er als einer der hervorragendsten Juristen seiner Zeit gilt. Hubert van Giffen, auch Giphanius genannt91 , wurde 1534 in im Herzogtum Geldern gelegenen Buren geboren und im calvinistischen Glauben erzogen. Nach dem Studium der klassischen Philologie und der Rechte in Löwen, Paris und Bourges erwarb er 1567 in Orleans den Titel eines "doctor iuris utriusque". Mit dem französischen Gesandten Paul de Foix bereiste er Oberitalien und erhielt, im Frühjahr 1572 wieder nach Deutschland zurückgekehrt, in Straßburg eine Professur für Ethik, Logik und die Institutionen92 • Bei theologischen Kontroversen verteidigte er den lutherischen Glauben, zu dem er übertrat. Die Glanzperiode seines Lebens beginnt mit der Übernahme einer Professur an der protestantischen Universität Altdorf zu Beginn des Jahres 1583, weil er als trefflicher und berühmter Jurist galt und als "gewaltiger historicus" 93 • Neben Hugo Donell, dem aus Bourges wegen seiner calvinistischen Anschauungen vertriebenen französischen Juristen, war er der bekannteste Jurist am Platze94, der als Pandektist und Lehrer der aristotelischen Ethik von sich reden machte. Wegen Zwistigkeiten ver89 Valedictio ad scholares Germanos, Ingolstadt 1564 (Gedruckte Abschiedsrede). 90 Vgl. Schubert 275 ff.; Schriften bei Mederer I 291 f.; Kobolt I 782, II 303; StB Clm 3012, 714 f. 155- 160; eine Gesamtausgabe der Schriften soll nach Kobolt im Jahr 1600 zu Marburg erschienen sein, war jedoch nicht nachweisbar. 91 Pölnitz, Martrikel I 1234: 1590 Sept. 13: "Clarissimus et consultissimus vir Dominus Hubertus Giphanius ante annos aliquot Argentinae, postea Altorfii antecessor iuris primarius, nunc tandem euro ad gremium ecclesiae catholicae rediisset, aserenissimo et piissimo Bauariae principe Guilhelmo 2. ad professionem iuris civilis in hanc inclytam academiam honestissimo stipendio adscitus. Faxit Deus, ut ipsius exemplo et alii resipiscant quam plurimi - postea consilliarius inuictissimi imperatoris Rudolphi"; vgl. Mederer II 119, 121, 160 f.; Kobolt I 264 f., II 110; Prantl I 351, 417 f., II 346; Stintzing I 1880 663, 667, 405 ff.; ADB 9, 182 ff. (Schirmer); NDB VI 407 (H. Liermann); Mummenhoff 61 ff., 96 ff.; Wolff, Beiträge 101, 336; Giphanius als Konvertit siehe Räß, Convertiten 4 (1867) 7 ff.; sein Bildnis in LudwigMaximilians-Universität 1472- 1972, 153. 92 Anrieb, Straßburg 59 f. 93 Mummenhoff 61 ff. 9 4 Vgl. Stintzing, R.: Hugo Donellus in Altdorf, 1869.

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ließ er Altdorf95 und folgte dem Ruf des Bayern-Herzogs, die Stelle des zweiten Kodizisten an der Ingolstädter Juristen-Fakultät einzunehmen. Wegen seiner neuerlichen Konversion zum Katholizismus wurde er streng überwacht96 • Mit Giphanius kamen vierundzwanzig seiner Schüler nach Ingolstadt, unter denen sich auch Konrad Rittershausen befand, der später wieder nach Altdorf zurückkehrte und dort eine rege publicistische Tätigkeit entfaltete97. Der Niederländer Hubert van Giffen war schon vom Studiengang her ein Anhänger der philologisch-antiquarischen Richtung. Unter Verwendung aller Hilfsmittel der Kritik und der Altertumswissenschaften versuchte er eine exakte Behandlung der römischen Rechtsquellen. Die Glossatoren-Autorität wurde beiseite geschoben, eine quellenanalytische Methode mit einer systematischen Behandlung des Rechtsstoffes zu vereinen gesucht. In der durch seinen Sohn Johann98 herausgegebenen "Explanatio difficiliorum et celeberiorum legum Codicis Justiniani"99 legte er die im Gesamtwerk des Kaisers Justinian (527- 565) enthaltene historische Systematik dar. Seine Ingolstädter Antrittsrede ist von ähnlichen Anschauungen getragen100. Nach neunjähriger Lehrtätigkeit in Ingolstadt berief Kaiser Rudolph II. (1576- 1612) Giphanius als Reichshofrat nach Prag. Dort verstarb er am 26. Juli 1604. Seine zweite Gattin war mit ihrem Sohn Johann in Ingolstadt geblieben. Er wurde der Herausgeber der väterlichen Schriften und fungierte später als österreichischer Delegierter auf dem Westfälischen Friedenskongreß 101 . Drei Richtungen vereinen sich im Rechtsdenken des Giphanius, der persönlich wegen seines wankelmütigen Charakters umstritten war102 : eine juristische, eine systematisch-philosophische und eine kritischhistorisch-praktische103. Zoanettis Bemühungen setzte er mit einem 95 Mummenhoff 85; Giphanius hatte ein Rechtsgutachten ohne Rückfrage im Namen der gesamten Juristen-Fakultät unterzeichnet. 96 Räß, Convertiten 4 (1867) 7 ff.; Bericht Albrecht Hungers über Giphanius Verhalten StA Obb GL 1483 II 47 (1591). 97 Pölnitz, Matrikel I 1233: 1590 Sept. 11: "Cunradus Rittershusius Brunswicensis studiosus iuris - postea iuris doctor et professor in Altorff"; Mummenhoff 99. 98 Vgl. ADB 9, 185 (Schirmer); NDB VI 407 (H. Liermann); Räß, Convertiten 4 (1867) 13. 99 Diese nach Stintzing I 1880 663, Kobolt I 265 in Altdorf begonnene und in Ingolstadt fortgesetzte Vorlesung, die von Giphanius Sohn 1614 zu Köln herausgegeben wurde, konnte nicht nachgewiesen werden. 100 StB Clm 1624: 1591 Mense Julio .. . liber, cui titulus Huberti Giphanij .. . de Imperatore Justiniano commentarius . . . historicus rerum Romanarum ... ; siehe auch Mederer II 161. 101 Siehe oben Anm. 98. 102 Vgl. Wolff, Beiträge 105; ADB 9, 184 (Schirmer). 1oa ADB 9, 185 (Schirmer).

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Plädoyer für eine Scheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht fort, ein weiterer Anstoß für die Einführung des Jus publicum an der Ingolstädter Juristen-Fakultät war gegeben. Mehrere aus den Niederlanden stammende Juristen lehrten um 1600 in Ingolstadt. Hieronymus Arnold Rath104, aus Bommel in Gelderland gebürtig, war seit 1594 an der Hohen Schule tätig. 1601 bis 1613 diente er dem Hause Wittelsbach als Prinzenerzieher, ohne die Verbindung zur Universität abreißen zu lassen. 1606 erstattete er ein Gutachten, in dem er eine Besoldungserhöhung für Canisius und als Leistungsanreiz eine Abstufung der Professorengehälter befürwortete. Er selbst könne die vakante Digesten-Professur, für die er von der Universität vorgeschlagen sei, leider nicht übernehmen, da er vorläufig unabkömmlich wäre 105'. Seine Absicht, die Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen, verwirklichte sich, als er seit dem Juli 1613 den Lehrstuhl des Kadizisten übernehmen konnte, den er bis zu seinem Tode im Januar des Jahres 1625 innehatte 106• Seine und Waizeneggers Verbindung zu den Kreisen der herzoglichen Räte sind auch aus der ihnen übertragenen Nachlaßverwaltung für das Erbe Christoph Gewolds ersichtlich107• Hieronymus' Vetter Arnold Rath108 übernahm nach dessen Tod den Lehrstuhl für Institutionen, nachdem er bereits seit 1623 als Extraordinarius Mitglied des Lehrkörpers war. 1599 in Herzogenbusch in den Niederlanden geboren und in calvinistischem Glauben erzogen, konvertierte er später zum Katholizismus109 • 1636 rückte er zum Pandektisten auf, 1643 wurde er Kodizist mit besonderer Berücksichtigung des bayerischen Landrechts, das 1616 von Herzog Maximilian I. refor104 Pölnitz, Matrikel I 1207: 1589 Jan. 23: "Hieronymus de Raedt Bommelensis Geldrus iuris utriusque studiosus"; über die Niederländer in Ingolstadt vgl. die Zusammenstellung von Weber, G.: Ludwig-MaximiliansUniversität, Niederländische Gelehrtenwoche 1964 (1965) 7 ff.; zu Rath Mederer II 245; Kobolt I 546; Prantl I 418 f., II 499; Wolff, Beiträge 399 u. ö. 105 Anstellung auf Probe UA E I 2: 1594 Juli 25; Abgang als Prinzenerzieher des Bruders Albrecht von Herzog Maximilian I. UA E I 2: 1601 Jan. 23; Besoldungsgutachten StA Obb GL 1482 I 8: 1606 Jan. 1. 1os UA EI 3 a: 1613 Juli 29. 107 StA Obb GL 1482 II 43: 1621 Nov. 20, Nov. 10, Nov. 15; 1625 Febr. 20 und ein undatiertes Verzeichnis der von Gewold hinterlassenen Schriften ebd. von H. A. Rathund F. Waizenegger. 108 Pölnitz, Matrikel II 381 : 1620 Apr. 25: "Arnoldus Radtius Geldrus iuris utriusque studiosus"; ebd. auch zwei Söhne von Arnold Rath II 748 : 1651 Juni 26: "Ignatius Rath, rhetor Ingolstadiensis Boius"; "Franciscus Sebastianus Rath, humanista Ingolstadiensis Boius, magnifici domini rectoris filii; beide bezahlten als Söhne des Rektors keine Immatrikulationsgebühr. Zu Arnold Rath vgl. Mederer II 387 f.; Kobalt I 544 f., II 239; Prantl I 376, 414, 423, 483, 487, li 499; Stintzing I 1880 658; ADB 27, 349 (Reusch); Wolff, Beiträge 339 u. ö. 109 Extraordinarius UA E I 3 b: 1623 Okt. 6; Titularordinarius ebd. 1626 Jan. 9; Urlaubsgesuch StA Obb GL 1483 II 26: 1652 Juli 18 zum Besuch der offensichtlich ebenfalls konvertierten Mutter in den Niederlanden.

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miert worden war110• Arnold Rath trug den Titel eines kurkölnischen und kurbayerischen Ratgebers und war Präfekt zu Gerolfing111 • Nach der Belagerung Ingolstadts durch die Schweden starb in seinem Haus am 30. April 1632 der berühmte General der katholischen Liga, Tilly. Schließlich wurde Rath wegen seines vorgerückten Alters 1662 vom Ratsbesuch mit einem Ehrengeschenk von 1000 Gulden enthoben, setzte jedoch seine Lehrtätigkeit bis zu seinem Tode am 25. Mai 1671 in Ingolstadt fort112• Arnold Rath gab historisch-publicistische Arbeiten Christoph Besolds posthum heraus und verfaßte zusammen mit einem Schriftenverzeichnis einen Nekrolog auf den Verstorbenen113 • Das juristische Studium bereicherte er um die Form des Privatkollegien-Unterrichts114, wobei er auch für eine systematisch-dogmatische Lehrweise eintrat115• Der aus den spanischen Niederlanden stammende Nikolaus Burgund116 wurde am 29. September 1586 als Sohn des gleichnamigen Rates Heinrichs von Bourbon, des späteren französischen Königs Heinrich IV. (1589 -1610), und der Anna Robyns geboren. Nach Abschluß der "studia humaniora" am Kolleg Houdoin zu Mons kam er nach Löwen, um dort die freien Künste und Rechtswissenschaften zu studieren117• Seine raschen Fortschritte brachten ihm das besondere Vertrauen der Professoren Gerard de Courselle und Erycius Puteanus'. Eine von Nikolaus Burgund unter ihrer Obhut gehaltene Rede ist erhalten118 • Nach StuVgl. Riezler VI 59 ff. Mederer II 387. 112 UA E I 4 a: 1661 Nov. 25, 1662 Mz 16, 1662 Juni 13; ebd. 1671 Mai 27 die Todesmeldung. 113 Besold, C.: Synopsis rerum ab orbe condito gestarum, Editio IV. et !JOsthumana, ex i{)sius auctoris annotatis autogra{)his paßim aucta, accessit luctus Academiae Ingolstadianae a ... Arnoldo Rath ... studio et opere J. J. Speidelii .. . Ingolstadt 1639 (UB). 114 1655 entstanden um die Privatkollegien Raths Zwistigkeiten mit Lossius, Kautt und Crollalanza, UA EI 4 a: 1655 Jan. 20 ff. 115 StA Obb GL 1484 II 12: 1647 Okt. 11, f. 7 ff., siehe den Quellenanhang! 116 Pölnitz, Matrikel II 502: 1627 Okt. 17: "Nicolaus Burgundius iuris utriusque doctor et codicis Professor ordinarius et primarius"; ebd. ein Sohn Burgunds II 581: 1635 Apr. 28: "Galaceus Bourgerique Gandanuensis philosophiae studiosus domini rectoris filius" ; zu Nikolaus Burgund vgl. Mederer II 291 f. u. ö.; Jugler 3 (1777) 364 ff.; Kobolt I 117 f., II 47; Prantl I 423 f., II 500; ADB 3, 619 (Wenzelburger); Biographie nationale de Belgique II 1868 852- 857 (Britz) s. v. Bourgogne; Dekkers 23 ; Gaillard, A. : Le conseil de Brabant, Histoire-Organisation -.., Procedure . III 1902 359; Westermayer 152; Bach XVIII ff.; Friedrich 17 f. 117 Burgunds Geburtsort ist nach Britz 852 und Jugler 3 (1777) 364 Enghien. Nach Mitteilung der königlichen Generalarchivverwaltung in Brüssel ist Burgunds Immatrikulation an der Universität Löwen nicht nachweisbar. Sonstige Angaben nach Britz 853. 118 Oratio de gradibus ad eloquentiam dicta Lovanii: Palaestra bonae mentis, ed. Erycius Puteanus, Löwen 1611 u. Frankfurt 1615, zit. n. Britz 853. 110

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dienabschluß mit dem Lizenziat der Rechte ließ er sich in Gent als Advokat nieder und erwarb hier die besondere Freundschaft niederländischer Dichtergrößen, die ihn zur Abfassung von "Poemata" beflügelten119. Während seiner Anwaltstätigkeit, die großen Zuspruch fand, mußte er sich mit den verschiedenen Rechtsgewohnheiten Flanderns auseinandersetzen, die den Staat, die Rechtsfähigkeit von Personen und das Vertragsrecht betrafen und dem gemeinen Recht zuwiderliefen120. Zur Klärung der verwickelten Sachlage verfaßte er ein Werk unter dem Titel "Controversiae" 121 , das er seinem Lehrer CourseHe widmete, mit dessen Beirat es zu Anvers 1621 gedruckt wurde. Mag das, was er in seinem "Prologium" über den Ursprung der Stadtrechte und klimatische Einflüsse anführt, veraltet erscheinen122, so begründete doch diese aus fünfzehn Abhandlungen bestehende Schrift, besonders die ersten sieben, seinen Ruf123 • Burgund übergeht die spätmittelalterlichen Autoritäten eines Bartolus, Argantree, Dumoulin und Zoes, systematisiert sehr gut die einzelnen Fälle, bei denen die Anwendung des fremden, gemeinen Rechts der des regionalen Gewohnheitsrechts vorzuziehen sei. Er will für die Praxis, nicht für die Schulgelehrsamkeit schreiben. Noch 1868 konnte Britz die Autorität Burgunds auf diesem Rechtsgebiet für unbestritten halten124• Das Werk erlebte noch mehrere Auflagen und wurde in Frankreich hoch geschätzt. Der bis nach Bayern gedrungene Ruf Burgunds veranlaßte Kurfürst Maximilian I., ihn als Rechtslehrer für die lngolstädter Universität gewinnen zu wollen. Die vom Hofoberrichter J ohann Christoph Tanner Poemata, Antwerpen 1616, zit. n. Britz 853. Britz 853. 121 Tractatus controversiarum ad consuetudines Flandriae, Antwerpen 1621, 1666, Leiden 1634, Arnhem 1670, zit. n. Dekkers 23. 122 Burgund unterscheidet justitia, jus und leges. Die justitia habe vor den leges existiert, die nur aufgrund bestehender vitia von den Königen erlassen worden seien. Leges seien also menschliche Schöpfungen, dennoch aber allgemein verbindlich und zu befolgen. Die durch die Leges sich manifestierende Rechtsordnung habe den Sinn, ein Zusammenleben der Menschen zu gewährleisten und ihnen selber zu nützen. Da jedoch nicht überall die vitia gleicher Art seien, gestalte sich die Rechtsordnung der einzelnen gentes unterschiedlich, vgl. Nicolai Burgundi ad Tractatus controversiarum Prologium de Legibus Municipialibus, earumque causa et interpretatione: Opera omnia quae de jure fecit, Bruxellis 1674, o. S. 123 Britz 853. 124 Burgund vertrat die subsidiäre Anwendbarkeit des römischen Rechts bei Zweifelsfällen, vgl. sein oben genanntes Prologium, o. S.: "Caeterum de quibus causis municipialibus legibus non utimur, id custodire solemus, quod Romano jure est introductum. Sed cum de consuetudine civitatis, vel provinciae dubitare quis videtur, primum quidem explorandum est, an contra rationem juris scripti sit introducta. Nam in ambiguitatibus, quae ex consuetudine nascuntur, illarum legum auctoritatem advocare non oportet." Britz 853 f. 119

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geführten Verhandlungen hatten Erfolg. Im Juni des Jahres 1627 trat Nikolaus Burgund seinen Dienst als Inhaber des Kodex-Lehrstuhls in Ingolstadt an12s. Seine Familie folgte ihm kurze Zeit später. Im gleichen Jahr erhielt er in Ingolstadt den Doktor-Titel. Als kurbayerischer Rat, Hofhistoriograph des wittelsbachischen Fürsten, als "comes palatinus" 126 und kaiserlicher Rat entfaltete er in den folgenden Jahren eine sehr rege Geschäftigkeit. Burgund machte sich durch eine Geschichte Belgiens, die er 1621 auf Anraten des niederländischen Kanzlers Peckius begonnen hatte und als Fragment 1629 zu Ingolstadt veröffentlichte127 , und durch eine publizistische Apologie der auf Bayern übertragenen pfälzischen Kurwürde den Regenten geneigt. 1635 übernahm er das Amt des Hofhistoriographen und wurde neben dem Stadtpfleger von Augsburg, Markus Weiser, dem herzoglichen Rat und Archivar Christoph Gewold, den historiographisch-publizistisch tätigen Jesuiten Jakob Keller, Matthäus Rader, Andreas Brunner, Johann Bissei und Jakob Balde128 der erste Rechtsgelehrte der Ingolstädter Juristen-Fakultät, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Dienst des Kurfürsten als Professor die Feder für eine apologetisch-publizistische Aufgabe ergriff. Der Auftrag, eine bayerische Geschichte über Kaiser Ludwig IV. den Bayern (1314 -1347) abzufassen, zog ihn ganz in seinen Bann. Er scheint diese Aufgabe jedoch ebensowenig wie seine Vorgänger zur Zufriedenheit des Landesherrn gelöst zu haben129 • Die Gründe für seinen 1639 erfolgten Abgang von der Ingolstädter Universität sind unklar. Man hat vor allem die durch sein Werk über die bayerische Geschichte ausgelöste Ungnade des Kurfürsten dafür verantwortlich gemacht, wie dies auch spätere Aussagen der Ingolstädter Juristen-Fakultät zu bestätigen scheinen130 • Burgund selbst spricht in seinem Entlas125 Zur Berufung StA Obb GL 1482 II 15: 1627 Apr. 20 ; ebd. 1627 Juni 24: Burgund erhält als Nachfolger H. A. Raths 600 Gulden Sold und 500 Gulden als Reisekostenentschädigung, er solle inkorporiert werden; UA E I 3 b: 1627 Juni 24 das Anstellungsdekret 126 Burgund holt seine Familie nach Ingotstadt StA Obb GL 1483 II 4: 1627 Juli 17; Britz 854; zur Palatinatswürde, einem Geschenk Kaiser Ferdinand II. an die Ingotstädter Juristen-Fakultät (1623), Boehm, Hofpfalz~ grafen-Register 88 Nr. 7; Bach XVIII; Neumaier 167 f. 127 Historia Belgica ab anno MDLVIII, Ingolstadt 1629 (UB); Britz 854. 128 Vgl. Bach XVIII; allgemein die bereits genannten Werke von Friedrich, Roth, Bach, Rockinger, Westermayer, Riezler, Doeberl, Duhr und Kraus! 129 Bach XVIII; Westermayer 152. 130 Vgl. Bach XVIII; in einem Rezeß zur Neuordnung des gesamten Lehrbetriebs von Kurfürst Maximilian !II. Joseph vom 15. August 1777, UA B IV 1- 2, heißt es unter Punkt 18: "So wenig es 18. unßer höchsten Willensmeynung ist, wenn ein Professor nach den Beispielen des Herwarts und Gewolds die Gerechtsamen der Fürsten gegen die übertriebenen Praetensionum der Geistlichkeit gründlich und mit anstand verfechtet; eben so wenig ist es erlaubt, sich bey dießer Gelegenheit grober anzüglichkeiten und Schimpfreden zu bedienen. Wer sich daher hierinfalls ein vergehen zu Last kommen lässt, der wird sich hierdurch nicht nur keinen verdienst erwerben, sondern

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sungsgesuch von gesundheitlichen Mängeln, die ihn zur Rückkehr nach Belgien zwingen würden131 • Dort war er im brabantischen Rat zu Brüssel seit dem 31. Juli 1639 auf Anraten seines gelehrten Freundes Daniel Heinsius (1580- 1655) noch bis zu seinem Tode am 4. Januar 1649 tätig132 • In seinem Entlassungsgesuch erwähnt er auch eine Geschichte Ludwigs des Bayern, die er an Hofratspräsident Johann Mändl abgeliefert habe, und eine Stoffsammlung für eine Geschichte Kaiser Karls V. (1346 1378), die er zu schreiben gedenke133. Ob die gedruckte Geschichte Burgunds über Ludwig den Bayern eine fehlerhafte Angabe des Erscheinungsjahres - 1636 - enthält, eine Überarbeitung dieses Werkes erfolgte, Burgunds Name für die Schrift von 1636 nur als Deckmantel diente und im Entlassungsgesuch eine völlig andere Bearbeitung gemeint ist, läßt sich nicht mehr eindeutig klären134• Vermutbar ist, daß das Angebot einer Ratsstelle, die wahrscheinliche Verstimmung des Kurfürsten und der gesundheitliche Zustand Burgunds Abreise bewirkten. Die Entlassungsbewilligung des Kurfürsten spricht nur davon, daß man mit dem Dienst Burgunds so zufrieden gewesen sei, daß man sein Bleiben sehr gerne gesehen hätte135 • Während seiner Ratstätigkeit in Brüssel verteidigte Nikolaus Burgund die Freiheit der aufständischen niederländischen Provinzen gegen vielmehr nach geschehener genugsamer Untersuchung das jenige unangenehme Schicksal zuziehen, welches dem von euch selbsten angerührten Niklas Burgund unter unserm durchleuchtigsten Vorfahrer Maximilian dem ersten glorreichen andenckhens getroffen hat." 131 Friedrich, Geschichtsschreibung 18 Anm. 70; HStA Personenselect Kart. 42: 1639 Febr. 22 (Entlassungsgesuch): Serenissime Elector. Multi iam anni sunt, ex quo a Serenitate tua liberalissime habitur, atque excultus, in hac Academia professorem egi. Quo nomine gratias ago quanto possum maximus, et pectus meum Magno tuo Penio totum deuoueo. Nunc vero cum diurnis nocturnisque laboribus lassum et effoetum corpus continuis vexetur morbis, atque ex medicorum iudicio a sedentiaria vita abstinendum sit: facHe mihi persuadere passus sum, ut in Belgium revocatus lares discedere liceat. Ludovici Imperatoris vitam iam absolui, ac transmisi Praesidi Mändel. Pleraque etiam compilaui, quae ad Caroli Quarti res attinent, ut prima occasione, et commoditate etiam absens in historiam, stilumque transferram. Debeo etiam humanissimo illi tuo animo, qui continuis beneficijs me irrorauit, quidquid ad Bavariae Domus Magnitudinem pertinere existimo, cui me totum consecraui, consecroque. (Datum - Unterschrift); als Randglosse ist ebd. von Aretin vermerkt, daß die Schrift Burgunds über Ludwig IV. den Bayern eigentlich von Brunner sei, so, wie sich unter der Schrift Hörwarts Jakob Keller verstecke. 132 Britz 855 f.; Gaillard III 1902 359. 133 Siehe oben Anm. 131. 134 Ein Original ist erhalten StA Ingolst. Gi 177 (180 S.); dass. handschriftlich StB Clm 24154 (undatiert); zur Annahme über eine Autorschaft Brunners Friedrich 18 Anm. 67; Brunner schreibt in einem Brief an Ehinger: "Lucubrationes meas Clarissimo Viro, Nicolao Burgundio, Professaris Juris Ingolstadii Viro eloquentissimo, tradidi, ille iis, uti volet, refictis interpolatis, reconcinnatisque utetur." Zu BrunnerBach XVI ff.; Roth 174 ff. 135 HStA Personenselect Kart. 42: 1638 Febr. 28; abgedruckt in Auszügen bei Friedrich 18 Anm. 70.

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spanische Willkürmaßnahmen, obwohl er katholisch war und der Sache Philipps IV. von Spanien (1621- 1665) anscheinend mehr zuneigte136 • Seine schriftstellerische Tätigkeit versiegte. Sein Sohn Galeaz de Bourgogne veröffentlichte währenddessen unter anderem seine Ingolstädter Vorlesungen137 • Obwohl Nikolaus Burgund Lehen der Abtei St. Peter in Gent besaß, hinterließ er doch seine Gattin Laurentia Wesemaele und seine zahlreichen Kinder glücklos. Sein Bruder Gilles de Bourgogne war ebenfalls Lizenziat der Rechte. Auch von ihm, dem Finanzrat des flandrischen Rats, sind einige "Poemata" erhaltentss. Nikolaus Burgund ist Vertreter des jüngeren "mos italicus", der die Systematisierungsversuche der französischen Schule rezipierte139• Seine historiegraphisch-publizistischen Schriften entfalten eine rechtshistorische Publicistik. Christoph Besold140 war der Erste an der Juristen-Fakultät der Universität Ingolstadt, der eine "lectio juris publici" versah. Obwohl er nur zwei Jahre sein Amt an der Hochschule versehen konnte, ist sein Einfluß sehr groß gewesen. Am 22. September 1577 wurde er in Tübingen als Sohn des Hofgerichtsadvokaten Ulrich Besold und dessen Gattin Maria, einer Tochter des Klosterverwalters zu Bebenhausen, geboren. 1600 heiratete er Barbara Breitschwert, eine Tochter des badischen Untervogts zu Besighausen, Burkhard Breitschwert141 • Seit 1592 studierte er an seinem Heimatort die Jurisprudenz und schloß dort dauerhafte Freundschaft mit Johann Kepler (1571 -1630). Im Winterhalbjahr 1597/98 promovierte er zum Doktor der Rechte und trat dann vorübergehend in die Fußstapfen seines Vaters, indem er als Advokat am tss ADB 3, 619 (Wenzelburger). Galeaz studierte in Ingolstadt, siehe den oben genannten Matrikeleintrag ; Britz 856; die Schriften sind Commentarius de periculis et culpis praesentandis in contractibus, Anvers 1646, Löwen 1658, Köln 1662, Brüssel 1672; Commentarius de duobus reis, sive de obli'gatis in solidum, 1643, dass. Löwen 1657, Brüssel 1673; De modo juris dicendi et iis qui jurisdictionem praesunt: Opera omnia, Brüssel 1673. · 138 Britz 856. 139 Vgl. zu dieser Methoden-Differenzierung Holthöfer 135 ff. 140 Pölnitz, Matrikel II 594: 1636 Okt. 22: "Christophorus Besoldus Tubingensis utriusque iuris doctor, codicis et iuris publici professor"; vgl. Mederer II 278, 286 ff.; Kobolt I 90 ff., II 38; Prantl I 412, 424, 426, II 500; Jugler 1 (1773) 82 ff. ; ADB 2, 556 ff. (Muther); LThK 2 2, 300 (H. Tüchle); NDB II 178 f. (E. Niethammer); Stintzing I 1880 692 ff.; Schwäbische Lebensbilder II 1941, 11-35 (E. Niethammer); Gierke, Althusius 245 f., 284 f.; Roseher 195- 205; Räß, Convertiten 5, 1867, 310 ff.; Babinger, F.: Melchior Besold, ein vergessener Stambulfahrer des 16. Jahrhunderts, Festschr. E. Stollreither, 1950, 1 - 11 erwähnt Christoph Besold ebd. 3 und bezeichnet die Besolds als altes Beamtengeschlecht mit möglicherweise adeligem Status.; Bildnis : Neumaier 167. 141 NDB II 178 (E. Niethammer); vgl. auch HStA Personenselect Kart. 30: 1629 Apr. 7 (2 Stücke), Testamentsbescheinigungen für Christoph und Barbara Besold. 137

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Tübinger Hofgericht tätig war. Nebenbei bildete er sich autodidaktisch durch Sprachstudien, das Studium der Bibelkunde, der Geschichte und Politik fort. Mit 33 Jahren berief man ihn als Pandektisten an die Tübinger Hochschule 142• 1630 konvertierte er vom lutherischen zum katholischen Glauben. Er erklärte sich jedoch erst am 1. August 1635 öffentlich nach der Schlacht bei Nördlingen zu diesem Schritt, nachdem er bereits in Heilbronn vor dem Ordensgeneral der Franziskaner das Glaubensbekenntnis abgelegt hatte143 • Seine Konversion rechtfertigte er später in einer zu Ingolstadt herausgegebenen Verteidigungsschrift144 • Die Besetzung Württembergs durch die Kaiserlichen brachte Besold, der wegen seines Glaubenswechsels aus der Tübinger Universität ausscheiden mußte, seit dem 27. Juli 1635 das Amt eines Österreichischen Regierungsrates zu Stuttgart. Doch seine prokaiserliche Tätigkeit durch publizistische Schriften nötigte ihn bald zum Verlassen der Stadt145 • Auf eigenes Anerbieten hin kam Besold, unter Ausschlagung der ihm von päpstlicher Seite angebotenen Anstellung an der Universität Bologna mit 4000 Scudi Sold und einer ihm vom kaiserlichen Hof in Wien angetragenen Stelle, als Professor "Codicis et juris publici" und kurfürstlich bayerischer Rat an die Ingolstädter Hochschule146• Ende August 1638 wurde ihm von Kaiser Ferdinand III. (1637- 1657) die Würde eines kaiserlichen Rates verliehen, für den er ein noch erhaltenes Gutachten verfaßte147• Besold verstarb bereits am 15. September 1638148• Er hinterließ seiner Gattin und beider einziger Tochter eine Schwäbische Lebensbilder II 1941 15 (E. Niethammer). Räß, Convertiten 5, 1867, 311 ff. 144 Christliche und erhebliche Motiven, warum Chr. Besold ... vornehmlich dafürgehalten, daß der recht und einig selig machende Glaub allein in der Römisch-catholischen Kirchen anzutreffen: derenthalben er auch aus eignem Trieb seines Gewissens und zu Entfliehung ewiger Verdammnis, zu solcher alten catholischen Kirchen sich begeben, und all andere neu aufkommende Secten, oder Lehren, verlassen hat, Ingolstadt 1637 (StA Ingolst. Gi 490, Ausgabe von 1642; StB Clm 1588 f. 92 ist noch eine Ausgabe von 1690 genannt; weitere Auflagen: Universitäts-Bibliothek Salzburg, Katalog der vor 1932 erworbenen Druckschriften, Beschreibung M. Blount, 1968, Nr. 82 - 140 über Besolds Werke, siehe Quellenanhang); StA Obb GL 1492, 13: 1637 Dez. 14 Bitte um Übereignung des bereits gedruckten Werks an Kurfürst Maximilian I.; ebd. 1637 Dez. 19 die Genehmigung; eine Gegenschrift verfaßte der nachmalige Kanzler zu Tübingen, Dr. Tobias Wagner: Evangelische Zensur oder Widerlegung der Motive Besoldus, Tübingen 1640 nach der Aussage von Räß, Convertiten 5, 1867, 315, der noch eine letzte Ausgabe des Werks aus dem Jahr 1828 (Augsburg) nennt. 145 NDB II 179 (E. Niethammer). 146 Jugler 1 (1773) 83; Reskript, aus dem das Anstellungsgesuch Besolds vom 9. Juli 1636 ersichtlich ist: StA Obb GL 1482 II 7: 1636 Aug. 4; Inkorporationsanweisung des Kurfürsten ebd. 1636 Okt. 19; Anstellungsdekret UA EI 3 b: 1636 Okt. 19. 147 Schwäbische Lebensbilder II 1941, 30 (Niethammer); das Gutachten UB Salzb. M I 76. 148 StA Obb GL 1492, 13: 1638 Sept. 20 (Todesmeldung). 142

143

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äußerst umfangreiche Bibliothek, die nach verschiedenen Verhandlungen149 durch Pater Alphons Stadelmayr für die Universitäts-Bibliothek der Salzburger Hochschule erworben wurdetso. Christoph Besolds Gelehrsamkeit ist von einem Wissensdrang beseelt, der Mikro- und Makrokosmos in barock-universalistischer Weise zu erkennen sucht. Sein enzyklopädisches BildungsideaP51 ringt mit der Vorstellung von der Einheit der Welt und der Vielfalt der Erscheinungen. Aus dieser Haltung entspringt seine publicistische Jurisprudenz, seine Kenntnis von acht Sprachen, der Theologie, Philosophie und der Universalgeschichte nach protestantischem Vorbild, der Zeitgeschichte im Zuge der Erweiterung des geographischen Weltbildes im 17. Jahrhundert, seine Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Fragen und volkswirtschaftlichen Problemen, seine Erarbeitung einer politischen Doktrinenlehre, die die Grundlage für sein posthum herausgegebenes Kompendium über das Jus publicum darstellt152. Aus der Verbindung aristotelischer Politik mit der Staatengeschichte resultiert Besolds Stellung als Übergangsglied von der aristotelischen Schultradition zur rechtsgeschichtlichen Auffassung153• Doch steht bei ihm neben individueller Leistung auch Kompilatorisch-Eklektizistisches154. Besold dachte vorwiegend politisch. Seine politische Kategorienlehre ist von tiefer Religiosität beherrscht, gebunden an die Konfession155. Durch die 149 Zum Vorbehalt des Kurfürsten bei einem Bibliotheksverkauf StA Obb GL 1492, 13: 1638 Sept. 28, 1639 Febr. 16; dass. UA E I 3 c; ein Bücherkatalog, wahrscheinlich der in der Ub Salzb. M II 366 erhaltene, wurde erstellt und abgesandt, ohne anzukommen StA Obb GL 1492, 13: 1638 Dez. 20; dass. UA E I 3 c; wiederholte Aufforderung zur Einsendung des Katalogs und der Bücher: UA EI 3 c: 1639 Mz 28; nach Aussage der Universität hat die Witwe Besolds kurz nach dem Tode ihres Gatten mit Kardinal Barbarino über den Bibliotheksverkauf verhandelt StA Obb GL 1492, 13: 1639 Mz 30. 150 Universität Salzburg 141 Anm. 184 (Ritschel). 151 Vgl. Besold, Synopsis Politicae Doctrinae, Ingolstadt 1637, 2: "Hicque est decantatus ille disciplinarum circulus, seu orbis, quem Encyclopaediam vulgo vocant: quaeque methodicam, et talem, singularum artium atque scientiarum proponit institutionum, ut unius cognitio, ad aliam pariter viam sternere, ac ad doctrinae perfectionem, junctim omnes requiri videantur." 152 Siehe Werkverzeichnis im Quellenanhang! Bemerkenswert ist die in einer Dissertation Besolds auftauchende Meinung, daß die Inseln und das feste Land der neuen Welt viele Jahrhunderte vor ihrer Entdeckung den Europäern nicht ganz unbekannt gewesen seien, vgl. Jugler 1 (1773) 92; das Kompendium Tractatus posthumus Juris publici de origine et successione varijsque Imperij Romani mutationibus ... dictatus a Chr. Besoldo, Ingolstadt 1646 im Duodezformat, genannt StB Clm 1588 f. 110, war nicht erreichbar. 153 Prantl I 426. 154 NDB II 179 (E. Niethammer); die Editionsgewohnheiten, ein erstelltes Werk unmittelbar, teils sogar unfertig zum Druck zu befördern, sind aus dem Bericht der universitären Nachlaßverwalter ersichtlich, StA Obb GL 1492, 13: 1638 Dez. 20. 155 Besold war Anhänger der barocken Mystik-Bewegung und gehörte zu dem Kreis um Johann Valentin Andreä, vgl. Schwäbische Lebensbilder II 1941, 13 (Niethammer).

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publizistische Vertretung seiner konfessionspolitischen Überzeugungen geriet er in das Kreuzfeuer der öffentlichen Meinung. Seine Konversion wurde zum Angelpunkt seines Lebens. Als Publicist war er von Herzog Johann Friedrich von Württemberg zu Staatsgeschäften hinzugezogen worden, wobei er unter anderem die rechtlichen Gründe für die Erhaltung der Kloster- und Stiftsgüter beim Herzogtum erbringen sollte. Als am 6. März 1629 das Restitutionsedikt erlassen wurde, versuchte man dessen Durchführung zu verhindern und zu verzögern. Christoph Besold erstattete am 20. Mai 1629 im Namen der Tübinger JuristenFakultät ein Gutachten, das sich für die Wiedereinsetzung der Katholischen nach dem Passauer Vertrag aussprach. Damit zeigte sich erstmals Besolds Neigung zur katholischen Konfession. Das Gutachten wurde zwar unterdrückt, sickerte jedoch nach seinem Inhalt durch156. Den Ansatz dieses Gutachtens führte Besold fort, als er während seiner Tätigkeit als österreichischer Regierungsrat zu Stuttgart in der ersten Hälfte des Jahres 1636 fünf Folianten veröffentlichen ließ, die die katholischen Ansprüche auf die in Württemberg gelegenen Stifter und Klöster nachweisen sollten, wobei er seine Kenntnis der regionalen Verhältnisse und Archive nützte157. Er wollte mit den im Auftrag der kaiserlichen Kommission publizierten Urkundenbänden die Unrechtmäßigkeit des herzoglichen Besitzrechts an geistlichen Gütern nachweisen, wodurch der dritte Teil des Landes als reichsunmittelbares Territorium, dem gegenüber dem Landesfürsten das "Jus reformandi" gefehlt habe, dem "Flächenstaat" entfremdet worden wäre158. Diese heute historisch sehr wertvollen Werke wurden eingezogen und ihr Verkauf vom kaiserlichen Reichshofrat verboten. Der Streit wurde erst im Westfälischen Friedensschluß zugunsten Württembergs entschieden159, Unter diesen Vorzeichen ist Besolds Anstellung in Ingolstadt zu betrachten160. Eine zu Ingolstadt gedruckte anonyme Schrift über die württembergischen Klosterangelegenheiten verdeutlicht die Nachwir15 6

Schwäbische Lebensbilder II 1941, 20 ff. (Niethammer).

157 Schwäbische Lebensbilder II 1941, 29 (Niethammer), siehe Werkver-

zeichnis im Quellenanhang! Jugler 1 (1773) 110 ff. 158 Terminus nach Th. Mayer; zu territorialstaatlichen Bestrebungen der Zeit Spindler-Handbuch II 1969; zur publizistischen Absicht Besolds Schwäbische Lebensbilder II 1941,29 (Niethammer); NDB II 179 (ders.). 159 NDB II 179 (Niethammer); Dickmann, Der Westfälische Frieden. 160 Niethammer berichtet - Schwäbische Lebensbilder II 1941 27 f. , Besold habe Kurfürst Maximilian I. von Bayern geholfen, Bücher Tübingens als Ersatz für die schwedischen Verwüstungen nach München bringen zu lassen . Hirsehing I 1786 164 ff., IV 1791 105 f., 252 erwähnt im Archiv zu Ingotstadt vorhandene Urkunden und Akten schwäbisch-württembergischer Klöster, die Besold dorthin gebracht habe, wobei er auch die als selten bezeichneten publizistischen Werke Besolds nennt.

2. Lehrer des Profanrechts

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kungen1&1 . Daß Kurfürst Maximilian I. diese Vorgänge unbekannt waren, ist mit Sicherheit auszuschließen, wenn auch archivalische Nachweise für seine Kenntnis der Publizistik Besolds fehlen. Die politische Wirkung der Konversion zeigt sich im landesfürstlichen Placet zur Rechtfertigungsschrift des Ingolstädter Rechtslehrers Besold162 • Denn Maximilian vereinte in seiner frühabsolutistischen Herrscherhaltung bekanntlich tiefe, asketische Religiosität, die oft an Fanatismus zu grenzen schien, mit einer weitblickenden Staatsräson163 • Während seiner Ingolstädter Lehrtätigkeit gutachtete Besold weiterhin für den Kaiser, wobei er dessen Interessen mit den kurbayerischen unter Verwendung seiner universalen Gelehrsamkeit und einer frühaufklärerischen "ratio" verband und bescheiden, aber bestimmt und überzeugt vertrat1 64 • Als einer der ersten nahm er auch zum "Zeitungs"-Wesen Stellung, dem er auf dem Feld des "kalten Krieges" große Schlagkraft beimaß165• Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein ist der Konvertit Christoph Besold im wissenschaftlichen Gespräch gewesen166• Für Roseher war er gar der größte Staatsgelehrte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts167. Mag dieses Urteil eine gewisse Überschätzung des Polyhistors sein, so ist Besold doch sicherlich neben Bodin und Althusius eine der Größen der Zeit gewesen, die dem politischen Professor des 19. Jahrhunderts ähnelt1 68• Für die Ingolstädter Juristen-Fakultät erlangte er als deren erster Publicist Bedeutung, wenn auch das Interesse an sei161 StB Clm 1588 f. 98': Extract und abtruck etlicher von beeden in Gott seeligist ruehenden und noch regierenden Kays. M. Mten Herrn Ferdinand dem andern, und Herrn Ferdinand dem Dritten ergangner Resolution, Erklärungen, Mandaten und auch darüber erfolgter Fürstl. Württembergischer acceptation und Obligationen, betreffendt deren von Herzogen zu Würtemberg occupierter und wider restituierter Stifft, und Klöster Reichs immedietet. Mit nachgesezter verthädigung oder beweisung der Rechtmessigkeiten derselben kayserlichen Resolutionen, Ingolstadt 1640. 162 StA Obb GL 1492, 13: 1637 Dez. 19. 163 Riezlers Charakteristik V 674 ff. wird durch Dollinger, Justus Lipsius; Dotterweich und Albrecht, Auswärtige Politik in diesem Sinn ergänzt. 164 Vgl. Meinecke, Staatsräson; Dollinger, Justus Lipsius zu dieser allgemeinen Kennzeichnung des Zeitalters. 165 Bei Kurth 17 wird eine grundsätzliche Ablehnung der Presse durch Besold angenommen. Das unten behandelte Gutachten Besolds widerlegt diese Anschauung. 166 Bei Jugler 1 (1773) 121 ein Urteil von Christian Thomasius: ,. ... Sed tarnen propterea nec sie contemnendus est Besoldus, sed potius ostendendum, quod fuerit homo sincerus, diligens, et ad minimum locos communes politicas exhibens, ac denique seductus nimio amore Philosophiae Platonicae et Theologiae mysticae, cum stultitiam Philosophiae Scholasticae et nugas Aristotelicas ex iustis rationibus fugeret, et evitare studeret." 167 Roseher 195- 205. 168 Vgl. Gierke, Althusius 245 f., 284 f.; Meinecke, Historismus (Register).

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li. Lebensbilder Ingotstädter Rechtslehrer

nen Vorlesungen schwach gewesen ist169 • Die Fülle seiner Werke diente lange Zeit als Fundgrube für die Publicistik-Lehre seiner Nachfolger. Besolds Lehrstelle übernahm Erasmus Pascha170• 1568 in Salzwedel in der Mark Brandenburg geboren, verbrachte er seit 1595 seine Studienzeit in Freiburg im Breisgau171 • Ob er Konvertit war, ist unsicher172• An der Freiburger Universität erlangte er das Bakkalaureat und das Magisterium der Artisten-Fakultät und wurde 1605 Professor der Rhetorik, wobei er sich zugleich dem Studium der Rechte zuwandte, das er mit dem Doktorat beider Rechte abschloß. Das Dienstangebot des Bischofs von Konstanz, ihn als Kanzler aufzunehmen, billigte die Hohe Schule und entließ ihn mit "gutem Willen". 1632 kehrte er jedoch auf den Ruf des Erzherzogs Leopold hin an die Universität zurück und erhielt 1634 die Kanonistik-Professur173• Die dreimalige Verheerung des Landes durch Krieg und die deshalb widrigen Umstände an der Freiburger Hochschule nannte Pascha Kurfürst Maximilian I. als Begründung in seinem Gesuch, ihm die durch Besolds Tod vakante Kodex-Professur zu übertragen174• Auf landesherrliche Anweisung hin erhielt er sein Anstellungsdekret als Kodizist und wurde zudem auf eigenen Vorschlag hin beauftragt, die "lectio juris publici" gegen einen Soldaufschlag von 100 Gulden zu halten175• Nach dreijähriger Lehrtätigkeit verstarb Pascha am 2. September 1643 in Ingolstadt176• Pascha präsidierte während eines Besuches Kaiser Ferdinands III. in Ingolstadt bei einer publicistischen Disputation des Besold-Schülers Franz Moriz von Sprinzenstein und Neuhaus177 • Während seiner Ingol169

So die Aussage Caspar Denichs in einem Visitationsbericht des Jahres

1642, StA Obb GL 1479, 75, f. 123 Nr. 18 der Interrogatoria: er, Denich, "habe

von dem Besoldo selbst gehert, daß die studenten zu diesem studij khein Iust haben; gehen die Tyrones ad hoc studirn, quod non deberet esse; ...". 170 Von Pascha sind nur zwei Söhne in der Matrikel nachweisbar, er selbst nicht: Pölnitz, Matrikel li 626: 1639 Aug. 27: "Ignatius Pascha Marespurgensis Acronianus physicae studiosus filius domini Doctoris Paschae"; ebd. II 637: 1640 Juni 12: "Joannes Henricus Pascha Marpurgensis grammatista filius domini doctoris Paschae"; zu Erasmus Pascha vgl. Mederer li 292, 306; Kobolt I 427; Schreiber li 1859, 469 f. 111 Schreiber II 1859, 469 f. 172 Mederer li 306 schließt dies aus Paschas Geburtsort. 173 Schreiber II 1859, 469 f. 1 74 StA Obb GL 1482 II 3: 1639 Febr. 27. 175 Annahme der Bewerbung StA Obb GL 1482 II 3: 1639 Mz 31; Anstellungsdekret ebd. 1639 Juni 17, dass. UA E I 3 c; zur "lectio juris publici" StA Obb GL 1482 li 3: 1640 Jan. 19, Febr. 3, Mz 28, Apr. 11 (Soldverbesserung um 100 Gulden auf die Gesamtsumme von 700 Gulden jährlich); dass. UA E I 3 c: 1640 Apr. 11; Wiederholung des Auftrags ebd. 1642 Apr. 24. 176 Todesmeldung UA EI 3 c: 1643 Sept. 12; dass. StA Obb GL 1482 li 4; StB Clm 2109 Leichenrede für Pascha von Kaspar Manz vom 13. November 1643.

177 Facies Imperij Romani antiqua et moderna discursibus Historicis, politicis et juridicis adumbrata a Francisco Mauritio L. B. de Sprinzenstein

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städter Zeit veröffentlichte er selbst keine Werke mehr178• Mederer rühmte Pascha als "vir deo hominibusque charus et caelo dignus" 179 • Die publicistische Lehre scheint unter ihm jedoch nicht den beabsichtigten Aufschwung genommen zu haben, wenn auch später Paschas Können von der Ingolstädter Juristen-Fakultät dem Besolds gleichgestellt wurde180• Johann Anton Crollalanza181 hatte bis zum Tode Paschas ein unbesoldetes Extraordinariat inne182 , erhielt dann den Titel eines Ordinarius "Institutionum Juris Canonici" 183 und betreute dieses Fachgebiet als außerordentliche Lektur. Nachdem die Berufung eines eigenständigen Publicisten gescheitert war184 , erwarb Crollalanza 1653 gegen den anet Neuhaus ... discussioni exposita sub Praes. Erasmi Paschae ... 28. Febr. 1640, Ingolstadt 1640 (UB); erwähnt StB Clm 1588 f. 98; Clm 1624 als zweite Auflage zu Passau unter Sprinzensteins Namen; ebd. findet sich auch ein Testimonium Arnold Raths über den Verfasser; Rath hat die Schrift auch approbiert. Der Baron bestritt unter Besolds Präsidium eine Disputation über das Erbfolgerecht: Dissertatio juridica-politica de successione ab intestato trifacia Allodiali, Feudali, Regali, Ingolstadt 1638, siehe StB Clm 1588 f. 94. 178

Paschas Schriften erschienen 1620 und 1621 in Freiburg, vgl. Schreiber

II 1859 469 f.

Mederer II 306. StA Obb GL 1483 II 13: 1652 Mz 27: Kurfürst Maximilian I. habe nach dem Beispiel anderer Universitäten die Publicistik-Lehre in Ingolstadt gewünscht. Die Juristen-Fakultät meint "als unangesehen beede Doctores in Jure publico, wie theils auß ihren schrifften, und theils auß derselben gehabten Ämbtern und verrichtungen zuesehen, und zuevernemmen, in iure publico sine comparatione vielmehr alß Dr. Crollalanza uersiert gewesen, haben sie doch mit ihrem dociern wie sie selbsten bekhennt, schlechten frucht geschafft und bißweilen kaum fünff oder sechs Auditares gehabt". Die gemeinten Vorgänger Crollalanzas sind Besold und Pascha. 181 Crollalanza, dessen Geburtsdatum unbekannt ist, läßt sich in der Ingolstädter Matrikel nicht nachweisen. Ein Anverwandter ist wahrscheinlich der bei Pölnitz, Matrikel II 904 : 1664 Mai 7 genannte: "Joannes Baptista Crollalanza Groecensis, ex Styria iuris utriusque studiosus." Nach Kobalt I 146, der Mederer folgt, stammt er, wie auch der oben genannte Eintrag es nahelegt, wahrscheinlich aus Tirol. Vgl. allgemein Mederer II 300, 317, 349, 348, III 7, 49 f.; Kobolt I 146; Prantl I 427, 463, 467, 482, 488; II 503; ADB 4, 604 (Steffenhagen). 18 2 Anscheinend bewarb sich Crollalanza dreimal: StA Obb GL 1482 II 31 : 1614 Okt. 18; dieses Gesuch aus Rom, wo Crollalanza "in curia et sacra rota" praktizierte, erwähnt ein weiteres Bewerbungsschreiben, das er vor eineinhalb Jahren einsandte; UA E I 3 c: 1642 Sept. 7 (dritte Bewerbung); ebd. C Ill 1 und EI 3 c: 1642 Dez. 3 (Anstellungsdekret). 183 UA EI 3 c: 1643 Mai 22; ebd. 1643 Nov.; dass. StA Obb GL 1482 II 31. 184 In Aussicht war ein Pole namens Olizarovius ·genommen, der an der Ingolstädter Universität studiert hatte, vgl. Prantl I 427; UA E I 3 c: 1643 Sept. 17 Bewerbung mit einer Intercessie Philipp Wilhelms von PfalzNeuburg; ebd. Sept. 21, 22 Bewerbung mit einer Intercessie des Bischofs Marquard von Eichstätt; ebd. Okt. 19 ein Personalgutachten der JuristenFakultät, dass. StA Obb GL 1482 II 31, die nur meint, daß der Bewerber "in humanioribus et Historijs zirnblich uersiert" sei. 179

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fänglichen Widerstand ·der Fakultät185 auf eigenes Ersuchen hin die "lectio juris publici186 • Im Dezember 1671 übernahm er den durch Arnold Raths Tod vakant gewordenen Pandekten-LehrstuhP87 • Seine publicistische Tätigkeit scheint bereits in den Anfängen stecken geblieben zu sein. Die Veröffentlichung zweier Schriften über das Jus publicum, die den Ertrag seiner schriftstellerischen Tätigkeit ausmachen188, fällt in die Zeit, als er die Kodex-Professur vertrat189 • Seit dem Jahr 1676 kränkelte er, so daß er am 28. September 1678- mit vollem Gehalt - emeritierte190• Ain 9. April 1683 verstarb er. Christoph Chlingensperg verfaßte einen würdevollen Nachruf, in dem er besonders den von Kaiser Ferdinand II. am 18. Oktober 1621 Crollalanzas Vater Claudius und dessen Nachkommen verliehenen Adelsstand hervorhob 191 • 1669 hatte er mit Lossius am Landtag teilgenommen. Die Hintansetzung der Professoren hinsichtlich der Kostenentschädigung für ihren Aufenthalt in München schlug sich in - erfolglosen - Protesten beim Kur"'fürsten nieder192• Crollalanza ist zu denjenigen zu zählen, die die Pu185 StA Obb GL 1483 II 13: 1652 Mz 27, Mai 4 die negative Stellungnahme der Juristen-Fakultät und die dazu erfolgende Billigung durch die Kurfürstin. 186 StA Obb GL 1483 II 13: 1653 Nov. 10. 187 UA C III 3: 1671 Dez. 22. 188 Ichnographia rerum publicarum generaUs atque typus mundi seu orbis Romani tarn veteris quam moderni sacri Romano-Germanici Imperij specialis, Ingolstadt 1674; Respondent dieser Disputation aus dem März des Jahres war Franz Adam Werner; Dissertatio Politico-historica et Juridico-canonica de ingressu ac progressu sacri militis vulgo des geistlichen Ritters, Ingolstadt 1675; Respondent der am 30. August des Jahres stattgefundenen Disputation war Johann Wilhelm Bernhard, beide Schriften in der UB, genannt auch StB Clm 1624; im 17. und. beginnenden 18. Jahrhunderts wird man die Disputationen und Dissertationen zumeist als geistiges Eigentum des Praeses und des Respondenten ansehen dürfen, wobei von Fall zu Fall die Verfasserschaft anhand der Approbationen, so weit möglich, zu bestimmen ist. Vgl. Wolf!, Beiträge 39 ff. 189 Sta Obb GL 1483 II 13: 1676 Dez. 29. 190 StA Obb GL 1483 II 13: 1678 Dez. 28; die Weiterzahlung des Gehaltes ist nicht als selbstverständlich anzusehen, da damals eine wirtschaftliche Absicherung durch Pension noch nicht bestand. 191 StB Clm 7241 f. 1 ff. Oratio funebris Nobili et Excellentissimo Domino Joanni Antonio c ·r olalanza ... 9. aprilis 1683 mortuo ... habita mensi Maij II a ... Christopharo Chlingensperger ... ; ebd. f. 3: "non audixerim viros ex hac ipsa nostra facultate, quarum posteri etiamnum hodie apud nos inter Barones florescunt. Ipse deftmctus Crolalanza testis et nobilis quidem testis est, utpote cuius pater Claudius Crollalanza cum omnibus utriusque Sexus descendentibus a Ferdinando huius Nominis 2do augustissimus Imperat