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German Pages 291 Year 2019
Theologie, Bildung, Ethik und Recht des Islam herausgegeben von Jun.-Prof. Dr. Abdelmalek Hibaoui Prof. Dr. Mouez Khalfaoui Prof. Dr. Serdar Kurnaz Prof. Dr. Mohammed Nekroumi Prof. Dr. Armina Omerika Jun.-Prof. Dr. Ruggero Vimercati Sanseverino Jun.-Prof. Dr. Muna Tatari Jun.-Prof. Dr. Fahimah Ulfat Band 3
Golrang Khadivi
Islamischer Feminismus im Iran Aus der Perspektive der männlichen Denker seit der Revolution von 1979
Diese Dissertation wurde gefördert durch: Gerda-Weiler-Stiftung für feministische Frauenforschung e. V., D – 53894 Mechernich, www.gerda-weiler-stiftung.de
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2016 ISBN 978-3-8487-5782-4 (Print) ISBN 978-3-8452-9871-9 (ePDF)
1. Auflage 2019 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2019. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Weltreligion an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg und wurde 2016 als Dissertation an dieser Fakultät angenommen. Für mich war die Erstellung dieser Arbeit eine Herausforderung und persönlich bereichernde Erfahrung zugleich. Den zahlreichen Personen, die mich in vielfältiger Art und Weise unterstützt, begleitet und mir Rückhalt gegeben haben, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken. Mein besonderer Dank gilt zunächst meiner Betreuerin Prof. Dr. Katajun Amirpur für ihre hervorragende Unterstützung und ihre zahlreichen Anregungen. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Qlamreza Hajatpour für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Professor Dr. Gordon Mitchell für sein Mitwirken in der Prüfungskommission. Der Akademie der Weltreligionen, insbesondere Prof. Dr. Wolfram Weiße, bin ich für seine Herzlichkeit und die finanzielle Unterstützung zu Dank verpflichtet. Mein ganz besonderer Dank gilt Dr. Ursula Günther für ihre konstruktiven Anmerkungen und Hinweise während der Fertigstellung der Arbeit für die Veröffentlichung. Ein herzlicher Dank gebührt weiterhin dem Zentrum für Islamischen Studien der Goethe Universität Frankfurt am Main, Prof. Dr. Armina Omerika und Prof. Dr. Serdar Kurnaz, für die freundliche Aufnahme meiner Dissertation in die Schriftenreihe „Theologie, Bildung, Ethik und Recht des Islam“. Mein ganz besonderer Dank gilt ebenfalls Veronika Putz für die erste Korrektur meiner Arbeit und ihr Engagement, sich mit meinem Thema auseinanderzusetzen. Zudem bedanke ich mich bei der Veronika und Volker Putz Stiftung für die großzügige finanzielle Unterstützung bei der Veröffentlichung der Dissertation im NOMOS Verlag. Während eines Aufenthaltes in Iran 2012 und 2013 konnte ich wertvolles Material für meine Untersuchung sammeln. Den Mitarbeitern des Nationalarchivs (Sāzmān-i Asnād va Ketābḫāneh-yi Eslamī-yi Īrān) sowie der Parlamentsbibliothek (Ketābḫāneh-yi Maǧlis) und des Zentrums für 5
Vorwort
Präsidentschaft – Abteilung für Frauen und Familiengelegenheiten (Nahād-i Rīyāsat-i Ğomhūrī – Moʿāvenat-i Omūr-i Zanān va Ḫānevā-deh) und der Religiösen Schule Qom (Ḥowzeh-yi ʿElmīyeh-yi Qom) sowie der Abteilung für Forschung innerhalb religiöser Schulen in Qom/ des Amts für Frauenforschung (Moʿāvenat-i Pažūhešī-yi Ḥowzeh-hā-yi ʿElmīyeh/Daftar-i Moṭāleāt va Taḥqīqāt-i Zanān dar Qom) danke ich für ihre Aufgeschlossenheit und Unterstützung. Danken möchte ich auch Dr. Elham Malekzadeh und ihrem Mann Dr. Mohammad Baqaei sowie Fakhr os-Sadat Mohtaschamipour, Vorstandsdirektorin des Vereins der Forscherinnen der Historie (Geschichte), die mir sehr bei der Beschaffung von Literatur und der Herstellung von Kontakten geholfen haben. Ein weiterer Dank geht an meinen Lebenspartner Manuel Molicki, der mich bis zum Schluss nicht nur moralisch sondern auch technisch unterstützt hat. Meinem Bruder, Pourang Khadivi, danke ich für die unzähligen Aufheiterungen und die moralische Unterstützung sowie Motivation. Während meiner gesamten Studienzeit stand er mir immer mit Rat und Tat zur Seite. Schließlich danke ich meiner Tante Aschraf Rahimi für die permanente und vorbehaltlose Unterstützung. Meiner Mutter Rezvan Rahimi gilt mein herzlichster Dank, der sich nur schwer in Worte fassen lässt.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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Inhaltsverzeichnis
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Anmerkungen zu Umschrift, Datums- und Quellenangaben
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Abkürzungsverzeichnis
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Einleitung
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A. Islamischer Feminismus: Die Beteiligung der Männer an dieser Debatte
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B. Umriss der Debatte
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C. Ziel und zentrale Fragestellung der Arbeit
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D. Einführung in den Forschungsstand I. Die fehlende Literatur zum Thema Islamischer Feminismus im Iran II. Die vorhandenen Quellen zur Problematik 1. Die Frauenrechte im Islam 2. Die einzelnen Strömungen und reformorientierten Theologen 3. Die säkular-liberalen Denker a) Die aktive Unterstützung von Frauenrechten aus der Perspektive von liberalen Theologen b) Die aktive Ünterstützung von Frauenrechten aus der Perspektive von Akademikern, Schriftstellern und Journalisten 4. Die relevanten Studien außerhalb des Irans 5. Die Verfechter eines modernen eǧtehāds
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E. Überlegung zum methodischen Vorgehen I. Merkmale qualitativer Sozialforschung II. Auswertung mithilfe einer qualitativen Inhaltanalyse
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F. Die Funktion männlicher Akteure aus theoretischer Perspektive
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Inhaltsverzeichnis
I. Hegemoniale Männlichkeit und männlicher Habitus II. Das Soziologische Akteursmodell III. Die theoretische Auseinandersetzung und ihre Funktion im iranischen System
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G. Aufbau der Arbeit
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Erstes Kapitel: Grundzüge des Feminismus und männliche Teilhabe an der Debatte
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A. Entstehung und die Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung im Westen
57
B. Männliche Unterstützung der Frauenrechte im westlichen Kontext
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
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A. Der Islamische Feminismus
65
B. Die Position der männlichen Akteure vor der Islamischen Revolution I. Die Stellung der Frau aus der männlichen Perspektive unter Kadscharen II. Die Position der Frauen von Pahlavī bis zur Islamischen Revolution
67 68 75
C. Iranisch-Islamischer Feminismus nach der Islamischen Revolution 82 Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
89
A. Islamische Revolution und neue Frauenrechtspostulate
89
B. ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1989-1993) − Wiederaufbau und Entideologisierung
96
C. ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1993-1997) − Ein Schritt zu mehr Freiheit
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D. Moḥammad Chātamī (1997-2001) – Die Entstehung einer Zivilgesellschaft
103
8
Inhaltsverzeichnis
E. Moḥammad Chātamī (2001-2005) – Zwischen Fortschritt und Stagnation
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F. Maḥmūd Ahmadīnežād (2005-2009) – Seine „wahren Ideale“
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G. Maḥmūd Ahmadīnežād (2009-2013) – Die Rechte der Frau
112
Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamischschiitischen Recht
119
A. Das islamische Recht
119
B. Die iranische Verfassung und das Zivilgesetzbuch
122
C. Das Zivil- und Bürgerrecht − religiös-rechtliche Grundlagen I. Familien und Eherecht II. Die Erwerbtätigkeit der Ehefrau III. Das Unterhaltsrecht (Alimente) IV. Das Erbrecht V. Die Scheidung VI. Die Polygamie und befristete Ehe
124 124 130 133 134 136 140
D. Das Strafrecht – religiös-rechtliche Grundlage I. Die Einordnung des Strafrechts in der Rechtssystematik II. Die Unzucht III. Das Blutgeld IV. Die Zeugenaussage
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E. Die Stellung der Frau in der Politik und ihre Qualifikation zum Rechtsspruch I. Die Stellung der Frau als Richterin II. Die Stellung der Frau in der Politik III. Die Unzulässigkeit der Frauen zum Amt des Staatspräsidenten
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
169
A. Diskurs der Frauenrechte nach Gesichtspunkten der drei Gruppen männlicher Denker I. Oṣūlgarāyān (Die konservativen Denker) II. Nowandīš-i dīnī (Die religiös-progressiven Denker) III. Nowandīšān (Die säkular-liberalen Denker)
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Inhaltsverzeichnis
B. Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker I. Der Einfluss kultureller Faktoren 1. Die Herrschaft des Mannes und seine bevorzugte Stellung aus kultureller Sicht 2. Das (fehlende) Selbstvertrauen der Frauen 3. Die Unvereinbarkeit der traditionellen und modernen Sichtweise 4. Die Unvereinbarkeit von theologischer Anthropologie und islamischem Recht 5. ʿOrf (Brauch) und das Gesetz zum Geschlechterverhältnis II. Politisch-gesellschaftliche Aspekte der Benachteiligung von Frauen 1. Ungleiche Rechte im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereich 2. Die Trennung von privatem und öffentlichem Bereich 3. Der Gegensatz von Tradition und Moderne und seine Folgen 4. Fehlen von Demokratie und individueller Freiheit 5. Gewalt gegen Frauen III. Theologisch-Rechtliche Probleme 1. Die systematische Darstellung der Gewaltenteilung im Iran und die fehlende Präsenz der Frauen in diesem System 2. Die Strukturprinzipien der Gleichberechtigung in der iranischen Verfassung 3. Die Frauenrechte in der iranischen Verfassung 4. Die Stellung der Frau im Zivil- und Strafrecht C. Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken I. Die philosophischen Paradigmen 1. Die Relativität der Bedeutung von Gerechtigkeit (ʿedālat) 2. Individuum, Individualität und Individualismus 3. Die Notwendigkeit der Übereinstimmung der Gesetze mit humanistischen Werten und gesellschaftlichen Realitäten II. Die religiösen Paradigmen 1. Die Säkularisierung 2. Die Unterscheidung von Religion und religiösem Recht (Scharia) 3. Die Flexibilität des religiösen Rechts (Scharia) 4. Zur Vereinbarkeit der Religion mit Menschenrechten und Demokratie 10
183 185 186 188 190 192 193 195 196 199 201 203 204 206 208 211 213 215 218 219 220 221 223 224 226 229 230 231
Inhaltsverzeichnis
5. Die Unterscheidung zwischen dem Essentiellen und Akzidentiellen in der Religion (Ẕātī va ʿArażī) III. Die Rechtsmethodik 1. Die neue Anwendung des eǧtehāds 2. Die Notwendigkeit des eǧtehāds dar forūʿ 3. Die zeitgemäße Interpretation der Religion nach den Idealen des Humanismus 4. Die Trennung des Korans von späteren Auslegungstraditionen
235 236 238 240 243 245
Sechstes Kapitel: Fazit
249
A. Zusammenfassung
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B. Ausblick I. Neue Definition von Religion II. Die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von Religion und Zivilgesellschaft aus Sicht der Liberal-Säkularen und i hre Position zum Pluralismus III. Dialogansätze
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Literaturverzeichnis
265
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Anmerkungen zu Umschrift, Datums- und Quellenangaben
Die Dissertation richtet sich an eine über Iranisten und Islamwissenschaftler hinausgehende Leserschaft. Die Umschrift des Arabischen und Persischen folgt dem System der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Die Vokalisierung der persischen Begriffe richtet sich nach Junker/Alavi1. Da sich mehrheitlich auf persische Texte bezogen wird und die Amtssprache Irans Persisch ist, werden auch Begriffe wie feqh (arab. fiqh) und eǧtehād (arab. iǧtihād) im Persischen wiedergegeben. Bei der ersten Nennung wird er ggf. auch wie eben in der arabischen Umschrift angegeben. Die Umschrift und Vokalisierung der arabischen Namen und Begriffe sowie Monatsnamen erfolgt nach Hans Wehr2. Wenn nicht anders angegeben, handelt es sich um Umschriften aus dem Persischen. Namen und Titel arabischer Autoren werden stets in arabischer Umschrift angeben. Einzelne Sachbegriffe und Personennamen, sowie zitierte originalsprachliche Passagen werden kursiv geschrieben, außer Begriffe, die in die deutsche Sprache aufgenommen und im Duden verzeichnet sind (wie Koran, Sunna, Scharia, Hadith). Des Weiteren werden alle Buchtitel kursiv wiedergegeben, bei persischen Werken steht die deutsche Übersetzung in Klammern. Titel von Artikeln oder Aufsätzen werden in Anführungszeichen und zwar in der landestypischen Form angegeben ("engl."). Begriffe werden in einfache Anführungszeichen gesetzt, um deutlicher hervorzuheben, dass einzig der Terminus und nicht die Strömung, Staatsform oder dergleichen gemeint ist. Bei Wörtern, die in eingedeutschter Form gebräuchlich sind, wie bspw. Schah oder Ayatollah, wird auf die wissenschaftliche Umschrift verzichtet; allerdings werden Eigennamen wie Reżā Šāh und Moḥammad Reżā Šāh in transkribierter Form verwendet. Chomeynī und Chāmeneʾī sowie Chātamī werden der deutschen Phonetik und Presseschreibung angepasst (d.h. nicht mit ḫ transkribiert). Bei Namenskomposita wird der Artikel, soweit vorgeschrieben, mit Alliteration ausgeschrieben (Nāṣer ad-dīn Šāh, Šayḫ al-Mufīd), allerdings 1 2
Junker, Heinrich & Alavi, Bozorg (1985): Persisch-deutsches Wörterbuch, Leipzig. Wehr, Hans (1977): Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart und Supplement, Beirut/London.
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Anmerkungen zu Umschrift, Datums- und Quellenangaben
wi-rd bei persischen Personennamen auf die (eżāfeh)-Verbindung verzichtet (Aḥmad Kasravī statt Aḥmad-e Kasravī). Titel werden als Teil des Namens mitgeschrieben (Aḥmad Qavvām os-Saltaneh). Auf Eulogien (taslīyat) wird verzichtet. Iranische Ortsnamen werden in der Regel in wissenschaftlicher Umschrift angegeben, insbesondere bei Literaturangaben (pers. Tehrān/ deu. Teheran). Die Angabe eines Datums erfolgt entsprechend dem gregorianischen Kalender. Sofern die Angabe von Daten in islamischer Zeitrechnung erforderlich ist, wird diese für arabische Staaten stets nach dem Mondkalender (heǧrī qamarī), für den Iran vor der Kalenderreform 1925 nach dem iranischen Sonnenkalender (heǧrī šamsī) vorgenommen. Zur Datumsangabe wird folgendes Schema gewählt: Steht ein Datum allein, handelt es sich immer um die christliche Zeitangabe. Werden zwei Daten genannt, geht die Datumsangabe nach dem persischen Sonnenkalender der nach christlicher Zeitrechnung voran. Der Arabische Mondkalender wird mit "q" gekennzeichnet. Die Begriffe Islamische Revolution, Islamische Republik und Islamischer Feminismus werden in dieser Arbeit als Eigennamen betrachtet. Bibliographische Referenzen wurden zwar mit größter Sorgfalt erstellt, dennoch war es nicht immer möglich, exakte Seitenzahlen anzugeben. Das gilt insbesondere für iranische Zeitschriften (z.B. Zanān). Die Übersetzung der persischen Quellen erfolgt direkt in den Fußnoten und im Inhalt. Auf eine Übersetzung der arabischen Quellen wurde verzichtet, da vorausgesetzt wird, dass sie bekannt sind. Die Wiedergabe von koranischen Suren ins Persische folgt der Übersetzung von Bahā ad-dīn Ḫorramšāhī3.
3
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Ḫorramšāhī, Bahā ad-dīn (1382/2003): Tarǧomeh-yi Qurʾān (Die Übersetzung des Korans), Tehrān.
Abkürzungsverzeichnis
bzws. bzw. ca. d.h. Dr. Ebd. Eds. et. al. etc. f./ff. FAZ ggf. GS Hrsg. Jg. IZGB IStGB o.A. o. J. o.O. Plu. S. Sg. u.a. usw. v.a. Vgl. Vol. z.B.
beispielsweise beziehungsweise circa das heißt Doktor ebenda Herausgeber, herausgeben (lat.) und andere et cetera folgende Seite(n) Frankfurter Allgemeine Zeitung Gegebenenfalls Grundsatz (Artikel der iranischen Verfassung) Herausgeber Jahrgang Iranisches Zivilgesetzbuch Iranisches Strafgesetzbuch ohne Autor ohne Jahresangabe Ohne Ortsangabe Plural Seite Singular unter anderem und so weiter vor allem Vergleiche Volum zum Beispiel
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Einleitung
A. Islamischer Feminismus: Die Beteiligung der Männer an dieser Debatte Islamischer Feminismus wird als globale Bewegung für die Verbesserung der Lebensbedingungen und der gesellschaftlichen Stellung von Frauen verstanden und strebt ihre Selbstbestimmung sowie eine Veränderung der Geschlechterverhältnisse an. Er ist ein vermittelndes Element zwischen Tradition und Moderne und gleichzeitig eine neue Möglichkeit zur zeitgemäßen Interpretation von religiösen und religiös geprägten Normen.4 Die inhaltliche Bedeutung und Forderung dieser Bewegung unterscheidet sich von westlichen Vorbildern und strebt nach einem Stück Eigenständigkeit hinsichtlich der im islamischen Rahmen verankerten Frauenrechte und sozialen Gleichheit. Der Unterschied besteht v.a. in der religiösen Hingezogenheit. Die Kombination des Begriffs ʼIslamʽ und ʼFeminismusʽ wird dementsprechend kontrovers diskutiert. Es handelt sich um die Verwirklichung einer sozialen Bewegung in Kombination mit religiöser Verbundenheit. Religion und religiöse Vorschriften sind in diesem Kontext entscheidende Faktoren. Die Arbeit „Islamischer Feminismus in Iran5 nach der Islamischen Revolution von 1979“ stellt den Diskurs unter iranischen Denkern6 und Ge-
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Vgl. Ahmadi, Fereshteh (2006), Vol. 22, 2, S. 33−53. Ahmadi, Fereshteh (2006): "Islamic Feminism in Iran: Feminism in a New Islamic Contex", in: Journal of Feminist Studies in Religion 22, 2, S. 33–53.; Moghadam, Valentine M. (2002): "Islamic Feminism and its Discontents: toward a Resolution of the Debate", in: Journal of Women in Culture and Society, 27, 4, S. 1136–1171.; Amirpur, Katajun (2001): „Islamischer Feminismus im Iran“, in: Frauenrechte in islamischen Ländern im Spannungsfeld von nationaler Kultur und universellen Menschenrechten, Bonn: Fachtagung der Friedrich-Ebert Stiftung mit dem Marie-Schlei-Verein, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. Laut Duden ist ein Denker eine Person, die als Philosoph über Probleme des Daseins nachdenkt. In dieser Arbeit bezeichneten Denker (konservativen, religiösprogressiven und säkular-liberalen) sind z.T. Philosophen wie auch Theologen, die sich mit gesellschaftlichen und politischen Problemen systematisch auseinandersetzen und diese je nach ihren Denkansätzen analysieren. Die konservativen Gruppen bestehen meistens aus Theologen mit fundamentalistischen
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Islamischer Feminismus: Die Beteiligung der Männer an dieser Debatte
sellschaftsakteuren7 ins Zentrum8. Ihre Diskussion richtet sich nicht gegen die Religion selbst, sondern gegen die von der Religion beeinflussten sozio-kulturellen Normen9 als Hauptquelle geschlechtsbezogener Diskriminierung. Weiter wendet sich diese Diskussion gegen eine wörtliche Interpretation einzelner Stellen im Koran, welche in der männlich dominierten Exegese die Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau dokumentiert.10 Dies führte innerhalb der muslimischen Gesellschaft unter männlichen Akteuren11 zu einer Debatte um eine geschlechtergerechte Interpretation hinsichtlich der Stellung der Frau.12 Die Frage, wie sich diese Gesellschaftsakteure im Iran v.a. nach der Islamischen Revolution im Kontext dieser Debatte positionieren und welche Argumente sie ins Feld führen, führt zu weiteren Forschungsfragen, welche bisher wenig Beachtung gefunden haben. Es erscheint deshalb vielversprechend, diesen Diskurs aus der Sicht der männlichen Akteure
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Denkweisen. Die religiös-progressiven Denker bestehen z.T. aus Theologen mit reformerischen Denkweisen sowie Philosophen. Zu den säkular-liberalen zählen Denker mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründen, wie z.B. Theologen mit progressiver Denkweise sowie Schrift-steller und Jornalisten. Laut Duden ist ein Akteur eine handelnde Person, die an einem bestimmten Geschehen beteiligt ist. In dieser Arbeit bezieht sie sich auf die Gesellschaftsakteure mit unterschiedlichen Hintergründen wie etwa Theologen, Rechtwissenschaftler sowie Schriftsteller und Jurnalisten, die Gesellschafts-probleme analysieren und z.T. kritisieren. Die in dieser Arbeit angesprochenen Denker und Akteure nehmen eine sehr ähnliche Perspektive in ihrer Argumentation ein. An einigen Stellen ist zu unterscheiden, ob ein Denker oder ein Akteur gemeint ist, v.a. die säkular-liberalen Denker gehören z.T. zu den Akteuren. Reżā ʿAlīǧānī als ein säkular-liberaler Denker, kann sich aber in dieser Debatte ebenfalls als ein Akteur positionieren. Mir-Hosseini, Ziba (2003): „Neue Überlegungen zum Geschlechterverhältnis im Islam: Perspektiven der Gerechtigkeit und Gleichheit für Frauen“, in: Rumpf, Mechthild u.a. (Hrsg.): Facetten islamischer Welten: Geschlechterordnungen, Frauen- und Menschenrechte in der Diskussion, Bielefeld, S. 53–81:53. Hermann, Kerry (2009): Gender-Jihad: Der Kampf islamischer Feministinnen für Frauenrecht und eine neue Auslegung des Korans, München, S. 20. Der aus Ägypten stammende US-Amerikaner Khaled Abou El-Fadl, der Südafrikaner Farid Esack, der aus Südafrika stammende und in den USA lehrende Ebrahim Moosa, der promovierte syrische Bauingenieur Muhammad Shahrour und der sudanesische Gelehrte, Politiker und Sufi Maḥmūd Muḥammad Ṭaha sowie der aus dem Sudan stammende und in Atlanta lehrende Abdullahi Ahmid an-Naʽim unterstützen den Islamischen Feminismus mit unterschiedlichen Argumenten. Siehe: Amirpur, Katajun (2013): Den Islam neu denken. Der Dschihad für Demokratie, Freiheit und Frauenrechte, München, S. 40 ff. Ebd.
Einleitung
zu analysieren, um weitere Gründe für die Benachteiligung von Frauen auszumachen. Die Perspektive der männlichen Denker kann die künftige Stellung der Frauen und ihre eingeschränkten Rechte in einer islamisch geprägten Gesellschaft wie der des Iran beeinflussen und ggf. die Emanzipation der Frauen vorantreiben.
B. Umriss der Debatte Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in Europa hauptsächlich eine Angleichung an die Rechte der Männer im Wahlrecht, in der Bildung, in der Erwerbstätigkeit und beim Einkommen sowie bei der Gleichheit vor dem Gesetz im privatrechtlichen Bereich gefordert.13 Außerdem führte die Säkularisierung der Gesellschaft im Westen zur Entstehung neuer Perspektiven im Sinne einer modernen Zivilgesellschaft, zur Trennung von Religion und Staat sowie zur stärkeren Abgrenzung des Privaten vom Öffentlichen.14 Die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Rechte der Frauen werden seit dieser Zeit intensiv diskutiert. Es wurden nicht nur innerhalb Europas, sondern weltweit Verfassungen entwickelt und Gesetze verabschiedet, die Gleichberechtigung und die Gleichbehandlung der Geschlechter ganz oben auf die Agenda gesetzt haben. Politische, kulturelle und gesellschaftliche Umwälzungen im monarchisch regierten Iran führten Anfang des 20. Jahrhunderts zur Konstitutionellen Revolution (enqelāb-i mašrūṭeh), in der die Grundstrukturen eines modernen Nationalstaates entstanden.15 Die konstitutionelle Revolution führte zu einem nachhaltigen politischen und gesellschaftlichen Umbruch, der in eine Auseinandersetzung zwischen religiösen und säkularen Kräften, bzw. in einen Konflikt zwischen der Geistlichkeit und Intellektuellen
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Vgl. Kantola, Johanna (2006): Feminists Theorize the State, London.; Cordes, Mechthild (1995): Die ungelöste Frauenfrage. Eine Einführung in die feministische Theorie, Frankfurt am Main. Rommelspacher, Brigit (2013): „Feminismus, Säkularität und Islam. Frauen zwischen Modernität und Traditionalismus“, in: Wunn, Inna & Selçuk, Mualla (Hrsg.): Islam, Frauen und Europa. Islamischer Feminismus und Gender Jihad – neue Wege für Musliminnen in Europa?, Stuttgart, S. 159–175: 175. Afary, Janet (1996): The Iranian Constitutional Revolution (1906-1911): Grassroots Democracy, Social Democracy, and the Origins of Feminism, New York, S. 17.
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Umriss der Debatte
mündete.16 Die neuen Möglichkeiten wie Freiheit und die Forderung nach einer Verfassung wurde von im Ausland lebenden Iranern, Botschaftern und Schriftstellern im Land selbst reflektiert. Innerhalb der intellektuellen Schicht kam es zur Auseinandersetzung mit der Tradition. Dies war der Beginn einer neuen Epoche. Die Intellektuellen forderten das Recht des Individuums und eine gesetzmäßige Befugnis des Staates entsprechend der konstitutionellen Verfassung.17 In dieser vormodernen Phase, die mit großem Respekt für Tradition einherging, spielten die Kreise der Geistlichen und die moralischen und theologischen Werte aufgrund der islamischen Rechte Ḥoqūq-i Eslāmī (arab. ḥuqūq¸ Sg.¸ ḥaqq) bzw. Scharia für die Entstehung eines Nationalparlaments eine wesentliche Rolle. Im Zentrum dieser Entwicklung stand nicht etwa eine anti-monarchistische Bewegung, sondern eine gegen den Absolutismus.18 Die konstitutionelle Revolution führte eine systematische und permanente Änderung in der Struktur der politischen Autorität durch. Die Forderung nach Gleichheit und Gleichberechtigung der Bürger, die die Frauenemanzipation in den Vordergrund stellt, stützt sich auf Konzepte wie Demokratie und Liberalismus und gewinnt ihre Bedeutung v.a. in den letzten Jahren vor der Islamischen Revolution. Seit 1979 änderte die neue islamische Regierung die Situation der Frauen im politischen sowie gesellschaftlichen Bereich tiefgreifend. Die Gründung einer Islamischen Republik zur Verwirklichung einer demokratischen Staatsform, geprägt von religiösen Anschauungen und Prinzipien, findet in dieser Epoche ihren Höhepunkt. Die nun etablierte islamische Grundordnung und die davon abgeleitete Rolle der Frau spiegeln die streng konservativen Einstellungen der Regierung wider.19 Man führte in öffentlichen Bereichen Geschlechtertrennung ein,
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Soleymānī, Ğavād (1387/2008): „Vākoneš-i rowḥānīyat dar barābar-i towṭeʿeh-yi esteḥāleh-yi enqelāb-i mašrūṭeh“ (Die Reaktion von Geistlichen vor der Verschwörung der Verwandlung der konstitutionellen Revolution), in: Maʿrefat, Nr. 77, S. 95. Gheissari, Ali: in seinem Artikel "Constitutional Rights and the Development of Civil Law in Iran, 1907-41", in: H.E. Chehabi und V. Martin (Eds.): Iran’s constitutional revolution: Popular Politics, cultural transformations and transnational connections , London, S. 69-79. Ebd. S. 72 Vgl. Moghadam, Valentine M. (1995): "Gender and revolutionary transformation: Iran 1979 and east central Europe 1989", in: Gender and Society, 9, 3, S. 328–358.; Moghadam, Valentine M. (1994b): "Islamic Populism, Class, and Gender in Postrevolutionary Iran", in: John, Foran (Eds.): A Century of Revolution: Social Movements in Iran, Minneapolis, S. 189–222.; Moghadam,
Einleitung
Privilegien im Zivil- und Strafrecht wurden zurückgenommen und Karrieren in der staatlichen Verwaltung beschnitten.20 Als religiöse Führer kommen grundsätzlich nur Männer nach dem Konzept der Herrschaft der Rechtsgelehrten velāyat-i faqīh in Betracht. Gleiches gilt auch für die Rechtsgelehrten im Wächterrat. Frauen sind weder aufgefordert noch berechtigt, hohe politische Ämter auszuüben. Bei den Ämtern, zu denen Frauen zugelassen werden, stellen sie nach der Revolution eine verschwindende Minderheit dar. Allein in der Expertenversammlung ist zeitweise nur eine einzige Frau, Monīreh Gorǧīfard21, vertreten.22 Der Iran-Irak Krieg von September 1980 bis August 1988 führte zu einer innenpolitischen Unruhe sowie zur wirtschaftlichen Stagnation und zu sozialer Ungerechtigkeit, weil der Ölpreis stark gesunken war. Dies veranlasste die Regierung, eine Palette von Maßnahmen zur sozioökonomischen außenpolitischen Orientierung durchzusetzen und sich gegen die Meinung vieler Konservativer für eine Reform auszusprechen. Frauen wurden als Revolutionsgarden rekrutiert und engagierten sich mit der Unterstützung des Staates in der Alphabetisierung und medizinischen Hilfe. Nach dem Tod des Revolutionsführers Ayatollah Chomeynī 198923 und während der Präsidentschaft von Ḥoǧǧat-ol-Eslām ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī 1989–1997 wurde die Debatte um Frauenrechte neu entfacht.
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Valentine M. (1989): "One Revolution or Two? The Iranian Revolution and the Islamic Republic", in: Ralph, Miliband et al. (Eds.): Socialist Register 1989: Revolution Today, Aspirations and Realities, London/Merlin, S. 74–101. Vgl. Kreile, Renate (2007): Der Kampf um die Frauen. Politik, Islam und Gender im Vorderen Orient, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. Šaḫsiyatnegār (o.J.): Biographie von Monīreh Gorğīfard: Šaḫsiyatnegār, online verfügbar unter: [Aufgerufen im September 2015]. Enayati, Hale (2011): „Die Frauenbewegung in der islamischen Republik Iran“, in: HAFIS-GEDENKTAG 2011, Weimar: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. Seit der Islamischen Revolution bis zum Tod des iranischen Revolutionsführers 1989 wurde das Amt von drei Präsidenten, Abolḥassan Banīṣadr, Moḥammad ‛Alī Raǧāʾī und Sayyed ʿAlī Chāmeneʾī, besetzt. Banīṣadr wurde 1981 aufgrund politischer Disqualifikation abgesetzt, bevor er seine Präsidentschaftsperiode offiziell beenden konnte. Moḥammad ‛Alī Reǧāʾī ist 1981 direkt zu Beginn seiner Präsidentschaftsperiode durch ein Attentat ums Leben gekommen. Sayyed ʿAlī Chāmeneʾī nahm das Amt der Präsidentschaft von 1981 bis 1989 ein. Er beendete vorzeitig seine zweite Amtzeit aufgrund des Todes von Ayatollah Chomeynī und wurde im Jahr 1989 als oberster Religionsführer gewählt.
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Umriss der Debatte
In dieser Zeit entstand eine breite gesellschaftliche Bewegung für eine Reform der Islamischen Republik. Mit großem Engagement setzten sich Studenten, Reformer und Frauen für Bürgerrechte, politische Freiheiten und die Rechte der Frauen innerhalb der Gesellschaft ein.24 Dies läutete eine neue gesellschaftliche Phase ein, verbunden mit einem liberalen Um-gang mit religiösen Texten und einer Lockerung der kulturellen und sozialen Kontrolle. Abgesehen von konservativen Geistlichen setzten sich reformorientierte religiöse Gruppen und progressive Intellektuelle für Meinungsfreiheit und eine Erneuerung des Denkens ein.25 Die Konservativen vertreten eine strenge sozio-politische Position bezüglich der Stellung der Frauen.26 Die reformorientierten religiösen Gruppen und progressive Intellektuelle kritisieren die Benachteiligung der Frau durch die einseitige Auslegung des Korans. In den Publikationen der Frauenperiodika27 betrachten diese Akteure das System der Islamischen Republik und die Instrumentalisierung des Islams, der mit den Wertvorstellungen und Normen einer demokratischen Gesellschaft im Einklang stehe, kritisch.28 Der iranische demokratische Diskurs befürworte eine demokratische Staatsordnung, in der die kulturelle und intellektuelle Freiheit, religiöse Reformen und das Recht des Einzelnen im Vordergrund stehen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Justiz und ihrer Demokratisierung im Sinne von sozialer Gerechtigkeit. Gleichzeitig sollen ihre religiösen Grundlagen reformiert werden. Die politische Priorität der demokratischen Akteure konzentriert sich deshalb auf die Forderungen nach staatlicher Rechenschaftspflicht gegenüber Bürgern sowie der Implementierung individueller Rechte29. Das wiederum entspricht nicht den Zielen der Konservativen.
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Moghadam, Valentine M. (2002), Vol. 27, 4, S. 1136−1171. Ebd. Der Zugang der Frauen zur Öffentlichkeit und ihr zahlenmäßig großer Einzug in die Politik wurde von konservativen Geistlichen aufgehoben, weil es aus ihrer Sicht im Widerspruch mit dem Wesen der Frau und ihren originär obliegenden Arbeiten im Haushalt sowie der Erziehung der Kinder stand. Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen (1376/1998): „Ḫūnbahā-yi zanān čerā nābarābar?“ (Warum soll das Blutgeld der Frauen ungerecht sein?), in: Zanān, 6, 37, S. 36 ff.; Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen & Qāʾenī, Moḥsen (1373/1994): „Kotakzadan-i zan natīǧeh-yi rīyāsat-i mard bar ḫānevādeh“ (Verprügeln der Frau ist das Resultat der Herrschaft des Mannes in der Familie), in: Zanān, 18, 3/4, S. 55−59; 19, 5/6, S, 68−72. Amirpur, Katajun; Witzke, Reinhard (2004b): Schauplatz Iran, Freiburg, S. 109. Gheissari, Ali; Nasr, Vali (2006), S. 3.
Einleitung
Sowohl die reformorientierten religiösen Gruppen als auch die progressiven Intellektuellen sind der Überzeugung, dass die Benachteiligung der Iranerinnen nicht nur auf die Auslegung des Korans durch männliche Exegeten zurückzuführen sei, sondern auch mit einer politischen Einstellung einhergehe, die sich in der islamischen Verfassung wie auch in zivilrechtlichen Prinzipien manifestiere.30 Die Meinungsvielfalt unter reformorientierten religiösen Gruppen und progressiven Intellektuellen ist begrenzt, weil beide Gruppen nach einer eigenen Lösungsstrategie für die Reform der Frauenrechte suchen. Der Unterschied liegt eher in der Herangehensweise. Er zeigt sich am Umgang mit religiösen Vorschriften, der Einschätzung der Bedeutung historischer Einflüsse auf die heutige Zeit, an Art und Methoden der Interpretation sowie am konkreten Engagement einzelner Denker.31 Entscheidende Impulse kamen von Sayyed Moḥammd Chātamī, der bereits als Präsidentschaftskandidat Menschenrechte, Demokratie und Freiheit ins Zentrum seines Wahlkampfthemas rückte und dann ab 1997 als Präsident ein liberales intellektuelles Klima im Iran ermöglichte. Die Atmosphäre seit 1997 entsprach einem Auftakt für die politische und gesellschaftliche Teilhabe der progressiven Intellektuellen zur Durchsetzung von Reformen. Die Neuinterpretation der religiösen Vorschriften, beeinflusst von demokratischen und menschenrechtsbezogenen Argumentationen, wird von ihnen sehr stark diskutiert. Sie fordern das Aufheben der diskriminierenden Gesetze gegen Frauen im islamischen Recht.32 Diese Gruppe iranischer Denker ist der Auffassung, dass die Gesetze, die auf eine über Jahrhunderte lange, männlich dominierte Auslegung islamischer Vorschriften beruhen, in vielfältiger Weise die Rechte der Frauen beschneiden und einer Reform bedürften. Die Änderung von Gesetzen zugunsten einer Stärkung der Frauenrechte im Iran hängt nicht nur vom Volontarismus staatlicher und gesellschaftlicher Akteure ab, sondern auch 30
31
32
Vgl. Darvīšpūr, Mehrdād (2001): „Ṭarḥī az zan-i Īrān dar barzaḫ-i sonnat va moderniyteh“ (Die Skizze einer iranischen Frau in der Schwebe zwischen Tradition und Moderne), in: Darvīšpūr, Mehrdād (Hrsg.): Čālišgarī-yi zanān ʿalayh-i naqši mardān (Der Kampf von Frauen gegenüber der männlichen Rolle), Schweden, S. 15. Šīrāzī, Hānīyeh (1379/2000): „Kodām nowandīšī? Kodām masʾaleh-yi zan?“ (Was für eine Aufklärung? Zu welcher Frauenfrage?), in: Bāztāb-i andīšeh, 7, S. 65–70.; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1379/2000): „Masʾaleh-yi zan dar Īrān“ (Die Frauenfrage im Iran), in: Zanān, 65, 4, S. 44 f. Vgl. ʿAlīǧānī, Reżā (1385/2006): Zan dar motūn-i maẕhabī (Die Frau in den heiligen Schriften), Tehrān.
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Ziel und zentrale Fragestellung der Arbeit
von den politischen Zielsetzungen in den einzelnen Präsidentschaftsperioden. Deshalb stellt sich die Frage, inwiefern und ob die Perspektive und die Zielsetzung der unterschiedlichen Gruppen von Gesellschaftsakteuren die rechtliche Situation der Frauen beeinflusst, wenn die politische Atmosphäre im Land ihren Positionen und Zielsetzungen entgegensteht bzw. wenn Frauenrechte und der Gleichheitsgedanke keine politische Priorität haben.
C. Ziel und zentrale Fragestellung der Arbeit Der feministische Diskurs ist geprägt von Kontroversen und Konflikten, die sich immer wieder zu Spaltungen und mitunter harten Kämpfen verdichten. Er bringt außerdem Hierarchien, Ausgrenzungen und hegemoniale Konstellationen hervor, die den Widerspruch derjenigen hervorrufen, die sich mit ihren Interessen und Belangen nicht angemessen vertreten sehen. In diesem Diskurs wird eine männliche Haltung als eine per se diskriminierende Perspektive kritisiert, die mit patriarchalen Strukturen einhergeht. Es leuchtet ein, dass sich feministische Forschung genau darauf konzentriert, weil sie sich die Überwindung von Geschlechterhierarchien und -stereotypen sowie die politisch-gesellschaftliche Emanzipation der Frau zum Ziel setzt. Alle prägenden Kräfte, die unmittelbaren Einfluss auf Gesetzgebung und Auslegung des Korans haben und sich am feministischen Diskurs beteiligen, sind männlich. Es ist jedoch festzuhalten, dass nicht alle Meinungsführer, die sich zu diesem Thema äußern, auch tatsächlich Positionen (als Konservative, religiöse Reformer sowie säkular-liberale Denker) bekleiden, durch die sie ihre Überzeugung auch gesellschaftlich bzw. politisch umsetzen können. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Präsenz und Beteiligung der männlichen Denker in einem Diskurs um Feminismus im Allgemeinen und insbesondere dem Islamischen Feminismus. Bei der männlichen Perspektive geht es nicht nur um das Geschlecht bzw. eine geschlechterbezogene Debatte, sondern um die Positionen der Akteure, die sich auf diverse Themenbereiche beziehen und unterschiedliche Strategien und Lösungsvorschläge anwenden, um die Gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter in vielfältigen Bereichen der Gesellschaft und Politik zu verwirklichen. Die Perspektiven dieser Denker zu Frauenrechten ergeben sich aus unterschiedlichen Grundtendenzen ihres Denkens und sind in vielen Fällen ein Ergebnis ihrer Haltung. Um diese 24
Einleitung
Gründe herauszufinden und zu thematisieren, reflektiert die folgende Arbeit die Denkrichtungen und Argumentationshintergründe diverser Gesellschaftsakteure in der Debatte um die Frauenrechte in Iran. Dabei handelt es sich um die Position der männlichen Denker in dieser Debatte seit der Entstehung der Islamischen Republik. Weiterhin soll aus dem Werdegang und der Biographie sowie den Publikationen der jeweiligen Akteure rekonstruiert werden, worauf sie sich bei ihren Argumenten stützen und aus welcher Perspektive sie ihre Standpunkte untermauern. Ein solches Vorgehen erlaubt eine bessere Gegenüberstellung und Analyse der Argumente und damit eine höhere Transparenz im feministischen Diskurs im Iran. Die Denkrichtung und Argumentation dieser Denker bestimmt ihre Positionen in der Frauenrechtsdebatte, die von ihrem politischen Vorgehen abgeleitet sind. Dazu zählt das politische Klima und die Stimmung im Land, die sich nach den Präsidentschaftswahlen und den politischen Zielsetzungen der jeweiligen Präsidenten entsprechend änderte. Die Präsidenten gehören zu konservativen Gruppen, sind jedoch aufgrund ihrer Zielsetzung und politischen Parolen während ihrer Amtszeit entscheidend für die Öffnung eines politischen Klimas, mit mehr Redefreiheit und menschenrechtlichen Aktivitäten. Das liefert den Akteuren eine Grundlage, sich im jeweiligen politischen Klima entsprechend frei zu äußern. Aus der Perspektive der Frauenrechtsaktivistinnen ist diese innerhalb der islamischen Gesellschaften als Islamischer Feminismus bezeichnete Debatte eine politische Parole, damit die rechtliche Situation der Frauen kritisch betrachtet und die Gründe ihrer wirkungslosen Machtposition zur Diskussion gestellt werden. Die Frauenaktivistinnen wünschen sich die Erneuerung der islamischen Gesetze im Sinne einer Gleichberechtigung von Mann und Frau im privaten und öffentlichen Bereich. Die männliche Haltung in dieser Debatte, auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Themen wie der Bedeutung der Scharia, dem Umgang mit Interpretationsmethoden bzw. eǧtehād, Säkularisierung sowie der Bedeutung von Demokratie und Menschenrechten usw. zeigt Möglichkeiten für eine Erneuerung des Denkens für das Wiederbeleben der islamischen Grundlagen und rechtlichen Gesetze bezüglich der Stellung der Frau auf. In erste Linie geht es darum, die Denkrichtungen und Argumentationshintergründe diverser Gesellschaftsakteure in der Debatte um Frauenrechte darzustellen. Dabei stellt sich die generelle Frage, wie sich diese unterschiedlichen Gesellschaftsakteure in der Debatte um die Frauenrechte in Iran positionieren. Das führt zu folgenden Fragen: Von welchen Grundgedanken werden sie geleitet? Welcher Argumentationsstrategien bedienen sich die einzelnen Akteure sowie Gruppen? Wo gibt es Übereinstimmun25
Einführung in den Forschungsstand
gen und wo sind grundlegende Unterschiede? Ein Teil der männlichen Diskutanden plädiert in dieser Debatte für die Verwirklichung einer Reform und für rechtliche Innovationen bezüglich der Stärkung von Frauenrechten und der Unterstützung des weiblichen Geschlechts, um die Befreiung der Frau von einem vorgeschriebenen patriarchalen System einzuleiten und dabei zu versuchen, das Selbstbewusstsein der Frau in der politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit wiederherzustellen und vorhandenen kulturellen Hindernisse zu überwinden. Immer mehr männliche Akteure stellen zudem die diskriminierenden Stellen in religiösen Vorschriften zur Diskussion, die die Benachteiligung der Frauen legitimieren. Darüberhinaus versuchen jene, Alternativen für eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu erarbeiten und bereitzustellen. Um die Diskussion transparenter und die Argumentationslinien nachvollziehbar zu machen, ist es sinnvoll, die politischen Richtungen, die eher als Denkrichtungen zu verstehen sind, herauszuarbeiten und zu konkretisieren. Auch wenn die Konturen der unterschiedlichen Richtungen eher unscharf und einzelne Akteure nicht immer nur einer einzigen Gruppe zuzuordnen sind, sorgt dieses Vorgehen für mehr Klarheit und erfasst die Komplexität der Auseinandersetzung besser. Die im Kontext dieser Dissertation relevante Forschungslandschaft ist vielfältig. In dieser Arbeit geht es im Speziellen um die Position und die Wirkung der männlichen Akteure in einer genderspezifischen Fragestellung. Im Folgenden werden für einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zentrale Studien und deren Ergebnisse skizziert.
D. Einführung in den Forschungsstand I.
Die fehlende Literatur zum Thema Islamischer Feminismus im Iran
Zum Islamischen Feminismus33 in der islamischen Welt gibt es eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen. Für die vorliegende Arbeit ist von Relevanz, dass bislang kaum ausführliche und fundierte wissenschaftliche 33
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Zur Basisdefinition des Islamischen Feminismus: Moghissi, Haideh (1999): Feminism and Islamic Fundamentalism: The Limits of Postmodern Analysis, Londodn & New York.; Badran, Margot & Cooke, Miriam (1990): Opening the Gates: A Century of Arab Feminist Writing, Bloomington. Einen ausführlichen Überblick über die feministischen Ansätze im Islam gibt: Yamani, Mai (1996): Feminism and Islam, Legal and Literary Perspectives, New York.
Einleitung
Untersuchungen zum Standpunkt der Akteure u.a. Denker im Iran und zum Diskurs des Islamischen Feminismus nach der Islamischen Revolution von 1979 durchgeführt wurden. Der Status der Frauen im iranischen Rechtswesen wird in letzter Zeit von vielen religiösen und nichtreligiös-progressiven Akteuren in zahlreichen Aufsätzen und Monografien analysiert und diskutiert. Tenor vieler Publikationen ist, dass der Islamische Feminismus Rahmenbedingungen habe, die vom westlichen Feminismus abweichen. Das Ziel sei jedoch dasselbe: Die Benachteiligung der Frauen transparent zu machen und zu überwinden. Die Mehrheit der aktuellen persischsprachigen Quellen der letzten zehn Jahren beschäftigen sich im Allgemeinen mit den konservativen sowie den religiös-progressiven Strömungen. Eine liberale Einstellung ist durch einzelne persischsprachige Artikel erkennbar.34 Bei Betrachtung der Positionen, Denkrichtungen und Argumentationsstrategien der einzelnen Akteure und Akteursgruppen liegt der Fokus auf der in den vergangenen Jahren veröffentlichten persischsprachigen Literatur, die außerhalb des Irans noch keine ausreichende Rezeption gefunden hat bzw. von der internationalen Forschung bisher zu wenig beachtet und aufgearbeitet wird. Dabei stehen solche Werke im Blickpunkt, in denen die Frauenrechtsdebatte und die allgemein gesellschaftliche Stellung der
34
ʿAlīǧānī, Reżā (1391/2012): Nowandīšān-i dīnī, ḥokūmat-i qānūnī va ḥoqūq-i bašar (Liberal-säkulare Denker, ein auf Recht basierender Staat und Menschenrechte), in: Mellī maẕhabī, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].; ʿAlīǧānī, Reżā (1387/2008): „Dardodelī enteqādī dar nesbat-i nowandīšī-yi dīnī va masʾaleh-yi zan“ (Ein kritisches Anvertrauen zu den Positionen der religiös-progressiven Denker und der Frauenfrage), in: Ā᾿īn-i mordād, 15, S. 58 ff.; ʿAlīǧānī, Reżā (1386/2007): „Dīn, zan va donyā-yi ğadīd“ (Religion, Frau und neue Welt), in: Goftogū, S. 99f.; ʿAlīǧānī, Reżā (1378/1999): „Nehżat-i bīdārī-yi zanān dar Īrān“ (Die Frauenfront „Aufstehend“ im Iran), in: Īrān-i fardā, 41, S. 10 ff.; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1388/2009a): „Masʾaleh-yi zanān, nowandīšī va femīnīsm“ (Frauenfrage, neue liberale Denkansätze und Feminismus), in: Āftāb, 24, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015].; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1384/ 2005): „Arzyābī-yi rah va raftār-hā-yi rowšanfekrī-yi dīnī“ (Die Bewertung der Methoden und Verhältnisse der religiös-progressiven Reformer), in: Īrān, 3172−3173;. Qorbānniyā, Nāṣer (1383/2004b): „Naqdī bar manšūr-i hoqūq va masʾūliyyat-ha-yi zanān dar neẓām-i Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān“ (Kritik an dem wieblichen Rechts- und Verantwortungsdekret innerhalb der Islamischen Republik Iran), in: Pažūhešnāmeh-yi enteqādī-yi motūn va barnāmeh-hā-yi ʽolūm-i ensānī, 2, S. 187 ff.
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Einführung in den Forschungsstand
Frau im Iran aus der Perspektive männlicher Denker thematisiert werden. Hierbei charakteristisch ist, dass die Autoren und die Herausgeber der Publikationen unterschiedliche soziale, religiöse und politische Hintergründe haben. Größtenteils handelt es sich um Geistliche35 und Theologen sowie Rechtsgelehrte, die sich nicht direkt mit dem Thema ʼIslamischer Feminismusʽ beschäftigen, sondern eher mit ʼRechte der Frauen im Islamʽ. In den genannten Personenkreis sind wenige Autorinnen und Rechtwissenschaftlerinnen eingeschlossen. Diese Arbeit möchte dem westlichen Publikum Zugang zu persischsprachigen Quellen ermöglichen. Deshalb werden die benutzten persischen Quellen durch deutsche oder englische Übersetzungen einzelner Aufsätze und Werke ergänzt.
II. Die vorhandenen Quellen zur Problematik 1.
Die Frauenrechte im Islam
Islamischer Feminismus wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Die zahlreichen Publikationen beschäftigen sich mit Einzelaspekten wie z.B. Familienrecht36, dem Recht auf Scheidung37, dem Sorgerecht der Frauen für ihre Kinder38, Erbrecht39, strafrechtlichen Vorschriften40, Polygamie oder den gesetzlichen Regelungen bezüglich der Heirat von Minderjährigen41. 35 36 37 38 39 40 41
28
Und sogar die Geistlichen, die äußerlich bzw. in der Öffentlichkeit nicht in ihrer Tracht als solche erkannt werden möchten. Bīāzār Šīrāzī, ʿAbdolkarīm (1389/2010): „Ahkām va mowżūʿāt-i ḫānevādeh“ (Die Regelung und die familiären Themenbezüge). Die Übersetzung einiger Teile Imām Chomeynīs Taḥrīr al-Vasīla, in: Resāleh-yi nowīn, 3, S. 102 f. Mogūʾī, Ḥāğī ʿAlī (1387/2008a): Qāʿedeh-yi ʿosr va ḥarağ va ḥaqq-i zanān dar ṭalāq (Die Regelung der Schwierigkeit und Bedrängnis sowie das Scheidungsrecht der Frauen), Tehrān. Bīāzār Šīrāzī, ʿAbdolkarīm (1389/2010), Vol. 3, S. 75 ff; Mogū᾿ī, Ḥāğī ʿAlī (1387/2008b). Vgl. Mehrpūr, Ḥosayn (1376/1997): Barresī-yi mīrāṯ-i zowğeh dar hoqūq-i eslām va Īrān (Die Untersuchung zum Erbanteil einer Frau im islamisch-iranischen Recht), Tehrān. ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1387/2008): Barresī-hā-yi eslāmī (Die islamische Untersuchung), Qom, S. 271 ff. Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008): Mabāḥeṯī az ḥoqūq-i zan (Einige Themen über die Frauenrechte), Tehrān; Mehrpūr, Ḥosayn (1379/2000): Mabāḥeṯī az hoqūq-i
Einleitung
Die aktuellen persischsprachigen Publikationen Zan dar negāh-i rowšanfekrān (1381/2002) (Die Frau aus der Perspektive von Denkern)42, Ǧariyānšenāsī-yi defāʿ az ḥoqūq-i zanān (1381/2002) (Die Feststellung der Strömungen zur Unterstützung der Frauenrechte)43, Darāmadī bar neẓāmi šaḫsiyatī-yi zan dar eslām (1390/2011) (Eine Einführung zur Stellung der Frau im Islam)44 und Werk Olgū-yi ǧāmeʿ šaḫṣiyat-i zan-i mosalmān (1390/2011) (Das integrierte und umfassende Bild der muslimischen Frau)45 beschäftigen sich grundsätzlich mit Faktoren der rechtlichen Benachteiligung von Frauen und damit zusammenhängenden Themen. Diese Publikationen liefern die Grundlagen für die hier behandelte Thematik. Sie geben Aufschluss über diverse Diskussionsansätze verschiedener Gruppen, je nach ihrer Denkrichtung und den jeweiligen Argumentationsstrategien unterschieden.
42 43 44 45
zan az manẓar-i hoqūq-i dāḫelī, mabānī-yi feqhī va mavāzīn-i beynolmelalī (Einige Themen zu den Frauenrechten aus der Perspektive der Gesetze, der Quellen der Rechtswissenschaft und internationaler Regeln), Tehrān. Desweiter-en Motlagh, Amy ( 2012): Buying the Beloved: Marriage, Realism, and Reform in Modern Iran, Standford; Osanloo, Arezoo ( 2009): The Politics of Women’s Right in Iran, Princeton.; Honarbin-Holliday, Mehri (2008): Becoming Visible in Iran: Women in Contemporary Iranian Society, London & New York.; Nowkam, Nina-Firuzeh (2003): Die rechtliche Situation der Frauen in der islamischen Republik Iran seit dem Amtsantritt Khatamis: Die Morgengabe und die Scheidung von Seiten der Frau, Hamburg; Mehrīzī, Mehdī (1382/2003b): Šaḫṣiyat va ḥoqūq-i zan dar eslām (Die Stellung und das Recht der Frau im Islam) Tehrān.; Shahidian, Hammed (2002): Women in Iran. Gender Politics in the Islamic Republic, Westport Conn., Greenwood Pr; Mir-Hosseini, Ziba (1999): Islam and Gender. The Religious Debate in Contemporary Iran, London.; Paidar, Parvin (1995): Women and the Political Process in Twentieth Century Iran, Cambridge; Moghissi, Haideh (1994): Populism and Feminism in Iran. Women’s Struggle in a Male-Defined Revolutionary Movement, Basingstoke, Macmillan.; Fathi, Asghar (1985): Women and the Family in Iran, Leiden; Klaus, Timm (1976): Die muslimische Frau zwischen Tradition und Fortschritt: Frauenfrage und Familienentwicklung in Ägypten und Iran, Berlin. Tašakkorī, Zahrā (1381/2002): Zan dar negāh-i rowšanfekrān (Die Frau aus der Perspektive von Denkern), Qom, S. 59. Vgl. Šafīʿī Sarvestānī, Ebrāhīm (1381/2002): Ğariyānšenāsī-yi defāʽ az ḥoqūq-i zan (Die Feststellung der Strömungen zur Unterstützung der Frauenrechte), Qom. Zībāʾīnežād, Moḥammad Reżā & Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011): Darāmadī bar neẓām-i šaḫsiyatī-yi zan dar eslām (Eine Einführung zur Stellung der Frauen im Islam), Qom. Sobḥānī, Moḥamad Taqī (1390/2011): Olgū-yi ğāmeʿ šaḫṣiyat-i zan-i mosalmān (Das integrierte und umfassende Bild der muslimischen Frau), Qom, S. 12.
29
Einführung in den Forschungsstand
Im Folgenden sollen einzelne AutorInnen und deren zentrale Erkenntnisse kurz vorgestellt werden. Die Autorin Zahrā Tašakkorī thematisiert die theoretischen Grundlagen in Frauenfragen und bezieht sich in ihren Interpretationen auf Themenfelder wie die Trennung von Religion und Tradition, die Flexibilität gegenüber der Scharia und die relative Bedeutung von Gleichheit. Ebrāhīm Šafīʿī Sarvestānī verweist auf politische, nichtreligiöse und religiöse Strömungen. Er behandelt außerdem die Perspektive der liberalen und nichtreligiösen Denker, die die Instrumentalisierung der Religion als Grund für die Benachteiligung von Frauen sehen. Die Analysen von Sarvestānī streben eine Verbesserung der Frauenrechte im Iran an, mit dem Verweis auf die Trennung von Religion und Staat. Ḥoǧǧat-ol-Eslām Moḥammad Reżā Zībā᾿īnežād und Ḥoǧǧat-ol-Eslām Moḥammad Taqī Sobḥānī weisen beide auf diverse einflussreiche Positionen innerhalb des Islamischen Feminismus hin, die eine gesellschaftlichpolitische Bewegung wie den Feminismus mit den Maßstäben des Islams in Einklang bringen wollen. Moḥammad Taqī Sobḥānī bezieht sich in seinem Werk auf die Notwendigkeit der islamischen Erkenntnisse als ein harmonisches kognitives System zur Konzeption eines sozial-effizienten Leitbildes zur Führung der Gesellschaft auf der Grundlage des Islams. Bei den Publikationen über Feminismus im Islam und im Iran handelt es nur um einzelne Fachartikel, die online auf der Plattform der Forschungsinstitute und wissenschaftlichen Portale abzurufen sind. Die Zeitschrift Zanān (Die Frauen), herausgegeben zwischen 1992 und 2009 von Šahlā Šerekat, Psychologin und Dozentin an der Universität ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, kann als Plattform zur Unterstützung der Frauenrechte innerhalb des Irans betrachtet werden.46 Diese Zeitschrift widmet sich dem Thema der Frauenrechte unter Aspekten des feministischen Diskurses und diskutiert dabei Probleme, die aus einer rein von Männern vorgenommenen Interpretation des Korans entstehen. Gleichzeitig wird das Recht der Frauen auf Auslegung und eigene Interpretation bzw. Neuinterpretation umstrittener Rechtsbegriffe eingefordert.47 46
47
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Weitere relevante Zeitschriften sind u.a.: Zanān, Payām-i zan, Zan-i rūz, Payāmi hāǧar, Farzāneh, Ḥoqūq-i zanān, Ğāmeʿeh-yi sālem, Īrān-i fardā, Farhang va towseʿeh. Zu den Verlagen, die vorrangig feministische Themen im Iran publizieren, zählen u.a. Rowšanfekrān und Towseʽeh. Šerekat, Šahlā (1371/1992): „Češmeh-i āgāhī agar beğūšad“ (Die Quelle des Bewusstseins, wenn sie sprudelt), in: Zanān, 1, 1, S. 2.
Einleitung
2.
Die einzelnen Strömungen und reformorientierten Theologen
Die reformorientierten Denker mit religiösen Hintergründen unterstützen die Debatte um Geschlechterverhältnisse im Iran. Sie beanspruchen dabei das Recht auf Neuinterpretation der islamischen Quellen. Ihr Ziel ist es, neue Paradigmen zu schaffen und die religiösen Rechte und Prinzipien neu zu formulieren. Ihre Argumentation zur religiösen Reform basiert auf einer feministischen Perspektive, die eher die männlichen Sichtweisen über den Status der Frau im Islam und innerhalb der muslimischen Gesellschaft infrage stellt. Der reformorientierte Theologe, Ḥoǧǧat-ol-Eslām Sayyed Moḥsen Saʿīdzādeh48, veröffentlicht seit 1992 unter den Decknamen49 Mīnā Yādegār Āzādī und Zeynab as-Sādāt Kermānšāhī50 in der Zeitschrift Zanān mehrere rechtswissenschaftliche Artikel zu den Rechten der Frau bei Ehe und Scheidung und zum Status der Frau im Familien- und Strafrecht. Auch das Verbot für Juristinnen, Urteile zu erlassen, ist ein wichtiges The-ma seiner Publikationen.51 ʿAbdolkarīm Sorūš, Moḥsen Kadīvar, Moḥammad Moǧtahed Šabestarī befassen sich in ihren Publikationen mit diversen Themenfeldern wie der Vereinbarkeit von Demokratie und Menschenrechten mit der Scharia und religiösen Vorschriften. Der Bezug auf Ethik, islamische Theologie und Jurisprudenz hilft ihnen, die mangelnde Geschlechtergerechtigkeit anzu-
48 49
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51
Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen (1376/1997), 6, 37, S. 36ff; Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen & Qāʾenī, Moḥsen (1373/1994), 18, 3/4, S. 55−59; 19, 5/6, S, 68−72. Aus politischen Gründen dürften die Theologen, die sich mit dem Thema Frauenrechte beschäftigt haben, ihre Identität verbergen. Deshalb hat Ḥoǧǧat-olEslām Sayyed Moḥsen Saʽīdzādeh in ihren Werken zu Beginn der 1990er Jahre unter Frauennamen als Pseudonym geschrieben. Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen/Kermānšāhī, Zeynab as-Sādāt (1372/1993): „Ğāygāh-i zan dar feqh-i keyfarī“ (Die Stellung der Frau im Strafrecht), in: Zanān, 16, 11/12, S. 38−44; 15, 9/10, S. 52−55; 13, 6, S. 56−60.; Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen/Yādegār Āzādī, Mīnā (1371/1992a): „Eǧtehād va marǧaʿiyyat-i zanān“ (Eǧtehād und die Frauen als Marǧaʿ-i taqlīd), in: Zanān, 8/9, 24−31.; Saʽīdzādeh, Sayyed Moḥsen/Yādegār Āzādī, Mīnā (1371/1992b): „Qeżāvat-i zan“ (Die Rechtsprechung der Frau), in: Zanān, 3/4, 16−25.; Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen/Yādegār Āzādī, Mīnā (1371/1992): „Dāvarī-yi zan dar eḫtelāfāt-i ḫānevādegī“ (Das Urteil der Frau bei Familienkonflikten), in: Zanān, 7, 6/7, S. 25−29; 6, 5, S. 20−28. Zībā᾿īnežād, Moḥammad Reżā & Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 181.
31
Einführung in den Forschungsstand
sprechen und sogar zu kritisieren. Ihre Argumentation ist z.T. religiös bzw. weist religiöse Grundgedanken auf.52 3.
Die säkular-liberalen Denker
a)
Die aktive Unterstützung von Frauenrechten aus der Perspektive von liberalen Theologen
Die neue Generation von Theologen, Ḥoǧǧat-ol-Eslām Mehdī Mehrīzī, Ḥoǧǧat-ol-Eslām Dāvūd Mahdavīzādegān, Moḥammad Reżā Zībāʾīnežād und Moḥammad Taqī Sobḥānī würde sich zwar nicht als säkular-liberale Denker beschreiben, sie sind jedoch ihrer Zielsetzung nach international orientiert, d.h. sie beziehen sich auf die religiösen Kriterien und Vorschriften, um die moralischen und ethischen Seiten unserer Wahrnehmung der Frauenrechtsdebatte zu vertiefen. Ḥoǧǧat-ol-Eslām Mehdī Mehrīzī und der Theologe und Forscher Ḥoǧǧat-ol-Eslām Dāvūd Mahdavīzādegān be-
52
32
Sorūš, ʿAbdolkarīm (2005): Āʾīn-i šahriyārī va dīndārī (Die Methode der Herrschaft und Religiosität), Tehrān, S. 215 ff.; Sorūš, ʿAbdolkarīm (1373/1994): Qabż va basṭ-i teʾorīk-i šarīʿat (Theoretische Überlegungen zur Konteraktion und Expansion der Scharia), Tehrān, S. 106−110 & 169; Sorūš, ʿAbdolkarīm & Kadīvar, Moḥsen (1377/1998b): Gofogūʾī darbāreh-yi pūlūrālīsm-i dīnī (Ein Dialog über den religiösen Pluralismus), in: Ṣerāṭ-hā-yi mostaqīm, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].; Sorūš, ʿAbdolkarīm (1367/1988): Rowšanfekrī va dīndārī (Aufklärung und Religiösität), Tehrān, S. 120.; Sorūš, ʿAbdolkarīm (1377/1998a): „Ẕātī va ʿarażī dar dīn“ (Das Essentielle und das Akzidentielle in der Religion), in: Kiyān, 42, S. 4 ff.; Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1375/1996): Hermenoytīk. ketāb va sonnat (Hermeneutik. Das Buch und die Sunna), Tehrān, S. 56.; Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1379/2000): Naqdī bar qerāʾat-i rasmī az dīn (Eine Kritik an der offiziellen Lesart der Religion), Tehrān, S. 510.; Šabestarī, Moḥammad Moǧtahed (2000): „Hermeneutische Überlegungen zur islamischen Theologie und Rechtswissenschaft“, in: Österreichisches Archiv für Recht und Religion (ÖARR), 2, S. 227−237.; Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1378/1999): „Zanān, ketāb va sonnat“ (Die Frauen, das Buch und die Sunna), in: Zanān, 57, 8, S. 19.; Kadīvar, Moḥsen (1381/2002): „Az eslām-i tārīḫī be eslām-i maʿnavī“ (Vom historischen Islam zum spirituellen Islam), in: Sorūš, ʿAbdolkarīm u.a. (Hrsg.): Sonnat va sekūlārīzm (Sunna und Säkularismus), Tehrān, S. 405 ff.; Kadīvar, Ğamīleh (1379/2000): „Zanān, towseʿeh va mošārekat-i siyāsī“ (Die Frauen, Entwicklung und politische Partizipation), in: Ḥoqūq-i zanān, 17/18, S. 29.; Kadīvar, Moḥsen (1387/2008): Haqq on-nās: eslām va ḥoqūq-i bašar (Bürgerrecht: Islam und Menschenrechte), Tehrān, S. 294 ff.
Einleitung
schäftigen sich in ihrer Arbeit häufig mit dem Thema Menschenrechte aus moderner religiöser Perspektive. Sie sind heute aktive Unterstützer der Frauenrechte und stellen entsprechend der heiligen Schriften mit ihrer theologischen Argumentation die Rechte der Frauen und ihre Verortung im Geschlechterverhältnis zur Diskussion. Dāvūd Mahdavīzādegān bezieht sich weitgehend auf die Menschenrechte und die Stellung der Frau im islamischen Kontext. Obwohl er wenig zum Thema Frauen und ihre Rechte publiziert hat, ist seine Arbeit besonders interessant, weil er sich internationalen Aspekten von Frauenrechten widmet.53 Mehdī Mehrīzī untersucht die Stellung und Rechte der Frau in seinem umfangreichen Werk Šaḫṣiyat va ḥoqūq-i zan dar eslām (1382/2003) (Die Stellung und Rechte der Frau im Islam). Außerdem ist er Autor einer Reihe von Artikeln im Feministischen Bulletin des Zentrums der islamischen Studien.54 Er verweist auf mehrere immaterielle Unterschiede der Geschlechter in den Überlieferungen und Offenbarungen und analysiert dies aus einer anthropologischen Perspektive. Des Weiteren kritisiert er die bestehenden Debatten über die Mangelhaftigkeit des weiblichen Verstandes, Zeugenaussagen und die Aspekte des Familienrechts (wie Sorge-, Ehe-, Scheidungs- und Erbrecht) sowie die Rolle des Mannes als Oberhaupt der Familie und die Polygamie und untermauert dies mit entsprechenden Überlieferungen und Koranstellen.55 Weitere Geistliche wie z.B. Moḥammad Reżā Zībāʾīnežād und Moḥammad Taqī Sobḥānī reflektieren die Entwicklung des Islamischen Feminismus. Einerseits liefern sie einen Überblick über die Historie und Entwicklung des Feminismus im Iran, andererseits wird die Stellung der
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Mahdavīzādegān, Dāvūd (1389/2010a): „Porožeh-yi rowšanfekrī-yi dīnī va masʾleh-yi zan“ (Das Projekt der religiös-progressiven Denker und die Frauenfrage), in: Šowrā-yi farhangī eǧtemāʿī-yi zanān, 8, S. 31 ff.; Mehrīzī, Mehdī (1388/2009): „Zan va sīyāsat; gerāyeš va negāreš“ (Die Frau und Politik; Ten-denz und Erzeignis), in: Ḥokūmat-i eslāmī, 4, 2, S. 166−175.; Moṭahharī, Ferešteh (1388/2009): „Nowandīšī-yi dīnī va masʾleh-yi zan“ (Die religiös-progressive Denkweise und Frauenfrage), in: Ketāb-i māh-i dīn, 143, S. 57 ff.; Mehrīzī, Mehdī (1387/2008b): „Nowandīšī-yi dīnī va masʾaleh-i zan“ (Die religiös-progressive Denkweise und die Frauenfrage), in: Ā᾿īn, 15, S. 47. Vgl. Mehrīzī, Mehdī (1382/2003b). Vgl. Mehrīzī, Mehdī (1387/2008a): „Čīregī-yi sonnat bar fażā-yi moṭāleʿāt-i dīnīyi zanān“ (Die Herrschaft der Tradition über die religiösen Studien der Frauen), in: Ketāb-i māh-i dīn, 137, S. 80 f.; Mehrīzī, Mehdī (1382/2003b).
33
Einführung in den Forschungsstand
Frau im Islam mit Rückblick auf rechtliche und sozialwissenschaftliche Einstellungen dargestellt.56
b)
Die aktive Ünterstützung von Frauenrechten aus der Perspektive von Akademikern, Schriftstellern und Journalisten
Nicht nur die religiöse Schicht der iranischen Gesellschaft, sondern auch die akademische Intelligentia, darunter viele Schriftsteller zählen sich zu den unterschiedlichen feministischen Gruppierungen und schreiben und übersetzen Bücher zum Thema Recht und Stellung der Frau mit dem Ziel, einen Eindruck von den Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit im Westen zu vermitteln. Islamischer Feminismus braucht ihnen zufolge nicht nur eine Neuinterpretation der Scharia im Hinblick auf zeitgenössische Erfordernisse und feministische Konzepte, sondern auch eine grundsätzliche Revision bestehender Rechte.57 Reżā ʿAlīǧānī, Schriftsteller, Journalist und Anhänger des Ansatzes von ʿAlī Šarīʿatī, vertritt die Position, dass vom inhaltlichen Kern der religiösen Texte keine Gleichberechtigung abzuleiten sei. Feminismus sei daher eine willkommene Argumentationsstrategie, um die religiösen Texte neu zu interpretieren. Islamischer Feminismus könne als Instrument zur Beseitigung der frauendiskriminierenden Gesetze innerhalb des Islams eingesetzt werden.58 Weitere säkular-liberale Denker wie ʿAlīreżā ʿAla-vītabār und Nāṣer Qorbānniyā beziehen sich auf die religiösen Schriften und betonen besonders die menschliche Einsicht und Interpretationsmöglichkeiten religiöser Texte und ihre entsprechende gesellschaftspolitische Umset-
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Vgl. Zībā᾿īnežād, Moḥammad Reżā & Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011); Mošīrzādeh, Ḥomeyrā (1385/2006): Az ğonbeš ta naẓariyeh-yi eğtemāʿī: Tārīḫ-i dow qarn femīnīsm (Von einer Bewegung bis zu einer sozialen Einstellung: Die Geschichte der zwei Jahrhunderte der feministischen Bewegung), Tehrān. Vgl. ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1388/2009a), in: Āftāb, 24, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015].; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1384/2005), in: Īrān, 3172−3173.; Ameli, Saied Reza (2001): Feminist Expectations and the Response of Muslim Women, London: Innovative Minds, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/1999), in: Zanān, 58, 9, S. 37. ʿAlīǧānī, Reżā (1387/2008), in: Āʾīn-i Mordād, 15, S. 58 ff.; ʿAlīǧānī, Reżā (1386/2007), in: Goftogū, S. 99 f; ʿAlīǧānī, Reżā (1385/2006); ʿAlīǧānī, Reżā (1378/1999), in: Īrān-i Fardā, 41, S. 10 ff.
Einleitung
zung im Hinblick auf Frauenrechte. ʿAlavītabār und Qorbānniyā fordern moderne theologische Interpretationen. Zusätzlich setzen sie sich mit westlichen Paradigmen wie der Allgemeinen Erklärung der Mensch-enrechte auseinander.59 Aufgrund der politischen Lage im Iran äußern sich die letztgenannten Denker vorsichtig und kaum unabhängig von religiösen Vorschriften. Deshalb ist schwer nachzuvollziehen, ob diese säkular-liberalen Denker tatsächlich eine selbstständige Gruppe sind oder eher den von den religiös progressiven Denkern abgeleiteten Gruppen zuzuordnen sind. Meiner Einschätzung nach bilden diese Denker eine eigene Gruppe innerhalb der liberal-säkularen Denker. Die meisten Studien der im Ausland lebenden iranischen Forschenden ermitteln besonders die Reformbestrebung von Frauen hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen und rechtlichen Stellung vor und nach der Islamischen Revolution.60 Zu diesen rechtswissenschaftlichen Studien müssen noch die politikwissenschaftlichen erwähnt werden, außerdem populärwissenschaftliche Schriften, solche, die sich überwiegend mit der Stellung der Frau beschäftigen.
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Qorbānniyā, Nāṣer (1384/2005): Bāzpažūhī-i hoqūq-i zanān: barresī-yi qavānīn-i marbūt be zanān dar Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān (Neue Forschung zu den Frauenrechten: Eine Untersuchung der Gesetze bezüglich der Frauen in der Islamischen Republik Iran), Tehrān, Vol. 2.; Qorbānniyā, Nāṣer (1383/2004b), in: Pažūhešnāmeh-yi enteqādī-yi motūn va barnāmeh-hā-yi ʿolūm-i ensānī, 2, S. 187 ff.; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1379/2000), Vol. 65, 4, S. 33−35; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/1999), Vol. 58, 9, S. 37. Kashani-Sabet, Firoozeh (2005): "Patriotic Womanhood: The Culture of Feminism in Modern Iran, 1900-1941", in: British Journal of Middle Eastern Studies, 1, 32, S. 29–46: 29.; Moghadam, Valentine M. (2003): Modernizing Wo-men: Gender and Social Change in the Middle East, Boulder.; Paidar, Parvin (1995); Moghadam, Valentine M. (1994a): Identity Politics and Women. Cultural Reassertions and Feminisms in International Perspective, Boulder.; Yeganeh, Nahid (1993): "Women, Nationalism and Islam in Contemporary Political Discourse in Iran", in: Feminist Review, 44, S. 3 ff.; Sanasarian, Eliz (1982): Women's Movement as a Social Movement in Iran. Mutiny, Appeasement, and Repression from 1900 to Khomeini, New York; Bamdad, Badr ol-Moluk (1977): From Darkness into Light: Women’s Emancipation in Iran, New York.
35
Einführung in den Forschungsstand
4.
Die relevanten Studien außerhalb des Irans
Ziba Mir-Hosseini61 untersucht den Einfluss der Islamisierung auf das Recht der Frau in der Gesellschaft und Familie v.a. nach der Islamischen Revolution. Sie verweist auf eine notwendige Reform der Scharia und betont eine ihr innewohnende dynamische Interpretationsmethode. MirHosseini analysiert hierzu Publikationen in diversen persischsprachigen Zeitschriften und Zeitungen mit dem Ziel, die zentralen religiösen und sozialen Streitpunkte speziell zu den Themen Ehe und Scheidung herauszuarbeiten. Weiterhin untersucht sie, wie die Geistlichen innerhalb des islamischen Systems argumentieren und wie einflussreich diese Argumente sind. Vor diesem Hintergrund setzt sie sich mit der Meinung der Geistlichen Ayatollah Madanī, Ayatollah Āẕarī Qomī und Ayatollah Yūsof Ṣāneʿī auseinander.62 Im Zentrum des Diskurses zum Islamischen Feminismus in der heutigen iranischen Gesellschaft steht die juristische Gleichheit. Dabei betont die Autorin in zahlreichen Artikeln, besonders aber in "Stretching the Limits: A Feminist Reading of the Shariʿa in Post-Khomeini Iran" (1996), dass sich die Kritik nicht gegen die Religion selbst richtet, sondern gegen deren sozio-kulturelle Normen. In ihrem Beitrag "Sharia and national law in Iran" (2010) weist sie auf die Entstehung der demokratischen und pluralistischen Strömungen und die dominante Haltung des theokratischen Systems hin. Diese dominante Haltung führe dazu, dass die religiösen Anweisungen entweder aus konservativer oder aus liberaler Perspektive betrachtet würden und letztendlich nicht mit den Maßstäben der Demokratie und den Menschenrechten übereinstimmen. In einem weiteren Artikel "The Conservative-Reformist Conflict Over Women's Rights in Iran" (2002) stellt sie die Lage der Frauenrechte nach 1997 dar und präsentiert neu entstehende Denkrichtungen, die Toleranz in den Vordergr-und stellen. Ihr zufolge ist Toleranz aus Sicht der Konservativen ein Prinzip, das besagt, dass der absolutistische und legalistische Islam keinen Widerspruch in sich trage und nicht auf dem Willen des Menschen oder auf den zeitgenössischen Ereignissen basiere. Für die Liberalen bedeutet Toleranz die Verbreitung der demokratischen und menschenrechtlichen Ideen und Werte.63 61 62 63
36
Anthropologistin und Expertin für Islamisches Recht und Geschlechterforschung an der SOAS University of London. Mir-Hosseini, Ziba (1999). Mir-Hossein, Ziba (2010): "Sharia and national law in Iran", in: Otto, Jan Michiel (Eds.): Sharia Incorporated: A Comparative Overview of Legal Systems
Einleitung
Die Juristin, Parinas Parhisi64, untersucht die Stellung der Frauen in der Verfassungsordnung der Islamischen Republik und geht dabei auch auf die Frage der Gerechtigkeit und den Diskurs des Islamischen Feminismus ein. Sie stellt die Entwicklung des Islamischen und Iranischen Feminismus mit Rückblick auf inländische und ausländische Publikationen dar. Dabei untersucht sie die Stellung der Frau aus Sicht der schiitischen Geistlichkeit und konzentriert sich auf die Traditionalisten Ayatollah Chomeynī und Ayatollah Moṭahharī, die Neo-Traditionalisten Ḥoǧǧat-ol-Eslām Ḥasan Yūsofī Eškevarī, Großayatollah Yūsof Ṣāneʿī und Sayyed Moḥammad Mūsavī Boǧnūrdī. Laut Parhisi fordern die Neo-Traditionalisten eine demokratische und zivilgesellschaftliche Erneuerung. Diese Debatte wurde, so das Ergebnis ihrer Studien, während der Amtszeit von Maḥmūd Aḥmadīnežād weitgehend aus dem öffentlichen Raum verdrängt.65 Die Sozialwissenschaftlerin, Haideh Moghissi66, entwirft die Idee eines populistischen Feminismus im Iran, in dem die linken und liberalen Positionen des Feminismus wenig Beachtung finden, dafür aber feministische Ideen mit religiösen Vorstellungen versöhnt werden.67 Die bestehenden Gesetze der Verfassung und des Zivilrechts der Islamischen Republik Iran beruhen auf religiösen Prinzipien. Da diese Grundsätze keine demokratischen Frauenrechte beinhalten, muss in die Analyse des Feminismus im Iran auch Literatur über Staatswesen und Recht einfließen. In der Verfassungserklärung der Islamischen Republik manifestiere sich die grundlegende Unvereinbarkeit des Islams mit der Selbstbestimmung und der gesellschaftlichen Partizipation der Frau. Zuvor erfolgte vorsichtige Schritte in Richtung westlicher Gleichheitsvorstellun-
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in Twelve Muslim Countries in Past and Present, Leiden, S. 318 ff.; Mir-Hossein, Ziba (2002): "The Conservative-Reformist Confilict Over Women's Ri-ghts in Iran", in: International Journal of Politics, Culture and Society 16, 1, S. 37−53: 38.; Mir-Hosseini, Ziba (1996): "Stretching the Limits: A Feminist Reading of the Schai’a in Post-Khomeini Iran", in: Yamani, Mai (Eds.): Islam and Feminism: Legal and Literary Perspectives, New York, S. 285−320: 285. Parinas Parhisi, promovierte Juristin und Lehrbeauftragte der Universität Frankfurt; Parhisi, Parinas (2010a): Frauen in der iranischen Verfassungsordnung, Baden Baden. Mir-Hosseini, Ziba (1999). Haideh Moghissi ist Soziologin und Professorin an der York Universität Toronto. Moghissi, Haideh (1998): Populist Feminism and Islamic Feminism. A Critique of Neo-conservative Tendencies among Iranian Feminists in the West, Toronto, S. 16.
37
Einführung in den Forschungsstand
gen seien mit der Iranischen Revolution abrupt unterbrochen worden und müssten nach religiösen Grundsätzen wieder aufgenommen werden. Asghar Schirazi untersucht den Einfluss der Geistlichen bei der Ausarbeitung der Verfassung Irans. Er geht dabei u.a. auf Verfassungsaspekte wie Ehe, Scheidung, Polygamie und das mütterliche Sorgerecht für die Kinder ein.68 Haleh Esfandiari stellt die verabschiedeten Gesetze und ihre gesellschaftlichen Wirkungen für Frauen aus Sicht von Parlamentsabgeordneten dar.69 Weitere Arbeiten, welche die Rechte der Frauen in der Verfassung untersuchen, werden von Hassan Riaz70, Sayyed Moḥammad Hāšemī71 und Wahied Wahdat-Hagh72 vorgelegt.73 5.
Die Verfechter eines modernen eǧtehāds
Der Islam enthält die göttliche Offenbarung, an der kein menschliches Wesen beteiligt ist. Sie enthält Botschaften, die keine Veränderung und Wandel erfahren, weil Gott, mit dem alles im Zusammenhang steht, absolut ist. Eǧtehād ist die Bemühung, diese Botschaften in Einklang zu bringen mit den veränderlichen und wandelbaren Bedürnissen der Menschen in Bezug auf Generationen und Epochen, Kulturen und Nationalitäten. Die Anwendung des Eǧtehāds ist den Moǧtahed (arab. Muǧtahid) vorenthalten. Ein Muǧtahid ist ein Gelehrter, der die Fähigkeit zur selbstständigen Urteilsbildung zum Eǧtehād besitzt. Er kann zwischen konstanten und
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38
Vgl. Schirazi, Asghar (1997): The Constitution of Iran: Politics and state in the Islamic Republic, London. Vgl. Esfandiari, Haleh (1994): "The Majles and Women’s Issues in Iran", in: Afkhami, Mahnaz (Eds.): In The Eye of The Storm. Women in the PostRevolutionary Iran, London. Hassan, Riaz (1984): "Iran’s Islamic Revolutionaries: Before and after the Revolution", in: Third World Quarterly, 6, 3, S. 675−686: 675. Vgl. Hāšemī, Sayyed Moḥammad (1384/2003): Hoqūq-i asāsī-yi Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān. Ḥākemiyyat va nahād-hā-yi siyāsī (Das Verfassungsrecht der Islamischen Republik Iran. Herrschaftssystem und politische Institutionen), Tehrān.; Schirazi, Asghar (1997). Wahdat-Hagh, Wahied (2003): Die islamische Republik Iran. Die Herrschaft des politischen Islam als eine Spielart des Totalitarismus, Münster u.a., S. 35. Botschaft der islamischen Republik (1980a): Die islamische Verfassung im Iran, Bonn.
Einleitung
veränderlichen Elementen der Religion unterscheiden und diese entsprechend neu aufbauen bzw. erneuern.74 Laut Kadvīar können sich die Menschen der heutigen Zeit am Koran und der Sunna orientieren, und in den Schriften trotzdem eine neue und zeitgemäße Bedeutung erkennen. Eǧtehād ist auf der Grundlage und den Prinzipen der Religion (eǧtehād dar Oṣūl va dar Mabānī) fußend eine Theorie von Kadvīar und steht außerhalb von traditionellen Feqh. Es bezieht sich auf die Anwendung der Tradition Sunnat in der modernen Zeit, die eine gravierende Zäsur zu vormodernen Zeiten setzt. Mit eǧtehād in als Grundlage und Prinzip bieten sich Möglichkeiten für eine Reform der Religion in der Gegenwart an.75 Als Mittel zur zeitgemäßen, reformorientierten Interpretation der religiösen Grundsätze und des islamischen Rechts bzw. der Scharia wird die neue Methode der Interpretation, der dynamische eǧtehād, von einer Reihe von Autoren thematisiert, um das islamische Recht aus der weiblichen Perspektive zugunsten der Frauen zu überarbeiten. Fereshteh Ahmadi, Ziba Mir-Hosseini und Saied Reza Ameli befassen sich mit diesem Standpunkt in mehreren Artikeln, v.a. aus der Perspektive von Gleichheit und Gerechtigkeit dargestellt.76
E.
Überlegung zum methodischen Vorgehen
I.
Merkmale qualitativer Sozialforschung
Qualitative Forschung entwickelt ein breites Spektrum von Forschungspraktiken und ermöglicht methodologische Verfahrensweisen und deren
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Hosseini Ghaemmaghami, S. A. (2006): Überdie Bedeutung des Ijtihad für die Qur’anexegese, Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Dezember 2015]. Kadīvar, Moḥsen (1395/2016): Bā eǧtehād dar oṣūl va mabānī-yi feqh mītavānīm be samt-i ḥefẓ-i karamat-i ensan beravīm (Mit eǧtehād in der Grundlage und Prinzip können wir zur Erhaltung der Menschenwürde beitragen), united for Iran, online verfügbar unter [Aufgerufen im August 2016]. Vgl. Ahmadi, Fereshteh (2006), Vol. 22, 2.; Mir-Hosseini, Ziba (2003); Ameli, Saied Reza (2001), Innovative Minds, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].; Mir-Hosseini, Ziba (1999); Mir-Hosseini, Ziba (1996).
39
Überlegung zum methodischen Vorgehen
Auswertung. Im Zentrum stehen einzelne Personen, ihre individuellen Sichtweisen sowie ihre Denkansätze. Der Forschungsprozess wird anhand qualitativen Materials sowie Theorien und Hypothesen aufgebaut. Mit der qualitativen Inhaltsanalyse können systematisch Texte analysiert, interpretiert und auswertet werden.77 Die folgende Untersuchung ist im Bereich Islamische Studien und Gender Studies anzusiedeln. Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring78 (auch Literaturanalyse, engl. content analysis) eignet sich besonders für die Methode der empirischen Sozialforschung79, welche die Analyse der Inhalte von Kommunikation und die angesprochenen Wandlungsprozesse erfasst, die in Form von Texten, etwa als Zeitungsartikel vorliegen.80 Der Argumentationsgang der vorliegenden Untersuchung wird in einem dialektischen Prozess der Auseinandersetzung mit dem historischen Material entwickelt. Diese Quellenorientierung beinhaltet grundlegende Informationen, u.a. über die soziokulturellen, politisch-gesellschaftlichen und rechtlich-theologischen Einflüsse, welche die Bedeutung des Islams für die Ausgestaltung der Geschlechterbeziehungen zusammenfassend beleuchten. Entsprechend der sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnisse und damit einhergehender neuer sozialer und politischer Erfordernisse werden die kulturellen Traditionslinien weitergeführt, modifiziert, gebrochen und jeweils im Sinne einer Legitimierung der sich wandelnden Interessenlagen der verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Akteure durchgesetzt.
II. Auswertung mithilfe einer qualitativen Inhaltanalyse Die Entwicklung der europäischen Frauenbewegung wird kurz skizziert, um die Unterschiede des europäischen und iranisch-islamischen Feminis77 78 79
80
40
Mayring, Philipp (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung: Eine Einleitung zum qualitativen Denken, Weinheim. S. 114. Mayring, Philipp (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, Weinheim & Basel. H. Russell, Bernard & Gery, Ryan (2010): Analyzing qualitative data: systematic approaches, Los Angeles, CA, S. 20 f.; Heinze, Thomas (2001): Qualitative Sozialforschung: Einführung, Methodologie und Forschungspraxis, München u.a., S. 11 f. Olsen, Wendy Kay (2012): Data collection: key debates and methods in social research, Los Angeles, S. 31 ff.; Lamnek, Siegfried (2005): Qualitative Sozialforschung, Weinheim, S. 55.
Einleitung
mus zu verdeutlichen. Damit wird auch gezeigt, dass die europäische Entwicklungsdynamik keinesfalls als Maßstab oder Modell dient. Die Stellung der Frau und die Geschlechterbeziehungen im Iran sind den wechselvollen Interaktionen zwischen staatlichen Herrschaftsinteressen und den Macht- und Autonomiebestrebungen der Geistlichen geschuldet. Dabei können die Interessenlagen und Bestrebungen der politischen und gesellschaftlichen Akteure je nach gesamtpolitischen Rahmenbedingungen konvergieren. Der islamische Diskurs weist auf unterschiedliche Strömungen und religiöse Ideologien hin und unterliegt historischgesellschaftlichen Wandlungsprozessen, die eng mit den jeweiligen unterschiedlichen Interessenlagen der entsprechenden sozialen und politischen Akteure verknüpft sind. In der vorliegenden Untersuchung werden diese Wandlungsprozesse aus der männlichen Perspektive bzw. aus der Perspektive der Gesellschaftsakteure thematisiert. Dabei soll folgenden Fragen nachgegangen werden: welche Position vertreten sie in diesem Diskurs?, wie argumentieren sie und auf welche Themenbereiche beziehen sie sich, um die Stellung der Frau – in Gesellschaft, Politik und Recht – (im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis) im Kontext ihrer Denkrichtung und Ideologie zu beschreiben? Historische Ereignisse, wie gesellschaftliche und politische Entwicklungen, wurden und werden vorzugsweise von Männern (vornehmlich iranischen Denkern) und damit aus einer rein männlichen Perspektive überliefert, untersucht und beurteilt. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der Identifizierung und Rekonstruktion der Meinungen männlicher Denker zum Islamischen Feminismus in der Zeit nach der Islamischen Revolution und stützt sich auf ausgewählte iranische Printmedien. Eine systematische Analyse dieser Medien rekonstruiert Standpunkte und diskutiert sie. Zu diesen Medien gehören u.a. die Frauenzeitschriften Zanān (1992 – 2007), Payām-i zan (1991 – bis heute), Payām-i hāǧar (1980 – 2009), Farzāneh (1993 – 2008), Ḥoqūq-i zanān (1998 – 2013). Die Redakteure dieser Zeitschriften sind Frauen. Sie werden jedoch durch die aktive Teilnahme der männlichen Gesellschaftsakteure bei den herausgegebenen Artikeln v.a. in frauenspezifischen Themen sehr stark unterstützt. Diese wurden durch Monographien bzw. Anthologien ergänzt. Die Analyse will Tendenzen innerhalb des feministischen Diskurses im Iran aus Sicht männlicher Denker v.a. der säkular-liberalen Denker herausarbeiten und die Möglichkeiten für die Verbesserung der Stellung der Frauen im Iran darstellen.
41
Die Funktion männlicher Akteure aus theoretischer Perspektive
F.
Die Funktion männlicher Akteure aus theoretischer Perspektive
Für die Analyse des feministischen Diskurses im Iran werden verschiedene Konzepte aus der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung herangezogen und unter dieser Fragestellung aufgegriffen und genutzt. Dieses Forschungsprojekt legt Wert auf die Position der männlichen Akteure in der Frauenrechtsdebatte und stellt dabei deren Grundgedanken und Argumentationsstrategien infrage. Für iranische Akteure stehen die Verwirklichung einer Reform und die Erneuerung der Frauenrechte im Zentrum. Ziel ist, diskriminierende Stellen in religiösen Vorschriften zu erörtern und Alternativen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter anzubieten. Aus der Sozialstruktur der iranischen Gesellschaft seit Gründung des nationalen Parlaments 1906 bis heute lässt sich die Entstehung unterschiedlicher Akteursgruppen nachzeichnen. Die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Änderungen sowie geistigen und philosophischen Standpunkte der westlichen Denker und die religiöse Reform, d.h. die individuelle Freiheit der Religionsausübung, führen zur Entwicklung neuer Denkstrukturen bei den iranischen Denkern.81 Mit der Debatte um die Erneuerung des politischen Systems und dieDurchsetzung der Demokratie, des Liberalismus sowie Pluralismus bezogen iranische Denker und Akteure wesentliche Denkmodelle in ihre Argumentation ein, womit die hegemoniale Machtstellung der Religion im iranischen Staat infrage gestellt wird.82 Nach der Islamischen Revolution 1979 ändert sich die soziale Struktur Irans. Es entstand eine theokratische Staatsform, in der die Geistlichen als Akteure die politische Macht übernahmen. Die unterschiedlichen Generationen regimekritischer Denker, wie die Linken, die Modernisten bzw. Liberalen und Nationalisten verloren die Meinungs-, Koalitions- und Pressefreiheit, kurz die sonst in demokratischen Regierungssystemen per Verfassung verbrieften Bürgerrechte (civil rights) im iranischen Staat. Die Revolutionsanhänger bzw. die Akteure, die vor und während der Revolution die Vereinbarkeit von Politik und Religion sowie das System der Islamischen Republik Iran befürworteteten, änderten ihre Einstellung
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42
Kāğī, Ḥosayn (1378/1999): Kīstī-yi mā az negāh-i rowšanfekrān-i īrānī (Unsere Existenz aus dem Blickwinkel der iranischen Denker), Tehrān, S. 28. Yaṯrebī, Sayyed Yaḥyā (1379/2000): Māğerā-yi ġamangīz-i rowšanfekrī dar Īrān (Die traurige Geschichte der Intellektualität im Iran), Tehrān, S. 49.
Einleitung
Ende der 1980er-Jahre. Um sich von ihren vorherigen Standpunkten zu trennen und sich innerhalb eines neuen Konzepts zu begründen, stellten sie sich als Reformer vor. In dieser Gruppe erschienen sehr häufig Geistliche, welche eine zeitgemäße Interpretation des islamischen Rechts, Gleichberechtigung und die Entstehung einer liberalen Gesellschaft forderten, in der Freiheit und Menschenrechte im Mittelpunkt standen. Diese neue Position zu Religion und Religiosität sollte der Förderung einer heterogenen Zivilgesellschaft nach demokratischem Vorbild dienen.83 Feminismus ist ein vielfältiger Diskurs, der sich mit heterogenen Theorien und Disziplinen sowie zahlreichen Strömungen beschäftigt und die Interessen und Rechte von Frauen reflektiert. Mit Feminismus werden die theoretisch-wissenschaftlichen Bemühungen der Frauenbewegung bezeichnet, die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts als Barriere wissenschaftlicher Erkenntnis wahrzunehmen und Handlungsstrategien zu entwickeln, um diese zu überwinden.84 Im Zentrum der feministischen Theoriebildung steht das Verständnis von Geschlecht als Strukturkategorie. Sozioökonomische Entwicklungen verändern die Genusgruppen Männer und Frauen und führen zu neuen Vorstellungen über Geschlechterverhältnisse durch ethnische und schichtspezifische Zugehörigkeiten sowie sexuelle Zugehörigkeiten. Außerdem stellen feministische Analysen verstärkt das kulturelle Konstrukt der Zweigeschlechtlichkeit und eindeutige Geschlechtszuschreibungen infrage.85 Die männliche Beteiligung an der feministischen Forschung begann mit der zweiten Welle des Feminismus in den 1960er-Jahren im Westen. Die männlichen Unterstützer der Frauenrechte waren zum Großteil Schriftsteller, Historiker und einflussreiche Persönlichkeiten im politischen System. In den 1990er-Jahren entwickelte sich eine pro-feministische Männerbewegung mit dem Ziel, ein dynamisches, geschlechtergerechtes System zu formulieren.86
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Mottaqī, Moḥsen (1380/2001): Rowšanfekrān-i eṣlāḥṭalab-i dīnī va masʾaleh-yi ğāmeʿeh-yi madanī (Reformorientierten religiösen Denker und die Frage nach einer Zivilgesellschaft), in: Īrānnāmeh, Vol. 4, 19, S. 8 ff. Notz, Gisela (2011): Feminismus, Köln, S. 9. Becker, Ruth & Kortendiek, Beate (2008): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden und Empirie, Wiesbaden, S. 550. Wedgwood, Nikki & Connell, RW. (2010): „Männlichkeitsforschung: Männer und Männlichkeit im internationalen Forschungskontext“, in: Becker Ruth;
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Die Funktion männlicher Akteure aus theoretischer Perspektive
Für die Konservativen und reformorientierten Akteure war diese gesellschaftliche Entwicklung in den 1990er-Jahren im Westen ein Vorbild und außerdem eine Möglichkeit über die Stellung von Frauen im Iran zu sprechen, welche von den schiitischen Rechtsquellen bzw. religiösspezifischen Interpretationen abgeleitet sind. Die Umsetzung des Feminismus in einem islamischen Diskurs zum Thema Islamischer Feminismus87 war aber weit entfernt von den Forderungen und Vorstellungen jener Intellektuellen und deshalb hält die kritische Debatte dazu bis heute an. Die Ziele des Islamischen Feminismus im Iran bestehen darin, Freiheit, Emanzipation und Selbstbestimmung im Rahmen der islamischen Rechtsordnung zu erreichen. Da die Verfassung und das Zivilrecht des Irans sich gemäß schiitischer Staatstheorie auf die Religion berufen, bleibt diese als Norm und Erkenntnisgrundlage ein wesentlicher Faktor, dem sich der Iranische Feminismus stellen muss.88 Drei folgende Theorien bilden die Basis dieser Arbeit: Zwei Theorien aus den Gender Studies, die Hegemoniale Männlichkeit von Connell und der Männliche Habitus von Bourdieu, die sich mit der Begründung von Geschlechtergleichheit befassen und als dritte Grundlage fungiert das Soziologische Akteursmodell von Schimank, welches das männliche Machtverhalten beleuchtet. Die Auswahl oben genannter Theorien ist dem doppelten Blickwinkel dieser Arbeit geschuldet: Einerseits der Analyse des Diskurses über Frauenrechte im Iran und andererseits die Position der männlichen Denker im Iran. Anhand dieser Denkmodelle soll die Funktion der männlichen Akteure als Mitwirkende, Impulsgeber und Unterstützer der Frauenrechte innerhalb des islamischen Systems analysiert werden, um die soziale Strukturdynamik und die daraus resultierenden Effekte begründen zu können. Die Argumentationsstrategien dieser Akteure sind die wechselseitigen Kon-
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Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden und Empirie, Wiesbaden, S. 116−125: 116. Die feministische Begriffsbestimmung und die Darstellung der Entstehung und Entwicklung der Frauenbewegung im Westen bietet eine Grundlage für die Analyse des Islamischen Feminismus. Aus dem Vergleich ergeben sich Schlussfolgerungen sowohl in Hinblick auf sozial-rechtliche Konsequenzen als auch auf religiös-spezifische Argumentation im Islamischen Feminismus. Tallenbach, Silvia (1985): Untersuchung zur Verfassung der Islamischen Republik Iran vom 15. November 1979, Berlin, Vol. 104, S. 59; Parhisi, Parinas (2010a), S. 122.
Einleitung
stellationsverhältnisse, die sich damit gesellschaftlich wie auch politisch identifizieren.
I.
Hegemoniale Männlichkeit und männlicher Habitus
Der Ansatz Hegemoniale Männlichkeit untersucht die Position von Männern in der modenen Geschlechter-Debatte. Diese Theorie analysiert das Verhältnis von Männern und Frauen und das von Männern untereinander. Dabei geht es um die Verhältnisse von Macht und Herrschaft, von Dominanz und Unterordnung, denn in diesem Rahmen vollziehe sich die Konfiguration geschlechterbezogener Praxis. Zur Untersuchung der Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit werden die Arbeiten Raewyn Connell zu hegemonialer Männlichkeit und der französische Ethnologe Pierre Bourdieu zu männlicher Herrschaft und männlichem Habitus herangezogen. Connell begründet ihre Männlichkeitstheorie Männliche Herrschaft mit dem Konzept der „Achse der Macht und Dominanz“. Diesem Konzept zufolge sind Frauen in der derzeitigen Geschlechterhierarchie den Männern untergeordnet.89 Unter hegemonialer Männlichkeit verstehen sie Folgendes: ʼhegemonic masculinityʽ is always constructed in relation to various subordinated 90 masculinites as well as in relation to women.
Connell begreift hegemoniale Männlichkeit nicht als eine Eigenschaft von Individuen, sondern als institutionelle Handlungspraxis.91 Grundsätzlich ist diese Theorie ein Orientierungsmuster, nach dem sich Männer in einer sozial anerkannten Weise positionieren.92 Laut Connell lässt sich bei Beobachtung der gesellschaftlichen Praxis feststellen, dass Männer dazu neigen, eine sozial dominante Position einzunehmen und damit zur Reproduktion einseitiger männlicher Machtverhältnisse zwischen den Geschlech-
89 90 91 92
Connell, R.W. (2000a): Der gemachte Mann: Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, Opladen, S. 94. Connell, R.W. (1987): Gender and Power. Society, the Person and Sexual Politics, Cambridge, S. 183. Connell, R.W. (1993): "The Big Picture. Masculinites in Recent World History", in: Theory and Society, 5, 22, S. 597–623: 602. Connell, R.W. (2005b): Messerschmidt, James W.: "Hegemonic Masculinity. Rethinking the Concept", in: Gender and Society, 6, 19, S. 829–859: 832.
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Die Funktion männlicher Akteure aus theoretischer Perspektive
tern beitragen. So untermauern sie ihre Überlegenheit.93 Das Fürsorgerecht des Mannes in der Familie ist ein gutes Beispiel dafür. Bourdieu beschreibt diese Thematik ebenfalls in seiner Publikation Männlicher Habitus. Darin bezieht er sich auf die gesellschaftlichen Normen und Werte, die man erworben hat und meint damit das Verhalten des Mannes in seinem Umfeld und gegenüber Frauen.94 Habitus ist eng mit dem Individuum und seiner Handlung verbunden. Außerdem ist er die Stimme einer sozialen Gruppe von Akteuren, die Gemeinsamkeiten und Differenzen in ihrer sozialen Lage erkennen, soziale Unzulänglichkeiten wahrnehmen und versuchen, ihre Lösungsvorschläge gegen Konkurrierende durchzusetzen. Die Konkurrenzszene, die Bourdieu darstellt, beinhaltet alle Handlungsfelder der Geschlechterordnung in einer bürgerlichen Gesellschaft als Domänen männlichen Gestaltungswillens. Damit werden die Bereiche Ökonomie, Politik, Wissenschaft, religiöse Institutionen und das Militär bezeichnet, in denen die Frauen eine marginale Position innehaben.95 Connell verweist mit ihrer Theorie auf die „historisch bewegliche Relation“. Sie bezieht sich auf die besondere Veränderung in ökonomischen und politischen Machtverhältnissen und sogar sozialen und kulturellen Milieus.96 Sie desavouiert die früheren rollentheoretischen Konzepte bzw. "hegemonic pattern of masculinity" aus der maskulinen Perspektive. Sie kritisiert diese Rollenmuster und stellt diverse vorhandene, untereinander in Bezug stehende Relationen dar, die sich im Zusammenhang mit diesem Muster verändern.97 Auch Bourdieu analysiert die hetero- und homosozialen Relationen. Er betont noch stärker als Connell die männliche Herrschaft und davon abgeleitete kulturtheoretische Perspektiven.98 Die Idee der Gleichberechtigung der Geschlechter begann mit der Anerkennung der Erklärung der Menschenrechte 1948 auf internationaler 93 94 95 96 97 98
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Donaldson, Mike (1993): "What is Hegemonic Masculinity", in: Theory and Society, 5, 22, S. 643–657: 645. Bourdieu, Pierre (1997): „Männliche Herrschaft“, in: Dölling, Irene; Kraise, Beate (Hrsg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktion in der sozialen Praxis, Frankfurt am Main, S. 153–217: 167. Ebd., S. 203. Connell, R.W. (2000a), S. 98. Connell, R.W. (2000b): The Men and the Boys, Sydney, S. 30. Bereswill, Mechthild u.a. (2009): „Männlichkeit als Gegenstand der Geschlechterforschung“, in: Bereswill, Mechthild u.a. (Hrsg.): Dimensionen der Kategorie Geschlecht: Der Fall Männlichkeit, Münster, S. 7−21: 11.
Einleitung
Ebene und beeinflusste den feministischen Diskurs im Westen. Die Grundlage dieses Diskurses beruht auf patriarchalischen Rollenverhältnissen.99 Bourdieus Theorie männlicher Herrschaft ist durchzogen von einzelnen Auseinandersetzungen mit der bestehenden patriarchalen Geschlechterordnung. Ihm zufolge erhält ein Geschlecht eine „konstitutive“ Bedeutung für die Entstehung und Reproduktion gesellschaftlicher Ordnung.100 Bourdieu stellt fest, dass die bestehende Weltordnung mit all ihren Privilegien und Ungerechtigkeiten von Menschen akzeptiert wird, ohne dass sie widersprechen. Dies bezeichnet er als „Paradox der doxa“, eine Feststellung, die in seinem Werk von zentraler Bedeutung ist.101
II. Das Soziologische Akteursmodell Die allgemeine akteurtheoretische Soziologie102 widmet sich soziologischen Erklärungsproblemen. Einerseits wird ein Grundmuster zur Erklärung von Handlungen und strukturellen Effekten des handlungsbasierten Zusammenwirkens dargelegt, wie die Schaffung, Erhaltung und Veränderung sozialer Strukturen. Andererseits bietet sie Modelle sozialer Strukturdynamiken, die Grundmuster des Zusammenwirkens mehrerer Akteure und der daraus hervorgehenden strukturellen Effekte zu rekonstruieren.103 Die drei sozialen Strukturen (Deutungs-, Erwartungs- und Konstellationsstrukturen) sind durch drei Arten an Akteurkonstellationen geprägt: Die Konstellationen wechselseitiger Beobachtung, wechselseitiger Beeinflussung und wechselseitigen Verhandelns.104 Laut Schimank ist soziales Handeln durch die soziale Struktur geprägt. Diese Theorie formuliert eine genaue Gesetzmäßigkeit darüber, wie spezifische Ausprägungen bestimmter Elemente der sozialen Struktur eine spezifische Ausprägung des Handels verursachen. Schimank verweist auf unterschiedliche Elemente sozia99 100
101 102 103 104
Connell, R.W. (2005a): "Change among the Gatekeepers: Men, Masculinities, and Gender Equality in the Global Arena", in: Chicago Journals, 30, 3, S. 1801. Jäger, Ulle u.a. (2012): „Pierre Bourdieu: Die Theorie männlicher Herrschaft als Schlussstein seiner Gesellschaftstheorie“, in: Kahlert, Heike; Weinbach, Christine (Hrsg.): Zeitgenössische Gesellschaftstheorien und Genderforschung. Einladung zum Dialog, Wiesbaden, S. 15−25: 15. Bourdieu, Pierre (1997), S. 167. Vgl. Schimank, Uwe (2007): Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie, München. Ebd., S. 17. Ebd., S. 17 f.
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Die Funktion männlicher Akteure aus theoretischer Perspektive
ler Strukturen, um die „Logik der Situation“ mit der „Logik der Selektion“ zu verknüpfen.105 Er hält in einer allgemeinen Theoretisierung nicht nur die Logik der Situation bei der soziologischen Erklärung bestimmter Handlungsweisen für bedeutsam, sondern auch eine selektive Betrachtung einzelner Strukturelemente, die aufgrund der Erklärungsgegenstände stark variieren, und die man nur induktiv, durch Ausprobieren und kritisches Prüfen von Erklärungsangeboten herausfindet.106 Uwe Schimank definiert Handeln als sinnhaft motiviertes Verhalten. Soziales Handeln ist auf andere Akteure gerichtet oder bezogen. Sofern dies zwischen zwei oder mehr Akteuren wechselseitig geschieht, entsteht eine soziale Beziehung, die sich durch stabile Erwartungen nach bestimmten Regeln verlaufenden Intersubjektivität wie Respekt und Achtung der Individualität des anderen.107 Die sozialen Positionen sind sehr eng mit sozialen Beziehungen verbunden, und jede soziale Position wird mit Rollenverhältnissen assoziiert.108 Der ‚Homo Sociologicus‘ als theoretische und praktische Fiktion bezeichnet die Grundlinien des Rollenmodells sozialen Handels. Dies verknüpft die Rollenerwartungen mit sozialen Positionen, in denen die Person aufgrund ihrer sozialen Funktion und den dazugehörigen Rollen sozialverträglich wird.109 Ausgehend von einem soziologischen Akteurmodell müssen das individuelle soziale Handeln beschränkt und das kollektive und korporative Handeln, also soziale Bewegungen und formale Organisationen, entwickelt werden.110 Das Handeln der Akteure ist durch ein primäres Streben nach Erwartungssicherheit gekennzeichnet. Diese Sicherheit wird ihnen durch normative Handlungsorientierungen geliefert.111 Um eine soziale Struktur aufzubauen, zu erhalten und zu verändern, wird eine normative Erwartungsstruktur entwickelt. Letztere führt zu rechtlichen Regelungen und formalisierten Regeln innerhalb von Organisationen, aber auch zu informellen sozialen Regeln in kleinen und größeren Gruppen. Die Sitten und Umgangsformen in einem Land, der Moralkodex eines bestimmten sozialen Milieus
105 106 107 108
Ebd., S. 20. Ebd. Ebd., S. 36. Dahrendorf, Ralf (1967): „Homo Sociologicus. Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle“, in: Ralf, Dahrendorf (Hrsg.): Pfade aus Utopiea, München, S. 140 ff. 109 Schimank, Uwe (2007), S. 52. 110 Ebd., S. 54. 111 Ebd., S. 69.
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sowie viele normative Erwartungen in Form von Rollenverteilungen sind Beispiele dafür. Die Konstellationsstruktur ermöglicht den Akteuren, ihre Intentionen zu realisieren. Die kognitive und evaluative soziale Struktur gruppiert sich als Deutungsstruktur unter kulturellen Leitideen. Diese drei sozialen Regeln können das Interesse verschiedener Gruppen von Gesellschaftsakteuren erklären, z.B. das Interesse politischer Parteien an der Änderung von Gesetzesinhalten, an der Durchsetzung einer Reform oder an Entscheidungsverfahren. Im Grunde genommen handelt es sich um die Gestaltung einer normativen Erwartungsstruktur durch korporative Akteure, um ihre Machtstellung innerhalb einer Organisation zu steigern und sich für Veränderung einzusetzen.112 Die Modelle sozialer Strukturdynamiken bleiben durch entsprechendes Zusammenwirken der involvierten Akteure erhalten. Sie erklären die Arten sozialer Struktur, den Aufbau und die Änderung von Strukturen und die Erhaltung des strukturellen Status quo.113 Diese Dynamiken sind häufig von unterschiedlichen Arten von Transintentionalität beeinflusst. Es werden Struktureffekte konstituiert, die unvorhersehbar sind.114 Die Beobachtung, Beeinflussung und das Verhandeln sind drei Konstellationen, die durch die Wahrnehmungen, die Möglichkeiten der Einflussnahme und durch die Handlungsresultate der Akteure, bestimmt werden. Dabei ergibt sie eine unterschiedliche soziale Dynamik mit diversen strukturellen Effekten.115
III. Die theoretische Auseinandersetzung und ihre Funktion im iranischen System Die Position iranischer Akteure bezüglich der Frauenrechte entwickelt sich um die Diskussion und Revision der umfassenden Dominanz der Rolle der Männer im iranischen Staat. Hierbei handelt es sich um die Position der männlichen Denker in einer feministischen Debatte um Gleichheit und Gerechtigkeit. Anhand dieser Theorien werden die angesprochenen Aspekte in der Dissertation vertieft und analysiert bzw. lassen sich die
112 Ebd., S. 176 ff. 113 Hernes, Gudmund (1977): "Structural Change in Social Processes", in: American Journal of Sociology, 82, S. 513. 114 Schimank, Uwe (2007), S. 205. 115 Ebd., S. 169 ff.
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Die Funktion männlicher Akteure aus theoretischer Perspektive
Stellung von Frauen und die Position der männlichen Akteure in dieser Debatte gut untersuchen. Die Gender-Relation ist eine soziale Interaktion, wie Connell es beschreibt, in der sich die Akteure nach ihrer sozial anerkannten Stellung und nach ihrer Denkweise positionieren und argumentieren. Der Einfluss der konservativen Meinungsführenden und Regierungsakteure auf die Gesetze innerhalb des islamischen Systems Irans sei somit bedingt durch ihre Machtpositionen. Bourdieu vertritt die Meinung, dass die kulturellen und religiösen Hintergründe der Akteure zur Benachteiligung der Frauen und ihrer gesellschaftlichen wie auch politischen Marginalisierung führen, welche im Iran seit der Gründung einer islamischen Regierung nachvollziehbar ist. Das geschieht v.a. in den letzten fünfzehn Jahren im Iran durch Akteure, die sich als Impulsgeber und Unterstützer der Frauenrechte im islamischen System positionieren. Sie unterstützen die Entwicklung einer Gender-Demokratie und der Realisierung eines geschlechtergerechten Systems nach dem internationalen rechtlichen Konzept. Die Gründe für die Unterdrückung der Frauen in islamisch geprägten Staaten liegen in den spezifisch historischen Situationen. Die Theorie der hegemonialen Männlichkeit verweist auf die Konfiguration geschlechterbezogener Praxis, welche die männliche Dominanz und die weibliche Unterordnung gewährleistet.116 Die Marginalisierung und Ausgrenzung des weiblichen Geschlechts ist nach Ansicht von Connell das Resultat von Klasse und Ethnie.117 Somit ist festzustellen, dass die Ungleichheit der Geschlechter im iranischen Rechtssystem tiefere islamisch-kulturelle Hintergründe aufweist. Die ersten demokratischen und geschlechtergerechten Denkansätze vertreten Akteure mit progressiver und säkular-liberaler Einstellung. Ihre Denkweise reflektiert die Grundlagen des internationalen Rechtsystems. Die säkular-liberale Sichtweise der männlichen Denker z.B. bei der Verwirklichung der Frauenrechte im Iran beinhaltet Forderungen wie die Trennung von Religion und Staat, die Anerkennung gleicher Rechte für Männer und Frauen, die Flexibilität gegenüber der Scharia, die Revidierung des islamischen Rechts und des eǧtehāds als Methode der Interpretation. Die Positionen und Herangehensweisen der religiös-progressiven und säkular-liberalen Denker basieren auf der Anerkennung der beiden Theo-
116 Connell, R.W. (2000a), S. 94 f. 117 Ebd., S. 101.
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rien zur Realisierung der Gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Ansätze der Konservativen Gruppen sind sehr individuell und z.T. nicht unbedingt abhängig von den gesellschaftlichen und politischen Situationen. Viele Ereignisse in der sozialen Geschichte des modernen Irans spiegeln die europäische Kultur und ihren Entwicklungsprozess wider. Das so erzeugte Spannungsfeld zwischen Tradition und Modern eröffnet eine neue Welt und viele Perspektiven.118 Die unterschiedlichen wechselseitigen Konstitutionsverhältnisse von Handeln und sozialer Struktur sind von intentionalen und transintentionalen strukturellen Effekten generiert. Die Forderung nach einer Veränderung in der islamischen Lehre bzw. die Erneuerung und Neu-Interpretation des islamischen Rechts und seiner Umsetzung, aufgrund der sozialen und politischen Kritik, soll als ein Widerstand gegen die Tradition und als Fürsprache der Erweiterung der Moderne gelten. Die neue Interpretation der Religion und Scharia, der Politik und die Konstituierung eines nationalen Staates legt die Grundlagen für die Weiterentwicklungeiner traditionellen Gesellschaft mitsamt ihrem religiösen Habitus. Hinzu kommt eine moderne Politik- und Gesellschaftsordnung mit säkularisierten und transnationalen Werten und Institutionen.119 Islamisierung, Traditionalisierung und Modernisierung sind drei parallel laufende Denkweisen vor Ausbruch der Islamischen Revolution im Iran, die aus den Akteurkonstellationen bzw. dem Zusammenwirken unterschiedlicher Handlungsmuster entstehen. Die Befürworter jeglicher religiöser Flexibilität wie z.B Jurisprudenz unterstützen eine fest verwurzelte sozioökonomische Transformation der iranischen Gesellschaft und die Behandlung zeitgenössischer Themen, die nicht im Koran diskutiert oder vom Propheten überliefert wurden.120 Diese Akteure versuchen, die herrschenden Probleme in rechtlichen sowie gesellschaftlichen und politischen Bereichen durch soziale Strukturdynamik systematisch zu analysieren. In den letzten fünfzehn Jahren erscheinen auch unter den Liberal-säkularen neue Gesellschaftsakteure, die unabhängig von jeglicher religiöser Zugehörigkeit ihre Argumentationsstrategien verfolgen. Durch ihre Wahrnehmungen, Möglichkeiten sowie Einflussoptionen konstituieren sie 118 Mirsepassi, Ali (2000): Intellectual Discourse and the Politics of Modernization. Negotiating Modernity in Iran, Cambridge, S. 54. 119 Ebd., S. 22. 120 Moslem, Mehdi (2002): Factional Politics in Post-Khomeini Iran, New York, S. 49.
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Aufbau der Arbeit
die unterschiedlichen sozialen Dynamiken mit den diversen strukturellen Effekten bzw. die Dynamiken, die häufig von unterschiedlichen Arten von Transintentionalität beeinflusst sind. Nach Schimank nimmt aber die Logik der Situation bei der soziologischen Erklärung ohnehin keine führende Rolle ein. Wichtig sei die selektive Betrachtung der Strukturelemente, die sich je nach Erklärungsgegenständen verändern. Uwe Schimank benennt die spezielle Ausprägung dieser Perspektiven. Er bezieht sich dabei auf Webers Definition von Soziologie und konzentriert sich bei der Analyse des Handelns auf Ablauf und Wirkung desselben, im Zusammenwirken mit dem Handeln anderer.121
G. Aufbau der Arbeit Die vorliegende Dissertation untersucht zwei Aspekte: Den Islamischen Feminismus bzw. die Debatte um Frauenrechte aus islamischer Perspektive und die Position der männlichen Akteure in dieser Debatte. Der Fokus des ersten Kapitels liegt auf der Zielsetzung und Fragestellung der Arbeit und versucht dabei, einen Überblick über die Funktion und Position der drei Gruppen von Gesellschaftsakteuren zu geben. Im zweiten und dritten Kapitel wird diese Debatte aus einer vergleichenden Perspektive betrachtet. Das zweite Kapitel gibt einen Überblick über Feminismus und seine philosophischen sowie politischen Strömungen im Westen. Die politische Entwicklung beeinflusste die gesellschaftlichen Strukturen. Hier werden die Effekte der politischen Strömungen auf die feministische Forschung thematisiert. Die Entstehung und Entwicklung des Feminismus im Westen sowie im Iran vor und nach der Islamischen Revolution wird noch in diesem Kapitel geschildert, um zu verdeutlichen, wie die Stellung der Frau im Westen und im Iran im 19. und 20. Jahrhundert war und wie die gesellschaftliche und politische Position der männlichen Akteure der Gesellschaft die Rechte der Frauen beeinflusste. Im dritten Kapitel wird das Thema Islamischer Feminismus behandelt. Dabei wird die Stellung der Frau und die Rolle männlicher Akteure in zwei Epochen vor der Islamischen Revolution, unter den Kadscharen und den Pahlavīs sowie nach der Islamischen Revolution, dargelegt. Das vierte Kapitel schildert das Engagement der Regierungsakteure seit der Islamischen Revolution. Die Gesetze und Rechtsvorschriften 121 Schimank, Uwe (2007), S. 23.
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wurden nach der Islamischen Revolution durch die islamische Tradition und Kultur beeinflusst. Die Präsidenten setzten sich teilweise für eine Reform bzw. die Verbesserung der Lage der Frauen oder eine Stagnation ein. Die Amtszeit von Maḥmūd Aḥmadīnežād als letzter untersuchter Zeitraum zeigt eine Reihe von Änderungen, die letztendlich zu einer fast revolutionären Bewegung, der Grünen Bewegung 2009, führte. Die Vertreter der neuen Denkweise wurden aufgrund der Kritik am System festgenommen und nach ihrer Flucht ins Ausland weiter verfolgt. Bisher ging die Auseinandersetzung um die Grundlage bzw. die Bedeutung des Feminismus und des Islamischen Feminismus und die männlichen Teilnahme an dieser Debatte. Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem Hauptthema der Arbeit und der Untersuchung der schiitisch theologischen Quellen. Recht und Gesetz im schiitischen Iran sind stark von theologischen Quellen geprägt. Deshalb beschäftigt sich dieses Kapitel mit den altbekannten Werken.122 Dabei werden der Ursprung des islamischen schiitischen Rechts, seine Nachhaltigkeit und sein Einfluss auf die aktuellen Gesetze beleuchtet. Die iranische Verfassung und das Zivilgesetzbuch sind größtenteils von westlichen Verfassungen abgeleitet und wurden dem islamischen und v.a. dem schiitischen Recht angepasst. Darüber hinaus werden in diesem Kapitel die zivil- und bürgerrechtlichen Themenfelder sowie Strafrecht aufgezeigt. Außerdem wird die Stellung
122 Wie z.B.: aṭ-Ṭabāṭabāʾī al-Yazdī, Sayyed Muḥammad Kāẓim (1420q/1999): alʿUrwa al-wuṯqā: an-Nikāḥ, Qom.; al-Isfahānī, Bahāʾ ad-dīn Muḥammad Ibn alḤasan (Fāḍil al-Hindī) (1420q/2000b): Kašf al-liṯām ʿan qawāʿid al-aḥkām, Qom.; ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1393q/1973): alMīzān fī tafsīr al-Qurʾān, Beirut.; al-Muḥaqqiq al-Ḥillī, Abu l-Qāsim Naǧm addīn Ğaʿfar Ibn al-Ḥasan (1415q/1995): Šarāʾiʿ al-islām fī masāʾil al-ḥalāl wa-lḥarām, Qom.; aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992a): Masālik al-afhām fī šarḥ Šarāʾiʿ al-islām, Qom.; al-ʿAllāma alḤillī, Abū Manṣūr Ḥasan Ibn Yūsuf Ibn Muṭahhar (1413q/1993): Qawāʿid alaḥkām fī maʿrifat al-ḥalāl wa-l-ḥarām, Qom.; aš-Šayḫ al-Mufīd, Muḥammad Ibn Muḥammad Ibn an-Nuʿmān (1410q/1990): al-Muqniʿa, Qom.; aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1406q/1985): al-Istibṣār fī-mā ḫtulif min al-aḫbār, Beirut.; aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1376q/1956): al-Istibṣār fī-mā ḫtulif min al-aḫbār, Naǧaf.; ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1376/1997a): al-Mīzān fī tafsīr al-Qurʾān, Tehrān.; Mūsawī Chuʾī, Sayyid Abu l-Qāsim (1392q/1921c): Minhāǧ aṣ-ṣāliḥīn, Beirut.; Naǧafī Burūǧirdī, Moḥammad Taqīy (1361/1982): Risālat nuḫbat al-afkār fī ḥirmān az-zawǧa min al-arāḍī wa-l-ʿaqār, Qom.; aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1365/1986): Tahḏīb al-Aḥkām fī šarḥ al-Muqniʿa li-š-Šayḫ al-Mufīd, Tehrān.
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Aufbau der Arbeit
der Frau in Gesellschaft und Politik und ihre außerhäusliche Tätigkeit aus der Perspektive schiitischer Theologie betrachtet. Im Mittelpunkt von Kapitel sechs stehen die Ansätze der drei Akteursgruppen; der konservativen, der religiös-progressiven und der säkularliberalen zur Frauenfrage. Die iranischen Denker nehmen westliche Denker zum Vorbild und verbinden mit der Frauenfrage kulturelle und soziopolitische Normen sowie rechtliche und theologische Faktoren des Geschlechterverhältnisses. Die kulturellen Faktoren beinhalten u.a. das Patriarchat, das fehlende Selbstvertrauen der Frauen, die Unvereinbarkeit traditioneller Lebens- und Politikmuster mit der ökonomischen Moderne und die Bedeutung von ʿorf Brauch (arab.ʿurf) innerhalb der islamischen Kultur. Die politische und gesellschaftliche Benachteiligung der Frauen findet sich in vielen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen wieder, in der Trennung des Privaten vom Öffentlichen sowie dem Aushandlungsprozess der Gesetzgebung und der politisch-ökonomischen Ordnung. Der Grund dafür wird im Fehlen der Demokratie und individueller Freiheit gesehen und führe letztendlich zur Gewalt gegen Frauen. Die theologische und rechtliche Perspektive als dritter Ansatz, der sich mit der Frauenfrage aus dem Blickwinkel gegenwärtiger Denker beschäftigt, behandelt die Abwesenheit der Frauen in der Politik und ihre theologische Begründung. Die diskriminierende Politik der Geistlichen seit der Islamischen Revolution führt zur rechtlichen Benachteiligung der Frauen im Bereich Familie, Heirat und Scheidung. Sogar die Steinigung von Frauen wegen Ehebruchs ist zugelassen, das Familienschutzprogramm, welches aus der vorrevolutionären Schah-Zeit stammt, wurde zum Teil aufgehoben. Nicht nur in zivilrechtlichen Bereichen werden Männer und Frauen juristisch unterschiedlich bewertet, sondern auch beim Rechtsspruch (als Richterin), bei der Zeugenaussage, der Berufswahl und bei der Zulassung zum Studium. In der Islamischen Republik Iran, einem theokratischen Staat, sind die göttliche Gerechtigkeit und ewige Gültigkeit der islamischen Gesetze vorherrschende Denkmuster der herrschenden Eliten. Dies schlägt sich in der Verfassung, im Zivilund Strafrecht nieder. Aufgrund des starken Einflusses von religiösen Vorschriften auf das iranische Recht argumentieren die iranischen Denker aus der philosophischen, religiösen und rechtsmethodischen Perspektive heraus. Dabei stützen sich die Befürworter von Frauenrechten auf die theologischen Methoden, eine zeitgemäße Interpretation und Leseart der religiösen Quellen und der aus ihnen abgeleiteten Rechtsvorschriften zu ermöglichen. Dies wird in dem dritten Abschnitt von Kapitel sechs diskutiert. 54
Einleitung
Nach der Zusammenfassung und der Darstellung der gegenwärtigen politisch-gesellschaftlichen Lage geht es im siebten Kapitel um die Lösungsstrategien. Die neue Definition von Religion, die Vereinbarkeit und Unvereinbarkeit von Religion und Zivilgesellschaft und dem Pluralismus sowie die Entstehung von Dialogansätzen zur Durchführung einer Reform zählen alle zu den Lösungsvorschlägen der iranischen Denker. Diese Denker setzen sich für eine Veränderung und Verbesserung von Frauenrechten sowie für eine demokratische Struktur und mehr Toleranz in der Islamischen Republik Iran ein.
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Erstes Kapitel: Grundzüge des Feminismus und männliche Teilhabe an der Debatte
A. Entstehung und die Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung im Westen Im Laufe des Übergangs der Monarchie zur Republik 1789-1799 in Frankreich und mit der Gründung des Parlaments sowie der Zusammenstellung und Verfassung der Menschen- und Bürgerrechtserklärung 1798 werden die Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat deklariert. Der traditionellen Geschlechtervorstellung, ins Wanken geraten durch die neuen ökonomischen Verhältnisse wie Landflucht und Manufakturarbeit bei gleichzeitiger Verarmung der Massen, wird durch die revolutionären Umwälzungen ihre endgültige Berechtigung abgesprochen.123 Gerechtigkeit avanciert zum übergreifenden Wertemuster der politischen und sozialen Bewegungen. Mit der Verwendung des Begriffes ʼFeminismusʽ von französischen Frauenrechtlerinnen124 in den 1880er-Jahren ist eine politische Leitidee gegen den vorherrschenden Maskulinismus der Dritten Republik in Frankreich (1870-1944) entstanden. Hubertine Auclert (1848-1914), eine französische Suffragette, benutzt in ihrer Zeitschrift La Citoyenne (Die Staatsbürgerin) erstmalig diesen Terminus.125 Feminismus bezeichnet eine soziale Bewegung von Frauen, die emanzipatorische Impulse in politischen Bereichen und wissenschaftlichen Zweigen fordert und somit nach mehr Geschlechtergerechtigkeit strebt.126 In dieser Epoche gewinnen die Konzepte wie Menschenrechte und Demokratie und deren Umsetzung eine große Bedeutung. Gleichzeitig setzten sich Frauenaktivistinnen das Erreichen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zum Ziel. Trotz der inhaltlichen Bedeutung fordert Femi-
123 Vgl. Gerhard, Ute (2009): Frauenbewegung und Feminismus. Eine Geschichte seit 1789, München, S. 10. 124 Ebd., S. 8. 125 Archer Manm, Susan (2012): Doing Feminist Theory. From Modernity to Postmodernity, New York, S. 2. 126 Krause, Ellen (2003): Einführung in die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung, Opladen u.a., S. 6 f.
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Entstehung und die Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung im Westen
nismus die Verbesserung der Situation von Frauen in staatlichen, gesellschaftlichen sowie kulturellen und privaten Bereichen und unterstützt deren Teilhabe an politischer Macht und gesellschaftlichen Ressourcen.127 Die gesellschaftliche und politische Umwälzung waren nicht der einzige Grund eines strukturellen Umbruchprozesses, auch Industrialisierung und Krieg waren Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass die Forderung und Einlösung von Frauenrechten im Westen an Bedeutung zunahmen. Frauenbewegung ist der erste Schritt, um den feministischen Diskurs zu platzieren und Frauenrechte einzufordern. Unter ʼFrauenbewegungʽ versteht man eine politisch-gesellschaftliche Bewegung, die einen sozialen Wandel anstrebt, basierend auf Kritik an der politischen und gesellschaftlichen Ungleichheit.128 Die feministische Wissenschaft interessiert sich für die Herausbildung der Strukturen und Aktionen innerhalb dieser Bewegung, um die Einflussfaktoren der Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern zu ergründen.129 Die politische Theorie des Feminismus als eine weitere Perspektive innerhalb des Feminismus entwickelte sich zeitgleich mit den parteien- und interessendivergierenden politischen Strömungen des Liberalismus, Konservatismus und Marxismus aus der Divergenz des ökonomischen und politischen Aufstiegs des europäischen Bürgertums und der Prosperisierung der lohnabhängigen sozialen Schichten.130 Politische Theorien ermöglichen diesbezüglich Kritik an der gesellschaftlichen Lage und legen theoretische Grundlagen für einen grundlegenden Wandel des sozialen Systems. Im Zentrum der Frauen- und Geschlechterforschung steht die wesentliche Bedeutung von Geschlecht. In den 1970er-Jahren bildeten sich in Deutschland unterschiedliche feministische Strömungen, die sehr von politischen Strömungen der Zeit geprägt waren. Dies gilt insbesondere für den liberalen131, marxistischen und sozialistischen sowie radikalen Feminis127 128 129 130 131
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Gerhard, Ute (2009), S. 6. Ebd. Krause, Ellen (2003), S. 18 f. Ebd., S. 6 f. Liberalismus ist eine politische Weltanschauung, in der die Freiheiten des einzelnen Menschen im Vordergrund stehen und jede Form des geistigen, sozialen, politischen oder staatlichen Zwangs abgelehnt wird. Oberstes Prinzip des Liberalismus ist das Recht auf Selbstbestimmung auf der Basis einer anthropologischen Vernunftunterstellung. Weitere wesentliche Prinzipien sind die Beschränkung staatspolitischer Macht, die Freiheit des Individuums gegen-über
Erstes Kapitel: Grundzüge des Feminismus und männliche Teilhabe an der Debatte
mus.132 Der Grund der Entstehung dieser Strömung innerhalb der feministischen Bewegung ist die herrschende Diskriminierung des weiblichen Geschlechtes, außerdem bewusste und unbewusste Privilegien, die zur Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung der Geschlechter führen. Geschlechterhierarchie bzw. die Symbolisierung der Männlichkeit und Wieblichkeit ist immer noch ein aktuelles Thema, das dem Sinn und Zweck von feministischen Bewegungen, d.h. eine Geschlechtergleichheit anzustreben und die Benachteiligung verschiedener Gruppen abzuschaffen, widerspricht. Feminismus und die davon abgeleiteten Strömungen sind eine Strategie zur Herstellung einer sozialen, politischen und ökonomischen Gleichstellung von Mann und Frau auf der Basis des europäischen Gleichheitsgedankens.133 Liberaler Feminismus konzentriert sich auf die Beseitigung der rechtlichen und formalen Zugangssperren für Frauen, d.h. die Herstellung einer Gleichberechtigung, die den gleichen Zugang der Geschlechter in öffentlichen Bereichen wie Ausbildungswege, Berufen und politischer Karriere, ermöglicht. Er setzt sich für gleiche bürgerliche Rechte, die Forderung gleicher Entlohnung bei gleicher Arbeit ohne Ansehen des Geschlechtes sowie Emanzipation und Gesetzesreform ein.134 Außerdem engagiert er sich gegen Diskriminierung von Geschlechtern und Hautfarben. Für ihn gilt Politik als individualistischer Diskurs. Liberaler Feminismus135 fordert eine Reform, explizit eine juristische Reform, anstatt eine radikal-revolutionäre Umwälzung; z.B. die Eröffnung eines Kontos (ohne Erlaubnis des Ehemannes) oder das Unterschreiben eines Arbeitsvertrages wie in den 1970er-Jahren in Deutschland.136 Auch marxistischer Fe-
132 133 134 135
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staatlicher Bevormundung und die Selbstregulierung der Wirtschaft auf der Basis persönlichen Eigentums. In: Belwe, Katharina (2002): Geschlechterge-rechtigkeit und Gender, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. Krause, Ellen (2003), S. 28. Belwe, Katharina (2002). Vgl. Krause, Ellen (2003), S. 29. Liberaler Feminismus sieht seinen Ursprung in der liberal-politischen Philosophie und ist eine Form des Feminismus, der die Gleichstellung von Frauen durch rechtliche Mittel und soziale Reformen erreichen möchte. Er ist von den Schriften Immanuel Kants, John Stuart Mills und John Rawls‘ inspiriert. In: Okin, Susan (1989): Justice, Gender and the Family, New York, S. 89. Tong, Rosemarie (1989): Feminist Thought: A Comprehensive Introduction, Oxon u.a., S. 10 ff.
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Entstehung und die Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung im Westen
minismus ist Produkt seiner Zeit. Er steht in einer engen Beziehung zur Arbeiterbewegung und unterstützt die kommunistischen Parteien und den linken Flügel der Sozialdemokratie.137 Marxistischem Feminismus zufolge sind die sozial-ökonomischen Beziehungen der Grund der Unterdrückung der Frau und nicht das Ergebnis ihrer biologischen Disposition.138 Sogar die neomarxistischen Feministinnen plädieren für eine ausführliche Analyse der vergeschlechtlichten Produktions- und Reproduktionsverhältnisse. Sie vertreten die Einstellung, dass die Gesellschaftsklasse und auch die Geschlechterverhältnisse ein rein historisch ableitbares Muster darstellen, das heute keine Gültigkeit mehr habe, da zwischen Männern und Frauen keine prinzipielle Gegensätzlichkeit bestehe.139 Erst mit der Entstehung des sozialistisch geprägten Feminismus in den Jahren 1979 bis 1980140 gelten die Elemente wie die Denkweise, die Solidarität, Freiheit und Gleichheit innerhalb einer Gesellschaft. Sozialistischer Feminismus ist teilweise vom marxistischen Feminismus beeinflusst. Gemeinsamer Berührungspunkt zwischen Marxismus und Sozialismus ist die Abschaffung des kapitalistischen Klassensystems, das einhergehend für die rechtliche Benachteiligung der Frau verantwortlich gemacht wird. In diesem Zusammenhang kritisiert der feministische Sozialismus die Kultur des Patriarchats als primäre Quelle der Unterdrückung der Frau.141 Er sucht nach einer Reform von Gesetzen und Prinzipien, in der die Rechte der Frauen aufgrund der Geschlechterunterdrückung und Klassenausbeu-
137 Karl Marx (1818-1883) und später Friedrich Engels (1820-1895) analysieren Mitte des 19. Jahrhunderts die politische Ökonomie des industriellen Kapitalismus und die daraus sich entwickelten Lebens- und Politikverhältnisse der arbeitenden Schichten. So ordnen sie die zu erwirkenden gesamtgesellschaftlichen Rechte der Frau dem geschlechterübergreifenden Kampf gegen den Kapitalismus unter. In: Frey, Regina (2003): Gender im Mainstreaming. Geschlechtertheorie und –praxis im internationalen Vergleich, Königstein/Taunus, S. 42. 138 Engels, Frederick (1884): The origin of the family, private property, and the state, Hottingen-Zurich. (Der Text ist im Original auf Englisch und wurde 1942 von Alick West Verlag ins Deutsche übersetzt. Die deutsche Ausgabe wurde nochmal im Jahr 1962 vom Dietz-Verlag überarbeitet und einige Rechtschreibfehler und Namen wurden dementsprechend verbessert und überarbeitet.) 139 Krause, Ellen (2003), S. 30 f. 140 Frey, Regina (2003), S. 42. 141 Buchanan, Ian ( 2011): Socialist Feminism. A Dictionary of Critical Theory, Oxford University Press, online verfügbar unter: [Aufge-rufen im April 2015].
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Erstes Kapitel: Grundzüge des Feminismus und männliche Teilhabe an der Debatte
tung nicht verletzt werden dürfen. Diese Reform soll die Freiheit der Frauen innerhalb dieses ökonomischen Systems gewährleisten und die kulturellen Normen zugunsten der Frauen beeinflussen können.142 Die radikalen Feministen fordern eine vollkommen unabhängige Lebensweise beider Geschlechter. Das Patriarchat, die Männerherrschaft und das System der gesellschaftlichen Strukturen seien die Auslöser dafür, dass die Frauen in vielfacher Weise benachteiligt und diskriminiert würden.143 Die öffentlichen und privaten Sektoren sind aus der Sicht des radikalen Feminismus nicht trennbar. Dementsprechend konzentriert es sich auf die Veränderung der herkömmlichen politischen Institutionen oder auf die der Rechtsprechung, nicht aber auf Arbeit oder Markt, außerdem auf soziale und kulturelle Institutionen wie bspw. Familie, Ehe und Partnerschaft.144 Die Darstellung der obengenannten feministischen Ansätze sowie der politischen Strömungen in der Frauen- und Geschlechterforschung schaffen eine theoretische Grundlage für die feministischen Diskurse außerhalb Europas − wie z.B. dem Muslimischen und Islamischen Feminismus. Hier stellt sich die Frage, ob diese Art der feministischen Bewegungen ein Produkt der Moderne und Postmoderne ist. Postmoderner Feminismus lässt sich von den modernen Polaritäten des liberalen und radikalen Feminismus ableiten.145 Diese feministische Strömung, die sich um das Jahr 1990 entwickelt146 , basiert auf einem breiteren Verständnis von ʼSexʽ und ʼGenderʽ147 . In der postmodernen Zeit erwarten Menschen eine Änderung, die nicht nur im Zentrum unseres Interesses steht, sondern es handelt um eine neue Anwendung vorhandener Ideen sowie eine Kommunikation in gleicher Augenhöhe unter Frauen und Männern. Die Struktur der Geschlechterverhältnisse wird dementsprechend dekonstruiert und
142 Haug, Frigga (2004): „Sozialistischer Feminismus: Eine Verbindung im Streit“, in: Becker, Ruth; Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie, Wiesbaden. 143 Millett, Kate (1971): Sexus und Herrschaft. Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft, München, S. 32–34. 144 Krause, Ellen (2003), S. 32. 145 Appignanesi, Richard & Garratt, Chris (1995): Postmodernism for Beginners, Oxford, S. 100 f. 146 Butler, Judith (1993): „Kontingente Grundlage. Der Feminismus und die Frage der Postmodern“, in: Benahbib, Seyla u.a. (Hrsg.): Der Streit um Differenz. Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart, Frankfurt am Main, S. 31 ff. 147 Gutting, Gary (2007): "The Cambridge Companion to Foucault", in: Gutting, Gary (Eds.): The Cambridge Companion to Foucault, Cambridge, S. 389.
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Männliche Unterstützung der Frauenrechte im westlichen Kontext
die Abschaffung der Geschlechterordnung angestrebt. Die Position der männlichen Akteure v.a. säkular-liberaler Denker innerhalb dieser politischen Strömungen sorgt für die Realisierung der Frauenrechte. In Folgenden wird die männliche Teilhabe im feministischen Diskurs im westlichen Kontext kurz thematisiert.
B. Männliche Unterstützung der Frauenrechte im westlichen Kontext Seit der Französischen Revolution findet in der Geschlechtergeschichte der Neuzeit eine Diskussion über den Gegensatz von Befreiung und Beschränkung, von Emanzipation und tatsächlicher Unterordnung der Frau unter die männliche Dominanz, von ehelichen Pflichten und Gewalt statt. Die Rede von und die Kritik an der Geschlechterordnung, der sogenannte Geschlechterstreit (querelle des sexes bzw. querelle des femmes), entwickelt sich vier Jahrhunderte vor der Französischen Revolution in der Frührenaissance. Dieser Diskurs ist laut Ute Gerhard eine von Männern geprägte Position. Es gab allerdings auch gelehrte Frauen mit eigenen Positionen. Im Kontext der Französischen Revolution entwickeln sich dann die feministischen und sozialen Bewegungen.148 Die damit einhergehende Entwicklung von Wissenschaft und Philosophie in der Epoche der Aufklärung im 18. Jahrhundert ermöglicht es den Menschen, die Autorität der Religion aufgrund sich verändernder sozioökonomischer Gesellschaftsgrundlagen infrage zu stellen.149 Erst seit dem wird über eine Gleichberechtigung der Geschlechter und die gesellschaftliche Position der Frau gesprochen. Die Gleichheit beider Geschlechter taucht in den Schriften von François Poullain de la Barre (1763) auf, die vom Philosophen René Descartes und seiner rationalen Trennung von Körper und Verstand geprägt ist. René Descartes verweist auf die Besonderheit der weiblichen Anatomie, welche die Verstandestätigkeit der Frau nicht beeinflussen könne, auch wenn dies durch empirische Wissenschaft und damalige medizinische Erkenntnisse über die Physiologie der Frau, ihre Denkstruktur und Sinneswahrnehmung gesichert erschien. Seine rationale Begründung der Gleichheit der Geschlechter als Vernunftwesen erlangt deshalb auch kei-
148 Gerhard, Ute (2009), S. 8. 149 Outram, Dorinda (1995): The Enlightenment, Cambridge, S. 3.
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Erstes Kapitel: Grundzüge des Feminismus und männliche Teilhabe an der Debatte
nen populären Status.150 Einige Philosophen sprechen sich für die Geschlechterdifferenzen aus. Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) und später Immanuel Kant (1724-1804) unterstützten die Geschlechterdiskrepanz und behaupten, dass Frauen männerabhängig seien. Aus ihrer Sicht sind einige Eigenschaften wie Verstand, Kraft und Selbstständigkeit ausgesprochen männliche Attribute.151 Jean-Jacques Rousseau spricht in seiner politischen Theorie und seinen pädagogischen Schriften152 über die geschlechtsbedingten Unterschiede zwischen Mann und Frau. Er rechtfertigt die vernachlässigte gesellschaftliche und rechtliche Stellung der Frau auf Grundlage der besonderen weiblichen Anatomie. Andererseits kritisiert er die herrschenden dominanten Denkmuster aus der Antike über die Frau bzw. ihre Unterordnung unter den Mann in den Schriften von Thomas von Aquin.153 Die Entstehung einer Gesellschaft auf der Basis von Recht und Gesetz sowie einer Souveränität des Volkes taucht nicht nur in politischen Schriften von Rousseau auf. Auch Charles-Louis Montesquieu stellt in seinem Werk Vom Geist der Gesetze 1748 die Stellung der Frau in gesellschaftlichen Angelegenheiten zur Diskussion. Mit der zunehmend gesellschaftlichen Teilnahme der Frauen spiegelt sich der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit in der damaligen Politik wider.154 Schubert und Klein definieren ʼGerechtigkeitʽ wie folgt: Die Gerechtigkeit ist ein zentraler Grundwert und oberstes Ziel des Rechtsstaates, das als Ordnungs- und Verteilungsprinzip immer wieder neu bestätigt und angewandt werden muss. Gerechtigkeit bezeichnet das Verhalten eines Menschen oder eine soziale Gegebenheit, die subjektiv als (ge-)recht beurteilt wird.155
Einer der Fortschritte in der Geschichte der Frauenrechte und Gleichberechtigung der Geschlechter war das Wahlrecht der Frauen. Die Diskussion um das Wahlrecht für Frauen wird in Frankreich im Zuge der Revolu150 Gerhard, Ute (2009), S. 12. 151 Schulz, Kristina (2007): „Neue Frauenbewegung in Europa – ein Überblick“, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte = Revue suisse d'histoire = Rivista storica svizzera. Neue Frauenbewegung in der Schweiz = Nouveau mouvement des femmes en Suisse, 3, 57, S. 336–352: 338. 152 So im 1762 publizierten Erziehungsroman Emile oder über die Erziehung (5. Buch „über Sophie oder die Frau“) 153 Gerhard, Ute (2009), S. 13. 154 Ebd., S. 13 f. 155 Schubert, Klaus; Martina Klein (2011b): Das Politiklexikon: Gerechtigkeit, Bonn, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015].
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Männliche Unterstützung der Frauenrechte im westlichen Kontext
tion erst in den Jahren 1831 und 1848 vorangebracht. In Großbritannien wird die erste Petition im Jahre 1832 eingebracht. In den skandinavischen Ländern nehmen die Frauen ihre politische Partizipation erst im Jahre 1880 wahr. In anderen europäischen Ländern wie Deutschland, wird die Wahlrechtsreform erst nach dem Ersten Weltkrieg proklamiert.156 An dieser Stelle wird gefragt, wie sich die männliche Beteiligung an der Unterstützung der Frauenrechte im Laufe der Zeit entwickelt hat und wie Männer sich für Frauen eingesetzt und Frauen als gleichwertig und gleichberechtigt wahrgenommen haben. Für die Männer in jeder Gesellschaft ist immer noch schwer, sich von alten Männlichkeitsvorstellungen zu verabschieden und Frauen grundsätzlich – unabhängig von ihrem Geschlecht – zu bewerten und zu unterstützen. Die heutige Bedeutung vom Feminismus hat sich nicht geändert, weil bis heute Emanzipation, Gleichberechtigung und Abschaffung von Diskriminierung im Mittelpunkt dieser Debatte stehen. In einer Gesellschaft wie der iranischen wünschen sich Frauen eine Plattform, um über ihre fehlenden Rechte mit männlichen Akteuren diskutieren zu können und dabei ihr Ziel zur Verwirklichung der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Geschlechter zu erreichen. Islamischer Feminismus ist für sie eine Option. In Folgenden wird die Bedeutung des Islamischen Feminismus im Iran und sein Ziel thematisiert. Dazu wird die gesellschaftliche und politische Beteiligung der männlichen Akteure für die Frauenrechte vor und nach der Islamischen Revolution im Iran diskutiert. Der historische Abriss soll ein Bild vom männlichen Engagement für die Durchführung der Frauenrechte im Iran vermitteln.
156 Bab, Bettina u.a. (2006): Mit Macht zur Wahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa, Bonn, S. 10 ff.
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
A. Der Islamische Feminismus Islamischer Feminismus ist Teil des globalen Feminismus und folgt den Zielen des westlichen Feminismus wie Gleichberechtigung, Emanzipation sowie Selbstbestimmung der Frauen. Ein weiteres Ziel ist, die Frau von patriarchalen religiös orientierten Vorschriften unabhängig zu machen und die Unterdrückungsmerkmale abzulehnen. Laut Indre Andrea Monjezi-Brown ist das Ziel des Islamischen Feminismus die Schaffung einer gleichberechtigten Gesellschaft, in der die Frauen ihre Religion ausüben und gleichzeitig alle ihre Rechte erreichen können.157 Dieser Diskurs wird sich einerseits auf die Bedeutung des Islams und andererseits auf die inhaltliche Bedeutung des Feminismus als einer Bewegung beziehen. Die Verbindung von ‘Islam’ und ‘Feminismus’ wird kritisch diskutiert. Es wird jedoch laut Monjezi-Brown die Unterscheidung der Religion von patriarchalen Traditionen im Vordergrund stehen, welche Frauen oft an der vollen Ausübung ihrer in Koran und Sunna zugesicherten Rechte hindern. Islamischer Feminismus beschäftigt sich je nach Ort und gesellschaftlichen Strukturen mit unterschiedlichen Formen und Themen. Während in Ägypten z. B. Frauen für die Zulassung von weiblichen Richterinnen kämpfen, setzen sich Frauen in Deutschland und in Frankreich gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ein. Im Iran kämpfen Frauen für die rechtliche Gleichstellung mit Männern, in Marokko für die gesellschaftliche Anerkennung von unehelichen Kindern und deren Müttern.158 Islamischer Feminismus ist ein vom westlichen Feminismus abgeleitetes Konzept, das von Menschenrechten sowie rechtlicher und gesellschaftlicher Gleichstellung beeinflusst ist. Deshalb kämpfen die mus157 Monjezi-Brown, Indre Andrea (2007): „Islamischer Feminismus − Leitbilder, Selbstverständnis und Akteure“, in: Dossier Muslimische Vielfalt in Deutschland, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im November 2015]. 158 Ebd.
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Der Islamische Feminismus
limischen Frauen darum, ihre Forderungen mit Bezug auf die religiösen Quellen umzusetzen, weil sie davon überzeugt sind, dass sie in der Lage sind, selbstständig die religiösen Vorschriften zu ihren Gunsten zu interpretieren. Gl-eichberechtigung ist diesen Quellen zufolge möglich. Ihre Interpretationen darf nicht von Männern dominiert werden. Feminismus wird aufgrund der Genderfrage kritisch diskutiert. Es geht letztendlich um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und die gesellschaftliche Benachteiligung des weiblichen Geschlechtes aufgrund von Biologie. Religion steht in diesem Zusammenhang für die Verwirklichung des kulturellen und politischen Umgangs innerhalb dieser Debatte. Nach dem vorherrschenden islamischen Verständnis ist diese Art der Benachteiligung (die biologische Benachteiligung) eindeutig, weil die Chance auf eine Gleichberechtigung für Frauen aufgrund der männlich geprägten Auslegung des Korans ausgeschlossen ist. Dies wird als ein Hauptargument von Islamischen Feministinnen kritisiert. Sie sind die Aktivistinnen, die sich mit dem Thema außerhalb des Irans beschäftigt und später eine vorbildliche Rolle für die Frauen innerhalb des Irans gespielt haben. Islamischer Feminismus gewinnt nach dem Iran-Irak Krieg und nach der Teilnahme der Frauen in den gesellschaftlichen und politischen Angelegenheiten mehr und mehr an Bedeutung. Der Begriff ’Feminismusʽ bzw. ’Islamischer Feminismusʽ wird in der iranischen Literatur nicht sehr häufig benutzt, die inhaltliche Bedeutung und die Zielsetzung des feministischen Konzeptes wird allerdings diskutiert. Für die iranischen Aktivistinnen ist dies ein westliches Konzept. Deshalb suchen sie nach ihren Alternativen, um die Benachteiligung der Frauenrechte aus weiteren islamisch religiösen Perspektiven zu begründen. Für sie liegt dieses Konzept in der Abwehr des innerislamisch männlichen Vorwurfs begründet. Somit wünschen sie sich eine Plattform zum Dialog, in der die Frauen durch ihren Austausch mit ihren männlichen Kollegen die Gründe für die Benachteiligung ihrer Rechte diskutieren und nach Lösungsvorschlägen suchen. Der Begriff ʼIslamischer Feminismusʽ wurde in dieser Arbeit bewusst gewählt. Er steht für die Geschlechtergleichheit und Gerechtigkeit und entspricht einer oppositionellen Haltung gegenüber patriarchalen Systemen. Islam wird in diesem Diskurs aus religiösen bzw. theologischen und glaubensbezogenen sowie rechtsmethodischen Perspektiven betrachtet.
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
B. Die Position der männlichen Akteure vor der Islamischen Revolution In der persischen Sprache beinhaltet der Begriff ʼFeminismusʽ unterschiedliche Bedeutungen neben dem gängigen Verständnis von der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.159 Das persische Wörterbuch Dehḫodā versteht unter ʼFeminismusʽ eine Bewegung, in der die Frauen gegen ihre Diskriminierung und die Ungleichheit ihrer Rechte kämpfen.160 Die Position der männlichen Intellektuellen zur Stellung der Frau und ihre Unterstützung in unterschiedlichen gesellschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten findet ihren Ursprung zu Beginn der Kadscharen Dynastie. Nicht nur, dass die intellektuelle Schicht der iranischen Gesellschaft Sorge dafür trug, die gesellschaftlichen und rechtlichen Positionen der Frauen zu verbessern, auch die politische Atmosphäre, v.a. in letzten zwei Jahrzehnten der Kadscharen Dynastie (zu Beginn des 20. Jahrhunderts), ging einher mit einer vehementen und populären Forderung nach einer Änderung des Rechtsystems im Sinne der Geschlechtergleichheit sowie zur Position von Frauen, die von Männern überliefert sind. Mit der Gründung des nationalen Parlaments 1906 werden die religiösen Gesetze teilweise von europäischer Rechtsprechung beeinflusst. Zwar nicht in dem Sinn, dass die Inhalte der islamischen Rechte und Scharia nach europäischem Recht geändert wurden, aber mit dem Ziel, eine juristische Struktur zu konstruieren, die der europäischen Gesetzgebung ähnelte und dennoch die theologischen Richtlinien des Islams nicht überschreiten sollte. Eine öffentliche Teilnahme der Frauen an Gesellschaft und Politik war erst mit der Machtübernahme von Reżā Šāh Pahlavī und später unter seinem Sohn Moḥammad Reżā Pahlavī möglich, d.h. Frauen nahmen auch hohe politische Positionen ein. Dieser Prozess wird im nächsten Abschnitt erläutert.
159 Maʿṣūmī, Sayyed Masʿūd (1387/2009): Femīnīsm dar yek negāh (Ein Überblick über den Feminismus), Tehrān, S. 31. 160 Dehḫodā, ʿAlī Akbar (o.J.): Vāženāmeh-yi parsī, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015].
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Die Position der männlichen Akteure vor der Islamischen Revolution
I.
Die Stellung der Frau aus der männlichen Perspektive unter Kadscharen
Die Entwicklung des Feminismus im Westen beeinflusst die Regierungsakteure und männlichen Denker, Dichter und Schriftsteller in Iran und führt zu neuen Denkansätzen über die Gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter. Die ersten Einflüsse der westlichen Kultur auf die iranische Gesellschaft sind v.a. durch die Einladung von Militärberatern und die Entsendung von Studenten nach Europa in der Zeit Fatḥʿalī Šāh Qāǧār (1771-1834) zu beobachten. Des Weiteren veränderte die Industrielle Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die sozialen Revolutionen zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Westen auch das traditionelle Bild der iranischen Frau als Mutter und Ehefrau.161 Im Zuge der Auseinandersetzung zwischen Tradition und Moderne erlebte der Iran ab Mitte des 19. Jahrhunderts einen geistlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wandel. Die traditionellen Vorstellungen über die Frau als Mutter und Ehefrau wurden durch den Modernisierungsprozess und die Entwicklung der Aufklärungsphasen im Westen brüchig.162 Die gesamtgesellschaftlichen Modernisierungsprozesse beeinflussten zwangsläufig auch die theologische Hegemonie und führten zur Herausbildung einer Methode der Neuinterpretation des islamischen Weltbildes (bīdārī-yi eslāmī).163 Ähnlich wie in der frühen europäischen Aufklärung bedingt dieser Neuzugang zum religiösen Weltbild eine Weiterentwicklung von Wissenschaft und Philosophie und damit auch des Menschenbildes.164 In diesem Zusammenhang wird die Frauenfrage von säkularen und religiösliberalen Denkern intensiv thematisiert und führt zu argumentativen und politischen Reaktionen seitens der religiös-konservativen Funktionsträger.165 Letztere stehen mit ihrer ablehnenden Haltung der Entwicklung einer populären und einflussreichen Frauenbewegung erheblich im Weg.
161 Zāhed Zāhedānī, Sayyed Saʿīd u.a. (1389/2010): „Barresī-yi koneš-hā-yi ğamʿīyi zanān-i īrānī. zanān-i dowreh-yi qāǧār“ (Die Untersuchung der Frauenversammlung im Iran. Die Frauen in der Kadscharen Periode), in: Bānovān-i šīʿeh, 23, 7, S. 58. 162 Ebd. 163 Shojaei, Nosrat (2010): "Women in Politics. A Case Study of Iran", in: Journal of Politics and Law, 2, 3, S. 257 f. 164 Outram, Dorinda (1995), S. 3. 165 Zāhed Zāhedānī, Sayyed Saʽīd u.a. (1384/2005): Ğonbeš-i zanān dar Īrān (Die Frauenbewegung in Iran), Šīrāz, S. 6 f.
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
Die Geistlichen stufen Feminismus, wie Parinas Parhisi konstatiert, als religionsfeindlich ein und verstehen ihn als klaren Gegensatz zum göttlichen Denken, dem Islam, weil die angeblich von der Natur vorgegebenen Unterschiede der Geschlechter infrage gestellt werden.166 Die Kritik der Konservativen beruht auf der Gestaltung der Familie und ihrer Werte, die durch die Teilnahme der Frau am gesellschaftlichen und politischen Leben vernachlässigt werde.167 Wie bereits dargelegt wurde, gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa Diskussionen und Auseinandersetzungen über politische, gesellschaftliche und ökonomische Rechte für Frauen. Angestrebt wurde eine Angleichung an die Rechte der Männer, hauptsächlich im Hinblick auf das Wahlrecht, das Recht auf Bildung, Erwerbstätigkeit und Lohngleichheit sowie Gleichheit vor dem Gesetz im privatrechtlichen Bereich.168 Die Idee eines Zivilstaates im Hinblick auf schiitische Grundgesetze169 kommt Mitte des 19. Jahrhunderts in der iranischen Gesellschaft auf und läutet eine reformorientierte Denkweise ein, welche die Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse, die Befreiung der Frauen vom politischen
166 Parhisi, Parinas (2010a), S. 24. 167 Vgl. Kreile, Renate (1998): „Der Islam ist die Lösung: Das Verhältnis der Geschlechter und seine Instrumentalisierung – Frauen zwischen alten Beschränk-ungen und neuem Horizont“, in: Der Bürger im Staat, 3, S. 157-161: 158. 168 Kantola, Johanna (2006); Cordes, Mechthild (1995). 169 Die schiitische Tradition im 19. Jahrhundert ist von Maǧlisīs Lehre abgeleitet. Nicht nur Maǧlisī, sondern auch aš-Šayḫ al-Bahāʾī verweist in seinem Buch Ğāmeʿ-i ʿabbāsī in den letzten 15 Kapiteln auf die Stellung der Frau. Es wurde später im Jahre 1905 von Niẓām ad-dīn Muḥammad Ibn Husayn as-Sāwaǧī vervollständigt. Es geht darin um die rechtlichen Angelegenheiten unter Schiiten im Zusammenhang mit den Frauen während des 19. und 20. Jahrhunderts, Siehe: Bahāʾ ad-dīn Muḥammad, Ibn Ḥusayn al-ʿĀmilī, (aš-Šayḫ al-Bahāʾī) (1319/1940): Ğāmeʿ-i ʿabbāsī, Tehrān, S. 350.; Muḥammad Bāqir al-Maǧlisī, einer der einflussreichen schiitischen Kleriker der Ṣafawīden-Zeit, versuchte schiitischen feqh zu verbreiten. Unter schiitischer und sunnitischer Jurisprudenz erweiterte er unterschiedliche Rechte in Bezug auf Frauen v.a. im Bereich des Ehe- und Erbrechtes. Er verwies auf die befristete Ehe (ṣīġeh), die Beschränkung der Scheidungsrechte des Mannes (ḥaqq aṭ-ṭalāq) und die Verbesserung der Erb-rechte der Frauen. Siehe: Paidar, Parvin (1995), S. 33 f.; Er hatte sich in Biḥār alanwār, einer Sammlung von schiitischen Hadithen, und in Hilyat al-muttaqīn, in dem er sich neben den privaten Bereichen des Lebens wie Essen, Schlafen, Reinigen, auch mit dem sexuellen Bereich, dem Geschlechtverkehr, beschäftigt, Siehe: Ferdows, Adeleh & Ferdowsi, Amir H. (1983): "Women in Shii Figh: Images Thought Hadith", in: Nashat, Guity (Eds.): Women and Revolution in Iran, Boulder u.a., S. 34.
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Die Position der männlichen Akteure vor der Islamischen Revolution
Autoritarismus und vom Patriarchat, die Beteiligung der Frauen an gesellschaftlichen Aktivitäten und die Verbesserung ihrer Stellung in Jurisprudenz und Hermeneutik, d.h. die Lehre von der Auslegung eines religiösen Textes, mit sich bringt. Als Idee kommt die politisch-gesellschaftliche Ideologie durch im Ausland lebende Iraner, wie Schriftsteller und Botschafter, in den Iran. Die von westlichen Ideologien, wie Liberalismus, Demokratie und kapitalistischer Marktwirtschaft abgeleitete Diskurse führen zu Veränderungen in der Gesellschaft. Diese ausgeprägte Phase in der iranischen Geschichte beeinflusste Sayyed ʿAlī Moḥammad Šīrāzī (1819-1850), Bāb (Tor/Tür) genannt. Als Kleriker setzte er sich 1844 für die gleichen Rechte von Mann und Frau ein. Er räumte der Frau mehr Handlungsspielraum und freiere Meinungsäußerung ein. Bāb ermutigte als Erster die Frauen, ihren Gesichtsschleier abzulegen und sich aktiv an der Gesellschaft zu beteiligen. In seinem Hauptwerk Bayān schreibt Bāb: Gott hat den gläubigen Männern erlaubt, die Frauen anzusehen, und er hat auch den Frauen erlaubt, die Männer anzusehen, die für sie interessant sind. Aber sie sollen die Dinge, die Gott missfallen, nicht betrachten. Gott wünscht, dass Männer und Frauen auf der Erde so frei sein sollen, wie sie es sich wünschen, im Paradies 170 zu sein.
Die Denkweise Bābs im Hinblick auf Frauen stützt sich auf die vorislamische Zeit und die westliche Kultur. Seine liberale Sicht bringt ihn dazu, sich für neue Reformen und Gesetze zur Verbesserung der Frauenrechte einzusetzen. Ihm zufolge sollen Frauen nicht isoliert und von der Gesellschaft zurückgezogen bleiben.171 Seine besondere religiöse Glaubenslehre erweckt die Aufmerksamkeit von vielen Frauen, u.a. von Zarrīn tāǧ, die als Qurrat al-ʿayn bekannt wurde.172 Seine Anhänger bejahen die wesent170 Fażāʾī, Yūsof (1351/1972): Taḥqīq dar ʿaqāyed-i bābīgarī va bahāʾigarī (Eine Untersuchung in der Ideologie des Babismus und Baha᾿ismus), Tehrān, S. 165. 171 Ḥāʾerī, ʿAbdolḥādī (1364/1985): Tašayyoʿ va mašrūṭiyyat dar Īrān (Schia und Konditionalismus im Iran), Tehrān, S. 90. 172 Zarrīn taǧ oder Fāṭemeh war bekannt unter Ṭāhereh, Zakiyeh, die Tochter von Ḥāǧī Mollāh Moḥammad ṣāleḥ Borġānī Qazvīnī. Sie wurde in Qazvīn geboren und hatte die Grundlagen des Feqh und die arabische Sprache bei ihrem Vater gelernt. Sie setzte sich mit den Denkansätzen von Šayḫ Aḥmad Aḥsārī auseinander, und reiste nach Karbalā, um sich genauer mit seinen Denkansätze auseinanderzusetzen. In Karbalā propagierte sie diese religiöse Bewegung. Als sie den Bāb kennenlernte, kehrte sie nach Šīrāz zurück. Sie war Dichterin und beherrschte die religiöse Lehre sehr gut. Sie war die erste Frau, die sich in der
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
lichen und grundsätzlichen Änderungen bezüglich der sozialen Lage der Frauen. Bāb stellt eine progressive Denkweise vor, die sich dem westlichen Humanismuskonzept des 19. Jahrhunderts anschließt. Viele der Intellektuellen und Mitglieder der Oberschicht unterstützen ihn.173 Jahrzehnte vor der Konstitutionellen Revolution 1906-1911174 setzen sich eine Fülle von politischen und kulturellen Vereinen im Iran zum Ziel, eine verfassungsmäßige Regierung zu entwickeln und das politische System zu reformieren.175 Die Konstitutionelle Bewegung war von der schiitischen Glaubenslehre geprägt. Die regimekritischen Intellektuellen nahmen die Beteiligung der Kleriker in dieser Bewegung wahr und unterstützten sie. Sie stellten sogar ihre säkularen und modernen Positionen in den Hintergrund, um die Kleriker dazu zu animieren, an der Gegenregierung und der antiimperialistischen Koalition teilzunehmen.176 Radikale religiöse Denker wie Mīrzā Fatḥʿalī Āḫūndzādeh, der freie Denker und Sozialist Mīrzā Āqā Ḫān Kermānī und der Schriftsteller ʽAbdolraḥīm Tālebov sind gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Impulsgeber des politischen und gesellschaftlichen Aufschwungs.177 Als Vertreter eines neuen aufklärerischen Gedankenguts (rowšanfekrī), das abgeleitet von europäischen Denkweisen ist, bahnen sie dem Feminismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Weg in den Iran. Beeinflusst wurden sie von westlichen Philosophen wie François-Marie Arouet (Voltaire), JeanJacques Rousseau und Charles-Louis de Secondat, bekannt unter Baron de La Brède et de Montesquieu und ihren Positionen, wie Freiheit, Demokratie, Menschenrechte sowie religiöse Toleranz.178 ʿAbdolraḥīm
173 174 175 176 177 178
Öffentlichkeit einschleierte und mit den großen Rechtsgelehrten der Zeit in Diskussion trat. Ihre Gedichte sind in Arabisch, ihre persischen Gedichte ähneln den Gedichten des Bāb und sind voller theologischer Redewendungen. Beeinflusst wurde sie von den Werken Rūmīs und Ğāmīs. „Pardeh be Rūy bastehʾī, Zolf be ham Šekastehʾī, – Az hameh Ḫalq Rastehʾī, az hamegān ǧodā manam.“ (Du hast dich eingeschleiert und deine Haare versteckt – Du fliehst dadurch vom Volk, und ich trenne mich dadurch von allen.), Siehe: Āriyanpūr, Yaḥyā (1351/1972): Az Ṣabā tā Nīmā (Von Saba bis Nima), Tehrān, S. 131 f. Bayat, Mangol (1982): Mysticism and Dissent. Socioreligious Thought in Qajar Iran, Syracuse and N.Y., S. 104 ff. Vgl. Afary, Janet (1996), S. 17 ff. Ebd., S. 39. Ebd., S. 24. Ādamiyyat, Fereydūn (1357/1978): Andīšeh-hā-yi Mīrzā Āqā Ḫān Kermānī (Die Gedanken von Mīrzā Āqā Ḫān Kermānī), Tehrān, S. 13. Vgl. Ğahānbaglū, Rāmīn (1387/2008): „Taḥavvolāt-i mafhūm-i rowšanfekrī dar Īrān-i moʿāser“ (Die Umsetzung der Bedeutung von Aufklärung in zeit-
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Tālebov forderte weitreichende Reformen innerhalb des Islams. Seine Ideologie führte quasi zu einer protestantischen Veränderung des Islams, elteqāṭ-i dīnī.179 Daraus folgt eine nationalistische und pan-islamistische Bewegung durch den konvertierten Muslim und Intellektuellen Mīrzā Malkom Ḫān in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.180 Mīrzā Malkom Ḫān spricht in seiner Zeitung Qānūn die Freiheit und Gleichberechtigung der Frauen an, verwehrt sich gegen die Legalität der Polygamie, weil sie die Frauenwürde verletze.181 Malkom Ḫān bezieht sich dabei auf islamische Quellen und vermittelt ein liberales Bild der Religion.182 Auch Mīrzā Āqā Ḫān Kermānī kritisiert die Verschleierung und die patriarchalen Gesetze gegen Frauen. In der Polygamie sieht er einen Faktor für das Zerbrechen der Ehe.183 Sayyed Ǧamāl ad-dīn Asadābādī bekannt unter al-Afġānī motiviert neben anderen Intellektuellen wie Mīrzā Malkom Ḫān mit seiner sozialistischen Denkweise die Frauen, an dieser Bewegung mitzuwirken und die religiösen Aspekte in Bezug auf ihre Rechte zu kritisieren.184 Auf der Grundlage islamischer Rechtsvorgaben forderten seit dem 20. Jahrhundert Sayyed Ḥasan Taqīzādeh185, Moḥammad ʿAlī Forūġī186 , Ḥa-
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genössischen Iran), in: Īrānnāmeh, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. Velāyatī, ʿAlī Akbar (1372/1993): Moqaddameh-yi fekrī-yi nehżat-i mašrūṭiyyat (Geistige Einführung von konstitutioneller Bewegung), Tehrān, Vol. 6, S. 65. Er war Gründer von Farāmūšḫāneh (Haus der Vergessenheit) im Iran. Diese Organisation basiert laut Malkom Ḫān auf Immunität, finanzieller Absicherung, Gleichheit, Meinungsfreiheit, individueller Freiheit, freier Rede, beruflicher Freiheit und sozialer Freiheit, Tugend, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität, Siehe: Qāżī Morādī, Ḥasan (1387/2008): Malkom Ḫān. Naẓariyehpardāz-i nowsāzīyi siyāsī dar ṣadr-i mašrūṭeh (Malkom Ḫān. Meinungsführer der politischen Reform im Laufe der konstitutionellen Bewegung), Tehrān, S. 65. Nūrāʾī, Ferešteh (1352/1973) , S. 87. Ṭabāṭabāʾī, Moḥīṭ (1327/1948): Maǧmūʿeh-yi āṯār-i Mīrzā Malkom Ḫān (Die gesamten Werke von Mirza Malkom Khan), Tehrān, S. 193 f. Ādamiyyat, Fereydūn (1357/1978), S. 13. Baraka, Iqbal (1988): "The Influence of Contemporary Arab Thought on the Women’s Movement", in: Toubia, N. (Eds.): Women of the Arab World, London, New Jersey. Sowie Siehe: Paidar, Parvin (1995), S. 45. 1906 Konstitionalist und Abgeordneter des ersten Parlaments, 1921 Abgeordneter unter Reżā Šāh, 1929 Gouverneur in Ḫurāsān und dann Bo-tschafter in London, 1950 Senator, Publizist. 1911 Finanzminister und später Justizminister, Außenminister unter Reżā Šāh, Politiker und Premierminister unter Moḥammad Reżā Šāh.
Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
san Pīrniyā (Mošīr ad-dowleh)187 und später Aḥmad Kasravī188 eine gesellschaftliche Reform. Die Intellektuellen, u.a. Ḥasan Pīrniyā und Ṣanīʿ ad-dowleh Hedāyat haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Verfassungsentwurf mit Elementen der französischen, belgischen und bulgarischen Verfassung vorgelegt. In diesem Entwurf behält der Islam als Grundlage der politischen Verfassung weiterhin seine Berechtigung. Allerdings wird zum ersten Mal das Volk als Souverän der politischen Macht anerkannt.189 Die Konstitutionelle Revolution gilt als einflussreicher politischer und gesellschaftlicher Umbruch, bei der sich religiöse und säkulare Kräfte kritisch auseinandersetzten, was zu einer Spannung zwischen Geistlichen und Intellektuellen führte.190 Die Geistlichen wie z.B. Ayatollah Sayyed Moḥammad Ṭabāṭabāʾī und Sayyed ʿAbdollāh Behbahānī prangerten das despotische System, den finanziellen Zustand des Landes, Armut und Elend der unteren Klassen, Meinungsverschiedenheiten sowie Ungerechtigkeiten an. Sie unterstützten die Emanzipation und das gesellschaftliche Engagement der Frauen und setzten sich für eine Reform der Stellung der Frau in der Gesellschaft ein.191 Anders als die Geistlichen, wie Moḥammad Ḥosayn Yazdī, welche die Rechte der Frauen befürworten und die Gründung der Mädchenschulen unterstützen, stellen sich Konservative wie Šayḫ Fażlollāh Nūrī und Ayatollāh Šūštarī gegen die Bildung der Frauen und bezeichnen diese in ihren Gutachten als Affront gegen die Scharia.192 Die Begriffe ʼFreiheitʽ und ʼGerechtigkeitʽ werden sehr häufig von den o.g. Akteuren diskutiert. Laut Šayḫ Fażlollāh Nūrīs Auffassung haben die neuen westlichen Konzepte, z.B. die Entstehung politischer Freiheiten wie der Meinungs-, Rede- und Publikationsfreiheit sowie der Wahl- und Frauenrechte, eine Verletzung der iranisch-schiitischen Prinzipien zur
187 1902 Botschafter unter Moẓafar ad-dīn Šāh Konstitutionalist, Politiker, 1909 Justizminister und 1920 Premierminister. 188 Iranischer Sprachwissenschaftler, 1915 Geistlicher, 1920 Justizminister, 1925 Generalstaatsanwalt sowie religiöser Kritiker und Historiker. 189 Schirazi, Asghar (1992): Widersprüche in der Verfassung der Islamischen Republik vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzung im nachrevolutionären Iran, Berlin, S. 79. 190 Soleymānī, Ğavād (1387/2008), Nr. 77, S. 95 f. 191 Paidar, Parvin (1995), S. 67. 192 Ebd., S. 70.
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Folge.193 Šayḫ Fażlollāh Nūrī spricht sich für einen islamischen Rechtsstaat (mašrūʿiyyat) und gegen ein auf dem Gesetz bzw. der Verfassung basierendes Staatssystem (mašrūṭiyyat) aus. Er schlägt die Institution eines Wächterrates vor, um die vom Parlament verabschiedeten Gesetze auf Übereinstimmung mit dem islamischen Recht zu überprüfen. In der Phase von 1907 bis 1925 distanzieren sich die reformorientierten politischen Denker von den konservativen Kräften, also den Geistlichen.194 Neben den klerikalen geben auch die säkularen Gruppen und Abgeordneten des Parlamentes der Frauenfrage oberste Priorität der Diskussionen. Themenschwerpunkt, der von Iranern herausgegebenen inländischen und ausländischen Presse, wie Sūr Esrāfīl, Ḥab al-Matīn, Qānūn, Ṯorayyā und Nedā-i Vattan, ist die Bildung der Frauen, die Bedeutung der Geschlechter und die rechtliche Stellung der Frau.195 ʿAlī Akbar Dehḫodā und Malek aš-Šoʿarā Bahār (im Ausland) sprechen in ihren Artikeln in den Zeitschriften „Ṣūr Esrāfīl“ und „Īrān-i Now“ die Frauen an und ermutigten sie, über die wichtigsten Probleme der Gesellschaft und die Gründe ihrer Unzufriedenheit zu schreiben.196 ʿAlī Akbar Dehḫodā klagt durch seine beißenden Satiren in der Zeitung Ṣūr Esrāfīl (1907-1909) den Aberglauben und die patriarchale Tradition an. Außerdem unterstützt er weitere Herausgaben von Frauenzeitschriften und Gründungen diverser Frauenorganisationen. In diesen Schriften ist die Ungleichbehandlung von Frau und Mann ein Dauerthema, besonders die Verschleierung wird als wesentlicher Grund für die kulturelle und soziale Rückständigkeit der Frauen angeführt.197 Auch Īraǧ Mīrzā und Āref Qazvīnī verspotten die Verschleierung der Frauen und verarbeiten diese satirisch als unkeusch deklarierte Bekleidung.198 Das zweite Parlament 1909 besteht aus Demokraten, den vorherigen Liberalen und Moderaten. Sie fordern freie Wahlen, die Gleichheit aller 193 Zargarīnežād, Ḥosayn (1374/1995): Rasāʾel-i Mašrūṭiyyat (Die Botschaften des Konstitutionalismus), Tehrān, S. 177. 194 Rasekh, Keramatollah (2000): Das politische Denken der Reformisten im Iran 1811-1906: Eine Untersuchung über das politische Denken der iranischen Intellektuellen, Münster, S. 32. 195 Ettehādiyeh, Manṣūreh (1373/1994): Zan dar Ğāmeʿeh-yi Qāǧār (Die Frau in der kadscharen Gesellschaft), Tehrān, S. 29. 196 Ebd. 197 Sepānlū, Moḥammad ʿAlī & Oḫovvat, Mehdī (1381/2002): Dīvān-i ašʿār-i ʿAref Qazvīnī (Gedichtsammlung: ʿAref Qazvīnī), Tehrān, S. 100. 198 Ebd.
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Bürger, das Recht auf Bildung für beide Geschlechter und die Trennung von Politik und Religion.199 Nach der Entstehung des zweiten Parlamentes unterstützen die politischen Parteien die Frauenemanzipation und befürworten weitere Rechte für Frauen. Bildung, Verschleierung, die Heirat von Minderjährigen und Polygamie sind die Themen, die in der ersten Phase des Post-Konstitutionalismus häufig diskutiert werden. In der Demokratie- und Liberalismuskonzeption findet sich die Forderung nach Gleichheit und Gleichberechtigung der Bürger und betont deren Bedeutung während der konstitutionellen Revolution.200 Dieser politischen und kulturellen Revolution, deren philosophische Grundlage auf der Partizipation des Volkes basierte, gelang es, Frauenden gleichen Zugang zur gesellschaftlichen Teilnahme zu ermöglichen. In der neuen Verfassung standen Frauen auf einer Ebene mit Entmündigten, Ausländern, Apostaten, Bankrotteuren und Verbrechern und wurden weiterhin vom Wahlrecht ausgeschlossen.201 Ihre Aufgaben beschränkten sich auf Kinderbetreuung und -erziehung, Haushalt und Schutz und den Erhalt von Ehe und Familie. Als Grund für die Beschränkung der Frau auf den häuslichen Bereich wurde erneut die Scharia und das islamische Rechtswesen bemüht.202 Nach der Eröffnung des Parlamentes befasste sich der 19. Absatz der Verfassung zwar theoretisch mit dem Bildungsrecht von Frauen, bis zum Jahr 1936 fand dieses jedoch keine politische und gesellschaftliche Entsprechung.203
II. Die Position der Frauen von Pahlavī bis zur Islamischen Revolution Abgesehen von politischen Parteien wie den Sozialisten und Kommunisten unterstützten weitere Gruppen Frauen und ihre Rechte. Prominente Vertreter dieser Gruppe leiteten die Zeitschriften, u.a. Kāveh und Īrān-
199 Abrahamian, Erward (1982): Iran Between Two Revolutions, Princeton, S. 106. 200 Paidar, Parvin (1995), S. 75 ff. 201 Kār, Mehrangīz (1378/1999a): Ḥoqūq-i siyāsī-yi zanān dar Īrān (Politisches Recht der Frauen in Iran), Tehrān, S. 11; Mahmoudi, Akbar (1998): Angst vor weiblicher Sexualität als Hemmfaktor im Entwicklungsprozess der säkularisierten Mädchenerziehung und Frauenbildung im Iran, Bern, S. 86. 202 Ardestānī, ʿAlī (1385/2006): „Ğonbeš-i zanān; Mafhūmī naẓarī yā vāqeʿīyat-i ğāmeʿeh šenāḫtī“ (Frauenbewegung; Eine Doktrin oder eine konkrete soziologische Debatte), in: Čīstā, 226/227, S. 443 ff. 203 Ettehādiyeh, Manṣūreh (1373/1994), S. 44.
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šahr.204 Taqīzādeh, der Chefredakteur der Zeitschrift Kāveh, schreibt über die Reformisten in anderen Ländern wie Qāsim Amīn in Ägypten, der für Frauenrechte im Islam kämpft und eine Änderung der Gesetze für die Frauen fordert.205 Taqīzādeh kritisiert die Verwestlichung des Irans und motiviert die Frauen zu einer eigenen Bewegung. Er versucht später im Berliner Exil mit seiner nationalistischen Programmatik, die Frauenemanzipation im Iran zu unterstützen.206 1925 putscht Reżā Ḫān gegen den letzten Kadscharen Herrscher und bringt sich selbst auf den Thron. Reżā Ḫān gibt der neuen Dynastie den Namen Pahlavī. Zwischen 1926 und 1930 werden viele Grundlagen für eine radikale Reform gelegt. Reżā Ḫān strebt eine vollständige Säkularisierung des Staates an und verfolgt eine radikale Anpassung an westliche Normen. Besonders für das Schulsystem und die Justiz baut er eine moderne Verwaltung auf. Diese Reformprozesse widersprechen der Ideologie des Klerus. Aufgrund dieses kulturellen Machtgefüges werden die Modernisierungsmaßnahmen teilweise sehr abrupt und gewaltsam durchgeführt und stoßen auf den Widerstand der traditionell-religiös geprägten Bevölkerung. Mit seiner Machtübernahme ändert sich die Rolle der Frauen, die von diesem gesellschaftlichen Wandel deutlich beeinflusst wird.207 1925 werden von Reżā Šāh alle Frauengruppen aufgelöst und aufgefordert, sich der von seiner Tochter Šams gegründeten Organisation anzuschließen, mit dem Ziel, die Entschleierung der Frauen voranzutreiben. In einer großen Rede an das iranische Volk erklärt er den 7. Jan. 1935 (17. Dey 1314) zu einem großen Tag der iranischen Geschichte, an dem seine Familie als Vertreter des Volkes ohne Kopftuch auftritt.208 Hinzu kommt das Verbot des Tschadors für Frauen. Reżā Šāh Pahlavīs Reformmaßnahmen stoßen auf Kritik von Geistlichen wie Mīrzā Reżā Qolī Šarīʿt Sangālčī209 , der dennoch an seiner Politik festhält, wie die Verabschiedung des neuen Familienrechts beweist. Obwohl dieses Gesetzespaket noch immer von der Scharia beeinflusst ist, zeigen die einzelnen Verordnungen doch deutliche Bezüge zu den modernen gesellschaftlichen und
204 Paidar, Parvin (1995), S. 98. 205 Zeitschrift Kāveh, I, S. 1 f. 206 Afšār, Īraǧ (1351/1972): Maqālāt-i taqīzādeh (Die Publikation von Taqīzādeh), Tehrān, S. 159 ff. Siehe: Paidar, Parvin (1995), S. 99. 207 Paidar, Parvin (1995), S. 50. 208 Šahšahānī, Soheylā (1376/1997): „Zan-i īrānī yek masʾaleh-i siyāsī ast“ (Die iranische Frau ist ein politisches Problem), in: Farhang-i towseʿe, 6, S. 3 f. 209 Momen, Moojan (1985): An Introduction to Shii Islam, New Haven, S. 251.
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sozialen Notwendigkeiten und zu den Gleichheitspostulaten des französischen Familienrechts.210 1937 wurde das Bürgerliche Gesetzbuch im Bereich Eheschließung reformiert. Die bedeutendsten Veränderungen betreffen die Beglaubigung der Heirat, der Scheidung und des Todes bei einem Notariat. Diese Idee kommt von schiitischen Geistlichen. Dazu kommt noch die Bestrafung der Heirat mit einer Minderjährigen, also einer unter Fünfzehnjährigen.211 Reżā Šāhs obligatorische Reformen werden von iranischen Parteien jener Zeit wie den Kommunisten und Sozialisten flankiert. Diese Parteien haben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu ihrer Zielsetzung erklärt. Die Kommunistische Partei interessiert sich für die Mobilisierung der Frauen aus mittleren Schichten und der Arbeitsklasse als Teil ihrer allgemeinen Strategie. Sie verwiesen auf die Gleichheit der Rechte für Männer und Frauen und befürworten die Berufstätigkeit der Frauen und die Übernahme von Führungspositionen durch sie. Die Mädchenbildung gehört selbstverständlich zu ihren Hauptschwerpunkten.212 Die Intellektuellen dieser Zeit unterstützen die Reformmaßnahmen von Reżā Šāh. Aḥmad Kasravī, ein bekannter Historiker und Sozialkritiker, erklärt sich zum offenen Gegner der klerikalen Ansichten und Normen. 1945 wird er von religiösen Fanatikern ermordet. Zeitlebens protegierte er eine juristische und soziale Emanzipation der Frauen und lobt Reżā Šāh für seinen Widerstand gegen die Geistlichen. Für Kasravī sind Veränderungen in der familiären und sozialen Stellung der Frau äußerst wünschenswert, hält sich allerdings darin bedeckt, eine Emanzipation im europäischen Stil auf den Iran zu übertragen.213 Taqīzādeh ist dagegen für die Verwestlichung des Irans. Er ist ein Anhänger des westlichen Meisters der Frauenbefreiung, John Stuart Mill. Taqīzādeh hat anspruchsvolle und umfassende Vorstellungen von Frauenrechten, v.a. kritisiert er die grundlegend patriarchalen Familienstrukturen. Er lobt den Westen für die Möglichkeit der Wahlfreiheit und die selbstständige Entscheidung der Frauen in Ehe- und Scheidungsangele-
210 Paidar, Parvin (1995), S. 109. 211 Naqvi, Ali Reza (Juni 1967 und Sep. 1968): „The Family Laws of Iran“, in: Islamic Studies, 6/7, 2/4, S. 6-7; Naqvi, Ali Reza (1968): "The Family Laws of Iran", in: Islamic Studies, S. 2-4. 212 Paidar, Parvin (1995), S. 116. 213 Ebd., S. 114.
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genheiten und befürwortet es, ihre Position in der Politik und ihren sozialen Status neben den familiären Aufgaben voranzutreiben.214 Als Reżā Šāhs Regierungszeit endet, ist der Iran bezüglich der Frauenfrage deutlich geteilt. Einerseits geht der intellektuelle und politische Säkularismus gestärkt aus dieser Regierungsperiode hervor, andererseits bleibt die Scharia als a priori menschlichen Zusammenlebens noch immer juristische und politische Norm. Dieser Widerspruch wird im 20. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil der politischen Debatte zu Frauenfragen.215 Mit dem Sturz von Reżā Šāh 1941 beginnt eine neue politische und gesellschaftliche Phase. Die ersten Jahre der Herrschaft seines Sohnes Moḥammad Reżā Šāh sind von relativer Freiheit für politische Gruppierungen, von Pressefreiheit und der Gründung politischer Parteien geprägt. Viele dieser Parteien fordern die gesellschaftliche Teilnahme von Frauen, nehmen zunehmend weibliche Mitglieder auf und wählen sie in Parteifunktionen. Sie setzen sich für die Bildung von Frauen ein und streben nach einer Änderung des Familienrechts. Auch die Regierungsakteure und Intellektuellen dieser Zeit fordern das Wahlrecht für Frauen.216 Gleichzeitig engagieren sich jedoch auch konservativ-islamische Gruppen wie die Fādāʾiyān-i eslām, gegründet von Navvāb Ṣafavī, einem Theologiestudenten der Universität Teheran. Sie lehnen eine derartige Teilnahme von Frauen ab und argumentieren, dass eine solche von den islamischen Grundwerten abweiche.217 Nach ihrer Auffassung müsse die Aufgabe der Frau auf ihre familiären Verpflichtungen beschränkt bleiben. Sie fordern die Geschlechtertrennung in der Schule und an der Universität. Rūḥollāh Chomeynī, der auch Mitglied der Fādāʾiyān-i eslām ist, kritisiert in dieser Zeit die Reformmaßnahmen der Regierung und die Ideologie der Reformdenker wie z.B. Kasravī.218 Während die politischen Oppositionsgruppen für die Einführung des Wahlrechts für Frauen plädieren,
214 Afšār, Īraǧ (1351/1972), S. 160. 215 Vgl. Najmabadi, Afsaneh (1991): "Hazards of Modernity and Morality: Women, State and Ideology in Contemporary Iran", in: Kandiyoti, Deniz (Eds.): Women, Islam and State, London, S. 54. 216 Vgl. Kātūziyān, Moḥammad ʿAlī (1993): Eqteṣād-i siyāsī-yi Īrān (Irans Wirtschaftspolitik), Tehrān, S. 210. 217 Fādāʾiyān-i eslām (1339/1950): Rāhnamā-yi ḥaqāyeq (Eine Einführung in der Wahrheit), Qom, S. 56. 218 Šeyḫoleslamī, Parī (1351/1972): Zanān-i rūznāmenegār va andīšmand-i Īrān (Die intellektuellen Journalistinnen von Iran), Tehrān, S. 94.
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wird dies von einflussreichen Geistlichen wie Ayatollah Kāšānī strikt abgelehnt.219 „Schützenhilfe“ erlangt ihre Ablehnung von den Ǧebheh-yi mellī (der Nationalen Front). Auch wenn mit dem Hauptziel der nationalen Souveränität eines nicht-diktatorischen Irans Reformen der Justizgewalt, der Wahlen und der Bildung gefordert werden,220 und die Etablierung einer Verfassung, politischer Freiheit des Volkes und ökonomisches Wachstum anvisiert sind, so spricht sich doch ein erheblicher Teil der religiös-konservativen Mitglieder gegen ein Wahlrecht für Frauen aus, in dem sie behaupten, dass dies nur die Aufgabe der Männer sei. Des Weiteren fügen sie hinzu, dass die bestehenden Gesetze für Frauen vollkommen angemessen seien und jede Änderung zur politischen Instabilität und zur religiösen und sozialen Anarchie führe.221 Zwischen den Jahren 1960 und 1970 durchleben die Iraner eine Modernisierungsphase. Das Landreformprogramm des Šāhs verkündet 1962 neben einem Erlass zur Landverteilung und Verstaatlichung der Wälder auch eine Wahlreform, die das allgemeine Wahlrecht für Frauen ebenso umfasst wie die Wählbarkeit von Frauen ins Parlament. Dies führt 1963 zum Ausbruch der Weißen Revolution und mündet später in der Einführung des Frauenwahlrechts.222 Die Zeitschrift Zan-i Rūz wird im Jahre 1964 von Maǧīd Davāmī verlegt. Als gleichzeitiger Chefredakteur der Zeitschrift diskutiert er vorrangig die Stellung der modernen iranischen Frau, geht darin auch auf die islamisch geprägte Gesetzgebung ein und kritisiert die vorgenommenen Rechtserweiterungen als noch immer unzureichend.223 Es entsteht eine neue populäre Ideologie, geprägt von islamischen Symbolen und Religiosität. Diese neue Ideologie ist sehr stark auf die soziale Gerechtigkeit ausgerichtet. 1967 wird das Kulturzentrum Ḥosayniyeh-yi eršād in Teheran von Moḥammad Homāyūn, Ḥoǧǧat-ol-Eslām Sayyed ʿAlī Šāčerāġī und Nāṣer Mīnāčī gegründet. Es dient der Bekanntmachung und Verbreitung des modernen aufrichtigen Islams. Die Intellektuellen jener Zeit und die Mitglieder der Nehżat-i Āzādī (Freiheitsbe-
219 Tudeh Partei (1323/1944): „Vorschläge für ein neues Wahlgesetz“, in: Die Parlamentarische Vorgehensweise des Vierzehnten Majles, 24, S. 276. 220 Afšār, Īraǧ (1358/1979): Moṣaddeq va masāʾel-i ḥoqūq va siyāsat (Mosaddeq und die rechtlichen und politischen Angelegenheiten), Tehrān, S. 97. 221 Ebd. 222 Iran Almanac (1963): Book of Facts (1962 - 1977), S. 410. 223 Esfandiari, Haleh (1997): Recostructed Lives. Women and Iran’s Islamic Revolution, Washington D.C., S. 36.
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wegung), wie Moḥammad Ḥosayn Beheštī, Moḥammad Ǧavād Bāhonar, Sayyed ʿAlī Chāmenehʾī, ʿAlī Šarīʿatī und Morteżā Moṭahharī, bieten dort Seminare und Diskussionsrunden an. Das ideologische Ziel dieses Zentrums ist die Schaffung einer gerechten islamischen Gesellschaft, die sich am fundamentalistischen bzw. traditionellen Islam orientiert.224 Die religiöse Opposition, der Ayatollah Mahmūd Ṭāleqānī, Morteża Moṭahharī und ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī angehören, trägt wesentlich zur Schaffung eines ihrer Vorstellung nach modernen islamisch-politischen Diskurses bei, an dem auch die religiösen Intellektuellen, u.a Ǧalāl Āl Aḥmad, Mehdī Bāzargān und ʿAlī Šarīʿatī teilnehmen.225 Neben den stark konservativen Einstellungen, wie denen des Fādāʾiyān-i eslām, entwickelt sich um 1970 also eine religiös-progressive Denkrichtung, die sich für eine zeitgemäße Interpretation des Islams einsetzt. Als deren Hauptvertreter gilt zunächst der Geistliche Ayatollah Mortażā Moṭahharī. Er beschäftigt sich mit folgenden Themen: Die Stellung der Frau in der Familie, in der Ehe, ihre Erbschaftsrechte sowie der Gebrauch des Kopftuchs. Weitere Themen sind die Mitwirkungsmöglichkeiten der Frau in Politik und Gesellschaft, ihr Aussagerecht vor Gericht und die Möglichkeit, als Richterin selbst Recht zu sprechen. Der Soziologe ʿAlī Šarīʿatī stellt den Islam mit einer dezidiert modernen Ansicht dar. Šarīʿatī ist trotz seiner religiösen Erziehung durch eine säkulare Ausbildung an der staatlichen Schule und Universität geprägt. Er beschreibt die Tochter des Propheten, Fātemeh, als eine ideale Frau: Eine Ehefrau, Mutter, Gefährtin für ihren Ehemann, eine aktive Partizipantin an den religiösen und politischen Angelegenheiten und eine Kriegerin für Gleichberechtigung und Wahrheit.226 Sowohl Šarīʿatī als auch Moṭahharī heben die Bescheidenheit und Frömmigkeit einer idealisierten muslimischen Frau hervor und versuchen darin ihr Bild der Frau zu präsentieren, das mit zeitgemäßen Sichtweisen vereinbar ist. In dieser Atmosphäre des fortschrittlichen Gedankenguts sprechen sich einige Geistliche für eine moderne Stellung der Frau in der Familie aus und fordern eine Debatte über die Rolle des Staats bezüglich des schiitischen Glaubensbekenntnisses.
224 Wahdat-Hagh, Wahied (2003), S. 129. 225 Dabashi, Hamid (1993): Theology of discontent: The ideological foundation of the Islamic Revolution in Iran, New York, S. 147 f. 226 Šarīʿatī, ʿAlī (1981): Fātemeh Fātemeh ast (Fatemeh ist Fatemeh), Bonn, S. 123 ff.
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
Große Aufmerksamkeit bei den Gegnern dieser Modernisierung erhält Tawḍīḥ al-masāʾil (Die Erläuterung religiöser Angelegenheiten)227 von Ayatollah Chomeynī, insbesondere aufgrund der Abschnitte über die Stellung der Frau und der Familie. In den muslimischen Gemeinden wird es als ein Werk gegen den Modernismus gelesen. Chomeynī vertritt darin die Meinung, das Heiratsalter für Männer wieder herabzusetzen und den Zeitpunkt der Heirat wieder vor die Pubertät zu legen. Die Polygamie und ṣīġeh sollen zugelassen werden. Die Frau wird angewiesen, die sexuelle Befriedigung ihres Mannes als eine religiöse Aufgabe zu betrachten. Chomeynī sieht den Mann als Hausherrn und die Frau als Leibeigene des Mannes. Eine Frau solle sich nicht ohne Erlaubnis ihres Vaters verheiraten. Scheidung sei ein gutes Recht des Mannes. Die Frau könne sich scheiden lassen, wenn sie die Bedingungen bei der Eheschließung vertraglich festgehalten habe. Die Zeugenaussage eines Mannes gelte wie die zweier Frauen. Die Frau solle nur mit Erlaubnis ihres Mannes erwerbstätig sein. Er kritisiert in seinem Buch (1971) das Familienschutzprogramm von 1967 und bezeichnet es als gegen den Islam und die Scharia gerichtet.228 In den letzten Jahrzehnten der Pahlavī-Dynastie beginnt eine Diskussion über die Vorstellung von einer modernen Schia bzw. einem politischen Bild vom Islam und seiner Koalition mit dem Staat. Diese Ideoloie entwickelt sich sehr schnell unter diversen Gruppen von Gesellschaftsakteuren von westlich orientierten bis konservativen Gruppen. Im Jahr 1979 wird die iranische Monarchie durch eine Islamische Republik ersetzt, in der hauptsächlich Männer die Schaltstellen der Macht besetzen. So basiert die in den ersten Jahren danach entworfene, islamische Grundordnung im Allgemeinen und die darin vorgesehene Rolle der Frau im Speziellen v.a. auf den streng konservativen Einstellungen der entsprechenden politischen Akteure.229
227 Mūsavī Chomeynī, Sayyed Rūḥollāh (1961/1978): Tawḍīḥ al-masāʾil (Die Erläuterung religiöser Angelegenheiten), Qom. 228 Mūsavī Chomeynī, Sayyed Rūḥollāh (1350/1971): Kašf al-Asrār (Die Enthüllung der Geheimnisse), Qom, S. 259 f. & 314. 229 Moghadam, Valentine M. (1989), Vol. 25, S. 74-101; Moghadam, Valentine M. (1994b), S. 189-222; Moghadam, Valentine M. (1995), Vol. 9, 3, S. 328 f.
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Iranisch-Islamischer Feminismus nach der Islamischen Revolution
C. Iranisch-Islamischer Feminismus nach der Islamischen Revolution Das Engagement der Frauen ist ein historisches Phänomen und eine soziale Tatsache, die sich beschreiben, deuten und unter vielfältigen Aspekten wissenschaftlich analysieren lässt.230 Den Ausgangspunkt feministischer Forschung bildet der Themenschwerpunkt neuer spiritueller, professioneller und sozialer Gleichheit mit der grundlegenden Botschaft gendersensitiv gerechter Prinzipien. Für den Islamischen Feminismus zählt neben o.g. Maßstäben die kritische Beurteilung patriarchalischer Diskriminierung als ein ultimatives Ziel der Reform.231 In den islamischen Ländern geht es neben der Entwicklung des westlich inspirierten Konzepts des Feminismus um Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit von Frauen, um die Teilnahme der Frauen am gesellschaftlichen und politischen Leben im Rahmen der islamischen Werte.232 Die Islamische Republik Iran setzt sich 1979 als ein theokratischer Staat die Demokratisierung der Religion zum Ziel. Zugleich diskriminieren aber die islamischen Gesetze die Rechte der Frauen und stellen eine neue islamische Frauenrolle vor, in der die Gleichberechtigung der Frauen aufgehoben wird.233 Die Geschlechtertrennung, die Stellung der Frau in den zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten sowie ihre Mitwirkung in der Politik (z.B. als Präsidentin oder Oberste Rechtsgelehrte) und die Beschränkung ihrer Aufgabe als Richterin sind einzelne Beispiele für die Einschränkung der Rechte von Frauen. Das führt dazu, dass die von Frauen gegründeten islamischen Gruppierungen, z.B. die „Frauengesellschaft der islamischen Revolution“, und die Frauenzeitschriften sowie Frauenrechtsaktivistinnen zu Gegnerinnen der islamischen Republik gemacht werden. Aʿẓam Ṭāleqānī, die Gründerin der muslimischen Frauengesellschaft und Abgeordnete der ersten Runde des Parlaments sowie Redakteurin der reformorientierten Zeitschrift Payām-i hāǧar, kritisiert einige Stellen im Koran (bspw. Sūrat an-Nisāʾ Vers
230 231 232 233
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Gerhard, Ute (2009), S. 6. Vgl. Ahmadi, Fereshteh (2006), Vol. 22, 2, S. 33−53: 35 ff. Vgl. Ebd., S. 33 f. Amirpur, Katajun (2001): „Islamischer Feminismus im Iran“, in: Frauenrechte in islamischen Ländern im Spannungsfeld von nationaler Kultur und universellen Menschenrechten, Bonn: Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Marie-Schlei-Verein, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
34 das Wort ʼqawwāmūnʽ, aus dem man die Führungsbefugnisse des Ehemanns ableitet), worauf sich die islamische Verfassung zum Nachteil der Frauen beruft. Ṭāleqānī hält eine neue und zeitgemäße Interpretation des Korans für notwendig und fordert die Frauen dazu auf, sich mit dem Koran zu beschäftigen und ihn aus eigener weiblicher Sicht zu interpretieren.234 Seit Beginn des Jahres 1990 entwickelt sich eine etwas gemäßigtere politische Atmosphäre, in der die Frauen zunehmend die von Männern dominierten Argumente als Hauptfaktor ihrer rechtlichen Benachteiligung hinterfragen.235 Die säkularen Aktivistinnen wie Šahlā Lāhīǧī, Mehrangīz Kār, Šīrīn Ebādī und die religiösen Aktivistinnen wie Šahlā Šerekat kritisieren in ihren Beiträgen die bestehenden Rechte in der Verfassung und stellen sie infrage. Für Mehrangīz Kār, iranische Anwältin und Menschenrechtsaktivistin, gilt auch die unabhängige Interpretation der Rechtsquellen Koran und Sunna als ein hervorragendes Engagement, das heute zu den Aufgaben der Frauen zählt.236 Die vorhandene Literatur in diesem Zeitraum handelt überwiegend von einzelnen Rechtsbereichen, die in damaligen Zeitungen und Zeitschriften zur Diskussion gestellt werden. Dazu gehören u.a. die Zeitschriften Zanān, Payām-i zan, Zan-i rūz, Payām-i hāǧar, Farzāneh, Hoqūq-i zanān und Ḫānevādeh. Šahlā Šerekat bringt die Frauenzeitschrift Zanān im Februar 1992 heraus, die zum Sprachrohr der feministischen Forderungen in der islamischen Gesellschaft wird.237 Diese Zeitschrift vermittelt eine kritische Einstellung im Rahmen des islamischen Systems unter Berufung auf islamische Ideale. Sie sucht die Lösung in den Auslegungsmöglichkeiten der Scharia bzw. der islamischen Grundgesetze.238 In ihr fordert Šahlā Šerekat eine Lösung der Probleme der Frauen in vier Bereichen: Religion, Kultur, Recht und Bildung. Eine Emanzipation der Frauen in diesen Bereichen könne zu ihrem gesellschaftlichen Erfolg führen.239 Die Etablie234 Amirpur, Katajun (2005): „Iran: Feminismus im Aufwind“, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 235 Mojab, Shahrzad (2001): „Theorizing the Politics of 'Islamic Feminism'", in: Feminist Review, 69, S. 124−146; Moghadam, Valentine M. (2002), Vol. 27, 4, S. 1136−1171. 236 Kār, Mehrangīz (1993): „Ğāygāh-i zan dar qavānīn-i keyfarī dar Īrān“ (Die Stellung der Frau im Strafrecht Irans), in: Zanān, 11, 2, S. 25. 237 Paidar, Parvin (1995). 238 Abid, Liselotte J. (2001), S. 69. 239 Moghadam, Valentine M. (2002), Vol. 27, 4, S. 1136−1171: 1143 f.
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rung eines Dialogs mit säkularen Denkern und die Verbreitung einer anderen Vorstellung vom Islam ist die Zielsetzung der Zeitschriften Zanān, Farzāneh und Ḫānevādeh. Die Debatte um Frauenrechte im Iran ist geprägt von westlichen Vorbildern dieses Diskurses bzw. den Faktoren und Einflüssen, die für die Entwicklung der Frauenrechte maßgeblich sind.240 Im Jahre 1994 findet über das Thema Islamischer Feminismus eine akademische Diskussion unter den im Ausland lebenden Iraner/innen statt.241 Afsāneh Naǧmābādī, Professorin für iranische Geschichte und Expertin im Bereich der Geschlechter- und Frauenforschung im Iran, bezeichnet in ihrem Beitrag in der Zeitschrift Zanān die Gleichberechtigung der Geschlechter als Islamischen Feminismus, um eine Verbesserung des rechtlichen und sozialen Status der Frauen herbeizuführen. Ihre Theorie verbreitet sich nicht nur im Iran, sondern auch im arabischen Raum und führt später zu vielen Debatten um die Vereinbarkeit von Islam und Feminismus.242 Die iranischen Feministinnen im Iran bedienen sich dabei der Argumente westlicher post-moderner Denker.243 Die Methodik des Islamischen Feminismus basiert auf der klassischen islamischen Methodologie des eǧtehāds und der hermeneutischen Interpretation der islamischen Quellen Tafsīr.244 Die Reformisten u.a. die religiösen Denker und Theologen im Iran unterstützen diesen Diskurs entsprechend der Geschlechterdebatte, beanspruchen jedoch das Recht auf Interpretation der islamischen Quellen zugunsten der Frauen, um neue Paradigmen zu entwickeln und die islamischen Konzepte und Rechte neu zu formulieren. Somit konstituieren sie eine neue feministische Perspektive. Das Ergebnis entwickelt sich zu einer Debatte um männlich-weibliche Beziehungen und um den Status der Frau im Islam und innerhalb der muslimischen Gesellschaft.
240 Kantola, Johanna (2006); Cordes, Mechthild (1995). 241 Moghissi, Haideh (1999), S. 126. 242 Moghadam, Valentine M. (2002), Vol. 27, 4; Amirpur, Katajun (2001): „Islamischer Feminismus im Iran“, in: Frauenrechte in islamischen Ländern im Spannungsfeld von nationaler Kultur und universellen Menschenrechten, Bonn: Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Marie-Schlei-Verein, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 243 Octavia, Lanny (2012): „Welche Methodik und welche Strategie?“, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 244 Ahmadi, Fereshteh (2006), Vol. 22, 2, S. 35 ff.
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
Die religiös progressiven Denker positionieren ihre Argumente um die Lesart des Korans und die Auslegung der islamischen Rechte unter neueren semiotischen Erklärungen. Unterstützt werden sie dabei von reformorientierten Klerikern. Einer der Vertreter ist Ḥoǧǧat-ol-Eslām Moḥsen Saʿīdzādeh, der in der Zeitschrift Zanān mehrere Artikel veröffentlichte, welche die Stellung der Frau im Islam sowie das Strafrecht, das Blutgeld und das Recht auf Scheidung zum Thema haben.245 Den Ausdruck waḍribūhunna aus dem Vers 34 der Sūrat an-Nisā᾿ will er nicht länger als „Schlagen“ gedeutet haben, sondern als „Liebesspiel“.246 Dass diese semiotische Neuinterpretation dabei nicht frei von erneuten misanthropen Konsequenzen ist, zeigt dieses Beispiel. Seit der Präsidentschaft von Moḥmmad Chātamī (1997-2005) kritisieren die männlichen Denker mit traditionellem Hintergrund und reformorientierten Denkrichtungen die Maßnahmen der Regierung, welche die Benachteiligung der Frauen durch eine einseitige Interpretation des Islams zuungunsten der Frauen durchgesetzt haben. In den Publikationen der Frauenperiodika stellen die Gesellschaftsakteure v.a. das System der Islamischen Republik und die Instrumentalisierung des Islams infrage. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Akzeptanz eines zeitgemäßen Islam gemäß den Maßstäben einer modernen Gesellschaft.247 ʿAbdolkarīm Sorūš248 fordert eine religiöse Gesellschaft, in der die Gültigkeit ethischer Werte und nicht das islamische Recht hervorgehoben werden. Er etabliert weiterhin den Begriff der ‚religiösen Demokratie’. In seiner Bestätigung der zivilgesellschaftlichen Komponenten und in seinem Einsatz für die Evaluierung der Frauenrechte kommt eine innere Säkularisierung zum Ausdruck.249 Moḥsen Kadīvar, ein postrevolutionärer religiös-progressiver Denker, stellt die Vereinbarkeit des Islams mit den Menschenrechten zur Diskussion. Er bezeichnet die Tradition und religiös definierten Rechte und Bräuche als Grund für die Diskriminierung der Frauen. In seiner Kritik stehen die Konservativen, die bisher mit Neo-Traditionalisten und Modernisten keine gemeinsame Sprache gefunden hätten. Er unterstützt die gesellschaftlichen sowie politischen Aktivitäten der Frauen, z.B. als Rich245 246 247 248
Sāʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen (1376/1998), Vol. 6, 37, S. 36 ff. Qāʾenī, Moḥsen (1373/1994), Vol. 18, 3/4, S. 55−59; 19, 5/6, S, 68−72, S. 72. Amirpur, Katajun; Witzke, Reinhard (2004b), S. 109. Soroush gilt als eloquenter Intellektueller und vertritt eine liberale Interpretation des Korans und eine säkular-pluralistische Reformposition innerhalb der iranischen Gesellschaft. 249 Sorūš, ʿAbdolkarīm (2005), S. 215 ff.
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Iranisch-Islamischer Feminismus nach der Islamischen Revolution
terinnen oder als moǧtahed (arab. Muǧtahid) und plädiert für eine zeitgemäße Auslegung der koranischen Suren, aus denen er eine Berechtigung der Frauen für politische Führungspositionen ableitet.250 Für Moḥammad Moǧtahed Šabestarī, ein Theologe mit reformorientierter Ideologie, steht die Hermeneutik im Mittelpunkt seiner Argumente. Er ordnet die Frauenfrage der Grundsatzdiskussion um die Vereinbarkeit von Islam und Menschenrechten zu.251 Die Vertreter der liberalen und säkularen Denkweise fördern die Gleichheit und Gleichberechtigung der Frauen. Sie setzen sich in diesem Zusammenhang mit den Menschenrechten auseinander und versuchen durch eǧtehād viele der aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Reżā ʿAlīǧānī, ʿAlīreżā ʿAlavītabār und Nāṣer Qorbanniyā sind die Vertreter einer modernen Denkrichtung: Sie halten den inhaltlichen Kern der religiösen Grundlagen für ungeeignet, eine Gleichberechtigung der Geschlechter herzustellen. Die Neuinterpretation der Stellung der Frau im Diskurs des Islamischen Feminismus bedeutet für sie die Aufhebung der diskriminierenden Gesetze gegen Frauen im islamischen Recht.252 Diese liberal-säkularen Denker betonen, dass eine Anthropologie der Vernunft unerlässlich in der Diskussion um das Verhältnis der Geschlechter ist und betrachten eine moderne religiöse Denkweise als ein Mittel zur Förderung der Gleichberechtigung.253 Darüber hinaus argumentieren sie entsprechend der modernen theologisch-hermeneutischen Methoden, um eine Verbesserung des rechtlichen Status und der sozialen Position der Frauen zu verwirklichen. Der Islamische Feminismus verlangt nicht nur die Neu-Interpretation der Scharia und der Rechte nach zeitgenössischen Erfordernissen, sondern fordert eine Revision der Rechte.254 Als politische und intellektuelle Strömung ist er teilweise von postmodernistischen Ideen beeinflusst. Für viele Vertreter ist die patriarchale Kultur ein wesentliches Problem in der
250 Kadīvar, Moḥsen (1387/2008), S. 294 ff. 251 Parinas Parhisi, Promovierte Juristin und Lehrbeauftragte der Universität Frankfurt: Parhisi, Parinas (2010a); Šabestarī, Moḥammad Moǧtahed (2000), Vol. 2, S. 227−237. 252 ʿAlīǧānī, Reżā (1385/2006). 253 Šīrāzī, Hānīyeh (1379/2000), Vol. 7, S. 65−70; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1379/2000), Vol. 65, 4, S. 44 f. 254 Ameli, Saied Reza (2001): „Feminist Expectations and the Response of Muslim Women“, in: InnovativeMinds, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Zweites Kapitel: Islamischen Feminismus und die Position der männlichen Akteure
Familie und Gesellschaft. Sie stellen sich die Gleichheit und Gleichberechtigung der Muslime vor und kritisieren in diesem Zusammenhang die islamischen Gesetze und ihre Grundlagen. In ihren Schriften verweisen sie auf Denkweisen wie den Humanismus und Säkularismus und Aussagen zu Menschenrechten, die zum großen Teil aus westlichen Kulturen übernommen sind. Durch diese neuen Vorstellungen versuchen sie, eine zeitgemäße Lesart des Korans zu entwickeln. Die Trennung der Religion vom Staat, die Anerkennung der gleichen Rechte für Männer und Frauen, die Rolle der Frau innerhalb der Familie, die Flexibilität gegenüber der Scharia und eine Diskussion über die Seinsweise von Gleichheit sind die vorrangigen Themen (Lösungsvorschläge) der Denker im dritten Jahrzehnt der Islamischen Revolution.255
255 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002); Zībāʾīnežād, Moḥammad Reżā; Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011).
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
A.
Islamische Revolution und neue Frauenrechtspostulate
Die Islamische Revolution und die Frage der GeschlechtergerechtigkeitDie iranische Monarchie wird 1979 durch eine Islamische Republik ersetzt, in der im Wesentlichen Männer die Schaltstellen der Macht besetzen. In den ersten Jahren nach der Islamischen Revolution basiert die islamische Grundordnung im Allgemeinen und die darin vorgesehene Rolle der Frau im Speziellen v.a. auf den konservativen Einstellungen der Akteure.256 Der Prozess der Gleichberechtigung und die politische Partizipation der Frauen nach der Revolution werden von den Regierungsakteuren unterbunden. Stattdessen ist ihre Staatsführung geprägt von einem kulturellen Nationalismus, einem sozialen Konservatismus und der Überzeugung von einer weiblichen Unterordnung unter den Mann. Die neue Regierung verändert per Gesetz einen großen Bereich der bisherigen Regelungen und Rechtsvorschriften und beeinflusst sie nach traditionellen Maßstäben. Eine frühzeitige Rente, die Schließung der Kinderbetreuungszentren, Geschlechtertrennung in vielen öffentlichen Bereichen wie der Universität, das verpflichtende Tragen des Schleiers sowie die Schließung von 140 Universitätsfächern für Frauen, sind einige der Maßnahmen.257 Viele Gesetze aus der Schahzeit, in denen die Frauen dieselbe rechtliche Stufe wie die Männer einnahmen, wurden nach der Revolution aufgehoben. Verabschiedet wurden die Gesetze aufgrund der allgemeinen ideologischen und politischen Einstellung der politischen und religiösen Führer ohne Rücksicht auf spezifische emotionale, moralische und ideologische Engagements der Frauen.258 Abolḥassan Banīṣadr, der erste Präsident der
256 Moghadam, Valentine M. (1989), Vol. 25, S. 74−101; Moghadam, Valentine M. (1994b), S. 189−222. 257 Moǧāb, Šahrzād (1370/1991): „Kontrol-i dowlat va moqāvemat-i zanān dar arṣeh-yi dānešgāh-hā-yi Īrān“ (Die staatliche Kontrolle und der Widerstand der Frauen an der iranischen Universität), in: Nīmeh-yi Dīgar, 14, S. 35 ff. 258 Afkhami, Mahnaz (1994): "Women in Post-Revolutionary Iran: A Feminist Perspective", in: Afkhami, Mahnaz (Eds.): In the Eye of the Storm. Women in the Post-Revolutionary Iran, London, S. 6−15.
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Islamische Revolution und neue Frauenrechtspostulate
islamischen Republik, begründet die Einschränkung der politischen Rechte der Frauen folgendermaßen: Die „neue islamische Frau“ sei verpflichtet, eine dem Manne untergeordnete Stellung einzunehmen. Ihre wesentliche Aufgabe bestehe in der Kindererziehung und der Haushaltsführung.259 Das neue System formuliert das Familienrecht im Sinne der Religionsgesetze um. In der vierten Ausgabe der Zeitung Keyhān nach der Revolution veröffentlicht der Justizminister und Mitglied der Freiheitsbewegung Ṣadr Ḥāǧǧ Sayyed Ǧavādī einige Änderungen im Familienschutzprogramm. Er spricht sich gegen Frauen im Richteramt aus und bezweifelt die Gültigkeit ihres Rechtspruchs vor Gericht. Das neue Familienschutzprogramm wird im April 1979 von Ayatollah Mahdavī Kanī, einem Mitglied der Revolutionsversammlung, erlassen. Dieses Gesetz gibt den Männern das Recht, den Scheidungsantrag beim Notar und ohne Inanspruchnahme des Familienschutzgerichts zu stellen.260 Im August 1979 wird das bisherige Familienschutzgesetz außer Kraft gesetzt, um weitere Gesetze im Sinne der Scharia verändern zu können und im Oktober 1979 durch das Zivilgericht ersetzt. Hier sollen familiäre Streitigkeiten, einschließlich der Fragen der Scheidung, des Sorgerechts, der ṣīġeh (Zeitehe) und der Polygamie entschieden werden. Das neue Gericht verlangt die Zustimmung beider Geschlechter zum Scheidungsprozess und die Anwesenheit zweier Zeugen.261 Dabei wird den Frauen praktisch jeglicher Rückgriff auf die Justiz in Angelegenheiten bspw. des Sorgerechts und der Scheidung genommen. Das neue Familienschutzprogramm erlaubt Männern, sich von ihren Frauen nach eigenem Willen scheiden zu lassen, in Polygamie zu leben und sich selbst bei einer Scheidung das Sorgerecht für die Kinder zu sichern. Dies bedroht die wirtschaftliche Sicherheit aller Frauen, unabhängig von Klasse oder sozialer Stellung. Frauen dürfen keinen Scheidungsantrag mehr vor Gericht einreichen. Das Mindestalter der Ehe für Mädchen wird wieder in die Pubertät, im Einklang mit dem islamischen Recht, zurückgesetzt. ṣīġeh oder vorübergehende Ehen werden erlaubt. 262 Es sind jedoch v.a. die Gesetze, welche die Ehe und die Scheidung betreffen, die zum Widerstand vieler Frauen führen.263 Ayatollah Montaẓerī, Präsident der 259 260 261 262 263
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Esfandiari, Haleh (1994), S. 67 f. Paidar, Parvin (1995), S. 271. Esfandiari, Haleh (1997), S. 40. Ebd. In dieser Zeit entsteht die „Frauengesellschaft der Islamischen Republik“ durch aktive Frauen wie Ferešteh Hāšemī, Šahīn Ṭabāṭabāʾī, Zahrā Rahnavard und Aʿẓam Ṭāleqānī mit sehr religiösen Hintergründen, die sich gegen die Geschlech-
Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
Versammlung, deklariert dies als Benachteiligung der Frauen.264 Gemäß GS 21 der Verfassung trage die Regierung die Verantwortung für den Schutz der Frauen im Einklang mit dem islamischen Recht und für die Bereitstellung der Mittel, um ihre Persönlichkeiten zu entwickeln.265 Diese Kritik findet allerdings keinen praktischen Widerhall, v.a. auch deswegen, weil sich in den politischen Gremien und juristischen Ständen kaum noch Frauen befinden.266 Doch trotz der Hegemonie einer konservativen Gesetzessprechung sind die Stimmen des Gegendiskurses nicht zu übersehen. Die Nationale Front kritisiert nach der Revolution die eingeführten islamischen Maßnahmen und betont Gleichberechtigung und Freiheit der Frauen als politisches Ziel.267 Die Tūdeh Partei unterstützt Frauen bei der Aufnahme eines Studiums und bei Gesundheitsprojekten v.a. in ländlichen Bereichen. Sie bezeichnet die Demonstrationen der Frauen gegen die Islamisierung der Gesellschaft als anti-imperialistische Aktivitäten.268 Die marxistischleninistische Organisation, Fadāʾiyān-i ḫalq, schließt sich diesem Duktus des Antiimperialismus an und unterstützt politische Aktivitäten von Frauen. In dieser Protektion sehen sie die islamische Frau vor „ausländischen Aggressoren“ geschützt. Eine Minorität dieser Partei ist gegen die Islamisierung der Gesellschaft. Sie stehen letztendlich als sozialdemokratischer Flügel für eine evolutionäre Entwicklung einer sozialen Gesellschaft mit-
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terdiskriminierung und die Idealisierung einer islamischen Gesellschaft engagierten. Die Zeitschrift Zan-i rūz , eine populäre Zeitschrift vor der Revolution, wird zur Plattform und zur Präsentation ihrer Ideologie zum Thema Frauenrechte benutzt. Siehe: Paidar, Parvin (1995), S. 240. Ebd. Esfandiari, Haleh (1994), S. 69. Die Teilnahme von Monīreh Gorğīfard (Lehrerin und Mitglied der Partei der Islamischen Republik, die von einer Gruppe von Geistlichen v.a. von Chomeynī gegründet wurde) in einem schwarzen Tschador-Kleid an der verfassungsgebenden Versammlung im August 1979 war eine Bestätigung dafür, dass die Geistlichen zum ersten Mal über private und öffentliche Angelegenheiten bzw. über die ökonomische, politische und gesellschaftliche Partizipation der Frauen entschieden haben, Siehe: Šaḫsiyatnegār (o.J.): Biographie von Monīreh Gorğīfard, in: Šaḫsiyatnegār, online verfügbar unter: [Aufgerufen im September 2015]. Poya, Maryam (1987): „Iran 1979 – Long live Revolution! … Long live Islam?", in: Barker, Colin (Eds.): Revolutionary Rehearsals, London, S. 123–168 & 259– 261. Sanasarian, Eliz (1982), S. 72 f.
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samt Gleichberechtigung und politischer Teilhabe der Frauen auf der Grundlage eines kapitalistischen Wirtschaftssystems. Demnach müsse au-ch das kapitalistische Wirtschaftssystem im Iran erst zu seiner vollen Entfaltung kommen, damit eine Gleichberechtigung aller Gesellschaftsmitglieder vollzogen werden kann.269 Die Mehrheit der Mitglieder wie Sāzm-āni vaḥdat kommonīst (Kommunistische Partei), Rāh-i kārgarān (Arbeiterpartei), Etteḥād-i čap (Linke Einheit), Ǧebheh-yi demokrātīk-i mellī (National-Demokratische Front) stehen für die individuelle Freiheit und Demokratie.270 Eine große Uneinigkeit herrscht über den Begriff ʼGleichheit vor dem Gesetz‘. Insbesondere die konservativen Mitglieder des Parlaments wie Ayatollah Ṣaddūqī erachten als notwendig, dass Männer und Frauen zwei unterschiedlichen Gesetzen unterstehen.271 Sie halten eine Geschlechterapartheid für wichtig, sind gleichzeitig jedoch für Gleichberechtigung.272 Dieser scheinbare Gegensatz löst sich auf, wenn man beachtet, dass hier eine Vorstellung von der natürlichen Differenz beider Geschlechter zugrunde liegt. Somit gilt es als durchaus frauenfreundlich, deren spezifische Aufgabe als Mutter und Ehefrau zu schützen. Aus diesem Grund wird die Arbeitszeit für weibliche Abgeordnete auf 50 Prozent reduziert.273 Die Berufstätigkeit der Frau empfinden die Konservativen als eine Belastung für den Haushalt. Großayatollah Yūsof Ṣāneʿī kritisiert hingegen diese Gesetze aus einer liberalen Sichtweise zur Position der Frau innerhalb der Familie und konstatiert, dass diese nicht mit dem Zivilrecht in Einklang stünden.274 Als Nächstes wird diskutiert, ob der Mutterschafts-
269 Zanān dar masīr-i āzādī (Die Frauen auf dem Weg zur Freiheit): Sāzmān-i moğāhedīn-i ḫalq, Tehrān 1358/1979, Siehe: Paidar, Parvin (1995), S. 246 f. 270 Ebd., S. 250 f. 271 Rūznāmeh-yi rasmī-yi Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān: Mašrūḥ-i moẕākerāt-i mağlesi šorā-yi eslāmī (Die offizielle Zeitung der Islamischen Republik Iran: Die detaillierten Verhandlungen des islamischen Parlaments), Esfand 1361/März 1984. 272 Esfandiari, Haleh (1994). 273 Rūznāmeh-yi rasmī-yi Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān: Mašrūḥ-i moẕākerāt-i mağlesi šorā-yi eslāmī (Die offizielle Zeitung der Islamischen Republik Iran: Die detaillierten Verhandlungen des islamischen Parlaments), Esfand 1361/März 1984. 274 Tageszeitung Keyhān, erschienen in Teherān seit 1940, Nr. 16 (04.04.1983/ 15.01.1362), Nr. 17: (08.02.1984/19.11.1362)
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
urlaub und eine Chancengleichheit für Frauen in allen Berufsfeldern notwendig sei.275 Der Iran-Irak-Krieg von Sept. 1980 bis Aug. 1988 führte aufgrund des starken Absturzes des Ölpreises zu sozialen Ungerechtigkeiten, zu innenpolitischen Unruhen und zu wirtschaftlicher Stagnation. Dies zwang die Regierung dazu, eine Palette von Maßnahmen zur sozioökonomischen, außenpolitischen Orientierung durchzusetzen und sich trotz der Meinungsverschiedenheit vieler Konservativer für eine Reform auszusprechen. Frauen wurden als Revolutionsgarden rekrutiert und engagieren sich seitdem mit der Unterstützung des Staates in der Alphabetisierung und medizinischen Hilfe. Sie spielen eine wichtige Rolle bei Hilfsaktionen in den Kriegsgebieten. Ayatollah Chomeynī nennt solche Aktivitäten nach der traditionellen Scharia-Einstellung ǧihād (Kampf, Anstrengung und Bemühung).276 Ǧihād, nach der Auffassung von Ayatollah Ṣāneʿī, spezifiziert sich in der Teilnahme der Frauen neben den Männern in anderen Bereichen wie Krankenpflege und Vorbereitung der Mahlzeiten.277 Ayatollah Chomeynī weist des Weiteren auf die Bedeutung der Wiederheirat der Kriegswitwen hin. Bonīyād-i šahīd (Märtyrer Organisation), gegründet eben für die Unterstützung der Märtyrerfamilie, wird dementsprechend verpflichtet, den Kriegswitwen eine finanzielle Deckung zu gewährleisten. Nach dem islamischen Recht ist die Mutter die erste Person nach dem Tod ihres Mannes, die Verantwortung für einen Minderjährigen tragen soll. Bonīyād-i šahīd übernimmt die Verantwortung, wenn der neue Ehemann das Sorgerecht für die Kinder verweigert.278 Im Jahr 1988 und infolge der Kulturrevolution wird zum ersten Mal über die Erstellung eines Dekrets zu den Rechten und der Verantwortung der Frau innerhalb der Islamischen Republik Iran gesprochen.279 Mit dem Ende des Krieges werden neue Richtlinien eingeführt, um die zerstörten Infrastrukturen wiederherzustellen und die Wirtschaft zu reor275 Rūznāmeh-yi rasmī-yi Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān: Mašrūḥ-i moẕākerāt-i mağlesi šorā-yi eslāmī (Die offizielle Zeitung der Islamischen Republik Iran: Die detaillierten Verhandlungen des islamischen Parlaments), Farwardīn 1362/April 1984. 276 Paidar, Parvin (1995), S. 306. 277 Wochenblatt Zan-e Rūz, 24. 278 Rūznāmeh-yi rasmī-yi Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān: Mašrūḥ-i moẕākerāt-i mağlesi šorā-yi eslāmī (Die offizielle Zeitung der Islamischen Republik Iran: Die detaillierten Verhandlungen des islamischen Parlaments), Ḫordād 1364/Juni 1985. 279 Qorbānniyā, Nāṣer (1383/2004a), Vol. 1, 1, S. 113.
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Islamische Revolution und neue Frauenrechtspostulate
ganisieren. Aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation und der fehlenden Spezialisten in vielen Bereichen, wie der Industrie, ermöglicht die Regierung eine relative Freiheit für viele Berufe u.a. die Presse. Die Pressefreiheit (während der Abwesenheit der politischen Parteien) spielt eine entscheidende Rolle in der Präsentation verschiedener kultureller und politischer Strömungen in der Gesellschaft. Die säkularen Intellektuellen und die modernen religiösen Schichten, u.a. die Geistlichen, fordern Meinungsfreiheit und eine Erneuerung der Denkweisen. Die Regierungsmaßnahmen, die u.a. die ungleichen Rechte und eine Interpretation des Islams zuungunsten der Frauen zur Folge haben, werden von beiden Geschlechtern kritisiert. Die neue Pressefreiheit ermöglicht es Frauen, ihre eigene Zeitschrift herauszugeben. Die Redakteurinnen sprechen in den Artikeln über ihre benachteiligende Situation. Die Frauenzeitschrift Payām-i hāǧar herausgegeben von Aʿẓam Ṭāleqānī, Nedā herausgegeben von Zahrā Moṣṭafavī, der Tochter von Ayatollah Chomeynī, und Farzāneh herausgegeben von Maḥbūbeh Ommī, Zan-i rūz, die nach der Revolution von einem traditionellen und konservativen Verlag Keyhān publiziert und unterstützt wird, befassen sich hauptsächlich mit gesellschaftlichen Problemen der Frauen.280 Im Feb. 1988 gründet Chomeynī den Zweckmäßigkeitsrat gegen den Willen der Konservativen, der vom Präsidenten geleitet wird und die Gesetze zwischen Parlament und Wächterrat bearbeitet. Die Mitglieder in diesem Rat sind ʿAlī Chāmeneʾī, ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī, Moḥammad Tavassolī, Mīr-Hosayn Mūsavī, ʿAbdolkarīm Mūsavī Ardebīlī und Moḥammad Mūsavī Choʾīnīhā. Ayatollah Chomeynī äußert vier Tage vor den Wahlen zum dritten Parlament (1988-1992), dass jeder seine Stimme für die gesellschaftliche Entwicklung und nicht für die Entwicklung eines kapitalistischen Islams abgeben solle.281 Er unterstützt zum ersten Mal den dynamischen feqh, bezieht sich auf die Relevanz von eǧtehād und motiviert die Geistlichen, v.a. die arab. Muǧtahidūn , sich mit den rechtlichen Problemen auseinanderzusetzen, die zur Konfrontation zwischen islamischen und westlichen Systemen führen.282
280 Kian-Thiébaut, Azadeh (2002): „From Islamization to the Individualization of Women in Post-revolutionary Iran", in: Ansari, Sarah; Martin, Vanessa (Eds.): Women, Religion and Culture in Iran, Curzon, S. 130. 281 Tageszeitung Eṭṭelā᾿āt, 4. April 1988. 282 Eṭṭelāʿāt, 20. Juni 1988.
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
Aufgrund der politischen Lage nach dem Krieg mit dem Irak stehen die gesellschaftlichen Probleme im Vordergrund und nicht mehr die politische Partizipation der Frauen. In der zweiten Dekade der Islamischen Republik werden die Rechte über Frauen und die Maßnahmen der Regierung, die die Benachteiligung der Frauen durch eine dementsprechende Interpretation des Islams zuungunsten der Frauen hervorgebracht haben, v.a. von Frauen, unter ihnen auch Töchter der Regierungsmitglieder, kritisiert. Sie fordern eine Demokratisierung, in der Freiheit und Gleichheit gewährleistet sind. Diese Frauengruppen lassen sich von den Argumenten der im Ausland lebenden Iranerinnen inspirieren.283 Im Feb. 1989 kritisiert Chomeynī die Konservativen. Zwei Monate vor seinem Tod fordert er eine Verbesserung der islamischen Verfassung.284 Ayatollah Chomeynīs Tod führt zu einer Krise auf gesellschaftlicher und politischer Ebene bei der Besetzung von Führungspositionen.285
283 Das Vorbild der iranischen Frauen war Afsāneh Naǧmābādī, die sowohl im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten ausgebildet und Professorin für Frauenforschung in New York ist; Nayyereh Toḥīdī ist in USA ausgebildete Professorin für Frauenforschung in Kalifornien; Zībā Mīr-Hosseynī ist in Cambridge ausgebildeter Sozial-Anthropologe mit Sitz in London; Die linke Aktivistin Hāyedeh Moqīṯī studiert in Kanada Frauenforschung; Šahrzād Moğāb mit einer administrativen Position an der Universität in Kanada und Ḥāmed Šahīdiyān lehrt Soziologie in den Vereinigten Staaten. Šahīdiyāns Argumente wurden in US Soziologie Zeitschriften und in der Frauenpresse im Iran veröffentlicht. Diese drei letzten Aktivisten positionieren sich links innerhalb des iranischen politischen Spektrums. In den 1970er- und 1980er-Jahren waren Toḥīdī und Naǧmābādī in der linken Anti-Schah-Studenten-bewegung und später in den anti-fundamentalistischen und feministischen Bewegungen aktiv. Naǧmābādī war Gründungsmitglied und Redakteurin des Ex-patriates, der feministischen Zeitschrift Nīmeh-yi dīgar (Die andere Hälfte). Toḥīdī, die mehrmals in den 1990er-Jahren den Iran besuchte, ist in engem Kontakt mit Feministinnen im Iran, und wie Naǧmābādī veröffentlicht sie häufig Artikel in der iranischen Frauen-Presse. 284 Tageszeitung Eṭṭelā᾿āt, 26. Juni 1989. 285 Das Problem der Etablierung einer neuen Machtordnung nach Chomeynī wurde durch eine Verfassungsreform gelöst, die das Prinzip der velāyat-i faqīh, Oberste Rechtsgelehrte, modifizierte. Die Grundsätze 109 und 110 der Verfassung wurden teilweise geändert. Vom Revolutionsführer wurde nicht mehr gefordert, höchste religiöse und politische Autorität in sich zu vereinen, sondern es wurde ermöglicht, mangelnde theologische Qualifikation durch politische Expertise aufzuwiegen. Siehe: Topa, Alessandro (2009): Irans Geschichte: 1979-2009 − zwischen Revolution, Reform, Restauration, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015].
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ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1989-1993) − Wiederaufbau und Entideologisierung
B.
ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1989-1993) − Wiederaufbau und Entideologisierung
Die gesellschaftlich-politische Atmosphäre während der Präsidentschaft ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanānīs bot die Möglichkeit eines Dialogs zwischen den Gesellschafts- und Regierungsakteuren, u.a. den Vereinigungen der Akademiker, dem islamischen Verein der Minister und Regierungsbeamten sowie der Mitarbeiter von Daftar-i taḥkīm-i vaḥdat (Das Büro zur Konsolidierung der Einheit). Dieser Dialog führte zur Manifestation von politisch-religiösen und -nichtreligiösen Gesellschaftsgruppen: den radikal-konservativen, den religiös-progressiven sowie den progressiven Denkern. Zum ersten Mal setzt sich die zweite Gruppe, die religiösen Reformdenker, aufgrund der herrschenden gesellschaftspolitischen Ungleichheit der Geschlechter und der diskriminierenden Gesetze seit der Islamischen Revolution für die Frauenrechte ein. Die Gelehrten mit progressivem und aufklärerischem Gedankengut führen diese Ungleichheit auf islamische Prinzipien zurück und forderten eine neue und zeitgemäße Interpretation der islamischen Rechte und Gesetze. Eine dritte Gruppe, progressive Denker, befürworteten die Frauenrechte und stützten sich bei ihrer Argumentation auf westliche Maßstäbe und Prinzipien, wie Menschenrechte und Demokratie. Rafsanǧānī ist der erste geschäftsführende Präsident der Republik nach dem Iran-Irak-Krieg, der sich bemühte, in seiner Amtszeit die radikalen Rivalen zu neutralisieren.286 Um die im Krieg zerstörte Industrie und Infrastruktur wieder aufzubauen, begann Rafsanǧānī die staatlichen Unternehmen zu privatisieren. Seine Modernisierungsmaßnahmen ähneln den alten Plänen des Schahs. Er bot exilierten Experten die Rückkehr an, um die Defizite in Management, Technologie und Bildungswesen zu beheben und das Wirtschaftssystem zu reformieren.287 Rafsanǧānī gehört aufgrund seiner progressiven Maßnahmen zur Gruppe der Radikal-Konservativen. Im Laufe seiner Präsidentschaft wird er in seinen Positionen zu Ökonomie, zu außenpolitischen Beziehungen, Frauenfragen und gesellschaftlichen Bereichen von unterschiedlichen Beratergruppen unterstützt.
286 Ehteshami, Anoushiravan (1995): After Khomeini. The Iranian second Republic, London & New York, S. 51. 287 Topa, Alessandro (2009): Irans Geschichte: 1979-2009 − zwischen Revolution, Reform, Restauration, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015].
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
Rafsanǧānī hält, trotz seiner konservativen Ideologie, eine Neuverortung der Geschlechterbeziehungen und der rechtlichen und kulturellen Behinderungen der Frauen für wichtig. Die Präsenz der Frauen in der Öffentlichkeit bezieht sich während seiner Amtszeit nur auf das Parlament und die Beratung im Büro des Präsidenten. Dies führt zur Forderung der Frauen nach weiteren sozialen und politischen Entwicklungen und der Durchführung einer Reform innerhalb des islamischen Systems. Die Grü-ndung eines reformorientierten Staates bereitet die Grundlage für die weitere Partizipation der Frauen in der Politik.288 Ayatollah Moḥammad Ya-zdī ist einer der Unterstützer der Frauenrechte. Er war unter Rafsanǧānī von 1989 bis 1999 der Leiter der Judikative. Laut GS 156 der islamischen Verfassung des Irans schützt diese unabhängige Gewalt das Individual- und Gemeinschaftsrecht und ist gleichzeitig für die Realisierung der Gerechtigkeit verantwortlich. Ayatollah Moḥammad Yazdī gründete das Frauenbüro als eine Verbindung zwischen Präsidentenamt und Judikative und macht es seiner Tochter Malīkeh Yazdī zur Aufgabe, im Frauenbereich tätig zu werden und die Frauenfrage direkt an die Judikative weiterzugeben. Die Verabschiedung diverser Gesetze erfolgte aus eben dieser politischen Beziehung zwischen Frauenbüro, Präsidentenamt und Judikative, wie das Gesetz der finanziellen Unterstützung der sozial schwachen Frauen, Waisen und Kinder, das Frauenvergütungsgesetz, das Gesetz zum Erhalt der Morgengabe zum aktuellem Tagespreis und das Gesetz zu Arbeitsschwierigkeiten der Krankenschwestern und Ehefrauen, die Menschen mit Behinderung unterstützen. Eine der wichtigsten Maßnahmen des Frauenbüros war die entsprechende Einflussnahme auf die Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches.289 In der Amtszeit von Rafsanǧānī wurde die Situation der Frauen im Iran von Menschenrechtsorganisationen im Ausland nicht kritisiert.290 In seiner Amtszeit unterstützte er die Frauen, um ihre gesellschaftliche Partizipation zu verstärken. Die Gründung des Partnerschaftsbüros bzw. Frauenbüros, mit dem Ziel, den Chef der Exekuti-
288 Amīršāhī, Farnūš (o.J.): Ḥożūr-i sāyeh-yi zanān dar siyāsat (Die leichte Präsenz von Frauen in der Politik), online verfügbar unter: [Aufgerufen im November 2015]. 289 Ḥabībī, Šahlā (1392/2013): „Ānčeh dowlat-i sāzandegī barāyi zanān be armaġān āvard“ (Etwas, was die Regierung von Rafsanǧānī für die Frauen brachte), in: Mehrḫāneh (Die Fachzeitschrift der Frauen und Familie), online verfügbar unter: [Aufgerufen im November 2015]. 290 Ebd.
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ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1989-1993) − Wiederaufbau und Entideologisierung
ve291 bzw. den Präsidenten in Frauenfragen zu beraten, stand unter seiner Protektion. Der Vorschlag hierzu kam von seiner Tochter Fāṭemeh Hāšemī Rafsanǧānī während der Wahlkampagne für die Präsidentschaft und wurde im Jahr 1991 nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Frauenausschuss umgesetzt. Die aktiven Frauen in diesem Büro waren u.a. Šahlā Ḥabībī (Leiterin des Frauenbüros), Fāʾezeh Hāšemī Rafsanǧānī, (Stellvertreterin des Nationalen Olympischen Komitees), Fāṭemeh Rameżānzādeh (Leiterin der Abteilung Gesundheit der Familie im Ministerium für Gesundheit) und Maʿṣūmeh Ebtekār (Leiterin der Frauen-NGOs). Hāšemī Rafsanǧānī verweist in seinem Buch Die Frau und soziale Gleichberechtigung auf die humanitären Rechte der Männer und Frauen. Die Grundlage eines islamischen Gedankens in Bezug auf Gleichberechtigung der Frauen basiert auf dem Kampf gegen die Beeinträchtigung des Denkens und die Minderwertigkeit der Frau als zweites bzw. anderes Geschlecht und ihre 292 Anerkennung als unabhängiger Mensch, vollständig und gleich wie ein Mann.
Die weiteren Maßnahmen seiner Amtszeit waren u.a. die Bereitstellung der sportlichen und freizeitlichen Möglichkeiten und die Zusammenarbeit der Frauen in sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen sowie pädagogischen Bereichen unter Einbeziehung der islamischen Gesetze.293 Darüber hinaus verbesserte er die Bildungsmöglichkeiten für Frauen, initiierte die Debatte um die kulturelle Invasion und die sog. „Modernitätsdebatte”. Die infolge der Inflation entstandenen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Probleme und die herrschende soziale Ungleichheit führen in diesem Zeitraum zur Beförderung der gesellschaftlichen Position der Frau. Besonders ermutigte Rafsanǧānī Frauen, sich auf dem Arbeitsmarkt für hohe Positionen zu engagieren.294 Des Weiteren berücksichtigt Rafsanǧānī die Frauenrechte in unterschiedlichen öffentlichen und privaten Bereichen, wie der freien Partnerwahl einer Frau, den Rechten in der Ehe, der finanziellen Selbst291 Die Exekutive besteht aus dem Präsidenten und seinen Ministern. Beide, der Präsident (GS 122) und seine Minister (GS 133) sind verantwortlich für das Parlament. Der Führer, trotz seiner breiten Kompetenzen, wird nicht als Teil der Exekutive betrachtet. Er hat jedoch Einfluss auf die Abstimmung der Gesetze. 292 Hāšemī Rafsanǧānī, ʿAlī Akbar (1380/2001): Zan va ʿedālat-i eǧtemāʿī (Die Frau und die soziale Gleichberechtigung), Tehrān, S. 61. 293 Der Absatz 65 des Einzelgrundsatzes: Das Entwicklungsprogramm der zweiten fünf Jahre nach der Revolution. 294 Zaʽfarānčī, Laylā Sādāt (1385/2006): „Zanān va ḫānevādeh dar čahār barnāmehyi towseʿeh“ (Die Frauen und Familie in vier Entwicklungsprogrammen), in: Moṭāleʿāt-i rāhbordī-yi zanān, 33, online Verfügbar unter: [zuletzt aufgerufen im November 2015].
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
ständigkeit der Frauen sowie im Scheidungsrecht. Er erklärt die Rechtsgutachten der Gelehrten über den Einfluss des Vaters auf die Eheschließung seiner Tochter für ungültig. Jede Frau sei frei und sollte selbst ihren zukünftigen Mann bestimmen können. Wenn der Vater, wie es im islamischen Rechtswesen festgelegt ist, anstelle seiner Tochter gegen ihren Willen entscheidet, sollte sein Wort für ungültig erklärt werden. Rafsanǧānī sieht die Frauen verpflichtet, einen Ehemann zu suchen und sich nicht auf Tradition und Kultur zu verlassen.295 Er legt großen Wert auf die Ehe und findet Polygamie nur als einen unterstützenswerten Lösungsvorschlag, wenn durch Katastrophen die Anzahl der Männer bedrohlich reduziert würde. Diese Situation solle jedoch von Männern nicht ausgenutzt werden, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Eine situationsbedingte befristete Zeitehe dürfe nicht den Wert einer Dauerehe beeinträchtigen.296 Für Ḥoǧǧat-ol-Eslām Hāšemī Rafsanǧānī bedeutet Gleichheit und Gleichberechtigung nicht vollständige Gleichstellung, sondern die gleich-en Rechte für beide Geschlechter, unter Berücksichtigung der biologischen Unterschiede und gesellschaftlichen Fähigkeiten. Die Rechte, die das Gesetz insofern anbietet, entsprechen einer Unterscheidung beider Geschlechter nach „natürlicher“ Differenzierung.297 Der Islam verweist auf die Rolle des Mannes und seine finanzielle Verantwortung gegenüber der Frau und seiner Familie. Dies steht im Mittelpunkt vieler Diskussionen über die ungleiche Verteilung des Erbes, welche mit der Position der Frau und ihrer Teilhabe an den finanziellen Bedingungen in der Familie begründet wird.298 Die Stabilität der Familie im Islam ist bedeutend. Hāšemī Rafsanǧānī findet den Einfluss der Scheidung auf die Familie und Gesellschaft als bedrohend. Deshalb verweist er auf die schnelle und emotionale Entscheidung der Frau und überträgt nach dem Islam das Recht zur Scheidung den Männern. Trotz seiner Erklärung unterstützt Rafsanǧānī das Recht der Frauen zur Scheidung aufgrund der heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse.299
295 296 297 298 299
Hāšemī Rafsanǧānī, ʿAlī Akbar (1380/2001), S. 102 ff. Ebd., S. 114. Ebd., S. 137 f. Ebd., S. 50. Ebd., S. 140.
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ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1993-1997) − Ein Schritt zu mehr Freiheit
C. ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1993-1997) − Ein Schritt zu mehr Freiheit In der zweiten Phase der Präsidentschaft von Hāšemī Rafsanǧānī kommt es zu wichtigen Änderungen, insbesondere zu einigen taktischen und ideologischen Verschiebungen zwischen beiden regierenden Fraktionen, der sogenannten „Rechten“, (konservativ und eher theokratisch) und der „Linken“, (progressiv und demokratisch). Viele Geistliche in machtvollen Positionen sprechen sich gegen die Einführung der islamischen Regelung und die Benachteiligung der Rechte der Frauen v.a. für ihre Töchter und Schwestern aus und fordern eine Interpretation der islamischen Jurisprudenz zur Durchsetzung einer zeitgemäßen Reform des islamischen Rechts, auf Basis der Methode des dynamischen feqh.300 Trotz des überwältigenden Sieges der Konservativen bei den vierten Parlamentswahlen 1992 werden insgesamt neun Frauen (3,3%), die überwiegend gut gebildet sind, gewählt.301 Das vierte Parlament versucht die traditionelle dominante Sichtweise zu neutralisieren. Dabei wird von zwei Abgeordneten – Nafīseh Fayyāzbaḫš und Monīreh Nowbaḫt – eine Sonderkommission für Frauen gegründet302, die von vielen männlichen Abgeordneten nicht anerkannt wird.303 Die vorhandene Literatur aus diesem Zeitraum handelt überwiegend von einzelnen Rechtsbereichen und der Rezeption der Diskursaussagen der Akteure und ihrer Richtlinien, die in damaligen Zeitungen und v.a.
300 Rostam Povey, Elaheh (2001): "Feminist Contestations of Institutional Domains in Iran", in: Feminist Review, 69, S. 44−72: 52. 301 Kian, Azadeh (1997): "Women and Politics in Post-Islamist Iran: The Gender Conscious Drive to Change", in: British Journal of Middle Eastern Studies, 24, 1, S. 75−96: 84. 302 Maryam Behrūz eine der Abgeordneten argumentiert gegen jegliche Art der westlichen Unterstützung der Frauenrechte. Sie weist auf die Rolle der Männer als Beschützer der Frauen hin. Die weiblichen Abgeordneten argumentierten ihre Zielsetzung weniger islamisch und mehr entsprechend der globalen Frauenrechte. Soheylā Ğelodarzādeh, Ğamīleh Kadīvar, Fātemeh Rākehʿī, Fātemeh Ḥaqīqatǧū und Elāheh Kūlāʾī waren für die Durchführung der Reform der Frauenrechte. Sie forderten Änderungen im patriarchalen Familienrecht sowie mehr politische Freiheit. Siehe: Moghadam, Valentine M. (2004): "Women in der Islamic Republic of Iran: Legal Status, Social Positions and Collective Actions", in: Woodrow Wilson International Center for Scholars Conference, 17. 303 Amīnlū, Ḥasan (1372/1993): „Tarḥ-i komīsīyūn-i vīžeh-yi omūr-i bānovān dar maǧles“ (Der spezielle Entwurf über die Frauenfrage im Parlament), in: Zan-i rūz, 26, S. 11 f.
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
Frauenzeitschriften thematisiert werden. Hierzu gehören z.B. die Zeitschriften Zanān, Payām-i zan, Zan-i rūz, Payām-i hāǧar, Farzāneh, Hoqūq-i zanān, Ḫānevādeh. Die Zeitschriften Zanān und Ḫānevādeh werden zum Sprachrohr des „Islamischen Feminismus“.304 Die Zeitschrift Zanān problematisiert die Interpretation des Korans ausschließlich durch Männer und proklamiert das Recht der Frauen auf Auslegung und eigene Interpretationen.305 Šahlā Šerekat findet den Schlüssel zur Lösung der Frauenprobleme in vier Bereichen: Religion, Kultur, Recht und Bildung. Die Herstellung eines Ausgleiches unter diesen Domänen führe zur gesellschaftlichen Entwicklung und zum Fortschritt für die Frauen.306 Die Entstehung eines Dialogs mit säkularen Denkern und die Verbreitung einer anderen Vorstellung vom Islam war die Zielsetzung der Zeitschriften Zanān, Farzāneh und Ḫānevādeh. Die religiösen Denker haben sich später dieser Gruppe angeschlossen. Ḥoǧǧat-ol-Eslām Moḥsen Saʿīdzādeh hat als Geistlicher in der Zeitschrift Zanān 1992 mehrere rechtswissenschaftliche Artikel zum Recht der Frau in der Ehe, bei der Scheidung und im Familienrecht unter den Decknamen Mīnā Yādegār Āzādī und Zeynab asSādāt Kermānšāhī und später unter eigenem Namen veröffentlicht.307 Die religiös progressiven Denker sind in ihren Argumenten von der Notwendigkeit geleitet, das islamische Recht der heutigen Zeit anzupassen. Der Versuch, eine Reform zu bewirken, wird von religiösen Intellektuellen und reformatorischen Klerikern unterstützt, aber von Konservativen stets kritisiert. Die nichtreligiösen Intellektuellen und die modernen religiösen Schichten u.a. die Geistlichen, fordern die Konstruktion eines neuen Geistes des islamischen Universalismus, der mit den Maßstäben einer modernen Gesellschaft und westlichen bzw. internationalen Kriterien übereinstimmen kann. Außerdem beanspruchen sie eine neue Denkweise und ein zeitgemäßes Verständnis der Religion und der Reproduktion des religiösen Wissens.308 Diese Akteure fordern eine Neugestaltung und Formulierung europäischer Normen wie Humanismus und Aufklärung und die davon abgeleiteten Rechtsvorstellungen in den iranischen Gegebenheiten.309 Ihre liberalen Ansichten basieren auf einer neuen In304 Kian, Azadeh (1997), Vol. 24, 1, S. 91 ff.; Moghadam, Valentine M. (2002), Vol. 27, 4, S. 1141 ff. 305 Šerekat, Šahlā (1371/1992), Vol. 1, 1. 306 Ebd. 307 Zībāʾīnežād, Moḥammad Reżā; Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 181. 308 Mir-Hosseini, Ziba (2003), S. 53 ff. 309 Elias, Jamal J. (2000): Islam, Freiburg im Breisgau, S. 152.
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ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī (1993-1997) − Ein Schritt zu mehr Freiheit
terpretation des religiösen Kontexts bzw. des Korans. Die veröffentlichten Publikationen dieser Gesellschaftsakteure in Zeitschriften, v.a. in Frauenperiodika, kritisieren größtenteils das System der Islamischen Republik und die Instrumentalisierung des Islams. Die Versöhnung des Islams mit der Moderne steht im Mittelpunkt ihrer Diskussionen.310 ʿAbdolkarīm Sorūš weist auf die religiöse Demokratie und die Rolle der Frau in seinem Artikel in der Zeitschrift Zanān hin. Er konstatiert eine religiöse Gesellschaft, in der ethische Werte vor dem islamischen Recht stehen müssen. Dabei verweist er auf eine Natürlichkeit des Wesens der Menschen als Männer und Frauen und bekräftigt eine Rollenzuschreibung je nach ihrer Seinsweise. Bei seiner Bestätigung der zivilgesellschaftlichen Komponenten und seinem Ansatz für die Evaluierung der Frauenrechte kommt jedoch auch die säkulare Haltung von Sorūš zum Ausdruck.311 Großayatollah Yūsof Ṣāneʿī und Ayatollah Sayyed Moḥammad Mūsavī Boǧnūrdī, Ḥoǧǧat-ol-Eslām Moḥsen Saʿīdzādeh, Moḥaqeq Dāmād, Hosayn Mehrpūr und Aḥmad Ākūčakiyān unterstützen die vernachlässigten Rechte der Frauen in ihren publizierten Artikeln. Sie vergleichen dabei die islamischen Rechte mit der Realität der heutigen Gesellschaft. In einigen ihrer Schriften beklagen sie das fehlende Engagement der Frauen (v.a. von Journalistinnen und Parlamentsabgeordneten) gegen die Entscheidung des Zivilgerichtes. Der Islam gilt ihnen als die Religion der Gerechtigkeit und des Mitgefühls.312 Im Januar 1996 ernennt das Justizministerium 200 Frauen als Rechtsberaterinnen, um eine Verbesserung der Frauenrechte in den Gerichten zu gewährleisten. Das fünfte Parlament (1996-2000) mit einer großen Zahl von weiblichen Angehörigen engagiert sich für ein neues Geschlechterbewusstsein der muslimischen Frauen und die Unterstützung des Status der Frauen bzw. ihrer Rechte. In der Sonderkommission für Frauen- und Familienangelegenheiten sind unter dreizehn Mitgliedern neun Frauen. Diese Kommission ist verpflichtet, die Gesetze zum Schutz der Frauen-
310 Amirpur, Katajun & Witzke, Reinhard (2004b), S. 109. 311 Sorūš, ʿAbdolkarīm (2005), S. 215 ff. 312 Moḥaqqeq Dāmād, Sayyed Moṣṭafā (1386/2007): Baressī-yi feqhī-yi ḥoqūq-i ḫānevādeh, nekāh va enḥelāl-i ān (Die islamisch-rechtliche Untersuchung der Familie und Ehe und ihre Auflösung), Tehrān.; Moḥaqqeq Dāmād, Sayyed Moṣṭafā (1394/2015): Ṣolḥ va aṣl-i barābarī-yi ensānī (Frieden und der Grundsatz der humanistischen Gleichheit), online verfügbar unter: [Aufgerufen im November 2015].
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
rechte zu verbessern. Die Frauen in dieser Kommission fordern das Scheidungsrecht der Frauen und ihre Vormundschaft nach der Scheidung für ihre Kinder.313 Im September 1996 bestätigt Ayatollah Moqaddas Ardebīlī den Zugang der Frauen zum Richteramt und stellt dazu eine fatwā aus. Die Zulassung der Frauen als Richterin wird jedoch in dieser Zeit von Ayatollah Moḥammad Yazdī, Leiter der Justiz, kritisiert und infrage gestellt. Trotz dieses Widerstandes wird zum ersten Mal nach der Islamischen Revolution eine Frau als Vizedirektorin der Teheraner Justiz zugelassen. Außerdem wird eine Frau als Vizeministerin für das Gesundheitswesen berufen.314
D. Moḥammad Chātamī (1997-2001) – Die Entstehung einer Zivilgesellschaft Bei den Präsidentschaftswahlen am 23. Mai 1997 stimmt eine überwältigende Mehrheit von 70 Prozent für Ḥoǧǧat-ol-Eslām Sayyed Moḥammad Chātamī. Er ist Kulturminister der Regierung von Hāšemī Rafsanǧānī, wird aufgrund seiner modern orientierten Politik zum Rücktritt gezwungen und dann zum Leiter der Nationalbibliothek in Teheran „hinwegbefördert”. Aufgrund der in seiner Regierungszeit vollzogenen Änderungen und neuen Ideologien wird seine Präsidentschaft in internationalen Medien als zweite Revolution interpretiert.315 Mit seinen Wahlkampfthemen wie Rechtsstaatlichkeit, Zivilgesellschaft, Frauenrechte und Meinungsfreiheit, gewinnt er die Mehrheit der iranischen Bevölkerung für sich. Seinem Wahlsieg geht eine umfassende Diskussion innerhalb der religiösen Elite über eine Reform der Islamischen Republik Iran voran. Seit dieser Zeit verbreitert sich die Kluft zwischen politisch-ideologischen und reformorientierten Akteuren. Die Linksorientierten, Moderaten, Reformisten, islamischen Intellektuellen und progressiven Geistlichen stehen den rechtsorientierten Konservativen bzw. Neo-Fundamentalisten gegenüber. Moḥammad Chātamī versucht mit seiner reformorientierten Denkweise, den Islam mit Demokratie und Menschenrechten in Einklang zu bringen. Die Reformer stützen sich auf Demokratie und Menschenrechte. 313 Kian, Azadeh (1997), Vol. 24, 1, S. 75−96: 95 f. 314 Ebd. 315 "Moderate Leader is Elected in Iran", in: New York Times , 25 May, 1997; "Khatami Promises a Fresh Start" in: Middel East Economic Digest, June 6, 1997.
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Moḥammad Chātamī (1997-2001) – Die Entstehung einer Zivilgesellschaft
Viele bisher konservative Kleriker setzen sich für Demokratie, Toleranz und die Umwandlung des islamischen Rechts ein. Dies führt zu neuen Diskussionen unter den Geistlichen, mit dem Ziel, reformorientierte Ideologien, die Frauenrechte im Islam bzw. das Geschlechterrecht in der Scharia unter demokratischen Idealen zu interpretieren. Im Mittelpunkt dieser Debatte steht für beide, Konservative und Reformer, die Frage nach der Gleichberechtigung von Frauen und die Forderung nach der Demokratisierung des islamischen Rechtsspruches innerhalb des Staatswesens.316 Chātamī unterstützt die feministischen Positionen in der Zivilgesellschaft und der bestehenden Frauenorganisationen. Er ist der erste Präsident nach der Revolution, auf dessen politischer Agenda Frauenrechte stehen und der in seinem Wahlkampf emanzipatorische Töne anschlägt. So verspricht er beispielsweise den Frauen einen Sitz im Ministerrat. Außerdem spricht er sich dafür aus, den Frauen Zutritt ins Amt der Staatspräsidenten zu ermöglichen.317 Unter dem Druck der aufstrebenden, bezüglich der Frauenrechte sensibilisierten Zivilgesellschaft, schafft die Regierung relative Freiheit für die Presse. Mehrere hundert neue Zeitschriften und Magazine, darunter Veröffentlichungen von Frauen, entstehen. Bisher missliebige Regisseure erhalten die Erlaubnis, ihre Filme aufzuführen.318 Mit dem Amtsantritt von Moḥammad Chātamī werden die Zeitungslizenzen an kritische Denker vergeben, die mit Konservativen in Konflikt stehen.319 Mit seinem Slogan „Rechtstaatlichkeit“ fördert Chātamī die Entwicklung der Demokratie, der Menschenrechte und der Gleichberechtigung der Geschlechter.320 In der Reformphase bzw. unter Chātamī wird das Frauenbüro als ein Teil des Kabinetts anerkannt. Zahrā Šoǧāʿī ist zuerst die Chefin des Kultur- und Sozialrates der Frauen (19901992) und zur Zeit der Präsidentschaft von Sayyed Moḥammad Chātamī die Beraterin und Chefin des Partnerschaftsbüros der Frauen. Maʿṣūmeh Ebtekār, die Leiterin der Frauen-NGOs und Umweltorganisation, wird von Chātamī zur Umweltministerin in seinem Kabinett ernannt.321
316 Vgl. Mir-Hossein, Ziba (2002), Vol. 16, 1, S. 37−53: 38. 317 Amirpur, Katajun (2003b), S. 89. 318 Merat, Zarir (1998): „Les revues intellectuelles: Iʼembryon dʼune agora“, in: Kian-Thiébaut, Azadeh (Hrsg.): „Lʼélection de Khatami: le printemps iranian?“ Sonderausgabe in Les Cahiers de lʼOrient, S. 87 ff. 319 Amirpur, Katajun & Witzke, Reinhard (2004b), S. 109 ff. 320 Mir-Hossein, Ziba (2002), Vol. 16, 1, S. 38. 321 Zūrah, Raʿnā (1392/2013): Rošd-i modīriyatī-yi zanān dar dowreh-yi eṣlāḥāt 63 darṣad būd (Die Entwicklung der Frauen in Führungsposition in der Re-
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
Mit den Wahlen der Expertenversammlung 1998 werden die Reformen torpediert. Der Antrag von Frauen auf Wahlzulassung wird von allen Kandidaten aufgrund einer vermeintlichen Unvereinbarkeit mit der islamischen Verfassung abgelehnt.322 Ein weiterhin verabschiedetes Gesetz besagt, dass Frauen nur noch von weiblichen Ärzten behandelt werden dürfen. Des Weiteren wird festgelegt, dass Männer und Frauen in Überlandbussen und Minibussen getrennt sitzen sollen. Diese elementare Diskrepanz zwischen den Rechtssprechungen des Präsidenten und des konservativen Wächterrats verdeutlicht einmal mehr, welchen Einfluss der Wächterrat und damit die religiösen Führer auf die politische Verfasstheit des Staates Iran haben.
E.
Moḥammad Chātamī (2001-2005) – Zwischen Fortschritt und Stagnation
Die Siege der Reformer bei den Kommunal- und Parlamentswahlen und die zweite Runde des Amtsantritts von Sayyed Moḥammad Chātamī am 8. Juni 2001 mit über 77 Prozent der Stimmen, zeigt die Massenunterstützung zu einem neuen Diskurs und der damit verbundenen Vision über den Islam.323 Die Konfrontration zwischen Konservativen und Reformern wird hingegen kaum gemildert. Demgegenüber ermöglicht die zunehmend gelockerte und entspannte Atmosphäre in der Gesellschaft den Dialog über Themen wie Prostitution, häusliche Gewalt und Drogenkonsum, wie er bisher nicht in der Öffentlichkeit zur Sprache kam. Die weiteren durchgeführten Reformen, wie die Reform des Scheidungsrechts, die es Frauen ermöglicht hätte, die Scheidung einzureichen und ihre Unterhaltsansprüche zu verbessern, werden kurz vor der Bewilligung durch das Parlament abgelehnt. Das Parlament, der Wächterrat und der Schlichtungsrat thematisieren 2002 das Mindestalter für eine Heirat von Mädchen − mit dem Erfolg, dass das Heiratsalter schließlich von neun auf immerhin dreizehn Jahre erhöht wird. Ein weiteres Gesetz regelt die Versorgung der studierenden Frauen im Ausland mit Staatsstipendien, was bislang aus Sorge um
formphase auf 63%), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 322 Poya, Maryann (1999): Women, Work and Islamism: Ideology & Resistance in Iran: Ideology and Resistance in Iran, London, S. 142. 323 Mir-Hossein, Ziba (2010), S. 318−371: 343.
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Moḥammad Chātamī (2001-2005) – Zwischen Fortschritt und Stagnation
die Moral der Stipendiatinnen nur verheirateten Frauen bewilligt wurde.324 Der Beitritt des Irans zur Frauenrechtskonvention (CEDAW) 2002 wird hingegen aus außenpolitischen Gründen von den Abgeordneten kritisiert. Der Wächterrat ermittelt den Entwurf der Jugend- und Kinderunterstützung und weist auf die Art und Weise der Schikane und Quälerei der Kinder durch Eltern hin.325 In anderen Fällen verläuft die Kooperation nicht so reibungslos: Der Wächterrat kritisiert die Reform des § 1133 zum Scheidungsgesetz. Dementsprechend lehnt das Parlament das Recht der Frauen auf Scheidung ab. Frauen haben nun jedoch das Recht nach den §§ 1130 (ʿusr va ḥaraǧ), 1129 (Die Bedingung der Festlegung der Ehe pers. šarṭ ẓaman al-ʿaqd) und 1119 (Die Bedingung der Auflösung der Ehe pers. šarṭ fasḫ an-nikāḥ) einen Scheidungsantrag zu stellen. Auch die Debatte um die Erhöhung des Alters der Kinder bezüglich des Sorgerechts ist umkämpft und eine Entscheidung wird schließlich an den Schlichtungsrat weitergegeben. Die künstliche Befruchtung und die Anerkennung der richtigen Eltern wird besprochen, jedoch die Legitimität der künstlichen Befruchtung vom Wächterrat infrage gestellt. Weitere Aspekte der Debatte sind die Erlaubnis zum Schwangerschaftsabbruch aus gesundheitlichen Gründen, die Mitgliedschaft der Frauen in jeglichen Organisationen und Versammlungen, v.a. in den Provinzen.326 Die reformorientierten Ansätze von Moḥammad Chātamī sind für die Emanzipation der Frauen und die Frage der Geschlechtergleichheit sehr wichtig und tragen zu einem großen Erfolg der iranischen Frauengeschichte bei. Am 10. Oktober 2003 wird der Friedensnobelpreis an die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Šīrīn Ebādī für ihre Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte verliehen.327 Ayatollah Hosaynʿalī Montaẓerī lobt Šīrīn Ebādī und ermutigt sie und das Volk, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen.328
324 Esfandiari, Haleh (2010): "The Women’s Movement", in: (Eds.):, Wright R. B. The Iran Primer. Power, Politics, and U.S. Policy, Washington D.C., S. 45−48. 325 Ebrāhīmī, Zahrā (1382/2003): „Yek sāl bā zanān-i maǧles-i šešom“ (Ein Jahr mit Frauen der sechsten Parlamentsrunde), in: Zanān, 98, 12, S. 82. 326 Ebd. 327 Hoodfar, Homa & Sadeghi, Fatemeh (2009): "Dialogue. The Women's Movement in the Islamic Republic of Iran", in: Society for International Development 52, 2, S. 215 ff. 328 Amirpur, Katajun (2003b), S. 100 f.
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
Das siebte Parlament 2004 hat keine Reform im Bereich Frauenrechte durchgesetzt. Der einzige abgestimmte Entwurf beinhaltet die Reform des Erbanteiles der Frauen, der von Maryam Behrūz vorgeschlagen und vom Parlament akzeptiert wurde. Die weiteren (unverabschiedeten) Entwürfe sind das Verbot der Zwangsheirat, Kalkulation der Morgengabe in aktueller Zeit und die Vergütung der Frauen für ihre Haushaltshilfe. Die geringe Anzahl der Frauen(-fraktionen) im Parlament wird von Soheylā Ǧelodārzādeh kritisiert und als Ursache für viele rechtliche Benachteiligungen ausgeführt.329 Nach den Parlamentswahlen des Jahres 2004 entwickelt sich eine neue Reformphase. Begriffe wie ʼdemokratisches Systemʽ, ʼRechtsstaatlichkeitʽ, ʼPluralismusʽ und ʼGewaltenteilungʽ finden breiten gesellschaftlichen Konsens.330 Moḥammad Moǧtahed Šabestarī331, Moḥsen Kadīvar332 , und Ḥasan Yūsufī Eškewarī333 schließen sich v.a. seit der Präsidentschaft Moḥammad 329 Kānūn-i Zanān-i Īrānī (1386/2007): Maǧles-i haftom barāy-i ḥoqūq-i zanān talāš nakard (Siebtes Parlament forderte keine Frauenrechte), online verfügbar unter: [Aufgerufen im August 2015]. 330 Amirpur, Katajun; Witzke, Reinhard (2004b), S. 123. 331 Für Moḥammad Moǧtahed Šabestarī steht Hermeneutik im Mittelpunkt seiner Argumente. Die weltliche Gesellschaft und die weltliche Regierung sind zwei Fakten, die aus islamischer Sicht berücksichtigt werden müssen und den Prinzipien des Glaubens, den rechtlichen, ökonomischen und ethischen Grundsätzen entsprechen sollen. Seiner Meinung nach seien Religion und Staat nicht vereinbar. Er spricht sich somit gegen die politische Autorität eines religiösen Herrschers aus und klassifiziert die Frauenfrage in der Grundsatz-diskussion zur Vereinbarkeit von Islam und Menschenrechten. Seine Argumente sind sehr von hermeneutischen Aspekten beeinflusst. Siehe: Šabestarī, Moḥam-mad Moǧtahed (2000), Vol. 2, S. 227−237. 332 Kadīvar, Moḥsen ist ein postrevolutionärer liberal-Säkularer bzw. religiösprogressiver Denker. Die Vereinbarkeit des Islams und der Menschenrechte wurde von ihm zur Diskussion gestellt. Er sieht Tradition und religiös definierte Rechte und Bräuche als Grund der Diskriminierung der Frauen an. Er kritisiert insofern die Konservativen, die bisher nicht mit Neo-Traditionalisten und Modernisten eine gemeinsame Sprache gefunden haben und unterstützt die gesellschaftliche sowie politische Aktivität der Frauen z.B. als Richterinnen oder als Marǧaʿ-i taqlīd (für den Taqlīd zuständige Instanz) und stützt sich dabei auf den Koran und die Art und Weise der Auslegung seiner Suren, in denen die Legitimität der Frauen in politischen Führungspositionen bejaht wurde. Siehe: Kadīvar, Moḥsen (1387/2008), S. 294−304. 333 Yūsofī Eškevarī, Ḥasan (1387/2009): „Nowgerāʾī-yi dīnī“ (Liberal-Säkulare Denker), online verfügbar unter: [Aufgerufen im August 2015].
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Moḥammad Chātamī (2001-2005) – Zwischen Fortschritt und Stagnation
Chātamīs im Einsatz für die gleichen Rechte der Geschlechter zusammen. Sie analysieren aus dem Blickwinkel des feqhs (islamische Rechtwissenschaft) die vorhandenen und erwägenswerten rechtlichen Themen in Bezug auf Frauen in den folgenden Zeitschriften: Payām-i zan, Zan-i rūz, Payām-i hāǧar, Farzāneh, Hoqūq-i zanān, Ḫānevādeh. Die areligiösen Akteure wie Amīr Ḥosayn Torkāšvand334 und ʿAlīreżā ʿAlavītabār335 betonen ein weiteres Mal die Bedeutung historischer Vernunftkategorien vor religiösem Traditionalismus bei der Klärung der Frauenrechte im islamischen Kontext. Sie fordern eine moderne religiöse Denkweise als ein Mittel zur Begründung der Gleichberechtigung nach den Glaubenssätzen und ihrer Kontextualisierung mit den Menschenrechten.336 Daher stützen sie sich auf feqh, um ihre Forderungen wissenschaftlich begründen zu können. Reżā ʿAlīǧānī337 und Nāṣer Qorbanniyā338 sind die Vertreter dieser Denkrichtung. Allerdings böten die religiösen Texte und ihre politischen Interpretationen und Entsprechungen bisher keinerlei Basis, eine Ausformulierung der Geschlechtergleichheit überhaupt anzugehen. Der Feminismus stellt für sie einen Ausgangspunkt dar, um die Probleme der Frauen überhaupt zu diskutieren und sich mit der Benachteiligung der Frauen auseinanderzusetzen. Reżā ʿAlīǧānī verweist zudem auf die Notwendigkeit einer Neuinterpretation der Stellung der Frau im Islam.339 2004 schließt der Wächterrat eine große Anzahl von Reformkandidaten von den Parlamentswahlen aus. Eine breite Debatte um den Rücktritt Ch-
334 Koran-Experte und Forscher im Bereich religiöser Texte. Torkāšvand, Amīr Ḥosayn (1391/2012): Bāznegarī dar motūn-i dīnī. Ḥeğāb-i šarʿī dar ʿaṣr-i pey-āmbar (Revision in den religiösen Vorschriften. Die islamrechtliche Verschleierung zur Zeit des Propheten), Tehrān. 335 ʿAlīreżā ʿAlavītabār, Journalist und politischer Aktivist. Er war der Redakteur der Zeitung ‘Ṣobḥ-i fardā‘. Er wird als liberaler und moderner Denker bezeichnet. Die neuen Denkrichtungen, die Stellung der Frau, Menschen- und Frauenrechte sind u.a. die Überschriften seiner Artikel. 336 Šīrāzī, Hānīyeh (1379/2000), Vol. 7, S. 65 ff.; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1379/2000), Vol. 65, 4, S. 45. 337 Reżā ʿAlīğānī, Journalist, politischer Aktivist und Mitglied der Mellī Maẕhabī (nationalreligiösen) Gruppen und Anhänger der Ideologie von Šarīʽatī. Er war der Redakteur der Zeitung ‘Īrān-i fardā‘ (Zukunft des Irans) und wurde im Jahr 2001 als ‘Journalist ohne Grenzen‘ ausgezeichnet. Die Stellung der Frau in den heiligen Schriften ist sein neuestes Werk. 338 Nāṣer Qorbānniyā, Philosoph und Rechtwissenschaftler. Er untersuchte die Stellung der Frau im Strafrecht und bei der Zeugenaussage. Die Gleichberechtigung und die Menschenrechte sind seine weiteren untersuchten Themen. 339 ʿAlīǧānī, Reżā (1385/2006).
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
ātamīs folgt. Die Konservativen gewinnen die Wahl, müssen jedoch eine reformorientierte Position einnehmen. Sie entscheiden sich für eine neue Rhetorik und versprechen eine religiöse Demokratie, wirtschaftliche Reformen, Wohlstand und Rechtstaatlichkeit sowie eine Verbesserung der Situation der jungen Menschen im Iran.340
F.
Maḥmūd Ahmadīnežād (2005-2009) – Seine „wahren Ideale“
Mit der Präsidentschaft Mahmūd Aḥmadīnežāds (2005-2013) entsteht im Jahr 2005 ein kritisch-intellektuelles Spektrum innerhalb des Irans. Der neugewählte Präsident verspricht dem iranischen Volk, die Einnahmen der Erdölindustrie auf den Tisch zu bringen, die Korruption zu bekämpfen, Arbeitsplätze zu schaffen und die Löhne zu erhöhen.341 Mahmūd Aḥmadīnežād ist der erste Regierungschef Irans seit 1981, der kein Kleriker ist. Der Verkehrsingenieur ist Veteran des Iran-Irak-Krieges und entstammt wie viele Neo-Konservative, die nun in Kommunalpolitik, Parlament und Regierung agieren, den Revolutionsgarden.342 In der ersten Phase seiner Präsidentschaft erlebt das Land eine Stagnation der Reformen. Aḥmadīnežād steht für eine Wiederbelebung der „wahren Ideale der Islamischen Revolution” in religionspolitischer Hinsicht. Im Zuge dessen kommt es zu einer Zunahme der Repression, die u.a. Zeitungsverbote beinhaltet. Zensurpolitik verbreitet sich sogar im Bereich Produktion und Darstellung von Filmen mit „säkularen, liberalen oder feministischen“ Inhalten.343 Die Frauen werden im politischen Umfeld marginalisiert. Reformistische Impulse werden praktisch unterdrückt. Eine seiner ersten Maßnahmen ist die Änderung des Namens des „Zentrums für die Beteiligung von Frauen“ (Markaz-i mošārekat-i zanān) in das „Zen-
340 Mir-Hossein, Ziba (2010), S. 318−371: 344. 341 Kursawa, Janet (2007): „Halbzeitbilanz: Innere Entwicklungen in Iran unter Ahmadinejad“, in: GIGA - Focus Nahost– German Institute of Global and Area Studies Institut für Nahost-Studien, 7, S. 2. 342 Topa, Alessandro (2009): Irans Geschichte: 1979-2009 − zwischen Revolution, Reform, Restauration, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 343 Ebd.
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Maḥmūd Ahmadīnežād (2005-2009) – Seine „wahren Ideale“
trum für Frauen- und Familiengelegenheiten“ (Markaz-i zanān va ḫānevādeh).344 Eine solche Politik führt im Juli 2006 zur Gründung der Kampagne „Eine Million Unterschriften für mehr Frauenrechte“ (Kampeyn-i yek mīlliyūn emżāʾ barāy-i hoqūq-i bīštar-i zanān), initiiert durch einige Menschenrechtsaktivisten und Anwältinnen. Dabei schließen sich Frauen und Männer aus dem religiösen und dem laizistischen Lager zusammen. Diese Kampagne richtet sich nicht gegen die islamische Regierung im Allgemeinen, sondern die Initiatoren fordern vom Parlament die Verbesserung der zivilgesellschaftlichen Rechte der Bürger, insbesondere der Frauen. Sie wenden sich an die gesamte iranische Bevölkerung, v.a. aber an die Abgeordneten des Parlaments, die Regierungsmitarbeiter und die Reformatoren (eṣlāḥtalabān). Im Oktober 2006 gründen die männlichen Teilnehmer der Kampagne „Eine Million Unterschriften“ eine zusätzliche Kampagne „Männer für Gleichheit und Gerechtigkeit“ (Mardān barāy-i barābarī va mosāvāt) gegen die Diskriminierung der Frauenrechte und für eine Geschlechtergleichheit.345 Programmatische Einigkeit zwischen den Organisationen herrscht jedoch aufgrund der differierenden Vorstellung von Frauenemanzipation nicht. 2007 präsentiert Aḥmadīnežād einen Gesetzesentwurf im Parlament mit dem Titel „Schutz der Familie“, um damit im Bereich der Frauenrechte einige Reformen durchzusetzen. Im Ergebnis erfolgt die Einrichtung des Familiengerichts durch die Justiz.346 Vier weiterhin geänderte Artikel vereinfachen von nun an die Polygamie für Männer. Im GS 22 wird bereits auf die Flexibilität der Zeitehe hingewiesen und erlaubt es einem Mann, eine zweite Ehe ohne Zustimmung seiner ersten Frau einzugehen. Laut GS 23 ist dies nach der Bestätigung durch einen Gerichtsprozess möglich. Innerhalb dieses Prozesses sollte bewiesen werden, ob sich der Mann eine weitere Ehe leisten kann. Gemäß GS 25 ist das Fi344 Squire, Catherine (2006): Building Organisational Capacity in Iranian Civil Society: Mapping the Progress of CSOs, International NGO Training and Research Centre (INTRAC), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 345 Mardān barāy-i barābarī (Männer für die Gleichberechtigung) (1388/2009): „Komiyteh-yi mardān „Kampeyn-i yek mīliyūn emżāʾ“ barāy-yi taġīyr-i qavānīn-i tabʿīż āmīz“ (Die männlichen Teilnehmer der Kampagne „Eine Million Unterschriften“ für die Änderung der diskriminierenden Gesetzen), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 346 Mir-Hossein, Ziba (2010), S. 318−371: 356.
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
nanz- und Steuerministerium verpflichtet, die Liquidität des Mannes zu überprüfen und im Falle einer Scheidung, die Morgengabe und die weiteren Kosten seiner Frau rechtzeitig und ohne Verzögerung zu erstatten. GS 52 verbietet jegliche Polygamie ohne Gerichtsbeschluss und weist auf die Gesetzesänderung des Jahres 1992 bezüglich der Weiterzahlung der Alimente an eine Frau während des Scheidungsprozesses hin.347 Großayatollah Ṣāneʿī erklärt und bestätigt zum Teil die Maßnahmen der Regierung und betont, dass Polygamie nach islamischem Recht nur ohne Zustimmung der ersten Frau verboten sei. In der achten Runde des Parlaments der Islamischen Republik (2007) wird über die Erhöhung des Erbanteiles einer Frau sowie die gleichen Rechte von Mann und Frau bezüglich des Blutgeldes, der Unterlassung von jeglicher Unterbrechung der Rente für sozial schwache Frauen und die Reform des Familienschutzprogrammes diskutiert. Die Fraktion der Frauen in diesem Parlament besteht nur aus acht Personen, darunter zwei reformorientierten Vertreterinnen, die abgewählt werden. Die wesentlichen abgestimmten Entwürfe für die Verbesserung der Frauenrechte in dieser Runde des Parlaments sind die Erhöhung des Erbanteiles der Frauen, die Gleichberechtigung des Blutgeldes und Reform des Familienschutzprogramms.348 Nach dem Bericht der halbamtlichen Nachrichtagentur Fārs am 28. Januar 2008 ist die Lizenz der landesweit bekanntesten Frauenzeitschrift Zanān ausgesetzt. Begründet wird dies damit, dass die Berichterstattung Zanāns zu Unruhen in der Gesellschaft geführt habe und den Eindruck erwecke, als ob die Frauen im Iran rechtlos seien. Das Verbot der Zeitschrift Zanān wird vom IFJ, Internationaler Journalistenverband, kritisiert. Der IFJ appelliert an die iranische Regierung, die Zensur der Medien und die Einschüchterung der Journalisten und Frauenrechtsaktivisten zu unterlassen. Die Zanāns habe in den sechzehn Jahren ihrer Tätigkeit die antireformistischen Reaktionen der iranischen Regierung im Bereich der Frauenrechte publik gemacht. Ihre Abwesenheit sei ein Verlust für die Meinungsfreiheit im Iran.349 347 Ebd., S. 357. 348 Sāyt-i Ḫabarī Taḥlīlī-yi Tābnāk (1391/2012): „Qavānīn-i Zanāneh-yi Maǧles-i Haštom“ (Die frauenbezogenen Gesetze in achter Runde des Parlaments), in: Tābnāk, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Mai 2015]. 349 Nirumand, Bahaman (2008): „Iran-Report“, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015].
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Maḥmūd Ahmadīnežād (2009-2013) – Die Rechte der Frau
Das iranische Parlament stellt eine Gesetzesvorlage vor, die zu Massendemonstrationen von regierungsunabhängigen Frauenorganisationen führt. Die Vorlage fordert die schnelle Gesetzesänderung, in der die Männer künftig eine zweite Frau nur noch mit Zustimmung ihrer ersten Frau heiraten dürfen und ihr bislang verbrieftes Recht auf die Ehe mit mehreren Frauen eingeschränkt werden soll. Die Frauenrechtlerinnen sehen die Vielehe oder auch die Zeitehe als eine abgewandelte Form der Prostitution, wobei die muslimischen Gelehrten Polygamie für positiv halten, da viele alleinstehende Frauen dadurch finanzielle Unterstützung erhielten.
G. Maḥmūd Ahmadīnežād (2009-2013) – Die Rechte der Frau Trotz der Teilnahme von 43 Frauen als Präsidentschaftskandidaten im Jahre 2009 wird Mahmūd Aḥmadīnežād zum zweiten Mal am 12. Juni als Präsident des Landes gewählt. Alle Kandidatinnen werden vom Wächterrat disqualifiziert, jedoch werden zum ersten Mal die politische Teilnahme der Frauen in hohen Positionen nicht von diesem Rat dementiert und verboten. Aḥmadīnežād nominierte drei Frauen für sein Kabinett, es wird jedoch nur eine seiner Kandidatinnen, Marżiyeh Vaḥīd Dastǧerdī350 , als Gesundheitsministerin ins Amt gehoben. Mahmūd Aḥmadīnežād erhält mit 62,63% die Stimmenmehrheit gegenüber seinen Konkurrenten Mīr-Ḥosayn Mūsavī und Mehdī Karrūbī.351 Dies führt unter der iranischen Bevölkerung zu Unruhen und öffentlichen Protesten gegen das Wahlergebnis. Der Wächterrat schließt die Möglichkeit einer Neuwahl am 22. Juni aus. Die Proteste werden blutig und gewalttätig unterdrückt.352 Der gemeinsame Widerstand der Männer und Frauen gegen politische Entscheidungen des Landes und für die Entwicklung von mehr Freiheit
350 Tisdall, Simon (2009): Iran appoints first female cabinet minister for 30 years, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 351 Bower, Eve et al. (2009): Ahmadinejad hails election as protests grow, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 352 Worth, Robert F.; & Fathi, Nazila (2009): Protests Flare in Tehran as Opposition Disputes Vote: The New York Times, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015].
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
und Demokratie lässt die Grüne Bewegung353 im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen entstehen. 2010 bestätigt das Parlament durch einen Gesetzesvorschlag das Konfiszieren der Presse mit der Folge von Massenverhaftungen einer Reihe von Frauenaktivistinnen. Trotz der zu erwartenden langen Gefängnisstrafen engagieren sich zahlreiche Menschenrechtaktivisten u.a. Frauenrechtsund Studentenaktivisten, unabhängige Journalisten und kritische Wissenschaftler weiterhin für die Freiheit der Bürger. Die Rechtsanwältin Nasrīn Sotūdeh ist seit dem 4. September 2010 in Gefangenschaft. Sie wird aufgrund der „Propaganda-Arbeit“ und „Verschwörung zum Schaden der Staatssicherheit“ inhaftiert. Außerdem wird die Mitgliedschaft beim Center for the Defense of Human Rights (CDHR) als straftatfolgend eingestuft. Diese Organisation unterstützt die Kampagne „eine Million Unterschriften“ gegen Diskriminierung der Frauenrechte im Iran.354 Die Frauenrechtlerinnen Šādī Ṣadr und Maḥbūbeh ʿAbbāsqolīzādeh werden aufgrund der Teilnahme an den Protesten und des Verstoßes gegen die Sicherheit des Landes jeweils zu sechs Monaten Gefängnis und 74 Peitschenschlägen verurteilt.355 Eine Massenflucht der Menschenrechtsaktivisten ins Exil beginnt. Im Jahr 2010 waren 65 Prozent aller Studierenden weiblich. Die Zahl der Studiengänge, die mit islamischen Lehren nicht übereinstimmen, sinkt. Die Lerninhalte im Bereich Humanwissenschaften werden der islamisch-iranischen Kultur angepasst und die Lehrpläne der Universitäten islamisiert.356
353 Die grüne Farbe symbolisiert während der Wahlkampagne von Mīr Ḥosayn Mūsavī Frieden, Menschenrechte und Freiheit der Bürger. Diese Farbe ist das Identifikationssymbol unter Anhängern von Mūsavī nach dem Wahlergebnis im Juni 2009. Diese Bewegung war eine der Großereignisse in der modernen iranischen Historie nach der Islamischen Revolution 1979. Siehe: Chimelli, Rudolph (2011): Iran ist anders, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 354 Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (2013): Nasrin Sotoudeh: Irans bekannteste politische Gefangene ist frei!, Frankfurt am Main: IGFM, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 355 Nirumand, Bahaman (2010): „Iran-Report“, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 356 Ebd.
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Maḥmūd Ahmadīnežād (2009-2013) – Die Rechte der Frau
Am 21. Juni 2011 wird beim Obersten Gerichthof entschieden, dass sich Frauen künftig ihren Männern verweigern dürfen, falls sie keinen Unterhalt erhalten. Das verweist ein weiteres Mal darauf, dass Ehe keine romantische Konstruktion ist, sondern eine geschäftliche Angelegenheit. Die gerichtliche Entscheidung führt zu einer rapiden Erhöhung der Scheidungsrate und Männer werden immer vorsichtiger, einen Heiratsantrag zu stellen.357 Am 06. Juli 2011 beharrt Maḥmūd Aḥmadīnežād auf der Islamisierung der Lehrpläne sowie den Maßnahmen zur Geschlechtertrennung an den Universitäten im Iran. Seit 2009 ist die Anzahl der Professuren an der Universität im Iran, deren Inhaber die Grundsätze des Glaubens in Zweifel ziehen und außerplanmäßig pensioniert oder entlassen werden, angestiegen. Die Geschlechtertrennung ist ein kontroverses Thema, das immer wieder zur Diskussion gestellt und aktualisiert wird. Konservative Politiker und Intellektuelle machen die „lockere” koedukative Studiumsatmosphäre an den Universitäten dafür verantwortlich, durch westliche Einflüsse die islamische Kultur zu prägen und zu sozialen Unruhen zu führen.358 Den Frauen wird sogar verboten, im Iran Filme zu drehen oder als Schauspielerinnen tätig zu sein. Pegāh Āhangarānī wird im Juli 2011 ohne überzeugende Begründung verhaftet und gegen Kaution entlassen. In diesem Jahr werden noch weitere Filmemacherinnen und Filmemacher verhaftet.359 Nicht nur die Kritiker der iranischen Regierung werden festgenommen und bestraft, sondern auch Regierungsmitglieder. Die Tochter von Ex-Präsident ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī, Fāʾezeh Hāšemī, wird aufgrund der Teilnahme an einer Reihe von Protesten für sechs Monate festgenommen.360 Im Vorfeld der Parlamentswahlen steigt die Zahl der inhaftierten Journalisten aufgrund der Unvereinbarkeit ihrer Publikationen mit islamischen Werten. ʿAlī Akbar Ǧavānfekr, Leiter der Nachrichtenagentur IRNA und der Zeitung IRAN, eine der ultrakonservativen Kräfte in der Islami-
357 Nirumand, Bahaman (2011): „Iran-Report“, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 358 Ebd., S. 6. 359 Ebd., S. 9. 360 Nirumand, Bahaman (2012b): „Iran-Report“, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015].
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schen Republik, wird zu einem Jahr Gefängnis bestraft, weil er sich in einem Artikel zu den Frauenrechten geäußert hat.361 Der Staat plant eine Uniformierung berufstätiger Frauen, damit ihre Bekleidung nicht gegen die Kultur der Keuschheit verstoße und je nach ihrer Berufssparte die nationale und islamische Kultur zum Ausdruck bringe. Die Uniformen werden vom Amt für Frauenangelegenheiten im Innenministerum entworfen.362 Im März 2012 erwähnt Ṣādeq Lārīǧānī, der Justizchef und Bruder des Parlamentschefs, dass der Beitritt Irans zur Menschenrechtskonvention ein Fehler sei. Das Ziel und der Kerngedanke dieser Konvention seien liberaldemokratisch und stimmen mit dem Islam nicht überein. Das Strafgesetzbuch der Islamischen Republik basiere auf islamischem Recht, das seit 1980 und nach der Gründung einer Islamischen Republik in Kraft ist. Es sei ein Fehler, Menschenrechte im Rahmen der liberaldemokratischen Prinzipien zu definieren, ohne das tatsächliche Interesse des Volkes dazu zu erfragen. Er kritisiert den UNBeauftragten, Ahmad Shahid, der von willkürlicher Verhaftung, Verletzung der Rechte der Gefangenen und Repressionen gegen politische Aktivisten und Journalisten berichtet.363 Der Iran hat sich in diesem Jahr im Kinobereich international bekannt gemacht. Der Film Nader und Simin – Eine Trennung von Regiseur Aṣġar Farhādī wurde in Los Angeles mit einem Oscar ausgezeichnet. Der Oscar-Gewinn zeige das erstklassige Talent und die Kultiviertheit der Islamischen Republik. Im Iran führt die Prämierung zur Kritik an Geistlichen und der Schließung der unabhängigen Filmgruppe House of Cinema, die seit 20 Jahren aktiv war. 2011 wird der bekannte Regisseur Ǧafar Panāhī aufgrund der Kritik an der Staatsordnung zu sechs Monaten Hausarrest und einem 20-jährigen Arbeitsverbot verurteilt.364 Des Weiteren erteilt im Jahr 2012 das iranische Parlament die Zustimmung, dass Männer in Zukunft eine Zeitehe nicht registrieren müssen. Diese Ehen werden von Geistlichen geschlossen. Mann und Frau sind in diesem Zusammenhang aus religiöser Sicht ein Paar. In einer Zeitehe ist
361 Nirumand, Bahaman (2012a): „Iran-Report“, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 362 Ebd. 363 Ebd., S. 6. 364 Ebd.
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Maḥmūd Ahmadīnežād (2009-2013) – Die Rechte der Frau
das Paar nicht an einen Vertrag gebunden. Es gibt keine Rechte, nicht einmal für Kinder, die solch einer Ehe entstammen.365 Nach der Islamischen Revolution dürfen nur Männer als Richter tätig sein. Aus diesem Grund haben viele Richterinnen nach der Revolution ihren Beruf aufgeben müssen. Laut ʿAlīreżā ʿAlīpanāh, Leiter der Abteilung für Engagement und Ausbildung von Bewerbern in der Justiz, dürfen Frauen nun eine Ausbildung zur Aufnahme von Tätigkeiten in der Justiz machen und ab 2013 können sie eine schriftliche Prüfung wie die männlichen Bewerber ablegen.366 Trotz dieser Maßnahmen haben Frauen immer noch keinen Einfluss auf die endgültige Urteilsverkündigung. Dies ist weiterhin nur den Männern vorbehalten. Zu Beginn des Jahres 2013 wird das Präsidentschaftswahlgesetz reformiert. Demnach müssen künftig die Kandidaten höhere Ausbildungsstufen als das Staatsexamen vorweisen, sie dürfen nicht jünger als 45 Jahre und nicht älter als 75 Jahre sein. Dies führt zu einer Reihe von Kritik. In diesem Jahr finden vier Wahlen statt: Die Parlamentswahl, die Kommunalwahl, die Wahl des Staatspräsidenten und die Wahl des Expertenrats, die alle auf der festgelegten Regelung in der Verfassung beruhen.367 Die Partei der Mitwirkenden Ḥezb-i mošārekat fordert eine Reform und offene politische Atmosphäre bei den Wahlen. Sie weisen dabei auf die Situation der ehemaligen Kandidaten Mīr-Ḥosayn Mūsavī und Mehdī Karrūbī hin, die sich noch in Hausarrest befinden.368 Die weiteren diskutierten Themen in diesem Jahr und v.a. vor der neuen Präsidentschaftswahl sind die Forderung der Aufhebung der Zensur369 und die Einschränkungen bei der Ausreise von (unverheirateten) Frauen.370 Nach einer langen Unruhe während der Präsidentschaftswahlen und vieler Herausforderungen von konservativen und reformorientierten Gruppen gewinnt der moderne konservative Geistliche Ḥasan Rowḥānī bei den Präsidentschaftswahlen am 14. Juni 2013 bereits in der ersten Runde mit knapp 51% die Wahl.
365 Ebd., S. 7. 366 Ebd., S. 6. 367 Nirumand, Bahaman (2013): „Iran-Report“, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 368 Ebd., S. 2 ff. 369 Ebd., S. 8. 370 Ebd., S. 7.
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Drittes Kapitel: Regierungsakteure und die Frauenrechte nach der Revolution
Seit 2009 argumentieren prominente Vertreter des Staates, u.a. Theologen, religiöse Aufklärer, politische Aktivisten, Journalisten und Akademiker trotz ihrer Unterstützung des Systems der Islamischen Republik für die Erneuerung durch Reform und die Neufassung des Staatssystems der Islamischen Republik. Die religiösen Reformdenker setzen sich in letzter Zeit mit unterschiedlichen theologischen Ansätzen für eine religiöse Reform inkl. einer modernen Deutung des Korans und neuer Interpretationsmethoden ein. Sie halten die Rolle der Vernunft, Ethik und Theologie in der Erklärung der islamischen Quellen zur Verbesserung der Frauenrechte für wichtig und sehen in solchen modernen religiösen Ansätzen ein Mittel zur Durchsetzung der Gleichberechtigung. Sie setzen sich in diesem Zusammenhang mit den Menschenrechten auseinander und versuchen durch eǧtehād viele der aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Darüber hinaus argumentieren sie entsprechend der modernen theologischhermeneutischen Methoden, um eine Verbesserung des rechtlichen Status und der sozialen Position der Frauen zu erwirken.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamischschiitischen Recht
Zurück zu Ziel und Fragestellung dieser Arbeit „Islamischer Feminismus und die männliche Perspektive innerhalb dieser Debatte“ wird im Folgenden ein Überblick über die schiitisch-theologischen Quellen und die davon abgeleiteten Rechte und Gesetze im System der Islamischen Republik Iran gegeben. Es ist immer noch so, dass die aktuellen Gesetze trotz des Einflusses der modernen Gesetzgebung und gesellschaftliche Umwälzung ihren Ursprung in historischen Quellen haben. Der Islamische Feminismus thematisiert die rechtlichen Fragen wie die Gleichberechtigung der Geschlechter und Neuinterpretation der rechtlich-religiösen Quellen nach der aktuellen Zeit. Diese sind größtenteils nicht unabhängig von schiitischrechtlichen Quellen und Interpretationswerken. Das folgende Kapitel erklärt die Bedeutung des ʼislamischen Rechtsʽ und stellt die Inhalte und Struktur des Zivilgesetzbuches und der Verfassung der Islamischen Republik Irans dar. Der dritte Teil gibt uns einen Überblick über die Zivil- und Bürgerrechte, Strafrecht sowie die notwendige politische und rechtliche Qualifikation der Frau. Diese Aspekte werden anhand der Quellen der schiitischen rechtswissenschaftlichen Werke behandelt und dementsprechend die Rechte und Gesetze in dem Zivilgesetzbuch und der Verfassung berücksichtigt und thematisiert.
A.
Das islamische Recht
Die Begriffe ʼSchariaʽ, ʼreligiöses Rechtʽ, ʼfeqhʽ (arab. fiqh) sowie ʼislamisches Rechtʽ werden häufig gleichgesetzt. Doch es müssen die Unterschiede festgelegt werden, um Verwechselungen der zugrunde liegenden Konzepte zu vermeiden. ʼSchariaʽ ist ein mehrdeutiger Ausdruck und nach koranischer Terminologie bedeutet er arab. „der gebahnte Weg“371 oder „der Pfad zur Tränke“.372 Scharia beinhaltet die gesamten religiösen und 371 45:18, Siehe: Rohe, Mathias (2013): Das islamische Recht: Eine Einführung, München, S. 6. 372 Rohe, Mathias (2009): Das islamische Recht: Geschichte und Gegenwart, München, S. 9; Nagel, Tilman (2001): Das islamische Recht: Eine Einführung,
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Das islamische Recht
rechtlichen Normen, Normfindungs-, Interpretations- und Auslegungsmechanismen des Islams.373 Die Scharia umfasst die Gebote und Verbote und wird als Gottes Wille gesehen, jedoch in einer idealen und abstrakten Art und Weise.374 Im Gegensatz dazu hat sich in vielen muslimischen Ländern das Rechtssystem dem europäischen bzw. säkularen Recht angepasst. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist das Attribut ʼislamischʽ nicht mehr relevant.375 Der Einfluss eines modern-säkularen Rechts auf ein islamischreligiöses Recht ist ein aus den historischen Ereignissen entstandenes, diskursives Konstrukt, das in großen Teilen von verschiedenen geistesgeschichtlichen Strömungen geprägt ist.376 Der Begriff ʼfeqhʽ bedeutet wörtlich „etwas lernen“, „kennenlernen“ und „begreifen“ und wird als islamische Jurisprudenz bzw. die Entwicklung islamischer Dogmatik durch muslimische Rechtsgelehrte bezeichnet.377 Im Grunde genommen ist feqh das Produkt menschlicher Interpretation und Anwendung der Prinzipien der Scharia.378 Dieses sehr stark auf Argumentation und nicht auf Religiosität beruhende Recht beeinflusst auch die Rechte der Frauen. Dies wird je nach den religiösen Schulen bzw. nach der entsprechenden Rechtsmethodologie und Rechtspraxis unterschiedlich interpretiert. Die Rechtssituation der Frau in der Ehe, bei der Scheidung sowie im Erbrecht wird nach diesem Maßstab bestimmt.379
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Berlin, S. 3; Radtke, Bernd (2005): „Der sunnitische Islam“, in: Werner, Ende u.a. (Hrsg.): Der Islam in der Gegenwart. Entwicklung und Ausbreitung, Kultur und Religion, Staat, Politik und Recht, München, S. 55–69: 66. Rohe, Mathias (2009), S. 9. Ebd., S. 10; Nagel, Tilman (2001), S. 26–32. Vgl. Brown, Nathan J. & Sharif, Adel Omar (2004): "Inscribing the Islamic Shari’a in Arab Constitutional Law", in: Haddad, Yvonne Y.; Stowasser, Barbara F. (Eds.): Islamic Law and the Challenge of Modernity, N.Y. & Oxford, S. 55 ff. Siehe: Noth, Albrecht (1980): „Die Scharia, das religiöse Gesetz des Islam – Wandlungsmöglichkeiten, Anwendung und Wirkung“, in: Filkentscher, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, Freiburg u.a., S. 415–437: 415. Vgl. Ebert, Hans-Georg (2005): „Tendenzen der Rechtsentwicklung“, in: Ende, Werner u.a. (Hrsg.): Der Islam in der Gegenwart. Entwicklung und Ausbreitung, Kultur und Religion, Staat, Politik und Recht, München, S. 119ff; Nagel, Tilman (2001), S. 6 ff; Rohe, Mathias (2009), S. 12 ff. Hefny, Assem (2010): „Hermeneutik, Koraninterpretation und Menschenrechte“, in: Elliesie, Hatem (Hrsg.): Beitrag zum Islamischen Recht VII, Frankfurt am Main, S. 73–98: 77. Mir-Hosseini, Ziba (1993): Marriage on Trial: A Study of Islamic Family Law, London, S. 15 f.
Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für das Recht. Recht wird heute v.a. in modernen Texten mit Gesetz und Gerichtsbarkeit in Verbindung gebracht. Das geltende Recht ist nicht allein rechtsbestimmend. Ebenso sind die Sitten, Gebräuche und gesellschaftlichen Normen für die Bestimmung der Rechtsordnung entscheidend.380 Über die Entstehungszeit des islamischen Rechts sind laut Mathias Rohe nur wenige Texte vorhanden. Die ersten Quellen sind aus dem späten 2./8. und 3./9. Jahrhundert und bilden die Grundlage für ein formal und inhaltlich immer fester gefügtes juristisches Schrifttum.381 Der Koran weist auf die gleiche Würde beider Geschlechter hin und beschränkt das Recht des Mannes in religiös-moralischen und rechtlichen Bereichen wie dem Erbrecht, der Polygamie und bei der Scheidung.382 Seit dem 19. Jahrhundert wird versucht, das islamische Recht nach den Bedürfnissen der Zeit bzw. nach machtpolitischen und inhaltlichen Aspekten anzugleichen. Nach Rohe sollen mit der Anpassung des Rechts an die Bedürfnisse der Zeit die Rechte der Frauen verbessert werden.383 Die moderne Gesetzgebung wird auf der Grundlage der Scharia verfasst. Bei der Änderung der Gesetzestexte zugunsten der Frau setzt sie sich eine Reihe von Zielen: Die Abschaffung der Minderjährigenheirat, die Freiheit der Frau in der Partnerwahl, die Beschränkung der Polygamie, das einseitige Recht des Ehemannes zur Scheidung, das Erwerbstätigkeitsrecht der Frau, die Rechtsprechung und das Selbstbestimmungsrecht der Frau, die Vermeidung von jeglichem Straf- und Haftungsrecht gegen Frauen, sowie die politische und gesellschaftliche Teilnahme der Frauen. Die Stellung der Frau innerhalb des islamischen Rechts und v.a. innerhalb des schiitischen Rechts wurde bisher kaum aus eigenständiger Rechtsgeschichte untersucht. Die vereinzelten wissenschaftlichen Analysen fokussieren einzelne Fallbeispiele im Bereich des Ehe-, Scheidungs- und Erbrechts, stützen sich auf die koranischen Interpretationen von Gelehrten und beziehen sich meistens auf nach sunnitischen Rechtschulen analysierten Begründungen.
380 Popal, Mariam (2006): Die Scharia, das religiöse Recht – ein Konstrukt?. Überlegungen zur Analyse des islamischen Rechts anhand rechtsvergleichender Methoden und aus Sicht post-kolonialer Kritik, Hamburg, S. 45. 381 Rohe, Mathias (2009), S. 76. 382 Ebd., S. 79 ff. 383 Ebd., S. 171.
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Die iranische Verfassung und das Zivilgesetzbuch
B. Die iranische Verfassung und das Zivilgesetzbuch Das Zivilrecht und die Verfassung des schiitischen Staates Iran sind die Grundpfeiler des iranischen rechtlichen Systems. Der erste Entwurf des iranischen Zivilrechts, abgeleitet von der europäischen Rechtsordnung, wurde im Jahre 1929 eingebracht. Es wurde von Abgeordneten des Parlaments aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem islamischen Recht kritisiert. Deshalb sollten die Entwürfe von einem schiitischen Religionsgelehrten, der einen umfassenden juristischen Überblick über die islamischen Quellen sowie Scharia hat, beglaubigt werden. Diese höchste Bezeichnung, Marǧaʿ-i taqlīd (wörtlich überstezt: für den Taqlīd zuständige Instanz/Stelle oder Bezugpunkt des Taqlīds), erhält der Großayatollah. Bis 1960 konnten die Gelehrten und Juristen mit ihrer Argumentation die Gültigkeit der Gesetze bestätigen. Seit der Islamischen Revolution werden im Laufe der Re-Islamisierung einige Absätze des Zivilrechtes entsprechend der alImāmīya Rechtschule disqualifiziert oder durch neue Gesetze ersetzt.384 Das Zivilgesetzbuch besteht aus einer Reihe von Gesetzen, welches die zwischenmenschlichen Verhältnisse und die Beziehung der Menschen mit der Gesellschaft regelt. Das Zivilrecht legt die Struktur und Inhalte des Privatrechts, die Art und Weise der Vertragsabschlüsse sowie rechtlichen Verpflichtungen wie Familienrecht, Heirat- und Scheidungsrecht fest. Das Zivilgesetzbuch des Irans besteht aus drei Teilen des Privatrechts (Vermögen, zwischenmenschliche Angelegenheiten und Streitfälle).385 Laut der Einleitung ist die Verfassung der Islamischen Republik Iran ein Ausdruck der kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Institutionen der iranischen Gesellschaft auf der Grundlage islamischer Prinzipien und Grundsätze. Sie entspricht „dem innigsten Wunsch der islamischen Gemeinschaft“.386 Die Verfassung der iranischislamischen Regierung stellt die fundamentale Manifestation des materiellen Staatsverhältnisses dar. Statt wie bisher von liberalen und säkularen Elementen gekennzeichnet, spiegelt die neue Verfassung die Kernpunkte des schiitischen Staats- und Herrschaftsverständnisses wider. Diese Ver384 Vgl. Bahrāmī Aḥmadī, Ḥamīd (1381/2002): Kolliyāt-i ʿoqūd va qarārdād-hā. Tārīḫče-yi tadvīn-i qānūn-i madanī (Allgemeine Anträge und Verträge. Eine Einführung in die Verbesserung des Zivilgesetzes), Tehrān. 385 Markaz-i pažūheš-hā-yi maǧles-i šorā-yi eslāmī (Das Zentrum der Forschung vom islamischen Parlament) o.J.: „Qānūn-i madanī“ (Zivilrecht), Online verfügbar unter: < rc.majlis.ir/fa/law/show/97937> [Aufgerufen im Juli 2015]. 386 Tallenbach, Silvia (1985), Vol. 104, S. 47.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
fassung wurde im Dezember 1979 durch ein Referendum endgültig angenommen.387 Die islamische Religion gemäß schiitischer Staatstheorie wird als Fundament der iranischen Verfassung sowie als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft verstanden. Obwohl nach dem 2. Grundsatz (Sg. aṣl, Pl. uṣūl; im Folgenden mit GS abgekürzt) das Volk als Souverän des iranischen Staates fungiert, bleibt verfassungsrechtlich doch festgelegt, dass sich diese Souveränität stets im Abgleich mit den Worten und den Geboten Gottes befinden solle. Insofern ist das Volk nur bedingt der Souverän, de facto ist der Wille Gottes den Volksentscheidungen vorangestellt. Die Eigenverantwortlichkeit und Freiheit des Individuums bzw. des Volkssouveräns als Voraussetzung der demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsordnung wird aber zugleich als zweiter Grundpfeiler eingebunden.388 Die iranisch-islamische Verfassung besteht aus republikanisch-demokratischen und theokratisch-autoritären Elementen.389 Sie beinhaltet 14 Kapitel mit insgesamt 177 GS. Die Verfassung entspricht der Gliederung einer westlichen Verfassung und stellt den Grundtypus der liberalen Verfassung dar, wobei ihre Grundpfeiler auf einer religiös-philosophischen Natur basieren und die Gebote und Verbote gemäß Gottesrecht und islamischer Ideologie reguliert sind.390 In der iranisch-islamischen Verfassung wird die Gleichberechtigung der Geschlechter und ihre Stellung vor dem Gesetz in verschiedenen Situationen, wie Beschaffung der politischen und gesellschaftlichen Freiheit, die Beseitigung der Unterschiede und die Vorbereitung der gleichen materiellen und immateriellen Möglichkeiten für alle Geschlechter, festgehalten. Außerdem soll für beide Geschlechter eine einklagbare Sicherheit und Gleichheit vor dem Gesetz hergestellt werden. In einem weiteren Abschnitt werden die Frauenrechte entsprechend dem islamischen Recht und den Bedingungen für die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte und die Inhalte der materiellen und immateriellen Rechte dargestellt. Die Stellung der Frau wird laut GS 21 innerhalb der Familie und in Bezug auf Mutterschutz während der Schwangerschaft und Kinderpflege berücksichtigt. Die Themenfelder im 387 Hāšemī, Sayyed Moḥammad (1384/2003), S. 53. 388 Siehe: ebd., S. 68; Parhisi, Parinas (2010b). 389 Buchta, Wilfried (2004b): „Fundamentalismus im Iran“, in: Six, Clemens; Riesebrodt, Martin; Hans, Siegfried Religiöser Fundamentalismus: Vom Kolonialismus zur Globalisierung, Wien, S. 135 ff. 390 Parhisi, Parinas (2010a), S. 121.
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Das Zivil- und Bürgerrecht − religiös-rechtliche Grundlagen
Zivilrecht, die sich mit Frauen beschäftigen, beziehen sich meistens auf die aktive Partizipation der Frau am gesellschaftlichen Leben und auf ihre Rechte innerhalb der Familie, ihr Arbeitsrecht, ihre Rechte in der Ehe, Scheidung sowie ihr Erbrecht und ihre Rechte gegenüber dem Ehemann in unterschiedlichen juristischen Angelegenheiten. Im weiteren Verlauf wird die rechtliche Position der Frau in der Verfassung und im Zivilrecht aus der Sicht schiitischer Rechtsgelehrsamkeit anhand der bekannten schiitischen Interpretationswerke und nach Ansicht der schiitischen Geistlichen dargestellt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf islamischen Wertvorstellungen über die Frauen, die zu Beschneidungen ihrer Rechte aus juristischer und theologischer Sicht führen.
C. Das Zivil- und Bürgerrecht − religiös-rechtliche Grundlagen I.
Familien und Eherecht
Nach islamischer Rechtswissenschaft ist die Gründung einer Familie und die Eheschließung ein Gebot und besitzt fundamentale Werte.391 In der iranischen Rechtswissenschaft ist die Ehe ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau zur Bildung einer Familie und bedeutet ein gemeinsames Zusammenleben.392 Es werden unterschiedliche Bedeutungen für die Gründung einer Familie angeboten. Die Familie sei eine soziale Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft entstehe entweder aus einer verwandtschaftlichen Beziehung oder es seien, aus der Sicht einiger „Familienexperten“, wirtschaftliche, psychische und geschlechtliche Beziehungen, die zur Bildung einer Familie führten.393 Im iranischen Recht steht dem Mann nach § 1105 IZGB das Recht zu, das Oberhaupt der Familie zu sein und sie zu führen. Diese Verantwortung des
391 Yassari, Nadjma (2011): „Das Eheverständnis im Islam und in ausgewählten islamischen Ländern“, in: FamRZ (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht), 1, S. 3. 392 Kātūziyān, Nāṣer (1390/2011): Dowreh-yi moqaddamātī. ḥoqūq-i madanī: ḥānevādeh (Eine Einführung. Zivilgesetz: Familienbereich), Tehrān, S. 35; Ṣa-fʾʾī, Ḥosayn & Emāmī, Asadollāh (1389/2010): Moḫtaṣar-i ḥoqūq-i ḥānevādeh (Grundriss des Familienrechtes), Tehrān, S. 23. 393 Kātūziyān, Nāṣer (1371/1992): Ḥoqūq-i madanī: ḥānevādeh (Das Zivilrecht: Familienrecht), Tehrān, Vol. 1, S. 13.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
Mannes wird sogar als Führerschaft und Haushaltsvorstand definiert.394 Die patriarchale Struktur und die damit zusammenhängenden Traditionen und Gewohnheiten in der Familie legen entsprechend dem iranischen System einen großen Wert auf den Mann und nicht auf die Frau. Dabei werden Gründe der körperlichen und geistigen Überlegenheit angeführt, wenn es darum geht, Männern mehr Rechte zu gewähren und mehr Pflichten aufzuerlegen. Diese Voraussetzung beinhaltet laut § 1106 IZGB die finanzielle Unterstützung der Frau und das Sorgerecht für die Kinder.395 GS 10 der iranischen Verfassung beschäftigt sich mit der Familie als ein grundlegendes Fundament der islamischen Gesellschaft. Die vorliegenden Rechte und Gesetze beinhalten die Vereinfachung der Gründung der Familie, den Schutz ihrer Endgültigkeit sowie die Stabilität der familiären Beziehungen nach islamischem Recht und nach islamischer Ethik. In GS 21 der iranischen Verfassung werden die Rechte der Frau mit Verweis auf die Bedeutung der islamischen Grundlagen in fünf Absätzen erklärt. Der Absatz 3 dieses Grundsatzes befasst sich mit der Gründung eines „aufrichtigen Gerichts“ zum Schutz der Fundamente und der Wiederbelebung der Familie. Eine Ehe ist wirksam geschlossen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen und keine Ehehindernisse entgegenstehen.396 Sie soll nicht vordergründig zur Befriedigung der geschlechtlichen Triebe geschlossen werden. Stattdessen sollen die Motive in der Erfüllung der immateriellen Bedürfnisse des Menschen liegen.397 Die Schließung eines Ehevertrages setzt die Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit beider Partner und ihr volles Einverständnis gemäß § 1062 IZGB voraus. Dafür soll das Ehepaar die körperliche und geistliche Reife besitzen. Die körperliche Reife beginnt mit dem Erreichen der Pubertät. Die Ehepartner sollten gemäß § 1041 IZGB als mokallaf (arab. mukallaf) geeignet sein, d.h. sie sollten volle Träger von Rechten und Pflichten sein.398 Nach § 1040 IZGB ist der Beweis der Gesundheit beider Ehepartner erforderlich.
394 § 1105 IZGB, Siehe: Kātūziyān, Nāṣer (1392/2013): Ḥoqūq-i madanī dar naẓm-i ḥoqūqī-yi konūnī (Das Zivilrecht in der gegenwärtigen rechtlichen Ordnung), Tehrān. 395 Ebd. 396 Ṣafāʾī, Ḥosayn & Emāmī, Asadollāh (1389/2010), S. 41 ff. 397 Ebd. 398 Das Begehen einer Ehe fordert ein Mindestalter zwischen 9 bis 12 für Knaben und 9 für Mädchen, Siehe: Rohe, Mathias (2009), S. 79 ff. Wizārat al-awqāf almawsu᾿a (Ministerium für Stiftungswesen) Vol. 8, S. 193. Wobei im Iran das
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Das Zivil- und Bürgerrecht − religiös-rechtliche Grundlagen
Die Konsequenz einer Eheschließung ist für die Frau weitaus tief greifender als für den Mann. Die Frau darf nicht selbstständig ihren zukünftigen Partner aussuchen. Die Einwilligung des Vaters oder Großvaters ist zur Eheschließung nach § 1043 IZGB erforderlich. Der wesentliche Punkt in diesem Paragraphen ist die Jungfräulichkeit der Frau.399 Weigert sich der Vater bzw. der Großvater der Ehe zuzustimmen, kann die Frau beim Familiengericht einen Heiratsantrag stellen. Das Gericht wird den Vater oder den Großvater um eine Stellungnahme bitten. Wenn dem Gericht innerhalb von 15 Tagen keine Antwort vorliegt, kann es der Frau die Genehmigung zur Heirat erteilen.400 Die Bedeutung der Ehe und der Gründung einer Familie aus theologischer Perspektive wurde in unterschiedlichen schiitischen Interpretationsquellen hervorgehoben. Laut Ayatollah Meṣbāḥ Yazdī wird im Koran der Begriff ʼAhlʽ anstatt des Begriffs ʼal-ʾUsraʽ als richtiges Äquivalent für die Familie benutzt.401 Auf die Gründung einer Familie und ihre Bedeutung wird in mehreren Versen im Koran hingewiesen, wie in Sūrat arRūm Vers 21, Sūrat al-Baqara Vers 187 und Sūrat al-ʿAnkabūt Vers 33.
Heiratsalter vor der Islamischen Revolution und nach erstem Entwurf des Zivilgesetzbuches, abgeleitet vom französischen Zivilgestz Code 1935, für Mädchen ab dem 15. und für Jungen ab dem18. Lebensjahr festgesetzt war. Das Begehen einer Ehe unter dieser Altersgerenze benötigte die Erlaubnis des Sta-ates. Nach der Revolution wurde dieser Absatz geändert. Gemäß § 1041 IZGB beträgt die Altersgrenze für Mädchen nun 13 und für Knaben 15 Jahre. Der Eheschluss vor Erreichen dieses Alters soll mit Erlaubnis der Eltern durchgeführt werden. 399 Nach der Reform des § 1043 IZGB im Jahre 1982 wurde das damals gebräuchliche Heiratsalter von 18 Jahren in das Alter der Pubertät geändert, da nach dem islamischen Recht das Erreichen der Pubertät die Reife des Mädchens anzeigt. In der Gesetzesreform des Jahres 1991 wurde eine Formulierung des Gesetzes „das Mädchen, das noch nicht verheiratet ist“ in „Jungfrau“ geändert. Der Grund dieser Änderung war die Art der Formulierung, die den Eindruck erweckt hat, dass das verheiratete Mädchen, das noch Jungfrau ist, ohne Erlaubnis des Vaters selbst für seine zukünftige Ehe entscheiden kann. Siehe: Mehrpūr, Ḥoseyn (1387/2008), S. 71. Dies wurde vom Wächterrat bestätigt und in der Gesetzesreform des Jahres 1991 umgesetzt. Bei Abwesenheit des Vaters oder Großvaters oder in dem Fall, dass sie nicht mehr existieren, darf sich nicht das Mädchen gemäß § 1044 IZGB allein für eine Ehe entscheiden. Siehe: ebd., S. 75. 400 Kātūziyān, Nāṣer (1390/2011), S. 73. 401 Meṣbāḥ Yazdī, Moḥammad Taqī (1390/2011): Ğāygāh-i ḫānevādeh dar eslām (Die Stellung der Familie im Islam), Qom, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015].
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
In der Sunna und noch weiteren religiösen Quellen wie im Hadith wird die Bedeutung der Familie ebenfalls hervorgehoben. Frauen müssen aus theologischer Perspektive drei Voraussetzungen erfüllen, um die Ehe eingehen zu können: Sie müssen in der geistigen und körperlichen Verfassung sein, Entscheidungen selbstständig zu treffen. Sie müssen Jungfrauen sein und es muss die Erlaubnis des Vaters, des Großvaters oder des Vormunds zur Heirat vorliegen. Dies zählt natürlich nicht für die Geschiedene und Witwen. Der dritte Punkt wird im IZGB besonders hervorgehoben. In einer Ehe auf Dauer ist die Erlaubnis des Vaters gefordert, bei einer Ehe auf Zeit sind solche Voraussetzungen nicht erforderlich. Aš-Šayḫ Muḥammad Ibn Ḥasan aṭ-Ṭūsī (995–1067) verweist in seinen Büchern Tahḏīb al-aḥkām (die Verfügungen der Rechtsvorschriften), und al-Istibṣār fī-mā ḫtulif min al-aḫbār, die bekanntesten schiitischen Hadith-Sammlungen, auch auf den oben genannten Punkt.402 Die schiitischen Gelehrten wie Šayḫ Moḥammad Ḥasan Naǧafī und Sayyed Abū lQāsim Ḫuʾī vertreten die Ansicht, dass die Erlaubnis des Vaters bei einer Eheschließung notwendig ist, wenn das Mädchen noch Jungfrau ist.403 Da nach Ansicht der schiitischen Geistlichen die Frau meistens nur emotional entscheidet404 , ist es wichtig, dass die Eltern (v.a. der Vater) an der Entscheidung mitwirken. Trotzdem sei das Mädchen frei, über ihr zukünftiges Leben zu entscheiden. Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī in at-Tibiyān fī tafsīr alQurʾān und aš-Šayḫ al-Mufīd (1114-1201) in Aḥkām an-nisāʾ haben auf die Selbstständigkeit der Frau hingewiesen und betrachten die Entscheidung des Vaters oder Großvaters als unangemessen. Sie fordern die alleinige Entscheidung der Frau.405 Die Entscheidung des Vaters wurde in Risāla tawḍīḥ al-masāʾil von Großayatollah Yūsof Ṣāneʿī und Sayyed
402 Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1365/1986): Tahḏīb al-aḥkām fī šarḥ al-Muqniʿa li-š-Šayḫ al-Mufīd, Tehrān, Vol. 7, S. 381.; aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1376q/1956): al-Istibṣār fīmā ḫtulif min al-aḫbār, Naǧaf, Vol. 3, S. 145. Diese Werke gehören zu den vier Büchern (al-kutub al-arbaʿa) und damit zu den bekanntesten Sammlungen von Überlieferungen der Schiiten. 403 An-Naǧafī, Muḥammad Ḥasan (1981a): Ğawāhir al-kalām fī šarḥ šarāʾiʿ alislām, Beirut, Vol. 29, S. 185; Mūsawī Ḫuʾī, Sayyed Abu l-Qāsim (1392q/1921): Minhāǧ aṣ-ṣāleḥīn, Beirut, S. 255. 404 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992a): Masālik al-afhām fī šarḥ šarāʾiʿ al-islām, Qom, Vol. 8, S. 129. 405 Aṭ-Ṭabāṭabāʾī Al-Yazdī, Sayyed Moḥammad Kāẓim (1420q/1999): al-ʿUrwa alwuṯqā: Nikāh, Qom, S. 528.
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Das Zivil- und Bürgerrecht − religiös-rechtliche Grundlagen
Moḥammd Ḥosaynī Šāhrūdī als ratsam erwähnt. Es gäbe jedoch keine Pflicht, die Zustimmung des Vaters einzuholen.406 Dennoch ist gemäß IZGB auch heute noch das Schließen einer Ehe ohne Zustimmung des Vaters, des Großvaters oder des Onkels nicht möglich. Die konservativen Gelehrten stützen sich in ihren Interpretationswerken auf den Propheten und verweisen auf die Bedeutung der Familie und der Ehe.407 Die schiitischen Theologen mit religiös-progressiven Tendenzen kritisieren die in den religiösen Quellen dargestellte Stellung der Frau im Vergleich zum Mann innerhalb der Familie und bemängeln diese als unrealistisch und ungleichberechtigt. Sie orientieren sich an der heutigen Entwicklung der gesellschaftlichen Struktur und betonen die Rolle der Frau als bedeutenden Bestandteil für die Erhaltung und Stabilität der Familie. Laut dem konservativen Gelehrten Moḥammad Taqī Meṣbāḥ Yazdī ist diese Sichtweise von westlichen Schulen und gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst. Die Gründung einer Familie ist das Recht jedes Menschen unabhängig von seiner Herkunft und Kultur. Die Bedeutung der bestehenden Rechte unter Geschlechtern legt in Bezug auf die Familie ihre Aufgabe in dieser gesellschaftlichen Organisation fest.408 Die konservativen Gelehrten meinen aber auch, dass die außerhäusliche Tätigkeit einer Frau und das Verlassen des Hauses der Entscheidung des Mannes als Oberhaupt der Familie obliegen. Sie verweisen auf den Koran Sūrat an-Nisāʾ Verse 34 und die Bedeutung des Begriffes arab. ʼar-riǧālʽ.409 Darüber hinaus beziehen sie sich in ihrer Argumentation gegen die Selbstbestimmung der Frau mit Nachdruck auf die Pflicht des Mannes zum Unterhalt der Frau und der Kinder und leiten daraus dessen Vormundschaftsgebot ab. Für Ayatollah Chomeynī steht der außerhäusliche Wirkungsbereich einer Frau an zweiter Stelle, da durch eine Erwerbs-
406 Ṣāneʿī, Yūsof (1387/2008): Risālat tawḏīḥ al-masāʾil, Qom, S. 636; Ḥosaynī Šāhrūdī, Moḥammad (1386/2007 Risālat tawḏīḥ al-masāʾil, Qom, S. 636. 407 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, aš-Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994a): Tafṣīl wasāʾil aš-šīʿa ilā taḥṣīl masāʾil aš-šarīʿa (Wasāʾil aš-šīʿa), Qom, Vol. 14, S. 23. 408 Meṣbāḥ Yazdī, Moḥammad Taqī (1383/2004): Ḥoqūq va siyāsat dar Qurʾān (Recht und Politik im Koran), Qom, Vol. 2, S. 28. 409 Emāmī, Asadollāh (1376/1997): Moḫtaṣar-i ḥoqūq-i ḫānevādeh (Grundriss Familienrecht), Tehrān, Vol. 4, S. 450.; Moḥaqqeq Dāmād, Sayyed Moṣṭafā (1372/1993), S. 316.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
tätigkeit das Fundament der Familie und die Erziehung der Kinder nicht beeinträchtigt werden soll.410 Die religiös-progressiven Theologen hingegen unterscheiden zwei Denkweisen: die philosophische und die realistische. Aus philosophischer Sicht und im Hinblick auf die religiösen Quellen haben die Familie und die Stellung der Frau innerhalb der Familie eine wesentliche Bedeutung. Das aktuelle Bild bzw. die realistische Betrachtung einer Frau stimme mit dieser philosophischen Sichtweise nicht mehr überein und könne die immateriellen Ziele nicht mehr erreichen. Eine patriarchale Interpretation der religiösen Quellen nehme keine Rücksicht auf die Freiheit und innere Vollkommenheit der Frau.411 Das Verbot der Eheschließung einer (iranischen) Muslimin mit ausländischen Staatsbürgern anderer Religionen, auch mit denjenigen, die nicht zu den Buchreligionen gehören, findet seinen Ursprung im Koran und im islamischen Recht und hat das Ziel, den Islam vor unislamischen Einflüssen zu schützen.412 Im Buch Maǧmaʿ al-bayān fī tafsīr al-Qurʾān von Abū ʿAlī al-Faḍl Ibn al-Ḥasan aṭ-Ṭabarsī (1073-1153) wird die Ehe zwischen einer Muslimin und einem Nicht-Muslimen abgelehnt, obwohl der in diesem Buch verwendete Begriff arab. ʼmušrikʽ (Polytheist)413 von vielen Gelehrten kritisiert wird. Für ʿAllāmeh Sayyed Moḥammad Ḥosayn Ṭabāṭabāʾī (1892-1981) gehören ʼmošrekīnʽ und ʼmošrekātʽ gar keiner Religion an. Er meint damit nicht die Angehörigen einer der Buchreligionen. Dabei bezieht er sich auf die Sūrat al-Māʾida, in der die Ehe mit einer Frau, die zu einer anerkannten Religion gehört, als unproblematisch angesehen wird.414 Laut Koran ist die Rückkehr der zum Islam konvertierten Frauen zu ihren (nicht-muslimischen) Männern und umgekehrt verboten.415 Die schiitischen Gelehrten halten eine Ehe mit NichtMuslimen für illegitim, wenn die Verbindung für eine unbegrenzte Zeit geplant ist.
410 Šākerī Yazdī, Zohreh (1382/2003): Ḫoršīd-i enqelāb. Zendegīnāmeh-yi Emām Chomeynī (Die Sonne der Revolution. Die Biographie von Emām Chomeynī), Tehrān, S. 92. 411 Šabestarī, Moḥammad Moǧtahed (1378/1999a), Vol. 57, 8, S. 19−21. 412 4:114; 2:221, sowie Siehe: Az-Zuḥaylī, Wahba Muṣṭafā (1984): al-Fiqh al-islāmī wa-adillatuh, Damaskus, Vol. 7, S. 152. 413 2:15.; 98:1.; 5:5. 414 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1376/1997a), Vol. 2, S. 13. 415 60:10.
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Das Zivil- und Bürgerrecht − religiös-rechtliche Grundlagen
Ein iranisch-muslimischer Mann darf die Ehe mit einer Nicht-Mu-slimin, die einer Buchreligion angehört, nur zeitlich befristet eingehen. Eine dauerhafte Ehe ist nur möglich, wenn die Frau zum Islam konvertiert.416 Hingegen erfordert die Ehe zwischen einer Iranerin und einem Mann mit anderem Glauben nach § 1060 IZGB die Erlaubnis des iranischen Staates. Obwohl nach schiitischer Theologie das Begehen einer Ehe in dieser Form nicht erlaubt ist, wird dies im § 1059 IZGB für eine muslimische Frau eingeschränkt gewährt, sofern der Mann zum Islam konvertiert. Für Eheleute bestehen gegenseitige Rechte und Pflichten vermögensrechtlicher und nicht-vermögensrechtlicher Art. Gemäß Abschnitt 8 des 7. Buches des IZGB variieren diese Rechte und Pflichten während der Ehe in unterschiedlicher Art und Weise für Mann und Frau. Nach islamischem Recht sind die Ehepartner finanziell selbstständig, sie besitzen ihr eigenes Vermögen und verwalten es eigenständig. Dies ist im IZGB ausdrücklich verankert.417 Die finanzielle Sicherheit der Frau in und nach der Ehe wird gesetzlich gewährleistet. Im Folgenden werden einige dieser Gesetzesbestandteile erläutert.
II. Die Erwerbtätigkeit der Ehefrau Grundsätzlich sieht die iranische Gesetzgebung gleiche Rechte bei der Auswahl der Arbeit für Männer und Frauen vor. GS 28 der iranischen Verfassung weist auf die freie Entscheidung jedes Bürgers in Bezug auf seine Beschäftigung hin. Die Arbeit soll jedoch nicht gegen die islamischen Maßstäbe und Rechte der Bürger verstoßen. Der Staat ist verpflichtet, die gesellschaftlichen Bedürfnisse anzuerkennen und die gleichen Arbeitsrechte und -bedingungen für alle Menschen zu schaffen. An weiteren Stellen dieser islamischen Verfassung wie dem GS 43 wird das berücksichtigt. Im Gesetz wird für den Arbeitsvertrag keine Beschränkung in Bezug auf ein bestimmtes Geschlecht erwähnt. In der realen Umsetzung
416 Um eine Ehe mit Nicht-Muslimen einzugehen, soll vom iranischen Innenministerium eine Erlaubnis ausgestellt werden. Dem Antrag müssen verschiedene Bescheinigungen beigefügt werden. Für den Mann soll nach seiner Rechtsordnung kein Ehehindernis bestehen, z.B. wenn er noch ledig und bereits verheiratet ist. Falls er zum islamischen Glauben übergetreten ist, soll er das durch eine Bescheinigung beweisen. Ebenso, dass er keine Straftat begangen hat und für den Lebensunterhalt finanziell aufkommen kann. 417 118 IZGB.
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werden einzig Einschränkungen betreffend körperlich schwerer und gefährlicher Tätigkeiten vorgenommen, wenn sie die Gesundheit und das Leben der Frauen bedrohen könnten.418 Männer und Frauen sollen für die gleiche Arbeit in einer gleichen Arbeitsatmosphäre gleich entlohnt werden. Darauf verweist § 38 des Arbeitsgesetzes, das im Jahre 1990 verabschiedet wurde. Nach diesem Gesetz ist es diskriminierend, bei der Berechnung des Lohns Unterschiede wegen Alter, Hautfarbe, Geschlecht, politischer oder religiöser Zugehörigkeit zu machen. Verheiratete Frauen benötigen gemäß § 1117 IZGB die Erlaubnis ihres Mannes, einer Beschäftigung nachzugehen. Mit der Verabschiedung des § 18 des Familienschutzprogramms im Jahre 1974 wurde § 1117 IZGB reformiert, um sicherzustellen, dass das friedliche Miteinander als Fundament der Familie durch die Berufstätigkeit der Frau nicht beeinträchtigt werde.419 Der Mann hat das Recht, der Berufstätigkeit der Frau zu widersprechen, wenn dies laut § 1117 IZGB die gesellschaftliche Stellung und ḥeyṯiyyat (arab. hayṯīya) (Würde) der Frau nicht beeinträchtigt und den Werten und Interessen der Familie oder maṣleḥat-i ḫānevādeh (dem Schutz der Ehe) entgegensteht. Die Ehegatten können sich gegenseitig die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit verbieten, wenn sie Stabilität, Sicherheit und Frieden der Ehe und Familie in Gefahr sehen.420 Trotz dieser gesetzlichen Grundlage wird die Tätigkeit der Frauen außerhalb des Hauses aus theologischer Sicht kritisiert. Dies beeinflusst wesentlich die Abstimmung über die Inhalte der Gesetze im Iran. In Sūrat anNisāʾ Vers 32 wird mit „Erlaubnis des Erlernens/Aneignens“ zowǧeh, hamsar (arab. Zawǧa) das Recht der Frau auf Erwerbstätigkeit angespro-
418 Botschaft der Islamischen Republik (1980b): Die islamische Verfassung im Iran, Bonn, Bd. 4, Kapitel 6. 419 Reform des Familienschutzprogramms 05.02.1974, in: Offizielle Zeitung der islamisch-iranischen Republik, Nr. 8785, 12.12.1353/02.09.1974 Nach dem § 76 dieses Arbeitsgesetzes können die Frauen 90 Tage Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen. Ihr Status bleibt nach ihrer Rückkehr vollkommen erhalten. Siehe: „Qānūn-i kār-i Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān“ (Arbeitsgesetz der Islamischen Republik Iran) (o.J.), online verfügbar unter: [Aufgerufen im 2015 Oktob-er]. 420 Nach § 15 des Familienschutzprogramms (verabschiedet im Jahr 1967) darf der Mann ohne Gerichtsentscheidung seiner Frau die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit verbieten. 1974 und im Laufe der Verabschiedung des § 18 ist die Ehefrau ebenso berechtigt, ihrem Eheman die Ausübung einer Tätigkeit zu verbieten, die gegen die Interessen ihrer Familie verstoßen könnte.
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chen.421 Einige Berufe finden sich an unterschiedlichen Stellen im Koran, wie die Fischerei in Sūrat al-Māʾida Vers 4, das Angeln und Tauchen in Sūrat an-Naḥl Vers 14 und die Viehzucht in Sūrat al-Qiṣaṣ Vers 23 sowie Stillen in Sūrat aṭ-Ṭalāq Verse 6. Die weiteren aufgeführten angemessenen Berufe in Überlieferung von Imāmen sind Weberei, Klageliederei und Friseuse.422 Die Rechtsgutachten und die Interpretationen der schiitischen Gelehrten zur außerhäuslichen Tätigkeit der Frauen werden aus herkömmlicher und aus aktueller schiitischer Perspektive betrachtet. Al-Muḥaqqiq alḤillī (1205 – 1277), al-ʿAllāma al-Ḥillī (1250 – 1325), aš-Šahīd aṯ-Ṯānī (1506 –1558) und Moḥammad Ḥasan Naǧafī (1785 – 1849) bestätigen dies, dass das Verlassen des Hauses ohne die Erlaubnis des Ehemannes nicht möglich sei.423 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī spricht in seinem Werk Tafsīr al-mīzān die Beschäftigung der Frauen in öffentlichen Bereichen als Lehrerin, Geschäftsfrau, Krankenpflegerin und Ärztin an. Mit Verweis auf vorhandene schiitische Quellen argumentiert er, dass kulturelle und rechtliche Gültigkeiten zur Lebenszeit des Propheten auch heute noch bindende Kraft besäßen. Das damalige Arbeitsrecht der Frauen wird detailliert erläutert und zur Nachahmung empfohlen.424 Laut Ayatollah Sayyed ʿAbdolkarīm Mūsavī Ardebīlī braucht die Frau für ihre außerhäusliche Beschäftigung nicht unbedingt die Erlaubnis des Ehemannes, wenn diese Beschäftigung ihre Ehe nicht beeinträchtigt. Die meisten der schiitischen Gelehrten interpretieren das Recht der Frau, zu arbeiten, vorsichtig. Einerseits widersprechen sie diesem Recht nicht, andererseits sehen sie eine wichtige Voraussetzung hierfür darin, dass der
421 Rahbar, Mehdī (1388/2009): „Barresī-yi taṭbīqī-yi naẓarāt-i šīʿeh va ahl-i sonnat dar mowred-i ešteġāl-i bānovān (Die vergleichende Untersuchung der Ideologie der Schia und Sunna im Bereich Arbeitsrecht der Frauen)“, in: Mabāḥeṯ-i bānovān-i šīʿeh, 22, 6, S. 45–66. 422 4:32; 5:2–4; 16:14; 65:6; 28:23, Siehe: Ṭāherīniyā, Aḥmad (1383/2004): „Faʿāliyyat-i eqteṣādī-yi zanān az dīdgāh-i Qurʾān“ (Die Gewerbetätigkeit der Frau aus der Sicht des Korans), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 423 Al-Muḥaqqiq al-Ḥillī, Abu l-Qāsim Naǧm ad-dīn Ğaʽfar Ibn al-Ḥasan (1415q/ 1995), Vol. 2, S. 558.; al-ʿAllāma al-Ḥillī, Abū Manṣūr Ḥasan Ibn Yūsuf Ibn Muṭahhar (1413q/1993), Vol. 3, S. 95; aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al- Āmidī (1413q/1992a), Vol. 8, S. 308; an-Naǧafī, Muḥammad Ḥasan (1981a), Vol. 40, S. 185. 424 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1376/1997c), Vol. 5, S. 125.
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Mann der Frau das Verlassen des Hauses grundsätzlich auch ohne seine unmittelbare Zustimmung gestattet.425
III. Das Unterhaltsrecht (Alimente) Nach iranischem Familienrecht ist die Frau berechtigt, vom Mann Unterhalt zu verlangen. Gemäß § 1106 IZGB hat die Frau Anspruch auf eine angemessene Unterhaltsversorgung. Dieses einseitige Recht bedeutet nicht, dass die Frau ihrem Mann gegenüber bedürftig ist. Das Recht auf Unterhalt besteht allerdings nur im Falle ihrer Gehorsamkeit bzw. wenn die Frau ihren ehelichen Pflichten nachkommt. § 1107 IZGB regelt die finanziellen Verpflichtungen des Mannes. Die Frau darf ihr Einkommen für sich selbst behalten. Sie ist nicht verpflichtet, sich an den Haushaltskosten426 zu beteiligen.427 Wenn sie aber berufstätig ist und ihren Verpflichtungen als Ehefrau nicht nachkommt, verliert sie nach § 1108 IZGB ihren Versorgungsanspruch. Falls der Mann aus unterschiedlichen Gründen verhindert ist, den Lebensunterhalt der Frau zu zahlen, darf sie den Unterhalt bei Gericht einklagen.428 Für den Fall, dass der Mann nicht mehr lebt, sollen nach diesem Gesetz die väterlichen Verwandten (Großvater und Onkel) die Versorgung der Frau und der Kinder übernehmen. Die Gesetze beziehen sich größtenteils auf das Gerechtigkeitsprinzip.ʿUsr wa ḥaraǧ (Erschwernis und Bedrängnis) beziehen sich jeweils auf Schwierigkeiten, Härte, Armut und Schuld, Vergehen und Sünde. Die Ehefrau ist verpflichtet, ihre Aufgaben zu erfüllen. Ihre Verweigerung führt laut § 1130 IZGB zu Schwierigkeiten und zu Schuld und Sünde. Aus der Sicht der schiitischen Theologie soll der Mann die Frau finanziell unterstützen. In den schiitischen Quellen Qawāʿid al-aḥkām fīmaʿrifat al-ḥalāl wa-l-ḥarām von al-ʿAllāma al-Ḥillī und Minhāǧ al-
425 Bāqerī, Moḥammad Ṣādeq (o.J.): „Zan, ḥaqq-i ḫorūǧ az manzel, ḥaq-i kār va eẕni šowhar“ (Die Frau, das Recht des Verlassens des Hauses, das Arbeitsrecht und die Erlaubnis des Ehemannes), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 426 Die Zahlung bezieht sich auf solche Ausgaben wie Wohnung, Kleidung, Nahrung und Möbel, im Einklang mit der Frau und ihrem sozialen Status. Wenn die Frau aufgrund körperlicher Behinderung oder einer Krankheit daran gehindert ist, ihre Aufgaben zu erledigen, darf der Mann ein Dienstmädchen einstellen. 427 § 1199 IZGB. 428 § 1111, 1203, 1206 und § 642 IStGB.
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ṣāliḥīn von Ayatollah Ḫuʾī (1899-1992) wird auf die Gehorsamkeit der Frau hingewiesen.429 Nušūz (Verletzung der ehelichen Pfilichten seitens des Ehegatten) bezieht sich auf folgende Punkte: Die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse des Mannes, das Verlassen des Hauses nur mit Erlaubnis des Mannes und die Führung des Haushalts. ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī versteht die Stellung der Partner folgendermaßen: Er verweist auf die Sūrat an-Nisāʾ Vers 34 und die Bedeutung des Begriffs ʼqawwāmūnʽ, der besagt, dass der Mann aufgrund seiner Vormachtstellung verpflichtet sei, Vormund gegenüber seiner Frau und Familie zu sein und sich finanziell um die Stabilität der Familie zu kümmern, während die Frau dementsprechend Untertanin des Mannes sei.430 Morteżā Moṭahharī und weitere zeitgenössische islamische Gelehrte wie Ṭabāṭabāʾī431 weisen auf die Bedeutung der Alimente hin und sehen in der „wertvollen Aufgabe“ der Frau als „Mutter und Erhalterin der menschlichen Generation“ den Grund für die Verpflichtung des Mannes, sie finanziell zu unterstützen.
IV. Das Erbrecht Die wesentlichen Erbrechtsgesetze, die heute noch ihre Gültigkeit besitzen, finden ihren Ursprung im klassischen Erbrecht und in der koranischen Regelung. Auf die Erbteilung zwischen Geschlechtern wird in Sūrat an-Nisāʾ Vers 11 f. und Vers 176 hingewiesen.432 Das Erbrecht (ḥaqqi erṯ) wurde 1929 als ein Teil des iranischen Zivilgesetzbuches kodifiziert. Darin zeigen sich verschiedene Aspekte, die auf unterschiedliche Rechtsschulen wie Ǧaʿfarīya und aš-Šīʿa al-Iṯnā ʿAšarīya (Zwölfer Schia) zurückgehen. Nach § 140 IZGB ist ein vorhandenes Vermögen nach dem Tod einer Person ein Erbe, das weitergegeben werden kann. Wie im sunnitischen wird auch im schiitischen Erbrecht das Vermögen des Verstorbenen unter seinen überlebenden Verwandten auf-
429 Al-ʿAllāma Al-Ḥillī, Abū Manṣūr Ḥasan Ibn Yūsuf Ibn Muṭahhar (1413q/1993), Vol. 3, S. 665; Mūsawī Ḫuʾī, Sayyed Abu l-Qāsim (1392q/1921b), Vol. 2, S. 293. 430 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994e), Vol. 20, Kapitel 79–82: Ehe (Nikāh).; ʿAllāma Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1391q/1971): Beirut, Vol. 4, S. 344–366. 431 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1376/1997a), Vol. 2, S. 178– 182. 432 Rohe, Mathias (2009), S. 99.
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geteilt.433 Nach dem § 861 IZGB gibt es zwei Bedingungen für eine Erbschaft und zwar die Verwandtschaft und die Blutsverwandtschaft.434 Nach §§ 899-901 IZGB ist das Erbe eines Ehemannes im Falle des Todes seiner Ehefrau größer als der Erbteil der Ehefrau im Falle des Todes des Ehemannes. Der Unterschied besteht nur in der Erbverteilung bei Verwandten unterschiedlichen Geschlechts, d.h. die Tochter und Schwester erhalten gemäß § 907 IZGB die Hälfte gegenüber dem Sohn und Bruder. In der Ehe erbt die kinderlose Witwe ein Viertel des Vermögens des Verstorbenen, der kinderlose Witwer erbt die Hälfte des Vermögens seiner Frau: Gingen aus der Ehe Kinder hervor, erbt die Witwe ein Achtel und der Witwer ein Viertel.435 Im Weiteren beschäftigt sich das IZGB mit den Erbteilen der Eltern und Geschwister sowie der Tanten und Onkel, die je nach Geschlecht und den Verwandtschaftsbeziehungen unterschiedlich festgelegt werden.436 Die offensichtliche Diskrepanz zwischen beiden Geschlechtern bzw. zwischen Ehemännern und Ehefrauen, zwischen Söhnen und Töchtern, zwischen Schwestern und Brüdern wird von vielen muslimischen Gelehrten infrage gestellt. Die Verteilung des Erbes wird laut Hamid Khan nach traditionellem Unterhaltsrecht unabhängig von der jeweiligen finanziellen Lage des erbberechtigten Nachkömmlings differenziert. Das islamische Erbrecht beendete laut Khan die angeblich vorherige ungerechte Praxis, welche die Frauen bzw. Witwen und ihr Vermögen zum vererbbaren Nachlass zählte.437 Nach Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan al-Ḥurr al-ʿĀmilī (1624 – 1693) mit Rückblick auf die Überlieferungen bekommt eine Frau nach dem Tod ihres Mannes von Grundstück, Gebäude oder Palme keinen Erbanteil.438 Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī verweist auf die Überlieferung von Imām Bāqir und Imām Ṣādiq in seinem Werk al-Istibṣār. Die Frau erbt dement-
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Ebd., S. 40. § 862 IZGB. 4:11. Bei allen Regelungen ist der Erbanteil eines Mannes doppelt so hoch wie der einer Frau. Nach schiitischem Erbrecht erbt die Tochter eines Verstorbenen das gesamte Vermögen ihres Vaters, wenn keine anderen Verwandten leben. Vgl. Siehe: Mir-Hossein, Ziba (2010), S. 318–371: 350. 437 Khan, Hamid (1999): Islamic Law of Inheritance, in: Rohe, Mithias (Hrsg.): Das islamische Recht: Geschichte und Gegenwart, Karachi, S. 21 ff. 438 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994d), Vol. 26, S. 207.
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sprechend nur Geld, Möbel und Kleider von ihrem Ehemann.439 Da die Frau nach dem Tod ihres Mannes möglicherweise heiratet und das Vermögen ihres Mannes eventuell weitergeleitet wird, spricht sich al-Ḥurr al-ʿĀmilī und mit Verweis auf die schiitischen Quellen gegen die vollkommene Erbberechtigung der Frau aus. Genauso begründet er die Erbberechtigung einer Tochter.440 Die weiteren schiitischen Gelehrten wie Fāḍil al-Hindī (1652 – 1725) und Ayatollah ʿAlī Moḥammad Naǧafī Borūǧerdī (1897 – 1974) unterstützen diese Aussage.441 Laut aš-Šayḫ aṭṬūsīs erbt die Ehefrau das gesamte Vermögen ihres Mannes nach seinem Tod, wenn sie mit ihm Kinder hat.442 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī bestätigt dies in seinem Werk Tafṣīl wasāʾil aš-šīʿa ilā taḥṣīl masāʾil aš-šarīʿa.443 So wurden in der achten Periode des Islamischen Parlaments nach dem Vorschlag zeitgenössischer Gelehrten die Inhalte der §§ 946 und 948 IZGB bezüglich des Erbrechtes auf eine neue Grundlage gestellt. Bisher dürften die Frauen nach dem Tod des Ehemannes Anspruch auf jede Art der Liegenschaften und Grundeigentum haben, auf die unbeweglichen Eigentümer haben sie jedoch keinen vollständigen Anspruch.
V. Die Scheidung Ṭalāq (die Scheidung)444 bedeutet die Auflösung der Ehe. Das Scheidungsgesetz wurde zuerst im Jahre 1922 im iranischen Nationalparlament
439 Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1406q/1985), S. 153. 440 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994d), Vol. 26, S. 206 f. 441 Al-Isfahānī, Bahāʾ ad-dīn Muḥammad Ibn al-Ḥasan (Fāḍil al-Hindī) (1420q/ 2000b), Vol. 2, S. 301; ebd., Vol. 9, S. 466.; Naǧafī Borūǧerdī, Moḥammad Taqī (1361/1982): Risālat nuḫbat al-afkār fī ḥirmān az-zawǧa min al-arāḍī wa-lʿaqār, Qom, S. 4. 442 Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1378q/1987a): alMabsūṭ fī fiqh al-imāmīya, o.O., Vol. 4, S. 126. 443 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994d), Vol. 26, S. 213. 444 Nach iranischem Recht bedarf die Auflösung einer Ehe keines Gerichtsprozesses, sondern mit der Zustimmung beider Partner wird die Ehe beendet. Der Gerichtsprozess ist notwendig, wenn eine medizinische Begründung vorliegt oder einer der Partner geistig nicht mehr in der Lage ist, seine Ehe zu führen. Beide Partner haben das Recht, die Aufhebung einer Ehe in Anspruch zu nehmen.
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verabschiedet und ist vom islamischen Recht der al-Imāmīya abgeleitet. Nach dieser Schule darf sich nur der Mann von der Frau scheiden lassen, ihm steht die alleinige Entscheidung zu, ohne Zustimmung der Frau und Erlaubnis des Gerichtes. Die Scheidung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem die Entscheidung des Mannes oder ein Gerichtsurteil eine auf Dauer eingegangene Ehe auflöst. Im iranischen Zivilgesetzbuch wird auf den Grund für die Aufhebung der Ehe hingewiesen. In den §§ 1131 und 1132 IZGB wird nicht auf die Notwendigkeit einer Gerichtsgenehmigung hingewiesen. Im § 1133 IZGB wird die Scheidung als alleiniges Recht des Mannes angesehen. Damit ist gemeint, dass die Scheidung grundsätzlich vom Willen des Mannes oder dessen Vertreter abhängig ist445 und dementsprechend muss sich der Ehemann an keine Absprache mit der Frau halten.446 Die Frau darf ihren Ehemann zur Scheidung zwingen, wenn er seine ehelichen Pflichten verweigert oder geistig krank ist. Dies zählt nach § 1130 IZGB als ʿusr va ḥaraǧ. Auch hat die Ehefrau das Recht, die Scheidung einzureichen, wenn sie in einer Bedrängnislage ist. Gemäß den §§ 1143-1145 IZGB unterscheidet das iranische Scheidungsrecht zwischen verschiedenen Arten von Scheidungen. Die unwiderrufliche Scheidung nennt man bāʾin.447 Die vom Ehemann einseitig ausgesprochene widerrufliche Scheidung, die innerhalb der ʿidda (einer dreimonatigen festgelegten Frist der Trennung und einer Beendigung der nächsten drei Men-
445 Bis 1967 konnte ein Ehemann seine Ehefrau ohne ihre Erlaubnis und im außergerichtlichen Prozess verstoßen. Dafür war die Anwesenheit von zwei aufrichtigen und glaubwürdigen Zeugen ausreichend. Mit der Verabschiedung des Familienschutzes im Jahr 1967 wurde gemäß § 8 und 19 die willkürliche außergerichtliche Scheidung abgeschafft und die Rechte des Ehemannes und der Ehefrau insofern abgesichert. 446 Khodadadi Tahashi, Farzad (2005): Das iranische Familienrecht aus der Perspektive der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, Hamburg, S. 124. 447 Bei dieser Art der Scheidung benötigt der Ehemann einen behördlichen Nachweis, falls er seine Frau wieder heiraten möchte. Es gibt nach der al-Imāmīya sechs Formen in dieser Scheidung (bāʾin): 1: Die Scheidung in den Wechseljahren, 2.: Die Scheidung nach dreimaliger Rückkehr, 3.: Die Scheidung vor dem Geschlechtsverkehr, 4.: Der Fall, dass ein Mann mit einer Minder-jährigen Geschlechtsverkehr hatte und sie sich danach scheiden lässt, 5.: und 6.: Diese Art der Scheidung nennt sich ḫulʾ gemäß § 1146 IZGB, in der die Frau den Scheidungsantrag stellt, aufgrund ihres Hasses und gegen einen Betrag (häufig der Wert der Brautgabe), der dem Mann ausbezahlt werden soll; und mubārāt gemäß § 1147 IZGB handelt es sich um eine Art der Scheidung, in der der Ehemann den Scheidungswunsch der Frau akzeptiert und keine Brautgabe verlangt.
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struationsperioden)448 zurückgenommen werden kann, nennt man ruǧāʿī. (arab. riǧʿī). Wenn der Ehemann innerhalb dieser drei Monate seine Meinung ändert, benötigt er keine behördliche Erlaubnis, seine Frau wieder zurückzunehmen. Laut §§ 1150 und 1151 IZGB darf die Frau innerhalb der Wartezeit ʿidda bzw. vor Beendigung der nächsten drei Menstruationsperioden nicht wieder heiraten. Eine Frau im Klimakterium ist nicht verpflichtet, die dreimonatige Frist einzuhalten. Sie kann sofort nach der Scheidung erneut heiraten. Ungeachtet der finanziellen Unabhängigkeit der Frau ist der Ehemann verpflichtet, seine Familie zu finanzieren. Bei einer Zahlungsverweigerung des Ehemannes kann die Ehefrau bei Gericht einen Antrag stellen, um ihn zur Zahlung zu zwingen. Kommt der Ehemann seiner Unterhaltspflicht nicht nach, wird der Richter gemäß § 1129 IZGB das Scheidungsurteil ausstellen, wenn er davon überzeugt ist, dass die Ehefrau im Recht ist und dementsprechend den Ehemann zum Ausspruch der Scheidung verurteilen. Trotz der Scheidungsgesetzesreform des Jahres 1992 hat der Ehemann das Recht, sich mit einer Begründung von seiner Frau scheiden zu lassen. Außerdem darf der Mann seine Ehe bspw. aus Krankheitsgründen der Frau aussetzen, wobei dieses Recht der Frau nicht zugestanden wird. Dieses Gesetz ist von der islamischen Rechtswissenschaft, und zwar der feqh imāmīya, abgeleitet, die sich auf die Überlieferung des Propheten bezieht. Die schiitischen Gelehrten sind sich insofern nicht einig. Aš-Šahīd aṯṮānī (1506 – 1559) sieht im Bezug auf Scheidung die Erlaubnis des Gerichtes als nicht notwendig an, während aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī die Auflösung der Ehe ohne Gerichtsentscheid kritisiert.449 Er hält dies für notwendig, weil die Ehe aufgrund eines Problems beendet wird und das Gericht verpflichtet ist, die Gründe zu überprüfen und dementsprechend die Ehe zu beenden.450 In den Quellen wie al-Muqniʿa von aš-Šayḫ al-Mufīd (948 – 1022) und in an-Nihāya von aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī wird darauf hingewiesen. In an-Nihāya fī muǧarrad al-fiqh wa-l-Fatāwā von aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī wird erwähnt: Wenn ein Mann nach der Eheschließung von der Krankheit seiner Frau 448 Die Zeit, die eine Frau nach dem Tod des Ehepartners oder nach einer Scheidung beachten muss und in der sie einen anderen Mann nicht heiraten kann. 449 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992a), Vol. 8, S. 127 f.; aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1378q/1987a), Vol. 4, S. 249 ff. 450 Zaḥīlī, Wahba (1984), Vol. 7, S. 348 ff.
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erfährt, darf er die Ehe für ungültig erklären.451 Die Frau darf dies nur im Fall einer Geisteskrankheit ihres Mannes verlangen.452 Nach al-Kāfī von Muḥammad Ibn Yaʿqūb al-Kulaynī werden nur geistige Verwirrung und Geschlechtskrankheiten als eine Begründung für die Aufhebung der Ehe anerkannt. Laut Muḥammad Ibn Yaʿqūb al-Kulaynī (864 – 941) in al-Kāfī kann eine Ehe ausgesetzt werden, wenn die Frau an einer Krankheit wie geistiger Verwirrung oder Lepra und anderen infektiösen Krankheiten leidet.453 Bei Impotenz des Mannes hat dieser ein Jahr Zeit, sich untersuchen zu lassen. Sollte dieser Tatbestand unabänderlich bleiben, hat die Frau das Recht, die Ehe aufzulösen. Zu dieser Überlieferung kann in den Werken wie al-Kāfī, Tahḏīb al-aḥkām und Wasāʾil aš-šīʿa nachgeschlagen werden.454 Es gibt eine kleine Anzahl von Gelehrten, die mit dem Recht der Frau auf den Abbruch ihrer Ehe einverstanden sind. Das ist nur dann möglich, wenn der Mann die Frau in verschiedener Form wie der Verweigerung des Lebensunterhalts, ständiger Abwesenheit, Brutalität, Belästigung und Misshandlung schlecht behandelt. In diesen Fällen kann sie beim Gericht einen Scheidungsantrag stellen.455 In den Suren al-Baqara, an-Nisāʾ, al-Aḥzāb und aṭ-Ṭalāq wird über die Scheidung gesprochen. Sūrat aṭ-Ṭalāq besteht aus zwölf Versen, in sieben davon geht es um die Scheidungs- und Ehegebote. Die Suren handeln von ʿidda, in der die Rückkehr des Partners möglich ist oder Heirats- und Scheidungszeugen zu suchen sind. In Sūrat al-Baqara wird die ʿidda auf drei Monate bzw. drei Menstruationsperioden festgelegt.456 Die Trennungsfrist ʿidda von einer schwangeren Frau beinhaltet Unterkunft, Unterhaltskosten und Unterstützung während der Niederkunft. In Sūrat aṭṬalāq wird auf die Möglichkeiten der Rückkehr des Ehemannes im Zeitraum der ʿidda eingegangen.457 451 Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1359/1980): anNihāya fī muǧarrad al-fiqh wa-l-fatāwā, Tehrān, S. 485. 452 Ebd., S. 486 f; aš-Šayḫ al-Mufīd, Muḥammad Ibn Muḥammad Ibn an-Nuʿmān (1410q/1990), S. 721. 453 Al-Kulaynī, Muḥammad Ibn Yaʿqūb (1414q/1993): al-Kāfī, Qom, S. 406-409. 454 Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 125f; an-Naǧafī, Muḥammad Ḥasan (1981e), Vol. 30, S. 320. 455 Aš-Šayḫ al-Mufīd, Muḥammad Ibn Muḥammad Ibn an-Nuʿmān (1410q/1990), S. 519. 456 2:228. 457 65:2.
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ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī verweist in seinem Werk al-Mīzān auf die Bedeutung zweier Zeugen für die Bestätigung der Rückkehr, wobei manche schiitische Gelehrte dies nur für die Scheidung als notwendig ansehen.458 In der Tatsache, dass es keinen geschlechtlichen Kontakt zwischen den Ehepartnern gegeben hat, sieht die Sūrat al-Aḥzāb einen Scheidungsgrund. In dieser Situation brauchen die Ehepartner keine ʿidda einzuhalten.459 In Sūrat al-Baqara wird in diesem Fall der Mann verpflichtet, nur die Hälfte der Morgengabe an die Frau zu zahlen. Wenn keine Morgengabe vereinbart wurde, soll der Mann von seinem eigenen Vermögen einen Teil der Frau (mahr al-mutʿa)460 geben.461 Der Trennungsprozess darf nur zweimal durchgeführt werden, d.h. der Mann darf nur zweimal zu der Frau zurückkehren. Ein drittes Mal ist eine Rückkehr für den Mann nicht mehr möglich. Dies zwingt die Männer dazu, eine Scheidung gründlicher zu überdenken.462 In dem Fall, dass die Rückkehr doch zum dritten Mal erfolgen soll, soll die Frau zunächst einen anderen Mann heiraten und kann dann nach ihrer Scheidung wieder den ersten Ehemann heiraten.
VI. Die Polygamie und befristete Ehe Es finden sich keine Vorschriften im iranischen Zivilgesetzbuch über eine ausdrückliche Erlaubnis des Ehemannes, eine Ehe mit mehreren Frauen einzugehen. Aus dem Inhalt der §§ 900, 201, 942, 1046, 1048 und 1049 IZBG ist zu entnehmen, dass die Ehe mit mehreren Frauen gesetzliche Folgen hat.463 Es ist dem Ehemann nur im Falle einer unheilbaren Krankheit der ersten Ehefrau oder wenn sie keine Kinder bekommen kann, möglich, eine zweite Ehe einzugehen. Dies bedarf jedoch der Zustimmung der ersten Ehefrau. Sollte die zweite Ehe ohne Zustimmung der er458 459 460 461 462 463
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ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1376/1997a), Vol. 2, S. 281. 33:49. Die Morgengabe für die Zeitehe. § 1093 IZGB, sowie Sūrat al-Baqara Verse 236–237 (2:236–237). Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 178 f. Der § 14 des Familienschutzprogramms von 1967 sieht in der Polygamie und der islamischen Rechtsprechung keinen Widerspruch. Wenn ein Mann eine weitere Frau heiraten möchte, muss eine Genehmigung beim Gericht beantragt werden. Das Gericht ist verpflichtet, die Erlaubnis der aktuellen Frau und die finanzielle Situation des Mannes zu überprüfen. Wenn ein Mann ohne diese Genehmigung heiratet, kann er gemäß § 5 des Ehegesetzes von 1921 zu einer sechsmonatigen bis zweijährigen Gefängnissstrafe verurteilt werden.
Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
sten Ehefrau eingegangen worden sein, darf sie einen Scheidungsantrag stellen. Sollte trotz ihrer Zustimmung die Situation für sie unerträglich werden, darf sie nach § 1130 IZGB wegen ʿusr va ḥaraǧ einen Scheidungsantrag stellen.464 Das Zivilgesetzbuch basiert auf der islamischen Jurisprudenz. Der Mann ist nach diesem Gesetz berechtigt, maximal vier Frauen gleichzeitig zu haben. Es gibt jedoch keine Begrenzung für die Anzahl der vorübergehenden Ehen. Die wichtigste Forderung ist, dass der Mann alle Frauen gleich behandeln soll. Im Zivilgesetzbuch sind die Vorschriften, die für eine Dauerehe gelten, festgelegt, wobei in §§ 1075-1077 IZGB die Ehe auf Zeit ṣīġeh direkt angesprochen und dementsprechend in den Vorschriften über die Brautgabe in §§ 1094 bis 1098 und in §§ 1113 und 1139 IZGB ausdrücklich geregelt wird. Nach islamisch-schiitischer Rechtsprechung ist eine befristete Ehe anerkannt und zulässig. Die Rechte der Frau in einer Dauerehe sind anders als in der Ehe auf Zeit. Gemäß § 1113 IZGB hat die Frau in einer zeitlich befristeten Ehe keinen Anspruch auf Unterhalt und Vermögen465 des Mannes. Ein Unterhaltsanspruch kann laut § 1095 IZGB jedoch vertraglich unter den Partnern festgelegt werden. Sollte der Mann seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommen, ist die Ehe vorzeitig ungültig. Die aus einer Zeitehe stammenden Kinder haben die gleichen Rechte wie die Nachkommen aus einer Dauerehe.466 Nach der Beendigung der zeitlich befristeten Ehe soll nach § 1152 IZGB eine zweimonatige ʿidda eingehalten werden. Nach schiitischem Recht, der Imāmīya und laut § 1075 IZGB ist es den Männern jedoch erlaubt, weitere Frauen für eine bestimmte Zeit zu haben. Für die Ehe auf Zeit gibt es keine Begrenzung der Anzahl der Frauen. In Ǧawāhir al-kalām wird auf die Authentizität dieser Behauptung 464 Durch die Reform des Familienschutzprogramms 1974 wurden die Inhalte des 14. Absatzes geändert und stattdessen wurden die Absätze 16 und 17 verabschiedet. Der Absatz 16 verweist auf das Einverständnis der ersten Frau und das Eingeständnis ihrer ehelichen Unfähigkeit. Darunter versteht man die Unheilbarkeit einer Krankheit, Sucht, Unfruchtbarkeit, ihre vollkommene Abwesenheit oder den Ehebruch. Mit dieser Voraussetzung ist der Mann berech-tigt, nach Absatz 17 beim Gericht den Antrag auf eine weitere Ehe zu stellen. Die Gefängnisstrafe besitzt ihre Gültigkeit, wenn der Mann sich weigert, diesen Antrag zu stellen. Nach diesem Gesetz wird der ersten Frau das uneingeschränkte Recht erteilt, eine Scheidung zu jeder Zeit in die Wege zu leiten. 465 § 940 IZGB. 466 § 1165 IZGB.
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hingewiesen.467 In Wasāʾil aš-šīʿa mit Hinweis auf die Sūrat an-Nisāʾ wird die Erlaubnis für den Mann bestätigt, neben vier Dauerehen noch mehrere Ehen auf Zeit einzugehen.468 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī kritisiert in arRawḍa al-bahīya fī šarḥ al-Lumʿa ad-dimašqīya469, einer der anerkannten Quellen des islamischen Rechts unter Schiiten, die Zeitehe und hält sie für unmoralisch, obwohl sie Bestandteil (Sūrat an-Nisāʾ) des Korans und somit des Islams470 ist.471 Er verweist in seinem Werk Masālik al-afhām fī šarḥ šarāʾiʿ al-islām auf die Sittenlosigkeit dieser Regelung hin.472 Nach aš-Šahīd aṯ-Ṯānī wird im Koran473 nur auf eine Frau hingewiesen und die Erlaubnis für weitere Frauen sei eine Ausnahme. Eine weitere Ehe solle auf der Gleichberechtigung unter den Frauen basieren, ansonsten sei sie nicht erlaubt.474 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī hält eine Ehe auf Zeit für unrealistisch, da hier u.a. keine Gleichberechtigung zwischen weiteren Ehefrauen zustande kommen könne.475 Er sieht es als Aufgabe eines islamischreligiösen Staates an, die Gesetze zugunsten des öffentlichen Interesses zu interpretieren.476 Aus rechtswissenschaftlich-theologischer Sicht ist das Ziel der Gesetzgebung in Bezug auf zeitlich befristete Ehen, die Ordnung in der Gesellschaft zu schaffen bzw. zu erhalten. Die Gesetzgeber haben laut Muḥaqqiq Dāmād für die sozial schwachen Menschen, die sich die Unkosten einer Hochzeit nicht leisten können, eine Möglichkeit geschaffen, ihre menschlichen Bedürfnisse im Rahmen einer befristeten Ehe zu befriedigen.477
467 An-Naǧafī, Muḥammad Ḥasan (1981e), Vol. 30, S. 8. 468 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994a), Vol. 14, S. 446. 469 Laut Nāṣer Kātūziyān, Professor der Rechtwissenschaft an der Unversität Teheran, seien viele erwähnte Gesetze des IZGB und des iranischen Strafrechts von diesem Werk abgeleitet, Siehe: aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1403q/1983b): ar-Rawḍa al-bahīya fī šarḥ al-Lumʿa addimašqīya, Qom, S. 207. 470 4:3. 471 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1403q/1983b), S. 207. 472 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992a), Vol. 8, S. 350. 473 4:3. 474 Rašīd Rīḍā, Muḥammad (1990): at-Tafsīr al-Qurʾān al-ḥakīm (Tafsīr al-manār), Beirut, Vol. 4, S. 348. 475 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1391q/1971), Vol. 4, S. 180. 476 Ebd., S. 207. 477 Moḥaqqeq Dāmād, Sayyed Moṣṭafā (1386/2007), S. 212.
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D. Das Strafrecht – religiös-rechtliche Grundlage I.
Die Einordnung des Strafrechts in der Rechtssystematik
Im islamischen Strafgesetz478 (qānūn-i moǧāzāt-i eslāmī) abgeleitet vom feqh imāmīya, herrscht eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau vor. Im Zivilrecht wird dieser Unterschied besonders deutlich. Der Mann hat in vielen Regelungen die Priorität.479 Nach Muwaffaq ad-dīn Abū Muḥammad ʿAbdallāh bin Aḥmad bin Qudāma al-Maqdisī (1147 – 1223) wurden manche Verse im Koran aufgrund der herrschenden gesellschaftlichen Normen zur Zeit seiner Entstehung verfasst. Für eine Vergeltung wurden die Körperteile des Menschen, wie es in der Tora erwähnt wird, einander gegenübergestellt, ohne das Geschlecht einzubeziehen. In Sūrat al-Baqara wurde erstmals der Grundsatz der Strafe diskutiert und danach die Beweismittel zur Realisierung einer Strafe im Sinne eines Vergleichs und einer Gegenüberstellung der Hand-
478 Das islamische Strafgesetz ist eine der wichtigsten Quellen, das am 27. Juli 1370/1991 von der juristischen Kommission des Islamischen Parlaments Irans abgestimmt und später im 27. November dieses Jahres vom Schlichtungsrat bestätigt wurde. Dieses Gesetzbuch besteht aus 729 Artikel. Diese Reihe von Gesetzen wurde nach einer langen Probezeit seit dem Jahr 1370/1991 im Jahr 1388/2009 vollkommen geändert und nach einer endgültigen Verabschiedung des Islamischen Parlaments im Jahr 1392/2013 verbindlich praktiziert. Das islamische Strafgesetz ist abgeleitet von schiittischer Theologie und geprägt von folgenden schiitischen Rechtsquellen wie Šarāʾiʿ al-islām, Ğawāhir al-kalām und Taḥrīr al-wasīla. Siehe: Moḥammadī Ğūrkowayh, ʿAlī (1383/2004): „Naqd-i sāḫtār-i qānūn-i moǧāzāt-i eslāmī“ (Die Kritik an der Struktur des islamischen Strafgesetzes), in: Feqh va ḥoqūq, 1, S. 157−174: 157 f. 479 Das islamische Strafrecht besteht aus fünf Büchern und beinhaltet 729 Artikel und 147 Anmerkungen. Die ersten vier Bücher wurden unter Aufsicht der Justiz und der Rechtskommission im August 1991 verabschiedet. Dieses Strafrecht, das zuerst im Jahr 1983 von der Justizkommission eingeführt wurde, ändert seinen Namen im Jahre 1996 in „Strafgesetz und die Behinderung der Bestrafung (Qānūn-i moǧāzāt va ğelogīrī az ğorm)“ mit 232 Artikeln und 44 Anmerkungen, die vom Wächterrat für noch zehn weitere Jahre bestätigt und von der Präsidentschaft durchgesetzt wurden. Das Gesetz „Strafgesetz und die Behinderung der Bestrafungen“, verabschiedet im Jahre 1991, beinhaltet das Strafverfahren qeṣāṣ und das Blutgeld dīyeh. Diese Bestimmungen sind vom islamischen Recht geprägt und die Mehrzahl davon ist abgeleitet vom Taḥrīr al-wasīla von Ayatollah Chomeynī. Besonders § 630 (über außerehelichen Geschlechtsverkehr) erfordert eine Debatte, wobei auch die historischen Hintergründe dargestellt werden sollen. Siehe: Mehrpūr, Ḥoseyn (1387/2008), S. 208.
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lungen beurteilt. In dieser Sure kann keine Ungleichbehandlung der Geschlechter festgestellt werden.480 Sūrat al-Isrāʾ verweist darauf, dass Rache auch unverhältnismäßig ausgeübt werden kann und zeigt Alternativen zur Ausübung der Rache auf.481 In Sūrat al-Māʾida wird mit dem Hinweis auf die Tora die körperliche Bestrafung erklärt, in der jeder Körperteil entsprechend dem geschädigten Körperteil bestraft werden soll.482 In der zweiten und längsten Sure des Korans, Sūrat al-Baqara, werden neben anderen Themen, der Strafbefehl und die philosophischen Hintergründe berücksichtigt. Es wird auf die gesellschaftliche und rechtliche Beziehung zwischen Mörder und Ermordetem und auf ihr Geschlecht eingegangen und sogar vom Vorteil der Vergebung und dem Verzicht auf jegliche Strafe gesprochen. Weiterhin wird auf die Gründe einer Strafe hingewiesen. Sie soll eine Abschreckung für den anderen sein und gesellschaftliches Chaos und Anarchie verhindern.483 Im Koran wird für die Ermordung einer Frau durch einen Mann keine Strafe ausgesprochen. Gemäß § 209 des IStGB wird ein muslimischer Mann für die Ermordung seiner muslimischen Frau bestraft. Gemäß § 213 IStGB soll in jedem Fall vom Täter ein Teil des Sühnegeldes bzw. Blutgeldes484 gezahlt werden, bevor man ihn bestraft. Nach § 226 IStGB ist der Täter strafpflichtig, wenn dies begründet werden kann. In der schiitischen Rechtsschule Imāmīya haben die Gelehrten einen Konsens in ihrer Rechtsauffassung. Der Mann bekommt nach ihrer Auffassung eine geringere Strafe.485 In dem Werk Ǧawāhir al-kalām wird darauf hingewiesen, dass eine Frau, die ihren Mann absichtlich tötet, bestraft werden soll. Diese Strafe qeṣāṣ (arab. qiṣāṣ) beinhaltet das Blutgeld.486 Es wurden für die Geschlechter unterschiedliche Rechte festgelegt. Sie sind in ihrer Strafart nicht gleichberechtigt. In Sūrat al-Māʾida, als letzte offenbarte Quelle des Propheten, werden die Vergeltungsrechte 480 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1376/1997b), Vol. 1, S. 441.; al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994c), Vol. 19, S. 63.; Muwaffaq ad-dīn Abū Muḥammad ʿAbdallāh Ibn Aḥmad Ibn Qudāma al-Maqdisī (1985): al-Muġnī, Beirut, Vol. 2, S. 679. 481 17:33. 482 5:45. 483 2:178 f.; aṭ-Ṭabrisī, Abū ʿAlī al-Faḍl Ibn al-Ḥasan (aṭ-Ṭabrisī) (1988a): Maǧmaʿ al-bayān fī tafsīr al-Qurʾān, Beirut, Vol. 1/2, S. 481. 484 Das Geld, das ein Mörder oder Totschläger als Entschädigung an die nächsten Angehörigen des Opfers zahlt. 485 An-Naǧafī, Muḥammad Ḥasan (1981d), Vol. 42, S. 82. 486 Ebd.
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mit Verweis auf die Tora zwischen Mann und Frau als gleich angesehen. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass im islamischen Recht im Vergleich zu anderen ehemaligen rechtlichen Quellen die Rechte der Frauen in diesem Fall nicht aktualisiert und berücksichtigt wurden.487 Ibn Qudāma beurteilt beide Geschlechter gleich und bei einer Straftat besteht für beide ḥadd (eine Grenze).488 Die schiitischen Gelehrten legen eine klare Rangordnung der Bestrafung fest. Habe eine Frau eine Straftat begangen, müsse die Frau der Familie des Mannes Blutgeld zahlen. Habe der Mann jedoch eine Straftat begangen, besteht zumindest die Chance einer Freisprechung oder einer Bußrelativierung.
II. Die Unzucht Eine geschlechtliche Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist außerhalb einer Ehe gesetzlich verboten und wird gemäß § 63 IStGB als zanā (arab. zinā, Unzucht) verstanden, die mit einer Strafe geahndet wird. Dies wurde im iranischen Strafgesetzbuch geregelt und in den §§ 82-97 IStGB ausführlicher diskutiert. Sobald der außereheliche Geschlechtsakt zwischen zwei unverheirateten Partnern bewiesen ist, werden sie laut § 88 IStGB mit 100 Peitschenhieben für jeden bestraft. Sollten die Partner mit anderen Personen verheiratet sein, legt § 83 IStGB die Steinigung der Täter als Bestrafungsart (zanā-yi moḥṣeneh) fest. Wenn ein Täter verheiratet ist, wird die Bestrafungsart als zanā-yi ġeyr-i moḥṣeneh bezeichnet. Sollte der eine verheiratet und der andere unverheiratet sein, werden sie jeweils entsprechend ihres Familienstandes bestraft. Führt der uneheliche Geschlechtsverkehr zu einer Schwangerschaft folgt die Todesstrafe. Gemäß § 91 IStGB wird das Todesurteil bei einer schwangeren Frau erst nach der Geburt des Kindes und nicht während der Stillzeit vollstreckt. Das iranische Strafrecht fordert Belege für die Begehung der Unzucht. Dies wird im § 68 IStGB ausgeführt und dementsprechend müssen beide Täter jeweils viermal ein Geständnis über ihren Geschlechtsakt abgeben oder die geschlechtliche Beziehung gemäß §§ 74 und 105 IStGB von vier männlichen Zeugen oder von drei männlichen und zwei weiblichen Zeugen bestätigen lassen.
487 Mehrpūr, Ḥoseyn (1387/2008), S. 244. 488 ʿAbdallāh Ibn Aḥmad Ibn Qudāma (1985), Vol. 2, S. 679.
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Im Koran selbst wird die Steinigung der Täter nicht erwähnt. Die vorgeschlagene Strafe im Falle eines Unzuchtes heißt lediglich Hausarrest. (Sūrat an-Nisāʾ)489 und (Sūrat an-Nūr)490 aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī verweist dementsprechend in seinem Werk al-Istibṣār auf die Quellen in Sunna von Imāmen, die als zweitwichtige Quelle der Scharia anerkannt sind, auf 100 Peitschenhiebe und Steinigung als eine Strafe für Unzucht. Außerdem interpretiert al-Ḥurr al-ʿĀmilī die Bestätigung von Amīr al-Moʾminīn über die Steinigung als eine Strafe für das Vergehen Unzucht.491 Der § 630 IZGB492 ist abgeleitet vom Strafgesetz, das im Jahr 1925 in Kraft trat und im Jahre 1991 reformiert wurde. Gemäß § 630 IZGB ist das Strafgesetz qeṣāṣ gültig, wenn der Mann seine Frau beim Fremdgehen ertappt und sie daraufhin tötet. Wenn er eine andere Frau, z. B. Schwester oder Tochter, in dieser Situation beobachtet, ist er verpflichtet, sie zu töten oder zu misshandeln. Sollte er an weiblichen Familienmitgliedern eine Straftat begehen, ist das Gericht verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten. Das Geschehene soll von vier männlichen glaubwürdigen Personen oder von drei Männern und zwei Frauen bezeugt werden oder nach §§ 74 und 105 des islamischen Strafrechts vor einem Richter begründet und mit entsprechenden Maßnahmen geahndet werden. Sollte der Mann aus anderen Quellen erfahren, dass seine Frau fremdgegangen ist, darf er seine Frau nicht töten. Sollte er sie dennoch misshandeln und töten, kann er nicht straffrei bleiben.
489 4:15/16. 490 24:2. 491 Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1406q/1985), S. 153; al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994b), Vol. 28, S. 61. 492 Wenn ein Mann seine Frau während eines unehelichen Geschlechtsaktes mit einem fremden Mann (Aǧnabī) beobachtet bzw. erwischt und sie tötet oder sie misshandelt, ist er von jeder Strafe befreit. Wenn dies mit seiner Schwester oder Tochter passiert, soll er nur sechs Monate bis zu einem Jahr Gefängnisstrafe erhalten. Artikel 179 des Strafgesetzes wurde 1925 verabschiedet. Dieses Gesetz ist von Artikel 324 des französischen Strafgesetzes abgeleitet. Man hielt den Einfluss der Konventionen der Gesellschaft für so stark, dass man durch eine Reform im Jahre 1975 die Befreiung der Täter von jeder Strafe bestätigte und damit versuchte, jegliche Veränderung des Bewusstseins innerhalb der Gesellschaft zu vermeiden. In dem Strafgesetz, das 1991 verabschiedet wurde, sind keine Spuren dieser Strafen zu sehen, wohingegen die durchgeführte Änderung der Inhalte des Gesetzes 179 im Jahr 1996 die Grenze der Strafe noch deutlicher darstellt. Siehe: Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 212 ff.
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Nach der Islamischen Revolution wurde eine Reform einiger Gesetze entsprechend der Scharia und dem islamischen Recht eingeleitet. Hierunter fallen Vergeltung qeṣāṣ und ihre Grenze ḥodūd (Pl. von ḥadd) und das Sühnegeld dīyeh (arab. diya). Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī schreibt in seinem Buch alMabsūṭ fī al-fiqh in dem Kapitel „ad-Dafʿ ʿan an-nafs“: Wenn jemand, der sich in einer Dauerehe befindet, eine seiner Frauen während des Geschlechtsverkehrs mit einem anderen Mann beobachtet und erwischt, darf 493 er die beiden Täter töten.
Al-Muḥaqqiq al-Ḥillī weist im siebten Kapitel seines Werkes auf diesen Aspekt hin. Der Ehemann begeht in diesem Fall keine Sünde. Wenn der Ehemann allerdings nur behauptet, dass seine Frau ihn betrogen hätte, dies aber (nachgewiesener Weise) nicht der Fall ist, soll er bestraft werden. Andernfalls muss er den Vorgang durch Zeugen beweisen.494 Weitere Gelehrte bestätigen dies in ihren Werken. Aš-Šahīd al-Awwal und aṯ-Ṯānī in dem Werk al-Lumʿa und Šarḥ al-Lumʿa495, Fāḍil al-Hindī in Kašf alliṯām496 sowie aš-Šayḫ Muḥammad Ḥasan an-Naǧafī in Ǧawāhir alkalām497 und Ayatollah Chomeynī in Taḥrīr al-wasīla498. Der Unterschied zwischen § 630 IZGB und der Meinung dieser Gelehrten besteht in der Beziehung der Frau zu ihrem Mann. Die Art der Ehe, zeitlich befristete oder dauerhafte, ob der Mann mit dieser Frau, die in der Regel seine Ehefrau heißt, bisher Geschlechtsverkehr hatte oder nicht, ob sie seine Sklavin bzw. Dienerin ist oder nicht, spielt heute keine Rolle mehr. Dieses Gesetz ist nur auf die Ehe anwendbar. Wenn die Beziehung des Mannes mit einer Frau außerehelich ist, darf er die Frau nicht aufgrund einer sexuellen Beziehung töten.499 Die unterschiedliche juristische Behandlung der Geschlechter ist auf die Priorität des Mannes in der islamischen Rechtsprechung an sich zurückzuführen. Manche der Gelehrten, 493 Aš-Šayḫ-aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1378q/1987b): alMabsūṭ fī fiqh al-imāmīya, o.O., Vol. 8, S. 76. 494 Al-Muḥaqqiq al-Ḥillī, Abu l-Qāsim Naǧm ad-dīn Ğaʿfar Ibn al-Ḥasan (1415q/1995b): Šarāʾiʿ al-islām fī masāʾil al-ḥalāl wa-l-ḥarām, Qom, S. 940. 495 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1403q/1983a), Vol. 9, S. 120. 496 Al-Isfahānī, Bahāʾ ad-dīn Muḥammad Ibn al-Ḥasan (Fāḍil al-Hindī) (1420q/ 2000b), Vol. 2, S. 406. 497 An-Naǧafī, Šayḫ Muḥammad Ḥasan (1981f), Beirut, Vol. 41, S. 368. 498 Mūsawī Chomeynī, Sayyed Rūḥollāh (1348/1969): Taḥrīr al-wasīla, Qom, S. 491. 499 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1403q/1983a), Vol. 9, S. 121.
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wie aš-Šahīd al-Awwal, bewerten eine Misshandlung der Ehefrau und einer Sklavin als gleichwertig. Ein Mann habe das Recht, seine Frau zu misshandeln oder zu foltern. Es liege einzig in der Entscheidung des Mannes, ob er sie töten oder nur foltern würde.500 Laut aš-Šahīd aṯ-Ṯānī in Masālik soll in diesem Fall eine anerkannte Person wie ein Richter die Strafe bestätigen. Wenn der Mann jedoch selbst Zeuge des Geschehens war, zählt lediglich seine Entscheidung. Der Mann soll für sein Vergehen nicht bestraft werden.501 Viele Gelehrte, v.a. aš-Šahīd al-Awwal in adDurūs und al-Ḥurr al-ʿĀmilī in Wasāʾil aš-šīʿa, stellen sich hinzu und beziehen sich dabei auf die Überlieferungen und den Koran502 und halten das Anhören von vier Augenzeugen für notwendig. Für diejenigen, die keine Zeugen haben und dies nur behaupteten, wird ein Ḥadd bzw. eine Strafe von achtzig Peitschenhieben vorgeschrieben.503 Unter der männlich dominierten schiitischen Regierung Irans haben Frauen gesellschaftlich, politisch wie in der Rechtssprechung keine Gleichberechtigung und kein Mitspracherecht. Ihre Aussagen haben im öffentlichen Leben im Iran wie auch im Privatleben nicht die gleiche Gültigkeit und keinen vergleichbaren Wert zu der der Männer. Dies führt zu Unstimmigkeiten unter religiösen und nichtreligiösen Denkern, wenn das Gesetz und die religiösen Vorschriften nicht übereinstimmen.
III. Das Blutgeld Der Begriff ʼdiyaʽ bedeutet laut Šafīʿī Sarvestānī „ablehnen“ oder „ausstoßen“.504 Eine Tötung/Ermordung oder Misshandlung muss bestraft werden. Der Staat sieht diese Strafe zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnung und zur Sicherheit der Bürger vor. Der Verbrecher wird zu einer angemessenen Strafe verurteilt.505 Dies ist 500 Al-ʿĀmilī, Muḥammad Ibn Makkī (aš-Šahīd al-Awwal) (1417q/1997): ad-Durūs aš-šarʿīya fī fiqh al-imāmīya, Qom, S. 165. 501 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992b), Vol. 2, S. 432. 502 24:4. 503 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994c), Vol. 19, S. 101. 504 Šafīʿī Sarvestānī, Ebrāhīm (1380/2001): Tafāvot-i zan va mard dar dīyeh va qeṣāṣ (Der Unterschied von Frau und Mann und Blutgeld und Bestrafung), Tehrān, S. 47. 505 Mūsawī Chomeynī, Sayyed Rūḥollāh (1348/1969), S. 553.
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als Abschreckung gedacht, um weitere entsprechende Straftaten zu verhindern. Bei leichten Straftaten wird versucht, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Dies geschieht nach § 12 der zivil- und strafrechtlichen Verordnung (pers. Āʾīn-i dādrasī madanī wa keyfarī) der öffentlichen Gerichte. Nach dieser Verordnung ist das Blutgeld als Strafe für den Täter vorgesehen.506 § 15 IStGB definiert das Blutgeld als einen Betrag für eine unabsichtliche Tötung. Hierbei kann die Familie des Ermordeten anstatt der Vergeltung qeṣāṣ allein das Blutgeld akzeptieren. Das Strafgesetz legt den Blutgeldbetrag bei der Strafe einer Frau unabhängig von der Art der Tötung, d.h. absichtlich oder unabsichtlich, fest. Das Blutgeld für eine ermordete Frau beträgt die Hälfte des Blutgeldes für einen Mann.507 Dies gilt ebenfalls für eine abgetriebene männliche und weibliche Leibesfrucht. Der Blutgeldbetrag variiert nach der Anzahl der Vorfälle. Wird ein Drittel des gesamten Schadens überschritten, soll das Blutgeld der getöteten Frau trotzdem mindestens die Hälfte des Blutgeldes des Mannes betragen. Des Weiteren hat die Täterin im Gegensatz zum Täter zusätzlich ein Strafgeld zu zahlen.508 Im Vergeltungsgesetz qānūn-i qeṣāṣ wird für die einzelnen Organe extra Blutgeld berechnet. Das islamische Recht und die Gutachten der Gelehrten sehen im Blutgeld eine sehr gute Alternative zu jeder Art von Strafen. Die islamischen Gelehrten sind sich einig, dass es keine unterschiedliche Auslegung der Thematik durch schiitische und sunnitische Gelehrte gibt. Sie sind sich darüber einig, dass das Blutgeld für eine Frau halb so hoch wie das für einen Mann sein soll.509 Ibn ʿUllaya, Abū Bakr al-Aṣamm und al-Ḥurr alʿĀmilī haben das Blutgeld einheitlich unabhängig vom Geschlecht auf die Zahlung von 100 Kamelen festgesetzt.510 Der zeitgenössische Gelehrte, der die Gleichberechtigung im Blutgeld bestätigt und dazu ein Gutachten erstellt hat, ist Großayatollah Yūsof
506 507 508 509
§ 257 IStGB. § 300 IStGB. § 301 IStGB. Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992c), Vol. 15, S. 322.; aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1403q/1983c), Vol. 10, S. 189.; An-Naǧafī, Šayḫ Muḥammad Ḥasan (1981g), Vol. 43, S. 32. 510 ʿAbdallāh Ibn Aḥmad Ibn Qudāma (1405q/1985): al-Muġnī, Beirut, S. 193.
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Ṣāneʿī.511 Das Strafgesetz, geprägt von der Meinung schiitischer Gelehrter, legt ein unterschiedliches Blutgeld für Männer und Frauen fest.512 Im Koran wird nur in einem Vers das Blutgeld erwähnt. Das Geschlecht spielt bei dieser Erwähnung keine Rolle. In Sūrat an-Nisāʾ wird die unabsichtliche Tötung einer Person mit der Freiheit eines Sklaven aufgerechnet. Das entsprechende Blutgeld soll an die Familie des Ermordeten gezahlt werden.513 Der Blutgeldanspruch bestehe sogar bei der unabsichtlichen Ermordung eines Nichtmuslimen.514 Die vorhandenen schiitischen und sunnitischen Überlieferungen beweisen die Gleichbehandlung der Geschlechter beim Blutgeld damit, dass der Prophet dies mit 100 Kamelen für jeden Menschen, ohne Bezug auf ein Geschlecht, festgelegt habe.515 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī weist in seinem Werk Wasāʾil aš-šīʿa auf eine Überlieferung vom Imām Ṣādiq hin, in welcher er das Blutgeld einer Frau in Höhe der Hälfte des Blutgeldes eines Mannes erwähnt.516 Wenn eine Frau von einem Mann getötet wird, darf die Familie der Frau den Mörder bestrafen und muss dafür die Hälfte des Blutgeldes zahlen. Wenn die Familie des Ermordeten ihre Meinung ändert und den Mörder nicht mehr bestrafen will, kann sie umgekehrt die Hälfte des Blutgeldes von ihm verlangen.517 Der zeitgenössische religiös-progressive Gelehrte Moǧtahed Šabestarī beschäftigt sich mit der Bedeutung des Begriffs ʼGleichheitʽ bezogen auf das Blutgeld. Nach Šabestarī kann Gleichheit je nach den epochalen und
511 Ṣāneʿī, Yūsof (1387/2008), S. 515; Ṣāneʿī, Yūsof (1382/2003b): „Barābarī-yi dīyeh – Zan wa mard-i mosalmān va ġeyr-i mosalmān“ (Die Gleichheit im Blutgeld – Frau und Mann - Muslim und nicht-Muslim), in: Feqh va zendegī, 3, S. 330. 512 Muqaddas Ardibīlī, Aḥmad (1409q/1988): Maǧmaʿ al-qāʾida wa-l-burhān fī šarḥ iršād al-aḏhān, Qom Vol. 12, S. 467.; An-Naǧafī, Šayḫ Muḥammad Ḥasan (1981g), Vol. 43, S. 352.; Mūsawī Ḫuʾī, Sayyed Abu l-Qāsim (1392q/1921): Mabānī takmilat al-minhāǧ, Beirut, Vol. 2, S. 317. 513 4:92. 514 Der Ursprung der Offenbarung dieses Verses geht auf eine konvertierte Person zum Islam zurück, der von einem Muslim getötet wird, mit der Erklärung, er sei noch kein Muslim. Aufgrund der Hintergrundgeschichte wurde das männliche Genus in dem Satz zugesprochen, Siehe: ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1376/1997c), Vol. 5, S. 41. 515 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994c), Vol. 19, S. 145. 516 Ebd., S. 151. 517 Ebd., S. 121.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
sozialen Umständen unterschiedlich interpretiert werden.518 Moḥsen Saʿīdzādeh findet die traditionelle Sichtweise auf das Blutgeld und dementsprechende Bestrafungen nicht mehr zeitgemäß und unpassend in Anbetracht der gesellschaftlichen Stellung der heutigen Frau.519 Ayatollah Ṣāneʿī argumentiert mit Verweis auf Vers 45 von Sūrat al-Māʾida. Er bezieht sich dabei auf den Begriff ʼan-nafs bi-n-nafsʽ und die Gleichheit der Geschlechter bei jeder Straftat.520 Die Gesetze über das Blutgeld, Erbanteile und sogar Zeugenaussage einer Frau wurden reformiert und führten zur Teilnahme der Frauen in einigen gesellschaftlichen Bereichen. Dabei wird versucht, die rechtliche Stellung der Frau zu verbessern.521
IV. Die Zeugenaussage Die Zeugenaussage ist eine Art der Begründung bzw. des Beweises in einem Streitfall. In Strafprozessen und zur Begründung eines Verbrechens benötigt man eine Zeugenaussage. Im zivil- und strafrechtlichen Verordnungsverfahren wird das Recht der Täter auf eine Beweisführung durch die Zeugenaussage hervorgehoben und es werden die diesbezüglichen bestehenden Vorschriften und Bedingungen erläutert. Eine Zeugenaussage gilt und kann sich auf den Beweis einer Streitigkeit positiv auswirken, wenn der Zeuge522 über die notwendigen Voraussetzungen verfügt und die Beweggründe seiner Zeugenaussage bekannt sind. Im islamischen Strafgesetz, das von der islamischen Rechtwissenschaft geprägt ist, wird mit qeṣāṣ (Vergeltung) und ḥadd (ihrer Grenze) auf die
518 Šabestarī, Moḥammad Moǧtahed (1379/2000), S. 504. 519 Moḥsen, Saʿīdzādeh (1377/1998): „Agar šomā beǧāyi man būdīd“ (wenn sie an meiner Stelle wären), in: Ğāmeʿeh, 77, S. 7. 520 Ṣāneʿī, Yūsof (1382/2003a): Aḥkām-i Bānovān (Handbuch für die Frauenfrage), Qom, S. 169. 521 Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 280. 522 Ein Zeuge soll einige Voraussetzungen mitbringen. Das bezieht sich auf die Höhe der Wahrnehmung, des Bewusstseins, der Vernunft und der Auffassungsgabe eines Zeugen, die sehr eng mit der Pubertät, dem Verstand und weiteren Faktoren wie dem Vertrauen in den Zeugen und seine Aussage sowie der Gleichberechtigung und Glaubwürdigkeit in Verbindung stehen. Die Anzahl der Zeugen beeinflusst das Ergebnis einer Zeugenaussage und ist variabel, d.h. je nach der Situation kann diese Anzahl sich ändern. Das Geschlecht eines Zeugen spielt bei der Gültigkeit einer Zeugenaussage eine sehr wesentliche Rolle.
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Das Strafrecht – religiös-rechtliche Grundlage
Bedeutung der Zeugenaussage hingewiesen und ihre Durchsetzung und Wirkung thematisiert. Im islamischen Strafgesetz gelten für Frauen zwei Grundsätze: Zum einen räumen diese Gesetze der Frau keine Chance der Beweisführung durch Zeugenaussagen ein, zum anderen wird die Zeugenaussage eines Mannes über die einer Frau gestellt. In einigen Fällen, wie Päderastie, lesbische Liebe, Prostitution, dem Trinken von Alkohol, Korruption, Diebstahl, absichtliche Tötung/Ermordung zählt nur das Zeugnis des Mannes. Nach § 117 IStGB ist der Beweis der Päderastie nur durch die Beobachtung und entsprechende Zeugenaussage von vier gerechten männlichen Zeugen möglich. In § 119 IStGB wird angedeutet, dass die Zeugenaussage einer Frau insofern nicht gültig ist und kein Beweis für das Begehen dieser Straftat (Päderastie) sein kann. Im § 128 IStGB wird dies genauso in Bezug auf lesbische Beziehungen artikuliert. Auch das Trinken von Alkohol wird durch die Zeugenaussage zweier gerechter Männer bewiesen, wenn keine anderen Beweise vorliegen.523 In § 189 IStGB wird der Beweis einer Korruption durch ein Geständnis einer reifen, erwachsenen und vernünftigen Person oder über die Zeugnisaussage von zwei gerechten männlichen Zeugen vorgeschrieben.524 Im islamischen Strafgesetz ist die Zeugenaussage einer Frau nur an zwei Stellen anerkannt. Erstens bei der Beweisführung eines unehelichen Geschlechtsverkehrs. Hierbei ist die Zeugenaussage von vier männlichen gerechten oder drei männlichen und zwei weiblichen Zeugen erforderlich.525 Zweitens beim Geschlechtsverkehr in hadd-i ǧald (unter Folter). In diesem Fall benötigt man lediglich die Zeugenaussage zweier gerechter Männer oder von vier gerechten Frauen.526 Im § 76 IStGB wurde darauf hingewiesen, dass die Zeugenaussage von nur einer Frau und einem Mann nicht ausreichend für den Beweis eines Geschlechtsaktes sei. Bei der unabsichtlichen Tötung kann die Zeugenaussage einer Frau Einfluss auf die Entscheidung haben. Bei einer anscheinend absichtlichen Tötung ist die Zeugenaussage von zwei gerechten Männern oder eines Mannes und zweier Frauen ausreichend.527
523 524 525 526 527
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§ 170 IStGB. §§ 199 und 237 IStGB. § 74 IStGB. § 75 IStGB. § 237 IStGB.
Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
Die verabschiedeten Gesetze im iranischen Parlament und im Wächterrat sind gemäß § 230 IStGB von der schiitischen Schule Imāmīya abgeleitet. Dementsprechend wird das Recht der Frau in § 230 IStGB528 geregelt. Im Koran wird in vier Fällen von einer Zeugenaussage gesprochen: Testament, Scheidung, unehelicher Geschlechtsverkehr und Schulden. Die islamischen Gelehrten äußern sich zu den Rechten der Frauen als Zeuge entsprechend der Straftat sehr unterschiedlich. In vielen Stellen spielt das Geschlecht bei der Zeugenaussage keine wesentliche Rolle. Die Zeugenaussage einer einzigen Frau besitze nach der Auffassung der Gelehrten keine Gültigkeit und mit ihr könne keine Strafe begründet werden. Beim Begehen des unehelichen Geschlechtsverkehrs zählen laut Sūrat an-Nisāʾ Vers 15 die Zeugenaussagen dreier Männer und zweier Frauen oder von zwei Männern und von vier Frauen. In finanziellen Angelegenheiten ist für die Beweiserbringung die Zeugenaussage zweier Frauen und eines Mannes erforderlich, wobei in zivilrechtlichen Angelegenheiten Frauen nicht als Zeugen auftreten dürfen. In frauenspezifischen Angelegenheiten, in der die Männer sich nicht äußern können, dürfen nur Frauen eine Zeugenaussage erbringen.529 In einigen Fällen, wie einer Zeugenaussage über die Authentizität und Gültigkeit eines Testaments, sollen vier Frauen diese bezeugen. Sind es nur drei bezeugende Frauen, haben Authentizität und Gültigkeit des Testamentes auch nur einen dreiviertel Wert. Entsprechend verringert sich die Wertigkeit des Testamentes auf die Hälfte, wenn zwei Frauen bezeugen und auf ein Viertel, wenn nur eine Frau als Zeuge anwesend ist.530 In Finanzfragen wie dem Abschluss eines Vertrages, Friedenstiften, Kauf und Verkauf, Mieten und Vermieten und den Strafen, die zum Blut-
528 In den zivilrechtlichen Angelegenheiten sind die Anzahl der Zeugen und ihr Geschlecht sowie die Kombination der Zeugen je nach ihrem Geschlecht unterschiedlich. 1.: Bei der Scheidung und bei nichtmonetären Angelegenheiten sollen zwei männliche Zeugen anwesend sein. 2.: Bei monetären Angelegenheiten oder in Bereichen wie dem Handel (muʿāmalāt), Stiften (waqf), Mieten (iǧārāt), Testament (waṣīya), Beschlagnahme (ġaṣb) und der Ermordung (ǧināyat) und Bezahlung des Blutgeldes sollen zwei Männer oder ein Mann und zwei Frauen bezeugen. 3.: Bei frauenbezogenen Themen wie der Geburt (wilāda), dem Stillen (pers. reżā, arab. riḍāʿa), der Jungfräulichkeit (pers. bikārat, arab. bakāra), ist die Zeugenaussage von vier Frauen und zwei Männern oder eines Mannes und zweier Frauen erforderlich. 4.: Die Ehe soll auch durch Zeugen, zwei Männer oder einen Mann und zwei Frauen, bestätigt werden. 529 Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 290 f. 530 Ebd.
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Das Strafrecht – religiös-rechtliche Grundlage
geld führen, können zwei männliche und zwei weibliche Zeugen oder nur ein männlicher Zeuge auftreten.531 Die Zeugenaussage einer Frau in strafrechtlichen und Scheidungsangelegenheiten besitze laut der Gelehrten eine eigene Gültigkeit. Die Gemeinsamkeiten und Differenzen der Gelehrten beziehen sich auf die Stellung der Frau gegenüber dem Mann und den Wert ihrer Zeugenaussage.532 In vielen finanziellen Bereichen dürften die Frauen nicht allein als Zeuge auftreten. Sollte ausnahmsweise in einem Bereich ihre Zeugenaussage akzeptiert werden, sollen unbedingt vier Frauen anwesend sein. Die Meinung einer oder zweier Frauen reiche für die Bestätigung im Prozess nicht aus. Im Koran ist über die Stellung der Frau als Zeuge an vier Stellen die Rede. Zur Bestätigung der Authentizität eines Testaments wird in Sūrat al-Māʾida Vers 106 auf die Anwesenheit zweier gerechter Muslime unabhängig von ihrem Geschlecht hingewiesen.533 Bei einer Scheidung und bei der Rücknahme einer Scheidung, wird die Zeugenaussage laut Sūrat aṭ-Ṭalāq Vers 2 von zwei gerechten Menschen erhoben.534 Im Koran werden bei der Bestrafung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs laut Sūrat an-Nisāʾ Vers 15 vier Frauen als Zeugen verlangt.535 Es werden in Sūrat an-Nūr Vers 4 und 13 in Abwesenheit der vier Zeugen für die Begründung dieses Geschehens achtzig Peitschenhiebe empfohlen. Wenn keine Zeugenaussage vorhanden ist, gilt diese Behauptung als ungültig. Im Sūrat al-Baqara Vers 282 wird die Bedeutung der Anwesenheit der männlichen und weiblichen Zeugen hervorgehoben. Dementsprechend wird auf zwei männliche Zeugen hingewiesen. Sollten keine zwei männlichen Zeugen anwesend sein, sollten ein vertrauenswürdiger Mann und zwei vertrauenswürdige Frauen herangezogen werden, damit die Zeugenaussage sichergestellt ist. Falls eine Person den Tathergang vergessen hat, sollten sich die anderen Personen noch daran erinnern können.536 In die-
531 al-ʿĀmilī, Muḥammad Ibn Makkī (aš-Šahīd al-Awwal) (1417q/1997), S. 194; ašŠahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992d), Vol. 14, S. 245-259.; Mūsawī Ḫuʾī, Sayyed Abu l-Qāsim (1392q/1921a), Vol. 1, S. 118-129. 532 Aš-Šahīd aṯ-Ṯānī, Zayn ad-dīn Ibn ʿAlī Ibn Aḥmad al-ʿĀmilī (1413q/1992e), Vol. 1, S. 258. 533 5:106. 534 65:2. 535 4:15.; 24:4.; 24:13. 536 2:282.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
sem Vers wird explizit auf den zweiten männlichen Zeugen hingewiesen. Die monetären und nicht monetären Angelegenheiten, die ausführlich und je nach den Zwecken beschrieben werden, können die Bedeutung der Zeugenaussage einer Frau und eines Mannes deutlicher begründen. Die Gelehrten dementieren die Rechte der Frauen als Zeuginnen nicht. Dabei sind die Gottes- und Menschenrechte entsprechend der Bedeutung der Stellung der Frauen in unterschiedlichen finanziellen und nicht finanziellen Angelegenheiten für die Gelehrten ein gutes Beweismittel für die Gültigkeit der Zeugenaussage zweier Frauen gegenüber einem Mann. Die Sūrat al-Baqara ist vielleicht die einzige Stelle, in der den Frauen eine Möglichkeit gegeben wurde, sich in einer finanziellen Angelegenheit zu beweisen.537 Der Imām ʿAlī hebt in seinem Werk Nahǧ al-balāġa die mangelnde Verstandeskraft von Frauen sowie ihren eingeschränkten spirituellen Rang hervor.538 Der Wert der Zeugenaussage einer Frau muss dann infrage gestellt werden, wenn sich die Frau bspw. in ihren Menstruationszyklen befindet, da religiöse Reinheit und Verstand zu beweisen seien. Nach Mehrpūr liegt der Grund für eine solche Bewertung des Weiblichen in den gesellschaftlichen Normen zur Zeit des Propheten.539 Die §§ 1306 bis 1320 IZGB befassen sich mit dem Thema Zeugenaussage und der Voraussetzung eines Zeugnisses. Das Zivilgesetz wurde im Jahre 1982 und später im Jahr 1991 durch Reformen verbessert und eingeschränkt. Im Zivilgesetzbuch wurden die Gesetze, unabhängig vom Geschlecht, vollkommen neutral artikuliert. Im § 1313 IZGB werden die Reife und der Verstand sowie der Glaube und die Reinheit als Voraussetzung für einen Zeugen benannt. In Zivil- und Strafverfahren Āʾīn-i dādrasī madanī va keyfarī wurden keine bestimmten Voraussetzungen, wie das Geschlecht, für einen Zeugen vorgesehen. Der Wächterrat bestätigt die Inhalte der Strafgesetze im Rahmen der Festsetzung der Vergeltungsgrenze, der Strafe und des Blutgeldes. Das Geschlecht, v.a. die Stellung der Frau, wurde in Bezug auf Zeugenaussagen berücksichtigt.540 Die schiitischen Gelehrten beziehen sich entsprechend der Stellung von Männern und Frauen in rechtlichen Angelegenheiten und ihrer Zeugen537 Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 296. 538 O.A. (1387/2008): „an-Nahǧ al-balāġa“. Predigt 80 − Über die Weisheit der Frau, Qom, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 539 Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 306. 540 Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 289.
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Die Stellung der Frau in der Politik und ihre Qualifikation zum Rechtsspruch
aussage auf den Koran und die Sunna, zwei bedeutende Quellen der Scharia. Abolqāsem Gorǧī spricht in einem Interview in der Ausgabe 145 der Zeitung Zan im Jahre 1998 die Bedeutung des feqh an. Der Grund vieler Probleme liege laut seiner Aussage in der Interpretation des Korans und der Sunna.541 Die Gelehrten argumentierten je nach den gesellschaftlichen Erfordernissen und Interessen unterschiedlich. Gemeinsam ist ihren Argumentationen, dass die Frauen im Vergleich zu Männern geringer zu bewerten seien und dementsprechend auch ihre Aussagen in rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich nur halb so viel wie die der Männer gälten.
E.
Die Stellung der Frau in der Politik und ihre Qualifikation zum Rechtsspruch
I.
Die Stellung der Frau als Richterin
Laut GS 163 der islamischen Verfassung werden die Qualifikation und die Voraussetzung der Richter gemäß dem islamischen Recht und der islamischen Gesetzgebung festgelegt. Entsprechend dem im islamischen Parlament im Jahre 1982 verabschiedeten Gesetz zur Ernennung eines Richters sind die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen: Glaube, Gerechtigkeit, Verantwortung über die islamischen Grundlagen, Vertrauen in die Islamische Republik Iran, iranische Staatsangehörigkeit, Vermeiden jeglichen Drogenkonsums und die Zulassung als Richter durch den obersten Justizrat.542 Hierzu wird die Qualifikation des männlichen Geschlechts erwähnt, vom weiblichen Geschlecht wird nicht gesprochen. So wird vermittelt, dass die Frauen von diesem Amt ausgeschlossen bleiben. Von den ersten Gesetzen, die im Jahre 1923 verabschiedet wurden, bis zu den verabschiedeten Gesetzen im Jahre 1969, wird an keiner Stelle auf nur männliche Richter hingewiesen.543 Das erste politische Recht, das aktive und passive Wahlrecht bekommen die Frauen im Jahr 1964.544 Jedoch wurden bis zum Jahr 1969 die Frauen immer noch von Justizämtern ausgeschlossen. Erst danach wurden fünf Stellen für Richterinnen ausgeschrieben. Ein möglicher Grund für die Lockerungen des Gesetzes könn541 Ausgabe von Zan erschienen 1998. 542 § 163 IZGB. 543 Die Anstellungsgesetze abgestimmt in den Jahren 1923, 1927, 1964, 1968 und 1969. 544 Kodex der 21. Runde der Gesetzesverabschiedung des Verfassungsamtes.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
ten die Diskussionen unter europäischen und amerikanischen Staaten über die Frauenrechte und die Gleichberechtigung der Geschlechter in Politik und Gesellschaft gewesen sein.545 Nach der Islamischen Revolution wurde die Zulassung von Richterinnen wieder abgeschafft und auf der Grundlage des Gerichtsgesetzes (qavānīn-i qażāvat) einige Veränderungen vorgenommen. Zum ersten Mal hat die vorübergehende Regierung im Juli 1979 ein Gesetz über die Versetzung der Richterinnen in niedrige Positionen als Beamtinnen verabschiedet. Danach wurden die Frauen im Jahr 1982 endgültig vom Urteilsrecht ausgeschlossen. Der 5. Zusatz zur Position der Richterinnen dieses Gesetzes wurde im Jahr 1984 verkündet und regelt die Wahrung der Positionen der bereits berufenenen Richterinnen ausschließlich in den Beratungsstellen der Zivilgerichte und bei der Rechtsprechung über das Sorgerecht für Minderjährige.546 Im 5. Zusatz des Scheidungsgesetzes, verabschiedet im Jahre 1992 durch das iranische Parlament und den Schlichtungsrat, wird den speziellen Zivilgerichten gestattet, Frauen als Beraterinnen zu beschäftigen, indem ihnen der notwendige Bedarf qualifizierter Frauen als Beraterin zugesprochen wird.547 Gemäß dem Gesetz des Jahres 1982 hat die Justizgewalt im Jahr 1995 mit der Unterstützung und Abstimmung des Parlaments und des Wächterrats den 5. Zusatz noch einmal reformiert. Erneut ändern sich die Arbeitsbereiche der Richterinnen. Neben der Beratungsleistung bei speziellen Zivilgerichten können die Richterinnen nun bei der Untersuchung der rechtlichen Angelegenheiten und der Reform der Gesetze zum Richteramt mitwirken. Sie können außerdem bei den Gerichten für das Sorgerecht von Minderjährigen sowie als Beraterin in den rechtlichen Bereichen der Behörde eingestellt werden.548 GS 21 der Islamischen Verfassung, verabschiedet im Jahre 1997, nahm keine Entwicklung und Erneuerung in der Qualifikation der Arbeit der Frauen als Richterinnen vor.549 Die Richterinnen dürfen nun sogar in Frauenangelegenheiten nicht mehr Recht sprechen. Ihr Arbeitsbereich erstreckt sich immer noch nur auf die Beratung bei Familiengerichten. Einzige Ausnahme bildet lediglich die Zulassung zur Assistentin eines Staatsanwaltes. Manche Richte-
545 546 547 548 549
Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 315. Kodex des Jahres 1984 publiziert in der offiziellen Zeitung, S. 579. Kodex des Jahres 1992 publiziert in der offiziellen Zeitung, S. 490. Kodex des Jahres 1995 publiziert in der offiziellen Zeitung, S. 49. Kodex des Jahres 1997 publiziert in der offiziellen Zeitung, S. 444.
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Die Stellung der Frau in der Politik und ihre Qualifikation zum Rechtsspruch
rinnen dürfen als Stellvertreterin der Leitung des Gerichtes in Provinzen sowie als Beraterin beim Revisionsgericht tätig sein.550 Laut Ḥosaynʿalī Montaẓerī ist das qażāvat (Urteilsrecht) ein notwendiger Bestandteil der welāyat (arab. wilāya, Herrschaft).551 Nach dem islamischen Recht sind Rechtssprüche die Aufgabe der Gelehrten. Dementsprechend soll ein Richter ein Gelehrter sein.552 Für die islamische Rechts-schule al-Imāmīya sind Männer qualifiziert, das Urteilsrecht als Richter zu erhalten, wobei es für Frauen keinen Konsens hierzu gibt und sie deshalb nicht in diesem Bereich tätig sein dürfen. Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī weist sogar in seinem Buch al-Mabsūṭ fī al-fiqh darauf hin, dass Richter männlich sein müssen. Frauen seien nach seiner Auffassung nicht in der Lage, Recht zu sprechen. Er kritisiert dabei einige Gelehrte, die ein Urteilsrecht der Frauen akzeptieren.553 Ibn al-Barrāǧ bestätigt im Buch alMaḏhab die Unterlegenheit der Frauen in der Rechtsprechung.554 In den anderen Werken von aš-Šayḫ al-Mufīd und aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī sowie Abū aṣṢāliḥ werden Frauen für diese Position als ungeeignet angesehen und es wird auf die ausschließliche Qualifikation der Männer für dieses Amt hingewiesen. Sie konstatieren, dass die Qualifikation eines Richters die Weisheit, Vollkommenheit, Beherrschung von Koran und Sunna, Frömmigkeit, Einhaltung jeglicher Verbote und Tugend beinhaltet.555 Ibn Idrīs in Sarāʾ bezieht sich auf aš-Šayḫ al-Mufīd daher auf die ausschließliche Qualifikation des Mannes zur Rechtsprechung.556 Auch al-Muḥaqqiq alḤillī in Miftāḥ al-karāma und al-ʿAllāma al-Ḥillī in Šarāʾiʿ al-islām fī masāʾil al-ḥalāl wa-l-ḥarām meinen, die Männlichkeit sei eine Voraussetzung zum Rechtsspruch und selbst wenn die Frauen alle Qualifikationen eines Richters besäßen, dürften sie dennoch nicht als Richterinnen arbei-
550 Mehrpūr, Ḥoseyn (1387/2008), S. 318. 551 Montaẓerī, Ḥosaynʿalī (1411q/1990a): Wilāyat al-faqīh wa-fiqh ad-dawla alislāmīya, Qom, Vol. 2, S. 140. 552 Ebd., S. 146. 553 Aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1378q/1987b), Vol. 8, S. 101. 554 Aṭ-Ṭirāblisī, al-Qāḍī ʿAbdalʿazīz Ibn al-Barrāǧ (1406q/1985): al-Mahḏab, Qom, Vol. 2, S. 599. 555 Aš-Šayḫ al-Mufīd, Muḥammad Ibn Muḥammad Ibn an-Nuʿmān (1410q/1990), S. 721.; aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī, Muḥammad Ibn Ḥasan Ibn ʿAlī Ibn Ḥasan (1359/1980), S. 337.; Abu ṣ-Ṣalāḥ, al-Ḥalabī Taqīy ad-dīn (1362/1983): al-Kāfī fī al-fiqh, Isfahān, S. 421. 556 Al-Ḥillī, Aḥmad Ibn Idrīs (1410q/1990): as-Sarāʾir al-ḥāwī li-Taḥrīr al-fatāwā, Qom, Vol. 2, S. 154.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
ten.557 In weiteren bekannten Quellen wie ad-Durūs und al-Lumʿa, Šarḥ al-Lumʿa, Masālik al-afhām sowie Ǧawāhir al-kalām und Kašf al-liṯām wurde ebenso auf die Männlichkeit als Conditio sine qua non zum Richteramt verwiesen. Die zeitgenössischen Gelehrten und Nachahmungsquellen, Ayatollah Ḫuʾī (1899 – 1992) in al-Qaḍāʾ, Ayatollah Chomeynī in Taḥrīr al-wasīla, Ayatollah Montaẓerī (1922 – 2009) in Wilāyat al-faqīh und ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī in Tafsīr al-mīzān unterstützen diese Aussage.558 Moqaddas Ardebīlī (1500 – 1585) hält indessen den Rechtsspruch der Frauen in Frauenangelegenheiten für wichtig, ansonsten schließt er sich den anderen Gelehrten und deren Konsens an.559 Die Begründungen von Gelehrten sind insofern nicht überzeugend, da keine bestimmte Stelle im Koran sich direkt damit befasst. Im Vers 34 bspw. der Sūrat an-Nisāʾ geht es nicht um die Vorzüge der Männer gegenüber den Frauen in den gesellschaftlichen Bereichen, sondern es werden die familiären Verhältnisse aufgrund der körperlichen und geistigen Fähigkeiten und des Sorgerechtes des Mannes gegenüber der Frau dargestellt.560 Die Versorgungspflicht des Mannes und seine Verantwortung für die Familie sind jedoch kein Grund für die Vernachlässigung der Rechte der Frauen. ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī interpretiert diesen Vers genauso. Dass Männer als Vormund besser geeignet seien, liege an den männlichen Tugenden, ihrem Verstand, ihrer Fähigkeit sowie Geduld bei Schwierigkeiten.561 Wie er weiterhin interpretiert, sei die Aufgabe des Mannes nicht nur, für seine Familie Vormund zu sein, sondern wegen seiner Vorzüge in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie beim Urteilsrecht, stünden die Männer aus rationalen Gründen ranghöher als Frauen. Im Krieg seien sie sogar überragend, weil sie in stärkerer körperlicher Verfassung sind und mit vielen Situationen vernünftiger umgehen könnten.562 Ayatollah Montaẓerī kritisiert hierzu die Bedeutung von ʼqawwāmʽ und die davon abgeleitete Interpretation der Rechtsprechung der Männer. Dabei weist er auf 557 Al-Ḥusaynī al-ʿĀmilī an-Naǧafī, ʿAllāma Sayyed Muḥammad Ğawād (1226q/1805): Miftāḥ al-karāma fī šarḥ al-Qawāʿid al-ʿAllāma, Qom, Vol. 10, S. 9.; al-Muḥaqqiq al-Ḥillī, Abu l-Qāsim Naǧm ad-dīn Ğaʿfar Ibn al-Ḥasan (1373/1994): Šarāʾiʿ al-islām fī masāʾil al-ḥalāl wa-l-ḥarām, Tehrān, Vol. 2, S. 860. 558 Mehrpūr, Ḥosayn (1387/2008), S. 322. 559 Muqaddas Ardibīlī, Aḥmad (1409q/1988), Vol. 12, S. 15. 560 Ṭabarsī, Abuʿalī Fażl Ibn al-Ḥasan (1988b): Maǧmaʿ al-bayān fī tafsīr alQurʾān, Beirut, Vol. 3/4, S. 68. 561 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥossayn (1391q/1971), Vol. 4, S. 365. 562 Ebd.
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den Einfluss von männlicher Rechtsprechung auf die Gesetze sowie die Priorität des Mannes in dieser Position als Richter hin.563 Er dementiert dabei nicht den Rechtsspruch der Frauen über Frauen, sondern er bestätigt die Rolle der Frau als Vorbeterin für die Frauen sogar. Dennoch könne dieser Aspekt nicht das Recht der Frau als Richterin beeinflussen.564 In Sūrat al-Baqara wurde auf die Gleichberechtigung der Männer und Frauen in ihrer Aufgabe und ihren Rechten hingewiesen. Die Vorzüge der Männer wurden aufgrund ihrer Befugnis und Autorisierung bei der Scheidungsentscheidung oder der Erbteilung herausgestellt.565 Selbst wenn aus diesem Vers der alleinige Anspruch der Männer zum Rechtsspruch nachvollziehbar wäre, wird dennoch kein direktes Verbot für Frauen zum Rechtsspruch erwähnt. Ein weiterer Vers in Sūrat az-Zuḫruf566 beschäftigt sich mit der Stellung und Bedeutung der Frauen und Mädchen in der damaligen Gesellschaft. Das Urteilsrecht wird von diesem Vers als Ergebnis der männlichen (rational) und weiblichen Eigenschaften (emotional) erklärt. Demnach besäßen die Frauen keine starke Vernunft und könnten mit den Problemen nicht rational umgehen.567 Ayatollah Montaẓerī verweist in diesem Zusammenhang auf Sūrat al-Aḥzāb568, in der nur männliche Verwandte des Propheten erwähnt werden. Die Frauen sollten vermeiden, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, um den Kontakt mit fremden Männern zu vermeiden. Außerdem sei es für die Frau unangemessen, vor männlichen Kollegen ihre Stimme zu erheben und ihnen Anweisungen zu geben.569 Laut weiteren Hadithen von Imām Bāqir stehen Frauen der Gebetsruf und das Erscheinen beim Freitagsgebet, ihre Anwesenheit in der Öffentlichkeit, das Richten, das Regieren, der Krankenbesuch und das Scheren der Haare bei der Wallfahrt nach Mekka nicht zu.570 Nach Ǧavādī Āmolī ist die Authentizität dieses Hadithes nicht geklärt. Nach seiner Auffas563 Montaẓerī, Ḥosaynʿalī (1411q/1990b): Wilāyat al-Faqīh wa-fiqh ad-dawla alislāmīya, Qom, Vol. 1, S. 351. 564 Ebd., S. 361. 565 2:228; Ṭabarsī, Abuʿalī Fażl Ibn Ḥasan (1988a), Vol. 1/2, S. 481. 566 43:18. 567 Montaẓerī, Ḥosaynʿalī (1411q/1990b), Vol. 1, S. 352.; ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1391q/1971), Vol. 4, S. 365. 568 33:33. 569 Montaẓerī, Ḥosaynʿalī (1411q/1990b), Vol. 1, S. 353.; an-Naǧafī, Muḥammad Ḥasan (1981c), Vol. 40, S. 14. 570 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994a), Vol. 14, S. 162.
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sung geht es hier nicht um grundsätzliche Kompetenzen der Frau. Es geht um die Zurückweisung ihrer vermeintlichen Pflicht.571 Die weiteren Bemerkungen zum Urteilsrecht der Frauen, welche die gegenwärtige Gesetzgebung beeinflussen, wurden aus den Überlieferungen abgeleitet. Biḥār al-anwār von Muḥammad Bāqir al-Maǧlisī (1627 – 1699) ist eine anerkannte Quelle unter Schiiten, die sich überwiegend mit den Überlieferungen und dem Testament des Propheten und seinen Anweisungen für ʿAlī beschäftigt.572 In Miftāḥ al-karāma von Ǧavādī Āmolī wurde die Authentizität dieser Überlieferungen und die daraus abgeleitete Interpretation zum Rechtsurteil der Frauen kritisiert.573 Einige Gelehrte wie aš-Šayḫ aṭ-Ṭūsī finden keinen Konsens in Bezug auf den Rechtspruch durch Frauen und bezweifeln die Gültigkeit der Überlieferungen und der rechtlichen Quellen zu diesem Thema.574 Laut Ayatollah Borūǧerdī werden die Probleme in der schiitischen Schule al-Imāmīya in zwei Kategorien unterteilt: Einerseits die hauptsächlichen und wichtigen Probleme, die von Verwandten, Gefährten und Vorfahren des Propheten wiedergegeben werden und andererseits die kleinen Probleme, welche die Gelehrten durch eǧtehād und je nach den aktuellen gesellschaftlichen Erfordernissen interpretieren.575 Die in den Überlieferungen und von Gelehrten ausgewiesenen Probleme beziehen sich auf Aspekte wie Qualifikationsmangel der Frau in der Rechtsprechung, die Bedeckungsnotwendigkeit der Frauen und die Vermeidung von jeglichem Kontakt mit Männern.576 Ayatollah Montaẓerī beschreibt Männer und Frauen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Fähigkeiten. Männer seien von Natur aus rationaler und Frauen emotionaler, außerdem seien Frauen kleiner als Männer. Diese Eigenschaften führen zu Unterschieden in den Lebensbereichen und zu einer unterschiedlichen Arbeitsverteilung unter Männern und Frauen. Die Rechtssprechung sei eine ver-
571 Ğavādī Āmolī, ʽAbdollāh (1372/1993): Zan dar āʾineh-yi ğalāl va ğamāl (Frau im Spiegel der Pracht und Herrlichkeit), Tehrān, S. 348. 572 Al-Maǧlisī, Muḥammad Bāqir (1403q/1983): Biḥār al-anwār al-ǧāmiʿa li-durar aḫbār al-aʾimma al-aṭhār, Beirut, Vol. 103, S. 257. 573 Al-Ḥusaynī al-ʿĀmilī an-Naǧafī, ʿAllāma Sayyed Muḥammad Ğawād (1226q/ 1805), Vol. 10, S. 9. 574 Montaẓerī, Ḥosaynʿalī (1411q/1990b), Vol. 1, S. 339. 575 Ebd., S. 339 f. 576 An-Naǧafī, Muḥammad Ḥasan (1981c), Vol. 40, S. 14.
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antwortungsvolle Aufgabe, die Männer dementsprechend besser erfüllen könnten als Frauen.577 Es gibt laut Nāṣer Qorbānniyā keinen einzigen Koranvers, in dem die Unterscheidung von Verstand und Vernunft der Geschlechter angesprochen wird. Die Quelle dieser Behauptung geht auf die primären Rechtsquellen des Korans und sehr stark auf die Sunna zurück.578 Einige Hadithe lehnen das weibliche Richteramt ab. Ein wichtiger Hadith im vorliegenden Kontext lautet: Schaut euch nach einem Mann um, der Ahnung von unseren Gesetzen hat, und 579 fragt ihn nach Lösungen für Probleme.
Auch die Sunna gibt keine authentische und verlässliche Erklärung hinsichtlich der Ablehnung der Frauen im Richteramt. Die Ablehnung von Richterinnen findet keinen grundlegenden Konsens der Rechtsgelehrten, wie es heute in der aktuellen gesellschaftlichen Situation oft behauptet wird.580
II. Die Stellung der Frau in der Politik Trotz ihrer engen Verbindung zur islamischen Rechtswissenschaft untergräbt die iranisch-islamische Verfassung die Möglichkeit der Frauen, religiöse Führerin, Staatspräsidentin und Mitglied der unterschiedlichen islamischen Versammlungen wie dem Wächterrat und dem Schlichtungsrat zu werden. Insbesondere die verschwindend geringe Anwesenheit der Frauen in den Staatsorganen wird zum Hauptargument für mangelnde Frauenrechte im Iran. Obwohl das Wort ʼFührerʽ in der Verfassung geschlechtsneutral ist, wird den Frauen die Position als religiöse Führerin nicht zugestanden.581 Nach der Konzeption des Verfassungsprinzips der velāyat-i
577 Montaẓerī, Ḥosaynʿalī (1411q/1990b), Vol. 1, S. 341 ff. 578 Ḫazʿalī, Kobrā u.a. (1381/2002): Zan, ʿaql, īmān, mašverat (Frau, Verstand, Glaube, Konstultation), Tehrān, S. 21. 579 Qorbānniyā, Nāṣer (1384/2005), Vol. 2, S. 248. 580 Qorbānniyā, Nāṣer (1384/2005), Vol. 2, S. 240. 581 Meqdādī, Moḥammad Mehdī (1384/2005): „Zan va masʾūliayyt-i riyāsat-i ğomhūrī“ (Die Frau und die Verantwortung des Präsidentenamts), in: Qorbānniyā, Nāṣer (Hrsg.): Bāzpažūhī-i hoqūq-i zanān: barresī-yi qavānīn-i marbūt be zanān dar Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān (Neue Forschung zu den Frauenrechten: Eine Untersuchung der Gesetze bezüglich der Frauen in der Islamischen Republik Iran), Tehrān, S. 159.
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faqīh (Herrschaft der Rechtsgelehrten) kommen nur Männer als religiöse Führer in Betracht.582 Im Gegensatz dazu werden laut GS 107 bei der Festlegung seiner Aufgaben keine als männlich konnotierte Eigenschaften gefordert. Das Staatsoberhaupt soll nach der Theorie von Chomeynī durch umfassende Fähigkeiten qualifiziert sein und von einer dafür einberufenen Versammlung gewählt werden. Imāmat-i ommat (Die Führungsbefugnis) ist die Aufgabe des religiösen Führers (pers. velāyat-i amr). Diese Person, die durch den Expertenrat auf Lebenszeit gewählt wird, soll die notwendige Gelehrtheit in unterschiedlichen Rechtsbereichen aufweisen.583 Er ist berechtigt, Gutachten zu erstellen. Aufgrund der angenommenen Unfähigkeit von Frauen, diesen spirituellen Grad zu erlangen, darf eine Frau nach der herrschenden Auffassung der Geistlichen im Parlament und des Wächterrates dieses Amt nicht annehmen. Sollte eine Frau diesen religiösen Rang erreichen, darf sie trotzdem nicht in das Amt des religiösen Führers gehoben werden. Nach Chomeynīs Auffassung sollte der Islam im Staat institutionalisiert werden, um als Grundlage für die Führung eines auf islamischen Gesetzen ruhenden Staatswesens zu dienen.584 Eine der wesentlichen Qualifikationen eines Führers sei es, den Rang eines ٍRechtsgelehrten moǧtahed bzw. marǧaʿ-i taqlīd (für den Taqlīd zuständige Instanz) zu erreichen. Ein prominentes Mitglied des Wächterrates, Ayatollah Kāšānī, hat verkündet, es gäbe kein gesetzliches Hindernis für Frauen, für dieses Amt zu kandidieren, wenn sie die ausreichende theologische Qualifikation hätten und die moralischen Ansprüche erfüllen können.585 Trotz der Wertung der hohen religiösen Würde von Frauen als arab. muǧtahida pers. moǧtahedeh lässt der eindeutige Wortlaut in der Verfassung keinem Spielraum für eine Interpretation der Zulässigkeit der Frauen als marǧaʿ-i taqlīd, eine der Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Wächterrat. Grundsätzlich gibt es keine überzeugenden verfassungsrechtlichen Argumente, die eine Frau als Mitglied der obersten islamischen Versammlung bzw. des Verfassungsgerichtes ablehnen. Ḥoǧǧat-ol-Eslām ʿAlī Chāmeneʾī, der neu gewählte Führer nach dem Ableben von Ayatollah Chomeynī, besaß keinen höheren re582 GS 5. 583 GS 109, Absatz 1. 584 Fürtig, Henner (1998): Islamische Weltauffassung und außenpolitische Konzeption der iranischen Staatsführung seit dem Tod Ajatollah Khomeinis, Berlin, S. 25. 585 Amirpur, Katajun (2003b): Gott ist mit den Furchtlosen. Schirin Ebadi − Die Friedensnobelpreisträgerin und der Kampf um die Zukunft Irans, Freiburg, S. 74.
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ligiösen Rang als Moǧtahed. Darum wurde im Jahr 1989 eine revidierte Verfassung in Kraft gesetzt, in der die Aufgaben und Befugnisse des religiösen Führers neu definiert wurden.586 Ausgehend davon ist grundsätzlich eine neue fundamentale Verfassungsänderung bezüglich des Amtes des religiösen Führers zugunsten der Frauen vorstellbar. Dies kann nur in Abstimmung mit dem Schlichtungsrat gem. GS 177 erfolgen.587 Nach der Kulturrevolution 1980 wurde zum ersten Mal über den Entwurf eines Dekretes zu den Rechten und der Verantwortung der Frauen in der Islamischen Republik Iran gesprochen. Nach Qorbānniyā soll das Dekret über die Stellung der Frau im islamischen Recht auf der Grundlage der islamischen Verfassung und der Hinweise der religiösen Führer in den nächsten zwanzig Jahren konzipiert werden. Ziel sei eine Gleichberechtigung der Geschlechter in Politik und Gesellschaft.588 Wenn in GS 109 Absatz 1-3 der Verfassung als Voraussetzungen für einen religiösen Führer Gerechtigkeit, Frömmigkeit, sozio-politische Weisheit, administrative Fertigkeit sowie Führungsqualität vorgegeben werden, warum soll dann dieses Amt nicht auch offen für Frauen sein, argumentiert Qorbānniyā. Seine Gegner beziehen sich in ihrer Argumentation oftmals auf Sūrat an-Nisāʾ Vers 34. Auch wenn dieser Vers Interpretationsspielraum bietet, wonach die angesprochene männliche Herrscherfunktion nur auf familiäre Aufgaben beschränkbar sei, ist Ayatollah Golpāygānī u.a. der Meinung, die Frau sei für die häusliche Verwaltung qualifiziert genug, jedoch sei sie nicht geeignet für die Verwaltung der Gesellschaft.589 Feyż Kāšānī (1598 – 1680) vertritt eine ähnliche Rollenzuteilung. Eine gesellschaftliche Aufgabe komme für die Frau nach seiner Auffassung nicht infrage.590 Eine solche Beschränkung der Frau auf häusliche Aufgaben wird von Ayatollah Montaẓerī kritisiert. Für ihn ist die Argumentation zur Beschränkung der politischen und verwaltungstechnischen Teilnahme der Frau widersprüchlich. Es gäbe eine Reihe von Überlieferungen, in der die Frau nicht für die Verwaltung der politischen Zwecke bzw. als Herrscherin geeignet gesehen wurde. Der Mann, der von einer Frau beraten wird,
586 587 588 589
Röhrich, Wilfried (2003): Die politischen Systeme der Welt, München, S. 96 f. Parhisi, Parinas (2010a), S. 137. Qorbānniyā, Nāṣer (1383/2004a), in: Nāmeh-yi Hoqūqī, 1, 1, S. 113. Mūsavī Golpāygnī, Moḥammadreżā (1413q/1993): Kitāb al-Qaḍāʾ, Qom, Vol. 1, S. 44. 590 Feyż Kāšānī, Moḥsen (1416q/1996): Tafsīr aṣ-ṣāfī, Qom, S. 446.
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sei diesen Quellen entsprechend sogar verflucht.591 Aber auch wenn der Begriff ʼLaʿnʽ in diesem Hadith nach Alāsvand mit „verflucht“ übersetzt wird, könne das keine ausreichende Begründung dafür sein, dass Frauen keine politischen Ämter ausüben dürfen.592 Letztendlich liege die eigentliche Herrschaft bei Allah. Eben dieses Argument dient nun wiederum den Protektionisten der alleinigen männlichen Machtausübung. Denn wenn Allah die Vertreter auf der Welt im Sinne seiner Macht stelle, dann doch nur solche, die einen spirituellen Rang in seinem Sinne erlangen können. Eine solche Leistung sei aber ausschließlich an männlich konnotierte Eigenschaften gebunden − und schließe somit die Frauen aus höheren Machtpositionen a priori aus.593
III. Die Unzulässigkeit der Frauen zum Amt des Staatspräsidenten Mit der Verfassungsreform des Jahres 1989 wurde auch das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft. Dies führte zur Stärkung der Stellung des Staatspräsidenten und forderte einige neue Kompetenzen für dieses Amt.594 Kapitel 9 der Verfassung beinhaltet die Aufgabe der Legislative595 und entsprechende Ämter der Staatspräsidenten. Nach § 113 IZGB ist das Amt des Staatspräsidenten das höchste Amt nach dem religiösen Führer. Er ist verantwortlich, die Verfassung umzusetzen. Außerdem wird die Befugnis zur Führungsaufsicht über die Exekutive eingeräumt. Er wird gemäß § 114 IZGB vom Volk gewählt. Laut § 115 IZGB soll der Präsident aus der Mitte der gläubigen, politisch qualifizierten und ausgewiesenen roǧāl gewählt werden. Ein Präsident sollte laut diesem Artikel iranisch, administrativ befähigt, vertrauenswürdig, gläubig, gottesfürchtig sein und 591 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994a), Vol. 14, S. 131. 592 Alāsvand, Farībā (1390/2011): Zan dar eslām (Die Frau im Islam), Qom, S. 245 f. 593 Al-Ḥurr al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994g), Vol. 27, S. 147; ebd., Vol. 18, S. 46. 594 Röhrich, Wilfried (2003), S. 97. 595 Die legislativen Kompetenzen des Parlaments sind stark begrenzt durch GS 4 und 72 u.a. Verbot jeglicher Gesetzgebung in Widerspruch zu den Regeln der offiziellen schiitischen Schule des islamischen Rechts. Es werden alle vier Jahre 270 Abgeordnete des islamischen Versammlungsrates gewählt, davon ca 5% Frauen. Dies gehört zum Aufgabengebiet der Legislative.
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einen guten Leumund haben, überzeugt von den grundlegenden Prinzipien der Islamischen Republik Iran und der offiziellen Religion des Landes sein. Der Terminus ʼroǧālʽ stellte nun den eigentlichen Diskussionskern dar, fand er sich doch nicht im ersten Verfassungsentwurf und wurde erst später hinzugeschrieben.596 Der Streitpunkt liegt darin, dass mit der Definition ʼroǧāl (arab. riǧāl)ʽ als „Männer“, Frauen vom Amt des religiösen Führers ausgeschlossen bleiben. Nachdem alle sieben Kandidaturen von Frauen bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1997 mit Verweis auf die Verfassung vom Wächterrat abgelehnt wurden, führte dies zu vehementen breiten Debatten. In der Verfassung steht der Begriff ʼroǧāl-i maẕhabī siyāsīʽ. Der Begriff ʼriǧālʽ hat mehrere Bedeutungen, wie Männer, Füße (derjenige, der auf zwei Füßen laufen kann bzw. Menschen od. Soldaten) und Persönlichkeit.597 Nur eine extrem enge Interpretation aus einem bestimmten Interessensfokus, wie in der Formulierung des § 115 IZGB, schafft eine argumentative Grundlage, Frauen von diesem Amt auszugrenzen. Dieselben Argumente, welche die Frauen vom Amt des religiösen Führers ausschließen, werden für ihre Zurückweisung vom Amt der Staatspräsidentin genutzt. Dies wurde vom Wächterrat bestätigt.598 Aʿẓam Ṭāleqānī 599, die Kandidatin der Präsidentschaftswahlen 1997, kritisiert die Regierungsmaßnahmen und bezieht sich auf eine Reihe von Koranversen, in denen mit dem Begriff ʼRoǧālʽ Frauen und Männer gemeint sind. Sie weist darauf hin, dass die gesellschaftliche Verantwortung von Frauen weder dem Koran noch dem islamischen Recht widerspricht.600 Des Weiteren verweist sie auf die Doppelbedeutungen des Begriffs ʼRoǧālʽ im persischen Sprachgebrauch sowohl als „politische Persönlichkeiten“ als auch als „religiös-politische Männer“. Ayatollah Mūsavī Ar596 Hāšemī, Sayyed Moḥammad (1382/2003): Hoqūq-i asāsī-yi Ğomhūrī-yi Eslāmīyi Īrān: Oṣūl va neẓām-i asāsī (Das Verfassungsrecht der Islamischen Republik Iran. Herrschaftssystem und politische Institutionen), Tehrān, S. 270. 597 Wehr, Hans (2011): Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart: arabisch-deutsch, Wiesbaden. 598 Die letzte ausführliche Verhandlung des iranischen Parlaments über die Verfassung der Islamischen Republik erschien im Jahr 1364/1985, Vol. 3, S. 1771. 599 Aʽẓam Ṭāleqānī ist die Tochter von Ayatollah Ṭāleqānī und Gründerin der Frauenzeitschrift Payām-i hāǧar im Jahre 1979 und Mitglied der „Geselschaft der muslimischen Frauen“. Sie war in den ersten Parlamentsrunden 1979-1981 als Abgeordnete tätig. 600 Amirpur, Katajun (2003b), S. 73 f.
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Viertes Kapitel: Grundlage des Rechtsgebietes im islamisch-schiitischen Recht
debīlī hingegen, Mitglied der Expertenversammlung, verweist in seiner Begründung für den Ausschluss der Frauen vom Amt des Staatspräsidenten auf den religiösen Rang eines moǧtahed als Conditio sine qua non für das Amt des religiösen Führers.601 Der Disput über einen Zugang der Frauen zu hohen Staatsämtern schließt darüber hinaus den Stellenwert ein, den ihre Gutachten juristischer, sozialer oder politischer Art haben. Obwohl die Frauen gegenwärtig die religiöse Schule besuchen und als moǧtahed ausgebildet werden, ist es ihnen trotzdem nicht erlaubt, als marǧaʿ-i taqlīd ihre Gutachten zu erlassen.602 Als weiteres Argument gegen eine weibliche Zulassung zu hohen politischen Ämtern führt ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī den Schutz einer nationalen Kultur an und bemüht dafür die Dichotomie Ost/West. In seinem Werk al-Mīzān gilt die Zulassung der Frau zu öffentlichen Positionen als Einbruch in die Tradition603, beinhalte folgerichtig das Nicht-Befolgen der islamischen Grundgesetze und führe zu „Materialismus und Verwestlichung“, welche letztendlich die Menschen von Allah entfernten.604 Allāmeh Ḥosaynī Ṭehrānī stellt in seinem Werk Velāyat-i faqīh dar ḥokūmat-i eslāmī (Staatsoberhaupt in der islamischen Regierung) mehrere Fragen zur Stellung der Frau als Führerin oder Präsidentin. Er bezieht sich auf Sūrat an-Nisāʾ Vers 34 und die verantwortungsvolle Rolle der Frau gegenüber ihrer Familie und v.a. ihrem Mann gegenüber. Ist es überhaupt möglich, die Frau in einer Herrschaftsposition über die Bevölkerung, also über Männer und Frauen, einzusetzen und sie von ihrer Aufgabe als Mutter und Ehefrau zu entfernen?605 Ayatollah Makārem Šīrāzī weist in seinem Werk Nemūneh auf den Vers 33 der Sūrat al-Aḥzāb hin, wonach die Anwesenheit der Frau in der Öffentlichkeit vom Propheten nicht erlaubt sei. Ähnlich wie ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī interpretiert er die heutige Teilhabe
601 Abid, Liselotte J. (2001): Journalistinnen im Tschador: Frauen und gesellschaftlicher Aufbruch im Iran, Frankfurt am Main, S. 248. 602 Amirpur, Katajun (2002): Reformen in theologischen Hochschulen? Tendenzen der heutigen Diskussion im Iran, Köln, S. 57. 603 ʿAllāmeh Ṭabāṭabāʾī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1391q/1971), Vol. 4, S. 548 f. 604 Ebd. 605 Ḥosaynī Ṭehrānī, Sayyed Moḥammad Ḥosayn (1421q/2001): Velāyat-i faqīh dar ḥokūmat-i eslāmī (Staatsoberhaupt in der islamischen Regierung), Mašhad, Vol. 3, S. 176.
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der Frauen in den gesellschaftlichen Angelegenheiten als eine Bedrohung für die Einheit zwischen Allah und Menschheit.606 In Nahǧ al-balāġa, Heft/Brief 31 bewertet Imām ʿAlī die Meinung von Frauen in den politischen Angelegenheiten als irrelvant. Er beschreibt sie als sehr zärtlich und emotional und nicht tauglich für solche Positionen. Die islamische Rechtswissenschaft schütze daher Frauen mittels ihres Verweises auf den häuslichen Aufgabenbereich aufgrund der „körperlichen“ und „seelischen“ Fähigkeiten (im Brief 14) der Frauen. Aber auch Mortażā Moṭahharī als Befürworter weiblicher Machtpositionen hält sich in erster Linie an die Beweisführung über die theologischen Schriften. So berichtet er von einer Überlieferung des Propheten, wonach er die Frauen in Notsituationen in jeglichen gesellschaftlichen Angelegenheiten herangezogen bzw. zum ǧihād aufgerufen hat. Wenn sich die Gelehrten, so seine Argumentation weiter, für ihre Interpretation ständig auf den Koran beziehen, sollten sie auch noch die Stellen im Koran berücksichtigen, in denen die Frauen die Herrschaftsposition übernommen haben und ein Volk mit ihrer Weisheit und Führungsqualität beeinflussen konnten.607 Als fragwürdige Lösung dieses Streitpunktes präsentiert Taleqānī in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift Payām Hāǧar die Auffassung einiger Gelehrter: Wenn die Frauen, wie es im Sūrat al-Aḥzāb erwähnt wurde, nicht ständig in der Öffentlichkeit präsent seien und eine enge administrative Zusammenarbeit mit männlichen Kollegen nicht stattfände, sei ihnen erlaubt, dieses Amt anzutreten.608 Anders sehen das diverse Frauenrechtsaktivistinnen und/oder weibliche Abgeordnete: Sie fordern eine breitere Auslegung der Verfassung und der Scharia. Außerdem betiteln sie fehlende Kenntnisse über den Islam als Ursache für die fehlende Gleichstellung der Frau und nicht den Koran selbst.609
606 Makārem Šīrāzī, Nāṣer (1371/1992): Tafsīr-i nemūneh (Beispielhafte Interpretation), Qom, S. 278 f. 607 27:20; 27:44. 608 Parhisi, Parinas (2010a), S. 140; Ṭāleqānī, Aʿẓam (1997): „Gozārešī az safarī yek rūzeh be Qom: Eḫtelāf-i dīdgāh-hā-yi ʿolamā dar Qom“ (Bericht über eine eintägige Reise nach Qom: Unterschiedliche Ansichten der Gelehrten in Qom), in: Payām-i hāǧar, 277, S. 6 f. 609 Esfandiari, Haleh (1994), S. 78 f.
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
A. Diskurs der Frauenrechte nach Gesichtspunkten der drei Gruppen männlicher Denker Der vornehmliche Wirkungsbereich von Geistlichen in den islamischen Ländern bleibt oftmals auf das Personenstandsrecht beschränkt, doch spielen sie als Repräsentanten des offiziellen Islams im öffentlichen Bewusstsein eine sehr große Rolle. Besonders die „einfachen Gläubigen“ akzeptieren die Traditionalisten als Wächter der Moral, zumal sich diese in ihren Stellungnahmen auch immer wieder gegen die Anhänger der radikalen, aber auch der moderaten Reformisten wenden.610 Die liberalen und marxistisch orientierten Gruppen in der Islamischen Republik werden als Konkurrenz für die Regierung wahrgenommen und sehr schnell von staatlicher Seite verdrängt. Gleichzeitig bestätigt die sich ausbreitende, fundamentalistische Strömung, basierend auf der Ideologie Imām Chomeynīs und seiner Theorie der velāyat-i faqīh, die Herrschaft der Geistlichkeiten innerhalb des politischen Systems und den Aufbau der iranischen Gesellschaft nach islamischen Grundsätzen. Unter Einbeziehung der Tradition und mit dem Ziel einer religiösen Stabilität der Gesellschaft, soll ein Staatswesen etabliert werden, das von jeglichem Einfluss der säkularen westlichen Kultur bzw. der Tendenz ihrer Nachahmung611 ferngehalten werden soll. Die konservative Einstellung ändert sich aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Umwälzung nach dem Iran-Irak Krieg 1989 und führt zur Ausweitung weiterer Denkrichtungen unter den iranischen Denkern. Die Ideologie und Mitwirkung die-
610 Ahmad, Abdelhamid Muhammad (1963): Die Auseinandersetzung zwischen alAzhar und der modernistischen Bewegung in Ägypten von Muhammad Abduh bis zur Gegenwart, Hamburg; Steppat, Fritz (1983): „Die politische Rolle des Islam.“ Vorträge zum XXI. Deutschen Orientalistentag, in: Conermann, Stephan (Hrsg.): Traditionalismus, online verfügbar unter: [zuletzt aufgerufen im Juli 2015], Wiesbaden, S. 22−36. 611 Hosaynīzādeh, Sayyed Moḥammad ʿAlī (1386/2007): Eslām-i siyāsī dar Īrān (Politischer Islam im Iran), Qom, S. 273.
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Diskurs der Frauenrechte nach Gesichtspunkten der drei Gruppen männlicher Denker
ser Denker bzw. ihre Denkrichtung ist abhängig von ihren gesellschaftlichen und politischen Positionen und Funktionen. Auf dieser Basis betrachten sie die Stellung der Frau im Recht, in der Gesellschaft und Politik. Versetzung, Aufstieg oder Degradierungen ihrer politischen Position bedingen immer wieder einen programmatischen Kurswechsel innerhalb ihrer Positionierungen zu den Rechten der Frau. Die iranischen Denker bekommen im Jahr 1997 eine Chance, sich in Medien und Presse über einige Themen zu äußern und ihre eigene Meinung zu bilden. Diese offene gesellschaftliche und politische Atmosphäre war von kurzer Dauer, aber sehr prägnant. Damit fängt eine neue Phase in der iranischen Geschichte an. Diese Phase ermöglichte es den religiös-progressiven Denkern, ihre Grundeinstellung z.T. zu ändern. Ihre Denkansätze ähnelten denen der säkular-liberalen Denker. Für sie zählen die internationalen Kriterien wie Menschenrechte und Demokratie. Im Folgenden wird ein allgemeiner Überblick der Entwicklung unterschiedlicher Denkrichtungen von Konservativen, religiös-progressiven und säkular-liberalen Denker seit der Entstehung der Islamischen Republik gegeben. Dabei wird die Perspektive der Meinungsführenden und Mitwirkenden innerhalb jeder Gruppe zu den Frauenrechten eingehend beleuchtet.
I.
Oṣūlgarāyān (Die konservativen Denker)
Die Fundamentalisten oder Konservativen (bonīyādgarāyān oder sonnatgarāyān) sind eine Gruppe von Traditionalisten, die sich für den Aufbau des Gottesstaates aussprechen. In der Literatur ist diese Gruppe unter oṣūlgarāyān zu finden. Alle wichtigen Funktionsträger des neuaufgebauten Gottesstaates rekrutieren sich aus dieser Gruppe. Diese Denkrichtung wird meistens von Gelehrten vertreten, die ihre Weltanschauung auf über Jahrhunderte tradierte Normen und Vorschriften stützen. Die Vertreter dieser Gruppe umfassen die Regierungsangehörigen und die Geistlichen mit einer sehr konservativen Einstellung. Die Regierungsangehörigen bestehen aus sechs geistlichen Mitgliedern des Wächterrats und die Geistlichen aus der Expertenversammlung, den Mitgliedern des Schlichtungsrates, den Mitgliedern des Obersten Gerichts und der ǧāmeʿeh-yi rowḥā-
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
niyūn-i mobārez (Militante Geistlichenvereinigung).612 Dazu kommen zwei Laiengruppen, die traditionellen Bazarhändler, die heyʿat-i moʿtalefeh-yi eslāmī (Islamische Koalition), und eine Ingenieursgruppe, die ǧāmeʿeh-yi eslāmī-yi mohandesīn (Gesellschaft der islamischen Ingenieure).613 Die Geistlichen mit sehr konservativer Einstellung, die oṣūlgarāyān, umfassen eine Gruppe von Denkern, die sich sehr stark an den religiösen Kontext halten und die davon abgeleiteten traditionellen Interpretationen vertreten. Die konservativen Gelehrten stellen sich als die einzige Instanz dar, die berechtigt sei, für die durch die neuen Lebensverhältnisse hervorgerufenen Fragen Entscheidungen zu fällen. In der Regelung dieser Fragen wollen sie den traditionellen Überlieferungen das entscheidende Wort zukommen lassen. Nur den Gelehrten steht nach ihrer Meinung die Verwaltung des überlieferten Wissens sowie die Auslegung der normativen Texte Koran und Hadith zu. Generell fordern die Traditionalisten die Orientierung aller gesellschaftlichen Beziehungen einschließlich der Herrschaftsausübung an der Scharia.614 Die Vertreter dieser Denkrichtung sind Rūḥollāh Chomeynī, Moḥammad Taqī Meṣbāh Yazdī, ʿAlī Chāmeneʾī, ʿAbdollāh Ǧavādī Āmolī und Neʿmatollāh Ṣāleḥī Naǧafābādī, Ǧafar Sobḥānī Tabrīzī, Šahāb ad-dīn Marʿašī Naǧafī, Moḥammad Moḥammadī Gīlānī, Loṭfullāh Ṣāfī Golpāygānī und Moḥsen Qerāʾtī sowie Nāṣer Makārem Šīrāzī.615 Ihr Ziel ist eine Vereinbarkeit von Politik und Religion. Sie lehnen jegliche westliche Einflussnahme auf die islamisch-religiösen Vorschriften ab. Der unabdingbare Gebrauch des Kopftuchs, die Geschlechtertrennung und das Ehe- und Scheidungsrecht werden auf eine religiös-rechtliche und islamisch-juristische Prämisse zurückgeführt.616 Sie halten insofern die Methode der Interpretation, eǧtehād, und die bestehenden natürlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Geschlechter für keinesfalls hinterfragbar. Eǧtehād gilt als ihre methodische Grundlage bei ihrer Posi-
612 Vgl. Parvizi Amineh, Mehdi (2004a): Demokratisierung und ihre Feinde im Iran, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 613 Mortaǧī, Ḥoǧǧat & Zībākalām, Ṣādeq (1381/2002): Ğenāḥ-hā-yi siyāsī dar īrān-i emrūz (Die politischen Tendenzen im heutigen Iran), Tehrān, S. 26. 614 Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 20. 615 Zībāʾīnežād, Moḥammad Reżā & Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 183. 616 Hosaynīzādeh, Sayyed Moḥammad ʿAlī (1386/2007), S. 274.
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tionierung bezüglich der Frauenrechte.617 Die Meinungsführer dieser Gruppe vertreten ihren Standpunkt zu den Rechten der Frau mit Verweis auf Stellen im Koran. Sie sind somit der Ansicht, dass sie die Gleichheit der Geschlechter förderten. Ayatollah ʿAbdollāh Ǧavādī Āmolī bestätigt dies und weist auf die Schöpfung von Mann und Frau hin, die aus einer gemeinsamen Quelle und zwar Gott, hervorgebracht wurde. Er sieht keine Vorrechte für den Mann, die für die Frau nicht auch zuträfen.618 Die Natur stelle die Frau nicht minderwertiger dar als den Mann. Schließlich zählten im Islam die Ehre der Frau und ihre Rolle letztendlich als Ergänzung des Mannes.619 Die Berücksichtigung der rechtlichen und moralischen Werte ist ein weiterer diskutierter Faktor unter den oṣūlgarāyān. Aus deren Sichtweise hat die Familie im Koran und der Sunna eine besondere Stellung. Oft würden die Familiengesetze nur dem Rahmen und nicht den Inhalten entsprechen. Die Familie wird nach den oṣūlgarāyān als Kern und Grundlage der Existenz einer Gesellschaft gesehen, wie es gemäß GS 10 der iranischen Verfassung bezüglich der Gründung einer Familie geregelt ist – nämlich weitaus mehr als eine Beziehung für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse.620 Ayatollah ʿAlī Chāmeneʾī, einer der Meinungsführenden dieser oṣūlgarāyān, hält die moralische und rechtliche Unterstützung der Frau in der Familie für wichtig und fordert dementsprechend notwendige Gesetzesreformen.621 Dazu äußern sich die weiteren Gruppen von Denkern mit ihrer religiösprogressiven und säkular-liberalen Einstellung. Oṣūlgarāyān definieren die Frau als eine Person, welche die Befugnisse habe, frei zu entscheiden, Verantwortung zu tragen und ihre Fähigkeiten zu entwickeln und sich für ein besseres Leben einzusetzen.622 Zībāʾīnežāds liberaler Einstellung spricht der Meinung der Konservativen entgegen, da die Konservativen die Frauen in ihren freien Entscheidungen und in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe einengen möchten. Diese Position vertritt auch Moḥammad Moǧtahed Šabestarī, ein religiösprogressiver Denker. Die Frau kann laut Šabestarī ausschließlich ihren
617 Moṭahharī, Morteẓā (1357/1978): Neẓām-i ḥoqūq-i zan dar eslām (Das System der Frauenrechte im Islam), Qom, S. 24. 618 Ğavādī Āmolī, ʿAbdollāh (1372/1993), S. 36. 619 Šarīʿatī, ʿAlī (1347/1968): Eslāmšenāsī (Islamwissenschaft), Mašhad, S. 509. 620 GS 10. 621 Die Tageszeitung Ğomhūrī-yi eslāmī : 01.08.1376. 622 Zībāʾīnežād, Moḥammad Reżā & Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 54 ff.
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familiären Aufgaben nachkommen. Hierbei sind nicht der Einfluss von religiösen Quellen und die Bedeutung der Stellung der Frau entscheidend, sondern die humanistische Position. Die Gottesgesetze spiegeln im Koran und in der Sunna die Bedeutung der Familie wider. Diese Quellen sind ewig und unvergänglich. Die gesellschaftliche Entwicklung führt zur Änderung unserer Einstellung. Deshalb sprechen wir häufiger über die gesellschaftliche Position der Frau und ihre Gleichberechtigung. Die Grundlage dieser Änderungen setzte laut Šabestarī der Prophet Muḥammad in seiner Zeit für die Herstellung der Sicherheit für Frauen und eine Gleichberechtigung der Geschlechter.623 Laut Šafīʽī Sarvestānī, ein liberaler Denker, garantiert die Gründung einer Familie die Kontinuität der menschlichen Generation, die Besiedlung des Landes und den Erhalt des Friedens sowie die Befriedigung sexueller Bedürfnisse und das Miteinander im materiellen und immateriellen Leben.624 Die oṣūlgarāyān fördern außerdem die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe der Frau entsprechend den islamischen Prinzipien (im Iran), solange ihre Hauptaufgabe als Mutter nicht dadurch vernachlässigt werde.625 Jede Art der Erneuerung innerhalb der religiösen Grundlagen habe nach ihrer Auffassung einen negativen Einfluss auf die islamische Gesellschaft und schwäche die Religion. Insofern interpretiert sie Erneuerung als religiösen Verstoß, als Abweichung von und Bruch mit der Religion.626 Darauf werden auch, laut Moḥammad Taqī Sobḥānī, ein liberaler Theologe, die Entstehung der Ungleichheit der Geschlechter und die sozialen Krisen an sich zurückgeführt.627 Fehlender Glaube und Mangel an Beständigkeit des gesellschaftlichen Engagements führten zu Sabotage, zu kulturellen und politischen Machenschaften und Kolonialismus. Eine Neuinterpretation des Korans wird daher entschieden zurückgewiesen.628 Insofern stelle auch der Feminismus als soziale-politische Bewegung lediglich eine westliche, kontrareligiöse Initiative dar. Neben den oṣūlgarāyān mit ihrer traditionellen und politisch richtungweisenden Einstellung zum Islam, sind auch neue reformorientierte Bestrebungen für zeitgemäße Interpretationen von religiösen Texten zu beo623 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1379/2000): Naqdī bar qerāʾat-i rasmī az dīn (Eine Kritik an der offiziellen Lesart der Religion), Tehrān, S. 218. 624 Šafīʿī Sarvestānī, Ebrāhīm (1381/2002). 625 Ebd. 626 Sobḥānī, Moḥamad Taqī (1390/2011), S. 21 f. 627 Ebd. 628 Ebd., S. 20.
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bachten. Deren Akteure stützen sich für ihre Argumentation auf allgemeine islamische Werte und Normen. Ihr Engagement rührt aus der politischen Denkstruktur der Schia und aus dem Anspruch, die islamischen Quellen mit Rückblick auf feqh und Scharia zu interpretieren.629
II. Nowandīš-i dīnī (Die religiös-progressiven Denker) Die religiös-progressive Denkweise entwickelt sich 1970 und strebt eine neue und zeitgemäße Interpretation der Religion an. ʿAlī Šarīʿatī kann als Vertreter dieser Denkrichtung genannt werden. Später schließen sich Mehdī Bāzargān, ʿAbdolkarīm Sorūš, Moḥammad Moǧtahed Šabestarī, Moḥsen Kadīvar, Ḥasan Yūsofī Eškevarī, Moṣṭafā Malekiyān und Ayatollah Yūsof Ṣāneʿī630 an. Diese Gruppe von Denkern ist von der europäischen Kultur geprägt und plädiert für eine Vereinbarkeit von Tradition und Moderne. Ihre Anhänger haben entweder im Westen studiert oder sind von westlicher Literatur beeinflusst. Sie setzen sich mit der Religion und der westlichen Moderne auseinander und arbeiten die Widersprüche zwischen der religiösen Kultur und der modernen Zivilisation heraus. Dabei entwickeln sie eine Argumentationsstrategie, um als Ergebnis eine grundlegende Lösung für die Reform der Frauenrechte zu erreichen.631 Diese Gruppe, die sowohl aus geistlichen als auch aus laizistischen Mitgliedern besteht, umfasst Denker mit religiösen ideologischen Unterschieden und individuellen Ambitionen sowie mit reformerorientierten Tendenzen, wie die Modernisierung der Religion. Deshalb lässt sich diese Gruppe als religiös-progressive Denker (nowandīš-i dīnī) betiteln. Die Mitglieder dieser Gruppe verstehen sich ebenso als religiöse Intellektuelle (rowšanfekr-i dīnī).632 Während sich die vorrevolutionäre Generation der nowandīšān-i dīnī dem herrschenden despotischen System widersetzt, kämpft die neue Generation nach der Islamischen Revolution gegen einen religiösen und politischen Absolutismus. Da eine säkulare Staatsform für die machthabenden konservativen Gruppen unvorstellbar ist, könnte die Ideologie der
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An-Naǧafī, Moḥammad Ḥasan (1981b), S. 217. Mottaqī, Moḥsen (1380/2001), Vol. 4, 19, S. 510. Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 24. Ebd., S. 18.
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Religiös-Progressiven eine Reform ohne Trennung von Religion und Staat ermöglichen.633 Nowandīšān-i dīnī, die in der zweiten Phase der Islamischen Revolution 1989-1997634 und nach dem Tod Ayatollah Chomeynīs entstanden, setzten sich aus einer Vereinigung von Geistlichen ǧāmeʿeh rowḥāniyūn-i mobārez (der Gesellschaft der kämpfenden Geistlichen) und nichtgeistlichen Gruppen mit religiösen Ideologien Ḫaṭ-i emām (Partei des Imams), aus Mitgliedern des daftar-i taḥkīm-i vaḥdat (Das Büro zur Konsolidierung der Einheit) sowie aus Mitgliedern des ḥezb-i mošārekat-i Īrān-i Eslāmī (Die islamische Beteiligungspartei) zusammen. Dazu gehören außerdem einige Schriftsteller und islamische Denker. Einer ihrer Vertreter ist ʿAbdolkarīm Sorūš, Chomeynīs größter Unterstützer in den frühen 1980er-Jahren und Mitglied des Obersten Rats der islamischen kulturellen Revolution. Weitere klerikale Angehörige dieser Gruppe sind Moḥammad Moǧtahed Šabestarī und Moḥsen Kadīvar, die sich für eine Modernisierung der Religion und für die Übereinkunft religiöser Erkenntnisse mit modernen Denkweisen einsetzen.635 Für die nowandīšān-i dīnī sind die „Entwicklung der Modernität in der Gesellschaft“ und die „Präsentation eines neues Bildes von Religion“ zwei Möglichkeiten der Verbesserung der Frauenrechte, um dabei neue Perspektiven zu entwickeln. Dies wird von liberal-säkularen Denkern behauptet.636 Nowandīšān-i dīnī beschäftigen sich mit diversen Methoden einer neuen und zeitgemäßen Interpretation des Korans. Sie weisen auf die Notwendigkeit einer frauenfreundlichen Art von eǧtehād hin, die den Aussa-
633 Ğahānbaḫš, Forūġ (1383/2004): Eslām, demokrāsī wa nowgarāʾī-yi dīnī (Islam, Demokratie und religiöse Progressivität), Tehrān, S. 219 f. 634 Buchta, Wilfried (2004a): „Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran“, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]; Amirpur, Katajun (2004a): „Gibt es in Iran noch einen Reformprozess?“, online verfügbar unter:
[Aufgerufen im Oktober 2015]. 635 Parvizi Amineh, Mehdi (2004b): "Globalisation and Islam − Challenges of Modernity", in: Reiter, Erich (Eds.): Jahrbuch für Internationale Sicherheitspolitik, Hamburg et al., S. 211f.; Parvizi Amineh, Mehdi (2004a): Demokratisierung und ihre Feinde in Iran, in: Bundeszentrale für politische Bildung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 636 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1379/2000), Vol. 65, 4, S. 34.
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gen des dynamischen feqh und dem gesellschaftlichen Zustand entspricht.637 Dies bedeute in der Regel keine Herrschaft der Modernität über die religiöse Kultur und Denkweise. Für nowandīš-i dīnī ist der Koran die erste nachgewiesene Quelle, die aber nicht alle Antworten beinhaltet. Diese unterschiedlichen Denkstrukturen in den Interpretationen räumen den Gelehrten gleichzeitig die Möglichkeit ein, ihre Interpretation den zeitlichen Veränderungen anzupassen und dementsprechend Lösungsvorschläge anzubieten.638 Die Grundlage der Gesetzessprechung der unterschiedlichen Länder findet sich in den kulturellen Verhältnissen und der räumlichen Struktur und Entwicklung der jeweiligen Bevölkerung. Die Themenfelder wie Blutgeld, Strafrecht und Zeugenaussage sind daher nach der Tradition der jeweiligen Länder unterschiedlich geregelt. Wie Sayyed Moḥsen Saʿīdzādeh, einer der Vertreter der nowandīšī-i dīnī, sich in diesem Zusammenhang äußert, werden aufgrund der gesellschaftlichen und ökonomischen Gegebenheiten einige Rechtsansprüche nur nach der Zeit, dem Ort und der Kultur verifiziert. Diese Quellen sind in der Abwesenheit des zwölften Imams für die Schiiten und für das schiitische Recht verbindlich.639 Laut Sūrat al-Māʾida ʼan-nafs bi-n-nafsʽ („Sie sind aus einer Seele geschaffen“) seien Mann und Frau in vielen rechtlichen religiösen Angelegenheiten gleichberechtigt.640 Die Religion soll, nach der Auffassung der nowandīšān-i dīnī und v.a. nach Sorūš, dem Verständnis und der Einsicht der Menschen der heutigen Zeit entsprechen. Theologische, philosophische und mystische Methoden würden den Menschen helfen, die Religion besser zu praktizieren.641 Dementsprechend sollte die islamische Jurisprudenz eine Revision v.a. im Bereich der Frauenrechte anstreben. Eine solche Revision sollte mit den Prinzipien der Menschenrechte, die als Folge der Entwicklung der modernen Gesellschaft gesehen werden, übereinstimmen.642 Genau an dieser Stelle wird deutlich, dass die religiös-progressiven Denker tatsächlich nach einer Reform suchen und sich nicht auf ihre ideologische religiöse
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Sorūš, ʿAbdolkarīm (1367/1988), S. 120. Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 36−40. Sāʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen (1376/1998), Vol. 6, 37, S. 36−38. Ebd. Sorūš, ʿAbdolkarīm (1373/1994), S. 314. Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999): „Qabż va basṭ-i ḥoqūq-i zanān“ (Die Überlegungen zur Konstruktion und Expansion der Frauenrechte), in: Zanān, 59, 10, S. 32−37: 36.
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Denkweise stützen möchten, sondern auf die internationalen Konzeptionen bzw. eine Anpassung der religiösen Vorschriften an Menschenrechte oder umgekehrt. Dies sehen einige Kritiker wie Hemmatī sehr kritisch. Laut Morād Hemmatī, Kritiker, Schriftsteller und Anhänger der NationalReligiösen Gruppierung, seien die Erfüllung religiöser Vorschriften und die Beachtung der islamischen Jurisprudenz ohne Scharia nicht möglich. Die Scharia setzt sich aus Glaube und Praxis zusammen. Dies sei abgesehen von Menschenrechtskonzepten ein Beweis, dass Religion und Scharia nicht voneinander trennbar sind. Nowandīšān-i dīnī verstehen Religion als anthropologisch und unveränderbar, wobei die Scharia flexibel und jeder Zeit anpassbar sei.643 Im Islam seien Mann und Frau gleichberechtigt. In der Scharia werde diese Gleichheit entsprechend der jeweils historischen Zeit interpretiert. Hemmatī finde einige Themenfelder, wie das Recht der Männer bei der Scheidung und beim Sorgerecht für die Kinder heute nicht mehr zeitgemäß. Aus diesem Grund fordere die Gesellschaft und v.a. die religiös-progressiven Denker, eine Revision der islamischen Gesetze, damit gleiche Rechte für die Frauen durchgesetzt werden können. Eine Trennung zwischen Religion und Scharia sei insofern akzeptabel und könne zur Realisierung einer Gleichberechtigung führen.644 Farāsatḫāh, Soziologe vertritt eine andere Meinung. Nach ihm sei jedoch eine Änderung der Scharia für die nowandīšān-i dīnī nicht denkbar, weil damit die Universalität und ewige Gültigkeit des Islams infrage gestellt würde. Der Koran bestimme die gegenseitigen Rechte der Frauen und Männer entsprechend der zeitlichen und jeweils aktuellen gesellschaftlichen Situation. Gott, Propheten und die Offenbarungen seien religiöse Grundlagen, welche die Menschen in ihrer Gesetzgebung bzw. in ihrem parlamentarischen Auftrag einbeziehen müssen.645 Dementsprechend sind einige Denker wie ʿAbdolkarīm Sorūš der Ansicht, dass die islamischen Rechte und Prinzipien bereits in ihrer ursprünglichen Verschriftlichung der heutigen Zeit entsprachen und die Gleichberechtigung beinhalteten, jedoch stimmen die gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht und es ist erforderlich, diese neu zu interpretieren.646 Insofern 643 Hemmatī, Morād (1379/2000): „Ba negāh-i yekboʿdī zanān rā be dīn badbīn nakonīd“ (Eine einseitige Sichtweise lässt die Frauen nicht pessimistisch werden.), in: Zanān, 66, 9, S. 48−52: 51. 644 Ebd., S. 50 f. 645 Farāsatḫāh, Maqṣūd (1377/1998): Dīn va ğāmeʿeh (Religion und die Gesellschaft), Tehrān, S. 608. 646 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 32−37: 33.
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sei die Menschenrechtserklärung vertretbar, sie solle sich lediglich den islamischen Grundlagen anpassen. Aus diesem Grund sollten die Frauenrechte zeitgemäß und entsprechend den gesellschaftlichen Notwendigkeiten verabschiedet werden.647 Manche Vertreter dieser Gruppe interpretieren den Islam als eine sozial-politische Religion und versuchen, die Flexibilität der Rechte und deren Auslegung dafür zu nutzen, Veränderungen der islamischen Prinzipien herbeizuführen und v.a. Frauenrechte daraus abzuleiten.648 Die gesellschaftliche Entwicklung der heutigen Zeit, geprägt durch eine modernisierte Art und Weise des Zusammenlebens und ihrer Pluralität, fördere die Fähigkeit der Frauen in unterschiedlichen Bereichen, einflussreiche Aufgaben als Richterin oder Marǧaʿ-i taqlīd zu übernehmen und so die gleichen Rechte wie die Männer in Anspruch nehmen zu können.649 Viele religiöse Sitten bezögen sich auf historische Quellen. Blutgeld sei bspw. eine ökonomische Regelung gewesen, bevor es überhaupt eine kanonische Rechtfertigung gegeben hat. Laut Sayyed Moḥsen Saʿīdzādeh ist die Änderung vieler Sitten in den juristischen Angelegenheiten entsprechend der religiösen Grundlagen erlaubt. Eine Ungleichheit im Strafmaß sei z.B. nicht auf den Islam zurückzuführen, sondern stamme aus der Tradition.650 Nowandīšān-i dīnī legen großen Wert auf eine philosophische Methode, die sich mit der Relativität der Interpretation von Gleichheit befasst. Gleichheit kann sich demnach entsprechend der Zeit ändern und entwickeln. In den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten müssen die Aufgaben je nach historischer Situation aufgeteilt werden.651 Sorūš schlägt „die akzidentielle Einstellung“ zum Islam. Diese ist eine Bestätigung dafür, den Islam infrage zu stellen und ihn nach der aktuellen Zeit zu interpretieren.652 Nach der Auffassung von Vertretern der religiösen Progressivität hat der Islam nicht auf alle politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Situationen eine Antwort, die auf die Rahmenbedingungen jedes Landes passen könnte. Sie suchen nach einer globalen
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Ebd. Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 61. Farāsatḫāh, Maqṣūd (1377/1998), S. 615. Sāʽīdzādeh, Sayyed Moḥsen (1376/1998), Vol. 6, 37, S. 36−38: 36. Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 73. Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 32−37: 34.
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Gültigkeit bei ihren Interpretationen.653 Die Rechte der Frauen seien dementsprechend veränderbar. Somit sollen sich viele verabschiedete Gesetze in der derzeitigen Bedeutung anpassen und dementsprechend die Geschlechterungleichheit revidiert werden.654 Das Thema ʼGeschlechtʽ hat einen enormen Einfluss auf die philosophischen Einstellungen der Gelehrten und die religiös geprägte Gesellschaft. Aus diesem Grund diskutieren nowandīšān seit fast zwei Jahrzehnten über den Feminismus. Nicht nur aus politisch-gesellschaftlicher Perspektive, sondern auch aus theologischer Sicht sowie der Epistemologie. Aus eben jenen politisch-gesellschaftlichen Perspektiven weisen die Denker auf die Notwendigkeit hin, die Frauen zu unterstützen, eine eigene Interpretation zu finden, anstatt eine männliche Interpretation des Korans stillschweigend als alleingültig zu akzeptieren.655 Für nowandīšān-i dīnī steht die Diskussion der Frauenfrage im Zusammenhang mit Aspekten wie Humanität, Expansion, Instrumentalisierung der Vernunft sowie mit einem Rückblick auf die historischen Quellen und ihre Relativität. Sie bilden die Basis für die Umsetzung der religiösen Grundlagen nach westlichen modernen Kriterien. Diese Denkrichtung führt zu einer grundlegenden Auseinandersetzung zwischen Säkularen und Traditionalisten. Die rowšanfekr-i dīnī haben u.a. die Verwirklichung der Gleichberechtigung unter den Geschlechtern mit Rückblick auf religiöse Vorschriften und trotz der politischen Ergebenheiten zum Ziel. Sie positionieren sich mittlerweile kritisch und distanzieren sich vom aktuellen staatlichen System. Die meisten ihrer Anhänger befinden sich zurzeit in Haft oder flüchten ins Ausland.
III. Nowandīšān (Die säkular-liberalen Denker) Die säkular-liberalen Denker oder progressiven Denker sind die dritte Gruppe von Denkern, die sich während der Präsidentschaft von Sayyed Moḥammd Chātamī entwickelt hat und die Gesellschaft auf die neue He-
653 Malekiyān, Moṣṭafā (1385/2006): Moštāqī va mahǧūrī: Goftogū-hā-yi dar bāb-i farhang va siyāsat (Wissbegierig und ausgeschlossen: Einige Dialoge über Kultur und Politik), Tehrān, S. 400 ff. 654 Hemmatī, Morād (1379/2000), Vol. 66, 9, S. 51 f. 655 Malekiyān, Moṣṭafā (1379/2000): „Zan, mard, kodām taṣvīr?“ (Die Frau, der Mann, was für ein Bild?), in: Zanān, 64, 3, S. 36 f.
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rangehensweise vorbereitet. Sie argumentiert mit Verweis auf westliche Kriterien wie Menschenrechte, Demokratie und Freiheit. Zu den Meinungsführenden dieser Denkrichtung zählen u.a. Theologen und die laizistischen Denker. Der Unterschied zur Denkrichtung der nowandīšān-i dīnī liegt in ihren Argumentationsstrategien und ihrer Zielsetzung. Viele Denker dieser Gruppe äußern ihre Denkweise frei von jeglicher Orientierung und Zugehörigkeit zu einer Ideologie. Ihre reformorientierte Denkweise sowie ihre Positionierung und Perspektive zur rechtlichen Stellung der Frau lässt ihre liberale Einstellung deutlich werden. Die Theologen wie Ḥoǧǧat-ol-Eslām Moḥammad Taqī Sobḥānī, Ḥoǧǧat-ol-Eslām Moḥammad Reżā Zībāʾīnežād, Ḥoǧǧat-ol-Eslām Dāvūd Maḥdavīzādegān und Ḥoǧǧat-ol-Eslām Mehdī Mehrīzī halten die Rolle der Vernunft zur Erklärung der islamischen Grundlagen in Bezug auf Geschlechtergleichheit für wichtig und betrachten eine moderne religiöse Denkweise als ein Mittel zur Förderung der Gleichberechtigung.656 Ensprechend argumentieren sie entlang der modernen theologisch-hermeneutischen Methoden, um eine Verbesserung des rechtlichen Status und der sozialen Position der Frau zu verwirklichen. Zu den laizistischen Denkern dieser Gruppe gehören Reżā ʿAlīǧānī657 , ʿAlīreżā ʿAlavītabār658 und Nāṣer Qorbanniyā659, Ebrāhīm Šafīʽī Sarvestānī660 und Moṣṭafā Malekiyān661 . 656 Šīrāzī, Hānīyeh (1379/2000), Vol. 7, S. 65ff.; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1379/2000), Vol. 65, 4, S. 45. 657 Reżā ʿAlīğānī, Journalist, politischer Aktivist und Mitglied der Mellī MaẕhabīGruppen (National-Religiöse) und Anhänger der Ideologie von Šarīʽatī. Er war der Redakteur der Zeitung Īrān-i Fardā (Zukunft des Irans). Er wurde im Jahr 2001 als „Journalist ohne Grenzen“ ausgezeichnet. Die Stellung der Frau in den heiligen Texten ist sein aktuellstes Werk in Bezug auf Frauen. 658 Siehe die Fußnote auf Seite 82. 659 Nāṣer Qorbānniyā, Philosoph und Rechtwissenschaftler. Er untersuchte die Stellung der Frau aus der Perspektive des Strafrechts und der Zeugenaussage. Gleichberechtigung und Menschenrechte sind weitere Themen, mit denen er sich befasste. 660 Ebrāhīm Šafīʿī Sarvestānī ist Forscher und Schriftsteller im Bereich Frauen- und Strafrecht. Er ist modernorientierter Denker. Sarwestānī studierte an der religiösen Hochschule im Qom und später führte er seine Studien in Rechtswissenschaften an der Universität fort, und absolvierte seinen Master in Straf- und Kriminalitätsrecht. 661 Moṣṭafā Malekiyān ist Philiosoph und Denker. Sein Forschungsgebiet ist Moral, Religion, die Philosophie der Religion, Existentialismus, Geisteswissenschaft und Psychologie sowie Forschungsmethode und Reformbewegungen. „Weisheit und Immaterialismus“ ist die wichtigste Doktrin von Moṣṭafā Malekiyān.
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Unter den Vertretern des eslām-i nowandīš (neugedachter Islam)662 wird laut Katajun Amirpur die Forderung nach Reformen formuliert und die Vereinbarkeit der Demokratie mit dem Islam in den Vordergrund gestellt. Säkular-liberale Denker suchen die gesellschaftlichen Paradigmen im Umfeld der islamischen Kultur und in den Offenbarungen und fordern die Verwirklichung von Gleichheit und Gerechtigkeit.663 Diese liberalen Akteure behaupten, dass der inhaltliche Kern der religiösen Grundlagen keine Gleichberechtigung aufweisen könne. Die Neuinterpretation der Stellung der Frau im Diskurs des Islamischen Feminismus versucht die diskriminierenden Gesetze gegen Frauen im islamischen Recht aufzuheben.664 Für Vertreter der „neuen Denkrichtung“ ist laut ʿAlīǧānī die Frauenfrage eine Korrelation zwischen Tradition und Moderne. Die Fortschrittlichkeit und die Orientierung an der modernen Philosophie führen zur Entstehung neuer Entwicklungsparadigmen. Darüber hinaus gilt die Vergangenheit für diese Denker als eine Tradition, von der man sich absetzen muss.665 Diese Reformer interpretieren die islamische Tradition und Kultur genau an den Stellen, an denen es Potenzial für eine Änderung nach westlich zivilisierter Kultur gibt.666 Diese progressiven Gruppen von Denker befassen sich abgesehen von ihren theologischen und laizistischen Hintergründen sich mit dem Modernisierungsprozess und seinem Einfluss auf unsere Lebens- und Gedankenweise. Sie weisen auf die Vernunft und die menschliche Erfahrung hin und sehen diese Faktoren als eine gute Basis für die Verbesserung der Frauenrechte. Die liberalen Denker argumentieren mit Hinweis auf den Säkularismus und dementsprechend akzeptieren sie die Trennung der Religion vom Staat. Sie befürworten eine Anpassung der Scharia und der islamischen Moral. Dabei verweisen sie auf die Quellen der religiösen Schriften, die Herkunft und Natürlichkeit dieser Quellen sowie die Verbreitung der Prinzipien mit entscheidendem Einfluss auf die Gesellschaft unter Berücksichtigung der Zeit. Eǧtehād sei eine authentische Methode für die Durchführung einer Reform im Bereich der Religion.667 Diese laizistische Strömung wird vom westlichen Rationalismus abgeleitet und zielt auf die Verbreitung der Modernität ab. Sie will die Traditi662 663 664 665 666 667
Amirpur, Katajun (2013), S. 32. Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 18. ʿAlīǧānī, Reżā (1385/2006). Ebd., S. 29. ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1384/2005), Vol. 3172−3173, S. 494−497. Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 29.
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on und die kulturelle Gegebenheiten von den heutigen gesellschaftlichen Faktoren lösen. Eine verbreitete säkulare Grundeinstellung zur Gesellschaft würde ihrer Meinung nach die gesellschaftlichen Angelegenheiten mitsamt ihren juristischen und politischen Manifestationen entscheidend im Sinne der Gleichbehandlung aller Geschlechter beeinflussen. Säkularismus wäre dann quasi eine Vorbedingung für Freiheit. Vernunft statt Tradition, Moderne statt religiöse Tradition − auf diese Schlagworte lassen sich ihre Politik und Argumentation zusammenfassen. Wie es Farāsatḫāh andeutet, ist die islamische Kultur reformfähig und sollte so gut wie möglich entsprechend der heutigen Zeit entwickelt werden.668 Die Festlegung gleicher gesellschaftlicher Rechte und die Aufhebung der Ungleichheit der Geschlechter sind von der Abtrennung des religiösen Glaubens und der Bereinigung der Kultur von jeglichen religiösen Einflussnahmen abhängig.669 Auf der Basis dieser Grundhaltung befürworten diese Denker die neue und zeitgemäße Interpretation der islamischen Grundlagen und Rechte. 670 Außerdem lehnen sie einen religiösen Einfluss auf die Rechte und Gesetze wie Ehe-, Scheidungs-, Sorgerecht und Zeugenaussage sowie Erbe ab, verlangen jedoch den Respekt vor dem religiösen Glauben als private Angelegenheit.671 Der Leitgedanke der säkular-liberalen Denker leitet sich aus religiösen Aspekten in geschlechterspezifischen Bereichen entsprechend der Zeit und gesellschaftlichen Notwendigkeiten ab. Eine Änderung der gesellschaftlichen Prinzipien, eine humane Ausübung der Rechtsprechung sowie eine Änderung der Vorstellungen über die Religion sind die Ziele dieser Denker. Die liberal-säkularen Denker fordern die Trennung der Scharia von jeglichen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Bereichen.672 Ṯobāt (Beständigkeit) und pūyāʾī (Die Dynamik) der Religion werden von den Liberalen Denkern als Elemente der ewigen Gültigkeit des Islams gesehen. Laut Moḥammad Taqī Sobḥānī nutze die Tradition die Dynamik des Islams aus, um damit seine Ewigkeit zu betonen. Die Moderne hingegen nutze zum Schutz der Dynamik die Ewigkeit und Kontinuität 668 Farāsatḫāh, Maqṣūd (1377/1998), S. 475. 669 Moġīṯī, Hāyedeh (1376/1998): „Femīnīsm-i popūlīstī va femīnīsm-i eslāmī“ (populistischer Feminismus und islamischer Feminismus), in: Kankāš, 13, S. 57. 670 Ebd., S. 89. 671 Nāṣeḥī, Vīdā (1374/1995): „Goftogū ba Vīdā Nāṣeḥī“ (Ein Gespräch mit Vida Nasehi), in: Āvāy-i zan, 24, 5, S. 19. 672 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 60.
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
der Scharia.673 Dynamik und Beständigkeit der Religion führen trotz der heutigen gesellschaftlichen Umwälzung zur Entwicklung neuer religiöser Einstellungen. Im Bereich der Frauenrechte sprechen sich diese Denker für die Entstehung einer neuen, zeitgemäßen, zivilorientierten Konzeption aus, um den Islam gemäß der gesellschaftlichen Entwicklung umzuformulieren. Die Liberalen erklären die Benachteiligung der Frauenrechte in den islamisch geprägten Staaten aus der Unverträglichkeit der religiösen Herangehensweise mit den modernen Aspekten. Dazu zählen Konzepte für Menschenrechte und die Widersprüchlichkeit der gesellschaftlichen Traditionen mit den neuen westlichen Paradigmen, wie Demokratie. Die rechtlichen Probleme der Frauen haben nach der Auffassung der Progressiven historische Hintergründe. Die Frauenfrage benötige aus ihrem Blickwinkel eine systematische Betrachtung der Gesellschaft und des menschlichen Lebens.674 Auch die religiös-progressiven Denker beschäftigen sich heute außerhalb ihrer Ideologie und Sichtweise mit Demokratie und Menschenrechten. Insofern unterscheiden sie sich nicht von den liberal-säkularen Denkern. Zu ihnen gehören ʿAbdolkarīm Sorūš und Moḥsen Kadīvar, die sich heute aufgrund der politischen und ideologischen Differenzen im Ausland befinden.
B. Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker Die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Veränderungen sowie die geistigen und philosophischen Standpunkte der westlichen Denker und der religiösen und nichtreligiösen Reformer, sowie der permanente Vergleichsmoment der individuellen Religionsausübung im Westen, führen zur Entwicklung neuer Denkstrukturen der iranischen Denker.675 Die nichtreligiösen Reformer kritisieren die radikale Dominanz der Religion. In der Religion machen sie die grundlegende Ursache für die Rückständigkeit der iranischen Gesellschaft aus und bewerten sie als ein Hemmnis für die Entwicklung derselben. Mit der Debatte um die Erneuerung des politischen Systems und der Durchsetzung der Demokratie, des Liberalismus sowie des Pluralismus und der Toleranz hatten die
673 Sobḥānī, Moḥammad Taqī (1390/2011), S. 30. 674 Ebd. 675 Kāğī, Ḥosayn (1378/1999), S. 28.
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
Denker im Westen wesentlichen Einfluss auf ein Zurückdrängen der Religion und auf eine Beschneidung ihrer Autorität bei politischen Entscheidungen.676 Nach der Islamischen Revolution entsteht in der jungen Generation der Denker mit religiösen und nicht-religiösen Hintergründen ein politischkulturelles Klima, in dem viele kulturelle Institutionen eröffnet wurden. 1984 wird die Zeitschrift Keyhān farhangī gegründet. Diese Zeitschrift publiziert nicht nur die Meinung der traditionellen Schicht, sondern veröffentlicht die Schriften von westlichen Philosophen und analysiert darüber hinaus ihre Meinungen. Die Diskussion über die neuen Themenfelder wie Religion, Vernunft, Revolution, Freiheit, gesellschaftliche Gleichheit und Islam sowie über den Westen wird meistens von nowandīšān-i dīnī geführt und wird flankiert von einer offenen politischen Atmosphäre. Die 1991 wieder veröffentlichte Zeitschrift Kiyān wird zum Sprachrohr dieser Denkrichtung und publiziert Artikel zu Themen wie Religion und Politik, Religion und Ideologie, Religion und Pluralismus, Religion und Demokratie sowie islamische Jurisprudenz und die Rolle der Geistlichen.677 Gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Zeitschrift Zanān 1992 befassen sich die Gesellschaftsakteure in ihren Publikationen mit der Frauenfrage. Die Redakteurin dieser Zeitschrift weist auf die Bedeutung des eǧtehāds und auf die fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnisse hin und kritisiert die angewendeten Methoden im Bereich der islamischen Jurisprudenz und der Interpretation der religiösen Quellen. Die ersten veröffentlichten Artikel dieser Zeitschrift, in denen die Stellung der Frau als Richterin oder ihre Stellung im islamischen Strafrecht angesprochen werden, stellen die Praxis der islamischen Rechtswissenschaft zum Thema Frauen infrage.678 Die Frauen seien in der iranischen Gesellschaft und unter der Herrschaft eines islamischen Staates sehr eingeschränkt. Die Marginalisierung der iranischen Frauen zeige sich in kulturellen, politisch-gesellschaftlichen sowie theologisch-rechtlichen Gesellschaftsfeldern.679
676 Yaṯrebī, Sayyed Yaḥyā (1379/2000), S. 49. 677 Ebd., S. 106. 678 Šafīʾī Sarvestānī, Ebrāhīm (1379/2000): „Ğariyānšenāsī-yi defāʿ az ḥoqūq-i zan“ (Die Feststellung der Strömungen zur Unterstützung der Frauenrechte), in: Bāztāb-i andīšeh, 3, S. 94−96: 96. 679 Kāšī, Moḥammad Ğavād (1378/1999): „Żarūrat-i kankāšī tāzeh dar taʿrīf-i mas᾿aleh-yi zanān“ (Die Notwendigkeit der Untersuchung in der Definition der Frauenfrage), in: Zanān, 61, S. 62.
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An dieser Stelle wird die Frauenfrage zum ersten Mal aus kultureller Sicht beleuchtet. Eine patriarchale Kultur, ein fehlendes Selbstbewusstsein der Frauen und eine Unvereinbarkeit von aktuellen sozialen Bedürfnissen mit einer traditionellen Sichtweise zur Stellung der Frau werden als Hauptursache für die Benachteiligung der Frau in der iranischen Republik ausgemacht. Weitere Kritikpunkte sind die fehlende Trennung zwischen Öffentlichem und Privatem, eine nichtexistente demokratische Staatsordnung mit gleichzeitiger staatlicher Garantie der individuellen Freiheit sowie eine differenzierte Geschlechterdebatte, die auch auf die Situation der Frauen im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen System eingeht. Außerdem werden die Inhalte der Scharia und ihre Auswirkungen auf den Status der Frau in der Verfassung und im Zivilrecht aus Sicht verschiedener Gesellschaftsakteure untersucht. Die religiösen und nicht-religiösen Gesellschaftsakteure stellen ähnliche Ungleichheiten in ihren Argumentationsstrategien fest und fordern Lösungsvorschläge im Sinne einer zielführenden Geschlechtergleichbehandlung.
I.
Der Einfluss kultureller Faktoren
Die Kultur ist eine die Gesellschaft beeinflussende produktive Macht. Sie ist nicht nur ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern auch ein Fenster zur Welt.680 Eine Zivilgesellschaft ohne Kultur ist unvorstellbar.681 Diese Gesellschaft soll von jeglicher Gewalt befreit sein und auf den Werten Toleranz und Kompromissbereitschaft fußen. Die individuelle Entscheidung und Reaktion jedes Menschen sei demnach abhängig von der herrschenden gesellschaftlichen Kultur. Laut Stephan Conermann wirken Kulturen in der Rechtsprechung als normativer Standard und erschaffen ein reflexives System der Selbstdeutung.682 Die häufig missbräuchliche Auslegung der religiösen Quellen findet ihren Ursprung in der identitätsstiftenden Kraft der Kultur. Diese grundsätzlichen kulturellen Aspekte schlagen sich in der islamischen Verfassung und dem Zivilrecht nieder, in denen die Grenzen der Frauenrechte festgelegt werden und diese Grenzen als kulturelle und politische Notwendigkeit 680 Shahidian, Hammed (2002), S. 9. 681 Geertz, Clifford (1973): The Interpretation of Culture, New York, S. 46. 682 Conermann, Stephan (2007): „Verfassung asiatischer Nationalstaaten als Ausgangspunkt für die Untersuchung rechtskultureller Spannungsfelder“, in: Schaffar, Wolfram (Hrsg.): Die schwere Geburt von Staaten, Hamburg, S. 1−18.
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
deklariert werden. Sowohl die islamische Verfassung des Irans als auch das Zivilrecht vertreten verschiedene Disziplinen und Kulturtheorien. Es ist ein gegenwärtiges Phänomen, dass die Diskussion über die rechtlichen Probleme auch Argumentationsansätze in den kulturellen Aspekten findet. Die kulturellen Elemente in der islamischen Verfassung und im Zivilgesetz berücksichtigen keine modernen Aspekte, die zur Entwicklung der Frauenrechte und einer Interpretation zugunsten der Frauen führen. Die Verbreitung der patriarchalen Kultur, die Unvereinbarkeit von Tradition und Moderne, die Unverträglichkeit der religiösen Anthropologie mit dem islamischen Recht und der Aspekt des ʿorf sind einige kritische Bereiche, die sich für die Denker von ihren Standpunkten her herauskristallisiert haben. 1.
Die Herrschaft des Mannes und seine bevorzugte Stellung aus kultureller Sicht
In der Fraktion des bürgerlichen europäischen Feminismus wird das Patriarchat zum zentralen Gegner ihrer Bewegung auserkoren, da ihre Protagonistinnen hierin den Dreh- und Angelpunkt der weiblichen Unterordnung unter die männliche Bevölkerung ausmachen. Das Patriarchat gilt in der kulturellen feministischen Bewegung als fester Bestandteil vieler sozialer Kulturen. Ethymologisch leitet sich der Terminus Patriarchat vom griechischen und römischen Recht ab und meint ein System, in dem das männliche Oberhaupt des Haushaltes die rechtliche und ökonomische Macht über die von ihm abhängigen (weiblichen und männlichen) Familienmitglieder ausübt.683 Moderne Eigentumsverhältnisse haben hieraus zu einer Ableitung geführt, wonach der Mann per se das Herrschaftsrecht auszuüben habe und die Frau sich ihm unterordnen solle. Wie es Kate Millett, eine amerikanische Schriftstellerin und Feministin, beschreibt, sei das Patriarchat die Manifestation und Institutionalisierung der Herrschaft der Männer über Frauen sowie Kinder innerhalb der Familie und die Ausdehnung der männlichen Dominanz auf die Gesellschaft insgesamt.684 Die nowandīšān-i dīnī im Iran verweisen ebenfalls auf die patriarchale Kultur und finden in ihr einen wesentlichen Grund für die Diskriminie-
683 Lerner, Gera (1991): Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt/New York, S. 295. 684 Millett, Kate (1971), S. 11 ff.
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rung der Geschlechter und die gesellschaftlichen sowie kulturellen Ungleichheiten gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Die religiös-orientierten Denker haben keine besondere Begründung dafür und bewerten eben jene Unterscheidung als eine kulturbedingte Gewohnheit. Die Frau werde von jeher als ein dichotomer asymmetrischer Gegenpart zum Mann wahrgenommen. Die religiös-progressiven Denker und die Liberal-Säkulareen kritisieren die Einstellung der konservativen Denker zur Stellung der Frau mitsamt der Definition, Frauen seien „geistig beschränkt“ (nāqiṣ al-ʿaql).685 Aus der konservativen Sichtweise ist das Bild der Frau allein von ihrer Aufgabe als Mutter und Ehefrau geprägt und von ihrer Verpflichtung, die Bedürfnisse des Mannes zufriedenzustellen.686 Drei Faktoren spielen bei den patriarchalen Vorstellungen eine Rolle: Erstens sei die Frau im Vergleich zum Mann minderwertig. Zweitens stünden dem Mann deshalb rechtliche und gesetzliche Vorteile zu. Und drittens sei bei der Abstammung die Vaterschaft vor der Mutterschaft ausschlaggebend. Diese Faktoren finden sich sehr häufig in der Androkratie wieder687 , d.h. sie lassen ihre Emanzipationsschriften in Vergessenheit geraten. Moṣṭafā Malekiyān vergleicht die Vorstellungen der Traditionalisten und der Modernisten. Die Traditionalisten beziehen sich bei ihrer Begründung der Rolle der Männer und der Entwicklung eines patriarchalen Systems auf humanistische und ethische Ursprünge, während sich die Modernisten dem mit einem Verweis auf die historisch variable Behandlung der Geschlechter in Abhängigkeit zum jeweils vorherrschenden Wissensstand widersetzen.688 Sie argumentieren weiter, dass die islamische Kultur keine Repression oder Unterwerfung der Frauen akzeptiere. Dabei machen ihre Protagonisten dennoch in den physiologischen Fähigkeiten und den psychischen Eigenschaften der Frauen Merkmale aus, die sich von den Fähigkeiten und Eigenschaften des Mannes an sich unterscheiden. Ḥasan Yūsofī Eškevarī, ein religiös-progressiver Denker,
685 Ḥosaynī, Šāhū (1393/2014): „Farhang-i mardsālār va ḥoqūq-i zanān“ (Patriarchalische Kultur und Frauenrechte), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 686 Towḥīdī, Nayereh (1368/1989): „Masʾaleh-yi zan va rowšanfekrān ṭeyy-i taḥavvolāt-i daheh-yi aḫīr“ (Die Frauenfrage und Denker während der Entwicklung in den letzten zehn Jahren), in: Nīmeh-yi dīgar, 10, S. 62. 687 Malekiyān, Moṣṭafā (1379/2000), Vol. 64, 3, S. 32−37: 32. 688 Ebd., S. 33.
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
verweist auf die koranischen Begriffe, die die Dominanz des Mannes über die Frau beweisen können. Die Begriffe ʼtamattoʿʽ (arab. tamattuʿ, Vergnügen) und ʼmatʿahʽ (Gehorsamkeit) beim Eheversprechen seien vom Gedanken abgleitet, dass die Frau ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Ehevertrag unterschreibt, unter dem Einfluss des Mannes stehen soll.689 Wie bereits erwähnt, ist das Patriarchat ein fester Bestandteil des Feminismus und zeigt die Dominanz des Mannes in jeder Kultur. Die religiösen Vorschriften und Überlieferungen sind wegweisend und stärken dementsprechend noch die kulturellen Verständnisse, die ihren Ursprung in diesen Quellen finden. 2.
Das (fehlende) Selbstvertrauen der Frauen
Den komplexen Strukturen und Beziehungen in einer Gesellschaft, speziell zwischen Frauen und Männern, würde das monokausale Erklärungsmuster der Frau als Opfer nicht gerecht werden.690 Ein solches Erklärungsmuster begründet die politisch-gesellschaftliche Stellung der Frauen einseitig mit einer paternalistischen Dominanz. Oft gibt es jedoch ein Einverständnis zur Domestizierung − eine freiwillige Akzeptanz des Untergeordneten im Tausch gegen Schutz und Versorgung (und Privilegien).691 Dabei wird grundsätzlich eine biologische Unterschiedlichkeit von Mann und Frau vorausgesetzt und als absolut betrachtet. In der feministischen Debatte kollidieren die wesentlichen Aufgaben der Frauen als Mutter und Ehefrau mit der gesellschaftlichen Stellung der Frau. Aus der Sicht der oṡūlgarāyān stimme die Gleichberechtigung der Geschlechter mit der weiblichen Natur nicht überein und führe in der Konsequenz zu einer „unnatürlichen“ Konkurrenz beider Geschlechter, die den sozialen Frieden der Gesellschaft bedrohe.692 Moḥammad Moǧtahed Šabestarī, ein religiös-progressiver Denker, macht den Ursprung der Ungleichheit der Geschlechter in der Erziehung
689 Yūsofī Eškevarī, Ḥasan (2011): „Taʾamolī bar pīšfarz-hā-yi velāyat va qavvāmīyat-i mard bar zan“ (Überlegung zu Hypothesen bezüglich der Herrschaft des Mannes über der Frau), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 690 Günther, Ursula (1993): Die Frau in der Revolte. Fatima Mernissis feministische Gesellschaftskritik, Hamburg, S. 83. 691 Lerner, Gera (1991), S. 288. 692 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 104.
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und Freiheit des Individuums aus. Die herrschende Dominanz und Autorität des iranisch-islamischen Staates bei Entscheidungen bezüglich der Partizipation von Frauen in der Gesellschaft führe zu ihrer Rückständigkeit, Labilität und falschem Selbstverständnis. Dementsprechend plädiert er für eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen religiösen Werte, für eine erneute Untersuchung der vorhandenen religiösen Quellen und das richtige Verständnis der darin enthaltenen Wahrheit.693 Entscheidend seien nicht nur die Gesetze, Institutionen und das Gesellschaftssystem. Auch die gegenwärtigen und derzeitigen staatlichen Entscheidungen, Urteile und moralischen Bewertungen seien der Grund für eine gerechte oder ungerechte Behandlung von Frauen.694 Das (fehlende) Selbstbewusstsein der Frauen liegt an den Möglichkeiten, die die Gesellschaft und Politik ihnen anbietet. Die Akzeptanz jenes Aprioris einer „natürlichen” Differenz der Geschlechter gilt als Basis für den hegemonialen populären Diskurs im iranischen Gesellschaftswesen. Selbst die politischen Forderungen von Frauen speisen sích daraus. Die Natürlichkeit des familiären und häuslichen Bereiches als Macht- und Verantwortungsfeld einer Frau prägt die iranische Gesellschaft v.a. mit traditioneller Präferenz und Sympathie immens. Die politisch-gesellschaftliche Stellung der Frau rühre aus der Selbstdarstellung der Frauen als different zum Manne und ihm untergeordnet und reproduziere auf diese Weise das Patriarchat und eine männliche Vormundschaft durch die Frauen selbst stets neu. So habe sich aus dem vormundschaftlichen System der iranischen Republik und dem reproduzierenden Verhalten der Frauen ein dialektisches Verhältnis entwickelt, welches letztendlich zu einer stetigen Festigung der asymmetrischen Verortung der Frau führe. Die iranischen Akteuren unterstützen die Teilnahme der Frauen und v.a. ihre Mitwirkung in der Politik und ihren Anspruch auf Reform der Gesetze zu ihren Gunsten.695 Mehdī Mehrīzī kritisiert die Gesellschaftsakteure, die sich nicht grundsätzlich mit Frauenfragen befassen. Die Frauen sollten selbst die religiösen Quellen verstehen und aus eigener Sichtweise
693 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1387/2008): Der Bericht der Tagung: „Zan va nowandīšī-yi dīnī“ (Die Frau und die religiös-progressiven Denker), in: Modārā, 2, 1. 694 Rawls, John (1975): Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt am Main, S. 23. 695 Ḫorāsānī, Sohā (1992): „Rowšanfekrī va be ḥāšiyeh rāndan-i masʾaleh-yi zanān“ (Aufklärung und die Marginalisierung der Frauenfrage), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Dezember 2015].
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
interpretieren − mit dem Ziel, in der Gesellschaft Anerkennung zu finden und die patriarchale Kultur und Vorstellung, v.a. die Dominanz der Männer, aufzulösen.696 3.
Die Unvereinbarkeit der traditionellen und modernen Sichtweise
Eine traditionelle Weltbetrachtung sucht und findet Antworten und Wahrheiten bezüglich der gesellschaftlichen Lebensweisen in dem Verhalten und den Anweisungen des Vergangenen, während eine moderne Sicht auf die Dinge die Vergangenheit als einen Werdegang betrachtet und Antworten auf gegenwärtige Bedürfnisse mittels Aufklärung und säkularem Wissen zu klären sucht. Die Diskussion über Frauenrechte in der aktuellen Zeit betrachtet die Frau als Individuum. Die Darstellung der Debatte um die Gleichberechtigung der Geschlechter unter den iranischen Denkern verdeutlicht in sich die Entwicklung der Modernität im Iran und wird als eine soziale Entwicklung gesehen. Dies wird natürlich innerhalb einer traditionellen oder halbtraditionellen Gesellschaft, wie sie im Iran ausprägt ist, zur Diskussion gestellt. Eine Zusammenstellung von Religion und Tradition führt dazu, dass iranische Denker nach einer neuen und zeitgemäßen Bedeutung von Religion suchen und mit Konservativen in Konflikt geraten. Die Entwicklung und Entstehung der unterschiedlichen Gruppen von Denkern, v.a. die religiös-progressiven Denker, ist laut ʿAlavītabār eine Antwort auf die Moderne. Die Liberalen bezeichnen sich in diesem Zusammenhang als Modernisten und nicht als Säkularisten.697 Das Ziel der religiös-progressiven Denker ist die Erschaffung einer introvertierten statt einer extravertierten698 Moderne. Die Moderne, die sich nach innen richtet abschottet bzw. nach außen richtet und offen ist für kulturelle Einflüsse. Das bedeutet, ihre politischen Aktionen und Forderungen beziehen sich auf eine Modernisierung der iranischen Gesellschaft mit Rücksicht auf die Tradition. Es bedürfe insbesondere einer Veränderung der gesellschaftlich-kulturellen Beziehungen und Normen, bevor diese in Institutionen manifestiert werden können. Der religiös-progressive Denker sei laut 696 Mehrīzī, Mehdī (1387/2008b), Vol. 15, S. 47. 697 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1383/2004): Sekūlārīzm va Demokrāsī (Säkularism und Demokratie), in: Bāztāb-i Andīšeh, 48, S. 30−37; ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/ 1999), Vol. 58, 9, S. 36−38. 698 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1384/2005), Vol. 3172−3173, S. 495.
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ʿAlavītabār als liberaler Denker verpflichtet, sich gleichzeitig auf die Moderne und die Tradition zu berufen.699 Aus diesem Grund spielt die NeuInterpretation religiöser Texte eine bedeutende Rolle bei ihrer Argumentation.700 Die Tradition findet, nach ʿAlavītabār, ihren Ursprung in der Religion und führt zu einer Debatte zwischen den Traditionalisten und den Reformern, bzw. denjenigen, die eine neue Interpretation der Religion fordern. Die reformorientierten Gesellschaftsakteure kritisieren die rechtliche Ungleichheit, die Ungerechtigkeit im gesellschaftlichen und beruflichen Leben und eine fehlende zivile Organisation des Staatssys-tems.701 Laut Šīrīn Ebādī leitet sich die Ungleichbehandlung der Geschlechter in der islamischen Gesetzgebung wie Blutgeld, Strafrecht, Scheidungsrecht, Sorgerecht, Erbrecht sowie Zeugenaussage einer Frau und Heirat mit einem Nicht-Muslim aus dem Konflikt zwischen Tradition und Moderne ab.702 Ein modernes System ermögliche es den Frauen, neue gesellschaftliche Positionen zu übernehmen und dadurch mehr Verantwortungen zu tragen.703 In einem traditionellen System besäßen die Frauen jedoch keine individuelle Identität. Ihre gesellschaftliche Stellung erhalte ihre eigentliche Bedeutung durch die männliche Beziehung z.B. als Ehefrau eines Mannes, als Mutter eines Kindes und als Tochter eines Vaters.704 Im Grunde ist auch der Islamische Feminismus an sich ein Widerstreit zwischen Tradition und Moderne. Für die progressiv-religiösen Denker ist er ein besonders taugliches Instrument bei der Umformulierung der Gesetze und ihrer religiösen Prinzipien.705 Moǧtahed Šabestarī verweist auf die
699 Ebd. 700 Mahdavīzādegān, Dāvūd (1389/2010b): „Rowšanfekrī-yi dīnī va masʾleh-yi zan“ (Die religiös-progressive Denkweise und die Frauenfrage), in: Šorā-i farhangī eǧtemāʿī-i zanān, 9, S. 35. 701 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1379/2000): „Masʾaleh-yi zan dar Īrān“ (Die Frauenfrage im Iran), in: Bāztāb-i andīšeh, 5, S. 34. 702 Ebādī, Šīrīn (1378/1999): „Negareš-i sonnat va moderniyteh be barābarī-yi zan va mard“ (Die Haltung der Tradition und Moderne zur Gleichberechtigung von Frau und Mann), in: Ğens-i dovvom, 2, S. 31−38. 703 Towḥīdī, Nayereh (1368/1989), Vol. 10, S. 61. 704 Moṭīʽ, Nāhīd (1373/1994): „Ğāmeʿehpaẕīrī-yi ğensī māneʿī barāy-i towseʿeh“ (Geschlechterbezogene Sozialisation ein Hindernis für die Entwicklung), in: Zanān, 19, 3, S. 30. 705 Fātehī, Abolqāsem & Eḫlāṣī, Ebrāhīm (2012): „Goftemān-hā-yi eǧtemāʿī-yi zanān dar pārādāym-i sonnat va nowgerāʾī; Moṭāleʿeh-yi zanān-i heǧdah tā čehel sāl-i šahr-i Šīrāz“ (Der gesellschaftliche Dialog der Frauen zwischen Tradition und Erneuerung; Eine Untersuchung der Frauen von Achtzehn bis Vierzig in der Stadt Schiraz), in: Maʿrefatī, farhangī, eǧtemāʽī, 3, 3.
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
Bedeutung der Menschenrechtsdeklaration und ihren Einfluss auf die Vergeltungsmaßnahmen und Strafrechte aus einer modernen Perspektive. Nach Šabestarī muss die Stellung der iranischen Frau unabhängig von jeglichen traditionellen Maßstäben und entsprechend der post-industriellen Gesellschaft definiert werden. Sein Postulat gilt global und in jedem Land unabhängig von vorhandener Religion und der von Religion abhängigen Grundlagen, damit das Vermeiden jeglicher Diskriminierung und das Aufrechterhalten der Gleichheit funktioniert.706 4.
Die Unvereinbarkeit von theologischer Anthropologie und islamischem Recht
Dem Humanismus steht die Feststellung von einer unbedingten Gleichheit aller Menschen als Conditio sine qua non voran. Laut Zahrā Tašakkorī sind die herrschenden Grundlagen und die Methoden der Wahrheitsfindung und Interpretation die Gründe dafür, dass eine solche humanistische Gleichheit in einem auf religiösem Recht beruhenden Staatensystem nicht realisierbar sei. Dabei würde eine auf religiösem Recht basierende Diskussion keinesfalls das Dilemma lösen, wonach das humanistische Gleichheitsapriori im religiösen Kontext nicht aufgehen kann.707 Laut Zahrā Tašakkorī bietet die traditionelle Methode der Wahrheitsfindung, basierend auf dem islamischen Recht, also tatsächlich keine Lösung für die Verbesserung der Stellung der Frau an. Koran und Sunna sind in der religiösen Anthropologie die Quellen für die Entwicklung der Wahrheit und der menschlichen Werte. Statt eines empirischen, hermeneutischen o.ä. Zugangs wird in der religiösen Anthropologie die Überlieferungsmethode angewendet, um eine Antwort auf die Seinsweise des Menschen zu erhalten.708 Die Theorie der Interpretation der Texte und ihr Verständnis (Hermeneutik) wird Religion aus einer anderen Ebene interpretieren und ist sehr an menschliches Denken und Verstehen gebunden. Die Aufgabe des islamischen Rechts ist es, die Quellen aus rechtswissenschaftlicher Sicht auszulegen, die in aktueller Zeit anwendbar sind.
706 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1379/2000), S. 298 ff. 707 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 108. 708 Ḫosrowpanāh, ʿAbdolhosayn (1382/2003): Gostareh-yi šarīʿat (Der Kreis der Scharia), Qom, S. 223.
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Die religiös-progressiven Denker fordern nach Reżā ʿAlīǧānī eine ideologische und methodologische Modifikation. Sie unterstützen die Ge-setze und das System der Frühzeit des Islams, sehen beides jedoch als Ausdruck der damaligen Gesellschaft an, was es möglich macht, sie entsprechend den heutigen Bedürfnissen anzupassen709, welche aus Sicht der Konservativen nicht rechtskonform sind. Sie beziehen sich insofern auf traditionelle Rechtsquellen und halten sich an Normen und Werte aus der Zeit der Propheten. ʿAbdolkarīm Sorūš, Vertreter des religiös-progressiv-en Denkens, betrachtet die islamischen Grundlagen als anpassungsfähig gemäß den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen. Nach seiner Auffassung sollten die islamischen Gesetze in Bezug auf Frauenrechtsfragen von ihrer historischen Last befreit werden. Das Tragen des Kopftuchs definiert er z.B. als einen historisch gewachsenen religiösen Brauch, der die Einhaltung der „Keuschheit“ bedeutete.710 ʿAlīreżā ʿAlavītabār argumentiert ebenfalls gegen die islamischen Gesetze und ihre dichotome Ausgestaltung. Die Beständigkeit der Religion sei eng mit der religiösen Praxis verbunden. Feqh und Scharia seien flexibel und gemäß der Zeit veränderbar. Man könne religiös bleiben, obwohl man sich auf neue rechtliche Konzepte wie Menschenrechte beziehe.711 ʿAlavītabār bezieht sich dabei auf Ayatollah Chomeynīs Auffassung. Er unterstreicht den Einfluss von feqh auf das Leben der Menschen und die wesentlichen Ziele zur Verwirklichung der Islamischen Revolution. Feqh gilt für ihn als Grundlage der islamischen Zivilisation.712 5.
ʿOrf (Brauch) und das Gesetz zum Geschlechterverhältnis
Der Begriff ‘ʿorf’ spielt eine zentrale Rolle in der islamischen Praxislehre und beeinflusst wesentliche kulturelle Aspekte der Frauenrechtsfragen.ʿOrf ist kein Recht, aber es beeinflusst die rechtlichen Entscheidun-
709 ʿAlīǧānī, Reżā (1378/1999), Vol. 41, S. 10−15. 710 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 32−37. 711 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1388/2009a): „Masʾaleh-yi zanān, nowandīšī va femīnīsm“ (Frauenfrage, neue Denkansätze und Feminismus), in: Āftāb, 24, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 712 Ebd., S. 127.
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
gen.713 Er ist eine moralische Leitlinie, die einen Rahmen für das menschliche Handeln darstellt. ʿOrf fordert die Menschen auf, barmherzig zu sein, sich den verschiedenen Situationen entsprechend den Vorgaben des ʿorf anzupassen, und dabei ein Verhalten zu zeigen, das allgemeingültig ist.714 Im feqh bzw. in der islamischen Rechtswissenschaft wird ʿorf als Aufforderung zur Wohltätigkeit und als moralische Unterstützung des Verstandes gesehen.715 Laut Ǧafarī Langerūdī versteht man unter ʿorf die guten Eigenschaften und Verhaltensweisen in einer Gruppe von Menschen, die sich durch Gewohnheit und Brauch entwickelt haben.716 Laut Zahrā Tašakkorī gebe es jedoch viele Gesetze, die mit den Prinzipien des ʿorf nicht übereinstimmten. ʿorf erfährt seine unterschiedlichen Praktiken entsprechend der kulturellen Ausprägungen und des jeweiligen hegemonialen Diskurses über das Sein des Menschen.717 Laut Abolqāsem Fanā᾿ī, einem Vertreter der säkular-liberalen Denkweise, wird ʿorf von der herrschenden Kultur der damaligen arabischen Halbinsel abgeleitet, und ist unter den konservativen Denkern genauso akzeptiert und verbreitet worden. Die Anerkennung des ʿorf als eine moralische Leitlinie ist abhängig von der Zeit, vom Geltungsbereich der Gleichheit und der Akzeptanz gleichberechtigter Bestrafung. Nach Fanāʾī sei die Vorstellung der damaligen Zeit nicht mehr aktuell und solle nach der heutigen Situation neuinterpretiert werden.718 Der feministische Diskurs ist Sprachrohr der Benachteiligten in der Geschlechterdichotomie der heutigen Gesellschaft und fällt damit in die kulturelle Ausgestaltung und Bewertung des ʿorf. Dass ʿorf derzeit noch immens von traditionellen Bewertungen von Frau und Mann und ihrer Beziehungen untereinander geprägt ist, zeigt sich u.a. daran, dass eine Frau eben nicht nur gemäß der Rechtsprechung, sondern auch besonders nach
713 Goldūziyān, Īraǧ (1384/2005): Bāyeste-hā-yi ḥoqūq-i qażā-yi ʿomūmī (Die Notwendigkeiten allgemeiner juristischer Rechte), Tehrān, S. 49. 714 Banderrīgī, Moḥammad (1371/1992): Farhang-i ğadīd-i ʿarabī: munğad alṭullāb (Neues arabisches Wörterbuch für Studierende), Tehrān, S. 357. 715 Feyż, ʿAlīreżā (1381/2002): Mabādī-yi feqh va oṣūl (Die Grundlage des islamischen Rechts und dessen Methodologie), Tehrān, S. 234. 716 Ğafarī Langerūdī, Mohamad Ğafar (1384/2005): Moqaddameh-yi ʿomūmī-yi ʿelm-i hoqūq (Eine allgemeine Einleitung in der Rechtwissenschaft), Tehran, S. 55. 717 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 109 f. 718 Bahrāmīyān, Mowlūd (1391/2012): „Dar bāb-i ʿedālat. Goftogūī ba Dr. Abolqāsem Fanāyī“ (Über Gleichberechtigung: Ein Gespräch mit Dr. Abdol-qasem Fana᾿i), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
islamisch-sittsamen Vorgaben nur mit der Erlaubnis des Mannes das Haus verlassen oder berufstätig sein darf.719 Auch die rechtlichen Vorgaben wie Morgengabe bei Ehe und Scheidung sowie Alimente sind nicht nur in feqh und Scharia festgelegte Normen, sondern sie sind seit langer Zeit eine in der Gesellschaft verankerte Wertigkeit. Sie sollen der Scharia nicht widersprechen. Auch in dem Bereich der Ehe sind die in der Scharia und dem islamischen Recht festgelegten Pflichten des Ehepaars von ʿorf beeinflusst.720 Solange die Verknüpfung der Frauenfrage mit der Kultur besteht, wird der Kampf der Frauen um ihre Rechte vom Kampf um die Kultur bzw. von dem Erhalt der Kultur überlagert, wie Ursula Günther feststellt. Den Argumentationsrahmen für islamisch und traditionalistisch orientierte kulturelle Praxis stellt die Tradition als Fundament der muslimischen Identität dar. Der Islam proklamiert zwar die Gleichheit zwischen Mann und Frau, die gesellschaftliche Realität trägt jedoch die Verantwortung für die Ungleichheit der Geschlechter, welche von muslimischer Geschichte und Kultur abgeleitet sei.721
II. Politisch-gesellschaftliche Aspekte der Benachteiligung von Frauen Gerechtigkeit wird in einer Gesellschaft verwirklicht, wenn jedem Bürger ohne Ansehen seiner Andersartigkeit eine gleichberechtigte Teilnahme in einem System zugestanden wird. Die Gesellschaft ist die wichtigste Institution zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen.722 Der Konsens über die Rechte und Pflichten in den grundlegenden Angelegenheiten einer Gesellschaft sei nach den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit zu regeln. Nach der Auffassung John Rawls ist die Vernunft die bestimmende Methode, mit der die Grundsätze der Gleichheit und Gerechtigkeit verwirklicht werden sollen, sodass Freiheit das Leben der Menschen bestimmt.723
719 Mehrīzī, Mehdī (1382/2003a): Feqh-i pažūhešī (Die Forschung im islamischen Rechtwissenschaft), Tehrān, Vol. 2, S. 89. 720 Ebn Torāb, Maryam (1384/2005): „Naqš-i ʿorf dar hoqūq-i hamsarān“ (Die Bedeutung des ʿorfs im Familienrecht), in: Nedā-ye ṣādeq, 52, 15, S. 104. 721 Günther, Ursula (1993), S. 114. 722 Rawls, John (1975), S. 20. 723 Ebd., S. 26 ff.
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Trotz der politischen Präsenz der Frauen während der Islamischen Revolution hat sich in der Phase der Konsolidierung der Republik Iran keine tief greifende Partizipationsgarantie von Frauen an den politischen und administrativen Positionen entwickelt. Die neue Regierung räumte den Frauen keinerlei Recht ein, gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen die Politik des Landes in die Hände zu nehmen. Lediglich untere Positionen im Verwaltungsbereich bieten sich als Ressort der politischen Betätigung für Frauen an.724 Das Präsidentschaftsamt, der Vorsitz im Parlament und in der Justiz sowie das Urteilsrecht in der Rechtsprechung sind neben weiteren verantwortungsvollen Positionen nur den Männern vorbehalten.725 Politische Freiheit umfasst aber auch gleiche politische Teilnahme. Laut Rażavī ol-Hāšem seien keine vernünftigen Gründe auszumachen, weshalb der Frau das Erreichen des höchsten religiösen Niveaus (moǧtahīde), das Auftreten als Vorstand der drei Gewalten Judikative, Exekutive und Legislative sowie die Leitung weiterer Versammlungen und Räte wie des Schlichtungsrats und des Wächterrats verwehrt bleiben.726 Um gleiche Rechte zwischen den Geschlechtern in politischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten in der Staatsräson zu verankern, halten iranische Denker bspw. die Verwirklichung folgender Standpunkte für notwendig: Die Trennung des Privaten vom Öffentlichen, die Überwindung der Gegensätze zwischen Tradition und Moderne, die Durchsetzung von Freiheit und Demokratie sowie die Schaffung gleicher politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rechte für die Frauen. 1.
Ungleiche Rechte im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereich
Die rechtliche und politische Gleichstellung der Frauen ist im Iran begrenzt. Die in der Verfassung verbriefte Gleichwertigkeit der Geschlechter ist demnach keineswegs gleichbedeutend mit einer faktischen staatli-
724 Kadīvar, Ğamīleh (1379/2000), Vol. 17/18, S. 29. 725 Ṣafīzādeh, Fārūq (1379/2000): „Zanān, towseʿeh va mošārekat-i siyāsī“ (Die Frauen, Entwicklung und politische Partizipation), in: Ḥoqūq-i zanān, 17, S. 30. 726 Rażavī al-Hāšem, Behzād (1388/2009): „Taḥlīl-i ğāygāh-i mošārekat-i zanān dar farāyand-i towseʿeh-yi sīyāsī eğtemāʿī-yi Enqelāb-i Islāmī“ (Die Analyse der Stellung der Teilnahme von Frauen in der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der Islamischen Revolution), in: Ketāb-i māh ʿolūm-i eğtemāʿī, 21, S. 66.
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chen und gesellschaftlichen Gleichheit der Geschlechter. Vielmehr beruht das verfassungsmäßige Gleichheitsgebot auf dem Axiom einer „natürlichen“ Ungleichheit, welchem gerade durch die Ungleichbehandlung Gerechtigkeit widerführe.727 Die iranischen Gesellschaftsakteure thematisieren die ungleichen Rechte der Frauen in ihrer gesellschaftlichen Teilnahme unterschiedlich. Nach der Revolution schränkt die Islamische Republik Iran die Frauenrechte deutlich ein. Für die Konservativen bedeuten diese Beschränkungen nicht die Diskriminierung der Frauen in unterschiedlichen rechtlichen Bereichen. Sie behaupteten sogar, dass den Frauen nach der Islamischen Revolution mehr Rechte zugewiesen wurden. Die Spuren der ungleichen Rechte der Frauen in gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen werden in der iranischen Verfassung und dem Zivilgesetzbuch gesehen. De facto führt diese Ungleichheitbehandlung in den politischen Entscheidungen und in der Administration zur Diskriminierung der Frauen. Die körperlichen und emotionalen Eigenschaften dürften jedoch kein Kriterium für die Beschränkung der politischen Aufgaben der Frauen sein. Laut Moḥammad Ebrāhīm Ǧannātī, konservativer Regierungsakteur, entscheide im Islam und in einer Gesellschaft mit islamischer Kultur weder Patriarchat noch Matriarchat, sondern die Kompetenz der Person.728 Die religiös-progressiven und progressiven Denker kritisieren die Stellung der Frau nach der Revolution. Deshalb interpretieren sie aus ihrer Perspektive barābarī (Gleichberechtigung) und tašāboh (Gleichheit). Ihre Argumente orientieren sich an ihrem Rollenverständnis bezüglich der Genderkonstruktionen und ihren gesellschaftlichen wie politischen Positionen.729 Religiös-progressive Denker beziehen sich auf die Stellen im Koran, bspw. auf die über die Königin Sabā, in denen der Einfluss auf die Regierungsentscheidungen sowohl von Männern und als auch von Frauen dokumentiert ist. Dies zeige anhand historisch-religiöser Quellen, dass Frauen in politischen Führungspositionen und in der Übernahme von politischer Verantwortung genauso kompetent sein können.730
727 Krämer, Gurdun (2000), S. 161 f. 728 Ğannātī, Moḥammad Ebrāhīm (1378/1999): „Na zansālārī, na mardsālārī, balkeh šāyestehsālārī“ (Kein Patriarchat, kein Matriarchat, sondern Meritokratie), in: Zan-i rūz, 1, S. 138. 729 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 126. 730 Hemmatī, Morād (1379/2000), Vol. 66, 9, S. 48.
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Vor allem die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frauen von ihren Männern wird von den progressiven Denkern als Grund für Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen ausgemacht. Erst eine wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frau würde es derselben ermöglichen, sich selbstständig für ihre Zukunft zu entscheiden.731 Auch das Erstreben und Besetzen politischer Positionen sei laut Āzādeh Kiyān abhängig von einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frau, wird doch durch die traditionelle Struktur und die Vorherrschaft des Mannes überhaupt eine Kultur verhindert, in der Frauen außerhäuslicher Arbeit gleichberechtigt nachgehen.732 Gemäß § 1117 IZGB hat der Mann das Recht, der gesellschaftlichen Teilhabe der Frau bzw. ihrer Berufstätigkeit aufgrund der Unvereinbarkeit mit der Familienstruktur und dem „Entweihen des herrschenden Friedens innerhalb dieser heiligen Organisation“733 zu widerzusprechen. Der Mann ist dann verpflichtet, den Lebensunterhalt der Frau zu übernehmen, während die Frau die Möglichkeit hat, neben ihrer Aufgabe als Mutter und Ehefrau sich gesellschaftlich zu engagieren, solange er es erlaubt. Dies kann sowohl positiv wie auch negativ wirken, da die Frau sich wissenschaftlich und beruflich entwickeln darf, jedoch soll sie trotzdem die ihr zugewiesenen Aufgaben erfüllen.734 Die Ungleichheit spiegelt sich nach Reżā ʿAlīǧānī auch im Einkommen, dem Einstellungsverfahren und der Arbeitslosenquote wider und kulminiert in einer diskriminierenden Asy-mmetrie der Geschlechterverhältnisse zuungunsten der Frauen.735 Diese Benachteiligung besteht auch aufgrund der fehlenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu kommen noch weitere Aspekte wie die Bevorzugung der Männer bei der Beförderung in höhere Positionen, die zur Benachteiligung der Frauen
731 Aḥmadī Ḫorāsānī, Nūšīn (1376/1997): „Āyā ṭarḥ-i ešteġāl-i zanān-i īrān nafy-i ğāygāh-i zan-i ḫānehdar ast?“ (Ist das Beschäftigungskonzept der iranischen Frauen ein Grund für das Ablehnen der Stellung der Hausfrauen?), in: Zanān, 39, 6, S. 44. 732 Moṭīʿ, Nāhīd (1376/1997): „Femīnīsm dar Īrān: dar ğostoǧūy-yi yek rahyāft-i būmī“ (Feminismus im Iran: Auf der Suche nach einer einheimischen Lösung), in: Zanān, 33, 6, S. 22−25. Ähnlich: Kīyān, Āzādeh (1376/1997): „Zan-i īrān-ī, ḫānevādeh, dowlat va ğāmeʿeh“ (Iranische Frau, Familie, Staat und Gesellschaft), in: Zanān, 39, 6, S. 43. 733 § 1117 IZGB. 734 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/1999), Vol. 58, 9, S. 45. 735 ʿAlīǧānī, Reżā (1378/1999), Vol. 41, S. 10 ff.
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führt.736 Da Frauen in der hegemonialen Kultur als dem Manne minderwertig angesehen werden, können die Frauen keine hohen gesellschaftlichen und politischen Positionen bekleiden.737 Die iranischen progressiven Denker rufen in allen Bereichen zu mehr Gleichheit der Geschlechter auf und verurteilen jegliche Ungleichheit als eine Form der Diskriminierung.738 Trotz der Einführung neuer Gesetze durch den Obersten Rat der Kulturrevolution im Jahr 2004 zur Herstellung der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter in politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Bereichen (Charta) kritisiert Nāṣer Qor-bānniyā die politische Zielsetzung und die Maßnahmen des iranischen Staates als Benachteiligung der Frauen. Diese Charta basiere auf der Gleichberechtigung der Frauenrechte entsprechend dem Islam und ist von der Verfassung, vom Gedankengut der Begründer der Islamischen Republik und der religiösen Führer abgeleitet. Es gebe nach dieser Charta gesetzliche Reformen im Strafrecht sowie im Zivilgesetzbuch und sogar in der Verfassung in Bezug auf die Stellung der Frau, die theoretisch vorhanden aber praktisch nicht wirksam sind. Diese Charta ist laut Qorbānniyā ein Schlüssel, der in jede Tür passt, jedoch keine Tür öffnet.739 2.
Die Trennung von privatem und öffentlichem Bereich
Der Korrelation von Öffentlichem und Privaten kommt im Hinblick auf Frauen in feministischen Diskursen eine besondere Bedeutung zu. Im gegenwärtigen Wertesystem zerfallen die beiden Bereiche mitsamt einer Sphäre des Politischen im öffentlichen Raum und einer Sphäre des Familiären im privaten Raum. Iris Marion Young schildert das Private und Öffentliche in ihrem Artikel „Das politische Gemeinwesen und die Gruppendifferenz. Eine Kritik am Ideal des universalen Staatsbürgerstatus“ als eine genderbetonte Konzeption mit einer starken Berücksichtigung der Gender-Problematik. Laut
736 Šādīṭalab, Žāleh (1379/2000): „Zanān-i Īrān; Enteẓārāt-i erteqaʾ yāfteh“ (Die iranischen Frauen; die verbesserte Erwartungen), in: Andīšeh-yi ğāmeʿeh, 15, S. 17. 737 Šahīdiyān, Ḥāmed (1377/1998): „Femīnīsm-i eslāmī ğonbeš-i zanān-i Īrān“ (Islamischer Feminismus, die iranische Frauenbewegung), in: Īrān nāmeh, 4, 6, S. 621. 738 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 132. 739 Qorbānniyā, Nāṣer (1383/2004b), Vol. 2, S. 113 ff.
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Young erreicht die bürgerliche Welt dadurch eine moralische Arbeitsteilung zwischen Vernunft und Gefühl. Die Gesellschaft symbolisiere dabei Männlichkeit mit Vernunft und Weiblichkeit mit Gefühl, Begehren und den Bedürfnissen des Körpers.740 Die männlichen Tugenden entsprächen in ihrer „leidenschaftslosen Vernunft“ nach Young mehr den Aufgaben im öffentlichen Bereich, während die Privatsphäre der Familie als der Ort geschaffen wurde, auf den Emotionen, Empfindungen und körperliche Bedürfnisse beschränkt seien. Das öffentliche Leben gestalte sich hingegen ohne die Teilnahme der Frauen, die dafür verantwortlich seien, sich um den Privatbereich zu kümmern, und denen die leidenschaftslose Vernunft und die Unabhängigkeit fehlten, welche die Sphäre des Öffentlichen abverlange.741 Im Mittelpunkt der Debatte um die Dichotomien Frau/Mann und Privat/Öffentlich stehen die Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen den Antinomien. Die hierarchische Differenzierung zwischen Männern und Frauen wird mit dem Prinzip der Heteronormativität verbunden. In dieser Weise ist die moderne Gesellschaft als Formation im Sinne funktionaler Ausdifferenzierung aus historischen Gründen zu betrachten, die ihre Strukturierungsprozesse im Geschlechterverhältnis und im Rahmen einer weitgehend binären Klassifikation nach Geschlecht einordnet.742 Es ist ein populäres Weltbild in der iranischen Kultur, die zweigeteilte Schöpfung des Menschen als ein ausgewogenes System zu betrachten. Die Erfüllung der Aufgaben im Haus und in der Familie allein durch die Frau hat Priorität. Die Konservativen pochen auf die Bedeutung der Hausfrauenrolle der Frau und preisen sie als eine große Verantwortung an, die einzig der Frau obliegt. Aus diesem Grund würde eine Aufhebung der Dichotomie öffentlich/privat, wie sie Habermas fordert, die natürlichen Unterschiede der beiden Geschlechter verwischen.743 Die Gleichberechtigungsprämissen des Islamischen Feminismus sind für die Konser-
740 Young, Iris Marion (1993): „Das politische Gemeinwesen und die Gruppendifferenz. Eine Kritik am Ideal des universalen Staatsbürgerstatus“, in: NaglDocekal, Herta; Pauer-Studer, Herlinde (Hrsg.): Jenseits der Geschlechter-moral. Beiträge für feministische Ethik, Frankfurt am Main, S. 272. 741 Ebd. 742 Aulenbacher, Brigitte; Meuser, Michael & Riegraf, Birgit (2013): „Hegemonie und Subversion zur Pluralisierung hegemonialer Verhältnisse im Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit“, in: Riegraf, Birgit u.a. (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse und neue Öffentlichkeiten, Münster, S. 20. 743 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 116 f.
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vativen inakzeptabel. Sie heben dementsprechend die Unvereinbarkeit des Islams mit dem Feminismus als ein westliches Konzept hervor. Vaḥīd Ravāndūst hebt die Meinung derjenigen Konservativen hervor, die statt nach der Trennung, nach dem positiven Einfluss dieser Bereiche aufeinander bzw. einer Ergänzung des Öffentlichen auf das Private suchen. Männliche Dominanz wäre damit neutralisiert, seine weiterhin patriarchale Rolle als Unterstützung für die Frau gewonnen.744 Aus der Sicht der modernen religiösen Denker sind Privatsphäre und Gesellschaft zwei aufeinander angewiesene und voneinander abhängige Bereiche, die beide Geschlechter betreffen.745 3.
Der Gegensatz von Tradition und Moderne und seine Folgen
Das Streben nach gleichen politischen und gesellschaftlichen Chancen sowie nach individueller Freiheit ist die Zielsetzung der feministischen Frauen nach der Islamischen Revolution. Die Frauen sind zwischen den traditionell zugewiesenen Aufgaben und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung hin- und hergerissen. Sie sollen eine wesentliche Verantwortung tragen, sollen Mutter und Ehefrau sein und gleichzeitig öffentliche Aufgaben erfüllen bzw. an gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen. Hier kristallisiert sich der kulturell-politische Prozess von religiöser Tradition zu säkularisierter Moderne. War doch schon die Verbreitung und Instrumentalisierung des Islams während der Iranischen Revolution eine Gegenreaktion auf die Moderne, gefolgt von der Entwicklung eines politischen Islams.746 Der Gegensatz zwischen Tradition und Moderne zeigt sich an dem Punkt, an dem Frauen aufgrund ihres Geschlechtes auf ihre gesellschaftlichen Möglichkeiten verzichten sollen. Die Mutterschaft und Ehebeziehung gelten als wichtigste Aufgabe einer Frau. Gleichzeitig ist der Mann das Oberhaupt der Familie und das Sorgerecht ist ihm vorbe-
744 Ravāndūst, Vaḥīd (1382/2003): „Zan, ḫānevādeh, ešteqāl“ (Frau, Familie und Ewerbstätigkeit), in: Āvā-yi zan, 25, S. 23. 745 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 118. 746 Šafīq, Šahlā (O.J.): „Modernīteh, demokrāsī, lāʾīsīteh va āzādī-yi zanān“ (Modernität, Demokratie, Laizität und Freiheit der Frauen), in: Pažvāk-i Īrān, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
halten.747 Die Auswirkung dieses Gegensatzes tragen also in erster Linie Frauen. Der Kontrast von kultureller Tradition und individueller bzw. bewegungsimmanenter Fortschrittsorientierung steht in einer engen Beziehung zur Situation der Frauen in der Vergangenheit und Gegenwart. Die gegenwärtige Darstellung der Frau als Mangelwesen strukturiert die Geschichtsschreibung über sie und liefert dadurch gleichzeitig die historischen Belege, welche Traditionalisten bemühen, um der zeitgenössischen Frau ein Persönlichkeitsbild zu offerieren, welches „schon immer Bestand hatte“.748 Moḥsen Kadīvar beleuchtet in seinem Artikel „Abberufung der Frauenrechte im Islam: Eine homogene Gleichheit anstatt eine rechtliche Gleichheit“ die Einstellung der Traditionalisten und die Unterstützung einer rechtlichen Gleichheit.749 Das Recht der Gleichheit ist neben der Freiheit und der Brüderlichkeit ein allgemeingültiges Ideal, das verfassungsrechtlich mit der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten und den Umbrüchen der Französischen Revolution zum Ende des 18. Jahrhunderts Bedeutung erlangte und heute in der westlichen Hemisphäre unabdingbarer normativer Bestandteil moderner demokratischer Verfassungen ist. Dessen Erörterung reicht mehrere Jahrtausende zurück. Auch der Koran setzt sich mit der Frage der Gleichheit auseinander. Die Aufgabenverteilung unter den Geschlechtern stünde laut Koran in einer engen Beziehung zur Vernunft. Politische Partizipation, Kriegsbeteiligung und Zeugenaussagen würden eine lange und sorgfältige Überlegung in Anspruch nehmen und dementsprechend sei das die Aufgabe der Männer. Die Erziehung, Kinderbetreuung und Haushalt beanspruchen mehr Emotionalität und seien somit die Aufgabe der Frau. Er kritisiert die vorhandenen Interpretationswerke, die seines Erachtens ohne Aktualisierung und Überprüfung nachgeahmt würden und so die ungleiche Aufgabenverteilung und die Benachteiligung der Frauenrechte reproduzierten.750
747 Aʿzāzī, Šahlā (1379/2000): „Masʾaleh-yi zanān dar Īrān: Hovviyyat-i ḫānevādegī dar barābar-i hovviyyat-i fardī“ (Die Frauenfrage im Iran: Die familiäre Identität gegenüber individueller Identität), in: Zanān, 69, S. 58. 748 Kadīvar, Moḥsen (1387/2008), S. 294−304: 295. 749 Kadīvar, Moḥsen (1390/2011): „Bāzḫānī-yi ḥoqūq-i zanān dar eslām. „ʿEdālat-i mosāvātī“ beǧā-yi „ʽedālat-i esteḥqāqī““(Abberufung der Frauenrechte im Islam: eine nach Gerechtigkeit basierter Gleichheit anstatt einer nach Recht und Gesetz basierter Gleichheit), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 750 Ebd.
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4.
Fehlen von Demokratie und individueller Freiheit
Die unterschiedlichen Gruppen von Gesellschaftsakteuren haben bisher immer wieder auf den Mangel an demokratischen Rechten und auf das Fehlen von individuellen Freiheiten hingewiesen. Sie kämpfen für eine politische und gesellschaftliche Reform und die Verwirklichung der Freiheit und Demokratie in der Gesellschaft.751 Aus Sicht der Gruppe von Denkern, die nicht religiös beeinflusst sind, liegen die Gründe für das Unterbinden der Modernität in dem Fehlen eines demokratischen Rechtsstaates sowie politischer und bürgerlicher Freiheiten. Diese Forderungen haben keine Auswirkung auf die Beziehung zur Religion oder zur gesellschaftlichen Verfasstheit; sie sind allein der Staatsräson verpflichtet.752 Die heutigen Denker mit feministischem Hintergrund sehen die Demokratie, die Freiheit des Einzelnen und den Aufbau einer Zivilgesellschaft als notwendige Voraussetzungen für die Gleichberechtigung und die Gleichheit der Geschlechter. So soll sich jeder frei entscheiden können, ob z.B. ein Kopftuch getragen wird oder weitere kulturbezogene Traditionen gepflegt werden. Die Männer und Frauen sollten sich, abgesehen von jeglicher kultureller Tradition und eigener religiöser Zugehörigkeit frei entscheiden können.753 Eine feministische Bewegung habe keinen Platz in einer undemokratischen Staatsform. Der Kampf für Demokratie und politische Freiheit und das Erreichen feministischer Ziele ginge Hand in Hand und seien voneinander untrennbar.754 Nach Moḥsen Kadīvar sind für die Entwicklung der Demokratie mindestens vier grundlegende Faktoren wesentlich: das Aufrechterhalten freier und rechtmäßiger Wahlen, die Etablierung eines zivilgerechten staatlichen Systems, die Gültigkeit gleicher politischer und gesellschaftlicher Rechte in diesem System, unabhängig von Hautfarbe, Nationalität oder Religion und die Entwicklung einer Zivilgesellschaft mit politischen
751 Maḥmūdiyān, Moḥammad Rafīʿ (1379/2000): „Zanān dar gerogāh-i āzādī va barābarī“ (Die Frauen im Zwiespalt zwischen Freiheit und Gleichberechtigung), in: Zanān, 66, 9, S. 54. 752 Towḥīdī, Nayereh (1379/2000): „Ğensīyat, modernīyat va demokrāsī“ (Geschlecht, Modernität und Demokratie), in: Ğens-i dovvom, 4, S. 13. 753 Towḥīdī, Nayereh (1376/1997), Vol. 3, S. 114. 754 Moqīṯī, Hāyedeh (1376/1997): „Femīnīsm-i Popūlīstī va Femīnīsm-i Eslāmī“ (Populistischer Feminismus und Islamischer Feminismus), in: Kankāš dar gostareh-yi tārīḫ va sīyāsat, 13, S. 92.
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Parteien, Fraktionen und Organisationen zur freien Meinungsäußerung.755 Die iranischen Denker sind nach seiner Auffassung eine Gruppe, welche die Tradition mit der Verbreitung der demokratischen Kultur neutralisiere und die so neue Perspektiven in der Gesellschaft schaffen könnte.756 Solange die Religion im Mittelpunkt jeder Entscheidung steht, ist es schwierig, über Demokratie zu sprechen. Somit nehmen die Rechte und Gesetze sowie moralische und ethische Normen eine entscheidende Rolle bezüglich der Frauenfrage ein. Die konservativen Gruppen von Denkern sehen keine Mängel im Gesellschafts- und im Regierungssystem. Nach deren Auffassung offeriert das demokratische System der islamischen Republik Irans jedem die Möglichkeit, sich frei zu entfalten. Dies widerspricht jedoch der Meinung und politischen Haltung vieler einzelner Menschen bezüglich der politischen Situation des Landes, wie dies auch die grüne Bewegung 2009 im Iran markant bestätigt hat. 5.
Gewalt gegen Frauen
Gemäß der Frauenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1993 wird die Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung und Gewalt unter den Geschlechtern als ein Grundsatz menschlichen Zusammenlebens festgelegt. Weiter heißt es, dass jegliche körperlichen und seelischen Verletzungen sowie die Entbehrung von Freiheiten im privaten und gesellschaftlichen Leben zu unterbinden seien.757 Gewalt gegen Frauen wird von vielen iranischen Denkern als das Ausüben männlicher Autorität gesehen und als Bestandteil des Patriarchats klassifiziert und toleriert. Die Gewalt hat ihren Ursprung in der islamischen Kultur und in der ungerechten Auslegung mancher Stellen in religiösen Quellen. Laut Ayatollah Mūsavī Boǧnūrdī sei der Mensch mit einer zivilen, gesetzesorientierten und gerechten Natur geschaffen. Die Natur und das Wesen des Menschen seien insofern gegen Gewalt eingerichtet und Gewalt gegen Frauen versteht er als Abweichung von dieser Natur. Gewalt wird leider auf die Religion bezogen, jedoch findet sich ihr Ursprung in der Kultur sowie in 755 Kadīvar, Moḥsen (1382/2003): „Ḥaqq on-nās. Rowšanfekrī-yi dīnī va ḥoqūq-i zanān“ (Bürgerrecht. Die religiös-progressive Denkweise und die Frauenrechte), in: Mohsen Kadivar official Website, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 756 Ebd. 757 Mūsavī Boǧnūrdī, Sayyed Moḥammad (1384/2005), Vol. 64, S. 55 ff.
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traditionell- und regionalbezogenen Interpretationen. Der Islam hat die Frau von dieser kulturellen Armut errettet und eine gesellschaftliche Gleichheit angeboten. Gewalt ist nach Boǧnūrdī ein vollkommen persönliches Verhalten.758 Mehrdād Darvīšpūr weist in seinem Artikel in der Zeitschrift Zanān auf die Gründe der Gewalt gegen Frauen hin, wie z.B. ihre Machtlosigkeit und ihre Abhängigkeit von Männern.759 Weitere frauenfeindliche Faktoren sind die Strafe (qeṣāṣ), das Blutgeld (dīyeh) und die Steinigung (pers. sangsār) von Frauen, bei denen Gewalt ausgeübt wird und sich die Verletzung der Frauenrechte in besonders deutlicher Weise zeigt.760 Viele nach dem Islam ausgerichtete Gesetze widersprechen den westlichen Grundsätzen. Bei einem außerehelichen Geschlechtsverkehr wird die Frau nach islamischem Recht bestraft bzw. wird nach der Zeugenaussage des Mannes und der Bestätigung des Gerichtes hingerichtet. Nach der Frauenrechtskonvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung und nach westlicher Gesetzgebung wird die Frau nicht bestraft und das Gesetz kann sie nicht unter Druck setzen, wenn die Tat mit ihrer Zustimmung begangen wurde. Der Islam jedoch bestraft die Frau und spricht sich für die Anwendung solcher Maßnahmen aus, weil er dem Fundament der Familie und der Unversehrtheit der Frau einen besonderen Stellenwert beimisst.761 Der Ursprung vieler gewalttätiger Ordnungen im Islam liege in der Zeit vor dem Propheten Muḥammad und habe sich dann in der islamischen Kultur verankert. Außerdem seien die ungerechten Auslegungen die Ursache der Gewaltverbreitung gegen Frauen.762 Die Verbesserung der Frauensituation wäre allein das Resultat eines sozialen Wandels, in dem patriarchale und frauenfeindliche Grundstruk-
758 Mūsavī Boǧnūrdī, Sayyed Moḥammad (1384/2005): „Ḫošūnat nesbat be zanān az manẓar-i dīn“ (Gewalt gegen Frauen aus religiöser Sicht), in: Bāztāb-i andīšeh, 64, S. 55 ff. 759 Darvīšpūr, Mehrdād (1378/1999): „Čerā mardān be eʿmāl-i ḫošūnat ʿalayh-i zanān tarġīb mīšavand?“ (Warum Männer zum Ausüben der Gewalt gegen Fr-auen ermutigt werden?), in: Zanān, Vol. 56, S. 54. 760 Kār, Mehrangīz (1376/1997b): „Dādḫāst-i eṣlāḥ-yi qavānīn-i keyfarī-yi Īrān“ (Eine Petition für die Reform des iranischen Strafrechts), in: Zanān, 37, 6, S. 40−43: 40 f. 761 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 137. 762 Āʾīnehvand, Ṣādeq (1393/2014): „Manʿ-i ḫošūnat ʿalayh-i zanān az dīdgāh-i ḥoqūq va feqh-i eslāmī“ (Die Verhinderung der Gewalt gegen Frauen aus der Sicht des islamischen Wissenschaftssystems), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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turen der Gesellschaft zugunsten der Frau reformiert werden. Hierfür sollte eine kulturelle Umwälzung im gesellschaftlichen System stattfinden, individuelle Interessen und Souveränität entsprechend der Verfassung gewahrt werden und dem Iran und seiner spezifischen ökonomischen, historischen und religiösen Lage entsprochen werden, statt die Kategorie der Demokratie und des Pluralismus' aus dem Westen kritiklos zu übernehmen.
III. Theologisch-Rechtliche Probleme Die Rechtslage von Frauen hat sich seit der Islamischen Revolution stark verschlechtert. Die Gesetze, die politischen Funktionen, die gesamte Scharia und die Kultur wurden von einer frauenfeindlichen und geschlechterbezogenen Ideologie durchzogen. Außer der Ungleichheit in den zivilrechtlichen Bereichen, wie in der Rechtsprechung (pers. qezāvat), bei der Zeugenaussage (pers. šahādat), in der Berufstätigkeit und im Studium, erweitern sich diese Gesetze und wirken sich jetzt auch auf weitere Bereiche wie Heirat, Scheidung oder Familienrecht, aus.763 Wie aber schon dargestellt, ermöglicht der Einfluss der europäischen Aufklärung auch eine Diskussion innerhalb des theologischen Feldes über eine Neudefinition der Frau in der religiösen Gemeinschaft. Moḥammad Ǧavād Kāšī vertritt die Auffassung, dass Diskriminierungen dort entstünde, wo die religiösen Werte- und Normenvorgaben den westlichen Konzepten widersprechen. Vor allem benachteilige die Autorität und der Einfluss des traditionellen feqh/ feqh sonnatī (islamisches Recht/ traditionelle Jurisprudenz) auf das aktuelle Rechtssystem die Frauen vor dem Gesetz.764 Sowohl religiöse als auch nicht-religiöse Denker beziehen sich in ihren Argumentationen auf eine Natur des Menschen. Nach ihrer Auffassung sei die Kultur die Ursache der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Und so sei auch die Ungleichheit der Geschlechter vor dem Gesetz eher einer Kultur der Differenzierung geschuldet, als einer tatsächli-
763 Darvīšpūr, Mehrdād (1376/1997): „Vaẓʿīyyat-i zanān dar kešvar-hā-yi eslāmī az dīdgāh-i femīnīsm-i ġarbī“ (Die Situation der Frauen in den islamischen Ländern aus dem Blickwinkel des westlichen Feminismus), in: Āvā-yi zan, 29, 7, S. 26. 764 Kāšī, Moḥammad Ğavād (1378/1999), Vol. 61, S. 63.
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chen natürlichen Dichotomie.765 Aus diesem Grund fordern die religiösprogressiven Denker eine intensive, tief greifende Reform in der traditionellen Rechtswissenschaft auf der Basis der modernen Vernunft und eine Neuinterpretation der islamischen Quellen.766 Die europäische Menschenrechtserklärung dient den zeitgenössischen Denkern bzw. Liberalen oftmals als hauptsächlicher Referenzpunkt. Sie versuchen, diese Konzeption in das System des islamischen Rechts bzw. der Scharia überzuführen. Nach der Proklamation der Menschenrechte sollen jedem Menschen, unabhängig von seinem Geschlecht, seiner Hautfarbe, Nationalität und Sprache sowie seiner Religion, die gleichen Rechte zugestanden werden. Die Frauenrechte im Iran stimmen nicht mit Aussagen der Frauenrechtskonvention überein. Diese Divergenz wird von iranischen Denkern kritisiert. Sie behaupten, dass die islamische Verfassung Irans und das Zivilgesetzbuch die Menschenrechte von Frauen ausschließen und die erwähnten Gesetze den Menschenrechten widersprechen würden.767 Viele Paragraphen der Menschenrechtsdeklaration seien nicht auf die iranische Verfassung und das Zivilrecht übertragen worden.768 Um die real existierende Diskriminierung zu überwinden, verweisen die iranischen Denker daher immer wieder auf die Allgemeingültigkeit internationaler Menschenrechtsdeklarationen, womit sie den Islam ordnungsgemäß und entsprechend der Gleichheit aller Menschen nach heutiger und zeitgemäßer Vorstellung interpretieren wollen.769 Um die theologische Sichtweise der Gesellschaftsakteure in Bezug auf die Stellung der Frau zu beleuchten, wird im Weiteren ein Überblick über die Aussagen der Scharia und ihre Auswirkungen auf die Verfassung geboten. Zudem wird auf die Bedeutung der Gleichberechtigung und auf die Stellung der Frau in der iranischen Verfassung und im Zivilgesetzbuch eingegangen.
765 Kār, Mehrangīz (1376/1997a): „Amniyyat-i qażāʾī-yi zanān dar Īrān“ (Die juristisch-rechtliche Sicherheit der Frauen im Iran), in: Īrān nāmeh, 3, 15, S. 413. 766 Kāšī, Moḥammad Ğavād (1378/1999), Vol. 61, S. 62. 767 Ebādī, Šīrīn (1375/1996): „Gozārešī az haftomīn semīnr-i bonyād-i pažūheš-hayi zanān dar Siatel“ (Ein Bericht über das Seminar des Vereins der Frauenforschung in Siatel), in: Āvā-yi zan, 26/27, S. 23. 768 Šādīṭalab, Žāleh (1376/1997): „Mohemtarīn masāʾel-i zanān dar Īrān čīst?“ (Was ist die wichtigste Frauenfrage im Iran?), in: Zanān, 36, S. 27. 769 Ebd.
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
1.
Die systematische Darstellung der Gewaltenteilung im Iran und die fehlende Präsenz der Frauen in diesem System
Laut der iranischen Verfassung kommen nur Männer für die Herrschaft der Rechtsgelehrten bzw. als religiöse Führer in Betracht.770 Die formale Gewaltenteilung wird durch die umfassende Kontrollbefugnis des religiösen Führers (laut GS 57) bestimmt. Der religiöse Führer bekleidet gemäß GS 5 und 113 das mächtigste und höchste Staatsamt und hat die endgültige Entscheidungsgewalt über alle grundsätzlichen Fragen der Islamischen Republik.771 Verschiedene staatliche Institutionen haben ebenfalls Einfluss auf die Gesetzesabstimmung. Das Präsidentschaftsamt, maǧmaʿ-i tašḫīs-i maṣleḥat-i neẓām (die Versammlung zur Erkennung des Systeminteresses/der Schlichtungsrat), Šorā-yi amniyyat-i kešvar (der Oberste Rat der nationalen Sicherheit), Šorā-yi Negahbān (der Wächterrat), Šorā-yi ḫobregān (der Expertenrat), die Justiz, das Militär und der islamische Versammlungsrat sind die unterschiedlichen Machtebenen gemäß der islamischen Verfassung. Die Kontrolle über die Gesetzgebung wird von den sechs foqahā (arab. fuqahāʾ, Gelehrten des Wächterrats)772 ausgeübt, die unmittelbar vom religiösen Führer (nach GS 91: Ziffer 1) ohne Beteiligung der anderen staatlichen Institutionen eingesetzt werden. Die foqahā können jeden Gesetzesentwurf aufgrund einer diagnostizierten Unvereinbarkeit mit dem islamischen Recht ablehnen (GS 96). Der Schlichtungsrat ist eine Art Schiedskommission zwischen Parlament und Wächterrat.773 Auf der mate-
770 Vgl. Hassan, Nader & Itscherenska, Ilse (1983): Ajatollah Chomeini: Der islamische Staat, Berlin, Vol. 1/4, S. 53. 771 Moschtaghi, Ramin (2010b): „Rule of Law in Iran": Understandings of the Rule of Law in Various Legal Orders of the World, Berlin, in: Rule of Law Working Paper Series, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 772 Der Wächterrat besteht nach GS 91 aus sechs Rechtsgelehrten höchsten Ranges, die mit der höchsten judikativen Kompetenz ausgestattet sind und sechs Juristen aus verschiedenen Rechtsgebieten, die alle sechs Jahre gewählt werden. Der islamische Versammlungsrat bzw. das Parlament hat auf die Wahl der sechs Juristen des Wächterrates und die Bestätigung der Abgeordneten keinen Einfluss, Siehe: Hāšemī, Sayyed Moḥammad (1384/2003), S. 115. 773 Moschtaghi, Ramin (2010a): Die menschenrechtliche Situation sunnitischer Kurden in der Islamischen Republik Iran, Heidelberg, S. 307.
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riellen Ebene obliegen dem Wächterrat zwar legislative und judikative774 Aufgaben. Dieses Organ ist jedoch zwischen Wächterrat und Parlament geschaltet. Außerdem obliegt dem Rat auch die Kontrolle der drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative. Der Schlichtungsrat besteht aus 18 Mitgliedern. Verfassungsrechtlich ist nicht ausgeschlossen, auch Frauen an diesem Rat teilnehmen zu lassen. Trotzdem gehörte diesem Rat bisher noch keine Frau an. Die geringfügige Präsenz der Frauen im iranischen Parlament ist im Vergleich zur institutionell parlamentarischen Präsenz der Frauen in westlich geprägten europäischen Ländern gravierend. Eine institutionelle Sicherung von weiblicher Präsenz innerhalb der Staatsorganisationen wird immer durch Schlagworte wie „nicht vereinbar mit islamischen Maßstäben“ verhindert.775 Laut GS 109 soll der religiöse Führer ein umfassend gebildeter Gelehrter, ein Faqīh sein. Ein faqīh ist berechtigt, fatāwā (Pl. von arab. fatwā, Rechtsgutachten) zu erlassen. Frauen sind aufgrund der Bestimmung ihrer Seinsweise als intellektuelle Mängelwesen mit emotionalem Überschuss von diesem Amt ausgeschlossen. Die legislativen Kompetenzen des Parlaments sind u.a. durch GS 4 und 72 stark begrenzt. Es besteht ein Verbot jeglicher Gesetzgebung im Widerspruch zu den Vorschriften der offiziellen schiitischen Schule des islamischen Rechts. Alle vier Jahre werden 270 Abgeordnete des Islamischen Versammlungsrats, davon ca 5% Frauen, in einer öffentlichen und in einer geschlossenen Sitzung gewählt. Dies gehört zum Aufgabengebiet der Legislative. Der Wächterrat ist ein unabhängiges Organ außerhalb der drei Gewalten und ist im GS 4 als judikatives Prinzip verankert. Die Gesamtheit aller Zivil-, Straf-, Finanz-, Wirtschafts- und beamtenrechtlichen Gesetze und Vorschriften in Bezug auf Kultur, Militär, Politik und Son-
774 Die Judikative ist vollkommen nach dem schiitisch-islamischen Recht bzw. der Scharia ausgerichtet. Diese Gewalt ist absolut selbstständig im Gegensatz zu den anderen Gewalten. Die Unvereinbarkeit jedes Gesetzes mit islamischen Recht oder einer Verletzung der Exekutive wird vom Justizministerium (Dīvān-i ʿedālat-i edārī) laut GS 170 beaufsichtigt. Der Justizvorsitzende wird entsprechend GS 157 vom Führer für eine fünfjährige Amtszeit, mit der Möglichkeit der Wiederwahl und ohne Konsultation der anderen Zweige der Staatsmacht, ernannt. 775 Šorā-yi ʿĀlī-yi Enqelāb-i, Farhangī (1383/2004): „Manšūr-i ḥoqūq va masʿūliyyat-i zanān dar neẓām-i Ğomhūrī-yi Eslāmī“ (Das Dekret der Frauenrechte und ihre Verantwortung innerhalb des Systems der Islamischen Republik), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
stiges muss auf der Basis der islamischen Prinzipien erfolgen. Dieser Grundsatz wird auf alle Normen der Verfassung sowie Gesetze angewendet und dessen Anwendung bzw. Auslegung obliegt den Geistlichen des Wächterrats.776 Der Wächterrat besteht nach GS 91 aus sechs Rechtsgelehrten (höchsten Ranges), die mit der höchsten juristischen Kompetenz ausgestattet sind und aus verschieden Rechtsgebieten stammen; sie werden alle sechs Jahre gewählt. Der Islamische Versammlungsrat bzw. das Parlament hat auf die Wahl der sechs Juristen des Wächterrates und die Aufnahme der Abgeordneten keinen Einfluss.777 Die Überwachung der Gesetzgebung wird von den sechs foqahā (Gelehrten) des sogenannten Wächterrats durchgeführt, die unmittelbar von dem geistlichen Führer (GS 91: Ziffer 1) ohne Beteiligung der anderen Zweige der Staatsmacht eingesetzt worden sind. Da eine Expertenversammlung vom Volk gewählt wird, kommen gewisse Elemente der Volkssouveränität zum Ausdruck. Die Mitglieder dieser Versammlung sollten im Verständnis des islamischen Rechts sowie in politischen und gesellschaftlichen Fragen eine allgemeine Popularität besitzen. Bisher wurde jedoch nur eine Frau in diese Versammlung aufgenommen, denn für eine Mitgliedschaft in dieser Versammlung ist die volle Kenntnis des islamischen Rechts Voraussetzung, ebenso wie die theologische Fähigkeit, religiöse Vorschriften zu analysieren bzw. faqīheh / moǧtahedeh zu sein.778 Im Wächterrat wurde die Teilnahme von Frauen bisher als nicht legitim betrachtet. Gemäß GS 91 Absatz 1 werden strenge Anforderungen an die Rechtsgelehrten höchsten Ranges gestellt. Im Absatz 2 wird die Zugangsmöglichkeit weltlicher Juristinnen im Falle der Erfüllung der geforderten Eigenschaften als problemlos angesehen. Die sechs Juristen sollten kompetent sein bzw. in vielen juristischen Bereichen studiert haben und Muslime sein. Ihre Qualifikation wird von der Judikative beurteilt und entschieden. Ein prominentes Mitglied des Wächterrats, Ayatollah Kāšānī, verkündet, es gäbe kein gesetzliches Hindernis für Frauen, für dieses Amt zu kandidieren, wenn sie die ausreichende theologische Qualifikation hätten und die moralischen Ansprüche erfüllen könnten.779 Trotz des Grads der hohen religiösen Würde von Frauen als moǧtahedeh lässt jedoch die gültige Verfassung keinen Spielraum für eine Zulassung von Frauen als
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Parhisi, Parinas (2010a), S. 147. Hašemī, Sayyed Moḥammad (1382/2003), S. 115. Kār, Mehrangīz (1378/1999a), S. 38. Amirpur, Katajun (2003b), S. 74.
Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
marǧaʿ-i taqlīd, einen umfassenden juristischen Überbilik über die islamischen Quellen sowie Scharia (wörtlich übersetzt: für den Taqlīd zuständige Instanz), eine der Voraussetzungen für die Teilnahme am Wächterrat. 2.
Die Strukturprinzipien der Gleichberechtigung in der iranischen Verfassung
Die Verfassung der Islamischen Republik Iran basiert auf den Glaubensprinzipien des Islams, dem Glauben an Gott, der Offenbarung, dem imāmat und dem Jenseits. Nach der Verfassung ist die Herrschaft (Regierungsgewalt) als eine Manifestation der Herrschaft Gottes anzusehen und die Solidarität der Menschen im Schutze des Glaubens spielt für die Gründung und den Zusammenhalt einer Gesellschaft auf der Basis koranischer Ideale eine wesentliche Rolle.780 Der Begriff ʼIslamische Republikʽ wird im ersten Kapitel, GS 1 innerhalb der universellen Grundsätze angesprochen. Außerdem wird das oberste Ziel eines Staates auf den Glauben des iranischen Volkes durch die islamischen Staatsprinzipien ḥokūmat-i ḥaqq va ʿadl (Der Staat des Rechts und der Gerechtigkeit) bestimmt. Grundsätzlich sollte die Gründung einer Republik der Etablierung einer Staatsform als Gegenmodell zur Monarchie dienen. Unter dieser Staatsform besitzt das Staatsvolk höchste Gewalt (Volkssouveränität) und ist oberste Quelle der Legitimität.781 Die Islamische Republik betont die Garantie von Gerechtigkeit als Widerspiegelung der göttlichen Gerechtigkeit. Die ewige Gültigkeit der islamischen Gesetze wurde von Chomeynī festgehalten.782 ʿAbdolkarīm Sorūš konstatiert, dass die Schaffung eines republikanischen Systems die freie Entscheidung des Volkes beinhaltet und schließt eigentlich übergeordnete religiöse Führer aus, wenn sie nicht durch das Volk legitimiert sind, sondern durch eine göttliche Instanz.783 780 Vgl. Madanī, Sayyed Ğalāloddīn (1369/1990): Hoqūq-i asāsī dar Ğomhūrī-yi Eslāmī-yi Īrān. Ḥākemiyyat-i velāyat-i faqīh, (rahbar), qovveh-yi ḥākem (Verfassungsrecht in der Islamischen Republik Iran. Herrschaftssystem, (Führer), Herrschende Gewalt), Tehrān, S. 23 f. 781 Schubert, Klaus; Klein, Martina (2011a): Das Politiklexikon: Republik, Bonn: Dietz, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 782 Madanī, Sayyed Ğalāloddīn (1369/1990), S. 27. 783 Buchta, Wilfried (2005): „Irans Reformdebatte um Theokratie versus Demokratie“, in: Zehetmair, Hans (Hrsg.): Der Islam im Spannungsfeld von
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
Gemäß GS 11 bilden die Muslime einen islamischen Staat, ummat, in dem sie unabhängig von ihrem Geschlecht gleichberechtigt behandelt werden sollen. Die islamische Rechtsordnung basiert grundsätzlich auf der Scharia, die an vielen Stellen den Bürger- und Menschenrechten entgegensteht.784 Selbst Chomeynī verdeutlichte nach seiner Rückkehr aus dem Exil in einer Rede, dass die Islamische Republik nicht unmittelbar mit einer Demokratie nach westlichen Mustern gleichgesetzt werden könne.785 In Ziffer 14 des GS 11 über die allgemeinen Grundsätze wird auf die Schaffung gleicher Rechte für beide Geschlechter und die Entstehung einer sicheren und gerechten Justiz sowie Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz hingewiesen. Nach dem orthodoxen Islamverständnis ist die Einheit zwischen Mann und Frau nur durch das Gleichheitsprinzip zu erreichen.786 Aufgrund der „natürlichen” unterschiedlichen Beschaffenheit seien die Männer und Frauen zwar gleichviel wert, besitzen jedoch nicht in allen Bereichen identische Rechte.787 Die Gleichheit werde in der Gewährleistung der komplementären und als absolut definierten Rechte garantiert.788 Der GS 19 in Kapitel 3 hinsichtlich der Rechte des Volkes bezieht sich auf den Gleichheitsgrundsatz der Menschen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und Ethnie. Des Weiteren werden im GS 20 die gleichen Rechte für Mann und Frau vor dem Gesetz festgesetzt. Männer und Frauen besitzen alle menschlichen, politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Rechte, jedoch mit Bezug auf die Grundlagen des Islams. Im GS 22 wird auf die Herstellung der Sicherheit ohne jegliche Diskriminierung der Geschlechter hingewiesen.789 In der islamischen Verfassung, Ziffern 7-9 des GS 3, wird von der Gleichberechtigung der Geschlechter, ihrer Stellung vor dem Gesetz und in den unterschiedlichen Bereichen wie der politischen und gesellschaftli-
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Konflikt und Dialog, Wiesbaden, S. 231; Sorūš, ʿAbdolkarīm (1375/1996): „Taḥlīl-i mafhūm-i ḥokūmat-i dīnī“ (Die Analyse der Bedeutung des religiösen Staates), in: Kiyān, 32, S. 6. Schirazi, Asghar (1997), S. 140. Steinbach, Udo (1980): „Die Entwicklung des politischen Systems in Iran seit der Revolution“, in: Steinbach, Udo (Hrsg.): Iran in der Krise-Weichenstellungen für die Zukunft; Beiträge zur Diskussion der Zukunftsfragen der Islamischen Republik Iran, Bonn, S. 105−118: 111. Pirmoradi, Saied (2003): Paar- und Familienbeziehung im Iran: Eine kulturpsychologische Perspektive, Berlin, S. 155. Moṭahhari, Morteza (1982): Stellung der Frau im Islam, Hamburg, S. 153. Parhisi, Parinas (2010a), S. 159. Botschaft, der islamischen Republik (1980a).
Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
chen Freiheit, der Beseitigung ungerechter Unterschiede und der Vorbereitung der gleichen materiellen und immateriellen Möglichkeiten für alle Geschlechter gesprochen. Außerdem sollte für beide Geschlechter eine rechtliche Sicherheit und Gleichheit vor dem Gesetz hergestellt werden. In der Regel zeigt sich in den Entscheidungen der Gerichte nach den Grundsätzen der Scharia eine frauenfeindliche Haltung. Damit kann einer hermeneutischen Interpretation der Frauenrechte kaum etwas abgewonnen werden.790 In den genannten Grundsätzen wird nicht über gleiche Rechte gesprochen. Es geht allein um bestimmte Unterstützungen, die nur die individuelle Lage des Einzelnen betreffen. 3.
Die Frauenrechte in der iranischen Verfassung
In der Einleitung der iranischen Verfassung wird der Frau eine wichtige Rolle im Staat zuerkannt. GS 4 der iranischen Verfassung verweist auf die Scharia und die Konformität der Gesetze mit dem islamischen Rechtssystem. Diese Übereinstimmung wird vom Wächterrat gewährleistet. Gemäß GS 19 werden alle Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe, Nationalität oder Religion vor dem Gesetz gleich behandelt. GS 20 der iranischen Verfassung garantiert die Rechte der Menschen in politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen unter Berücksichtigung islamischer Maßstäbe. Trotz der Betonung der Rolle der Frau spielt vornehmlich die Männlichkeit eine wesentliche Rolle bei der politischen Entscheidung und Rechtsprechung.791 Laut iranischer Verfassung dürfen die Frauen aufgrund ihres Geschlechtes führende Aufgaben nicht übernehmen. Sie können nicht als politische Führung des Landes auftreten. Ihre Rechtsprechung besitzt keine Gültigkeit. Die Frauen können eine hohe theologische Position erreichen, dürfen jedoch nicht als Marǧaʿ-i taqlīd anerkannt werden. Dies ist nur den
790 Yassari, Nadjma (2004): "Iranian Family law in Theory and Practice", in: Cotran, Eugene & Lau, Martin (Eds.): Year Book of Islamic and Middle Eastern Law, Leiden, S. 43−64: 43 ff. 791 Kār, Mehrangīz (1378/1999b): Rafʿ-i tabʿīż az zanān (Die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen), Tehrān, S. 22.
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
Männern vorbehalten. Als Gebetsleiterin beim Freitagsgebet und allgemein beim (tagtäglichen) Gebet dürfen sie nicht auftreten.792 Laut Aṣġar Šīrāzī wird in dem ersten Kapitel der Verfassung die Diskriminierung der Frauen implizit angedeutet, da sich viele Gesetze auf die Scharia beziehen. Der Islam habe großen Respekt vor den Frauen, aber auch für das religiöse Paradigma einer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Diese Vorstellung beeinflusst die Rechte und die Stellung der Frauen nach der Islamischen Revolution und führt zu patriarchalen Reaktionen wie zur Beschränkung der Rechte der Frauen bei gesellschaftlicher und politischer Partizipation und zur Behandlung der Frau als sexuelles Objekt.793 Die Rechte der Frauen könnten umgesetzt werden, wenn laut Mehrangīz Kār die Geistlichen und die religiösen Experten sich konkret damit auseinandersetzen wollten und diese Rechte nach der islamischen Grundlage und den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Notwendigkeiten neu interpretierten. Die heutige rechtliche Grundlage der iranischen Verfassung spricht gegen die Gleichberechtigungstendenzen. Dazu kommt noch die Betonung des Zusatzes „nach islamischem Grundsatz“, der von Reformdenkern kritisiert wird. Diese Denker treten dafür ein, dass die Geistlichen diese Doppeldeutigkeit in der iranischen Verfassung erklären und beseitigen.794 Die Verfassung der konstitutionellen Zeit, von Verfassungen einiger westlicher Länder wie Frankreich abgeleitet, wurde nach der Revolution nach der schiitischen Theologie neu strukturiert und verfasst, ohne die Übereinstimmung ihrer Grundlage mit der Scharia untersucht zu haben. Laut Mehrpūr ist dies der Grund der Unvereinbarkeit der Gesetze mit den aktuellen rechtlichen Situationen v.a. im Bereich Frauenrechte.795 Einige aus theologischer Sicht zugewiesene Kriterien der Gleichberechtigung in der Verfassung führen zur Diskriminierung der Frauen. Die Gleichbehandlung aller Menschen v.a. vor dem Gesetz bedeutet nicht
792 Kadīvar, Moḥsen (1382/2003), in: Mohsen Kadivar official Website, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 793 Schirazi, Asghar (1997), S. 140. 794 Kār, Mehrangīz (1378/1999b), S. 22. 795 Vgl. Mehrpūr, Ḥosayn & Āḫūndī, Maḥmūd (1384/2005): „Mīzegerd-i īsnā dar mored-i qānūn-i asāsī“ (Eine Talkshow von ISNA über die iranische Verfassung), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
gleichzeitig, die gleichen Rechte zu haben. Das ist der Grund, weshalb die religiös-progressiven und liberalen Denker auf die beiden parallel laufenden Begriffe ʼbarābarīʽ (Gleichheit) und ʼʿedālatʽ (Gleichberechtigung) und auf ihre Position und Bedeutung in der iranischen Verfassung verweisen. Wenn in der iranischen Verfassung von Gleichheit nach religiösen Grundlagen gesprochen wird, sind die Geistlichen nur dafür verantwortlich, diese Gleichheit nach dem islamischen Kontext zu interpretieren oder Recht zu sprechen und nicht darüber hinaus für Gleichberechtigung zu sorgen.796 4.
Die Stellung der Frau im Zivil- und Strafrecht
Das Zivilgesetz beschäftigt sich mit zwei individuellen Rechten: Einem relativen Zivilrecht, welches die Rechte und Privilegien innerhalb eines gesetzlich orientierten Systems in bestimmten rechtlichen Situationen beinhaltet und einem absoluten Zivilrecht über die allgemeinen Rechte und Freiheiten unter Berücksichtigung der menschlichen Würde.797 Die individuellen Rechte werden in drei Gruppen aufgeteilt: politische Rechte, allgemeine Rechte und das Zivilrecht. Dabei wird großer Wert auf das Beanspruchungsrecht, das Freiheitsrecht und das Immunitätsrecht/ Sicherheitsrecht gelegt.798 Die Themenfelder im Zivil- und Strafrecht, die sich mit Frauen beschäftigen, behandeln meist die Rechte der Frauen innerhalb der Familie, das Arbeitsrecht, das Eherecht, Scheidungs- und Erbrecht, ihre Rechte gegenüber dem Mann und das Strafrecht in den unterschiedlichen juristischen Situationen.799 Kadīvar bezieht sich dabei auf den Ursprung dieser Gesetze, auf die historischen Quellen, von denen diese Gesetze abgeleitet sind. Das iranische Zivilgesetzbuch basiert größtenteils auf schiitischer Theologie und findet seine Begründung im Koran und der Sunna. Die 796 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 151. 797 Īmānīyān, Farīborz; Šams, ʿAbdolāh & Tafrešīm, Moḥammad ʿĪsā et al. (1382/2003): „Tafsīr-i ḥoqūq-i madanī dar qānūn-i madanī“ (Die Interpretation des Zivilrechtes in dem Zivilgesetz), in: Pažūhešhā-yi ḥoqūq-i taṭbīqī, 28, 7, S. 1. 798 Rāseḫ, Moḥammad (1379/2000): „Falsafeh-yi ḥaqq“ (Die Philosophie der Wahrheit), in: Nāmeh-yi mofīd, 1, 6, S. 96. 799 Kadīvar, Moḥsen (1382/2003): „Ḥaqq on-nās. Rowšanfekrī-yi dīnī va hoqūq-i zanān“ (religiös-progressive Denkweise und Frauenrechte), in: Mohsen Kadivar official Website, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Die Frauenfrage aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker
Umsetzung und Reform der Frauenrechte erfordert laut Ayatollah Ṣāneʿī eine geistige und methodische Herangehensweise und soll mit Rücksicht auf die religiösen Werte und Normen neu interpretiert werden. Nach Ṣāneʿī sind die Geistlichen verpflichtet, die islamischen Gesetze neu zu interpretieren, da viele Verordnungen von verfälschten Überlieferungen abgeleitet sind und genau aus diesem Grund zur Benachteiligung der Frauenrechte führten. Der Islam sei in seiner Offenbarung eine fortgeschrittene Religion gewesen. Heute gelten viele dieser Regelungen nicht mehr und daher bedürfe es einer zeitgemäßen Reform. Einige Gesetze wie die Rechtsprechung der Frauen, das Blutgeld und die Zeugenaussage einer Frau benötigten eine Reform. Deshalb seien die Geistlichen verpflichtet, den ersten Schritt zu unternehmen.800 Die Reform der Gesetze zugunsten der Frauen ist das Ziel des Parlaments. Dabei wird versucht, das iranische Zivilgesetz mit internationalen Werten und Normen zu vereinbaren.801 Jedoch kritisieren viele Geistliche eine solche Internationalisierung des iranischen Zivilgesetzbuches und bezeichnen ein solches Vorgehen als Widerspruch zu den Gesetzen und Grundlagen der Scharia. Eine Entsprechung der Gesetze mit der internationalen Menschenrechtskonvention bedeutet für sie das Verwischen der islamischen Gesetzgebung und führe zu Demütigung und Entwürdigung des islamischen Systems.802 Lediglich dann könne einer Internationalisierung der islamischen Gesetze zugestimmt werden, wenn die Gesetze innerhalb der islamischen Rahmenbedingungen ausgelegt würden. Eine Beseitigung der Diskriminierung der Frauen dürfe nicht zeitgleich die Missachtung der islamischen Rechte und Gesetze bedeuten.803
800 Fāżel Meybodī, Moḥammad Taqī (1391/2012): „Żarūrat-i negāh-i eṣlāhī be ḥoqūq-i zanān dar ʿarṣeh-yi feqh va qānūn“ (Die Notwendigkeit einer Reform in Frauenrechte im islamischen Recht – Feqh und Gesetz), in: Ğaras, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 801 Die Reform besteht bisher in folgenden Paragraphen: §§ 1107, 1110 IZGB über Unterhalt Nafaqeh , § 1133 IZGB über die absolute Entscheidung des Mannes bei der Scheidung, §§ 1169 und 1170 IZGB über das Sorgerecht der Kinder sowie §§ 1184 und 1186 IZGB über die Vormundschaft, Anschluss eines Absatzes zum § 1130 IZGB über die ʽUsr wa Ḥaraǧ (Intensität und Bedrängnis), § 1041 IZGB über die Bestimmung des Mindestheiratsalters und Anschluss eines Absatzes zum Erbrecht der Ehegatten. 802 Die offizielle Zeitung der islamischen Republik Iran, Nr. 5309; Hamšahrī , Nr. 2707. 1381/2002, 18. Mai. 803 Ğalālī, Maḥmūd (1383/2004): „Ḥoqūq-i bašar-i zanān dar ḥoqūq-i beyn ol-melal va vaẓʿīyat-i Īrān“ (Die Frauenmenschenrechte im internationalen Recht und die
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
Unterschiedliche Verse im Koran804 befassen sich mit der Schöpfung des Menschen. Mit Rückblick auf diese allgemeine Darstellung in den religiösen Quellen wird eine Frau dem Geschlecht nach nicht dem Manne als gleich angesehen, wird jedoch wie ein Mann behandelt.805 Diese Gleichbehandlung wird von Nāṣer Qorbānniyā kritisiert. Er fordert eine Rechtsprechung, in einem Fall wie qeṣāṣ, eine individuelle Entscheidung des Gerichtes, die mit Rückblick auf die islamischen Quellen gefällt werden solle. Für einen Mann wird in dem Fall der Tötung bzw. Ermordung einer Frau nach § 209 IStGB nur die Auszahlung der Hälfte des Blutgeldes dīyeh festgelegt, wobei eine Frau bei der Ermordung eines Mannes getötet werden soll. Diese Entscheidung ist von religiöser Auslegung der schiitischen Gelehrten abgeleitet.806 Nāṣer Qorbānniyā kritisiert noch einen weiteren Punkt und zwar das Blutgeld dīyeh. Er stellt dazu die festgelegten Vorschriften in der Scharia aus der Sicht der Imāmīya (Rechtsschule der Zwölfer-Schia) dar. Die Entscheidung, Frauen die Hälfte des Blutgeldes von vornherein zahlen zu lassen, rühre aus der gesellschaftlichen Stellung des Mannes, in welcher dieser als wirtschaftliche Quelle und Unterstützer der Familie fungiere. Der Verlust eines Mannes wiege demnach viel schwerer für eine Familie als der Verlust einer Frau. Eine solche Vorstellung über die Stellung einer Frau und eines Mannes in der Familie stimme nach Qorbānniyā mit der Situation der heutigen Gesellschaft und der Stellung der heutigen Frauen nicht überein und bedürfe einer Reform. Nach Qorbānniyā sollten weitere Gesetze wie die Zeugenaussage, die Alimente sowie das Scheidungsrecht und Eherecht im Sinne der Frauenemanzipation revidiert werden. Die herrschende rechtliche Ungleichheit sei das Produkt unrealistischer Vorstellungen.807 Die Frauenrechte sollen nach Reżā ʿAlīǧānī aus der historischen und nicht aus der bestehenden diskriminierenden religiösen Perspektive betrachtet werden. In der islamischen Geschichte gäbe es unterschiedliche rechtliche, mystische und philosophische Strömungen, die ʿedālat (Glei-
804 805 806 807
Position des Iran), in: Maǧaleh-yi dāneškadeh-yi ḥoqūq va ʿolūm-i siyāsī, 66, S. 133. 4:1; 9:71: 15:13. Ğalālī, Maḥmūd (1383/2004), Vol. 66, S. 128. Naǧafī, Moḥammad Ḥasan (1981d), Vol. 42, S. 82; Mūsavī Chomeynī, Sayyed Rūḥollāh (1348/1969), S. 519. Qorbānniyā, Nāṣer (1378/1999): „Zan va Qānūn-i Moǧāzāt“ (Die Frau und das Strafrecht), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken
chberechtigung) und die entsprechende Stellung der Frau nach ihrer Vorstellung interpretieren. Aus der schiitischen Perspektive ist ʿedālat ein Prinzip der Religion. Aus der philosophischen und geistlichen Perspektive steht ʿedālat für die Verwirklichung der religiösen Werte.808 Wie in diesem Kapitel untersucht wurde, sind der Umfang von beeinflussenden Faktoren aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Denker bezüglich der Frauenfrage sehr groß. Allein in sich beinhalten die erwähnten kulturellen, soziopolitischen und theologisch-rechtlichen Faktoren eine Reihe von Themen, welche die Verwirklichung der Frauenrechte im Iran unerreichbar machen. Deshalb können die iranischen Akteure, abgesehen von Konservativen, an vielen Stellen keine eigene Position vertreten. Der Ursprung vieler Rechte und Gesetze ist im schiitischen Recht zu finden. Die Religion beeinflusst sehr stark die Kultur, Gesellschaft und den Grundsatz und bietet an vielen Stellen keine Gelegenheit, die Frauenfrage zu thematisieren, um auf ein gleichwertiges Ergebnis zu kommen. In diesem Zusammenhang geht es nicht um eine Reformation der Religion. Es geht darum, einige Paradigmen aus einer neuen Perspektive zu betrachten und dabei die Rolle der Religion und ihren Einfluss auf die Stellung der Frau aus der Sicht der derzeitig bestehenden Erkenntnisse zu untersuchen.
C. Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken Die Niederschriften der iranischen Denker der letzten Jahre in Bezug auf die Frauenrechte zeigen ihr Streben nach einer Rückbesinnung auf die religiösen und theologischen Grundlagen. Die Konservativen stützen sich auf ihre traditionellen theologischen Methoden. Der Islam braucht ihrer Meinung nach keine Reform. Er ist vollkommen und passt zu jeder Zeit. Die religiös-progressiven Denker setzen sich aufgrund der Unvereinbarkeit dieser Grundlagen und Hypothesen der Theologen mit einer modernen Vorstellung vom Islam auseinander. Sie bieten im Zuge ihres theologisch-gesellschaftlichen Diskurses um eine Reformation islamischer Lebensnormen eine existenzielle, realistische sowie erfolgreiche Methode an, um eine aktuelle und zeitgemäße Interpretation und Lesart der religiösen Quellen durchzusetzen.
808 ʿAlīǧānī, Reżā (1391/2012), in: Mellī maẕhabī, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015].
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
Die Darstellung und Auslegung einer zeitgemäßen Religion, die Entwicklung einer modernen Theologie, die liberale Interpretation des Islams, die Flexibilität der Rechte und die auf der historischen Vergangenheit aufgebauten religiösen Grundlagen sind die Vorschläge der verschiedensten Gesellschaftsakteure im Iran. Dies würde letztendlich zur Verminderung und Zurückdrängung der umfassenden Bedeutung von Scharia und Theologie führen. Die Vorschläge beinhalten auch die Frauenfrage und die Gesetze, welche die Frauenrechte ansprechen. Deshalb thematisieren die Denker im Rahmen der Erneuerung des islamischen Rechts und der Scharia auch die Stellung der Frau. Die nichtreligiösen Denker unterscheiden sich jedoch auch in einigen speziellen Bereichen voneinander. Ihre Sichtweise ist von den sozialen Einflüssen und der intellektuellen Debatte sowie internationalen soziopolitischen Konzepten geprägt. Im folgenden Teil thematisiert diese Arbeit die Stellung der Gesellschaftsakteure zu den Frauenrechten aus drei Perspektiven, der philosophischen, religiösen und methodologischen. Die philosophische Perspektive beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung der Rechte und den sozialen und moralischen Werten. Die religiöse Herangehensweise geht auf die Vorstellung der Denker von den Elementen der religiösen Kultur zurück. Die methodische Herangehensweise richtet sich auf die Methode des Verständnisses der Religion, die Interpretationsmethode eǧtehād sowie den Umgang mit den religiösen Quellen.
I.
Die philosophischen Paradigmen
Die Philosophie offeriert den Menschen eine Möglichkeit, ihre individuelle Denkweise bzw. ihre Lebenseinstellung über sich und die Welt zu äußern. Zeitgenössische philosophisch-theologische Debatten beschäftigen sich auch im Iran mit der Grundfrage bezüglich geschlechtlicher Dichotomie: Ist letztere ein Konstrukt oder „natürlich”? Diese Auseinandersetzung beeinflusst dabei auch die Einstellung der geistlichen und religiösen Schichten der Gesellschaft, die sich diesem Untersuchungsobjekt nicht wissenschaftlich nähern.809 Deshalb helfen im islamischen Raum die philosophischen Methoden, die juristischen und gesellschaftlichen Normen zu verändern oder auf ihre ewige Gültigkeit zu verweisen. Die Überlegung, die Bedenken und die Interpretation hängen sehr stark mit dem eǧ809 Malekiyān, Moṣṭafā (1379/2000), Vol. 64, 3, S. 36 f.
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Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken
tehād zusammen, um Rechtsprechung aus dem Blickwinkel verhandelbarer menschlicher Wahrheitsfindung zu interpretieren und zu verändern. Eǧtehād ist insofern eine philosophische Methode, die mit individueller Entscheidung und Auslegungsart der Interpretatoren in einem engen Zusammenhang steht. Die Relativität der Bedeutung der Begriffe wie Gerechtigkeit ʿedālat, philosophische Beobachtung der Welt, die erkenntnistheoretische Perspektive über die Menschen und ihre sozialen Positionen und Beziehungen sowie die rechtlichen Unterschiede der Geschlechter und deren Einflüsse auf die Struktur der Gesetze benötigen eine philosophische Auseinandersetzung der diversen Gruppen der iranischen Akteure. Nach Moḥaqeq Dāmād bedeutet eǧtehād die Verwendung der Gedanken und Methoden, um das unbekannte und unbestimmte Problem klarzustellen.810 1.
Die Relativität der Bedeutung von Gerechtigkeit (ʿedālat)
Aus dem Blickwinkel der religiös-progressiven und liberalen und säkularen Denker sind die moralischen Werte wie Gerechtigkeit relativ und veränderbar. Moḥammad Moǧtahed Šabestarī verweist in seinem Werk Eine Kritik an der offiziellen Lesart der Religion auf die Vielfältigkeit der Bedeutung von Gerechtigkeit. Die Menschen sollen es sich nach Šabestarī zur Aufgabe machen, die Gerechtigkeit zeitgemäß zu interpretieren. Gerechtigkeit sei ein Recht, das jedem Menschen grundsätzlich zustehe811 und Bestandteil vieler rechtlicher und gesellschaftlicher Konzepte. Weder nach dem ökonomischen und politischen System noch in Bezug auf Frauen kann eine eindeutige Definition von Gerechtigkeit erfolgen. Für die Realisierung der Gerechtigkeit und die Formulierung gerechter Gesetze in der jeweiligen Epoche sollen die Rechte der Menschen nach gesellschaftlichen Erfordernissen festgelegt werden. Die Aufgabe der Denker sei das Aufspüren der Ungerechtigkeiten.812 Nach dieser Vorstellung sollten die Gesetze dynamisch und flexibel sein, damit sie den entsprechenden Frauenrechten der heutigen Zeit angepasst werden können. Trotz der entste810 Moḥaqqeq Dāmād, Sayyed Moṣṭafā (1385/2006): „Falsafī šodan-i ḥoqūq. Pīšīneh-yi falsafeh-yi ḥoqūq dar andīšeh-yi eslāmī“ (Die Philosophisierung der Rechte. Die Geschichte der Rechtsphilosophie im islamischen Denken), in: Hamšahrī: Ḫeradnāmeh, 6, S. 4. 811 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1379/2000), S. 510. 812 Farāsatḫāh, Maqṣūd (1377/1998), S. 608.
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
henden Probleme, wie die Infragestellung der Autorität des Mannes in der Familie, die Veränderung des Scheidungsrechts u.a., sollen die neuen Gesetze der Gerechtigkeit den Maßstäben der heutigen Zeit und deren Erfordernissen entsprechen.813 Um die Gleichheit und Gerechtigkeit im Islam zu begründen, fehlen die religiösen Quellen und Grundlagen. Der Besitz gleicher Rechte bedeutet nicht nur die Gewährleistung der Gerechtigkeit in einigen Angelegenheiten, sondern die Befriedigung gleicher Bedürfnisse. Dies führt zu einigen Handlungsunterschieden. Gleichheit bedeutet nicht immer Gerechtigkeit. In einigen Fällen wirke Ungerechtigkeit sogar gerecht. Die Rollenaufteilung und die Stellung von Mann und Frau in der Familie seien eine gerechte Verwirklichung der ʿedālat aus Sicht der Konservativen.814 Die Frauenrechte basierten nach Ansicht der religiös-progressiver Denker wie Kadīvar in der islamisch-traditionellen Lehre auf Gerechtigkeit. Die hier gemeinte Gerechtigkeit erzeugt jedoch tief greifende Probleme, da ʿedālat für Konservative und Liberale eine andere Bedeutung habe und sie somit keinen Kompromiss finden können. Diese Wahrnehmung ermöglicht den iranischen Denkern, sich über die individuelle Rechte der Frauen zu äußern. Der Individualismus ist für Konservative im Bereich der Frauenrechte einigermaßen ein fremder Begriff, da die Rechte der Frauen nach deren Meinung sehr beschränkt sind bzw. die Anwesenheit der Frauen in den politischen Aktivitäten ausgeschlossen sind. Was deren Einstellung über die Rechte der Frauen geändert hatte, war die wirtschaftliche Krise nach dem ersten Golfkrieg. Im Folgenden wird dies ausführlicher untersucht. 2.
Individuum, Individualität und Individualismus
Eine unterbewusste innere Grundlage ġarīzeh (Naturtrieb), bezeichne die Verhaltensweise und das Interesse des Menschen.815 Der Individualismus als ein folgerichtiges Resultat des Humanismus und Säkularismus akzeptiert die zentrale Rolle des menschlichen Interesses und sein Streben nach der Schaffung von Wertvorstellungen. Dabei sei der menschliche
813 Hemmatī, Morād (1379/2000), Vol. 66, 9, S. 51 f. 814 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 74. 815 Laut Duden (oft vom Instinkt gesteuerter) innerer Antrieb, der auf die Befriedigung starker, oft lebensnotwendiger Bedürfnisse zielt.
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Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken
Verstand das Instrument für die Erfüllung der individuellen Ansprüche. Aus dieser Perspektive gehöre der menschliche Verstand dem Menschen selbst und unterliege keiner anderen Verfügbarkeit durch die Gesellschaft oder den Staat. In dieser Position sucht der Mensch nach eigener Freiheit und der Erfüllung seiner Interessen. Diese Denkweise reflektiert und entfaltet eine eigene Lebensvorstellung. Der Individualismus versteht sich als Teil einer liberalen Philosophie und ist sehr stark mit dem modernen Verständnis der menschlichen Individualität verbunden. Der Individualismus ist ein Merkmal einer aufgeklärten Gesellschaft.816 Besonders für die Entwicklung und das Erkämpfen der Gleichheit, der individuellen Freiheit und der Selbstständigkeit der Frauen in der modernen Gesellschaft ist der Individualismus von großer Bedeutung. Er steht aufgrund der Verbreitung der Gleichheit, der Freiheit des Individuums und der Unabhängigkeit der Frauen im Mittelpunkt der Diskussion der religiös-progressiven und NeuDenker. Die religiös-progressiven Denker beziehen sich in der Argumentation um Frauenrechte auf die Vorstellung des Individualismus und der Individualität des Menschen. Die Selbstachtung der Frauen sowie die gleichwertige Anerkennung des weiblichen Geschlechts sei ein Ansatz gegen die Verbreitung der patriarchalen Kultur.817 Die islamische Kultur lege großen Wert auf die individuellen Rechte jedes Menschen und seine gesellschaftliche Teilhabe und sogar auf seine familiären Beziehungen. In der islamischen Kultur müsse deshalb der Individualismus als wesentlicher Einfluss auf die Entwicklung der Glückseligkeit des Menschen ernst genommen werden.818 In Mittelpunkt des Feminismus als eine Bewegung steht die Legitimität der individualistischen Forderungen. Dies verstärkt das Engagement der Frauen, sich politisch wie auch gesellschaftlich zu emanzipieren. Es führte sogar dazu, dass die Frauen innerhalb der islamischen Länder v.a. im Iran über ihre individuellen Rechte sprechen, sowie nach einer neuen Tradition des liberalen Individualismus suchen. Dabei war das Ziel, die konservative Einstellung zu beeinflussen und eine substantielle Gleichheit zu erreichen. Die religiös-progressiven Denker und liberal-säkulare beziehen sich insofern auf die Menschenrechte und Demokratie, die den Frauen diese Möglichkeit geben, sich zu emanzipieren.
816 Vgl. Darvīšpūr, Mehrdād (2001), S. 15. 817 Darvīšpūr, Mehrdād (2001), S. 15. 818 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 86.
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
3.
Die Notwendigkeit der Übereinstimmung der Gesetze mit humanistischen Werten und gesellschaftlichen Realitäten
Aus der Sicht der religiös-progressiven und nichtreligiösen Denker sind Recht und Moral zeitabhängige Faktoren, die sich mit der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse und dem Zeitgeist wandeln. Eine der wesentlichen Gründe für die Notwendigkeit der rechtlichen Gleichbehandlung ist die Anpassung von Recht und Moral an die Denkweise der Menschen der heutigen Zeit. Sorūš vertritt die Meinung, dass die Frauenrechte nach den Besonderheiten der Erschaffung, ihrem philosophischen Verständnis und historischen Hintergründen gesichert werden sollten. Die auf historischen Quellen basierenden Begründungen, die zur Benachteiligung der Frauenrechte führen, sollten ignoriert werden, damit eine Toleranz unter den Geschlechtern herrsche.819 Dabei werden nach der traditionellen Vorstellung über die Frauenrechte die Rollenverständnisse der Geschlechter nach den biologischen Fähigkeiten festgelegt. Der Mann und die Frau seien aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit unterschiedlich, jedoch gleichwertig, dennoch gewährt man ihnen nicht in allen Bereichen identische Rechte.820 Das soziale Umfeld und die kulturellen Bedingungen beeinflussen die zwischenmenschlichen Beziehungen, für welche die religiösen Quellen keine Handlungsmaxime lieferten. Die Besonderheiten der vom Islam geprägten Rechtsprechung und die gesellschaftliche Ordnung, die von der Scharia abgeleitet ist, versuchen einerseits, sich auf die ewig gültigen Quellen zu beziehen und andererseits mit den göttlichunveränderbaren Idealen nicht wandelbarer Kriterien übereinzustimmen.821 Die religiös-progressiven und nichtreligiösen Denker verweisen auf die Anpassung der Rechte an die heutigen gesellschaftlichen und privaten Lebensverhältnisse. Moḥammad Moǧtahed Šabestarī findet keine Gegensätzlichkeit zwischen der heutigen politischen und sozialen Stellung der Geschlechter und der natürlichen Struktur der Schöpfung, der traditionellen Vorstellung von Privatem und Öffentlichem und der Aufgabe der Frau als Mutter und Ehefrau.822 Die Reformtendenzen in den islamischen Gesetzen sind weiterhin von religiösen Zugehörigkeiten geprägt. Diese Tatsache spiegelt sich in der
819 820 821 822
Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 32−37: 37. Moṭahharī, Morteẓā (1357/1978), S. 143. Pirmoradi, Saied (2003), S. 114. Vgl. Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1379/2000), S. 503 f.
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Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken
iranischen Verfassung mit ihrer traditionell orientierten Sichtweisen wider. Dabei entwickle sich laut Ḥoǧǧat-ol-Eslām Mehdī Mehrīzī eine sozial- und rechtlich theologische Sichtweise zur Situation der Frauenrechte im Iran. Die Reform der Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft Irans erfolge durch eine Neuinterpretation des islamischen Rechts und durch die entsprechend veränderte Rechtssprechung der Gelehrten. Die Themen, wie Sorgerecht, Erbrecht, Eherecht und die Teilnahme einer Frau am Krieg, benötigten jedoch ebenso eine Reform.823 Großayatollah Ṣāneʿī weist auf einen wesentlichen Punkt hin: Die Priorität der Entscheidung des Vaters oder Großvaters beim Eingehen einer Ehe seiner Tochter oder Enkelin. Die herrschende patriarchale Kultur ließe es nicht zu, dass die Mutter über die Zukunft ihrer Tochter eine Entscheidung träfe, geschweige denn die Töchter selber. Solche Entscheidungen seien jedoch gegenwärtig absolut realitätsfern. Frauen könnten heute wählen und Richterin, Ministerin oder Ärztin werden.824 Ḥoǧǧat-ol-Eslām Sayyed Moḥammad Boǧnūrdī kritisiert die Maßnahmen des islamischen Systems im Iran und findet, dass einige Rechtssprechungen der Gelehrten die Frauen benachteiligen. Die Umsetzung der Gesetze und die Durchführung einer Kulturreform bezüglich der gesellschaftlichen Stellung der Frau, z.B. ihre Wertigkeit als Zeuge oder ihr Erbrecht, die Vergeltung und ihre Bestrafung würden eine Rückbesinnung benötigen. Dadurch würde die Stellung der Frau aufgewertet und ihre rechtliche Benachteiligung verhindert. Die Übereinstimmung der Gesetze der Scharia mit den humanistischen Werten und den gesellschaftlichen Realitäten ist die Zielsetzung der iranischen Gesellschaftsakteure. Dafür nutzen sie die religiöse Herangehensweise, um den verankerten kulturellen Elementen in der Religion eine andere Perspektive zu geben.
II. Die religiösen Paradigmen Die religiösen Paradigmen folgen einer geistes- und kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den religiösen Quellen und ihrer historischen und systematischen Erforschung. Die Darstellung eines Erschei-
823 Mehrīzī, Mehdī (2002): Naḥw fiqh li-l-marʾa yuwākib al-ḥayāt, Beirut, S. 225 ff. 824 Ṣāneʿī, Yūsof (1384/2005): „Qayyūmīyat-i mādar“ (Das Sorgerecht der Mutter), in: Feqh va Zendegī 4, S. 43.
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nungsbildes der Religion und ihre Beziehung zu gesellschaftlichen und politischen Faktoren begründen ihre Qualifikation und Anerkennung. Damit werden die wesentlichen Prinzipien der Religion thematisiert. Dies bezieht sich v.a. auf die Trennung der Religion vom Staat sowie von der Scharia. Die Debatte um die Veränderbarkeit und Flexibilität der Scharia steht im Mittelpunkt des islamischen Rechtssystems und führt zur Auseinandersetzung mit weiteren Faktoren. Nach Hoǧǧat-ol-Eslām Mahdavīzādegān habe der Mensch keinen Einfluss auf die offenbarte und himmlische Religion, diese sei jedoch örtlichen und geistigen Einflüssen ausgesetzt. Diese Einflüsse ermöglichten es, den Menschen taṣvīr-i donyavī (ein weltliches Bild) ihrer Religion zu vermitteln. Die Demokratisierung und Säkularisierung der Gesellschaft wirkten auf dieses Bild ein, wodurch sich die Einstellung der Menschen zur Religion ändere und zur Forderung der Trennung der religiösen Werte und Normen von Politik und Gesellschaft führe.825 Moṣṭafā Malekiyān stellt zwei Lesarten des Korans dar: Die fundamentalistische und die moderne. Die fundamentalistische Lesart hebt nach seiner Auffassung das Erscheinungsbild der Religion hervor und berücksichtigt keine inhaltliche Botschaft der Religion. Die Vermittler der Religion jener Zeit – die Propheten – hätten ein zeitgemäßes Bild von Religion dargestellt, das der damaligen Kultur entsprach. Trotz des unterschiedlichen Entstehungskontextes (tafāvot-hā-yi takvīnī) von Religion würden dennoch keine differenzierten Werte nachvollzogen werden. Im Bereich der Frauenrechte werde die fundamentalistische Auslegung betont. Diese Art der Auslegung legt großen Wert auf feqh bzw. islamisches Recht. Die herrschende Kultur der damaligen Zeit beeinflusse immer noch die heutige Religion und entwickle eine patriarchale Lesart, die den Frauen eine niedrigere Position zuschreibe und sie aufgrund eines vorgestellten mangelnden Verstandes unterdrücke.826 Die fundamentalistische Lesart orientiere sich an der Scharia und suche Antworten im feqh. Die Stabilität der Religion sei nur mit diesem Instrument – feqh – realisierbar. Die moderne Lesart des Korans vermittle eine Botschaft, in der die Inhalte und Werte der Religion im Vordergrund stehen. Feqh sei bei der modernen Vorstellung nicht ein Instrument der Rechtfertigung, sondern stehe für moralische Verhältnisse und Ethik. Die moderne Lesart des Korans sei flexibel und lege großen Wert auf die Rechte von Frauen. Das
825 Vgl. Mahdavīzādegān, Dāvūd (1389/2010b), Vol. 9, S. 32. 826 Malekiyān, Moṣṭafā (1379/2000), Vol. 64, 3, S. 32.
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Patriarchat und die daraus entstandene Frauenfeindlichkeit werden von modernen bzw. neuorientierten Auslegungsarten in diesem Zusammenhang infrage gestellt. Der menschliche Verstand habe eine besondere Stellung und entspräche dem Kontext der Menschenrechte.827 Malekiyān schildert des Weiteren eine traditionelle Sichtweise, die der Frau keine Freiheit zur Verfügung stellt. Diese Sichtweise dürfe nicht mit der fundamentalistischen Sichtweise verwechselt werden. Er kritisiert die spezifischen traditionellen Sichtweisen von Konservativen bezüglich der Stellung der Frau. Die konservative Denklinie halte an einer wortgetreuen Beachtung der Schriften fest, während die modernen und neuen Denker sich für eine zeitgemäße Interpretation der alten Texte einsetzen würden, um so die Botschaft und das Wesen der Religion verständlich zu machen. Das gesellschaftliche Bild einer Frau und das Bild, welches die Geistlichen von einer Frau zeichnen, seien zwei unterschiedliche Bilder. Was ist die Vorstellung der Frau von sich und was denken die Männer über die Frauen? Die Frauen sollten nach Malekiyān die Geistlichen und ihre traditionelle Sicht kritisieren und sich dabei ebenso religiös-theologischer Instrumente bedienen, um ihre Argumentation zu stützen. Die Frauen müssen die kulturellen und traditionellen Sichtweisen beeinflussen und zeitgemäß verändern. Das sei genau das, was sich der Feminismus − und hier in diesem Kontext der Islamische Feminismus − wünsche.828 1.
Die Säkularisierung
Säkularismus bedeutet an erster Stelle die Trennung der Religion vom Staat. Aus der soziologischen Perspektive bedeutet Säkularismus auch, dass die Religion auf die gesellschaftlichen Entscheidungen einen nur geringen Einfluss ausübt. Die Anwesenheit des Klerus, um staatliche Entscheidung zu fällen, ist dementsprechend ungültig. In der Struktur der iranischen Gesellschaft, sogar in Altpersien, entsprach die Führungsposition gleichzeitig einer vertrauenswürdigen heiligen Figur. Dies hat sich natürlich nach der Islamischen Revolution enorm entwickelt, so dass die Herrschaft direkt eine religiöse Persönlichkeit ist und auf die politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen einen großen Einfluss ausübt, welche sogar von ʿAbdolkarīm Sorūš, religiös-progressiven Denkern in seinem
827 Ebd. 828 Ebd.
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Artikel Die Religion benötigt keine Geistlichkeiten kritisiert wird. Er bezieht sich insofern auf den Islam und findet keinen rechtlichen und gesetzlichen Bezug zwischen Geistlichkeiten und der Führung des Landes. Ein Klerus nach seiner Vorstellung stellt eine Beziehung zwischen Menschen und den religiösen Verhältnissen her und muss nicht unbedingt eine Führungsposition besitzen und über die politischen Themen entscheiden.829 Deshalb ist es schwer für die konservative Gruppe, überhaupt über die Frauenrechte zu diskutieren und Lösungsvorschläge anzubieten, da sie unter Säkularisierung etwas anderes verstehen. Der theokratische Staat Iran ist auf einer religiösen Struktur aufgebaut. Um diese Struktur umzubauen und ein liberales und säkulares Staatssystem unter Berücksichtigung religiöser Maßstäbe zu konstituieren, müsste die Politik getrennt von der Religion agieren und mittels menschlichen Ermessens und dem Hinweis auf die aktuellen Bräuche eine andere Struktur entwickeln, in welcher der Staat eine Gesetzgebung und Entscheidungsprozesse entsprechend den Grundsätzen der Menschlichkeit und getrennt von jeglicher religiöser Zugehörigkeit gewährleistet. Religiöse und nichtreligiöse Denker verfolgen beim Aufbau dieser Staatsform das gleiche Ziel, jedoch mit unterschiedlichen Methoden. Mit der Entwicklung des säkularen Staatssystems bzw. einer dem Westen entlehnten Struktur, wird das Selbstverständnis der Religion jedoch infrage gestellt. Dies führt zur Entstehung eines Konfliktes zwischen Religion und menschlicher Kognition sowie zwischen Tradition und Moderne. Im Gegensatz zu den religiösen Denkern, die keine vollkommene Trennung von Staat und Religion wollen, befürworten die religiösprogressiven Denker und liberal-Säkularen eine säkulare Staatsform. Für sie stellen Religion und menschliches Denken unüberwindbare Gegensätze dar. Eine Erneuerung des Staatssystems wäre nur ohne den Einfluss der Religion vorstellbar.830 Diese Gegensätzlichkeit ist eine graduelle Veränderung. Die Funktion der Religion in der Politik solle reduziert werden, damit die Vernunft über das Wohlbefinden und den Wohlstand der 829 Sorūš, ʿAbdolkarīm (2004): „Eslām nīyāzī be ṣenf-i rouḥānī nadārad“ (Islam braucht keine Geistlichkeiten), in: BBC Persian, Online Verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 830 Farāsatḫāh, Maqṡūd (1373/1994): Sarāġāz-i nowandīšī-yi moʿāṡer - dīnī va ġeyr-i dīnī. (Der Auftakt der zeitgenössischen Aufklärung – Religiös und Unreligiös), Tehrān, S. 475.
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Menschen frei entscheiden könne, aber die exponierte Position der Religion davon nicht berührt wird. Eine religiöse Kultur sei schließlich flexibel und könne sich entsprechend der heutigen Zeit modernisieren.831 Mit einer gesellschaftlichen und politischen Etablierung des Säkularismus würden die Gesetze angepasst und den Frauen liberale Rechte zugestanden.832 Auch Hoǧǧat-ol-Eslām Ḥasan Yūsofī Eškevarī spricht sich für eine Trennung von Staat und Religion aus. Die Verfassung der Islamischen Republik Iran enthalte religiöse und politische Ziele der Regierung und reguliere die unterschiedlichen Regierungsinstitutionen.833 Die fehlende Freiheit, Gewaltenteilung und Demokratie in einer Republik führten jedoch zur Notwendigkeit einer Reform und könnten eine Trennung zwischen religiösen Institutionen und der Regierung bewirken.834 Die gesellschaftliche Gleichstellung, die Weiterführung der Emanzipation und die Beseitigung der Ungleichheit könnten darüber hinaus ohne die religiöse Zugehörigkeit und die Bereinigung der Kultur und Gesellschaft seitens religiöser Autorität verwirklicht werden. Dafür müsse eine solche Reform und ihre konkrete Übertragung auf die einzelnen Gesetze stärker vorangetrieben werden. Es wird eine neue Interpretation der religiösen Quellen und der Auslegung des feqh zugunsten der Frauen gemäß den aktuellen Rahmenbedingungen gefordert, die den Menschenrechten auf international anerkannter Ebene entsprechen sollen.835 Die Verbreitung eines säkularen Feminismus in einer islamischen Gesellschaft wie dem Iran ist eine Voraussetzung für die Freiheit der Frauen und die Anerkennung des Islams als Religion in der Sphäre des Privaten.836
831 832 833 834
Ebd. Darvīšpūr, Mehrdād (1376/1997), Vol. 29, 7, S. 26. Süddeutsche Zeitung herausgegeben am 27.04.2000. Telefonisches Hörfunk-Interview mit Katajun Amirpur für den Westdeutschen Rundfunk vom 03.05.2000. Die schriftliche Version erschien in der Tageszeitung unter „Ich bin sehr optimistisch“. 06.05.2000, Siehe: Amirpur, Katajun (2009), S. 113. 835 Moġīṯī, Hāyedeh (1376/1998), Vol. 13, S. 89. 836 Vgl. Darvīšpūr, Mehrdād (1376/1997), Vol. 29, 7, S. 26.
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2.
Die Unterscheidung von Religion und religiösem Recht (Scharia)
Jede Religion vertritt eine Reihe von Grundsätzen und theoretischen Vorschriften bezüglich der Weltanschauung, der Grundwerte, der Ethik und der Spiritualität. Die Religion ist aufgrund ihrer zeitlosen Gültigkeit und Existenz jenseits von Raum und Zeit unveränderbar und ewig. Das religiöse Recht ist dagegen eine Zusammenstellung von praktischen Vorschriften.837 ʼSchariaʽ bedeutet im Arabischen „der Weg zu Gott“. Die Scharia regelt die alltägliche Praktizierung der Religion und ist an Raum und Zeit gebunden. Aus der Sicht der religiösen Denker ist Religion konstant, ultrahistorisch und einzigartig, wobei die Scharia veränderbar und flexibel ist und sich der Zeit und den sich verändernden Bedingungen anpassen kann.838 Die Bindung ist nicht ohne die Akzeptanz der Scharia und des islamischen Rechts feqh herzustellen. An diesem Punkt wird die Untrennbarkeit von Religion und Scharia festgeschrieben.839 Die gesellschaftlichen Beziehungen sind variabel und entwickeln sich entsprechend der historischen Ereignisse. Die Religion ist als Praxis insofern prozessartig. Der Koran sei die einzige anerkannte Quelle, welche die gleichen Rechte für alle Menschen gewährleiste.840 Scharia sei von der Religion abgeleitet und sei relativ flexibel. Laut Morād Hemmatī kann Scharia gemäß den gesellschaftlichen und politischen Anforderungen interpretiert werden. Die bestehenden religiösen Gesetze, Scharia, stehen für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Geschlechter.841 Trotz dieser Tatsache herrscht eine faktische Ungleichheit unter den Geschlechtern. Die Trennung des Glaubens von der Scharia wird von den Gesellschaftsakteuren wegen der Benachteiligung der Frauen gefordert. Sie suchen nach einer Lösungsstrategie, um durch eine moderne Interpretation der Scharia die herrschende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu beseitigen. Das Sorgerecht und das Recht des Mannes bei der Scheidung werden von den Akteuren als Beispiel genommen, um die Notwendigkeit der Trennung der Religion von der Scharia zur Durchsetzung einer Reform der Frauenrechte zu begründen.842 Um die Anpassung
837 Amirpur, Katajun (2009), S. 160. 838 Khorchide, Mouhanad (2013): Scharia der missverstandene Gott, Freiburg im Breisgau, S. 77. 839 Vgl. Hemmatī, Morād (1379/2000), Vol. 66, 9, S. 48−52: 52. 840 Vgl. Moṭahharī, Morteẓā (1357/1978), S. 143. 841 Hemmatī, Morād (1379/2000), Vol. 66, 9, S. 52. 842 Ebd., S. 50.
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der Religion an die Maßstäbe der aktuellen Kultur zu erreichen, werden von diversen Akteursgruppen die Trennung der Religion von der Scharia und die Trennung der Religion von einer zeitgemäßen Kultur angestrebt. Aus religiös-fundamentalistischer Sichtweise ist eine Änderung der Scharia nicht akzeptabel. Sie ist von besonderen unveränderbaren Rahmenbedingungen bestimmt und von keinen aktuellen und rationalen Überlegungen beeinflusst. Nur durch tief greifende Vorgänge könnten sich die konstanten Gesetze ändern.843 Aus dem Blickwinkel der konservativen Denker käme eine Veränderung der Scharia ihrer Abschaffung gleich. Die Änderung von wichtigen Gesetzen würde angeblich zur Instabilität der Religion führen.844 3.
Die Flexibilität des religiösen Rechts (Scharia)
Die Flexibilität und Veränderbarkeit der Scharia und die bestehenden Möglichkeiten für diese Reform sind weitere Faktoren der religiösen Grundlagen. Praktiziert werde die Scharia nach konservativer Auffassung mittels der islamischen Staatsgewalt. Glaube und religiöses Handeln stehen im Vordergrund ihrer Entscheidung, während die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die moralischen Werte prägen. ʿAbdolkarīm Sorūš kritisiert die fortführende Praktizierung der Gesetze aus früheren historischen Epochen. Die Gleichberechtigung sei nach Sorūš eine zeitabhängige Definition und dementsprechend fordert er eine Neudefinition, die sowohl der Menschenrechtsdeklaration als auch den islamischen Grundsätzen entsprechen soll.845 Die iranischen Denker erheben je nach ihrer Vorstellung vom Einfluss der Scharia auf das islamische System unterschiedliche Ansprüche. Die religiös-progressiven Denker beziehen sich auf die islamischen Gelehrten, die den Islam sowohl politisch als auch gesellschaftlich betrachten. Sie begründen die Umsetzbarkeit der Rechte bspw. im Bereich Frauenrechte.846 Moḥammad Moǧtahed Šabestarī meint, die Scharia sei vorübergehend und an die historischen Hintergründe gebunden, da Scharia das Wort des Propheten bzw. die göttliche Offenbarung an ihn war und Zeit und Ort der damaligen ara843 Moṭahharī, Morteẓā (1372/1993): Eslām va moqtaẓiyyāt-i zamān (Islam und die zeitliche Forderung), Tehrān, Vol. 2, S. 77. 844 Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 61. 845 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 32−37: 33. 846 Ebd., S. 32−37: 34.
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bischen Halbinsel entsprach. Scharia sei für die damalige Zeit eine moderne Anweisung, stimme jedoch heute mit den Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen Anforderungen nicht mehr überein.847 ʿAlīreżā ʿAlavītabār findet die Ursache der bestehenden Ungleicheit der Geschlechter in den auf die theologischen Grundlagen bezogenen staatlich verabschiedeten Anordnungen. Wenn die Frauenrechte sich auf aḥkām-i avvaliyeh (primäre Rechtssprechung, die direkt durch Koran und Sunna vorgeschrieben ist) stützen, benötigen sie für ihre Verwirklichung den Einfluss aḥkām-i ṯānavviyeh (sekundärer Urteile, die situationsbedingt sind – Fasten als Pflicht, mit den bekannten Ausnahmen), andernfalls sollten einige Gesetze ungültig sein oder durch weitere Gesetze ersetzt und erklärt werden.848 Neben der konservativen, auf dem göttlichen Axiom beruhenden Lebensführung, die nur im Rahmen einer islamischen Ordnung verwirklichbar sei, insistieren die Liberal-Säkularen die Anpassungsfähigkeit der Scharia und interpretieren den Islam aus der Auseinandersetzung mit der eigenen Gesellschaft bzw. versuchen, ihn zeitgemäß und entsprechend der heutigen pluralen Gesellschaft darzustellen. Die Vorstellung von göttlichen Gesetzen, die für alle Zeiten verbindlich seien, stimme mit den heutigen politischen Rechten und den Elementen einer demokratischrechtsstaatlichen Ordnung nicht überein. Menschenrechte und Demokratie legen großen Wert auf das Recht des Individuums. Die Einordnung der religiösen Elemente in einer demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung benötigt die Flexibilität und die Veränderbarkeit der Scharia, um die Rechte und Gesetze zugunsten der Frauen zu interpretieren. 4.
Zur Vereinbarkeit der Religion mit Menschenrechten und Demokratie
Zur Vereinbarkeit der Religion mit Menschenrechten und Demokratie stellt man sich zuerst die Frage, ob der Koran und Sunna mit heutigen Augen gelesen werden können. Diese Frage aus der Perspektive der drei unterschiedlichen Gruppen von Denkern zu beantworten, ist nicht einfach. Wie Gurdun Krämer in ihrem Artikel „Die islamische Demokratie“ in
847 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1385/2006): Mardomsālārī va eslām (Demokratie und Islam), Tehrān, S. 153 ff. 848 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1388/2009a), in: Āftāb, 24, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015].
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Zeit Online, erschienen am 24. Februar 2011, erklärt, enthält der Koran zwar Hinweise auf ein „rechtes“ Handeln und die Prinzipien einer „gerechten“ Ordnung, aber er ist keine Verfassung und schreibt den Muslimen keine bestimmte Staatsform vor. Der Charakter der islamischen Ordnung steht und fällt daher mit dem Verständnis der Scharia, auf dem er gründet. Laut Krämer geht Islamisches Recht ohnehin vom individuellen Rechtssubjekt aus, das vor Gott und Menschen Verantwortung trägt.849 Die religiös-progressiven Denker sehen den Weg zu einer Konformität der Religion mit den Maßstäben der modernen Gesellschaft in einer neuen und zeitgemäßen Interpretation des Korans. Die herkömmliche theologische Interpretation sakraler Texte wird von diesen Denkern kritisiert, da feqh eine von Menschen geschaffene Wissenschaft und abhängig vom Kulturkreis veränderbar sei. Mit Bezugnahme auf diese Tatsache eröffnet Sorūš laut Mottaqī eine ideologische Auseinandersetzung mit der Religion und stellt mit der Präsentation seiner Ergebnisse eine religiösdemokratische Staatsform in Aussicht, in der die Religion mit der Demokratie versöhnt wird.850 Eine Vereinbarung der Religion mit Demokratie und Menschenrechten wird teilweise von Liberalen und Säkularen abgelehnt. Diese Gruppe bezieht sich sehr stark auf die Philosophie anstatt Religion. Sie reflektieren über die veritable Gründung von Institutionen, die für Demokratie und Freiheit stehen, und nicht nur an die Entwicklung der Demokratie als reine Theorie. Sie vergleichen die religiösen Werte mit der aktuellen Debatte in der Gesellschaft, sind jedoch der Meinung, dass das Erreichen von Freiheit, Demokratie und Gleichheit sowie Gleichberechtigung auch ohne Einhaltung der religiösen Vorschriften möglich ist. Die neue philosophische Denkrichtung stützt sich auf Prinzipien wie Pluralismus und ist das Produkt eines neuen Denkens.851 Moḥammad Moǧtahed Šabestarī betrachtet Menschenrechte unabhängig von jeglichen Einflüssen wie den Islam schlicht als Produkt der menschlichen Vernunft. Er analysiert die Religion unter emanzipatori-
849 Krämer, Gudrun (2011): „Die islamische Demokratie. Warum die Scharia auch mit dem Rechtsstaat vereinbar sein kann.“, in: Zeit Online, Online Verfügbar unter: [aufgerufen im Dezember 2015]. 850 Mottaqī, Moḥsen (1380/2001), Vol. 4, 19. S. 510. 851 Mottaqī, Moḥsen & Chosrow Chāvar, Farhād (1394/2015): „Eṣlāḥ-i fekr-i dīnī va demokrāsī“ (Die Verbesserung der religiösen Denkweisen und Demokratie), in: Mīhan, Nr. 2, Online Verfügbar unter: , [aufgerufen im August 2015].
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schen und ideologiekritischen Ansätzen und verweist auf eine moderne Interpretation der Menschenrechte, die unabhängig vom Koran formuliert wurden. Jedoch dürfe dabei seiner Meinung nach die göttliche Wahrheit nicht missachtet werden.852 Šabestarī betont die Tatsache, dass die Auslegung des Korans unterschiedlichen Lesarten unterliege, die je nach den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen vorgenommen werden und befürwortet aufgrund dieser Uneindeutigkeiten ein laizistisches Staatswesen.853 Er beschäftigt sich nicht direkt mit der Frauenfrage, jedoch interpretiert er den religiösen Kontext mit dem Hinweis auf die Menschenrechte. Dabei kritisiert er die islamische Rechtsprechung, die kein sinnvolles Verhältnis zwischen den Vorschriften und der praktischen Vernunft aufweise. So würden die Gerichtsurteile durchaus jenseits des offiziellen Gesetzestextes erlassen, ohne dass dies Konsequenzen nach sich ziehe. Doch in den Gesetzen des iranischen Strafrechts selbst, verabschiedet nach den Vorschriften des Korans und der Sunna, spiegelte sich die soziale und politische Realität der Gegenwart nicht immer weder.854 Die Frage nach der Vereinbarkeit von Islam und Menschenrechten stellt auch Moḥsen Kadīvar. Die Rückführung des islamischen Rechts auf seine historische Entstehung ermögliche es, Religion in einem modernen Rahmen zu definieren und sich gleichzeitig an Demokratie und Menschenrechten zu orientieren.855 Kadīvar setzt sich mit der inhaltlichen Bedeutung des religiösen Kontextes auseinander und verweist gleichzeitig auf die verfassungsrechtlich geregelte Souveränität des Volkes bezüglich aller das Volk selbst betreffender Angelegenheiten in einem demokratischen System. Dementsprechend sollte die menschliche Vernunft als Referenz für die Anwendung der Erkenntnisse der Wissenschaft bei der Auslegung der Gesetze gelten.856 Eine fundamentalistische Auseinandersetzung akzeptiere die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie nicht.857 Für Kadīvar ist die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie eng mit der Interpretation des Islams bzw. des Korans verbunden. Die öffentliche Kontrolle, die politische Gleichberechtigung und die Möglichkeit der all-
852 Amirpur, Katajun (2003a): Die Entpolitisierung des Islam: Abdolkarin Sorushs Denken und Wirkung in der Islamischen Republik Iran, Würzburg, S. 179 ff. 853 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1375/1996), S. 56. 854 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (2000), Vol. 2, S. 227−237: 230 f. 855 Kamrava, Mehran (2006): The New Voice of Islam, Berkely, S. 119 ff. 856 Kadīvar, Moḥsen (1381/2002), S. 405−431. 857 Amirpur, Katajun (2009), S. 56.
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gemeinen Entscheidung über Verordnungen in der Politik werden von ihm als Voraussetzung für eine Vereinbarkeit konstatiert.858 Islamische Praxis und öffentliche Kontrolle würden eine Verbindung von gesellschaftlicher Ordnung mit religions-rechtlichen Vorschriften ermöglichen. Eine öffentliche Kontrolle bzw. die Kontrollmöglichkeit für jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft über die Handlungen der Regierung in einer islamischen Gesellschaft − das hieße Verwirklichung von Demokratie.859 Der Islam und die politische Gleichheit bedeuten für Kadīvar die gleiche Gültigkeit der Gesetze für alle Menschen.860 Ein demokratisches System würde den Menschen die Mitbestimmung über Politik und Gesetze der Gesellschaft einräumen. Die traditionelle Sichtweise dementiert diese Vereinbarkeit und sieht allein in Gott die Grundlage für ein allgemeingültiges Gesetz, während in der Demokratie das Volk entscheidet. Nach dieser Sichtweise sind nur die göttlichen Gesetze in der Lage, das menschliche Leben zu regeln.861 Moḥsen Kadīvar hält dagegen die Selbstbestimmung des Individuums für wichtig und verweist auf zwei Lesarten des Korans aus der traditionellen und modernen Sicht. Er kritisiert dabei die traditionelle Sichtweise, die den Koran als Wort Gottes betrachtet, und bewertet die Grundsätze der Demokratie und der Menschenrechte höher als das Wort Gottes. Kadīvar weist auf die Stellen im Koran und im Hadith sowie auf die Bräuche und Traditionen hin, die zur Diskriminierung der Frauen führen und im Widerspruch zu den modernen Menschenrechten stehen.862 Als Ursache solcher Diskriminierung macht er die religiös-traditionsbehafteten Sichtweisen aus.863 Ḥasan Yūsofī Eškevarī spricht sich ebenfalls für die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie sowie Menschenrechten aus. Er verweist auf die Staatsform in der Zeit der Propheten als ein säkulares politisches System. Seiner Auffassung nach stünden Islam und Demokratie nicht im Widerspruch zueinander. Eine tatsächlich wahre islamische Regierung könne nichts anderes als demokratisch sein.864 Nach Eškevarī sei die Gerechtigkeit die Absicht der prophetischen Sendung. Sie sei eine Philosophie und der Gedanke, der hinter der Entstehung von Staat und 858 859 860 861 862 863 864
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Ebd., S. 66. Ebd., S. 68. Ebd., S. 70. Ebd., S. 76. Kadīvar, Moḥsen (1387/2008), S. 294 ff. Ebd., S. 287. Amirpur, Katajun (2009), S. 120 f.
Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
Herrschaft stehe. Wenn die Religion in sozialer Absicht fungiere, also jedem sein Recht einräumte, Gerechtigkeit herzustellen und Diskriminierung zu verhindern, dann sei das ohne Zweifel religiöse Gerechtigkeit und nicht ohne die Verwendung demokratischer Mittel vorstellbar.865 In diesem Zusammenhang halten die religiösen Fundamentalisten nichts von den Konzepten wie Menschenrechte und Demokratie, da die Religion für sie der entscheidende Faktor ist. Die Menschen, als Individuen, haben keine Möglichkeit, frei und selbstständig zu entscheiden. Sie sind davon überzeugt, dass der Islam eine demokratische und menschenrechtliche Religion ist. Sie weisen auf die Stellen im Koran hin, in denen über die Gleichberechtigung und Gleichheit sowie Tugend und Freiheit der Menschen gesprochen wird.866 5.
Die Unterscheidung zwischen dem Essentiellen und Akzidentiellen in der Religion (Ẕātī va ʿArażī)
ʽAbdolkarīm Sorūš unterscheidet zwischen den inneren, grundlegenden Prinzipien, dem Essentiellen der Religion und dem Akzidentiellen, das durch eine Ableitung und Auslegung gekennzeichnet ist. Jegliche Änderung des Essentiellen in der Religion führe zu ihrer Ablehnung und zur Entstehung einer neuen Religion. Das Akzidentielle bezeichne das Veränderbare in einer Religion. Es sei zeitabhängig und nicht universell. Als solches betrifft es im Islam die Sprache, die Kultur und die Wissenschaft. Seine Ausführung sei geprägt von historischen Ereignissen sowie den jeweiligen Traditionen und zeige im feqh bzw. in der islamischen Rechtswissenschaft die momentane Interpretation des Korans. Damit überhaupt eine neue Kultur der Religion entstehen könne, muss zuerst die essentielle Seite der Religion von einer neuen Struktur beeinflusst bzw. verändert werden. So schreibt ʿAbdolkarīm Sorūš: Wenn der Islam durch den Propheten Moḥammad in einer anderen Region der Erde mit anderer Kultur offenbart worden wäre, wäre in der Scharia und in den islamischen Grundüberzeugungen eine andere Struktur erschienen. Die Vergeltung, das Blutgeld, Almosen, Scheidung und Eherechte sowie die kompletten Rechte beider Geschlechter wären in einer anderen Struktur aufgebaut,
865 Ebd., S. 130 ff. 866 Al-Ġazālī, Muḥammad (1404q/1984): Ḥuqūq al-insān bayn taʿālīm al-islām waiʿlān al-Umam al-muttaḥida, Kairo, S. 7-8.
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Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken würden jedoch als Islam anerkannt. Eǧtehād ist aus diesem Grund ein Produkt der 867 jeweiligen Kultur und dem akzidentiellen Bereich zuzuordnen.
Sorūš verwendet die Theorie des Essentiellen und Akzidentiellen in der Religion, um die Wahrheit und ewige Gültigkeit der Religion von den Akzidenzien (veränderbaren, zeitabhängigen Aspekten) der Religion zu unterscheiden. Damit können die gesellschaftsrelevanten Vorschriften wie das Strafrecht, die zum Akzidentiellen gehören, geändert werden und es besteht die Möglichkeit, sie in einer zeitgemäßen Version zu interpretieren. Sein Ziel ist die Schaffung einer Vereinbarkeit vom Islam mit den Menschenrechten.868 Entsprechend dieses Ansatzes sind die Frauenvorschriften und Rechte ebenfalls akzidentiell. Die Vorschriften über das Kopftuch, die Beziehung zwischen Männern und Frauen sowie das Heiratsalter entsprächen nicht mehr den gegenwärtigen sozialen Bedürfnissen und dem Rollenverständnis von Männern und Frauen und sollen der aktuellen Kultur angepasst werden.869 Die Änderung der Maßstäbe in der heutigen Zeit und die Besetzung von gesellschaftlichen Positionen durch Frauen entsprechend ihrer Fähigkeiten, würde es ihnen ermöglichen, in anderen gesellschaftlichen Bereichen Verantwortungen zu übernehmen. Sie könnten z.B. als Richterin Recht sprechen, als Marǧaʿ-i taqlīd anerkannt sein sowie politische Aufgaben übernehmen und in allen Bereichen die gleichen Rechte wie Männer wahrnehmen.870 Aus diesem Grund sollten die Frauenrechte als akzidentiell betrachten werden.871
III. Die Rechtsmethodik Die gesellschaftlichen Umwälzungen einer Epoche führen oft zu Veränderungen, die den Rahmenbedingungen der alten Traditionen nicht mehr entsprechen. Die Suche nach einer Vereinbarkeit von alten und neuen Vorstellungen in Bezug auf die religiösen Grundlagen führt häufig zur Krise derselben. Das menschliche Wissen sowie religiöse Erkenntnisse ändern sich. Sie stehen unter dem Einfluss neuer Wissensformen. Wenn
867 868 869 870 871
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Sorūš, ʽAbdolkarīm (1377/1998a), Vol. 42, S. 4−19. Amirpur, Katajun (2009), S. 166. Sorūš, ʽAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 32−37: 34. Farāsatḫāh, Maqṣūd (1377/1998), S. 615. Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 34.
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diese sich ändern, ändert sich auch der Glaube substanziell.872 Das Prinzip des eǧtehāds, das größtmögliche Bemühen um die Ermittlung der SchariaVorschriften, ist das erste Instrumentarium nach dem Tod des Propheten, mit dem die Regierungsgesetze des Islams mit den neuen Bedingungen in Übereinstimmung gebracht wurden.873 Diese Methode ist eine vom Islam abgeleitete Verfahrensweise, mit der die kanonischen Vorschriften auf Grundlage explizit autorisierter Begründungsquellen interpretiert wurden.874 Es gehört zur Aufgabe eines moǧtahed, diese Methode zu praktizieren. Er stellt sie auf der Grundlage des Korans und der Sunna aḥkām-i farʿī (abgeleitete Vorschriften) auf. In der Schia stützt sich der moǧtahed außerdem auf die Prinzipien der Vernunft und des Konsenses. Dabei versucht er religionsrechtliche Vorschriften zu unterstreichen.875 Im Gegensatz zum sunnitischen Islam ist bei den Zwölfer-Schiiten die Anwendung der ʿaql (Vernunft) die grundlegende Form des eǧtehāds. Das schließt auch bestimmte Formen der tarǧīh (Gewichtung) ein. Die neue und moderne Perspektive innerhalb des eǧtehāds bietet eine undogmatische, vernunftgeleitete Denkweise an, die es jedem Muslim erlaube, seine religiöse Praxis im Lichte zeitgenössischer Umstände auf den neuesten Stand zu bringen. Aus dieser Sicht sei es notwendig, die religiösen Richtlinien je nach der aktuellen Zeit kritisch auszulegen. Man sollte sich nicht auf die Interpretationen und Gebräuche der vorherigen Generationen stützen. Um die Religion zu erneuern, sollte man laut Farāsatḫāh die traditionellen Vorstellungen überwinden.876 Unter den modernen, revolutionären und politischen Geistlichen fand nach der Islamischen Revolution eine Debatte über die eǧtehād-i sonnatī (traditionelle Rechtswissenschaft) und eǧtehād-i pūyā (dynamische Rechtswissenschaft) statt. Die veralteten Religionsgesetze sollten nach ihrer Auffassung mit den neuen und anders gelagerten Problemen übereinstimmen.877 Die dynamische Rechtswissenschaft könnte eine Lösungsstrategie
872 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1373/1994), S. 106−110 & 169. 873 Poya, Abbas (2003): Anerkennung des Eǧtehāds – Legitimation der Toleranz. Möglichkeiten innerer und äußerer Toleranz im Islam am Beispiel der EǧtehādDiskussion, Berlin, S. 15. 874 Amirpur, Katajun (2009), S. 156. 875 Ebd. 876 Farāsatḫāh, Maqṡūd (1373/1994), S. 169. 877 Amirpur, Katajun (2009), S. 158 f.
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für die bestehenden Widersprüche zwischen einigen Vorschriften und neuen Sitten wie auch zwischen Islam und Menschenrechten darstellen.878 Um die rechtliche Situation der Frauen aus dieser Perspektive bzw. innerhalb des islamischen Rechts und den davon abgeleiteten Interpretationsmethoden zu untersuchen, soll man sich mit den Interpretationsmethoden und v.a. der neuen Methode des eǧtehāds auseinandersetzen. Eǧtehād dar forūʿ bzw. die praktisch-religiösen Rechtszweige und Teilgebiete in der Interpretationsmethode sind für die Durchführung einer Reform im Bereich der Frauenrechte erforderlich, jedoch nicht hinreichend. Eǧtehād dar oṣūl (wissenschaftliche Rechtsauslegung und Rechtsfindungsmethode) enthält die endgültigen Lösungsstrategien.879 Aus der Perspektive des eǧtehāds dar oṣūl kann der inhaltliche Kern der Religion erforscht werden, ohne feqh und religiöse Vorschriften zu ändern. Die Religiosität und Glaubwürdigkeit sei sogar ohne Änderung der alten Vorschriften möglich.880 1.
Die neue Anwendung des eǧtehāds
Die Auslegung und das Verständnis von der Scharia und die Erfassung der religiösen Quellen durch die foqahā (Rechtsgelehrte) beruht auf den wissenschaftlichen Bemühungen der Menschen.881 Laut Al-Ḥurr Al-ʿĀmllī existierte eǧtehād in unterschiedlichen Epochen seit dem Propheten Muḥammad bis in die aktuelle Zeit,882 obwohl eǧtehād und seine Anwendung in der Zeit von Propheten aufgrund der Offenbarung abgelehnt wird.883 Seit der Verborgenheit des zwölften Imāms, Imām Mahdī, beharrte man auf der Präsenz und Notwendigkeit der Anwendung von eǧtehād durch foqahā. Ihre Anwendung setzt eine Praxis gewisser Zuverlässigkeit
878 Ebd. 879 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1388/2009b): „Mas᾿aleh-yi zanān, nowandīšī va femīnīsm“ (Frauenfrage, neue Denkenansätze und Feminismus), in: Bāztāb-i andīšeh, 38, S. 44. 880 Ebd. 881 Kār, Mehrangīz (1378/1999b), S. 42 f. 882 Al-Ḥurr Al-ʿĀmilī, Šayḫ Muḥammad Ḥusayn Ibn al-Ḥasan (1414q/1994b): Tafṣīl wasāʾil aš-šīʿa ilā taḥṣīl masāʾil aš-šarīʿa (Wasāʾil aš-šīʿa), Qom, Vol. 27, S. 41. 883 Bostānī, Maḥmūd (1380): Al-Tafsīr Al-Banāʿī, Mašhad, Vol. 2, S. 386-387.
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voraus. Ein Faqīh ist verpflichtet, sich diesbezüglich mit der Theologie und religiösen Wissenschaft auseinanderzusetzen.884 Die Erneuerung der religiösen Denkansätze ist stets von der geografischen und historisch-politischen Konstruktion abhängig und geprägt. Eine Auslegung der religiösen Vorschriften soll ausschlaggebend für jeweils zeitgenössische Probleme sein.885 Dementsprechend verweist ʿAbdolkarīm Sorūš auf die Bedeutung des eǧtehāds in aktueller Zeit.886 Die Frauenrechte erhalten in dieser Diskussion eine besondere Aufmerksamkeit. Die Akteure weisen auf die erheblichen Unterschiede zwischen religiösen sowie rechtlichen Anforderungen in der Vergangenheit und ihre Unvereinbarkeit mit den aktuellen Notwendigkeiten hin. Deshalb fordern sie Methoden und Lösungsstrategien, mit denen sie auf der Basis der menschlichen Vernunft und der zeitgenössischen Prägung, die rechtliche Situation und die Stellung der Frau aus dem Blickwinkel des islamischen Rechts interpretieren können. Die foqahā und die Kommentatoren der religiösen Vorschriften verweisen auf die Notwendigkeit der theologischen Auseinandersetzung mit den Frauenrechten in der aktuellen Zeit. Sorūš hält den dynamischen feqh und seine Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten, mit den frauenfeindlichen und diskriminierenden Gesetzen für bedeutend.887 Es ist eindeutig, das sich der neue eǧtehād und entsprechende Interpretationen der Frauenrechte für eine Reform der Frauenrechte nach westlichen Konzepten und Vorstellungen einsetzen. Diese Vorstellung wird einerseits von einigen Denkergruppen kritisiert, andererseits wird sie als eine Lösungsstrategie und als Herrschaft der Moderne über die religiöse Kultur und Denkweise betrachtet. Die Umsetzung einiger Rechte und Gesetze, abgeleitet von Koran und Sunna, ist aus der Sicht des theologischen eǧtehāds, eǧtehād-i feqhī, nicht denkbar. Diese Gesetze seien konstant und ihre Änderung stelle die Religion und Geisteswissenschaft infrage. Die Unvereinbarkeit zwischen einer säkularen und einer religiösen Gesellschaft legt die Grenze der Nichtreligiösität und Religiösität fest und führt zur Positionierung der Akteure und zur wesentlichen Unterscheidung zwischen religiös-progressiven, Neu- und konser884 Mūsawī Ḫuʾī, Sayyed Abu l-Qāsim (1422q/2000): Miṣbāh al-Uṣūl, Qom, Vol. 3, S. 443 – 444.; Mūsavī Chomeynī, Sayyed Rūḥollāh (1378/1999): Al-Īǧtihād wa Al-Taqlīd, Tehrān, S. 10-17. 885 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1367/1988), S. 120. 886 Ebd., S. 43. 887 Ebd.
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vativen Denkern. Die religiös-progressiven und liberalen und säkularen unterstützen die neuen und zeitgemäßen Änderungen, sind jedoch für die Tradition und die islamische Kultur und halten sie für ewig gültig. Sie haben einen großen Respekt vor der Beständigkeit der islamischen Werte und Normen.888 Für ʿAlīreżā ʿAlavītabār können die religiösen Werte und Normen nicht jederzeit je nach der Meinung der Menschen geändert werden. Dafür bezieht er sich auf zwei Konstanten der Religion v.a. in den theologischen Auseinandersetzungen und Herangehensweisen, eine dauerhafte und eine dynamische (ṯobāt-i dāʾem und ṯobāt-i pūyā). Die dynamische Konstante ist veränderbar, die dauerhafte jedoch nicht. Damit begründet er die Flexibilität der religiösen Grundlagen.889 Die religiösprogressiven Denker befürworten die dynamische oder veränderbare Konstante der Religion. Dies wird von modernen Denkergruppen als widersprüchlich angesehen. Damit würde die Grenze der Religiosität und Nichreligiösität verwischt. Laut ʿAlavītabār sollen die islamischen Gesetze und Rechte jedoch theologisch zeitgemäß interpretiert werden. Dies bedeutet nach seiner Auffassung nicht die Nachahmung der westlichen Kultur, sondern die zeitgemäße Interpretation der islamischen Lehre und Denkweise.890 Moḥsen Kadīvar hält die Neuinterpretation der Primärquellen des islamischen Rechts für wichtig. Mit der Realisierung dieser Idee finden die traditionsorientierten und reformorientierten eine gemeinsame Sprache, die mit der Anforderung der modernen Welt übereinstimmt und mit den in der Gesellschaft etablierten Traditionen gut vertraut ist.891 2.
Die Notwendigkeit des eǧtehāds dar forūʿ
Die Untersuchung der theologisch-rechtlichen Quellen in Bezug auf Frauen ist mit praktisch-religiösen Rechtszweigen möglich, jedoch nicht ausreichend. Um Scharia zu verstehen und dies theologisch und philosophisch zu begründen, muss sich laut Liberalisten auf die wissenschaftliche Rechtsmethodik und theologische Prinzipien bezogen werden.892
888 889 890 891 892
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Tašakkorī, Zahrā (1381/2002), S. 39. ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/1999), Vol. 58, 9, S. 37. Ebd. Kadīvar, Moḥsen (1387/2008), S. 294. ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/1999), Vol. 58, 9, S. 37.
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Moḥsen Kadīvar distanziert sich von feqh-i sonnatī und eǧtehād dar forūʿ. Er argumentiert mit Verweis auf die Menschenrechte, Demokratie sowie theologische Begründungen und versucht die Bedeutung des eǧtehāds dar mabānī bzw. oṣūl hervorzuheben.893 Eǧtehād dar oṣūl bedeutet für Kadīar die Untersuchung der theologischen Prinzipien gemäß den hermeneutischen Prinzipien sowie die Verwirklichung eines historischen Überblicks über die religiösen Quellen, die Auslegung des Korans als ein wegweisendes und kein absolutes Gesetzbuch, das Betrachten der Scharia als moralische und nicht als rechtliche Norm sowie die Berücksichtigung von vier Prinzipien: Vernünftig, gerecht und moralisch zu sein und sich bei der Wahrnehmung der Scharia effizient zu verhalten.894 Die Umsetzung des theologischen Systems und seine Vereinbarkeit mit der neuen Kultur beschränken sich nicht nur auf die Änderung der Rechtsmethoden und der Rechtszweige. Ohne eine tief greifende Überarbeitung der Rechtsmethoden findet der eǧtehād in praktisch-religiösen Rechtsteilen keine Bedeutung.895 Diese Umsetzung bezeichnet laut ʿAlīreżā ʿAlavītabār die Änderung der Grundlage der Scharia und des Einflusses der theologischen, philosophischen und erkenntnistheoretischen Hypothesen auf das Verstehen und die Wahrnehmung dieser Grundlage.896 Um eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu ermöglichen, sollen die bestehenden unterschiedlichen Vorschriften in Bezug auf die Frauenrechte aus der Perspektive der islamischen Rechtswissenschaft insbesondere des dynamischen feqh betrachtet werden. ʿAlavītabār stuft die Rolle der Geistlichen bei der Interpretation der Quellen als bedeutend ein. Sie, die Geistlichen, bieten mit ihren religiösen Rechtsgutachten die Lösungsvorschläge für eine Verwirklichung der Gleichberechtigung. Die Geistlichen hätten durch ihre Rechtsgutachten sogar die Möglichkeit, die Quali-
893 Kadīvar, Moḥsen (1393/2014): „Eǧtehād va taqlīd“ (Das größtmögliche Bemühen um die Ermittlung der Scharia-Regeln und Nachahmung), online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 894 Kadīvar, Moḥsen (1392/2013): „Ḥoqūq-i zan dar eslām. Az manẓar-i eǧtehād dar mabānī va oṣūl“ (Frauenrechte aus der Sicht der wissenschaftlichen Rechtsauslegung und Rechtsfindungsmethode), in: Ḫat-i ṣolḥ; Eine Nachrichtagentur von Menschenrechtsorganisation Herānā, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 895 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1367/1988), S. 120. 896 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/1999), Vol. 58, 9, S. 37.
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fikation und Kompetenzen der Frauen in der Politik und Führung des Landes zu bestätigen.897 Laut Moḥammad Moǧtahed Šabestarī wird die rechtliche Stellung der Frau in der Theologie, in der Vorstellung und dem Verständnis der Gelehrten und im religiösen Alltagsgebrauch von Koran und Sunna festgelegt. Wenn aber die Rechte der Frauen, abgesehen von der Bedeutung des Korans und der Sunna, aus der historischen Perspektive betrachtet würden, könnten sie noch revidiert und verändert werden.898 Die Auseinandersetzung zwischen traditionellem und dynamischem feqh hat keine Konsequenz, solange der dynamische feqh noch nicht als eine anerkannte Quelle verankert ist.899 Dementsprechend wird eine Debatte zwischen traditionellem und dynamischem feqh geführt. Solange die Gelehrten sich auf traditionelle Sichtweisen stützen, kann keine Reform der religiösen Paradigmen erwartet werden. Erst eine Praktizierung der Religion unter den von außen beeinflussten und selbst reflektierten religiösen Erkenntnissen führe zur Entwicklung einer neuen Perspektive der Religion. Die Verwirklichung der Frauenrechte sowie die Reform der islamischen Quellen seien mit eǧtehād dar oṣūl verwirklicht. Damit ist die Trennung des Wesens der Religion von religiösen Anweisungen gemäß den aktuellen Anforderungen gemeint. In einer präzisen Analyse der religiösen Quellen und ihrer historischen Hintergründe finden die iranischen Akteure heraus, dass sogar die Gründer der Religion, die Propheten, von der kulturellen und gesellschaftlichen Situation ihrer Zeit beeinflusst waren und sich dies in der Religion widerspiegelt.900 Die Ungerechtigkeiten im Erbrecht, in der Zeugenaussage, im Blutgeld usw. entsprachen der Situation der Frauen in der damaligen Zeit und der gesellschaftlichen Struktur des patriarchalen Systems. Nach dem Tod des Propheten fand keine Weiterentwicklung dieses Prozesses im kanonischen Recht statt. Die Emanzipation der Frauen wurde durch die Verbreitung der männlichen Dominanz, wie z.B. im Sorgerecht und bei der Polygamie, sowie durch die Benachteiligung der Frauen in der Rechtsprechung vernachlässigt und
897 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1388/2009a), in: Āftāb, 24, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. 898 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1378/1999b), Vol. 57, 8, S. 19. 899 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1378/1999), Vol. 58, 9, S. 37. 900 Malekiyān, Moṣṭafā (1379/2000), Vol. 64, 3, S. 32−37: 33.
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zerrüttet.901 Die iranischen Akteure stellen sich dementsprechend die Frage nach der Unvereinbarkeit der verabschiedeten Gesetze vom Propheten mit der aktuellen Zeit und fordern eine Reform, die von Nachfolgern und Vertretern des Propheten erwartet würde. 3.
Die zeitgemäße Interpretation der Religion nach den Idealen des Humanismus
Die iranischen Gesellschaftsakteure stellen die Verwirklichung der Modernität und eine moderne Interpretation von Religion vor und beschreiben dabei die Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft Irans. Die konservativen Gruppen behaupten, dass der Islam und seine Botschaft mit der zeitgenössischen Kultur und den gesellschaftlichen Veränderungen übereinstimmten. Die Menschen sollten trotz ihres begrenzten Wissens im allgemeinen Sinne den Islam verstehen. Laut ʿAbdolkarīm Sorūš sind jedoch die Kriterien der Gerechtigkeit meistens von den Grundprinzipien der Moderne abgeleitet. Wenn die Religion bzw. Gerechtigkeit nach diesen Kriterien interpretiert wird, soll sie sich den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen anpassen können. Die Religion habe früher einen großen Einfluss auf das Leben und die Entscheidung des Menschen gehabt. Heute soll die Religion nach zeitgemäßer Vorstellung präsentiert werden. Nach Sorūš ist es die Aufgabe der Scharia, sich diesen modernen Rahmenbedingungen anzugleichen.902 Um die Religion aus philosophischen, mystischen, theologischen und wissenschaftlichen Perspektiven zu begründen und verstehbar zu machen, liegt es an den Religionsvertretern, einen rationalen, für alle iranischen Staatsbürger streitbaren Diskurs im Hinblick auf ihre Entwicklung, Aktualität und Bedeutung für die morderne Gesellschaft zu führen.903 Die Verbreitung der Religion sei die Aufgabe der Menschen und sei von ihren rationalen Entscheidungen und der menschlichen Recht-sprechung geprägt.904 Die menschliche Interpretation in der aktuellen Zeit sei tatsächlich eine neue Offenbarung. Diese Offenbarung entwickle sich durch die Wahrnehmung des Men901 Kār, Mehrangīz (1378/1999b), S. 42 f.; ʿAlīǧānī, Reżā (1376/1997): „Vāpasīn negarānī-hā-yi peyāmbar“ (Die letzten Sorgen des Propheten), in: Īrān-i fardā, 35, 6, S. 43. 902 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1373/1994), S. 248. 903 Ebd., S. 315. 904 Ebd., S. 53.
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Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken
schen und sein auf Vernunft basierendes Verständnis der Religion.905 Nach Dāvūd Mahdavīzādegān würde die Religion ihre ewige Bedeutung verlieren, wenn sie sich nicht an die Moderne bzw. die Wissenschaft der aktuellen Zeit anpassen könnte. Der moderne Verstand strebt nach aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnissen und ließe sich nicht auf religiösen Glauben beschränken.906 Die Menschen interpretieren die Religion aus ihrer geisteswissenschaftlichen Perspektive unabhängig von Koran und Sunna. Der Mensch begehe Fehler, jedoch suche er nach Lösungen, seine Fehler zu beheben und verbessere auf diesem Wege die Rechte und die Gesetze.907 Die Frauenrechte bedürften laut Sorūš einer Erneuerung und sollten sich dem Grundsatz der Menschenrechte und dem modernen Verständnis und seinen Erfahrungen angleichen. Die neue Erwartung an die Frauenrechte sei natürlich nicht mit den alten Vorstellungen vereinbar.908 Die Frauenfrage wird heute aus der Perspektive der Reformdenker in einer Kombination mit anderen Themenbegriffen wie Religion und Menschenrechte, Religion und Demokratie, Religion und Gleichberechtigung sowie Religion und Freiheit zur Diskussion gestellt. Diese Einstellung wird aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit den religiösen Grundprinzipien von Konservativen abgelehnt. Die konservativen Gelehrten, wie Šayḫ Fażlollāh Nūrī während der Konstitutionellen Revolution 1906 und in aktueller Zeit Meṣbāḥ Yazdī, widersprechen aus ihrer religiös-traditionellen Sichtweise einer Verbindung der Religion mit Demokratie und Freiheit. Die Muslime benötigten keine weiteren Gesetze nach westlichen Vorbildern, weil sie sich auf die Scharia bzw. auf islamisches Recht stützen könnten. Diese Einstellung wird zum Teil von religiös-progressiven Denkern wie Kadīvar und Bāqī befürwortet. Die Frauenfrage solle aus ihrer Perspektive auf der Basis der Beziehung zwischen Religion und moderner Welt zur Diskussion gestellt werden.909 Laut Reżā ʿAlīǧānī führt die zeitgemäße und moderne Perspektive auf die Religion zu einer Doppeldeutigkeit. Die Verse im Koran bezüglich der Rechte der Männer bei der Scheidung und sogar ihr Recht auf Gewaltaus-
905 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1376/1997): „Tafsīr-i matīn-i matn“ (Die besonnene Interpretation der religiösen Vorschriften)-(wie Sorūš es konstatiert, „Be madad-i malak-i ʿaql-i ʿaṣr, az ʿarš-i matn be farš-i taʿbīr“), in: Kiyān, 38, S. 9. 906 Mahdavīzādegān, Dāvūd (1379/2000): Az qabż-i maʿnā ta basṭ-i donyā (Von Belegen der Bedeutung bis zur Erweiterung der Welt), Tehrān, S. 83. 907 Ebd., S. 94 f. 908 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1378/1999), Vol. 59, 10, S. 32−37. 909 ʿAlīǧānī, Reżā (1386/2007), S. 99 ff.
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Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
übung gegenüber einer Frau haben politische, individuelle, sowie geistige und kognitive Grundlagen. Die islamischen Gelehrten haben insofern unterschiedliche Meinungen, da sie einige Verse des Korans nur zeitlich begrenzt kennen. Diese Verse entsprechen heute aufgrund der kulturhistorischen Hintergründe nicht mehr den Rahmenbedingungen der modernen Gesellschaft.910 Außerdem beeinflussten politische und kulturelle Strömungen die religiösen Erkenntnisse. Die iranischen Reformdenker interpretieren den Koran und die religiösen Vorschriften nach ihren individuellen und ideologischen Perspektiven. Während die Konservativen eine Uneindeutigkeit des Korans unter der Voraussetzung bedingungslosen Glaubens akzeptieren, definieren Reformer eine solche Akzeptanz als Instrumentalisierung der Religion.911 4.
Die Trennung des Korans von späteren Auslegungstraditionen
Der Koran als das Wort Gottes ist das Fundament des Islams. Nach dem Koran gilt die prophetische Tradition Sunna als wichtigste Quelle seiner Erkenntnis. Der Koran wurde direkt an Muḥammad offenbart. Die Sunna wurde später dokumentiert. In aktueller Zeit versuchen die reformorientierten Gelehrten den Koran ohne Sunna zu verstehen. Für sie ist der Koran die einzige anerkannte und ewige Quelle. Laut Moḥsen Saʽīdzādeh ist qeṣāṣ eines Mordes ohne Berücksichtigung des Geschlechtes des Mörders und des Ermordeten Gottes Befehl, worauf im Koran explizit hingewiesen wird.912 Reżā ʿAlīǧānī kritisiert einzelne Auslegungen wie bspw. das Erbrecht der Frau nach dem Tod ihres Mannes als kulturbezogenen und historisch.913 Aus diesem Grund werden aḥādīṯ (Pl. von arab. ḥadīṯ, Überlieferungen), die im Gegensatz zu den koranischen Versen stehen, für ungültig erklärt.914 Die religiös-progressiven Denker verweisen insofern auf die
910 Ebd., S. 102. 911 Ebd., S. 105. 912 Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen (1376/1998): „Āyā zan-i maqtūl az mard-i qātel kamtar ast?“ (Ist eine ermordete Frau weniger Wert als ein Mörder?), in: Zanān, 39, 6, S. 24. 913 ʿAlīǧānī, Reżā (1386/2007), S. 99−100: 100. 914 Movvaḥed Šarīʿatpanāhī, Žīlā (1374/1995): „Taḥqīqī dar mored-i qeṣāṣ az dīdgāh-i Qurʾān“ (Eine Untersuchung über Vergeltung aus der Sicht des Korans), in: Īrān-i fardā, 19, S. 53−55.
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Systematische Untersuchung der Stellung der Frau im gegenwärtigen Denken
bedeutungsvollen Aussagen des Korans. Die Diskussion zwischen koranischen und prophetischen Offenbarungen sind von diesen Denkern angesprochene Themen. Ist die Aussage des Propheten genauso anerkannt, wie die Aussage des Korans? In Sūrat āl ʿImrān Vers 5 werden die Menschen angewiesen, bei Uneindeutigkeit des Korans einen Weg in der Wissenschaft zu suchen. Saʿīdzādeh unterstellt die Deutung der foqahā dem menschlichen, subjektiven Verständnis, das von göttlichen Grundlagen abgeleitet wäre und sich als Scharia verankert hätte. Es gäbe keine Stelle im Koran, in der die Höhe des Blutgeldes in Abhängigkeit vom Geschlecht festgelegt würde. Die fehlenden Informationen führten dazu, dass Entwicklungen der Rechte und Gesetze durch Menschen vorgenommen, aber Gott zugeschrieben würden.915 Das dargestellte Frauenbild im Koran gleicht nicht dem Bild im islamischen Recht. Moḥsen Kadīvar verweist auf zwei Frauenbilder. Das erste Bild formuliert die Gleichheit der Geschlechter nach der Sūrat al-Ahzāb Vers 35. Nach seiner Auffassung wird aus diesem Vers ein dem Prophet zugeschriebenes Frauenbild abgeleitet und in der islamischen Rechtswissenschaft institutionalisiert. Das zweite Bild stellt ein abhängiges, schutzbedürftiges, zweitklassiges sowie verletzliches Wesen dar, das mit vermeintlich geringerem Verstand und mit einem schwachen Willen ausgestattet ist.916 Kadīvar betrachtet die Situation der Frauenrechte nach den koranischen Suren mit Hinweis auf die Entstehungsquellen in Mekka und Medina. Die mekkanischen Suren reflektieren die Botschaft Gottes auf Muḥammad, die nicht veränderbar sind. Jedoch charakterisieren die später offenbarten Suren in Medina die Führung der Gemeinde und können je nach Zeit und Ort umgedeutet werden.917 Die islamischen Normen wurden nach seiner Auffassung aufgrund der Maßstäbe der damaligen Zeit und Gesellschaft (in der Zeit der Offenbarung) an die Gerechtigkeit akzeptiert, und nicht nur, weil sie vom Propheten festgelegt wurden.918 Für die iranischen Akteure ist die Frauenproblematik ein national wie international vielbeachtetes, kontrovers diskutiertes sowie zukunftsweisendes und rechtspolitisch innovatives und bedeutsames Thema. Nicht nur alleine der Einfluss von Religion, sondern die kulturellen Hintergründe
915 916 917 918
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Saʿīdzādeh, Sayyed Moḥsen (1376/1998), Vol. 39, 6, S. 23. Kadīvar, Moḥsen (1387/2008), S. 298. Ebd., S. 310. Ebd., S. 290.
Fünftes Kapitel: Diskurs und Entwicklung des Islamischen Feminismus im Iran
sind die Gründe für die Benachteiligung der Rechte von Frauen. Dazu kommt noch die Schwelle zwischen Tradition und Moderne, die manche Gesellschaften in einem retardierenden Moment verharren lässt, um Themen und Gesetze zu analysieren und wenn möglich zeitlich zu integrieren. Die herrschenden Normen und Werte abgeleitet von religiösen Vorschriften, Tradition und ʿOrf brauchen Zeit, sich der modernen Struktur von Gesellschaften anzupassen oder wie es sogar bei Erwägung des Inhalts der Arbeit festzustellen ist, rufen Komplikation hervor und führen zu rechtlichen Benachteiligungen. Dies ermöglichte eine Diskussionsatmosphäre unter Denkern und Akteuren angesichts ihrer Denkweise, womit sich diese Dissertation eingehend beschäftigt. Im Fazit werden die Ansätze einiger liberal-säkularer Denker vorgestellt, die daran glauben, dass die Reform der iranischen Gesellschaft seit der Islamischen Revolution und die Bedeutung der Elemente wie Demokratie und Menschenrechte auf die Frauenrechte Einfluss nehmen, wenn diese unabhängig von religiösen Vorschriften interpretiert werden.
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Sechstes Kapitel: Fazit
A.
Zusammenfassung
Islamischer Feminismus ist ein vom westlichen Konzept abgeleiteter Feminismus, welcher die Gleichberechtigung der Geschlechter unter Berücksichtigung der islamischen Rahmenbedingungen fordert und auf die im Koran angelegte Gleichheit verweist. In Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit beziehen sich die muslimischen Feministinnen nicht unbedingt auf den Islam, wobei die islamischen Feministinnen auf Basis der koranischen Quellen argumentieren. Die Etablierung einer gendergerechten Gesellschaft, in der Frauen ihre Religion und gleichzeitig all ihre Rechte individuell praktizieren können, ist das Ziel des Islamischen Feminismus. Er fordert außerdem die Selbstbestimmung und aktive Teilnahme von Frauen an der Gemeinschaft. Eines der bedeutungsvollsten Ziele der islamischen Feministinnen ist die Entwicklung einer Koranexegese aus weiblicher Sicht. Die Trennung der Religion von patriarchaler Kultur und Tradition steht im Zentrum des Diskurses. Der Islamische Feminismus ist ein vermittelndes Element zwischen Tradition und Moderne und gleichzeitig eine neue Möglichkeit für die zeitgemäße Interpretation der Religiösen und der religiös geprägten Normen. Die Aktivistinnen kritisieren die patriarchalen und männerdominierten Auslegungen der islamischen Quellen, die im Iran seit den 1990er-Jahren von unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen diskutiert und als eine der Ursachen für Ungleichheit und Ungerechtigkeit verstanden werden. In dieser Arbeit wurde nachgewiesen, dass die Impulsgeber und Unterstützer der Frauenrechte im Iran nicht nur Frauen sind. Auch männliche Akteure mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Hintergründen setzen sich für die Frauenrechte ein und nehmen für sich in Anspruch, die islamischen Quellen zeitgemäß (je nach ihrer Denkrichtung) zu reformieren. Dabei wurden drei Gruppen als denkende Akteure ausgemacht. Neben den Konservativen, welche die Verabschiedung der Gesetze im Iran sehr stark beeinflussen, gibt es religiös orientierte aber progressive Denker (u.a. Theologen, Hermeneutiker, Akademiker, Schriftsteller), die sich für die Verbesserung der Frauenrechte mit Rücksicht auf religiöse 249
Zusammenfassung
Quellen einsetzen. Die Ideologie und die Denkansätze dieser Denker sind teilweise von westlichen Strömungen abgeleitet. Seit Beginn der Präsidentschaft Moḥammad Chātamīs 1997 engagiert sich eine Minderheitengruppe, die liberal-säkulare, für die Frauenrechte. Für sie gehört der feministische Diskurs in den Bereich des westlichen, säkularen Denkens und sie begründen ihre Betrachtungsweise unabhängig von religiösen Vorschriften. Obwohl die Unvereinbarkeit des Islams mit dem Feminismus von modernorientierten religiösen Denkern kritisiert wird, bedeutet dies für liberal-säkulare Denker eine Unterstützung der Frauenrechte und keine Nachahmung westlicher Kultur. Sie sehen die Bewegung des Feminismus als eine Innovation, die jede Gesellschaft im Laufe ihrer politischen Entwicklung benötige. Die Analyse und Gegenüberstellung der Denkstrukturen dieser Denker bietet eine Plattform für die Diskussion über die Benachteiligung von Frauen in einer islamischen Gesellschaft und für die Suche nach einer Reform und einer Verbesserung der Stellung von Frauen. Die Vielzahl und die Heterogenität der am Diskurs beteiligten Akteure ist ein positiver Aspekt, da anhand der männlichen Partizipation an diesem Diskurs die Enttabuisierung des Feminismus bewiesen wurde. Diese Arbeit gab einen umfassenden Überblick über die bedeutenden schiitischen rechtlichen Quellen, die iranische Verfassung und das islamische Zivilgesetzbuch bezüglich der Frauenrechte. Hier wurde die Relevanz des Islamischen Feminismus im Iran und in einer schiitischen Gesellschaft hervorgehoben. Es wurden die Stellen herausgearbeitet, welche die Beschränkung der Rechte der Frauen und die Ungleichbehandlung der Geschlechter begründen. Hierzu war es zunächst notwendig, einen Überblick über die Aktivitäten und die Einflussnahme der männlichen Akteure in und auf die iranische Gesellschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Islamischen Revolution 1979 zu geben und die Gründe der Entstehung des Islamischen Feminismus zu erläutern. Bevor sich die Arbeit grundsätzlich mit dem Diskurs der Frauenrechte aus Sicht der drei Gruppen der männlichen Denker (konservative, religiös-progressive Denker und liberal-säkulare) beschäftigte, wurden die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und die Rolle der Regierungsakteure und Denker bei der Gestaltung der Frauenrechte nach der Islamischen Revolution vorgestellt. Die Problematik der Frauenfrage liegt für die iranischen Denker in den kulturellen, gesellschaftlich-politischen sowie rechtlich-theologischen Bedingungen, die zu Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung der Geschlechter führen. Um diese Problematik sy-
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Sechstes Kapitel: Fazit
stematisch zu untersuchen, beleuchtete diese Arbeit die philosophischen, religiösen sowie rechtsmethodischen Grundlagen der Denker. Die heterogenen Gruppen von Denkern sehen und analysieren die Frauenrechte aus dem eigenen Blickwinkel. Die Verwirklichung der Gleichheit und Gerechtigkeit unter Muslimen steht im Vordergrund ihrer Ziele. Dabei berufen sie sich auf Humanität, Menschenrechte und Säkularisierung. Die Aktualität der Gesetze und ihre Vereinbarkeit mit den Menschenrechten sind in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Die religiös-progressiven und die liberal-säkularen versuchen durch diesen neuen Denkansatz, eine zeitgemäße Lesart des Korans (aus humanistischer Perspektive) zu entwickeln. Um die gleichen Rechte für Männer und Frauen anzuerkennen, sind die Flexibilität zwischen Scharia und Rechtsfindung und die Positionierung der Religion zu Menschenrechten und Demokratie zu beweisen. Dies fordert eine neue Handhabung des eǧtehāds, um eine Form des Dialoges zu führen und ein neues Bild der Religion zu entwerfen, dessen feste Bestandteile Gleichheit und Gerechtigkeit sind. Die Dissertation reflektiert die Denkansätze und Lösungsvorschläge der männlichen Denker zur Reformierung der Frauenrechte. Es bleibt offen, ob sie sich in diesem Zusammenhang als Feministen bezeichnen können, ob Feminismus an sich (wie seine westliche Vorstellung) als eine Bewegung im Iran anerkannt ist, ob die Gesellschaftsakteure und Meinungsführenden in ihren jeweiligen Positionen die Gesetzesrevision unabhängig vom islamischen Kontext verwirklichen und die Anregung einer Geschlechtergerechtigkeit (gemäß internationaler Erwartungen und nach globalen Menschenrechtskriterien) für sich in Anspruch nehmen können. Angesichts der politischen Lage ist es kaum vorstellbar, die Aspekte des Islamischen Feminismus zeitgemäß zu analysieren, ohne die klassische islamische Methodologie, wie z.B. die selbstständige Interpretation des Korans und die Rechtsfindung der Rechtsgelehrten, zu beachten. Als Ergebnis der Analyse ist eindeutig festzustellen, dass Politik und Religion zwei parallel laufende Elemente in der iranischen Gesellschaft sind, d.h. eine Säkularisierung unmöglich ist. Die zugestandene Freiheit des Einzelnen ist sehr abhängig von der Entscheidung und Mitwirkung der Regierungsakteure und der Dauer ihrer Legislaturperiode. Die Durchführung jeglicher Änderungen im politischen und gesellschaftlichen sowie rechtlichen System unterliegt der Entscheidung des Staates. Diese Entscheidung ist abhängig von der politischen Lage und ist nicht von der Religion trennbar. Die Lösungsstrategie der Denker bzw. die Neuformulierung des islamischen Kontextes wird 251
Ausblick
aufgrund der Reformabsicht und der Herleitung der neuen Paradigmen von den Regierungsakteuren, v.a. den Konservativen, kritisiert. Unter ʿAlī Akbar Hāšemī Rafsanǧānī und Moḥammad Chātamī herrscht eine offene politische Atmosphäre, in der die Frauen sogar hohe gesellschaftliche und politische Positionen einnehmen können. Die religiösprogressiven und die liberal-säkularen Denker konnten sich damals frei für Frauenrechte einsetzen und die Frauenfrage offen diskutieren. Mit der Präsidentschaft von Maḥmūd Aḥmadīnežād wurde diese Phase beendet. Die Stagnation der Entwicklung der Frauenrechte, die Einschränkungen der Aktivitäten der Frauen in der Politik, die Festnahme der Anwältinnen und die Flucht iranischer Denker ins Ausland aufgrund der unsicheren Lage und der brutalen Reaktionen der Regierung führen dazu, dass viele Menschenrechts- und Frauenorganisationen die Hoffnung auf eine Reformbarkeit des iranisch-islamischen Staates verlieren.
B. Ausblick Ḥasan Rowḥānī wurde im Juni 2013 dank der Stimmen der Reformer zum Präsidenten gewählt. Seine Wahlparole lautet „Besonderheit und Hoffnung“. Sein Amtsantritt am 3. August leitet offiziell einen bedeutenden Wandel der iranischen Politik ein. Rowḥānī kritisiert die Zensur, die iranische Behörden online vornehmen. Ein freier Zugang zum Internet wird von ihm gefordert. Er kritisiert seinen Vorgänger Maḥmūd Aḥmadīnežād, der die Freiheit und die Rechte der Menschen ignorierte. Aber selbst in der Ministerriege des reformfreudigen Rowḥānī gibt es, anders als bei seinem konservativen Vorgänger Aḥmadīnežād, bislang keine einzige Frau.919 Ḥasan Rowḥānī verspricht auf internationaler Bühne innenpolitische Reformen, eine Öffnung der iranischen Politik gen Westen und stellt politische Anstrengungen in Aussicht, Meinungs- und Pressefreiheit sowie eine gesicherte Privatsphäre der iranischen Bürger durchzusetzen. Auch die Gleichberechtigung der Geschlechter ist für ihn von großer Bedeutung.920 Laut der Süddeutschen Zeitung spricht sich Rowḥānī in einer Re919 Gehlen, Martin (2015): „Erstmals vertritt eine Frau den Iran“: Zeit, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 920 Frankfurter Allgemein – Politik (2013): „Künftiger Präsident Rohani verspricht mehr Freiheiten“, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. Süddeutsche Zeitung (21.04.2014): „Präsident Rohani will Frauenrechte stärken“, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Oktober 2015]. Die Innenarchitektin hatte 2007 einen Chirurgen − nach eigenen Angaben in Notwehr -erstochen. Der Mann habe sie vergewaltigen wollen. Sowohl Ğabbārīs Anwälte als auch Menschenrechtsorganisationen kritisierten, dass der Fall nicht ausreichend untersucht und somit kein faires Verfahren garantiert worden sei. Späth, Lena (2014): „Menschenrechte unter Hassan Rohani: Reformen oder alles wie immer?“, in: Irananders Kontrastreich & Differenziert, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. Ebd. Ebd.
253
Ausblick
Positionen, die bislang nur den Männern vorbehalten waren. Sie stehen an der Spitze großer Unternehmen, arbeiten als Bus- und Taxifahrerinnen und besetzen Posten in der Verwaltung. In der 6. Ausgabe des Iran-Reports der Heinrich-Böll-Stiftung von 2015 wird über die hohe Arbeitslosigkeit (ca. 82 Prozent) unter alleinstehenden Frauen im Iran berichtet. Zu dieser Gruppe zählen Geschiedene, Witwen und Frauen, die das normale Heiratsalter überschritten haben. Šahīndoḫt Mollāverdī, Vizpräsidentin und zuständig für Frauen und Familie, spricht am 21. Mai 2015 über die Verbesserung der Lage der Frauen mittels einer politisch und verwaltungstechnisch verwirklichten Geschlechtergerechtigkeit. Sie plädiert für Gerechtigkeit anstatt Gleichheit.926 Lena Späth schreibt dazu: Die Stellung der iranischen Frau wird sowohl von einheimischen als auch internationalen Organisation immer wieder kritisiert. Auch der aktuelle Bericht des UN-Menschenrechtsbeauftragten für Iran, Ahmad Shaheed, äußert sich besorgt. Neben benachteiligenden Gesetzen betrifft dies v.a. die mangelnde Repräsentation von Frauen im wirtschaftlichen und politischen Leben. So machen Frauen nur 16 Prozent der Arbeitskräfte und nur 17 Prozent aller Führungskräfte, Abgeordneten und hochrangigen Beamten aus. Nur drei Prozent der Parlamentarier sind weiblich. Präsident Rouhani setzte jedoch mit der Ernennung von drei Frauen zu Vizepräsidentinnen ein anderes Zeichen. Auch im häuslichen Umfeld gestaltet sich das Leben der Frauen teilweise schwierig. So wurden 66 927 Prozent aller iranischen Frauen in Iran bereits Opfer häuslicher Gewalt.
Angesichts der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen und Umwälzungen seit der Islamischen Revolution bis heute, ist die Realisierung einer gendergerechten Gesellschaft im Iran immer noch nicht vorstellbar. Die Aufnahme der Frauen in Ministerpositionen ist abhängig von der politischen Lage und den in den Führungspositionen agierenden Politikern, je nach ihrer politischen Reformbereitschaft und ihrer Zugehörigkeit zu Liberalen und Reformgruppen. Außerdem ist die Präsidentschaft einer Frau immer noch kritisch, da gemäß iranischer Verfassung nur ein Mann diese Position besetzen darf. Das Amt eines religiösen Führers kann von einer Frau trotz hoher religiöser und theologischer Ausbildung nicht
926 Nirumand, Bahaman (2015): „Iran-Report”, Berlin: Heinrich Böll Stiftung, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 927 Späth, Lena (2014): „Menschenrechte unter Hassan Rohani: Reformen oder alles wie immer?“, in: Irananders Kontrastreich & Differenziert, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015].
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Sechstes Kapitel: Fazit
eingenommen werden. Die Besetzung einer Position im politischen System steht den Familienangehörigen der Geistlichen und Konservativen zu. Marżīeh Afḫam ist seit 1982 im Außenministerium tätig und wurde unter Chātamī Leiterin der Presseabteilung. Unter Rowḥānī und im Laufe der Atomverhandlung in Lausanne wurde sie als erste Frau auf eine solche Spitzenposition seit der Entstehung der Islamischen Republik zur Botschafterin befördert. Die Spitzenjobs in der Regierung, Politik und Wirtschaft bleiben jedoch nach wie vor reine Männerdomäne.928 Die Frauen verfügen über ungenügende Rechte in der Islamischen Republik. Die Verwirklichung von Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte mit Rückbesinnung auf islamische Werte und Normen wird während der Präsidentschaft von Moḥammad Chātamī unter dem Schlagwort der Förderung der Zivilgesellschaft929 sehr stark diskutiert. Diese kurzfristig offene, politische und gesellschaftliche Atmosphäre, die mit dem Amtsantritt von Präsident Maḥmūd Aḥmadīnežād ihr Ende findet, erlaubt es iranischen Intellektuellen, sich mit Verweis auf die neuen Denkansätze v.a. im Bereich der Frauenrechte zu engagieren und dort neue Argumentationsansätze zu finden. Die Denker mit national-religiösen Tendenzen (mellī-maẕhabī), die sich bisher den religiös-progressiven Denkern zugehörig sahen, stellen sich nun als liberal-säkulare vor und streben eine Reform der Gesellschaft und Politik an. Darüber hinaus beschäftigen sich die liberalen-säkularen Denker mit einer neuen Definition der Religion, welche die Verwirklichung einer Zivilgesellschaft in einer pluralen Gesellschaft unabhängig von der Religion ermöglicht. Sie laden alle Denker ein, sich an dieser Diskussion zu beteiligen und ihre Reformvorschläge für die Einrichtung einer gendergerechten Gesellschaft zu unterbreiten, um jegliche Diskriminierung in Gesellschaft, Politik und Recht abzuschaffen. Sie betonen die Bedeutung des Feminismus und den dadurch entstehenden Dialog für die iranische Gesellschaft.930 ʿAlīreżā ʿAlavītabār stellt die historisch-traditionellen Sichtweisen von Fundamentalisten infrage, wobei er sich auf die essentiellen und akziden-
928 Gehlen, Martin (2015): „Erstmals vertritt eine Frau den Iran“, in: Zeit, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 929 Mottaqī, Moḥsen (1380/2001), Vol. 4, 19, S. 510. 930 ʿAlavītabār, ʿAlīreżā (1388/2009b), Vol. 38, S. 41−49.
255
Ausblick
tiellen Aspekte der Religion bezieht, um die historischen Einflüsse der religiösen Lehre abzugrenzen. Eine Religion dürfe jedoch nicht aus geschlechtspezifischer Perspektive betrachtet werden bzw. es dürfe keine einseitig männliche oder weibliche Interpretation der Religion vorgenommen werden. Die Gesprächspartner in jeder Religion seien die Menschen, unabhängig ihres Geschlechts.931 Der Islamische Feminismus sei laut ʿAlavītabār eine Einladung zu neuer Auslegung der religiösen Vorschriften, v.a. historischer Quellen, um jegliche Verbreitung patriarchaler Denkweisen und Tendenzen zu unterbinden. Im Islamischen Feminismus liege der Fokus nicht auf der Religiösität, sondern auf den rechtlichen Werten. Die modernen Kriterien, wie Menschenrechte und Demokratie, würden Frömmigkeit und Religiosität jedoch nicht ausschließen. Der Islamische Feminismus setze sich für eine rechtliche und gesellschaftliche Gleichheit auf der Basis religiöser Normen und Anschauungen ein. Für die Beteiligten seien die islamische Rechtswissenschaft und die Scharia akzidentiell, sie veränderten sich mit der Zeit.932 Reżā ʿAlīǧānī verweist auf die religiöse Sprache, in der Gesetze im Iran verabschiedet werden und vertritt die Meinung, dass Gesetze unabhängig von islamischer Jurisprudenz und einer traditionellen Perspektive ratifiziert werden sollten. Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit entsprechen seiner Vorstellung und seinem Ziel einer religionsunabhängigen Rechtsfindung.933 Dāryūš Šāyegān934 kritisiert die Tradition und behauptet, sie sei mit der westlichen Ideologie und dem normativen Denken nicht vereinbar. Er weist dabei auf die Auseinandersetzung der Geistlichen bei Gericht hin, wenn sie sich in ihrer Argumentation unter Heranziehung koranischer Verse auf Marx und Freud beziehen; wenn sie versuchen, Demokratie und Islam mit unterschiedlichen Begründungen in Einklang zu bringen; wenn sie das Gebet zum Sport, die Reinigung zur Hygiene und das Fasten zur Diät erklären.935
931 932 933 934
Ebd. Ebd. ʿAlīǧānī, Reżā (1387/2008), Vol. 15, S. 62. Ein iranischer Denker, Theoretiker und Philosoph für Komparatistik, der in Paris an der Sorbonner Universität studierte. An der Universität Teheran war er Dozent für Indologie und Sanskrit sowie indische Religionen. Er wurde im Jahr 2009 mit dem Preis „Globaler Dialog“ ausgezeichnet. 935 Šāyegān, Dāryūš (1356/1977): Āsiyā dar barābar-i ġarb (Asien gegenüber dem Westen), Tehrān, S. 51 ff.
256
Sechstes Kapitel: Fazit
Die Zivilgesellschaft ist ein Äquivalent der westlichen Moderne und sorgt für geistigen und materiellen Aufschwung, der sich in den letzten fünfzehn Jahren in 936 Iran v.a. unter den konservativen und religiös-liberalen Akteuren entwickelte.
Kadīvar stimmt der Verwirklichung einer Zivilgesellschaft zu, hält aber auch die Beteiligung der islamischen Kultur und Religion dabei für existenziell. Er bezieht sich auf Sorūš und Šabestarī, welche die modernen westlichen Herangehensweisen zur Entwicklung einer Gesellschaft akzeptieren und die Demokratie als eine Staatsform unabhängig von jeglichen religiösen oder nichtreligiösen Werten verstehen.937 Die Anerkennung und Akzeptanz der Gleichheit und der Gleichberechtigung unter den Menschen ist die Hauptgrundlage einer zivilen Gesellschaft. Und das wird von diesen Denkern gefordert. Sowohl die religiösen als auch die nichtreligiösen Denker streben nach der Vereinbarkeit von Religion und gesellschaftlicher Ordnung, die zum Teil mit internationalen Maßstäben gemessen werden kann und trotzdem mit den islamischen Werten übereinstimmt. Die folgenden Ansätze, wie die neue Definition von Religion, die Vereinbarkeit und Unvereinbarkeit von Religion mit der Zivilgesellschaft und dem Pluralismus sowie die Entstehung eines Dialogs, sind die Lösungsstrategien der Liberal-Säkularen beim Aufbau einer demokratischen, freien und gerechten Gesellschaft.
I.
Neue Definition von Religion
Zwischen Tradition und Moderne sowie alten und neuen Normen kann eine Vereinbarkeit hergestellt werden, wenn die Religion aus einer neuen erweiterten Perspektive betrachtet wird. Vor der Revolution engagieren sich die iranischen Denker wie Šarīʿatī für die Vereinbarkeit der Religion mit einer modernen populären Ideologie wie dem Marxismus, während sich die zeitgenössischen Denker v.a. nach der Islamischen Revolution für die Präsentation einer zeitgemäßen und neuen Lesart der Religion einsetzen. Ihre Ziele sind die Erarbeitung der fehlenden und die Beseitigung der ungerechten Aspekte in der Religion.938 936 Vgl. Hajatpour, Reza (2002), S. 57 f. 937 Kadīvar, Moḥsen (1379): Ğāmeʿeh-yi madanī be maṯābeh yek raveš (Zivilgesellschaft als eine Methode), Tehrān, S. 269. 938 Mottaqī, Moḥsen (1380/2001), Vol. 4, 19, S. 13.
257
Ausblick
Moǧtahed Šabestarī beschäftigt sich in seinen Niederschriften mit der Beziehung zwischen Verstand und Offenbarung, Politik und Religion, Glaube und Freiheit. Šabestarī ist von westlicher Philosophie und Hermeneutik geprägt, legt eine zeitgemäße Interpretation der religiösen Vorschriften vor und erwartet von den Akteuren, sich mit einer wohlwollenden Lesart des Korans zu befassen.939 Sorūš kritisiert die Auslegung des Korans durch den Menschen und behauptet, dass die durch die Auslegung entstandenen unvollständigen religiösen Schlussfolgerungen ein Grund für die vorhandene Ungerechtigkeit seien. Beim Ziel der neuen Interpretation der Religion, laut Sorūš, ging es nicht nur darum, die bestehenden Konflikte zwischen traditioneller und dynamischer Rechtswissenschaft zu beseitigen und damit die Wahrheit zu relativieren oder zu verleugnen. Es gehe darum, die Religion verständlicher zu machen und ihre Bedeutung umzusetzen.940 Die Aufgabe der Akteure sei es, die Religion vom Staat zu trennen, d.h. die Religion von einer nach der Rechtswissenschaft feqh interpretierten Auslegung, die mit den Rahmenbedingungen des Staates und der Politik nicht übereinstimmt, zu befreien. Die Interpretation der Religion ist eine langfristige Aufgabe für die Gelehrten, die mit dem Konzept der Freiheit in Widerspruch steht. Eine Zusammenführung von Religion und Politik in der Konstellation einer Republik wie der Islamischen Republik Iran, ist keine gute Basis für Gleichberechtigung. Eine Kombination der Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte mit der Religion werden von einigen Denkern, z.B. Kadīvar, infrage gestellt. Der Islam kann nach seiner Meinung nicht mit den Maßstäben einer demokratischrepublikanischen Staatsform übereinstimmen.
II. Die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von Religion und Zivilgesellschaft aus Sicht der Liberal-Säkularen und ihre Position zum Pluralismus Das Praktizieren des Islams in der Zivilgesellschaft ist aus der Perspektive der konservativen Denker nicht möglich. Sie setzen die Entstehung einer Zivilgesellschaft einer kulturellen Invasion gleich, die Säkularisierung, Pluralisierung und Liberalisierung zur Folge hat. Im Säkularismus gehört
939 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1379/2000), S. 510. 940 Sorūš, ʿAbdolkarīm (1373/1994), S. 106ff & 169.
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Sechstes Kapitel: Fazit
die Religion nicht mehr der Öffentlichkeit an. An diesem Punkt setzt das Pluralismuskonzept der reformorientierten Denker an. Es ermöglicht einen Dialog zwischen den Religionen und den gesellschaftlichen Belangen. Laut Schubert und Klein ist Pluralismus ein Leitbild moderner Demokratie, deren politische Ordnung und Legitimität ausdrücklich auf der Anerkennung und dem Respekt vor den vielfältigen individuellen Meinungen, Überzeugungen, Interessen, Zielen und Hoffnungen beruhen. Grundlage des politischen und sozialen Zusammenlebens fortschrittlicher Gesellschaften ist daher das pluralistische Prinzip der Vielfalt, nicht das der undemokratischen Einfalt.941 Pluralismus wird gegenwärtig im Iran intensiv diskutiert. Wünschenswert wäre, wenn unter diesem philosophischen Weltbild die Benachteiligung der Frauen thematisiert würde. Bisher wird die Gleichheit der Bürger unter dem Liberalismus diskutiert, wobei diese Vorstellung innerhalb des Pluralismus und des Säkularismus durch ihre Vielfalt an Weltanschauungen sogar eher umsetzbar wäre. Der Begriff ʼZivilgesellschaftʽ, der sich mit dem Amtsantritt von Moḥammad Chātamī innerhalb der iranischen Gesellschaft entwickelt hat, stellt in sich eine Gesellschaft dar, in der die Herstellung der gleichen Rechte für alle Bürger im Zentrum steht. Nach Chātamī müsste die Zivilgesellschaft per Gesetz umgesetzt werden, was aber eine grundlegende Neuschreibung der Gesetzesvorlagen benötigt. Obwohl er die Etablierung einer Zivilgesellschaft fokussierte, sprach er sich auch für Rechte und Pflichten wie zur Zeit des Propheten aus. Moḥammad Ṣādeq Lārīǧānī942 konstatiert in seinem Artikel „Die Beziehung der Religion zur Zivilgesellschaft“ eine Unvereinbarkeit der Religion und der Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft steht nach Lārīǧānī mit dem Liberalismus in einer engen Beziehung. Die Trennung der Zivilgesellschaft und der (Staats-) Religion bedeute eine Trennung des Öffentlichen vom Privaten. Dies führe zur Herabsetzung der Rolle des Staates. Die Verabschiedung der Gesetze in einer Zivilgesellschaft würde den Staat in vielen Bereichen daran hindern, eine gerechte Entscheidung zu
941 Schubert, Klaus & Martina Klein (2011e): „Das Politiklexikon: Pluralismus“, Bonn: Dietz, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juni 2015]. 942 Moḥammad Ṣādeq Lārīǧānī ist ein schiitischer Geistlicher mit dem Titel Ḥoǧǧatol-Eslām. Er war Mitglied des Wächterrats und zwischen 2009–2013 Justizminister. Aktuell ist er Mitglied der Expertensammlung.
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Ausblick
treffen. In einer zivilen Gesellschaft sei die Urteilsfindung unparteiisch und unabhängig von jeglichen persönlichen Einflüssen.943 Lārīǧānī kritisiert dabei einige Gesetze, die historische und kulturelle Hintergründe haben und im Laufe der Zeit religiös begründet wurden, wie das Alkoholverbot oder die Ächtung des Essens von Schweinefleisch. Er weist somit auf die grundlegende Bedeutung und die Lesart des Korans hin. In einer islamischen Gesellschaft sollen Gottes Vorschriften und nicht die von Menschen interpretierten Vorschriften gelten.944 Die Basis der Zivilgesellschaft beruhe auf der Demokratie und aus diesem Grund gäbe es keine Gemeinsamkeiten zwischen einer auf der religiösen Ideologie basierenden Gesellschaft und einer zivilen Gesellschaft. Auch laut Ḥabībollāh Peymān945 besitzt die Religion ein spirituelles Leben, ist heilig und findet ihre Wurzeln im Himmel. Eine Zivilgesellschaft sei jedoch profan, irdisch und geprägt von ihrem Umfeld.946 Wenn die religiöse Ideologie nicht mehr im Mittelpunkt der Zivilgesellschaft steht, kann laut einigen Akteuren eine Vereinbarkeit zwischen Religion und Zivilgesellschaft entstehen. Dementsprechend soll die Definition von Religion und Religiosität unter einem demokratischen Konzept neu definiert und so eine neue Lesart entwickelt werden, die mit den Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft übereinstimmen kann.947 Die liberalsäkularen Denker stützen sich insofern auf westliche Grundlagen der Demokratie und des Säkularismus. Die Entstehung einer Zivilgesellschaft bedeutet für sie die Entfernung religiös-ideologischer Tendenzen in der Gesellschaft.948 Eine Zivilgesellschaft ist nach der Auffassung dieser Denker eine souveräne Gesellschaft. Diese Rechtmäßigkeit macht sie in 943 Lārīǧānī, Moḥammad Ṣādeq (1377/1998): „Nesbat-i dīn be ğāmeʿeh-yi madanī“ (Das Verhältnis von Religion zu Zivilgesellschaft), in: Andīšeh-yi Ḥowzeh, 14, S. 131. 944 Mottaqī, Moḥsen (1380/2001), Vol. 4, 19, S. 10. 945 Ḥabībollāh Peymān ist ein iranischer Politiker, Soziologe und national-religiöser Denker. Er war Gründer und Leiter der islamischen sozial-politischen Partei Ğombeš-i mosalmānān-i mobārez (Bewegung der muslimischen Kämpfer), der in enger Beziehung mit den religiösen Anhängern der iranischen Regierung stand. Er war ebenso aktives Mitglied der national-religiösen Partei (mellī-maẕhab ī). In seinen Werken beschäftigt er sich mit politischen und theoretischen Debatten um humanistische Freiheit, die dem Koran und dem Islam sowie der sozialen und islamischen Ideologie entspricht. 946 Moḥebiyān, Amīr (1376/2007): „Be naql az ğāmeʿeh-yi madanī dar maṭbūʿāt“ (Zitiert von Zivilgesellschaft in Medien), in: Īrān-i fardā, 40, S. 56. 947 Mottaqī, Moḥsen (1380/2001), Vol. 4, 19, S. 10. 948 Ebd., S. 11.
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Sechstes Kapitel: Fazit
ihrer Entscheidung selbstständig und unabhängig von religiösen Einflüssen. In einer solchen Gesellschaft wird alles nach gesetzlicher Disziplin und Recht betrachtet und es werden v.a. die Rechte, auch Frauenrechte, dementsprechend unterstützt und hervorgehoben.949 Šabestarī spricht sich gegen eine Diskussion über Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von Religion und Zivilgesellschaft aus. Stattdessen schlägt er vor, das Buch und die Tradition als Hypothese der damaligen Zeit und Hilfestellung für die heutige Zeit wahrzunehmen und die Lösung der Probleme und Entstehung der Gerechtigkeit in der Gemeinschaftsbildung und Zivilisation zu suchen. Die Menschen sollten seiner Meinung nach nicht immer darauf warten, dass eine Kraft aus dem Jenseits für sie und ihre Gesellschaft entscheidet, sondern selbst aktiv werden. In einer Zivilgesellschaft würden die Menschen nach ihrem Verstand entscheiden und die Religion habe insofern keine norm- und lebensfüllende Gültigkeit.950 Die iranischen Denker äußern sich zum religiösen Pluralismus, der nicht den religiösen Erkenntnissen widerspricht. Deshalb befassen sie sich mit den inner- und außerreligiösen Debatten. Trotzdem gibt es einige Akteure, die sich für die Unvereinbarkeit der Zivilgesellschaft mit dem Pluralismus einsetzen. Eine Vereinbarkeit zwischen diesen beiden Elementen reduziere die im Zentrum der Religion eingebettete Wahrheit.951 So akzeptiert z.B. Yūsofī Eškevarī keinen religiösen Pluralismus im Sinne der Berechtigung aller Religionen.952
949 Lārīǧānī, Moḥammad Ṣādeq (1377/1998), Vol. 14, S. 181. 950 Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (1376/1997): „Ğāmeʿeh-yi madanī va dowgūneh fahm az ketāb va sonnat“ (Zivilgesellschaft und zwei Wahrnehmungen vom Buch und die Tradition), in: Moǧtahed Šabestarī, Moḥammad (Hrsg.): Naqdī bar qerāʾt-i rasmī az dīn (Eine Kritik an der offiziellen Lesart der Religion), Tehrān, S. 231 f. 951 Sorūš, ʿAbdolkarīm & Kadīvar, Moḥsen (1377/1998b): „Goftogū᾿ī darbāreh-yi pūlūrālīsm-i dīnī“ (Eine Diskussion über den religiösen Pluralismus), in: Ṣerāṭhā-yi Mostaqīm, online verfügbar unter: [Aufgerufen im Juli 2015]. 952 Yūsofī Eškevarī, Ḥasan (1379/2000): Ḫerad dar żiyāfat-i dīn (Der Verstand in dem Freudenfest der Religion), Tehrān, S. 268.
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Ausblick
III. Dialogansätze Reżā ʿAlīǧānī spricht sich für die Notwendigkeit theoretischer und strategischer Standpunkte zur Durchführung einer Reform der Frauenrechte aus. Er unterstützt die öffentliche Etablierung eines Dialogs zwischen Konservativen, religiös Reformorientierten und Liberal-Säkularen und auch ihre gegenseitige Kritik. Die religiös-progressiven Denker mit geistlichem Hintergrund stützten sich in ihrer Argumentation auf die politische Ordnung der Demokratie, aber auch feqh und Traditionen wurden von ihnen berücksichtigt. Nach ihrer Auffassung sollen die Gründe für die Ungerechtigkeit nicht nur in den religiösen Vorschriften und Gesetzen liegen. Es sollte sich grundlegend mit der Ungerechtigkeit und anderen bestehenden rechtlichen Problemen auseinandergesetzt werden.953 Jeder Denker sollte mit Rückblick auf seinen Standpunkt und seine Theorie argumentieren und dürfe nicht von anderen beeinflusst werden. Es sollten die Gemeinsamkeiten und Differenzen aufgezeichnet werden und davon neue und gerechte Konzepte zugunsten der Frauen aufgestellt werden. Die religiös-progressiven Denker sollten in einem Dialog mit Geistlichen und Liberal-Säkularen einen gemeinsamen, unparteiischen und ideellen Hintergrund finden, wobei auch Themenfelder wie z.B. Scheidung, Polygamie, Erbschaft usw. aus der Expertenperspektive zur Sprache kommen sollten. Die Geistlichen sollten aus islamisch-rechtlichem Blickwinkel und die liberal-säkulare Denker unter Berücksichtigung internationaler Maßstäbe und unabhängig von negativen Erfahrungen und persönlichen Eindrücken954 an die Analyse herangehen. Die Stellen im Koran, die bisher zur Ungerechtigkeit führten, sollten neu ausgelegt und mit besseren und deutlichen Begründungen hinsichtlich der historischen Hintergründe erklärt werden. Es sollte herausgefunden werden, ob die Differenzen und ungerechten Argumente, vom Koran oder von den Überlieferungen abgeleitet sind. ʿAlīǧānī zeichnet ein Dreieck aus Religion, Menschenrechten und Demokratie, in dessen Zentrum die Frauenrechte stehen.955 Er weist dementsprechend auf die Zweideutigkeit der Vorschriften in Bezug auf Frauenrechte hin. Die Einheit, Gleichheit und Gerechtigkeit der Geschlechter sind laut der in dieser Arbeit vorgestellten Denker wesentliche Voraussetzungen
953 ʿAlīǧānī, Reżā (1387/2008), Vol. 15, S. 59. 954 Ebd., S. 61. 955 Ebd., S. 59.
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Sechstes Kapitel: Fazit
für die Entwicklung der Frauenrechte und das Beseitigen jeglicher Frauendiskriminierung. Sie ermutigen die Frauen, unabhängig von anderen Gesellschaftsakteuren, selbst für ihre Rechte zu kämpfen.956
956 Ebd., S. 61.
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