Isis regina - Zeus Sarapis: Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt [2nd updated ed.] 9783110955675, 9783598774270


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German Pages 750 [760] Year 2001

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Table of contents :
Verzeichnis der Farbtafeln
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Zeichnungen im Text
Verzeichnis der Abkürzungen
Einführung Altorientalische Voraussetzungen
1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris
2 Das ägyptische Totenritual
3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis
Erster Teil. Die Religion um Isis und Sarapis in griechisch-römischer Zeit
4 Isismythen aus hellenistisch-römischer Zeit
5 Osiris-Sarapis
6 Harpokrates-Horos-Eros
7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth
8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode
9 Ich bin Isis
10 Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes
11 Die ägyptischen Götter in Rom
12 Zeremonien und Riten
13 Einweihungsriten
14 Zwei Priesterweihen aus Alexandria
15 Festdaten und Kalender
16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)
17 Traumorakel und Traumsendungen
18 Traumdeuter – Beichtende – Erzähler (Aretalogen)
19 Vier Hymnen des Mesomedes
20 Interpretatio Aegyptiaca
21 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion
22 Plutarchs platonische Interpretation
23 Die Einweihung des Lucius
24 Kurzer historischer Rückblick: 500 Jahre ägyptischen Kultes bei Griechen und Römern
25 Regression
26 Untergang
Zweiter Teil. Die Isisromane
27 Der religiöse Sinn der Romane
28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane
29 Xenophon von Ephesos
30 Achilleus Tatios
31 Die Historia Apollonii Regis Tyri
32 Appuleius und seine literarische Technik
33 Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde
34 Bei den Räubern: Die Herrschaft des Mutes
35 Charite
36 Der kluge Arzt und das Parisurteil
37 Psyche und Cupido
Dritter Teil. Abbildungen
Register
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Isis regina - Zeus Sarapis: Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt [2nd updated ed.]
 9783110955675, 9783598774270

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Reinhold Merkelbach Isis regina - Zeus Sarapis

Reinhold Merkelbach

Isis regina - Zeus Sarapis Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt Zweite, verbesserte Auflage

Κ · G · Saur München · Leipzig 2001

Rudolfo Kassel collegae amico

Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Merkelbach, Reinhold: Isis regina - Zeus Sarapis : die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt / Reinhold Merkelbach. 2., verb. Aufl. München ; Leipzig : Saur, 2001 I S B N 3-589-77427-3 © 2001 by Κ. G. Saur Verlag G m b H , München und Leipzig Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. All Rights Strictly Reserved. Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig. Druck und Bindung: W. Röck G m b H , Weinsberg

Vorwort Im Jahr 1954, von einer Ägyptenreise zurückgekehrt, behandelte ich im Seminar Appuleius; dabei wurde mir klar, daß die Fabula von Psyche und Cupido ein Isistext ist. Gleich danach sah ich, daß die meisten griechischen Romane einen religiösen Hintergrund haben, was ja schon Karl Kerényi vermutet hatte. Isistexte sind die Romane des Xenophon von Ephesos und Achilleus Tatios sowie die Historia Apollonii regis Tyri. Ich habe meine Erkenntnisse zunächst in Aufsätzen und dann in „Roman und Mysterium" (1962) vorgetragen. Siegfried Morenz und Heinrich Dörrie haben mir zugestimmt; die meisten Rezensenten hielten meine Thesen für Phantasie. Seitdem habe ich die griechisch-ägyptische Religion nach allen Seiten durchforscht; immer klarer ist mir geworden, daß die literarische Gattung des Romans religiösen Ursprungs ist. Das Ergebnis dieser Untersuchungen lege ich hier vor. Ich versuche eine Gesamtdarstellung der hellenisierten Religion um die Götter Isis, Sarapis und Harpokrates-Eros, der schärfsten Konkurrentin des Christentums. Das Buch ist umfangreicher geworden als frühere Versuche. Ich habe die Zeugnisse der antiken Schriftsteller systematischer verwertet und zusätzlich die sogenannten „magischen" Papyri herangezogen, die in Wirklichkeit heidnische religiöse Texte sind. Unter ihnen sind zwei vollständige priesterliche Initiationsrituale erhalten. Die Romane habe ich dann in einem zweiten Teil besprochen. Wer den ersten Teil durchgelesen hat, wird die Beziehung dieser Romane auf die Isisreligion erkennen. Die unzähligen auf Isis, Sarapis und Eros bezogenen Werke der bildenden Kunst konnten nur in einer begrenzten, hoffentlich repräsentativen Auswahl vorgeführt werden. Die Religion um Isis und Sarapis war eine Synthese aus ägyptischen und griechischen Elementen. In hellenistischer Zeit haben die nach Ägypten einwandernden Griechen ihre religiösen Vorstellungen auf die ägyptischen Götter übertragen. Der charakteristische Text ist die Selbstoffenbarung der Isis (hier in Kap. 9), Zeugnis eines nüchternen und praktischen Sinnes, wie ihn Siedler in einem fremden Land benötigen. Aus der Verschmelzung des Ägypters Sarapis mit dem Griechen Zeus, der Isis mit der Demeter von Eleusis, des Harpokrates mit Eros ist eine neue Religion entstanden. In der römischen Kaiserzeit hat man dann das Lebensschicksal des einzelnen Menschen vom ägyptischen Mythos her interpretiert. Was das Individuum erlebte, wurde als Variation dessen empfunden, was einst, in mythischer Zeit, die Götter erfahren hatten. Die zentralen Texte für diese Weltsicht sind die Liebesromane, in denen einige wenige mythische Vorstellungen in immer neuer Weise variiert werden, wie in der Musik ein Thema. Um 120 n. Chr. hat Plutarch die Isisreligion von der Philosophie Piatons her interpretiert. Dies war ein vielversprechender Ansatz, den Appuleius (um 160/170) übernommen hat. Seine „Metamorphosen" sind aus der platonisierenden Sicht der ägyptischen Religion zu verstehen. Diese philosophische Deutung des ägyptischen Kultes hat sich aber nicht durchgesetzt. Die Isis-Sarapis-Religion blieb allzusehr ihrem Ursprung im Land der Pharaonen verhaftet. Ihre Priester haben sich mehr und mehr in unfruchtbare Spekulationen verrannt und die Chance nicht genutzt, ihren Kult durch platonische Philosophie zu modernisieren. Im Christentum ist

VI

Vorwort

dieser Schritt vollzogen worden, und so war es dem hellenisierten ägyptischen Kult weit überlegen. Zentral für diese religiösen Entwicklungen war Alexandria, Hauptstadt des griechisch-römischen Ägypten, und gleichzeitig Hafen, der Ägypten mit der übrigen Welt verband. Die Stadt war ein Schmelztiegel vieler religiöser Vorstellungen. Die Atmosphäre zu verstehen, die dort herrschte, ist für uns nicht ganz leicht. Wir sind in einer monotheistischen Religion aufgewachsen, und innerhalb des Christentums gibt es verschiedene Konfessionen, die sich zeitweise erbittert bekämpft haben. Beide Vorstellungen, der konsequente Monotheismus und die Konkurrenz der Konfessionen, lagen den Alten fern. Zwar hat es bei den Göttergestalten der Isis und des Sarapis Entwicklungen zum Monotheismus hin gegeben; aber in der Vorstellung der meisten ihrer Verehrer blieben sie doch immer ein Ehepaar, und sie hatten das Kind, Harpokrates. Die Vorstellungen von diesen Göttern hatten immer etwas Unpräzises, Flutendes: Sie wurden mit den verschiedensten Namen gerufen, sind viele und doch auch wieder nur Einer. 1 In griechisch-römischer Zeit ist Sarapis mit dem griechischen Götterkönig Zeus identisch, aber auch mit fast allen anderen griechischen Göttern; schließlich heißt er auch noch „Aion", Gott der Ewigkeit. Hinter all den Namen Sarapis, Zeus, Aion steht der Eine, unerkennbare und unbenennbare Weltgott der Ägypter. Dasselbe gilt von der Götterkönigin Isis: Sie ist die Liebesgöttin Aphrodite, die jungfräuliche Artemis, Herrin der Unterwelt Kore-Persephone, Getreidespenderin Demeter usw. Schwierigkeiten bereitet uns auch, daß hier von „Mysterien" die Rede ist. Wir verstehen unter Mysterien: Geheimlehren, Spekulation, Theologie. Anders die Alten, anders auch die frühen Christen. Sie haben mit dem Wort „Mysterien" Einweihungszeremonien bezeichnet, Handlungen, durch welche Kandidaten in die religiöse Gemeinschaft eingeführt wurden, auch Gegenstände, welche dabei benutzt wurden. „Mysterium" war etwas, was man mit Augen sehen konnte, ein Ritus, ein geheiligter Gegenstand, nicht etwas Gedachtes, kein Tiefsinn. Die Einweihungsriten hatten klaren, offenkundigen Sinn. Wer ein übergeworfenes Eselsfell abwarf, der hatte die sündige Natur des Esels abgelegt. Wer im Tauchbad abgewaschen (getauft) wurde, der stand als Gereinigter da. Daran war nichts Geheimnisvolles, nichts, was erst entschlüsselt werden mußte. Die Zeremonien trugen ihren Sinn in sich und waren verständlich. Bei der Ausarbeitung dieses Buches habe ich unerwartete Hilfe gefunden. Wolfgang Blümel hat mir selbstlos angeboten, die Herstellung der Druckvorlage zu übernehmen. Dies hat mir lange und mühevolle Arbeit erspart. In dem Wunsch, einen lesbaren Text zu geben, habe ich das Manuskript mehrfach umgeschrieben, und Blümel hat unverdrossen Änderungen durchgeführt. Für das Register hat mein Sohn Paul den Computer benutzt. Obwohl wir uns Mühe gegeben haben, sind hier sicher ein paar Teufeleien stehen geblieben. Ich bitte den Benutzer des Registers um Nachsicht. Der Verleger Heinrich Krämer, in 25 Jahren gemeinsamer Überlegungen zum Freund geworden, hat mich ermuntert, meine Forschungen zum Abschluß zu bringen.

1

Erik Hornungs Buch „Der Eine und die Vielen" hat das Verständnis des Phänomens erschlossen.

Vorwort

VII

Zur zweiten Auflage Zum Vorwort von 1995 seien hier noch einige ergänzende Worte gestattet. Die griechisch-ägyptische Religion um Isis und Sarapis ist uns aus vielen Monumenten, Inschriften und antiken Autoren bekannt. Aus dem Kreis der Eingeweihten schien allein Appuleius zu stammen. Im Jahr 1927 hat Karl Kerényi gezeigt, daß die antiken Romane Beziehungen zur Religion haben. Ich habe seine These dahin erweitert, daß diese Romane innerhalb des erzählerischen Sinnes als eine andere Ebene einen religiösen Sinn haben. Ich sage nicht, wie mir immer wieder unterstellt wird, die religiöse Interpretation habe an Stelle der literarischen zu treten. Vielmehr sind die Romane so geschrieben, daß der kundige Leser diesen Büchern nicht nur Unterhaltung entnehmen konnte, sondern auch Erbauung. Man hat dies verkannt, weil man ein Vorurteil hatte gegen die Annahme eines doppelten Sinnes literarischer Werke; der einfache, erzählerische Sinn schien zu genügen. Aber man nimmt dann einen guten Teil dessen, was der Autor mitteilen wollte, nicht zur Kenntnis. Sobald man die zweite, religiöse Ebene anerkennt, besitzt man drei weitere, vollständig erhaltene Zeugnisse für die griechisch-ägyptische Religion, und sie stammen von Eingeweihten: Die Bücher des Xenophon von Ephesos, des Achilleus Tatios und die Historia Apollonii regis Tyri. Dazu kommen als indirekte Zeugnisse Heliodor, Longus und der christliche Clemens roman. Sie folgen dem Typ der Isisromane und sind ebenfalls religiöse Texte. Nach dieser Erweiterung der primären Quellen ist es möglich, ein lebendigeres Bild der griechisch-ägyptischen Religion zu zeichnen. Das Leben der Alten war durchtränkt von Religion. Homerisches Epos, griechische Lyrik, Tragödie und Komödie, alle haben religiöse Wurzeln. Mit dem Roman steht es nicht anders. Dies gilt nicht nur für die Isistexte, sondern auch für die Romane zu Ehren anderer Götter. Da hier von jenen anderen Romanen nicht die Rede sein wird und die Parallelität doch von Interesse ist, sei das Gleichlaufen der Isisromane mit den Texten zu Ehren Christi, zu Ehren des Dionysos und zu Ehren des Helios kurz skizziert. Der griechische Titel des Clemensromans ist „Predigten" (όμιλίαι). Das Buch ist ein Missionsroman. In langen Partien verkündet Petrus die Botschaft Christi vor der Menge. Alle Hauptpersonen werden von ihm bekehrt und getauft, nachdem sie ausführlich ihren Lebenslauf berichtet (gebeichtet) haben. Ein Missionsroman sind auch die Metamorphosen des Appuleius. Der aus einem Esel zum Menschen verwandelte Lucius hört die Predigten des Isispriesters, mietet eine Zelle im Tempel, berichtet sein Leben, wird absolviert und eingeweiht. Der Schäferroman des Longus spielt auf dem Lande, in der Nähe eines Dionysostempels.1 Dort befand sich in einer Nymphengrotte eine Folge von Gemälden, welche die Handlung des Romans darstellen. Ein kundiger Custos (έξηγητής, ein kultisches Wort) erklärt die Bilder. 1 Deutschsprachige Autoren verschließen sich fast durchweg der Erkenntnis, d a ß Longus einen Dionysosroman geschrieben hat. So steht in Erwin Rohdes Buch über den griechischen R o m a n ein Kapitel

VIII Vorwort

Bei Xenophon von Ephesos findet sich das getrennte Liebespaar wieder vor dem Tempel der Isis auf Rhodos. Zum Schluß wird der Bericht über ihr Leben im Artemistempel zu Ephesos deponiert. Im Tempel der Diana zu Ephesos wird auch der Roman von Apollonius, dem König von Tyrus, niedergelegt. Die Aithiopika des Heliodor sind ein Helios-Roman; das letzte Buch spielt vor einem Tempel des Helios in Äthiopien. Die Hauptpersonen, Theagenes und Charikleia, beichten (έξαγορεύειν) ihr ganzes Leben und werden zu Heliospriestern geweiht. Der Roman des Achilleus Tatios wird in Sidon im heiligen Bezirk der Astarte erzählt, und der Schluß spielt im Tempel der Artemis zu Ephesos. Dort beichten Kleitophon und Leukippe den Priestern ihr Leben. Alle diese Romane enthalten Lebensbeichten und spielen bei Tempeln. Sie haben neben dem Erzähl-Sinn eine religiöse Bedeutung. Sie waren nicht geheim, sondern jedermann zugänglich, und dienten sowohl der Unterhaltung als auch der religiösen Erbauung. Die religiöse Ebene war für die Eingeweihten bestimmt und wurde nur von ihnen voll verstanden. Ganz anders der Roman des Charitott von Aphrodisias; er ist ein rein profaner Text. Der Autor kennt den Typ des unterhaltenden religiösen Romans und verwendet dessen Vokabular und Motive; aber eine zweite, religiöse Ebene ist nicht vorhanden. Man kann, mit Chariton in der Hand, geradezu eine Gegenprobe machen und bei jeder Szene fragen: Hat sie Beziehung zu einer Religion? Die Antwort wird immer sein: Nichts deutet auf einen Hintersinn, einen Code. In vielen Fällen läuft der Sinn der Erzählung geradezu dem religiösen Sinn entgegen, welchen diese Episode in den anderen Romanen hat. 2 Dieses Fehlen der religiösen Ebene bedeutete in vieler Hinsicht einen Gewinn. Chariton ist nicht mehr an die stereotypen Erzählschemata der Mysterienromane, nicht mehr an ihren Code gebunden; sein Werk ist voll von überraschenden Wechselfällen. Aber dem ist hier nicht nachzugehen.

über Longus, 24 Seiten, aber der Name des Dionysos kommt nicht vor. Zusammen mit seinem Freund Friedrich Nietzsche hatte er einen anderen, gewaltigen Dionysos konzipiert; Nietzsche hatte sich sogar eine „Umkehrung aller Werte" vorgenommen, und dai? er es ernst meinte, wird man erkennen, wenn man sein „Also sprach Zarathustra" mit den Hymnen des persischen Propheten vergleicht. Mit Dionysos steht es nicht anders. Im letzten Abschnitt von Nietzsches „Götzendämmerung" lesen wir: „Die Geburt der Tragödie war meine erste Umwertung aller Werte . . . ich, der letzte Jünger des Philosophen Dionysos". Nietzsches „Dionysos-Dithyramben" haben mit dem Dionysos der Griechen nichts zu tun. Ihn findet man bei Longus. 2 Den Nachweis, daß Chariton nur auf der Erzählebene spielt und keine religiöse Bedeutung enthält, hat Remy Petri vor fast 4 0 Jahren geführt: Über den Roman des Chariton. Beiträge zur klassischen Philologie 11, Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1963.

Inhalt Verzeichnis Verzeichnis Verzeichnis Verzeichnis

Einführung 1

der der der der

Farbtafeln Abbildungen Zeichnungen im Text Abkürzungen

XVI XVII XXIII XXIV

Altorientalische Voraussetzungen

Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

3

Die ägyptischen Mythen sind von anderer Art als die Mythen der Griechen § 1 - 2 Sonnengott und Nil bestimmen das Leben in Ägypten § 3 - Osiris, Isis und Horos § 4 - Vielfache Bedeutung des Mythos § 5 - Die vier Geschwister Osiris und Isis, Seth und Nephthys § 6 - Seth ermordet seinen Bruder § 7 - 8 - Osiris ertrunken; Osiris das Wasser, Isis das Land § 9 - 1 1 - Der Sarg des Osiris schwimmt nach Byblos; Isis findet ihn und holt ihn nach Ägypten zurück § 12 - Seth zerstückelt Osiris und zerstreut seine Glieder; Isis sucht und findet sie und setzt sie zusammen § 13 - Isis stets auf der Suche § 1 4 - 1 6 - Totenwache bei Osiris; Klagen der Isis und Nephthys § 1 7 - 1 8 - Osiris mumifiziert; das Totengericht § 1 9 - 2 0 - Osiris wiederbelebt und als Djed-Pfeiler aufgerichtet § 2 1 - 2 2 - Die Totenhochzeit § 2 3 2 5 - Osiris der Korngott; die Osirisbetten § 2 6 - 2 9 - Tierkult § 30 - Mutter und Kind § 31 - Isis heilt ihr krankes Kind § 3 2 - 3 3 - Seth in Gestalt eines schwarzen Ebers greift Horos an § 34 - Seth als Liebhaber des Horos § 35 - Der Prozeß des Horos gegen Seth § 3 6 - 3 7 - Isis rettet Seth; Horos schlägt ihr den Kopf ab § 3 8 39 - Verschweigen der Gottesnamen § 4 0 2

Das ägyptische Totenritual

23

Abwägen des Herzens und der Feder (Totengericht) § 4 1 - Das Totengericht ist vor der Bestattung rituell vollzogen worden; Diodor und die Totenpapyri Rhind § 4 2 - 4 9 Mumien in den Häusern aufbewahrt § 5 0 - Herzwägung und Legitimation des Toten § 5 1 - 5 2 - Rätselfragen im Tor § 5 3 - 5 4 - Das kühle Wasser § 5 5 - 5 6 3

Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis Ähnlichkeit der Mythen um Isis-Osiris, Aphrodite-Adonis und Demeter-Persephone § 5 7 - 6 3 - Die Mythen von Inanna-Ischtar und Dumuzi-Tammuz-Adonis

37

§ 6 4 - 6 5 Inannas Niederfahrt (sumerische Fassung) § 6 6 - 6 7 - Ischtars Niederfahrt (akkadische Fassung) § 68-70 - Griechisch-römische Zeit: Adonis Gott der Feldfrucht § 71-73 - Griechische und lateinische Autoren über die Geburt des Adonis § 7 4 - 7 5 - Aphrodite und Persephone streiten um Adonis; Adonis vom Eber getötet § 7 6 - 7 7 - Homosexuelle Deutung der Schenkelwunde § 78 - Des Bion von Smyrna „Klage um Adonis" § 7 9 - 8 1 - Aphrodite holt Adonis aus der Unterwelt zurück § 82 - Adonisfeste in Byblos, Alexandria und Rom § 8 3 - 9 2 - Isis und Demeter § 9 3 - 9 7 - Attis und Kybele; Atys § 98-102 - Gespielte Szenen § 103

Erster Teil Die Religion um Isis und Sarapis in griechisch-römischer Zeit 4

Isismythen aus hellenistisch-römischer Zeit Herodot über die Religion der Ägypter; Orpheus und Pythagoras § 104-105 - Isis und Demeter gleichgesetzt; eleusinische Priester in Alexandria § 1 0 6 - 1 0 8 - Die „guten Hoffnungen"; der Hafen der Seligen § 109-110 - Auch die ägyptischen Priester betonen die Priorität die Priorität der ägyptischen Religion § 1 1 1 - 1 1 2 Demeter sucht Kore-Persephone; Fahrt der Isis nach Byblos § 113-114 - Isis sucht Harpokrates und erfindet die Seefahrt § 115 - Isis Pelagia (Herrin des Meeres) § 116 - Isis Pharia, Soteira (Retterin), Euploia (gute Fahrt) § 117-119 - Der IoMythos § 120 - Io sucht ihren Sohn Epaphos § 121 - Mythen der Nilflut § 1 2 2 125

5

Osiris-Sarapis Osiris-Dionysos § 126 - Oserapis von Memphis § 127-128 - Die „Enkatochoi" des Sarapis § 129 - Sarapis von Alexandria § 130 - Sarapis als Allgott § 131 Gründung von Alexandria nach dem Alexanderroman § 132-133 - Alle Götter manifestieren sich in Sarapis; Sarapis-Pluton, Sarapis-Aion § 134-136 - Sarapis mit Poseidon, Asklepios, Jahwe identifiziert; Sarapis-Helios § 137-138 - Sarapis als Schlange (Agathos Daimon) § 139-141 - Statuen des Sarapis § 142 - Sarapis von Osiris verschieden § 143 - Gott ohne Mythen § 144 - Herr des Schicksals; Freilassungen durch Sarapis § 145-146 - Drei Orakel des Sarapis § 1 4 7 - 1 4 9 Abrasax § 150

6

Harpokrates-Horos-Eros Die heilige Familie § 151-152 - Herr des Brotes, Herr der Frucht § 153 - Harpokrates das Kind, Horos der Sonnengott § 154 - Horos-Herakliskos, HarpokratesEros, Horos-Apollon § 1 5 5 - 1 5 7 - Harpokrates-Helios; Helios in dreifacher Gestalt § 158-160 - Harpokrates-Eros-Sonnengott; Harpokrates auf dem Lotos § 161-162 - Harpokrates-Agathos Daimon-Pschai als Schlange § 163

Inhalt

7

Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth

XI

94

Isis myrionymos § 1 6 4 - 1 6 8 - Isis die Eine, die Herrin (κυρία, domina), die Retterin (σώτειρα) § 1 6 9 - 1 7 0 - Isis-Tyche und Isis-Pronoia (Providentia); Herrin des Schicksals und der Nilflut § 1 7 1 - 1 7 4 - Anubis § 1 7 5 - 1 7 6 - Thoth § 177 8

9

Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode Reisen auf dem Nil; Pilgerfahrten § 1 7 8 - 1 7 9 - Memphis, die alte Hauptstadt, Apis-Stier und Kinderorakel § 1 8 0 - 1 8 2 - Koptos und das Haar der Isis; Theben § 1 8 3 - 1 8 4 - Syene, das heilige Wasser, der Katarakt, Philae § 1 8 5 - 1 8 7 - Pflanzen und Tiere § 188 - Der Nil in der bildenden Kunst§ 1 8 9 - 1 9 2 - Das Fest der Nilflut § 1 9 3 - 1 9 7 - Durchstechen der Deiche und Sieg der Flut § 1 9 8 - 2 0 3 - Das Fest des „Zeichens" (σημασία) § 204 - Isis-Sothis auf dem Hund, Sol in Leone § 2 0 5 - 2 0 6 - Sothis-Periode und Vogel Phönix § 2 0 7 - 2 0 9

102

Ich bin Isis

113

Eine Offenbarungsrede der Isis; Priesterinnen in der Rolle der Göttin § 2 1 0 - 2 1 1 Wortlaut der Offenbarung § 212 - Isis hat die Zivilisation gebracht § 2 1 3 - 2 2 3 10 Ausbreitung des Isis-und Sarapiskultes

121

In pharaonischer Zeit: Syrische Küste und Äthiopien § 2 2 4 - 2 2 6 - In ptolemäischer Zeit § 2 2 7 - 2 2 8 - Die Insel Delos; „Schreinträger" (Pastophoroi) § 2 2 9 - 2 3 1 - Isis und Sarapis in allen Hafenstädten § 232 - Widerstand gegen die ägyptischen Kulte; die wunderbaren Taten von Sarapis und Isis; Träume, Staunen, Zeugen § 2 3 3 - 2 3 4 - Ein Hindernis für die ägyptischen Kulte: die heiligen Tiere § 2 3 5 Italische Kaufleute in Delos und Ausbreitung der ägyptischen Kulte nach Italien § 236-241 11

Die ägyptischen Götter in Rom In Rom wird der ägyptische Kult verboten § 2 4 2 - 2 4 6 - Osiris und Isis in der Oberschicht beliebt: Messalla Corvinus § 247 - Ägyptomanie in den kaiserlichen Häusern § 2 4 8 - 2 5 6 - Römische Hetären als Isisdienerinnen § 2 5 7 - Unschuldserklärungen § 258 - Rom als sacrosancta civitas der Sarapis- und Isisverehrer § 2 5 9 - Caligula und die ägyptischen Kulte § 260 - Die flavischen Kaiser (69-96) § 261 - Abgesandte der Hellenen und Juden aus Alexandria vor dem kaiserlichen Gericht in Rom; die alexandrinischen Märtyrerakten § 2 6 2 - 2 6 4 - Hadrian und Antinoos; die Villa Hadriana in Tivoli; das Regenwunder im Markomannenkrieg § 265-267

12 Zeremonien und Riten Die Götterbilder § 2 6 8 - 2 7 0 - Das Sarapeum zu Alexandria § 2 7 1 - 2 7 3 - Heliosarapis in theatralischen Zeremonien § 2 7 4 - 2 7 5 - Morgendliche Öffnung des Tempels; Schöpfen und Spenden des heiligen Wassers § 2 7 6 - 2 7 8 - Das Wasser in den Isistempeln galt als Nilwasser § 2 7 9 - 2 8 0 - Täglicher Dienst im Tempel § 2 8 1 -

131

147

XII Inhalt Prozessionen: das rituelle Suchen und Finden § 282-290 - Navigium Isidis § 291 Präsentation der Götterbilder § 2 9 2 - 2 9 3 - Burleske Szenen; Hilaria und Charmosyna; Lampenfeste § 2 9 4 - 2 9 7 - Der Tempel zu Pergamon: Wasser-Anlagen und Unterwelt § 298-300 - Podiumstempel § 301 13 Einweihungsriten

161

Tonsur und Leinenkleider § 302 - Die „Mysterien" (Einweihungszeremonien) § 303 - Weihekleider und Horoslocke § 3 0 4 - 3 0 7 - Die Sich-rein-Haltenden (άγνεύοντες); ihre Träume; das Bad § 3 0 8 - 3 1 0 - Prüfungsaufgaben; „seid getrost" § 3 1 1 - 3 1 2 - Speisebetten [cline) und Festessen mit Sarapis § 3 1 3 - 3 1 4 Hochzeits-Riten § 315 - Der Priester Tyrannus und der Ritter Decius M u n d u s § 3 1 6 - 3 1 7 - Die „Schweiger" § 318 - Der Pater § 319 - Neue Namen für die Eingeweihten (signa); Erinnerungszeichen (memoracula) § 320-324 - Ein Mysten-Eid § 325 - Ein Priester-Eid und die Unschuldserklärungen im Totenbuch § 3 2 6 - 3 2 7 Isis aus der Mumie (Statuette aus Kyrene); ein Sargritual § 328-329 - Artemidor und Plutarch über die Weihezeremonien § 330-333 14 Zwei Priesterweihen aus Alexandria

175

Die Leidener Weltschöpfung § 3 3 4 - 3 4 0 - Die Pariser Unsterblichkeitsliturgie § 341-346 - Heiliges Theater § 347 15 Festdaten und Kalender Jahr des Ackerbauers; der ägyptische Kalender § 348-350 - Die Festtage und ihre Verdoppelung § 351-352 - Geburt des Aion(-Sarapis) am 6. Januar § 353 - Ein Fest zur Zeit des Frühlingsaequinoctiums (zur Osterzeit) § 354 - Die Kikellia am 24./25. Dezember § 355

182

16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri) W a r u m man diese Texte übergangen hat § 356 - Ein Lampenorakel und die Merkmale des Sonnengottes Horos-Harpokrates § 3 5 7 - 3 6 1 - Gebet bei einer Einweihung § 362-363 - Weihe eines Amuletts § 364-366 - Gebet, um Gunst zu erlangen § 367 - Hymnisches Gebet an Helios § 368-370 - Gebet an den Allgott § 371-372 - Der Hymnus auf den EINEN Gott § 373-374

187

17 Traumorakel und Traumsendungen

199

Isis als Heilgöttin; Sanatorien und Tempelschlaf § 3 7 5 - 3 7 7 - Heilorakel des Imuthes-Asklepios § 378 - Ein hymnisches Gebet an Hermes-Thoth, Gott des Traumorakels S 379 - Traumorakel durch einen Totengeist mit Hymnus an Helios § 3 8 0 - 3 8 1 - Ein weiterer Sonnenhymnus § 382 - Totenorakel durch heilige Tiere § 383 - Drohungen gegen Götter, Traumsendungen, kathartische Wirkung § 3 8 4 388

Inhalt XIII 18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen) Der Betrieb im Vorhof der Tempel § 389 - Traumdeuter § 390 - Enkatochoi und niederes Tempelpersonal § 391 - Sündenbekenntnis und Heilung § 392 - Der Geheilte dankt öffentlich; Votivbilder § 393-394 - Die Aretalogen § 3 9 5 - 3 9 6 Sarapis heilt ein Pferd § 397 - Die Mirakel des Sarapis § 398 - Steuermann Syrion erlebt ein Mirakel § 399 - Apollonios von Delos siegt im Prozeß § 400 - Sarapis tauscht die Schicksalslose § 401 - Straf-Mirakel § 402 - Übergang der Aretalogien

210

in die Literatur; Telethusa und Iphis § 403—404 - Eine Isis-Aretalogie in der Vita Aesopi § 4 0 5 - 4 0 6 - Der Sarapishymnus des Aristides; die Festrede aus Maroneia; Selbstoffenbarungen des Osiris und Karpokrates § 407-408 19 Vier Hymnen des Mesomedes

225

§ 409-413 20 Interpretado Aegyptiaca

231

Orpheus - Pythagoras - Platon § 414 - Das Jenseits nach Diodor § 4 1 5 - 4 2 0 - Ein Grabmonument aus Abydos § 421 - Seelenwanderung; Rückkehr der Seele in die himmlische Heimat § 422 - Ägyptisierende Interpretation griechischer Mythen § 423 - Die Ertrunkenen der griechischen Mythologie: Narziß, Pyramos, Hylas § 424^426 - Perseus und Andromeda § 427 - Europa auf dem Stier § 428 - Warnende Bilder: Aktaion und Ikaros § 4 2 9 ^ 3 0 21 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

242

Stoische Interpretation § 4 3 1 - 4 3 4 - Abstrakte Begriffe § 435 - Die ägyptischen Priester - philosophische Rätsellöser § 436 - Eine verrätselte Welt: Koiraniden, Physiologus, Horapollon § 4 3 7 - 4 4 1 - Die Rätselweisheit der ägyptischen Priester § 4 4 2 - 4 5 1 - Astrologie und Schicksalsglaube § 452 - Hermes Trismegistos; die „Pupille der Welt" (Κόρη κόσμου) § 4 5 3 ^ 5 5 22 Plutarchs platonische Interpretation

252

Plutarchs Isis-Buch § 456 - Mythendeutung aus dem .Logos' § 4 5 7 ^ 5 8 - Aus Piaton übernommene Vorstellungen § 459—461 - Plutarchs neues System § 4 6 2 465 - Osiris, das Prinzip des Guten § 466 - Seth-Typhon, das Prinzip des Bösen § 4 6 7 - Isis-Psyche, Göttin der Bewegung und der Philosophie § 468 - Isis = die in Bewegung Befindliche § 469 - Isis = die Erkenntnis § 470 - Der Sinn des Wortes Ε Ι Σ Ε Ι Ο Ν („Isistempel") § 471 - Der Sinn der Isis-Klapper (des Σ Ε Ι Σ Τ Ρ Ο Ν ) § 472 - Liebesverbindung des „Verschaffenden" (Poros) mit der Armut (Penia) § 473 - Horos, der sichtbare Kosmos § 474 - Aufstieg der Seele zum Schönen; Piatons Phaidros § 475-476 23 Die Einweihung des Lucius Besprechung von Appuleius, Metamorphosen XI

266

XIV Inhalt 24 Kurzer historischer Rückblick: 500 Jahre ägyptischen Kultes bei Griechen und Römern

305

§ 531-536 25

Regression

308

Griechisch-ägyptischer Kult und Christentum § 537-538 - Hermes Trismegistos über die Wirkungsmacht der ägyptischen Sprache § 539 - Vertrauen auf die alten Riten § 540 - Porphyrios versucht eine Reform der heidnischen Kulte; Iamblich widerspricht § 542-550 - Vergleich der griechisch-ägyptischen mit der christlichen Religion § 551 26 Untergang

319

Unter Konstantin wird das Christentum zur bevorzugten Religion; der Streit um die Nil-Elle § 552 - Besetzung des Sarapeums unter Constantius, Restitution unter Julian § 553 - Prophezeihungen über den Untergang des Sarapeums § 554 - Die Zerstörung des Sarapeums nach Rufin (391) § 5 5 5 - 5 5 7 - Auch in Kanopos werden die Tempel zerstört § 558 - Zerstörung vieler Tempel in ganz Ägypten § 559 Ägyptisches Lebenszeichen (anch) und Kreuz § 560 - In Menuthis bei Kanopos wird ein Märtyrerkult eingerichtet § 561 - Eunapios von Sardis über den Untergang der Sarapistempel § 562 - Die Götter haben Ägypten verlassen § 563

Zweiter Teil Die Isisromane 2 7 Der religiöse Sinn der Romane

335

Die Romane als Schlüsseltexte § 564 - Oberflächensinn und Hintersinn § 5 6 5 - 5 6 9 28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane

340

Kleine sakrale Spiele bei der Mysterienweihe; Imitado Isidis § 5 7 0 - 5 7 2 - Parallelführung der Schicksale des Liebespaars § 573 - Aretalogie und Roman; Lebensbeichte bei der Initiation § 5 7 4 - 5 7 6 - Typische Elemente der Liebesromane: Wiederkehrende Szenen, Rollen, Symbole und ihr religiöser Sinn § 577-578 29 Xenophon von Ephesos

347

Fortlaufende Besprechung des Textes: § 579-609 30 Achilleus Tatios

364

Fortlaufende Besprechung des Textes: § 610-672 31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

396

Fortlaufende Besprechung des Textes: § 673-698 32 Appuleius und seine literarische Technik

419

Inhalt

XV

Person und Werke des Appuleius § 699 - Die Metamorphosen und ihre griechische Vorlage § 700 - Desultoria scientia - die Kunst des Voltigierens (I 1) § 7 0 1 702 33

Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde

421

Besprechung einzelner Szenen aus Metamorphosen I—III 25: § 7 0 3 - 7 2 4 34

Bei den Räubern: Die Herrschaft des Mutes

438

Besprechung einzelner Szenen aus III 26-VII 14: § 7 2 5 - 7 3 4 35

Charité

444

Besprechung von V I I I 1 - 1 4 : § 7 3 5 - 7 3 9 36 Der kluge Arzt und das Parisurteil

447

Besprechung von X 2 - 1 2 und 30-34: § 7 4 0 - 7 4 5 37 Psyche und Cupido

451

Besprechung von IV 2 8 - V I 2 4 : § 7 4 6 - 7 9 2

Dritter Teil

Abbildungen

Register 1 Stichwörter 2 Ägyptisches 3 Antike Autoren 4 Inschriften 5 Papyri 6 Texte in den Sammlungen von L. Vidman und M. Totti 7 Lateinische Wörter 8 Griechische Wörter 9 Koptische Wörter 10 Fundorte und jetzige Standorte der abgebildeten archäologischen Monumente

485

693

Farbtafeln

Die Farbtafeln befinden sich zwischen Seite 324 und 325. I Perseus und Andromeda. Aus der kaiserlichen Villa zu Boscotrecase (= Abb. 69). T h e Metropolitan M u s e u m of Art, Rogers Fund, 1 9 2 0 ( 2 0 . 1 9 2 . 1 6 ) , N e w Y o r k . P h o t o des Museums. II lo, Argos und Hermes. Aus dem Iseum zu Pompei (= Abb. 2 0 ) . Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli. III Io in Ägypten. Aus dem Iseum zu Pompei (= Abb. 2 1 ) . Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli. IV Das heilige Wasser ist gefunden. Aus Herculanum (= Abb. 72). Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli. V Tanz vor einem ägyptischen Heiligtum. Aus Herculanum (= Abb. 73). Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli. VI Sakrale Landschaft. Aus dem Iseum zu Pompei. Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli. VII Isis Urania Panthea, Harpokrates-Helios zu Pferd, Eros mit Fackel. Aus Pompei (= Abb. 99). Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli. V i l l a Nillandschaft mit Kapelle, nach Francesco Morelli ( 1 8 1 2 ) . Aus Pompei (= Abb. 6 6 ) . Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli. V l l l b Vorbereitung zu einer Isisprozession. Aus Stabiae (= Abb. 149). Neapel, Nationalmuseum. Archivio dell'Arte Luciano Pedicini, Napoli.

Abbildungen (ab Seite 48S) Siehe auch Farbtafeln und Verzeichnis der Zeichnungen im Text 1 - 3 2 Der Isistempel zu Pompei 1 Isistempel, Photographie 2 Isistempel, Zeichnung von Ph. Hakkert 3 Frontalansicht und Grundriß des Tempels 3a Der Isistempel von Ras-el-Soda bei Alexandria 3 b Thronende Isis (Gemme) 4 Planskizze des Heiligtums 5 Präsentation der Götterbilder. Fresco in Pompei 6 Isis Aegyptiaca 7 Venus 8 Anbetung des Harpokrates 9 Eine Wand der Säulenhalle 1 0 - 1 5 Prozession der Isispriester 1 0 Anubis 11 Priester mit Palmzweig 1 2 Priester mit heiliger Schlange 13 Priesterin 14 Schreiber-Priester 1 5 JungerPriester 1 6 Vorderfront des Gebäudes mit der Zisterne, linker Teil 1 7 Stuckfigur der Isis 18 Perseus und Andromeda, Stuck 1 9 Perseus und Andromeda, Zeichnung 2 0 lo, Argos und Hermes 2 1 Ankunft der Io in Ägypten 2 2 Fresco mit sakraler Landschaft 2 3 Fresco mit Hydria vor dem Tempel 2 4 Opfer vor Osiris-Heiligtum 2 5 Fresco mit Priesterin auf Kandelaber 2 6 Fresco mit Navigium Isidis 2 7 Fresco: Isis und Sarapis thronen 2 8 Narziß 2 9 - 3 2 Situla 3 2 a - 3 2 b Isis (Gemmen) 3 3 - 3 4 Garten des Octavius Quartio (Skizzen)

XVIII

Abbildungen

35 Blick auf den oberen Nil 36 Blick auf den unteren Nil 36a Blick auf den Garten 37 Sphinx 38 Dionysos-Sarapis 39-40 Isispriester im Haus des Octavius Quartio 41 Herakliskos 42 Nilgott 43^15 Artemis und Aktaion vor dem Isiszimmer 45a Isis pelagia (Gemme) 46 Der Zeus-Stier und Europa auf dem Meer 47 Zeus und Europa auf dem Meer, in Memphis 48 Sarapis, der Zeus-Stier und Europa auf einer Lampe 49 Untergeschoß der Viersäulen-Aedicula: Artemis und Aktaion 50 Brunnenhaus mit Narziß, Pyramus und Thisbe 50a-50b Harpokrates-Eros (Gemmen) 51-59 Fresken aus der Casa del Frutteto 51 Hydreion im schwarzen Cubiculum 51a-51b Heilige Familie (Gemmen) 52 Apis-Stier und Musikszene 52a Isis und Sarapis (Gemme) 53 Musikszene und Pharao 54 Pharao, Dionysos und Ariadne 55 Apis, Dionysos und Ariadne 56 Pharao 57 Dionysos und Satyr; ägyptische Opferszenen 58 Aktaion und Artemis 59 Daedalus und Icarus 60-62 Haus des Poppaeus Habitus 60 Isis-Symbole 61 Artemis und Aktaion 62 Horos mit Falkenkopf 63 Casa del Citarista: lo, Argos, Hermes 64 „Haus der Livia" in Rom: lo, Argos, Hermes 65 Casa del Duca d'Aumale: Io in Ägypten 66 Sakrale Landschaft am Nil mit Kapelle der Isis und des Sarapis 67 Isis-Tyche und Isis-Selene in der Bäckerei 68 Bronzeplatte aus Pompei, heilige Familie 69 Boscotrecase, Perseus und Andromeda 70 Haus des Sacerdos Amandus, Perseus und Andromeda 71 Haus des Sacerdos Amandus, Sturz des Icarus 72 Herculanum, Präsentation des „gefundenen" Wassers 73 Herculanum, Konzert und Tanz 74 Fresco aus dem „Haus des Augustus": Ägyptische Opferdienerin 75 Fresco aus der Farnesina: Isis zwischen Falken

Abbildungen 7 6 - 7 7 Fresco aus dem „Haus der Livia": Isispriesterin 78 Fresco aus Boscotrecase, ägyptische Opferszene 79 Columbarium der Thermutarion, ägyptische Motive 80-81 Ägyptische Opferszenen aus der Villa dei Misteri 82 Nilszene aus der Casa dell'Efebo 83 Raub des Hylas, aus der Casa dell'Efebo 84 Narziß, aus der Casa dell'Efebo 85 Narziß, aus der Casa dell'Ara massima 86 Isis-Statuette aus Ras-el-Soda 87 Kopf der Isis-Ιο in Paris 88 Isis aus Theadelphia 89 Isis mit Rosenkorb in London 90 Isis mit Geierhaube, Bronze, Berlin 91 Isis mit Schulterband (Königssymbole) aus Hermupolis 92 Isis-Demeter 93 Isis findet das Getreide 94 Isis findet das Getreide, daneben die Kuh 95 Isis-Tyche aus Herculanum 96 Isis-Tyche pelagia 97 Isis-Tyche aus Kyzikos 98 Isis-Tyche, Fresco aus Pompei 99 Isis Urania Panthea, Harpokrates-Helios, Eros aus dem Pistrinum in Pompei 100 Isis Pelagia aus Delos 101 Isis Pelagia, Lampe aus Delos 102 Isis von der Domkanzel zu Aachen 102a Isis (Münzen) 103 Isis lactans, Terracotta 104 Isis lactans aus Asphynis 105 Isis lactans aus Carinola 106 Isis-Euthenia 107 Isis invicta in Köln 108 Isis Urania in Paris 109-110 Isis aus der Mumie in Kyrene l l O a - l l O b Isis (Gemmen) 111 Isis-Sothis am Giebel des Iseums auf dem Marsfeld (Münze) 112 Isis-Sothis aus Savaria 113 Isis-Sothis aus Cerveteri 114 Isis Panthea in Hannover 115 Isis und Sarapis aus Gortyn 116 Sitzender Sarapis aus Puteoli 117 Kopf des Sarapis in London 118 Kopf des Sarapis aus Alexandria, unter Ptolemaios IV. Philopator 119 Kopf des Sarapis, 2. Jahrh. n. Chr. 120 Bronzebüste des Sarapis in Berlin 121 Gemme mit Darstellung des Sarapis als Heilgott

XIX

XX

Abbildungen

122 Harpokrates im Capitolininischen Museum 123 Harpokrates-Eros in Florenz 124 Harpokrates in Berlin 125 Knabe mit Horoslocke in Ostia 126 Sarkophag des Filocyrius 127 Harpokrates-Helios zu Pferd 128 Harpokrates auf dem Lotos 129 Helios-Sobek in Berlin 130 Anubis vom Altar der Fabia Stratonice 131 Harpokrates mit Nilpferdgespann, Altar in London 132 Apis, vom selben Altar, Seitenfläche 133 Relief mit Sarapis, Harpokrates und Isis (Rom) 134 Heilige Familie, Schale in Berlin 135 Sarapis und Isis, Schale in Alexandria 136 Lampe mit Isis und Sarapis von der Agora in Athen 137 Relief aus Thuburbo Maius: Isis, Sarapis, Harpokrates, Dionysos 138 Reliefgruppe in Rom, Capitolinisches Museum: Isis, Sarapis, Harpokrates, Demeter 139 Relief aus Rhodos in London: Isis, Horosfalke, Apis, Sarapis, Anubis 140 Relief aus Delos: Isis, Agathos Daimon, Sarapis 141 Dasselbe in Liverpool 142-144 Altar im Capitolinischen Museum: Agathos Daimon, Harpokrates, Anubis 145-155 Isisprozessionen 145 Isisprozession, Relief in Rom 146 Relief in Klein-Glienicke 147 Relief in Savaria 147a Isis und Anubis (Prozession; Gemme) 148 Fresco im Haus des Poppaeus Habitus, Pompei 149 Fresco in Stabiae 149a Isis mit Anubis („Semasia"; Gemme) 150 Terracottalampe aus Puteoli: Isis, Harpokrates, Anubis 151 Terracottagruppe aus Abella mit Isis, Harpokrates, Anubis 152-154 Kandelaber in Venedig: Isis, Harpokrates, Anubis 155 Nilmosaik aus Leptis Magna 156 Anubismaske in Hildesheim 157-165 „Ich bin Isis": Priesterinnen 157 Grabstein der Sosibia 158 Grabstein der Alexandra 159 Grabstein der Aphrodisia 160 Grabstein vom Bosporos 161-162 Grabmal der Balbullia Varilla 163 Grabmal des Mädchens aus Tauromenion 164 Grabmal der Galatea 165 Grabstein der Fabia Stratonice 166-181 Der Nil 166-167 Nilstatue im Vatikan, Niltiere

Abbildungen 168 Campanaplatte: Pygmäen und Niltiere 169-180 Nilmosaik in Praeneste 181 Nilmosaik im Thermenmuseum 182-183 Philae 184-188 Pergamon, Sarapistempel 189 Rom: Arcus ad Isis 190 Grabstele in Kopenhagen 191 Leichentuch in Berlin 192 Sarkophag des Artemidoros 193 Grabstele aus Abydos mit griechischem Epigramm 194 Pyramide des Cestius 194a Harpokrates (Gemme) 195-196 Votiv-Altar des Astragalus, Seitenflächen 197 Sarkophag in Rom: Ausgelassener Tanz 198 Münze des Marc Aurel: Sarapis im Fenster 198a Sarapis (Münzen) 199 Tonlampe in Tübingen: Helios küßt Sarapis 200 Alexandrinische Münze: Helios küßt Sarapis 2 0 1 - 2 0 4 Säulenbasis in Rom: Fütterung der heiligen Krokodile 2 0 5 - 2 0 6 Die Tunica von Saqqara 2 0 7 Der Priester Hör 208 Ein Priester (Kairo) 209 Ein Sarapispriester 210 Ein Priester trägt mit verhüllten Händen das heilige Gefäß: Baltimore 211 Dasselbe in Benevent 212 Schiffslampe aus Ostia 213 Schiffslampe in London 214 Cista mystica in Benevent 215 Pastophoros in Hannover 2 1 6 - 2 1 7 (Je) zwei Pastophoroi in Berlin 218 Schnabelkrug aus Pannonien 219 Kretischer Traumdeuter aus Memphis 2 2 0 - 2 2 2 Mystensarkophag aus Ravenna (Tetratia Isias) 223 Der Patriarch Theophilos als Sieger über Sarapis 2 2 4 - 2 3 9 Münzen aus Alexandria 224 Apis-Stier 2 2 5 - 2 2 6 Phönix 2 2 7 - 2 2 9 Isis pelagia 230 Isis-Tyche 2 3 1 - 2 3 2 Semasia 233 Isis-Sothis 234 Sol in Leone 2 3 5 - 2 3 6 Triptolemos 237-238 Harpokrates von Pelusion 239 Perseus und Andromeda

XXI

XXII

Abbildungen

2 4 0 - 2 4 2 Münzen aus Kyme 2 4 0 - 2 4 1 Isis Pelagia 242 Sarapis mit Erntekorb 243-244 Münzen aus Magnesia am Mäander 243 Isis 244 Sarapis 245 Münze Hadrians: Isis 2 4 6 - 2 4 7 Münzen der gallischen Sonderkaiser 246 Sarapis 247 Isis mit Harpokrates 248 Zeus-Sarapis (Gemme) 249 Isis mit Harpokrates (Gemme) 250 Harpokrates auf der Lotosblüte (Gemme) 251 Helios-Re mit Hahn und Löwe (Gemme) 252 Isis (Bronzestatuette)

Zeichnungen im Text Siehe auch Verzeichnis der

Abbildungen

1 Grabstein des Kindes Asklepias, einer Ertrunkenen/Gesegneten. § 9, S. 7 2 Osiris im Sarg (Tentyra). § 12, S. 8 3 Osiris erwacht (Philae). § 18, S. 10 4 Anubis mumifiziert Osiris (Pap. Berlin). § 19, S. 11 5 Osiris erhebt sich von der Totenbahre (Tentyra). § 21, S. 12 6 Djed-Pfeiler (Papyrus des Ani). § 22, S. 13 7 Djed-Pfeiler. § 22, S. 13 8 Djed-Pfeiler. § 22, S. 13 9 Isis läßt sich auf dem erweckten Osiris nieder. § 24, S. 14 10 Aus Osiris wächst Korn (Philae). § 26, S. 16 11 Isis mit Harpokrates im Papyrusdickicht (Philae). § 31, S. 18 12 Herzwägung. Papyrus im Kestner-Museum. § 41, S. 24 13-16 Pap. Rhind. § 43-47, S. 25-28 17 Mumie im Schrank (Berlin). § 49, S. 30 18 Die Tür im Kapitel 125 des Totenbuchs. § 53, S. 33 19 Vignette zu Spruch 62 des Totenbuchs. § 55, S. 35 20 Vignette zu Spruch 59 des Totenbuchs. § 55, S. 35 21 Heliosarapis (Louvre). § 138, S. 79 22 Sarapis-Drakon und Isis-Thermuthis (Berlin). § 139, S. 80 23 Sarapis mit Kerberos (Louvre). § 141, S. 82 24 Zwei Harpokrates-Statuetten aus Herculanum und Pompei. § 156, S. 90 25 Harpokrates auf dem Lotos (Gemme). § 162, S. 92 26 Isis-Aphrodite (Brüssel). § 167, S. 96 2 7 Isis-Panthea, Tonlampe aus Neapel. § 168, S. 97 28 Darstellung einer Anubis-Maske (Tentyra). § 175, S. 100 29 Nilflut, Campanaplatte. § 189, S. 106 30 Isis-Sothis, Terrakotta (Berlin). § 205, S. 111 31 Die Priesterin Isias (London). § 211, S. 115 32 Das Schiff Isis Giminiana in Ostia. § 238, S. 129 33 Mosaik aus Prima Porta. § 255, S. 136 34 Reliefapplique aus Lugdunum (New York). § 288, S. 155 35 Horos und Seth taufen Pharao. § 310, S. 164

Abkürzungen

Abrasax I—II = R. Merkelbach - M. Totti, Ausgewählte Papyri religiösen und magischen Inhalts 1(1990) und 11(1991) Abrasax III = R. Merkelbach, Ausgewählte Papyri religiösen und magischen Inhalts III (1992) A. E. = Année épigraphique Alla ricerca = Soprintendenza archeologica per le province di Napoli e Caserta, „Alla ricerca di Iside". Analisi, studi e restauri dell'Iseo pompeiano nel Museo di Napoli, Napoli 1992 A. R. W. = Archiv für Religionswissenschaft Alliot = M. Alliot, Le culte d'Horus à Edfou au temps des Ptolémées, Le Caire 1954 Assmann, Hymnen = J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, Zürich und München 1975 Aufstieg und Niedergang = Aufstieg und Niedergang der römischen Welt B. C. H. = Bulletin de Correspondance Hellénique Beri. gr. Urk. = Berliner griechische Urkunden Bernand, Inscr. métr. = E. Bernand, Inscriptions métriques de l'Égypte gréco-romaine, Paris 1969 Betz = H. D. Betz, The Greek Magical Papyri in Translation, Chicago 1986 B. I. F. A. O. = Bulletin de l'Institut Français d'Archéologie Orientale v. Blanckenhagen - Alexander = P. H. von Blanckenhagen - Chr. Alexander, The Augustan Villa at Boscotrecase, Mainz 1990 Boll, Kl. Sehr. = F. Boll, Kleine Schriften zur Sternkunde des Altertums, Leipzig 1950 Bonneau = D. Bonneau, La crue du Nil, divinité égyptienne, Paris 1964 Bonner, Studies = C. Bonner, Studies in Magical Amulets, Ann Arbor 1950 Bonnet, Reallex. = H. Bonnet, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin 1952 Borghouts = J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, Leiden 1978 Brunner-Traut, Märchen = E. Brunner-Traut, Altägyptische Märchen, 10. Auflage München 1991 Cerulli Irelli = G. Cerulli Irelli - M. Aoyagi - St. de Caro - U. Pappalardo, Pompeianische Wandmalerei, Stuttgart und Zürich 1990 C. I. L. = Corpus Inscriptionum Latinarum Cumont, Rei. or. = F. Cumont, Les religions orientales dans le paganisme romain, quatrième édition Paris 1929 D. Α. I. = Deutsches Archäologisches Institut Dessau = H. Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae, Berlin 1892-1916 Dunant, Le culte d'Isis = F. Dunant, Le culte d'Isis dans le bassin oriental de la méditerranée I III (EPRO 26), Leiden 1973 Eingartner = J. Eingartner, Isis und ihre Dienerinnen in der Kunst der römischen Kaiserzeit (Mnemosyne Suppl. 115), Leiden 1991

XXVI

Abkürzungen

Elia = Olga Elia, Le pitture del tempio di Iside. Monumenti della pittura antica scoperti in Italia III 4, Roma 1942 EPRO = Études préliminaires aux religions orientales dans l'empire romain, publiées par M. J. Vermaseren Erman, Rei. = A. Erman, Die Religion der Ägypter, Berlin 1934 Fraser, Alex. = P. M. Fraser, Ptolemaic Alexandria, Oxford 1972 Faulkner, Coffin Texts = R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts I—III, Warminster 1973-1978 Geißen = Α. Geißen, Katalog alexandrinischer Kaisermünzen der Sammlung des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln I—III (Papyrologica Coloniensia V), Opladen 1 9 7 4 1982 Geißen - Weiser = A. Geißen - W. Weiser, Katalog alexandrinischer Kaisermünzen der Sammlung des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln IV, Opladen 1983 Götter Pharaonen = Katalog der Ausstellung in Essen, Villa Hügel 1978 (D. Wildung, G. Grimm) Grenier, Anubis = J.-C. Grenier, Anubis alexandrin et romain (EPRO 57), Leiden 1977 Grimm - Johannes = G. Grimm - D. Johannes, Kunst der Ptolemäer- und Römerzeit im Ägyptischen Museum Kairo, Mainz 1975 Hani = J. Hani, La religion égyptienne dans la pensée de Plutarque, Paris 1976 Heitsch, Dichterfragmente = E. Heitsch, Die griechischen Dichterfragmente der römischen Kaiserzeit, Göttingen 1961, 2. Auflage 1963 Heibig - Speier = W. Heibig - H. Speier, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom, Tübingen 1963-1972 Herrmann - Bruckmann = P. Herrmann - F. Bruckmann, Denkmäler des Altertums, München 1906-1950 Hopfner, Fontes = Th. Hopfner, Fontes historiae religionis Aegyptiacae, Bonn 1922-1925 Hornbostel = W. Hornbostel, Sarapis (EPRO 32), Leiden 1973 Hornung, Der Eine = E. Hornung, Der Eine und die Vielen, Darmstadt 1971 I. G. = Inscriptiones Graecae I. G. urbis Romae = L. Moretti, Inscriptiones Graecae urbis Romae I. K. = Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien Isidoros von Narmuthis, Hymnen I-IV; Editionen: S. E. G. VIII 548-551 E. Bernand, Inscr. métr. 175 V. F. Vanderlip, The Four Greek Hymns of Isidorus and the Cult of Isis. American Studies in Papyrology 12, Toronto 1972 M. Totti, Texte Nr. 21-24 Isisfeste = R. Merkelbach, Isisfeste in griechisch-römischer Zeit. Daten und Riten, Meisenheim 1963 Jacoby, F. gr. Hist. = F. Jacoby, Die Fragmente der griechischen Historiker J. E. A. = Journal of Egyptian Archaeology Kaiser, Katalog Berlin = W. Kaiser, Ägyptisches Museum Berlin (Katalog), Berlin 1967 Kater-Sibbes - Vermaseren = G. J. F. Kater-Sibbes - M. J. Vermaseren, Apis (EPRO 48), Leiden 1975-77 Kerényi = Κ. Kerényi, Die griechisch-orientalische Romanliteratur, Tübingen 1927

Abkürzungen

XXVII

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XXVIII

Abkürzungen

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Einführung Altorientalische Voraussetzungen

1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

Ό σ ι ρ ι ς ό καλούμενος ΰδωρ Der Osiris genannt wird, ist das Wasser P. G. M . XII 234

Die ägyptischen Mythen sind von anderer Art als die Mythen der Griechen § 1 Es ist nicht möglich, eine alte Religion zu verstehen, wenn man ihre exemplarischen Erzählungen, ihre Mythen, nicht kennt. Dies gilt auch für die Religion der Ägypter. Aber die ägyptischen Mythen sind von den uns vertrauten griechischen Mythen verschieden. 1 Bei den Griechen gibt es die herrlichen Erzählungen Homers vom trojanischen Krieg und von der mühevollen Heimfahrt der Helden, das Epos des Apollonios von Rhodos über die Fahrt der Argo ans Ende der Welt, die Mythenkränze um Perseus, Theseus und Herakles, den tragischen Mythenkreis von Theben mit Laios, Ödipus und seinen verfeindeten Söhnen - Geschichten, die mit langem Atem und nach weitausgreifendem Plan erzählt und auf der Bühne dargestellt wurden. Auch die Sumerer und Babylonier hatten umfangreiche, sorgfältig disponierte mythische Erzählungen - Gilgamesch, Weltschöpfung, Atrahasis. Verglichen damit sind die ägyptischen Mythen kurzatmig. Sie zerfallen in einzelne Episoden, die unverbunden nebeneinander stehen. Eine zusammenhängende Erzählung der Isismythen findet man allein bei dem Griechen Plutarch (um 120 n. Chr.). Die poetische Ausgestaltung der ägyptischen Texte kann man nicht mit derjenigen vergleichen, welche die griechischen Dichter ihren Mythen gegeben haben, und oft genug werden auch widersprüchliche Fassungen erzählt. Aber wenn man sich näher auf die Erzählungen und Rituale der Ägypter einläßt, dann findet man, daß es sich um einen Komplex von Vorstellungen handelt, welche in ihrer Weise Antworten auf die ernsten Fragen der menschlichen Existenz darstellten und den Menschen Halt im Leben gaben. Die ägyptischen Mythen haben fast alle einen Bezug auf typische Situationen, in welche der Mensch im Lauf seines Lebens kommt. Sie präfigurieren die Stationen des Lebens und hängen oft mit Ritualen zusammen, welche dessen Wendepunkte begleiten. § 2 Charakteristisch ist, daß sie nicht nur erzählt, sondern auch nachgespielt wurden, daß man mit Augen sehen konnte, was über die Götter berichtet wurde. Alles ist anschaulich, wie

1

Klar hervorgehoben von R. T. Rundle Clark, Myth and Symbol in Ancient Egypt (1959) 1 1 - 1 2 (preface).

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1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

denn die bildende Kunst der Ägypter von überragendem Rang ist. Ihre Poesie kann man nicht mit derjenigen der Griechen vergleichen; aber über ihre Kunst wird man anders denken. Sie haben, hierin die Babylonier weit übertreffend, die erste große Kunst geschaffen; von den Ägyptern haben die Griechen gelernt, Tempel zu bauen und plastische Kunstwerke zu bilden.

Sonnengott und Nil bestimmen das Leben in Ägypten § 3 Voraussetzung für die ägyptische Hochkultur war, daß die Menschen gelernt haben, das Hochwasser des Nils zur Bewässerung ihrer Felder zu nutzen. Wasser und Sonne, dies ergab Ernten, von denen die prähistorischen Menschen nie geträumt hätten. So sind der Nil und der Sonnengott (Re) die großen Götter Ägyptens gewesen. Die Hochflut des Nils bestimmte den Rhythmus der jährlichen Arbeiten. Scheinbar paradoxerweise tritt sie etwa in der Mitte des Monats Juli ein, zur Zeit der größten Hitze. Die Schmelzwasser von den Bergen Äthiopiens kommen erst zu dieser Zeit in Ägypten an. Der Stern Sirius (ägyptisch Sothis), der längere Zeit hindurch am Nachthimmel nicht zu sehen war, wird um den 19. Juli, zur Zeit der Nilflut, zum erstenmal wieder kurz vor Sonnenaufgang erblickt. Die Ägypter haben das Zusammentreffen schon früh beobachtet und ihren Neujahrstag auf diesen Tag gelegt. Sie zählten ihn als den ersten des Monats Thoth; Thoth ist der Gott des Rechnens, der Schrift und des Kalenders. Der Lauf der Sonne und das Wasser des Nils, Säen und Ernten, Fruchtbarkeit und Dürre, dies war der äußere Rahmen, in welchem die Ägypter lebten und in dem auch ihre Mythen gesehen werden müssen.

Osiris, Isis und Horos § 4 Der wichtigste Mythenkreis der ägyptischen Religion ist der um Osiris, Isis und Horos. Hier ist die zentrale Vorstellung eine Dreiheit, die Familie: Vater, Mutter und Kind. Isis und Osiris sind Geschwister und Ehegatten. Sie hatten zwei weitere Geschwister, den bösen Seth und dessen Gattin Nephthys. 1 Bei der kurzen Lebenszeit der damals lebenden Menschen (man darf sie auf durchschnittlich 30 Jahre schätzen) war nicht ohne weiteres zu erwarten, daß beide Eltern leben würden, bis das Kind erwachsen war; man mußte damit rechnen, daß einer vorzeitig starb. Im ägyptischen

1 Die ägyptischen Götter, welche hier von Belang sind: (a) Familie des Osiris und der Isis: Geb (= Kronos) (Erdgott) Isis

°°

Osiris

I Horos (= Harpokrates)

oo

I Nephthys

Nut (Himmelsgöttin) 00

Seth (Typhon)

I Anubis (Schakal)

(b) Andere Götter: Amun-Re (Sonnengott); Thoth (= Hermes), Gott der Schrift, des Rechnens, der Ärzte.

1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

5

M y t h o s stirbt der Vater, Osiris; Isis muß ihr Kind Harpokrates 1 allein großziehen. W e n n der Sohn erwachsen ist - jetzt wird er Horos genannt - , dann muß er um das Erbe des Vaters kämpfen. Er führt gegen Seth, den bösen Bruder seiner Mutter, einen Prozeß, gewinnt und wird in sein Erbe eingesetzt.

Vielfache Bedeutung des Mythos § 5 Diese Grundstruktur des Mythos wird von anderen Bedeutungen überlagert. Isis und Osiris sind auch Präfigurationen der Könige von Ägypten, und Horos ist der Thronfolger. Ferner ist Osiris der erste Tote; an ihm wurden all die Riten vollzogen, welche bei der Bestattung in Ägypten üblich waren. An diese Riten knüpfte sich die Hoffnung auf eine Art Weiterleben nach dem Tode. Wie in der Natur T o d und neues Leben aufeinander folgen, so auch bei den Menschen: Isis erweckt den toten Gatten und empfängt von ihm den Sohn. Dies ereignet sich, als Osiris tot ist; er wird nicht mehr in die Oberwelt zurückkehren, sondern in der Unterwelt fortleben. Die mütterliche Erde empfängt den Samen erst nach dem T o d der Pflanzen. So wird im Osirismythos das Wiederaufleben präfiguriert, besonders des Getreides. Als erster T o t e r wurde Osiris auch König der Unterwelt. Dort thront er als Richter; jeder Gestorbene wird vor ihn treten und sich rechtfertigen müssen. So sind in der Vorstellung von den Göttern viele Gedanken miteinander verquickt: Osiris ist Vater, Korngott, T o t e r und Richter. Isis ist Geliebte und Mutter. H o r o s ist das Kind, der Erwachsene und auch der lebende König. M a n soll nicht fragen, welche der Bedeutungen die ursprüngliche gewesen sei. Die früheren Menschen haben nicht analysiert, sondern in komplexen Vorstellungen gelebt.

Die vier Geschwister Osiris und Isis, Seth und Nephthys § 6 Der Erdgott Geb (griechisch Kronos) und die Himmelsgöttin Nut hatten vier Kinder, die Söhne Osiris und Seth (griechisch Typhon) und die Töchter Isis und Nephthys. Seth war der G o t t der Gewalt und als solcher nicht ganz und gar böse; 2 insofern ein König nicht ohne Gewalt regieren kann, war Seth neben Horos der Gott der Könige, und in der Ramessidenzeit hießen zwei Könige Seti ( „ M a n n des Seth"). Seti I. regierte von 1 3 0 4 - 1 2 9 0 , Seti II. von 1 2 0 0 1 1 9 4 . Aber in späterer Zeit hat man Seth überwiegend als Vertreter des Bösen betrachtet. Er war (neben anderem) der Gott des heißen, ausdörrenden Wüstenwindes (des Chamsin). Er nahm seine Schwester Nephthys zur Gattin. Seths Tier ist der Esel.

Seth ermordet seinen Bruder § 7 Seth-Typhon war eifersüchtig und hat seinen Bruder umgebracht. Es gab hierüber verschiedene Versionen. Alle diese Mythen waren nie als Berichte über historische Ereignisse * Das ägyptische W o r t ist „ H a r p e c h r a d " ( H a r = H o r o s , pe = das, chrad = Kind). Die Griechen schrieben diesen Namen als „Har-po-krat(es)". 2 Vgl. E. Hornung, in: Symbolon, Jahrbuch für Symbolforschung, Neue Folge 2 ( 1 9 7 4 ) 4 9 - 6 3 ; H. te Velde, Seth, God of Confusion (Leiden 1 9 6 7 ) .

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1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

gedacht, sondern als erzählende Interpretationen des Lebens in Ägypten. Die Wirklichkeit hatte verschiedene Aspekte, und so konnte man die Mythen erzählen, je nach dem, welcher Aspekt erläutert werden sollte. § 8 Plutarch gibt als Grund für die Feindschaft Seths gegen Osiris an, daß Osiris einmal in der Trunkenheit Nephthys mit Isis verwechselt und versehentlich begattet habe; er habe bei ihr einen Kranz aus Klee zurückgelassen, und daran habe Seth erkannt, daß der Bruder bei seiner Frau gelegen hatte. 1 Bei dieser Liebesumarmung habe Nephthys einen Sohn, den hundsköpfigen Anubis, empfangen. V o n Seth, dem unfruchtbaren Wüstenwind, hätte Nephthys kein Kind empfangen können. Aber wenn eine besonders hohe Nilflut eintritt und das Wasser auch einen Teil der Wüstenerde erreicht, dann wächst dort Klee, dann hat Osiris in der Trunkenheit und ohne böse Absicht Nephthys begattet.

Osiris ertrunken; Osiris das Wasser, Isis das Land § 9 Aber in der Nilflut ist Osiris auch selbst ertrunken. Er war der Gott der Flut, er war der Ertrunkene. Das ganze Land stand unter Wasser, nur die Dörfer auf ihren Hügeln schwammen wie Inseln auf der Flut. Dieses Ertrinken des Landes brachte Fruchtbarkeit, brachte Segen, und so hieß Osiris als Ertrunkener auf ägyptisch „Hesiês" = „der Gesegnete". Auch jeder ertrunkene Mensch hatte für die Ägypter das Schicksal des Osiris wiederholt und war zu einem Gesegneten, Hesies, geworden. 2 Als Beispiel sei der Grabstein eines fünfjährigen Mädchens abgebildet, der bei der Sphinx-Allee in Memphis gefunden wurde:

1 De Iside 1 4 . Die Verbindung des Osiris mit Nephthys wird auch erwähnt in P. G. M . IV 1 0 2 (koptisch) und L X I I 5. 2 H e r o d o t II 9 0 ; vgl. F. LI. Griffith, Zeitschrift für ägyptische Sprache 4 6 , 1 9 0 9 , 1 3 2 - 1 3 4 ; F. J. Dölger, Antike und Christentum 1, 1 9 2 9 , 1 7 4 - 1 8 3 ; E. Bernand, Inscr. métr. 8 6 - 8 7 = M . Totti, T e x t e N r . 7 4 ; J. Hani, L'Antiquité Classique 4 3 , 1 9 7 4 , 2 1 2 - 2 2 4 . Vgl. § 4 2 6 .

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Asklepias, 5 Jahre alt; als Gesegnete ist sie (von uns) gegangen." 1

Z e i c h n u n g 1: E. Bernand, Inscriptions grecques d ' É g y p t e et de N u b i e au M u s é e du L o u v r e ( 1 9 9 2 ) Nr. 7 1 .

Der „Umschlag von einem grauenvollen Untergang zur Seligkeit" ist „rational freilich schwer verständlich" 2 . Der Ägypter assoziierte die Gedanken innerhalb seiner optischen Vorstellungen und der erklärenden Mythen. N a c h der memphitischen Theologie 3 haben Isis und Nephthys zusammen den ertrunkenen Osiris bei Memphis aus dem Wasser gezogen und an Land gebracht. § 1 0 Plutarch 4 erzählt, daß Seth seinen Bruder hinterlistig dazu gebracht habe, sich in einen Sarg zu legen. Sobald Osiris dies getan hatte, klappten Seth und seine Gesellen den Deckel zu, vernagelten ihn und warfen ihn in den Fluß. Der Nil schwemmte den Gott im Sarg flußabwärts und durch die tanitische Mündung ins Meer. Die Erzählung umspielt die Vorstellung vom T o d des Osiris in der Flut. § 11 Indem Osiris in der Nilflut das Land überschwemmte, wurde er auch als das Fruchtbarkeit bringende Wasser aufgefaßt. In griechisch-römischer Zeit ist man dazu übergegangen, des Osiris Gemahlin Isis als das befruchtete Land (Γη) zu verstehen. 5 1 'Ασκληπιός (έτων) ε Έσιης απήλθε. Das scheinbare „ L " in der zweiten Zeile des griechischen Textes ist eine Abkürzung für „Jahr(e)". 2 A. H e r m a n n , Reallexikon für Antike und Christentum VI 3 7 6 (in einem wertvollen „Ertrinken").

Artikel

3 H. Junker, Die politische Lehre von Memphis ( 1 9 4 1 ) S. 3 8 und 7 4 / 7 5 (zu den Zeilen 1 9 / 2 0 und 6 3 des Textes). Auch bei M . Lichtheim I 5 5 . 4

De Iside 1 3 .

5

Osirishymnus des Louvre (J. Assmann, Hymnen Nr. 2 1 3 , 1 2 0 ; S. 4 4 7 ) über Osiris: „Der Nilstrom, die

8

1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

Der Sarg des Osiris schwimmt nach Byblos; Isis findet ihn und holt ihn nach Ägypten zurück § 12 Der Sarg mit dem toten Osiris ist nach Byblos in Syrien g e s c h w o m m e n und dort in einen Baum eingewachsen. 1 Dieses Einwachsen des Sarges bedeutet das Wieder-Eingehen des Osiris in die pflanzliche Natur und seine Regeneration. Auf einem Relief aus Tentyra liegt Osiris in einem Sarg, aus welchem ein Baum wächst.

Zeichnung 2: Osiris mit Falkenkopf im Sarg, bewacht von Isis (links) und Nephthys. Die beiden Göttinnen tragen ihre Namen in hieroglyphischer Schrift auf ihren Köpfen. Aus dem Sarg wächst ein Baum. Relief aus Tentyra, nach E. A. Wallis Budge, Osiris I 5.

Flut". Isis-Litanei aus Philae bei H. Junker, Das Götterdekret über das Abaton (Denkschr. Akad. Wien 56, 1913) 38: „Osiris ist der Nil, Isis ist das Feld". P. G. M. XII 235 = Abrasax I 160 und 175 εγώ ε'ιμι Ό σ ι ρ ι ς ó καλούμενος ίίδωρ. Horigenes, Contra Celsum V 38 μεταλαμβάνουσι τον μέν Ό σ ι ρ ι ν εις ίΐδωρ, την δέ Τ Ισιν είς γήν. Plutarch, De Iside 32 οι λέγοντες.. . Νειλον είναι τον "Οσιριν "Ισιδι συνόντα τήι γήι. 38 ώς δε Νειλον Ό σ ί ρ ι δ ο ς άπορροήν, οΰτως "Ισιδος σώμα γην λέγουσι. Ps. Clemens, Recogn. Χ 27,4 Osiris = aqua. Heliodor IX 9,4 προς . . . τούς μύστας Τ Ισιν τήν γην και "Οσιριν τον Νειλον καταγγέλλουσι. Salu(s)tios, Περί θεών και κόσμου 4,3 (Αιγύπτιοι) καλέσαντες Τ Ισιν μέν τήν γην, "Οσιριν δέ τό ΰγρόν. Porphyrios, Περί άγαλμάτων p. 20*', 11 Bidez = Porph. Fragm. ed. Andrew Smith 360F,42 (p. 431) = Eusebios, Praep. ev. III 11,51 (I p. 144 Mras) ή δέ έντοΐς μύθοις μισγομένη τώι'Οσίφίδι'Ισις ή Αίγυπτία εστί γη. Claudius Aelianus, De natura animalium X 46 V O O Ü O L δέ (sc. Όξυρυγχΐται) τον "Οσιριν άρα τον αΐιτόν τώι Νείλωι είναι. Servius zu Vergil, Aen. Vili 696 Isis . . . est terra, quam Isitt volunt esse. Vgl. F. J. Dölger, Antike und Christentum 5, 1936, 153-175. 1

Plutarch, De Iside 15-17.

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Isis hat nach dem toten G a t t e n gesucht und den Sarg in Byblos gefunden. Sie hat ihn dann nach Ägypten zurückgebracht und in der unterägyptischen Stadt B u t o versteckt.

Seth zerstückelt Osiris und zerstreut seine Glieder; Isis sucht und findet sie und setzt sie zusammen § 1 3 Aber Seth-Typhon hat den Sarg gefunden, als er nachts einen Eber jagte (Plutarch, D e Iside 8 und 1 8 ) . D e r Eber hat Seth zu dem Platz geführt, w o sein Feind b e g r a b e n lag; die ursprüngliche Fassung des M y t h o s m u ß gewesen sein, daß Seth in Gestalt eines Ebers den Osiris aufgespürt hat, so wie ein E b e r den mit Osiris nah verwandten Adonis getötet h a t . 1 Seth hat den Sarg geöffnet, die Leiche in 1 4 Teile zerschnitten 2 und zerstreut. Isis mußte nach Plutarch nun ein zweitesmal nach dem toten G a t t e n suchen. M a n wird sich dies so erklären, d a ß Plutarch (oder eine Quelle) zwei mythische V a r i a n t e n in einer einzigen Erzählung kombiniert hat, den T o d des Osiris durch das In-den-Fluß-Werfen des Sargs und den T o d durch Seth bzw. den Eber. Beide M a l e schließt sich daran die Suche. Es k o m m t a u f die Z e r e m o n i e n an, das Suchen ( ζ ή τ η σ ι ς ) und Finden ( ε ΰ ρ ε σ ι ς ) ; in welchem Z u s a m m e n h a n g der Erzähler über Suchen und Finden berichtete, das w a r nicht wichtig. Es gelang Isis, alle verstreuten Glieder aufzufinden, mit Ausnahme des Phallos. Diesen hatte Seth in den F l u ß g e w o r f e n , und die Fische hatten ihn gefressen. Als Isis die Leiche wieder zusammensetzte, hat sie ein Ersatzglied angefertigt und geweiht. Zugrunde liegt die bildliche Vorstellung: Der Nil ist der Phallos des Gottes.

Isis stets auf der Suche § 1 4 D a m i t sind schon zwei Varianten erwähnt, d a ß Isis den Osiris gesucht und gefunden hat. Das Suchen und Finden ist auch in Prozessionen jährlich neu gespielt w o r d e n ; wir werden sie später besprechen (§ 2 8 2 ) . § 1 5 Beim Suchen hat der Sohn des Osiris und der Nephthys, der hundsköpfige An ubis, Isis geholfen, und seitdem begleitet Anubis seine Herrin auf allen W e g e n . 3 § 1 6 Isis hat auf ihrer Suche alle gefragt, die ihr begegneten; keiner wußte R a t . A b e r spielende Kinder hatten gesehen, wie die bösen Helfer des Seth-Typhon den Sarg flußabwärts durch eine der M ü n d u n g e n ins M e e r befördert hatten. Aus dieser mythischen Erzählung leiteten die Ägypter ihre Überzeugung ab, daß R u f e spielender Kinder die Z u k u n f t ansagen. 4

1

Ich folge J. Hani 90.

Vorbild für die Zerteilung der Leiche bei der Mumifizierung. In den griechischen Texten heißt Osiris oft „der Kopflose", s. § 644. 2

3 Plutarch, De Iside 14. Diodor I 87, in § 175 zitiert. Minucius Felix 22,1. Claudius Aelianus, De natura animalium X 45. 4 Das berühmteste Kinderorakel befand sich in Memphis, s. ξ 181. P. Courcelle hat das Orakel verglichen, welches Kinder dem Augustin im Garten von Mailand gaben (confess. VIII 29 tolle lege), s. Rev. Hist. Rei. 139, 1 9 5 1 , 2 1 6 - 2 3 1 . Ambrosius ist auf Grund des Rufs eines Kindes zum Bischof gewählt worden, Paulinus von Mailand, Vita Ambrosii 6 subito vox fertur infantis in populo sonuisse „Ambrosium episcopum".

10 1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

Totenwache bei Osiris; Klagen der Isis und Nephthys § 17 Als der tote Osiris gefunden war, wurde seine Leiche aufgebahrt, und vier göttliche Wesen, welche die „Hor^s-Söhne" hießen, hielten Totenwache. Dieselben Riten w u r d e n f ü r jeden Verstorbenen ausgeführt; Osiris w a r der erste Tote und das Vorbild f ü r alle, die sterben sollten, so wie die Vergöttlichung des Osiris allen die H o f f n u n g auf ähnliche Vergöttlichung bot. Osiris wird auch Richter der Toten sein. In den ptolemäischen Tempeln von Philae, Apollonopolis-Edfu und Tentyra-Dendera sind die Stundenwachen für Osiris hieroglyphisch eingemeißelt. 1 § 18 Isis und Nephthys haben den Toten beklagt. Dies ist oft dargestellt worden. Die Göttinnen sind bald als Frauen, bald als Falkenweibchen beiderseits der Bahre zu sehen.

Zeichnung 3: Isis (rechts) und Nephthys beweinen Osiris; der Tote fängt schon an, sich wieder zu regen. Von einem Relief in Philae. E. A. Wallis Budge, Osiris II 45 Zwei vollständige Fassungen der Klagelieder sind auf Papyrus erhalten. 2

1

H. Junker, Die Stundenwachen in den Osirismysterien (Wien 1910); Auszug bei G. Roeder, Urkunden 34-45. 2 Pap. Bremner-Rhind, übersetzt von R. O. Faulkner, J. E. A. 22, 1936, 121-132; G. Roeder, Mythen 183-214; E. Hornung, Gesänge vom Nil 171-173 (Auszug). Pap. Berlin 3008, übersetzt von R. O. Faulkner, Mélanges Maspero I (1934) = Mémoires de l'Institut Français d'Archéologie Orientale 66, S. 337-341: G. Roeder, Mythen 215-226; M. Lichtheim III 116121. Vgl. auch den Sargtext 74 (R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts I, S. 69-70) und J.-C. Goyon, Β. I. F. Α. O. 65, 1967, 89-156 („Le cérémonial de glorification d'Osiris du Pap. Louvre I 3079").

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Osiris mumifiziert; das Totengericht § 1 9 Während Isis und Nephthys den Toten beklagten, wurde Osiris zur M u m i e hergerichtet. Dieser Aufgabe hat sich der hundsköpfige Gott Anubis unterzogen.

Zeichnung 4: Aus dem Berliner Pap. 3008. Anubis legt die Binden um die Mumie, Isis (rechts) und Nephthys singen die Klagelieder. Nach G. Roeder, Mythen S. 2 1 6 Abb. 39.

§ 2 0 So wie Osiris im Mythos zur Mumie und damit zu ewiger Existenz im Jenseits hergerichtet wurde, ebenso hat man die verstorbenen Menschen mumifiziert und zu Osiris gemacht. M a n nannte den Verstorbenen dann nicht mehr allein mit seinem Namen ( „ N . N . " ) , sondern setzte den Namen des Osiris hinzu (also: „Osiris Ν . Ν . " ) . Dann hatte der Verstorbene vor dem Totenrichter Osiris zu erscheinen; Osiris Ν . Ν . (der Mensch) erschien vor Osiris (dem Gott). Vermutlich wurde dieses mythische Gericht schon in altägyptischer Zeit in eindrucksvollen Zeremonien bei der Bestattung durchgespielt.

Osiris wiederbelebt und als Djed-Pfeiler aufgerichtet § 2 1 Die Wiederbelebung des Osiris wurde in zwei Ritualen zelebriert, durch Erweckung des lebenspendenden Gliedes, des Phallos (s. § 2 4 ) , und dadurch, daß der G o t t sich wieder erhob und dann für alle Ewigkeit als Pfeiler aufrecht stehen blieb (Zeichnung 5). Der Pfeiler hieß Djed, „Dauer, Beständigkeit". Beide Rituale haben denselben Sinn.

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1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

Zeichnung 5: Osiris erhebt sich von der Totenbahre. Relief im Tempel von Tentyra. Nach Ε. A. Wallis Budge, Osiris II 43. § 22 Den Djed-Pfeiler mögen die folgenden Zeichnungen (6-8) vor Augen führen. Die zugrundeliegende Vorstellung ist - in unser Denken übertragen - das Wiederaufleben der Natur in den Bäumen und Sträuchern. Im Kult ist das Aufrichten des Djed-Pfeilers wahrscheinlich vollzogen worden, indem man den Sarg hoch stellte. Auf der Rückseite der Sarkophage ist oft der Djed-Pfeiler dargestellt, als Rückgrat des Osiris; ein Aufrichten des Sarkophags bedeutete gleichzeitig das Aufrichten des Pfeilers.

1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris

13

Zeichnungen 6 - 8 : Drei Darstellungen des Djed-Pfeilers, nach E. A. Wallis Budge, Osiris I S. 51 (Abb. 3), 53 (Abb. 4) und 56 (rechts oben). Links: Schematische Darstellung des Pfeilers, nach dem Papyrus des Ani. Der Pfeiler hat Arme, welche Geißel und Szepter halten, die Attribute des Osiris. Mitte: Aus Osiris wächst der Pfeiler hervor; das Gesicht des Osiris blickt durch den Pfeiler. Dieser ist von einer Osiris-Krone gekrönt. Aus Abydos. Rechts: Ein König übergibt den Pfeiler an Isis; aus dem Pfeiler blickt wieder Osiris heraus. Man sieht, daß der Pfeiler wie ein Sarg gekippt werden kann. Aus Abydos.

Die Totenhochzeit § 2 3 Die zweite Vorstellung von der Wiedererweckung des Osiris w a r , d a ß seine Zeugungsk r a f t erneuert w u r d e . Dies geschah durch seine klagenden Schwestern. Der M y t h o s ist schon im Spruch 366 der Pyramidentexte belegt: 1 „ O Osiris Ν . Ν . , stehe auf, erhebe dich! . . . Die gewaltige Götterschaft begrüßt dich . . . Deine beiden Schwestern Isis und Nephthys k o m m e n zu dir, damit sie dich heilen. D u bist vollständig, du bist groß . . . Deine Schwester Isis k o m m t zu dir, jauchzend aus Liebe zu dir. D u hast sie auf deinen Phallos gesetzt. 2 Dein Same strömt hinaus in sie, die bereit ist als der bereite Stern (der

1

G. Roeder, Mythen 170-172; R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Pyramid Texts 120 (§ 626-633). J. G. Griffiths übersetzt: „She places for thee thy phallus on her vulva" (The Origins of Osiris and his Cult [1980] 12 Anm. 22; Plutarch-Kommentar S. 353,6). 2

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Sirius). Horus ist bereit, und er geht hervor aus dir als der ,Horus, der im bereiten Stern (dem Sirius) ist'". 1 Diese Liebesumarmung findet statt zu einem Zeitpunkt, wo Isis als Sopdet=Sothis= Sirius bereit ist, am sakralen Neujahrstag, der durch den Frühaufgang des Sirius am 19. Juli bezeichnet wird. So wie der Nil das Land Ägypten überflutet, so befruchtet der Phallos des Osiris die geliebte Isis. § 24 Die Begattung geschieht, indem Isis sich auf den rücklings liegenden Osiris setzt: Der tot daliegende Osiris wird von der Geliebten zum Leben erweckt. Der Phallos des Osiris ist der Nil, die Schenkel der Isis sind die beiden Ufer des Flusses; das lebenbringende N a ß , der „Ausfluß des Osiris" 2 , befruchtet das Land, Isis empfängt den Sohn Horos. Solange dieser klein ist, heißt er „Horos das Kind", Har-pe-chrad, griechisch Har-po-krat(es). Auf den Wänden der ägyptischen Tempel wird die Hochzeit dergestalt abgebildet, daß Isis sich als Geierweibchen auf den liegenden Osiris niederläßt. 3

Zeichnung 9: Isis als Geierweibchen läßt sich auf dem erweckten Osiris nieder. Der zweite Geier hinter ihr ist Nephthys. Links die Liebesgöttin Hathor, rechts die Froschgöttin Heket (Göttin des Lebens und der Regeneration). Nach E. A. Wallis Budge, Osiris I 280; vgl. dort II 41 unten. Aus Tentyra.

1 Der ägyptische Text enthält ein Wortspiel, wie es die Ägypter liebten und das für uns unübersetzbar ist: Das hier gebrauchte Wort für „bereit" heißt „soped", und der Sirius heißt „Sopdet". Der zufällige Anklang der Wörter wird dem Ägypter zu einem Beweis für den inneren Zusammenhang von Siriusaufgang und Nilflut. 2 Im Totenbuch heißt es: „Die Flut mit dem Ausfluß, der aus Osiris hervorging" (Spruch 149,217; S. 314 der Übersetzung von E. Hornung). Ähnlich Plutarch, De Iside 36 und 38. Vgl. § 44.

^ Szenen aus Abydos und Tentyra sind abgebildet bei E. Otto, Osiris und Amun (München 1966) Tafeln 17-20, zwischen S. 68 und 69.

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Plutarch (De Iside 17) berichtet nur andeutend von dieser Totenhochzeit: Als Isis den Sarg des Osiris in Byblos gefunden hatte, nahm sie ihn mit. Als sie dann allein war, „öffnete sie den Sarg, legte ihr Gesicht auf das Gesicht (des Osiris) und küßte ihn w e i n e n d " . 1 § 2 5 Wenn man nur die mythische Erzählung bedenkt, wird man es verwunderlich finden, daß Isis und Osiris in der früheren Zeit ihrer Ehe kein Kind hatten und daß erst der tote Osiris, zum Leben erweckt, den Sohn zeugte. Wenn man aber mitbetrachtet, was in der Natur vorgeht, dann sieht man: Die neue Flut kommt erst, nachdem das Nilwasser auf seinen sommerlichen Tiefstand gesunken, 2 nachdem Osiris in der Hitze des Seth-Typhon verdorrt ist; erst jetzt kann Isis, das Land Ägypten das zeugende Wasser empfangen. M a n darf die Mythen nicht nach der Logik durchdenken. Sobald man auf den Sitz im Leben und auf das Ritual blickt, welches durch den Mythos erklärt werden soll, wird alles klar. Schon die Frage nach Früher oder Später - warum Isis den Sohn nicht schon in der Zeit der Ehe empfangen habe - ist unzulässig. Jedes mythische Bild muß für sich allein betrachtet werden. In ähnliche Schwierigkeiten kommt man bei rationaler Betrachtung immer wieder. So bedeutet der Tiefstand des Nils, das Versiegen des Wassers den T o d des Osiris; aber wenn in der Flut das Land ertrinkt, dann ist ebenfalls Osiris ertrunken. M a n darf die mythischen Bilder nicht in zeitlicher Folge aneinanderreihen und schon gar nicht mit abstrakter Logik entschlüsseln. M a n muß in Bildern denken.

Osiris der Korngott; die Osirisbetten § 2 6 Osiris ist nicht nur der Nil, er ist - wie Isis - auch das Land Ägypten; und er ist das Getreide, welches aus der Tiefe des Bodens hervorwächst. Seth-Typhon hat Osiris ermordet und zerstückelt; die Teile der Leiche sind über ganz Ägypten hin begraben worden. In ganz Ägypten werden die Samen ausgesät und von der Erde bedeckt. Osiris ist unter der Erde, ist Herr der Unterwelt. V o n dort, von unten her, k o m m t alle Fruchtbarkeit. 3 Ein Relief aus Philae (Zeichnung 10) zeigt, wie aus der Leiche des Osiris das Korn hervorsprießt.

1 Plutarch erzählt weiter: Ein Sohn des Königs von Byblos, den Isis mitgenommen hatte, kam hinzu und sah, w a s er nicht hätte sehen dürfen. Isis blickte sich in grimmigem Z o r n um, und der Knabe ist vor Schreck gestorben. 2 M a n darf nicht den heutigen Zustand Ägyptens zum Vergleich heranziehen, w o das Nilwasser durch den großen Staudamm zurückgestaut wird. 3 Am Ende der Aphorismen zur Lebensweisheit erwägt Schopenhauer zu „zeigen, wie sich an das Ende der Anfang knüpft, wie . . . der Eros mit dem T o d e in einem geheimen Zusammenhang steht, vermöge dessen der Orcus, oder Amenthes der Ägypter (nach Plutarch de Iside et Os. c. 2 9 ) der λαμβανων και διδους, also nicht nur der Nehmende, sondern auch der Gebende und der T o d das große réservoir des Lebens ist. Daher also, daher, aus dem Orcus kommt Alles, und dort ist schon Jedes gewesen, was jetzt Leben h a t . "

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Zeichnung 10: Aus der Leiche des Osiris wächst das neue Korn. Unterhalb des Gottes fünf Henkelkreuze (das Lebenszeichen „anch") zwischen jeweils zwei Szeptern. Relief aus Philae nach E. A. Wallis Budge, Osiris I 58.

Schon in dem großen ägyptischen Osirishymnus des Louvre (etwa 1 4 0 0 v. Chr.) wird der Gott gerühmt, „dem zuliebe die Pflanzen wachsen, für den der Acker die N a h r u n g hervorbringt . . . Der Korngott: Er gibt alle seine K r ä u t e r . " 1 In der Erzählung von H o r o s und Seth ( 1 2 . J a h r h . v. Chr.) sagt Osiris geradezu: „Ich bin es, der Gerste und Weizen geschaffen h a t . " 2 In einem ptolemäischen T e x t aus dem Tempel von Tentyra ist die Rede von Osiris, „der das K o r n machte aus der Flüssigkeit, die in ihm i s t " . 3 § 2 7 M a n hat den T o t e n oft die sogenannten „Osirisbetten" mitgegeben, als M u m i e geformte Erde, die mit Saatkörnern vermischt war. Die Körner keimten im Grab und zeigten, wie Osiris im neuen Korn wieder aufersteht, wie das Leben über den T o d siegt. 4 1

J. Assmann, Hymnen Nr. 213,26 und 122 (S. 4 4 4 und 447).

Pap. Chester Beatty I 14,12; E. Brunner-Traut, Märchen 138; G. Roeder, Mythen 68; G. Lefebvre, Romans 200; M. Lichtheim II 221. 2

3

A. M. Blackman, in: Studia Aegyptiaca 1 (Rom 1938) 1 - 3 .

Eine ähnliche Zeremonie, in welcher Erde und Samen in eine ausgehöhlte Zeder gefüllt wurden, beschreibt Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum 27: In Isiacis sacris de pinea arbore caeditur truncus. buius trunci media pars subtiliter excavatur, Ulte de seminibus factum idolum Osiridis sepelitur („Bei den Isis-Zeremonien wird der Stamm einer Pinie abgeschnitten. Der mittlere Teil des Stamms wird sorgfältig ausgehöhlt und dort ein Osirisbild aus Samenkörnern bestattet"). Die Szene ist erklärt von W. Spiegelberg, A. R. W. 19, 1 9 1 6 - 1 9 , 1 9 4 - 1 9 5 . Vgl. auch H. Bonnet, Reallex. unter den 4

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Die Schriftsteller der römischen Kaiserzeit wiederholen immer wieder, daß Osiris der Gott des Kornes sei. 1 § 28 Dies dachten die Menschen bis ans Ende der Kaiserzeit. Noch im Jahr 4 1 7 , nach der Eroberung Roms durch die Goten und als das Christentum längst die herrschende Religion war, erlebte der Dichter Rutilius Namatianus in der Stadt Faleria ein bäuerliches Osiris-Fest. 2 § 29 § 153.

Man konnte das neue Korn auch im Sohn des Osiris, Horos, personifiziert sehen; vgl.

Tierkult § 30 Osiris ließ nicht nur das Korn gedeihen; er hat auch den Herden Fruchtbarkeit verliehen und ist in Gestalt seiner heiligen Stiere verehrt worden. Der heilige Stier in Memphis hieß Apis. Herodot (II 153) hat Apis mit Epaphos gleichgesetzt, mit dem Sohn, welchen Io dem Zeus in Ägypten geboren hat.

Mutter und Kind § 31 In der Totenhochzeit mit Osiris hat Isis ihren Sohn empfangen und glücklich zur Welt gebracht. Sie hat ihn gepflegt und gesäugt; viele Bildwerke zeigen, wie sie ihm die Brust gibt 3 (s. Abb. 1 0 3 - 1 0 5 ) . Noch auf einer Goldmünze des gallischen Sonderkaisers Victorinus ( 2 6 9 - 2 7 1 ) hält Isis den Knaben auf ihrem Schoß (Abb. 247). Isis war den Gefahren ausgesetzt, welche jede Witwe mit unmündigen Kindern bedrohen. Der böse Bruder Seth-Typhon hat Isis und Harpokrates verfolgt. Isis ist mit dem Kind in die

Stichwörtern „Kornmumien" und „Mysterien". - G. Baudy, Adonisgärten (s. § 64) hat vorgeschlagen, daß der Ritus ursprünglich eine Saatprüfung (Prüfung der Keimfähigkeit der Samen) bezweckte. 1 Plutarch, De Iside 65 Μπτεσθαι μέν tòv Όσιριν, οτε κρύπτεται τηι γήι σπειρόμενος ό καρπός, αύθις δ' άναβιοϋσθαι και άναφαίνεσθαι, δτε βλαστήσεως άρχή („Osiris wird begraben, wenn die Frucht beim Aussäen in der Erde verborgen wird; dann lebt er wieder auf und kommt hervor, wenn das Aufsprießen beginnt"). Porphyrios, Περί άγαλμάτων p. 2 0 * , 2 Bidez = Porph. Fragm. ed. Andrew Smith 3 6 0 F , 3 3 (p. 4 3 0 ) = Eusebios, Praep. ev. III 11,50, zitiert in § 4 3 3 . Athenagoras, Supplicano 22: die Heiden nennen das Aussäen des Getreides „Osiris", τήν μέν του σίτου σποράν "Οσιριν. Firmicus Maternus, De errore 2,6 frugum semina Osirim dicentes esse, Isim terram. Tertullian, Adversus Marcionem I 12 Osiris quod semper sepelitur et in vivido quaeritur et cum gaudio invenitur, reciprocarum frugum et vividorum elementorum et recidivi anni fidem argumentantur. Vgl. auch die Anrufung des Osor-Onnophris in P. G. M. V 105 und 112 (= Abrasax II S. 156) σύ εδειξας σποράν και καρπούς . . σ ύ ε δ ε ι ξ α ς . . . πάσαν τροφήν. 2

De reditu 3 7 3 - 3 7 6 , s. § 2 9 0 .

Vgl. H. W. Müller, Isis mit dem Horuskinde, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge 14, 1963, 7 - 3 8 . V. Tran Tarn Tinh - Y. Labrecque, Isis lactans (EPRO 3 7 , 1 9 7 3 ) und V. Tran Tarn Tinh, „De nouveau Isis lactans", Mélanges M. J. Vermaseren (EPRO 6 8 , 1 9 7 8 ) III 1 2 3 1 - 1 2 6 8 . 3

18 1 Ägyptische Mythen um Isis und Osiris P a p y r u s s ü m p f e des Nildeltas geflohen und hat dort ihr Kind in unermüdlicher Fürsorge aus allen Gefahren errettet und großgezogen. 1

Zeichnung 11: Isis mit Kuhhörnern und Sonnenscheibe säugt ihr Kind Horos in den Papyrussümpfen. Amun-Re (rechts) hält das Lebenszeichen („anch", das Henkelkreuz) an ihre Nase, Thoth (links, mit Ibiskopf) bringt das Lebenszeichen. Der Sitz, auf dem Isis kniet, ist mit fünf Lebenskreuzen zwischen Szeptern verziert. Relief aus Philae nach E. A. Wallis Budge, Osiris I 301; vgl. H. Junker - E.Winter, Das Geburtshaus des Tempels der Isis in Philae (Wien 1965) 12.

Isis heilt ihr krankes Kind § 32 Das H o r o s k i n d ist m e h r f a c h k r a n k geworden; aber Isis kannte alle Arzneien u n d Z a u bersprüche u n d hat die Krankheiten geheilt. Wir kennen die Episoden von den Krankheiten des 1

Dies steht in vielen Quellen. Besonders charakteristisch ist die Metternichstele: C. E. Sander-Hansen, Die Texte der Metternichstele (Kopenhagen 1956, Analecta Aegyptiaca VII); G. Roeder, Urkunden 82-97; E. Brunner-Traut, Märchen Nr. 14/5, S. 141-149 (nur Teile); H. Sternberg-el-Hotabi bei Otto Kaiser (Herausgeber), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Religiöse Texte, II Lieferung 3 (1988) 358380.

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Horos aus Inschriften und Papyri, denen wir den Namen „magisch" geben. Es wird beispielsweise erzählt: Horos hatte sich verbrannt; da bereitete Isis eine Heilsalbe (deren Ingredienzien genau angegeben werden), verband die Wunde und sprach dazu: „Das Feuer soll weichen." Wenn ein Menschenkind sich verbrannt hat, dann soll seine Mutter nach dem Vorbild der Isis verfahren, dieselbe Salbe bereiten, aufstreichen und dazu einen Segen sprechen. Es handelt sich also nicht um einen Mythos, der um seiner selbst willen - als schöne Geschichte - erzählt wird; vielmehr wird der Mythos erzählt, um die Ingredienzien der Salbe mitzuteilen, das Vertrauen zu wecken, daß die Salbe wirken wird, und die Behandlung der Wunde durch das mythische Vorbild zu beglaubigen. Es gab entsprechende mythische Geschichtchen nicht nur für Brandwunden und Fieber, 1 sondern auch für Skorpion- und Schlangenstiche, 2 Kopfschmerzen, 3 Leibschmerzen 4 und für die Anwendung verschiedener Arzneien. 5 § 33 Nach Diodor hat Isis das Mittel zur Unsterblichkeit (αθανασίας φάρμακον) gefunden; denn einst hatten die Titanen, die Gefolgsleute des Seth-Typhon, Horos nachgestellt, ihn umgebracht und in den Nil geworfen. 6 Isis hat ihn im Wasser schwimmend gefunden; sie gab ihm den Lebenshauch (ψυχή) zurück, 7 ließ ihn auferstehen (άναστήσαι) und der Unsterblichkeit teilhaftig werden.8

Seth in Gestalt eines schwarzen Ebers greift Horos an § 34 Während Horos heranwuchs, versuchte Seth auf jede nur mögliche Weise, dem Knaben zu schaden und selbst die Herrschaft über Ägypten zu erlangen. Einmal verwandelte er sich in einen schwarzen Eber, griff Horos an und verwundete ihn im Auge. 9 Re der Sonnengott heilte das Auge.

1

Borghouts Nr. 34-36 (Pap. Brit. Mus. 10059 und Pap. Leiden I 348).

2

Allein auf der Metternichstele finden sich fünf Belege, s. Borghouts Nr. 90, 91, 9 3 - 9 5 . Gesamtübersetzungen von C. E. Sander-Hansen und H. Sternberg-el-Hotabi, s. die vorletzte Anmerkung; zwei charakteristische Sprüche bei E. Brunner-Traut, Märchen Nr. 14 und 15. 3 Borghouts Nr. 4 4 - 4 5 (Pap. Budapest und Pap. Leiden I 348). J. LI. Griffith - H. Thompson, The Demotic Magical Papyrus of London and Leiden (1904) verso col. XXXIII (p. 2 0 3 - 2 0 5 ) ; Janet Η. Johnson bei H. D. Betz S. 250/1 als PDM XIV 1219-27. 4 Borghouts Nr. 49 (Pap. Leiden I 348); Demot. Mag. Pap. (wie in der vorigen Anmerkung); P. Angelicus Kropp, Koptische Zaubertexte II S. 9-11 Nr. III. 5

Borghouts Nr. 74 (Pap. Berlin 3038 [190] 21,3-9).

6

Das Geschick des Vaters Osiris ist hier auf den Sohn Horos übertragen. - Im Totenbuch, Spruch 113 (S. 221 Hornung) wird Horos ebenfalls ins Wasser geworfen und wieder herausgefischt. 7

Anscheinend hat Isis ihn beatmet und so zum Leben wiedererweckt. Vgl. § 455.

8 Diodor I 25,6 εύρειν αυτήν και το της αθανασίας φάρμακον, δι' ου τόν υίόν 7 Ωρον, υ π ό των Τιτάνων έπιβουλευθέντα και νεκρόν ευρεθέντα καθ' ύδατος, μή μόνον άναστήσαι, δοΰσαν την ψυχήν, άλλα και της άθανασίας ποιήσαι μεταλαβειν. 9

Totenbuch, Spruch 112 (S. 2 1 9 - 2 2 0 Hornung); Sargtext 157 (I 135 Faulkner). Vgl. J. G. Griffiths, The Conflict of Horus and Seth (1960) 31-33.

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Seth als Liebhaber des Horos § 3 5 Um seine Überlegenheit zu beweisen, wollte Seth den Knaben H o r o s homosexuell mißbrauchen. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß ein Knabe, der sich bückt und dem Liebhaber die Verbindung von hinten erlaubt, die Rolle des Untergeordneten angenommen hat. Nicht beschämend ist nach dieser Vorstellung eine Verbindung, bei welcher die beiden M ä n n e r sich einander von vorn nähern und sich wechselseitig in die Schenkel stoßen. Der Streit des Horos und Seth wird vor das Gericht der Götter gebracht. 1 Diese ermahnten die beiden: Sie sollten sich vertragen und ein Versöhnungsfest feiern. Nachdem sie zusammen gegessen und getrunken hatten, gingen sie zusammen zu Bett. „In der Nacht ließ Seth sein Glied stark werden und steckte sein Glied zwischen die Schenkel des Horos. Horos legte seine beiden Hände zwischen seine Schenkel, und er fing den Samen des Seth a u f . " 2 Als Horos seiner Mutter Isis berichtet, was geschehen ist, erkennt sie sofort die Gefahr und handelt entsprechend: Sie schneidet Horos die Hand ab, an welcher Seths Samen klebt, und zaubert ihm eine neue Hand. Dann läßt sie Horos seinen eigenen Samen in einen Becher spritzen und gießt ihn über den Lattichpflanzen aus, von denen Seth an jedem M o r g e n ißt. Er tut dies auch am folgenden M o r g e n , und nun befindet sich des Horos Samen im Leib des Seth. Dann treten die beiden erneut vor das Göttergericht, und Seth erklärt: „Das Amt des Herrschers möge mir gegeben werden, denn an Horos . . . habe ich das Werk eines Mannes getan." Horos, von seiner Mutter instruiert, verlangt, daß man feststelle, o b sich Seths Same in ihm (Horos) befinde, oder ob umgekehrt sein (des Horos) Same in Seth verborgen sei. T h o t h stellt fest, daß dies zutrifft. Es sieht so aus, als habe Horos „das Werk des Mannes g e t a n " , und die Götter entscheiden den Prozeß zu seinen Gunsten. Isis gewinnt, weil sie nie um einen Trick verlegen ist.

Der Prozeß des Horos gegen Seth § 3 6 Diese Episode steht in der langen Erzählung vom Streit des H o r o s mit Seth, die in einem hieratischen Papyrus aus dem 12. Jahrh. v. Chr. erhalten ist. 3 Solange Horos noch Kind war, hatte Seth sich die Herrschaft über Ägypten angemaßt. Als Horos erwachsen war, beanspruchte er als Erbe seines Vaters das Königtum. Aber Seth warf Horos - den Isis ja erst in der Umarmung des toten Osiris empfangen hatte - uneheliche Geburt vor und erhob den Anspruch, selbst legitimer Nachfolger des Osiris zu sein. Beide riefen das Göttergericht an. Der Prozeß dauerte 8 0 J a h r e lang, und es kam zu vielen Wechselfällen wie der soeben erwähnten homosexuellen Episode. Einmal rettete Isis den Seth vor dem T o d , weil er immerhin ihr Bruder war, und der erzürnte Horos schlug seiner Mutter den Kopf ab, s. § 3 8 / 3 9 . Im Fortgang der Erzählung besitzt Isis dann aber wieder einen Kopf.

1 G. Lefebvre, R o m a n s 1 9 5 - 1 9 7 ; G. Roeder, Mythen 5 7 - 6 0 ; M . Lichtheim II 2 1 9 - 2 2 0 ; vgl. J . G. Griffiths, The Conflict 4 1 ^ 6 . 2

G. Roeder, Mythen 5 8 .

Pap. Chester Beatty I; G. Lefebvre, Romans 1 7 8 - 2 0 3 ; E. Brunner-Traut, M ä r c h e n N r . 1 3 , S. 1 2 7 1 4 1 ; . M . Lichtheim II 2 1 4 - 2 2 3 ; G. Roeder, Mythen 2 5 - 7 3 . 3

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Weil Isis immer erfolgreich zugunsten ihres Sohnes interveniert, verlangt Seth, das Gericht möge auf einer Insel tagen und man solle keiner Frau Zutritt gewähren. Isis verwandelt sich in ein altes Mütterchen, besticht den Fährmann und setzt doch über. Dann verwandelt sie sich in ein schönes Mädchen und zeigt sich Seth. Dieser begehrt sie; das Mädchen bittet Seth: Sie sei eine Witwe und habe einen Sohn; aber ein Fremder wolle dem Sohn sein Vieh wegnehmen; Seth möge ihr helfen. Dieser, voll Verlangen nach der Schönen, verspricht Hilfe: „Soll man das Vieh dem Fremden geben, während der Sohn des Gatten danebensteht?" Da verwandelt sich Isis in einen Geier, fliegt auf und verkündet das Urteil, welches Seth gegen sich selbst gesprochen hat. § 37 Seth führt sich vor dem Göttergericht laut und anmaßend auf; im ägyptischen Osirishymnus des Louvre heißt er „der Schreihals". 1 Thoth ist als Anwalt des Horos aufgetreten.^ Der Streit endet mit dem Sieg des Horos.·* Im Osirishymnus des Louvre entflieht Seth. 4 Während des ganzen Prozesses erweisen sich die Götter als wenig intelligent. N u r Isis ist die Ausnahme; durch ihre Klugheit und Geistesgegenwart wird Horos mehrfach gerettet. Die Erzählung hat nichts von der Erhabenheit, welche wir bei einem Göttermythos erwarten. Der Erzähler hat gar nicht die Absicht, eine einheitliche Stimmung durchzuhalten: Unversehens schlägt der Ton ins Lächerliche um.

Isis rettet Seth; Horos schlägt ihr den Kopf ab § 38 Einmal wurde ein Zweikampf zwischen Horos und Seth angesetzt. Dabei intervenierte Isis und traf Seth mit dem Speer. Sie hätte ihn nun töten können, hatte aber doch Mitleid mit ihrem Bruder und befreite ihn. Da wurde Horos zornig und hieb seiner Mutter den Kopf ab. Thoth rettete das Leben der Isis, indem er ihr einen Kuhkopf aufsetzte. Seitdem, dürfen wir hinzusetzen, verehrt man Isis auch in der Gestalt einer kuhköpfigen Göttin. 5 Die ägyptischen Mythen knüpfen oft punktuell an etwas an, was sichtbar gegeben ist, hier Statuen der Isis mit Kuhkopf. In derselben Weise kann auch an Rituale angeknüpft werden. Die Beziehung des Mythos zur Wirklichkeit oder zu den Riten ist labil: Andere Anknüpfungen waren immer möglich, und umgekehrt konnte man den Mythen auch einen anderen Sinn unterlegen, nicht anders als es auch immer möglich ist, den Wörtern einer Sprache einen neuen Sinn zu unterlegen. § 39 Wie wir gesehen haben, ist die Köpfung der Isis durch ihren Sohn in zwei Varianten überliefert: In der soeben referierten Fassung setzt Thoth der Isis einen Kuhkopf auf; in der

1

J . Assmann, Hymnen Nr. 2 1 3 , 8 4 und 133 (S. 4 4 6 und 448).

2 Plutarch, De Iside 19 βοηθήσαντος του Έ ρ μ ο ΰ . 3

De Iside 19.

4

„Der Verleumder ist geflohen" (J. Assmann, Hymnen Nr. 2 1 3 , 1 4 1 ; S. 4 4 8 ) . Plutarch, De Iside 5 0 ó Τ υ φ ώ ν τ ο ν Τ Ωρον ά π έ δ ρ α . 5 Der Mythos wird erzählt im Pap. Chester Beatty I und im Pap. Sallier IV p. 2 - 3 (um 1 2 5 0 v. Chr.; ed. F. Chabas, Oeuvres divers IV, Paris 1905, 151 und E. Chassinat, Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l'archéologie égyptiennes et assyriennes 39, 1921, 9 1 - 9 3 ) . Übersetzt von G. Roeder, Ausklang 1 4 2 144. N e u e Bearbeitung bei Chr. Leitz, Tagewählerei S. 5 4 - 5 8 (Ägyptologische Abhandlungen 55, 1994). Plutarch, De Iside 1 9 - 2 0 referiert die Erzählung kurz.

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Erzählung vom Prozeß des Horos gegen Seth (§ 36) 1 verwandelt sich Isis in ein Frauenbild aus Feuerstein ohne Kopf. Vielleicht hat es eine Isis-Statue gegeben, deren Kopf heruntergefallen war.

Verschweigen der Gottesnamen § 40 Den Juden war verboten, den Namen ihres Gottes auszusprechen. 2 Ein Verbot, den Namen Gottes auszusprechen, hat auch in Ägypten bestanden. Ramses IV. ( 1 1 5 3 - 1 1 4 6 ) erklärt auf seiner Stele zu A b y d o s : 3 „Ich sprach den N a m e n des Tenen 4 nicht a u s . " Der N a m e ist offensichtlich „Osiris" gewesen. Im 200sten Leidener Amunhymnus heißt es: „ M a n fällt um vor Schrecken auf der Stelle, wenn man seinen Namen wissentlich oder unwissentlich ausspricht." 5 Herodot vermeidet an zwei Stellen, den Namen des Osiris zu nennen. An diesen Stellen ist die Rede von der Mumifizierung (also der Verwandlung in Osiris) und vom G r a b des Osiris in Sais.6 Wahrscheinlich hat Herodot seinen griechisch-ägyptischen Gewährsmännern versprochen, den N a m e n des Gottes zu verschweigen. 7 Der geheime N a m e des Re war selbst den Göttern nicht bekannt. Allein Isis hat ihn in Erfahrung gebracht. Dies wird in der Geschichte von der List der Isis 8 erzählt; aber mitgeteilt, also preisgegeben, wird der N a m e nicht. In den magisch-religiösen Papyri der griechisch-römischen Zeit heißt es immer wieder, daß der N a m e Gottes verborgen und unaussprechlich sei, 9 daß er von Menschenmund nicht ausgesprochen werden könne, 1 0 daß ihn nicht einmal die Götter aussprechen können. 1 1

1 Pap. Chester Beatty I; übersetzt von G. Roeder, Mythen 55; G. Lefebvre, R o m a n s 1 9 3 - 1 9 4 ; M . Lichtheim II 2 1 8 - 2 1 9 ; E. Brunner-Traut, Märchen 135. 2 E x o d u s 2 0 , 7 ; Deuteronomium 5 , 1 1 ; Leviticus 2 4 , 1 6 θανατούσθω.

70.

όνομάζων δέ t ò ονομα κ υ ρ ί ο υ θ α ν ά τ ω ι

^ Bei Η. Kees, Religionsgeschichtliches Lesebuch, herausgeg. von Α. Bertholet, Heft 10 (1928) S. 4 2 Nr.

4 Ta-Tenen, „Erhobenes L a n d " , der Urhügel; wurde mit Ptah und Osiris identifiziert. 5

J. Assmann, Hymnen Nr. 138, 26 (S. 318).

^ II 86,2 Ein Bild des mumifizierten Gottes, του ουκ δσιον ποιεϋμαι το οϋνομα έπί τοιούτωι πρήγματι ό ν ο μ ά ζ ε ι ν . 170,1 είσί δέ και αί ταφαί του ουκ δσιον π ο ι ε ϋ μ α ι έπί τ ο ι ο ύ τ ω ι π ρ ή γ μ α τ ι έ ξ α γ ο ρ ε ύ ε ι ν τοϋνομα έν Σάι. 7 Vgl. auch II 3,2 τά μέν οΰν θ ε ί α των άπηγημάτων οια ήκουον, ουκ ειμί π ρ ό θ υ μ ο ς έξηγέεσθαι. 6 5 , 2 τά θ ε ί α πρήγματα, τά έγώ φεύγω μάλιστα άπηγέεσθαι. 8 Borghouts N r . 84 (S. 5 1 - 5 4 ; Pap. Chester Beatty XI und Pap. Turin 1 9 9 3 ) ; E. Brunner-Traut, M ä r c h e n N r . 16 (S. 1 4 9 - 1 5 5 ) . - Vgl. Totenbuch 1 8 0 , 5 6 (S. 3 8 2 Hornung) „dessen mit verborgenem Namen". 9 P. G. M . XII 2 3 7 und 2 4 0 (Abrasax I 162) τό κρυπτόν ονομα άρρητον. XII 2 3 0 (Abrasax I 162) öv ουδείς . . . προπετώς ονομάζει. 10

P. G. M . XIII 763 (Abrasax 1 1 8 2 ) έν ανθρώπου στόματι λαληθηναι ού δ ύ ν α τ α ι

11

P. G. M . XII 845 (Abrasax 1 1 9 0 ) οΰ τό όνομα ουδέ θ ε ο ί δύνανται φθέγγεσθαι.

2 Das ägyptische Totenritual

(σοι — ) δοίη ψ υ χ ρ ό ν Ό σ ι ρ ι ς ϋ δ ω ρ Möge dir Osiris das kühle Wasser reichen E. Bernand, Inscr. métr. 4 7

Abwägen des Herzens und der Feder (Totengericht) § 41 Über die Mumifizierungs- und Bestattungszeremonien der Ägypter besitzen wir reiche archäologische und schriftliche Quellen. So sind Tausende von Särgen erhalten, die mit Sprüchen beschrieben sind, und von Totenbüchern, die man den Verstorbenen ins Grab mitgegeben hat, um ihnen zu zeigen, daß man die vorgeschriebenen Riten sorgfältig erfüllt hat. N a c h dem ägyptischen Mythos ist Osiris von seinen Schwestern beklagt, von Anubis für die Ewigkeit hergerichtet (mumifiziert) und dann von Isis wieder zum Leben erweckt w o r d e n . Er wurde zum Totenrichter. Wenn die Osiris-Zeremonien für einen Menschen wiederholt wurden, dann fand ein Totengericht statt: Der Tote wurde vor ein Richterkollegium geführt und mußte erklären, daß er ein gutes Leben gelebt habe und sündlos sei: Ich habe kein Unrecht gegen Menschen begangen, und ich habe keine Tiere mißhandelt. Ich habe nichts Krummes an Stelle von Recht getan . . . Ich habe keinen Gott beleidigt. Ich habe kein Waisenkind an seinem Eigentum geschädigt. Ich habe nicht getan, was die Götter verabscheuen. Ich habe keinen Diener bei seinem Vorgesetzten verleumdet. Ich habe nicht Schmerz zugefügt und niemanden hungern lassen. Ich habe keine Tränen verursacht. Ich habe nicht getötet und ich habe auch nicht zu töten befohlen. Niemandem habe ich ein Leid angetan. 1 Die Unschuldserklärung geht noch lange so weiter. D a n n wurde sein Herz gewogen. Auf die eine Seite der Waagschale w u r d e das Herz gelegt, auf die andere eine Feder, welche die Göttin der Gerechtigkeit, M a ' a t , darstellte. W e n n Herz

1

Totenbuch Kap. 125,13-28 (S. 234 Hornung).

24 2 Das ägyptische Totenritual u n d M a ' a t im Gleichgewicht waren, d a n n w a r der Mensch sündlos und a u f g e n o m m e n zu den seligen Toten.

Zeichnung 12: Die Herzwägung. Links führt Anubis (mit Schakalkopf) den weißgekleideten Toten herbei; er hält in der Hand das Lebenskreuz. In der Mitte die Waage; auf der linken Schale das Herz des Toten, auf der rechten die Feder der Ma'at. Neben dem Fuß der Waage kniet Anubis und konstatiert: Das Lot der Waage hängt senkrecht herab. Die Stütze der Waage wird vom Kopf der Ma'at (mit Feder) bekrönt. Neben Anubis wartet ein Verschlingungsungeheuer, welchem das Herz des Toten zum Fraß vorgeworfen würde, falls die Unschuldserklärung sich als unwahr erweisen sollte. Das Ungeheuer blickt neugierig nach rechts zu Thoth, der als Meister der Waage das Resultat verzeichnet. - Nach E. BrunnerTraut, Osiris - Kreuz - Halbmond, Katalog der Ausstellung Hannover, Kestner-Museum S. 98.

Das Totengericht ist vor der Bestattung rituell vollzogen worden; Diodor und die Totenpapyri Rhind § 42 Diodor, der im J a h r e 56 v. Chr. in Ägypten gereist ist, berichtet, d a ß die Ägypter vor der Bestattung der Gestorbenen das Totengericht in einer ausführlichen Z e r e m o n i e durchgespielt und den Toten f ü r gerechtfertigt erklärt haben. 1 Seine Schilderung wird durch die beiden T o t e n p a p y r i Rhind aus dem J a h r e 9 v. Chr. bestätigt. 2 Beide Papyrusrollen sind reich durch Vignetten illustriert. Die Riten sind charakteristisch ägyptisch, und m a n darf a n n e h m e n , d a ß es sich u m eine aus pharaonischer Zeit ererbte Zeremonie handelt. Die altägyptischen Vorstellungen w a r e n in der Ptolemäerzeit unvermindert lebendig. Einige der schönsten uns erhaltenen T o t e n b ü c h e r stam1

Diodor I 91-93. Georg Möller, Die beiden Totenpapyrus Rhind des Museums zu Edinburg, Leipzig 1913; auszugsweise übersetzt auch von G. Roeder, Ausklang 328-358. Vgl. Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 120,1993, 71-84. 2

2 Das ägyptische Totenritual

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men aus dieser Zeit. Aber was die eigentlichen Bestattungsriten angeht, so kann man aus den Totenbüchern - ptolemäischen und altägyptischen - nur mit Vorsicht Schlüsse ziehen. Dagegen sind in den Rhind-Papyri eindeutig wirkliche Bestattungen geschildert. § 43 Diodor und die Rhind-Papyri berichten über die Mumifizierung und Bestattung das Folgende: Zunächst wurde der Tote aufgebahrt und Totenwache gehalten. Die erste Vignette im Pap. Rhind zeigt den Toten über einem Wasserbecken aufgebahrt; wie Osiris-Hesies (der Gesegnete) im Wasser ertrunken war, so liegt der Tote auf dem Wasser. Über ihm wachen das heilige Udjat-Auge und vier Gestalten mit den Köpfen von Falke, Pavian, Mann und Schakal. Es sind die vier Söhne des Horos, Enkel des Osiris, die bei den Totenwachen Dienst taten. Links tritt Anubis (mit Hundskopf) an die Bahre heran, rechts Thoth (mit Ibiskopf). Er verliest den Befehl zur Bestattung des Verstorbenen.

§ 44 Dann folgte die Mumifizierung. Hierfür gab es in Ägypten eigenes Personal, die „Totenbestatter" (νεκροτάφοι), welche ihre Wohnung bei der Nekropole hatten. 1 In dem bei Diodor und in den beiden Pap. Rhind beschriebenen Ritual tritt ein Totenpriester in der Rolle des Anubis an den Leichnam heran, um mit der Arbeit zu beginnen. Er zeichnet auf dem Leib des Toten die Stelle an, wo der Leib aufgeschnitten werden soll. Dann tritt bei Diodor der „Aufschlitzer" (παρασχίστης) heran. Er schneidet den Leib auf mit einem „äthiopischen Stein", wie es der Brauch ist, und flieht dann sofort in schnellem Lauf, während die anderen

1 Bei H. C. Youtie, Scriptiunculae I 9 0 - 9 7 finden sich interessante Nachrichten über das Personal, welchem die Mumifizierung übertragen war. Vgl. auch F. Cumont, L'Egypte des astrologues 138-139. Für eine negative Bewertung der „Totenbestatter" bei den Christen s. die Historia m o n a c h o r u m in Aegypto X 3 (p. 76 Festugière): Dort ist ein heidnischer Totenbestatter gleichzeitig ein Räuberhauptmann (άρχιλήστης . . . και νεκροτάφος Ελλήνων).

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2 Das ägyptische Totenritual

Anwesenden ihn verfolgen und mit Steinen auf ihn werfen, indem sie alle Schuld an der Verletzung des Leibes auf ihn schieben. 1 Im Pap. Rhind ist die Zeremonie etwas einfacher: Der „Aufschlitzer" fehlt, nur Anubis (ein Priester in der Rolle des Hundsgottes) tritt an den Toten heran.

Zeichnung 14: Aus dem zweiten Totenpapyrus Rhind (G. Roeder, Ausklang S. 354).

Anubis spricht: „Ich lege meine Hände auf deinen Leib, wie ich es für meinen Vater Osiris getan habe. Ich heile deine Glieder . . . Ich mache den Weg (durch einen Bauchschnitt) für deinen Ausfluß zu dem großen Grün (dem Urgewässer), um zu geben, daß er sich mit dem Ausfluß des Osiris 2 verbinde." Anubis entnimmt nun die Eingeweide. 3 Das Herz wurde nur vorübergehend herausgenommen. Manchmal hat man den Herzskarabäus mit dem Spruch 30 des Totenbuches in das Herz gelegt; dies ist der berühmte Spruch, in welchem der Tote sein Herz bittet, im Jenseitsgericht nicht gegen ihn auszusagen. 4 Es sind auch Mumien gefunden worden, deren Herzen ausgestopft waren. 5 Jedenfalls wurde das Herz wieder in den Leib des Toten gelegt. § 45 Dann kommen die Riten der Einbalsamierung. Sie geschehen im Auftrag der Isis. Es wird die Mumifizierung wiederholt, welche Isis für ihren Gatten hatte durchführen lassen. 1 I 91,4 διωκόντων των συμπαρόντων καί, λίθοις βαλλόντων, ετι δέ καταρωμένων και καθαπερεί τό μύσος εις εκείνον τρεπόντων. 2

Vgl. Plutarch, De Iside 36 παν ΐιγρόν απλώς Όσίριδος άπορροήν καλοϋσι, ähnlich in Kap. 38. Vgl.

§24. 3 Ähnlich Diodor I 91,5 εις (sc. των ταριχευτών) καθίησι την χείρα δια της του νεκροί) τομής εις τον θώρακα καί πάντα εξαιρεί χωρίς νεφρών καί καρδίας. 4 „Mein Herz . . . Stehe nicht auf gegen mich als Zeuge . . . Sprich nicht gegen mich: ,Er hat es doch getan.' . . . Laß keine Anklage gegen mich entstehen vor dem größten Gott, dem Herrn des Westens (Osiris)!" (Hornung S. 95). 5

Vgl. K. Sethe, Zur Geschichte der Einbalsamierung bei den Ägyptern (Sitz.-Ber. Akad. Berlin 1934, phil.-hist. Klasse XIII) S. 29-30.

2 Das ägyptische Totenritual

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Dann wird der mumifizierte T o t e den Angehörigen wieder übergeben. M a n demonstriert, sagt Diodor, daß jedes Glied des Körpers unversehrt bewahrt ist, und im Pap. Rhind spricht der Oberpriester, der Balsamierer: „Es ruhen alle deine Glieder trefflich durch die Arbeit meiner Hände."1 § 4 6 Der T a g für das Begräbnis wird angesagt. M a n bringt die Leiche in einem Boot über einen Teich; am anderen Ufer sind die 4 2 Richter versammelt (Diodor I 9 2 ) , vor denen der T o t e seine Unschuldserklärung abgeben soll. Im Pap. Rhind führt Anubis (rechts) den Toten (im weißen Gewand) vor den Totenrichter Osiris. Die Rollen des Anubis und Osiris und aller anderen Götter werden von Priestern gespielt. Hinter Osiris stehen der Schreiber T h o t h (mit Ibiskopf und Mondscheibe), Isis und Nephthys. Osiris begrüßt den Toten in der Halle der Gerechtigkeit.

Z e i c h n u n g 1 5 : nach G. Roeder, Ausklang S. 3 4 0 , Abb. 2 6 .

§ 4 7 Dann spricht Anubis: „Ich rufe deinen Namen . . . Es gab keinen Elenden zu deiner Zeit, und du tatest nichts Böses in deiner Lebenszeit. Du bist alt geworden auf Erden, indem dein Haus offen stand; niemals sagte man .Nein' in ihm. Du gingst zum Amenthes (dem Totenreich) . . . Du gingst ins Grab (ins „gute H a u s " ) , nachdem deine Jahre dahingegangen waren. Die Guttaten, die du auf Erden getan hast, dafür wurde dir Lohn im Totenreich g e w ä h r t 2 . . .

1 Ausführlich in der Inschrift auf dem Grab des Paheri zu El-Kab in Oberägypten ( 1 2 . Dynastie, etwa 1 8 0 0 v. Chr.): „Gegeben werden dir (wieder) deine beiden Augen, um zu sehen, deine beiden Ohren, um zu hören, was gesprochen wird; dein M u n d redet, deine Beine gehen, deine (Unter-)Arme und deine Oberarme bewegen sich dir; dein Fleisch ist kräftig, deine Gefäße sind angenehm; du erfreust dich aller deiner Glieder; du zählst deine Körperteile - sie sind vollständig und gesund; es gibt (überhaupt) nichts Schlechtes, das an dir ist; dein Herz hast du, wie es richtig ist, dein Herz hast du, wie es früher war; du steigst auf zum Himmel" (Urkunden des ägyptischen Altertums IV 1 1 4 / 5 = Urkunden der 1 8 . Dynastie, S. 5 7 der Übersetzung von K. Sethe). 2

Der Lohn für die Guttaten ist die ruhmvolle Bestattung.

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2 Das ägyptische Totenritual

Geöffnet werden dir die Türen des Amenthes, geöffnet werden dir die Tore der Unterwelt, daß du Osiris anbetest samt seiner Schwester Isis . . . Du siehst den Herrn des Amenthes (Osiris)." Im Ritual des Pap. Rhind wird der Tote dann von zwei Priestern in der Rolle des Anubis 1 mit Lebenswasser Übergossen. Osiris, Isis und Nephthys sehen zu.

Zeichnung 16: nach G. Roeder, Ausklang S. 344 Abb. 28.

Dazu wird rezitiert: „Du gehst und kommst vor Osiris und empfängst Wasserspenden aus den Händen von Isis und Nephthys." § 48 Es treten Zeugen auf, die den untadeligen Lebenswandel des Verstorbenen beteuern und stellvertretend für ihn erklären, daß er gut gelebt habe: „O mein Herr, mein Vater Osiris, ich war ein trefflicher Mann, der auf dem rechten Wege war, ich habe das rechte Maß nicht überschritten, ich habe nichts Schimpfliches getan . . . zu meinen Lebenszeiten. Die Gerechtigkeit war auf meinem Herzen, ich gab Brot dem Elenden, 2 viele Menschen aßen bei mir. Ich stehe vor Thoth, nachdem ich gehuldigt habe dem Herrn der Waage, die Gehilfen der Waage stehen als Zeugen für mich wegen der Größe meiner Trefflichkeit." Osiris erklärt den Toten für gerechtfertigt und bestimmt, daß er in der Unterwelt unter die seligen Toten aufgenommen sei und die üblichen Totenopfer erhalten soll. Die Anwesenden brechen in Jubelrufe aus. 3

1

In den Beischriften heißen die beiden „Thoth und Horos".

2

Dieser Satz stammt aus dem Totenbuch (125,126; S. 240 Hornung).

3

Diodor I 92,5 τό δέ π λ ή θ ο ς έπευφημεΐ και άποσεμνίινει τήν δ ό ξ α ν τ ο ΐ τετελευτηκότος, ώς τον αίωνα διατρίβειν μέλλοντος κ α θ ' " Αιδου μετά των ευσεβών. Ähnlich im Pap. Rhind.

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§ 49 Die altererbten ägyptischen Totenzeremonien waren noch in griechischer Zeit lebendig. Zwei Beispiele sind im Bildteil abgebildet, die Grabstele des Nechtnebef (Abb. 190) und der Sarg des Artemidoros (Abb. 192). Auf beiden Monumenten wird die Erinnerung an ein Bestattungsritual festgehalten, welches dem der Pap. Rhind ähnlich war.

Mumien in den Häusern aufbewahrt § 50 Die M u m i e w u r d e d a n n den Verwandten übergeben. Wer reich war, bestattete den Toten in einem eigenen Grabmal. Die weniger Reichen richteten in ihren Häusern ein Zimmer ein, in dem sie den Sarg aufrecht gegen die Zimmerwand stellten. 1 „So bewahren viele Ägypter die Leichen der Vorfahren in kostbaren Räumen auf und sehen von Angesicht ihre Vorfahren, die viele Generationen vor ihrer eigenen Geburt gestorben sind, so daß von allen diesen die Größe und der Umriß ihrer Leiber, auch die charakteristischen Gesichtszüge gesehen werden und einen p a r a d o x e n Seelentrost darbieten, ganz als ob sie mit den sie Sehenden zusammenleben w ü r d e n . " 2 Die Gesichter der Verstorbenen wurden in der griechisch-römischen Zeit in den Mumienbildnissen abgebildet. Dieses Mit-den-Mumien-Leben wird auch von anderen antiken Autoren bezeugt.^ Noch die ägyptischen Christen haben ihre Toten mumifiziert und in den Häusern aufbewahrt; der heilige Antonius hat Vorsorge getroffen, daß m a n mit seiner Leiche nicht so verfuhr. 4 Solche Schranksärge haben sich in dem trockenen Klima Ägyptens erhalten; der hier abgebildete befindet sich in der Berliner Sammlung (Zeichnung 17). 5

1 Diodor I 9 2 , 6 τό δέ σ ώ μ α τιθέασιν ol μέν Ιδίους εχοντες τ ά φ ο υ ς έν ταΐς ά π ο δ ε δ ε ι γ μ έ ν α ι ς θ ή κ α ι ς , οις δ' ο ΰ χ ΰ π ά ρ χ ο υ σ ι τ ά φ ω ν κτήσεις, κ α ι ν ό ν ο ί κ η μ α π ο ι ο ϋ σ ι κ α τ ά τ ή ν Ιδίαν ο ί κ ί α ν , κ α ι π ρ ο ς τ ό ν ά σ φ α λ έ σ τ α τ ο ν τ ω ν τ ο ί χ ω ν ό ρ ΰ ή ν ίστάσι τήν λ ά ρ ν α κ α . Vgl. schon H e r o d o t II 8 6 , 7 oí π ρ ο σ ή κ ο ν τ ε ς . . . τ ό ν ν ε κ ρ ό ν . . . ΰ η σ α υ ρ ί ζ ο υ σ ι έν οίκήματι θηκαίωι, ίστάντες ο ρ θ ό ν π ρ ο ς τοιχον. 2

Diodor I 9 1 , 7 πολλοί των Αιγυπτίων έν οίκήμασι πολυτελέσι φυλάττοντες τ ά σώματα τών π ρ ο γ ό ν ω ν , κ α τ ' ό ψ ι ν ό ρ ώ σ ι τ ο υ ς γ ε ν ε α ι ς π ο λ λ α ι ς της ε α υ τ ώ ν γ ε ν έ σ ε ω ς π ρ ο τ ε τ ε λ ε υ τ η κ ό τ α ς , ώστε ε κ ά σ τ ω ν τ ά τε μ ε γ έ θ η και τ ά ς π ε ρ ι ο χ ά ς τ ώ ν σ ω μ ά τ ω ν , ετι δέ τ ο υ ς της ό ψ ε ω ς χ α ρ α κ τ ή ρ α ς ό ρ ω μ έ ν ο υ ς π α ρ ά δ ο ξ ο ν ψ υ χ α γ ω γ ί α ν π α ρ έ χ ε σ θ α ι κ α θ ά π ε ρ συμβεβιωκότας τοις θεωμένοις. ^ Cicero, Tuse. I 1 0 8 condiunt Aegyptii mortuos et eos servant domi. Sextus Empiricus, Pyrrh. hypotyp. Ill 2 2 6 Α ι γ ύ π τ ι ο ι δέ τ ά ε ν τ ε ρ α έ ξ ε λ ό ν τ ε ς τ α ρ ι χ ε ύ ο υ σ ι ν α υ τ ο ύ ς κ α ι σ ύ ν έ α υ τ ο ΐ ς ύ π έ ρ γ η ς έχoυσιv.Vgl. n o c h X e n o p h o n v o n Ephesos V 1 , 1 0 - 1 2 (s. § 4 0 6 ) . Vgl. auch H e r o d o t II 8 6 , 7 v o m Mumienkasten: έν οίκήματι θηκαίωι. 4 Athanasios, Vita Antonii 9 0 (P. G. 2 6 , 9 6 8 1 9 ) ol Α ι γ ύ π τ ι ο ι τ ά τ ώ ν τ ε λ ε υ τ ώ ν τ ω ν σ π ο υ δ α ί ω ν σώματα, και μ ά λ ι σ τ α τ ώ ν ά γ ι ω ν μ α ρ τ ύ ρ ω ν φιλοϋσι μέν θ ά π τ ε ιν και περιελίσσειν ό θ ο ν ί ο ι ς , μή κ ρ ύ π τ ε ι ν δέ υ π ό γήν, αλλ' έπί σκιμποδίων τιθέναι και φυλάττειν έ ν δ ο ν π α ρ ' έ α υ τ ο ΐ ς . In Kap. 91 (p. 9 7 2 ) verfügt Antonius: μή ά φ ε ΐ τ έ τινας τό σ ώ μ ά μου λ α β ε ί ν εις Α'ίγυπτον, μ ή π ω ς έν τοις οϊκοις ά π ό θ ω ν τ α ι . 5

Für diese Schranksärge s. Κ. Parlasca, Mumienporträts und verwandte Denkmäler (Wiesbaden 1 9 6 6 )

118-120.

30 2 Das ägyptische Totenritual

Zeichnung 17: Schrank mit einer Mumie, nach A. Erman, Rei. S. 412 Abb. 176. Ägyptische S a m m l u n g Berlin, Nr. 17039. Photographie bei K. Parlasca, Mumienporträts Tafel I 1 und K.-H. Priese (Herausgeber), Ägyptisches Museum, Museumsinsel Berlin (1991) Nr. 129 (S. 212; farbig).

Herzwägung und Legitimation des Toten § 51 Ich bin überzeugt, daß die H e r z w ä g u n g auch schon in pharaonischer Zeit als Z e r e m o nie bei der Bestattung d u r c h g e f ü h r t w o r d e n ist. Die Ägyptologen sind d a r ü b e r freilich n o c h unentschieden. Der wichtigste T e x t ist das Kapitel 125 des T o t e n b u c h e s , in welchem der T o t e seine Unschuld beteuert. W e n n m a n den Vorspruch und die Nachschrift zu diesem Text z u s a m m e n liest, so ergibt sich, d a ß ein Lebender in der Rolle des T o t e n die U n s c h u l d s e r k l ä r u n g abgegeben haben m u ß . Der Vorspruch lautet: 1 „ W a s zu sprechen ist, w e n n m a n zu dieser Halle der vollständigen W a h r h e i t 2 gelangt. D e n Verstorbenen von allen bösen H a n d l u n g e n zu befreien, die er begangen hat; das Angesicht der Götter zu schauen. Der Verstorbene sagt: ,Gruß dir, größter G o t t ' . " In der Nachschrift heißt es: 3 „ A u s z u f ü h r e n , wie es geschieht in dieser Halle der vollständigen W a h r h e i t . Ein M e n s c h soll diesen Spruch sagen, w e n n er rein und sauber ist, sein G e w a n d angelegt hat, mit weißen Sandalen beschuht und mit Augenschminke eingerieben ist, gesalbt mit den besten M y r r h e n . " Dieser Sprecher ist ein lebender Mensch, und die Halle der vollständigen W a h r h e i t ist die auch in den Pap. Rhind genannte Halle. 1

In Hornungs Übersetzung S. 233. Wörtlich „die Halle der beiden Ma'ati" (Hornung S. 492-493). „Ma'ati" ist die Dualform zu Ma'at, dem Namen der Wahrheitsgöttin. Es ist gemeint, daß in der Gerichtshalle in jeder Hinsicht die Wahrheit gefunden wird. 2

3

Hornung S. 244.

2 Das ägyptische Totenritual

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Die Unschuldserklärung - ein langer T e x t - ist also stellvertretend von einem Priester gesprochen worden. 1 § 5 2 N a c h der Unschuldserklärung und Herzwägung wird der T o t e gefragt, o b er an den heiligen Osiriszeremonien teilgenommen hat, in welchen die Osiris-„Passion" nachgespielt worden ist, „und zwar so, daß . . . der Verstorbene vor Jenseitswächtern Symbolhandlungen schildert, die bei einer geheimen, ,mystischen' Feier vollzogen wurden." W e r die richtigen Antworten geben konnte, hatte sich als Eingeweihter ausgewiesen. 2 Anspielungen darauf, daß der Gestorbene zu seinen Lebzeiten an Osiris-Weihehandlungen teilgenommen hat, kommen mehrfach in den Totenbuch-Sprüchen vor. 3 M a n kann sich kaum vorstellen, daß diejenigen Toten, in deren Gräbern diese Totenbücher gefunden worden sind, tatsächlich alle in den Büchern geschilderten Zeremonien durchgemacht haben. Umgekehrt aber darf man schließen, daß die betreffenden Sprüche ursprünglich für T o t e verfaßt worden sind, welche zu ihren Lebzeiten an diesen Zeremonien teilgenommen haben. Für das Urteil über diese Frage ist von Bedeutung, o b die Legitimationserklärung in der ersten oder dritten Person abgegeben wird, o b der T o t e selbst erklärt: „Ich bin eingeweiht", oder o b ein Gott dies über ihn aussagt („Er ist eingeweiht"). Wenn es sich nur um gedachte Einweihungszeremonien handelte, welche im Totenbuch zum Gebrauch im Jenseits niedergeschrieben waren, dann konnte man dem Toten die Worte in den M u n d legen: „Ich bin eingew e i h t " . Wenn dagegen eine andere Person - ein Gott, der durch einen Priester gespielt wird über den Toten sagt: „Er ist eingeweiht", dann liegt der Schluß nahe, daß es sich um eine wirkliche Zeremonie gehandelt hat; denn in einer solchen war ja nicht möglich, daß der T o t e sprach, und so mußte die Erklärung, er sei eingeweiht und somit zum Eintritt beim Totenrichter Osiris legitimiert, stellvertretend und in der dritten Person von einem Lebenden abgegeben werden. In den Totenpapyri Rhind (s. § 4 8 ) und in der Einleitung zum Kapitel 1 2 5 im Totenbuch des A n i 4 kommt dieser Fall vor.

1 M a n sehe auch den Spruch 1 4 7 („Die sieben T o r e " ) , in welchem die N a m e n der W ä c h t e r der T o r e und die W o r t e angegeben werden, welche der T o t e vor den Toren zu sprechen hat. In der Nachschrift heißt es dann: „Jeder Verstorbene, f ü r den d i e s a u s g e f ü h r t w i r d , der wird dort sein als Herr der Ewigkeit" (Hornung S. 2 9 8 ) . 2

E. Drioton, Pages d'égyptologie 2 2 4 / 5 ; das Zitat nach H. Brunner, Das hörende Herz ( 1 9 8 8 ) 2 3 0 .

Spruch 1 2 5 , 5 6 (S. 2 3 6 Hornung) „Ich bin es, der das Füllen des Udjat-Auges in Heliopolis gesehen h a t . " Spruch 9 , 3 (S. 5 0 H . ) „Ich habe die Unterwelt geöffnet und meinen Vater Osiris geschaut." Spruch 7 8 , 9 5 (S. 1 6 1 H.) „Ich habe das geheimnisvolle Mysterium gesehen." Spruch 1 1 6 , 7 (S. 2 2 5 H.) „Ich bin eingetreten als Unwissender, ich habe die Mysterien geschaut." Schlußabschnitt des Spruches 1 4 5 (P. Barguet, Le livre des morts des anciens Égyptiens, Paris 1 9 6 7 , 1 9 9 ) „j'étais entré dans Ro-setaou . . ., j'avais été envoyé à Naref . . ., j'avais remonté le Nil vers Abydos." 3

4 P. Barguet, Le livre des morts 1 5 7 - 1 5 8 : Paroles dites par Anubis . . .: La voix résonne d'un homme venu d'Egypte. Il connaît nos chemins et nos villes . . . Il me dit: „Je suis l'Osiris Ν . , un bienheureux. Je suis venu ici pour voir les grands dieux . . . J'ai été dans Elephantine . . . J'ai été dans Bousiris . . . Étant entré à Ro-setaou, j'ai vu le mystère . . . Étant allé à Naref . . . " Eh bien, voilà! J'ai dit ce qui le concerne, et maintenant je dis: que ta pesée ait lieu au-milieu de nous.

32 2 Das ägyptische Totenritual

Rätselfragen im Tor § 53 Nachdem der Tote sich als ein Mensch legitimiert hat, der zu Lebzeiten an den heiligen Osiris-Zeremonien teilgenommen hat, tritt er vor das Tor, welches zur Halle der vollständigen Wahrheit führt. Hier stellt sich ihm ein neues Hindernis in den Weg: Die Teile der Tür, welche zwei Flügel hat, verhören den Toten. Zunächst soll durch drei Fragen festgestellt werden, ob das Ergebnis der Herzwägung günstig ausgefallen ist: 1 „Wir lassen dich nicht bei uns eintreten", sagen die Pfosten dieses Tores, „wenn du uns nicht unsere Namen nennst. " „Das Lot an der richtigen Stelle" ist euer Name. „Ich lasse dich nicht bei mir eintreten", sagt der rechte Flügel dieses Tores, „wenn du mir nicht meinen Namen nennst. " „ Waagschale, mit der die Ma 'at gewogen wird, " ist dein Name. „Ich lasse dich nicht bei mir eintreten", sagt der linke Flügel dieses Tores, „wenn du mir nicht meinen Namen nennst. " „ Waagschale des Weines" ist dein Name. Hier ist „Wein" ein Deckname für Osiris, 2 und zwar des zu Osiris gewordenen Toten, dessen Herz auf der einen Waagschale liegt. Auf der anderen befindet sich die Feder der Ma'at. Die Türkonstruktion wird als ein Bild der Waage gesehen. Ich stelle mir vor, daß auf dem linken Türflügel die Waagschale mit dem Herz des Osiris abgebildet ist, und auf dem rechten die Feder der Ma'at. Mit den Pfosten des Tores sind gemeint die beiden Seitenpfosten und der obere Querbalken; sie sind so gleichmäßig gezimmert, daß der Spalt zwischen den beiden Türflügeln lotrecht angeordnet ist; diese Balken symbolisieren, daß der linke und der rechte Türflügel, die Waagschale des Weins (mit dem Herz) und die der Feder, sich in genauem Gleichgewicht befinden, daß das Lot an der richtigen Stelle ist.

1 2

Totenbuch 125,183-199 (S. 242/3 Hornung).

Noch in P. G. M. VII 645 wird ein Becher mit Wein besprochen: σύ ει οίνος, ουκ ει οίνος, άλλα τά σπλάγχνα του Όσίρεως. Im demotischen magischen Papyrus (Col. XV 13) liest man: „This wine . . . the blood of Osiris" (K. R. Ritner bei H. D. Betz 220 als PDM XIV 442). In dem von Ursula Verhoeven übersetzten Kölner Totenbuch lautet die Antwort: „Kommandant der Prüfung der Herzen" (Das saitische Totenbuch der Iahtesnacht, Bonn 1993, I S. 238). Wie U. Verhoeven mir bemerkt, gleichen die Hieroglyphen für „Herz" und „Wein" einander. Wenn auch „Wein" geschrieben wird, dürfte doch „Herz" gemeint sein. Auf der einen Waagschale liegt die Feder der Ma'at, auf der anderen das Herz.

2 Das ägyptische Totenritual

der

33

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des Heins

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Waagschale, mit der Maat g e w o g e n w i r d

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Geb

Zeichnung 18: Die Tür im Kapitel 1 2 5 des Totenbuchs.

§ 54 In den Antworten auf die nächsten Fragen werden die Eltern und Großeltern des Osiris genannt. Die Genealogie des Osiris war diese: Schu (Luft)

oo

Tefnut (Sonnenauge)

Geb (Erdgott)

oo

Nut (Himmel)

Osiris Der Gedanke ist, daß der Tote N. N., der vor den Totenrichter Osiris tritt, nun selber zu einer besonderen Ausprägung des Osiris, zum „Osiris Ν. Ν.", geworden ist. Zum Beweis dient, daß er die Namen der Eltern und Großeltern kennt. „Ich lasse dich nicht über mich schreiten", sagt die Schwelle dieses Tores, „wenn du mir nicht meinen Namen nennst. " „Ochse des Geb" ist dein Name,1 1 Die in die Erde eingelassene Türschwelle heißt nach dem Erdgott Geb.

34

2 Das ägyptische Totenritual

„Ich werde dir nicht öffnen", sagt der Riegel dieses Tores, „wenn du mir nicht meinen nennst. " „Zehe seiner Mutter" (= Nut) ist dein Name.

Namen

Auch das krokodilsköpfige Ungeheuer (Sobek), welches das Herz eventuell zum Fraß bekommen hätte, wird besänftigt, denn der Tote kennt seinen Namen:

„Ich werde dir nicht öffnen", sagt das Schloßt dieses Tores, „wenn du mir nicht meinen nennst. " „Das Lebensauge des Sobek ..." ist dein Name.

Namen

Dann muß der T o t e noch die Namen der Großeltern des Osiris nennen, die nun auch seine des Osiris Ν . Ν . - Großeltern sind:

„Ich werde dir nicht öffnen und werde dich nicht eintreten lassen bei mir", sagt der Türhüter dieses Tores, „wenn du mir nicht meinen Namen nennst. " „Brust des Schu ..." ist dein Name. „Wir lassen dich nicht bei uns eintreten", sagen die Querhölzer2 dieses Tores, „wenn du nicht unseren Namen nennst. " „Kinder der Kobra-Schlangen" (= Tefnut) ist euer Name. Der T o t e hat die Prüfung am T o r bestanden; die Götter des Tores sprechen:

„Du kennst uns - so zieh an uns vorbei. "

Der T o t e darf das T o r durchschreiten. Er wird dann noch vom Fußboden der Halle und von dem Türhüter examiniert, der den Zugang zu Osiris eröffnet. V o m Türhüter kommt der T o t e zum „Dolmetscher der beiden Länder", T h o t h , vor dem der T o t e nochmals seine Sündlosigkeit erklärt. T h o t h spricht:

So zieh dahin - siehe, du bist

angemeldet!

An dieser Stelle mußte jeweils der Name des Anzumeldenden genannt werden. Dann ergeht das Urteil aus dem Mund des Osiris:

Dein Brot ist das Udjat-Auge, dein Bier ist das Udjat-Auge, und deine Totenopfer sind das Udjat-Auge.

auf Erden

Das Udjat-Auge ist der Inbegriff alles Guten; es wird angeordnet, daß dem T o t e n die ihm zustehenden Opfer zuerkannt werden.

Das kühle Wasser § 5 5 Zu den guten Wünschen, welche man dem Toten bei der Mumifizierung mitgab 3 und im Totenkult wiederholte, gehörte, daß er auch in seiner neuen Existenz atmen und erfrischendes Wasser trinken möge. So sieht man auf der Vignette zu Spruch 62 des Totenbuchs, wie der T o t e Wasser schöpft:

1 Die Übersetzung ist unsicher. Querbalken zur Stabilisierung der Torflügel. Über „die Rolle von Tür und T o r im Alten Ägypten" s. H. Brunner, Das hörende Herz 2 4 8 - 2 6 3 . 2

3 J . - C . Goyon, Rituels funéraires, Rituel de l'embaumement S. 6 0 „ T u recevras l'eau fraîche"; vgl. S. 6 9 , 7 0 , auch 2 1 8 und 2 2 8 . In den Stundenwachen der Isis und Nephthys, welche H. Junker herausgegeben hat, heißt es in der dritten Nachtstunde: „ O Osiris, nimm dir dies dein kühles W a s s e r " (Die Stundenwachen in den Osirismysterien, Wien 1 9 1 0 , S. 86 unten).

2 Das ägyptische Totenritual

35

Zeichnung 19: Vignette zu Spruch 62 des Totenbuchs, nach E. Hornung - A. Brodbeck S. 132

Der zugehörige Spruch spielt darauf an, d a ß am N e u j a h r s t a g , dem Í . T h o t h , der G o t t der Nilflut, H a p i , das Überschwemmungswasser bringt; der Tote spricht: „ G e ö f f n e t ist das große (Wasser) für Osiris, aufgetan ist das F i r m a m e n t 1 f ü r T h o t h u n d f ü r H a p i , H e r r n des Horizonts, in seinem N a m e n ,Thoth, der die Erde umwendet': Ich verfüge über Wasser."2 Die Vignette zu Spruch 59 stellt dar, wie die Göttin der Sykomore (Nut) den T o t e n das Wasser spendet:

Zeichnung 20: Die Göttin der Sykomore spendet einem toten Ehepaar das Lebenswasser. Nach E. Hornung - A. Brodbeck S. 130.

1 Das Firmament des Himmels besteht aus Wasser, auf welchem die Boote des Sonnen- und Mondgottes einherfahren. 2 Vgl. auch den Spruch aus der Spätzeit bei J.-C. Goyon, Rituels funéraires S. 260: „Rafraîchis mon coeur grâce à ton eau courante . . . Donne-moi l'eau qui était avant les dieux, puisque je suis venu à l'existence le premier jour."

3 6 2 Das ägyptische Totenritual

Der zugehörige Spruch hat die Überschrift: „Spruch, um Luft zu atmen und über Wasser zu verfügen im Totenreich", und beginnt: „O jene Sykomore der Nut, gib mir doch von dem Wasser und der Luft, die in dir sind." § 56 Aus dem Spruch 173 des Totenbuches wird man schließen dürfen, daß das heilige Wasser für den Totenkult manchmal bei Elephantine/Syene geholt wurde, am ersten Katarakt, wo sich die neue Nilflut zuerst zeigt; dort tritt Horos, das mythische Vorbild jedes Sohnes, vor den Vater Osiris, das mythische Vorbild jedes Vaters, und spricht: „ O Osiris, ich bin 1 dein Sohn Horus! Ich bin gekommen und habe dir kühles Wasser aus Elephantine gebracht, daß dein Herz damit erfrischt werde." 2 Der fromme Wunsch, dem Toten möge „frisches Wasser" zuteil werden, findet sich oft auf den Grabsteinen der griechisch-römischen Zeit. Auf einem Grab zu Alexandria steht: Εΰψύχ(ε)ι, 'Ισίδωρε, έτών κη'· δοΐ σοι ό Ό σ ι ρ ι ς τό ψυχρόν ϋδωρ „Atme wohl, Isidoros, 28jähriger. Möge Osiris dir das kühle Wasser geben."·' Als in hellenistisch-römischer Zeit die neuen Mysterien der Isis und des Sarapis aus der Verbindung ägyptischer Überlieferung mit den Traditionen der Demeter von Eleusis geschaffen wurden, hat man an die hier geschilderten Zeremonien im Kult des Osiris und der Toten angeknüpft. Aber bevor wir uns der griechisch-römischen Zeit zuwenden, müssen wir noch einen Blick auf Syrien, Mesopotamien, Kleinasien, auch auf das archaische Griechenland selbst werfen, denn die alten, zum Teil uralten Traditionen dieser Länder waren noch in hellenistischer Zeit lebendig und haben sich in wechselvoller Weise mit den ägyptischen Überlieferungen vermischt.

1 2

Dieses „Ich bin . . . " bedeutet, wenn es im Ritual gesprochen wird: „Ich spreche in der Rolle des . . . "

Spruch 173, 59-60; Hornung S. 360. Im Pap. Rhind I 6,2 heißt es: „Wir reinigen dich mit Wasser, das aus Elephantine kam." 3 A. Lukaszewicz, Z. P. E. 77, 1989, 195/6. In dem Wort ψ υ χ ρ ό ς „kühl" klingt gleichzeitig das „Atmen" (εΰψυχεΐν) mit. Außerhalb von Ägypten finden sich diese Segenswünsche in Rom und Karthago, s. Vidman 459—462 und 778. Verzeichnisse der Texte bei I. Lévy, Journal asiatique 211, 1927, 3 0 0 - 3 0 1 und R. A. Wild, Water S. 248/249 Anm. 154/155. Interessant auch Suppl. mag. 4 5 , 1 2 - 1 4 (in normalisierter Orthographie): δώσω ΰμΐν "Οσιριν . . . τόν άδελφόν της 'Ίσιδος, και αίρει τό ψ υ χ ρ ό ν ΰ δ ω ρ και άναπαύσεται υμών τάς ψυχάς.

3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis

τ

Ισις δέ έστι κατά την Ε λ λ ή ν ω ν γλώσσαν Δημήτηρ Isis heißt in der griechischen Sprache „Demeter" Herodot II 59

Ähnlichkeit der Mythen um Isis-Osiris, Aphrodite-Adonis und Demeter-Persephone § 57 Zwischen den Mythen von Isis und Demeter, von Osiris und Adonis besteht eine Art Urverwandtschaft, welche ihren Grund darin hat, daß diese Mythen die Riten von ackerbauenden Gemeinschaften umspielen und in theatralischen Szenen dargestellt worden sind. Ich versuche, diese gemeinsame Grundstruktur darzustellen. § 58 Osiris, der Gott des Getreides, 1 wurde von seinem bösen Bruder Seth getötet, dem Gott der Hitze. Seth hat den Leichnam des Osiris vergraben oder in den Nil geworfen. Isis ist in tiefer Trauer und sucht den verschwundenen Gemahl landauf landab, bis sie ihn findet und wiederbelebt. Sie empfängt den Sohn Horos; Osiris wird zum König der Unterwelt. Der Mythos vom Tod und der Wiederbelebung des Osiris wird alljährlich in großen Festen gefeiert. § 59 Adonis, 2 auch er ein Gott des Korns, wird von Aphrodite-Astarte geliebt. Er wird auf der Jagd von einem wilden Eber getötet und befindet sich nun in der Unterwelt. Aphrodite, in tiefer Trauer, sucht den verschwundenen Geliebten vergebens; alle Liebe, alle Fruchtbarkeit ist von der Erde verschwunden. Schließlich steigt Aphrodite in die Unterwelt hinab. Die Königin des Hades, Persephone-Ereschigal, ist glücklich, den schönen jungen M a n n bei sich zu haben, und will ihn nicht herausgeben. Aphrodite ruft das Urteil des Göttervaters Zeus an. Dieser entscheidet, daß Adonis seine Zeit künftig zwischen den beiden Göttinnen teilen solle: sechs Monate bei Aphrodite, sechs bei Persephone. Tod und Wiederauferstehung des Adonis werden in großen Festen gefeiert.

1 Osiris ist nicht nur ein Gott des Korns gewesen; man darf keinen der großen Götter auf eine spezielle Funktion festlegen. Aber er ist, neben anderen Funktionen, auch ein Gott des Korns, und für Adonis gilt dasselbe. Für unseren gegenwärtigen Zusammenhang ist dies das Entscheidende. 2

Ich referiere die griechisch-römische Fassung des Adonismythos. In früherer Zeit hat es sehr verschiedenartige Versionen gegeben.

38 3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis § 60 Kore („das M ä d c h e n " ) , Tochter der Getreidegöttin Demeter, w u r d e vom H e r r n der Unterwelt (Hades oder „Pluton" = der Reiche) als seine Gattin geraubt. Sie lebte nun unter dem N a m e n Persephone als Königin in der Unterwelt. Demeter suchte die verschwundene Tochter landauf landab in schwerem Groll; drückende Hitze lag über der Erde, alles Wachsen kam zum Stillstand, und das Leben sogar der Götter w a r gefährdet. Da sandte Zeus Befehl a n seinen Bruder Hades-Pluton in der Unterwelt, daß er Kore-Persephone herausgeben müsse, und als sie wieder zur Oberwelt emporkam, hatte Demeter ihre Tochter gefunden. Aber Kore mußte seitdem ihre Zeit teilen: Zwei Drittel des Jahres war sie bei ihrer M u t t e r im Licht, ein Drittel bei Hades in der Unterwelt. Überall in Griechenland werden große Demeterfeste gefeiert, in Eleusis sogar „Mysterien", in denen der heilige Mythos rituell wiederholt wurde. § 61 Der typologische Zusammenhang ist evident und schon in der Antike empfunden worden; Annaeus Cornutus (1. Jahrh. n. Chr.) sagt in seinem „Abriß der hellenischen Theologie": „Weil die Samen auf eine gewisse Zeit unter der Erde verschwunden waren, erzählte man, daß Hades die Tochter der Demeter geraubt habe. M a n hat dann noch weiter erzählt, daß die Göttin trauerte und in der ganzen Welt suchte. Etwas Derartiges ist auch gemeint, wenn Osiris bei den Ägyptern von Isis gesucht und wieder gefunden wird und wenn Adonis bei den Phöniziern abwechselnd 6 M o n a t e über und unter der Erde ist."^ § 62 Die Ähnlichkeiten beruhen nicht darauf, daß ganze Mythen gewandert wären oder daß ein Urmythos zugrundeläge. Die Unterschiede sind zu beträchtlich. Im Fall des Osirismythos spielt entsprechend den geographischen Bedingungen in Ägypten der Nil eine zentrale Rolle. Demeter von Eleusis nimmt ihrerseits insofern eine Sonderstellung ein, als ihr Mythos nicht von einem Liebespaar handelt, sondern von Mutter und Tochter. König oder Königin der Unterwelt spielen in allen drei Mythen eine Rolle, aber jeweils eine andere: Im ägyptischen Mythos wird Osiris selbst Herr der Unterwelt; im phönizischen M y t h o s will „Persephone"-Astarte den schönen Adonis für sich behalten, hat also eine andere Rolle als im griechischen Mythos Pluton, der Kore-Persephone entführt und zur Herrin im Hades macht. Verantwortlich für den Tod des Osiris ist sein böser Bruder Seth, 2 für den Tod des Adonis der Eber, 3 und bei Persephone fällt der Tod in der Entführung durch Pluton mit der Hochzeit zusammen. 1 Kap. 28, p. 54,12-19 Lang άρπάσαι δ' ό "Αιδης τήν θυγατέρα της Δήμητρος έμυθεΰθη δια τον γινόμενον έπί χρόνον τινά των σπερμάτων κατά γης άφανισμόν. προσεπλάσθη δ' ή κατήφεια της θεοί και ή διά του κόσμου ζήτησις. τοιούτον γάρ τι και παρ' Αίγυπτίοις ó ζητούμενος και άνευρισκόμενος υπό της "Ισιδος Όσιρις έμφαινει και παρά Φοίνιξιν ό άνά μέρος παρ' εξ μήνας υπέρ γήν τε και υπό γήν γινόμενος "Αδωνις. Vgl. das Scholion zu Theokrit 3,48d (p. 131,18-24 Wendel): λέγεται δέ περί του Άδώνιδος, δτι και αποθανών ό "Αδωνις εξ μήνας έποίησεν έν ταΐς άγκάλαις τής 'Αφροδίτης, ώσπερ έν ταΐς άγκάλαις τής Περσεφόνης, τοΰτο δέ τό λεγόμενον τοιούτον έστιν αληθώς, οτι ό "Αδωνις ήγουν ό σίτος ό σπειρόμενος εξ μήνας έν τήι γήι ποιεί άπό τής σποράς, και εξ μήνας έχει αυτόν ή 'Αφροδίτη, τουτέστιν ή ευκρασία του αέρος. Hyginus, Astronom. II 7,3 nonnulli etiam dixerunt Venerem cum Proserpina ad iudicium lovis venisse, cui earum Adonin concederei; quibus Calliopen ab love datam iudicem . . , itaque iudicasse, uti dimidiam partem anni earum unaquaeque possideret. 2 Der wohl ursprünglich auch ein Eber gewesen ist. 3 Oder Ares als Eber, s. § 77/78.

3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis

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§ 6 3 Es handelt sich um M y t h e n , welche in Z u s a m m e n h a n g mit dem A c k e r b a u und dem Kreislauf der Jahreszeiten stehen. Das Primäre sind die Riten. Das Aussäen wird als ein Begraben des Gottes verstanden, ein Begraben, welches die H o f f n u n g auf neues Aufleben einschließt. W e n n dann die Frucht sprießt, dann sind Osiris und Adonis wieder aufgelebt. M a n k o n n t e den T o d des G o t t e s beklagen, wenn der Samen in die Erde fiel, und wieder, wenn das Getreide geschnitten wurde. Aber auch dieser T o d enthielt die H o f f n u n g a u f Leben; aus der geschnittenen Frucht wurde das K o r n gewonnen, zur N a h r u n g der M e n s c h e n und als Saatgetreide für das nächste J a h r . D i e V o r g ä n g e in der N a t u r werden durch ein mythisches Schema von T o d und Wiederaufleben erklärt, und dieses Schema ist in wechselnden F o r m e n dargestellt worden. Es sind M y t h e n der A c k e r b a u e r ; in regelmäßig gefeierten Festen werden die sich wiederholenden V o r g ä n g e in der N a t u r und bei der Arbeit umspielt und erklärt. Nicht die mythischen Erzählungen sind das P r i m ä r e , sondern dasjenige, was m a n mit Augen sehen und mit H ä n d e n greifen k o n n t e : die Feldarbeit und das Ernten, das Aufblühen und Verdorren der Vegetation, die religiösen Feste, die Theaterszenen. D e m werden die Erzählungen angepaßt, bald a u f diese und bald a u f jene W e i s e . Es w a r immer möglich, ihnen eine veränderte Bedeutung unterzulegen. Bestehen blieb, daß die M y t h e n wegen ihres Zusammenhangs mit dem Ackerbau innerlich verwandt waren und eine generelle Ähnlichkeit behalten haben. Diese Verwandtschaft hat dazu geführt, daß die Mythenkreise und religiösen Z e r e m o n i e n der hier besprochenen G ö t t e r in der griechisch-römischen Zeit einander angenähert, daß die Götter teilweise gleichgesetzt worden sind. Um diesen Prozeß der wechselnden Angleichungen recht zu verstehen, müssen wir etwas weiter ausholen und über die Religionen um Adonis und D e m e t e r in denjenigen Z e i t e n sprechen, welche dem hellenistischen Staatensystem und dem r ö m i s c h e n Kaiserreich vorausliegen.

Die Mythen von Inanna-Ischtar und Dumuzi-Tammuz-Adonis § 6 4 D e r m e s o p o t a m i s c h e M y t h o s von Ischtar (sumerisch Inanna) und D u m u z i - T a m m u z A d o n i s 1 ist in zwei Stadien erhalten, dem älteren sumerischen und dem jüngeren akkadischen (assyrischen). Die Hauptpersonen sind: 1 Die Literatur über Adonis ist umfangreich. Es seien genannt: W. Mannhardt, Antike Wald- und Feldkulte (1877) 2 7 3 - 2 9 1 W. H. Roscher in seinem Mythologischen Lexikon I (1884) 69-77 J. G. Frazer, The Golden Bough Part IV, Adonis Attis Osiris (1906) I 3 - 5 6 und 2 2 3 - 2 5 9 W. W. Baudissin, Adonis und Esmun (1911) P. S. Ronzevalle, Mélanges de l'Université Saint Joseph, Beyrouth, 15, 1930/1, 1 3 9 - 2 0 1 „Venus lugens et Adonis Byblius" Fr. R. de Vaux, Revue biblique 42, 1933, 3 1 - 5 6 „Sur quelques rapports entre Adonis et Osiris" Β. Soyez, Byblos et la fête des Adonies (EPRO 6 0 , 1 9 7 7 ) W. Burkert, Structure and History in Greek Mythology and Ritual (1979) 9 9 - 1 1 1 Β. Servais-Soyez, L. I. M. C. 1 1 (1981) 2 2 2 - 2 2 9 ; I 2, 1 6 0 - 1 7 0 R. Turcan, Les cultes orientaux dans le monde romain (1989) 1 4 2 - 1 4 6 . G. Baudy, Adonisgärten. Studien zur antiken Samensymbolik, Beiträge zur klass. Philol. 176, Meisenheim 1 9 8 6 . Dieses gedankenreiche und originelle Buch hat unsere Erkenntnis sehr gefördert, und meine nachfolgenden Darlegungen sind dem Verfasser sehr verpflichtet.

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- Adonis; der N a m e ist ein Appellativum, er heißt „der H e r r " . D e r eigentliche N a m e des Gottes w a r Dumuzi oder T a m m u z . 1 - Aphrodite-Astarte, die syrische Liebesgöttin. Ihr älterer, akkadischer N a m e w a r Ischtar; bei den Sumerern hieß sie Inanna. - Persephone, akkadisch und sumerisch Ereschigal. - Gestinanna oder Belili, Dumuzis Schwester. Die Bedeutung der Figuren und ihre Beziehungen zueinander wechseln. Dumuzi ist ursprünglich ein H i r t , wird aber schon in den frühesten uns bekannten T e x t e n a u c h als G o t t des K o r n s aufgefaßt.2 W ä h r e n d in griechisch-römischer Zeit erzählt wurde, daß Ischtar (Aphrodite) ihren Geliebten aus der Unterwelt zurückhole, tut dies in den älteren T e x t e n seine Schwester Gestinanna/Belili; Ischtar ist dort weit davon entfernt, T a m m u z zu befreien, sie hat ihn vielmehr als Ersatz der Unterwelt ausgeliefert, um selbst freizukommen. § 6 5 In den griechischen und lateinischen T e x t e n ist Adonis die Frucht einer unerlaubten Liebe seiner M u t t e r M y r r h a zu ihrem Vater Kinyras. Diese Episode ist bisher in den m e s o p o t a m i s c h e n T e x t e n nicht belegt. Es handelt sich um eine westsemitische V a r i a n t e des M y t h o s (Byblos und Zypern). D e r T o d des Adonis durch den E b e r ist bisher nur durch die griechischen und lateinischen T e x t e belegt. In einer sumerischen Fassung k o m m t er durch einen Bison ums L e b e n d D e r Mythenzyklus um Astarte und Adonis war in ständigem Fluß, die Episoden des M y t h o s sind immer neu erzählt worden. Aber die entscheidenden Szenen k o m m e n immer wieder vor, wenn auch oft in veränderten Zusammenhängen.

Inannas Niederfahrt (sumerische Fassung) § 6 6 Die älteste uns greifbare Fassung des M y t h o s ist die sumerische. Sie scheint aus der Zeit um 2 0 0 0 zu stammen (der älteste T e x t ist ins 1 8 . J a h r h u n d e r t zu datieren) und ist erst jetzt aus vielen verschiedenen Tontafeln von den Sumerologen zurückgewonnen w o r d e n . 4 1 Thamuz wird bei Hesekiel 8,14 genannt (um 5 7 0 v. Chr.). Horigenes bemerkt dazu: τόν λεγόμενον παρ' Έλλησιν "Αδωνιν Θαμούζ φασι καλεΐσθαι παρ' Έβραίοις και Σύροις (Selecta in Ezechielem, bei Migne, P. G. 13,797 = Orígenes ed. C. Η. E. Lommatzsch XIV [1842] 207). Entsprechend Hieronymus in Hiezechielem (Corp. Christ. Lat. L X X V 99) Quod nos ,Adonidem' interpretati sumus, et Hebraeus et Syrus sermo ,Thamuz' vocat. 2 Über die Vielfalt der Bedeutungen, welche man Dumuzi schon in alter Zeit beigelegt hat, s. Th. Jacobsen, Toward the Image of Tammuz and other Essays on Mesopotamian History and Culture (1970) 7 3 - 1 0 3 : Tammuz ist der lebendige Saft in Tieren und Pflanzen, ist Milch und Dattelpalme, Korn und das aus Korn gewonnene Bier.

3 Th. Jacobsen, The Harps that once . . . Sumerian Poetry in Translation (New Haven and London 1987) 4 7 - 4 9 . 4 A. Falkenstein, Der sumerische und akkadische Mythos von Inannas Gang zur Unterwelt, Festschrift W. Caskel (1968) 9 6 - 1 1 0 . - W. R. Sladek, Inanna's Descent to the Nether World (Diss. Baltimore, Maryland 1974; University Microfilms, Ann Arbor, Michigan); die Übersetzung auf S. 1 5 3 - 1 8 0 . - Th. Jacobsen, The Harps that once . . . 2 0 5 - 2 3 2 Inanna's Descent; vgl. auch 1 - 8 4 Dumuzi Texts. - J. Bottéro - S. Ν. Kramer, Lorsque les dieux faisaient l'homme. Mythologie mésopotamienne (Paris 1989) 2 7 6 - 2 9 5 . - C. Wilcke in Kindlers Literaturlexikon XXII 7 9 2 - 7 9 5 „Inannas Gang in die Unterwelt".

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Inanna hat sich entschlossen, in die Unterwelt hinabzusteigen; sie will versuchen, ihre Herrschaft auch dorthin auszudehnen. Sie legt ihr Prachtgewand und ihre Herrschaftsinsignien an und klopft, Einlaß fordernd, ans Tor der Unterwelt. Der Türhüter erbittet von der Herrin Ereschigal Anweisung, was er zu tun habe. Die Fürstin der Unterwelt befiehlt, Inanna einzulassen, ihr aber an jedem der sieben Tore einen Teil ihres Gewandes und ihrer Herrschaftszeichen abzunehmen. Dies geschieht; am Ende kommt Inanna nackt vor Ereschigal an. Sie setzt sich auf Ereschigals Thron 1 - was sie nicht hätte tun sollen; 2 denn die Herrin der Unterwelt blickt sie tödlich an, und Inanna stirbt. Ihre Leiche wird an einen Nagel gehängt. § 6 7 Eine treue Dienerin Inannas macht - als trauernde Bettlerin gekleidet 3 - einen Bittgang zu den Göttern der Oberwelt. Die ersten zwei Götter weisen sie a b . 4 Erst der dritte, Enki, weiß Rat. Er bildet zwei neue Wesen, einen Tänzer 5 und den kleinen Klagepriester, übergibt ihnen die Pflanze des Lebens und das Wasser des Lebens und instruiert sie: Sie werden die Unterweltsgöttin in Geburtswehen vorfinden; ^ sie sollen ihr helfen und so ihre Gunst gewinnen. Dann werde Ereschigal ihnen die Flüsse mit allem Wasser und die Felder mit aller Gerste anbieten; sie aber sollen das Angebot ablehnen 7 und vielmehr die Leiche der Inanna mit dem Wasser des Lebens besprengen. Alles geschieht, wie Enki geplant hatte. Aber als die zum Leben erweckte Inanna die Unterwelt verlassen will, erfährt sie, daß sie einen Lebenden als Ersatz stellen muß. Da ihr Gemahl Dumuzi nicht um sie getrauert hatte, liefert sie ihn den Dämonen der Unterwelt aus; aber die Schwester Gestinanna/Belili geht auf ein halbes Jahr für Dumuzi in die Unterwelt. 8

1

Sladek S. 165, Vers 166; Jacobsen 215, Vers 163; Bottéro - Kramer S. 282, Vers 162.

In der griechisch-lateinischen Literatur finden sich zwei ähnliche Szenen: (a) Als Demeter in Gestalt eines alten Weibes in Eleusis ankommt, bietet die Königin der Stadt ihr den Lehnstuhl zum Sitz an; aber Demeter lehnt ab (homerischer Demeterhymnus 191-194). (b) Proserpina bietet Psyche einen bequemen Stuhl an, aber diese - vorher instruiert - lehnt ab (Appuleius, Met. VI 19-20). 2

3

Sladek S. 167, Vers 181; Jacobsen S. 216, Vers 178; Bottéro - Kramer S. 282, Vers 178.

Einen Rundgang unternimmt auch Psyche bei Appuleius (VI 1—4); auch sie wird zweimal abgewiesen, bei Ceres und Iuno. 4

5 Es wird eine Vokabel gebraucht, welche mit „Eunuch, weibisch gekleideter Tänzer, Homosexueller" übersetzt werden kann; s. Bottéro - Kramer S. 292 mit Anm. 1. Das griechische Wort κίναιδος und das lateinische cinaedus haben dieselbe Bedeutung. Die Bedeutung „Tänzer" ist klar in Inscr. de Philae 154/5, s. den Kommentar von E. Bernand.

^ Das Eintreffen der Liebesgöttin Inanna in der Unterwelt ist also nicht ohne Folgen geblieben. 7 Sladek S. 172, Vers 246/7 und S. 174, Vers 273/4; Jacobsen S. 220/221, Verse 243/4 und 265/6; Bottéro - Kramer S. 285/286, Verse 243 und 265/266. Im Griechischen und Lateinischen kommen ähnliche Episoden vor: Als Hades der Persephone erlauben mußte, ans Licht zurückzukehren, gab er ihr einen Granatapfelkern zu essen, und so kam es, dal? sie immer wieder zu ihm zurückkehren mußte (Demeterhymnus 371-374). Für die Ablehnung der Speisen vgl. den Demeterhymnus Vers 200 (Demeter sitzt lange Zeit da, ohne zu essen und zu trinken) und Appuleius VI 19-20 (als Proserpina der Psyche ein üppiges Mahl anbietet, lehnt diese ab). 8

Sladek S. 181, Verse 407-409; Jacobsen S. 232, Vers 390; Bottéro - Kramer S. 290, Vers 390.

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Ischtars Niederfahrt (akkadische Fassung) § 68 Der akkadische Text ist für den T a g bestimmt, an welchem der T o d des T a m m u z beklagt wird, für Menschen, welche den Zusammenhang des Mythos und des Festrituals kannten. Ich fasse den Inhalt kurz zusammen. 1 Ischtar hat sich entschlossen, in die Unterwelt hinabzusteigen. Sie will zur Herrschaft in der Oberwelt auch die in der Unterwelt gewinnen und Ereschigal entthronen. Am T o r tritt ihr der Türhüter entgegen. Sie fordert, daß geöffnet werde; falls dies nicht geschehe, werde sie die Tür aufbrechen, Rahmen und Schloß herausreißen, die Tür aushängen und die Toten auf die Oberwelt zurückführen. 2 Die Fürstin der Unterwelt erschrickt aufs höchste und befiehlt, die Türen zu öffnen; aber der Türhüter soll Ischtar, während er sie hinabführt, gemäß den alten Riten behandeln, welche in der Unterwelt gelten. Ischtar durchschreitet sieben Türen. Vor jeder Tür muß sie einen Teil ihrer schützenden Amulette, ihres Schmuckes, ihrer Kleider ablegen, vor der siebenten Tür ihr letztes Kleid ausziehen. Bei Ereschigal angekommen, setzt sie sich auf deren Thron. 3 Die Herrin der Unterwelt zürnt und schickt gegen Ischtar 60 Krankheiten aus, Krankheiten der Augen, der Arme, der Füße, des Herzens, des Kopfes, und diese töten Ischtar. So war die Liebesgöttin verschwunden; auf Erden gab es keine Liebe mehr: Der Stier sprang nicht mehr auf die Kuh, der Esel nicht mehr auf die Eselin, der junge M a n n schwängerte das Mädchen nicht mehr, beide lagen allein in getrennten Kammern. § 69 Dem obersten Gott Ea wird gemeldet, wie schlimm es auf der Erde steht. Ea, der nie um einen Rat verlegen ist, schafft Asuschu-namir, den Gott der Tänzer, und schickt ihn zu Ereschigal hinab; er soll ihr vortanzen und sie fröhlich stimmen; dann soll er sie bitten, ihm einen Wunsch zu gewähren. Sobald dies geschehen sei, soll er sich erbitten, aus einem Schlauch zu trinken, der sich in der Halle der Ereschigal befindet. In dem Schlauch hat sich offenbar das Wasser des Lebens befunden. Der Tänzer tat wie befohlen, 4 und Ereschigal gewährte ihm einen Wunsch, aber als sie hörte, was er wünschte, ergrimmte sie entsetzlich; denn ihr war sofort klar, daß er Ischtar mit dem Wasser besprengen wollte. Ereschigal schlug sich auf den Schenkel und biß sich in den Finger; sie verwünschte den Tänzer: In alle Zukunft sollten die Tänzer eine mindere Rangklasse unter den Menschen sein. Aber den Wunsch - das Lebenswasser, die Belebung Ischtars - mußte sie ihm gewähren. Sie befahl ihrem Minister, die Totengeister (die Annunaki) herbeizubringen und goldene Throne für sie vorzubereiten; dann solle er Ischtar mit dem Wasser des Lebens besprengen und herbeiführen. So führte der Minister Ischtar wieder durch die sieben Tore und gab ihr die Kleider, den Schmuck und die Amulette zurück. Aber ans Licht des Tages emporsteigen darf sie nur unter einer Bedingung: Sie muß einen Ersatz stellen. 1 Übersetzungen: Ε. A. Speiser bei J . B. Pritchard, Ancient Near Eastern Texts ( 1 9 5 0 ) 1 0 6 - 1 0 9 ; W. R . Sladek 2 5 1 - 2 6 2 ; E. Reiner, Your Thwarts in Pieces (1985) 2 9 - 4 9 ; Bottéro - Kramer 3 1 8 - 3 3 0 . 2 J . Kroll, Gott und Hölle. Der Mythus vom D e s c e n s u s k a m p f e ( 1 9 3 2 ) 2 0 6 - 2 1 4 hat den K a m p f verglichen, welchen J e s u s nach dem Evangelium Nicodemi und anderen apokryphen Texten bei seinem Abstieg in die Hölle bestanden hat. 3

So übersetzt W. R. Sladek (S. 165, Zeile 166). E. Reiner und Bottéro - Kramer übersetzen anders.

4

Für griechische Parallelen (im homerischen Demeterhymnus und bei Orpheus) s. §

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Der Ersatz, das wird Tammuz-Adonis sein. 1 Er muß in die Unterwelt hinabsteigen. Die Schwester Belili ruft zwar: „ N e h m t mir nicht meinen einzigen Bruder", aber T a m m u z muß sterben. Doch nach einem halben Jahr wird er befreit: Belili wird an seiner Stelle sechs M o n a t e in der Unterwelt verbringen. 2 So schließt das assyrische Gedicht mit den tröstenden Worten Beiiiis: „ A n dem T a g , an dem T a m m u z zu mir emporsteigt, wird mit ihm die Flöte aus Lapislázuli kommen und der Armreif aus Karneol; alle Klagenden werden mit ihm kommen, Männer und Weiber, und die Toten sollen heraufkommen und den Weihrauch riechen." § 70 D a s Epos enthält mehrere eindrucksvolle Szenen: Drohung Ischtars vor dem Tor der Unterwelt, vor welcher Ereschigal erschrickt; Weg Ischtars durch die sieben Tore; Usurpation des Thronsessels durch Ischtar; Verschwinden aller Liebe auf der Erde; Entsendung eines Götterboten; Tanz des göttlichen Tänzers vor Ereschigal; Besprengen der Ischtar mit Lebenswasser; Sitze, auf denen die Totengeister Platz nehmen sollen; Rückkehr der Ischtar; Totenklage um T a m m u z . Mehrere dieser Szenen sind schon im sumerischen Text vorgekommen, zum Teil an anderer Stelle der Handlung. Zu erwähnen ist noch, daß dort die Dienerin der Inanna im Bettlerkleid das Land durchzieht, und daß die Abgesandten des Enki davor gewarnt werden, von der Speise der Toten zu genießen. Diese Szenen sind gespielt worden und hafteten in der Vorstellung - man hatte sie mit Augen gesehen. Die Anordnung der Szenen konnte variieren. Im Ischtar-Epos passen sie nicht alle genau zusammen, vor allem nicht, daß Ischtar erst überlegen droht und daß Ereschigal erschrickt, daß aber dann Ischtar sich beim Weg durch die sieben Tore vor Ereschigal demütigen muß und ihre Überlegenheit ganz eingebüßt hat. Der Wirkung des Gedichts tut dies keinen Abbruch. Es ist nicht für ein literarisches Publikum vorgetragen worden, sondern für Menschen, die ihren heiligen Mythos wieder miterleben wollten. Auch die Funktionen, welche man den göttlichen Rollen zugeteilt hatte, konnten variieren. In den altorientalischen Texten bringt Belili ihren Bruder T a m m u z wieder an die Oberwelt, in den griechischen Texten tut dies Aphrodite, Nachfolgerin Ischtars. Die Keilschrifttafeln, welche dieses Epos überliefern, stammen aus der Zeit um 1000 v. Chr. Sie sind also nur durch Jahrhunderte, nicht durch Jahrtausende von den griechischen Texten getrennt, in denen von der Liebe Aphrodites zu Adonis berichtet wird.

Griechisch-römische Zeit: Adonis Gott der Feldfrucht § 71 Die Griechen, welche seit Alexander in Palästina, Syrien und Mesopotamien herrschten, haben den Mythos von Tammuz-Adonis und Ischtar-Astarte-Aphrodite kennengelernt, und diese Kenntnis hat sich bis in die römische Kaiserzeit, ja bis in die Zeit forterhalten, in welcher das Christentum zur Staatsreligion geworden war. 1 Dies wird in der akkadischen Fassung nicht ausdrücklich gesagt; für die Frauen, welche den T o d des Dumuzi am Festtag beklagten, war es selbstverständlich. Der Zusammenhang ist auch in der akkadischen Fassung deutlich genug. Es folgt aufeinander: (a) Der Türhüter entläßt Ischtar durch d a s siebente und letzte Tor. - (b) Wenn sie aber keinen Ersatz stellt (heißt es), wird er sie in die Unterwelt zurückbringen. (c) W a s aber den Dumuzi betrifft, so soll man ihn baden und parfümieren und in ein schönes Kleid kleiden, d. h. man soll ihn aufbahren und beklagen. 2 Dies ergibt sich für uns aus der sumerischen Fassung; in der akkadischen wird es als bekannt vorausgesetzt.

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§ 7 2 M a n hat immer gesagt, Adonis sei ein Gott der Feldfrucht. So wird er in einem „orphischen" Hymnus angerufen als „Ernährer aller", „der die Pflanzen gedeihen l ä ß t " , als Gott mit der „Gestalt, die zur rechten Zeit die Früchte bringt", 1 und wird aufgefordert: „ K o m m , Seliger, und bringe den Eingeweihten die Früchte aus der E r d e . " 2 Für Porphyrios ist Adonis ein Symbol für das Abschneiden der reifen F r u c h t . 3 J o h a n n e s Lydus sagt geradezu: „Adonis ist die Feldfrucht." 4 Horigenes erklärt: „Es heißt, daß Adonis ein Symbol der Früchte der Erde sei, die man beklagt, wenn sie ausgesät werden, die aber wieder auferstehen und so den Bauern Freude bringen, wenn sie w a c h s e n . " 5 § 7 3 Aus Ammianus Marcellinus ergibt sich, daß man das Schneiden des reifen Korns in Beziehung zum T o d des Adonis gesetzt hat. Der Perserkönig Schapur II. griff im J a h r 3 5 9 n. Chr. die Stadt Amida am oberen Euphrat an; dabei wurde der Sohn eines Kleinkönigs getötet, der in seinem Heer mitkämpfte: „Die Frauen riefen in jammervollem Klagen unter dem gebräuchlichen Weinen, daß die Hoffnung des Stammes in der Frühlingsblüte abgeschnitten sei, so wie man die Verehrerinnen der Aphrodite oft bei den üblichen Feiern für Adonis sehen kann; die mystischen Religionen lehren, dies sei ein Abbild des Reifens der F r ü c h t e . " 6

Griechische und lateinische Autoren über die Geburt des Adonis § 7 4 Bei griechischen Autoren lesen wir zusätzlich über Erzeugung und Geburt des Halbgottes einen Mythos, der nicht früher bezeugt zu sein scheint. Adonis soll im Inzest gezeugt worden sein. Seine Mutter Myrrha - manchmal heißt sie auch Smyrna - war Tochter des Kinyras, des Königs von Zypern oder Byblos. Viele Freier waren gekommen; sie aber liebte im stillen ihren Vater und fand immer neue Ausflüchte, um die Freier abzuweisen. Schließlich gelang es ihr mit List, sich unerkannt zu ihrem Vater zu legen, und sie wurde schwanger. Um den Inzest zu verbergen, verwandelten die Götter M y r r h a in den

1

Orph. hymn. 5 6 (aus dem 2. Jahrh. n. Chr.) τροφεϋ πάντων. . . αύξιθαλής. . . δέμας ώριόκαρπον.

2

Vers 1 2 έλθέ, μάκαρ, μύσταισι φέρων καρπούς άπό γαίης.

3 Bei Eusebios, Praep. ev. III 1 1 , 1 2 (p. 1 3 7 , 1 3 M r a s ) = Porph. Fragm. ed. Andrew Smith 3 5 8 F , 2 8 (p. 4 1 9 ) = J. Bidez, Vie de Porphyre p. 1 0 * , 6 "Αδωνις της των τελείων καρπών έκτομής σύμβολο ν. 4 De mensibus IV 6 4 p. 1 1 6 , 7 Wünsch "Αδωνις . . . έστίν ό καρπός. Annaeus Cornutus leitet den N a m e n des Adonis davon ab, daß die demetrische Frucht den Menschen „gefallen" (άδ-) habe, cap. 2 8 , p. 5 4 , 1 9 Lang: "Αδωνις, άπό τού άδεΐν τοις άνθρώποις ούτως ώνομασμένου του Δημητριακού καρπού. Salu(s)tios, Περί θεών και κόσμου 4 , 3 καλέσαντες . . . "Αδωνιν . . . καρπούς. 5 Z u Hesekiel 8 , 1 4 : Orígenes ed. C. Η. E. Lommatzsch X I V ( 1 8 4 2 ) 2 0 7 = Migne, P. G. 1 3 , 8 0 0 φασίν τον "Αδωνιν σύμβολο ν είναι των της γης καρπών, θρήνου μένων μέν, δτε σπείρονται, άνισταμένων δέ, και δια ταύτα χαίρειν ποιούντων τούς γεωργούς, οτε φύονται. Ähnlich Hieronymus zur selben Stelle (Corp. Christ. Lat. L X X V 99) gentilitas huiuscemodi fabulas poetarum . . . interpretatur subiliter, interfectionem et resurrectionem Adonidts planctu et gaudio prosequens, quorum alterum in seminibus, quae moriuntur in terra, alterum in segetibus, quibus mortua semina renascuntur, ostendi putat.

^ X I X 1 , 1 1 Feminae . . . miserabili planctu in primaevo flore succisam spem gentis solitis fletibus conclamabant, ut lacrimare cultrices Veneris saepe spectantur in sollemnibus Adonidts sacris, quod simulacrum aliquod esse frugum adultarum religiones mysticae docent.

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M y r r h e n b a u m ; nach neun M o n a t e n klaffte die Rinde auf und das Kind - Adonis - k a m ans Licht. 1 § 7 5 U m Eltern und Geburt des Adonis lag ein Geheimnis: W e r waren die Eltern des aus dem B a u m geborenen Kindes? Und wenn m a n M y r r h a und Kinyras als Eltern ermittelt hatte, wie sollte man Kinyras bezeichnen, als Vater oder Großvater? So rankten sich um Smyrna 2 und Adonis Rätsel und Orakelsprüche 3 , und a m Adonisfest wurden Rätsel aufgegeben. 4

Aphrodite und Persephone streiten um Adonis; Adonis vom Eber getötet § 7 6 Aphrodite wollte das aus dem B a u m geborene Kind retten. Sie legte es in einen „ K a s t e n " - λάρναξ, was auch „ S a r g " heißen kann - und übergab es Persephone. 5 Als Adonis herangewachsen w a r , wollte Persephone den schönen jungen M a n n nicht mehr herausgeben. Aphrodite rief Zeus als Schiedsrichter an, und der Götterkönig entschied, daß Adonis auf ein Drittel des Jahres Persephone gehöre, ein weiteres Drittel Aphrodite und daß ihm freistehe, w o er das dritte Drittel verbringen w o l l e t Adonis entschied sich für Aphrodite und wurde ihr Geliebter.

1 Ovid, Met. X 2 9 8 - 5 0 2 ; Antoninus Liberalis 34 („Smyrna"); Scholion zu Theokrit 1,109a (p. 6 6 , 6 - 1 2 Wendel); Ps. Apollodor, Bibl. III 1 8 3 - 5 (zum Teil nach Panyassis von Halikarnass). - Die antiken Berichte weichen in vielen Details voneinander ab, ζ. B. im Namen des Vaters. Kinyras war der traditionelle Name der Könige von Byblos; noch der letzte von ihnen, den Pompeius hinrichten ließ, trug diesen Namen (Strabon XVI 2,18). Die Gemahlin des Kinyras und Mutter der Myrrha (also die Großmutter des Adonis) hieß Kenchreis „Hirsemädchen" (Ovid, Met. X 4 3 5 ; Hyginus, Fab. 58). Th. Jacobsen, The Harps that once . . . 56 und 76 (mit Anm. 31) referiert über Damu, eine sumerische Gestalt, welche dem Dumuzi verwandt ist, daß seine Mutter als eine saftige Zeder vorgestellt wurde. 2

Anthol. Pal. X I V 31.

3

Der Komiker Piaton im „Adonis" fr. 3 Kassel - Austin = Athenaios X 83 (p. 456A = Kaibel 2,491,9).

Diphilos fr. 4 9 Kassel - Austin = Athenaios X 74 (p. 4 5 1 B = Kaibel 2 , 4 8 0 , 1 9 - 4 8 1 , 4 ) . Es handelt sich charakteristischerweise um ein Rätsel mit sexueller Lösung. Auf die Frage „Wer ist der Stärkste?" antwortet eine Hetäre: der Phallos. In dem in der drittletzten Anmerkung herangezogenen sumerischen Text über Damu finden sich rätselartige Verse, welche an die Rätsel über Adonis erinnern. Die Mutter des Damu spricht: „I am the mother who gave birth, but neither of heaven are you, nor are you of earth. I am the mother who gave birth, but neither my husband are you, nor are you my son" (Th. Jacobsen, The Harps that once . . . 66). Die Lösung des Rätsels ist nicht bekannt. 4

5 Auch im assyrischen bzw. sumerischen Mythos hat Ischtar (Inanna) den Tammuz der EreschigalPersephone übergeben.

^ Vgl. die Zweiteilung des Jahres bei Annaeus Cornutus und Hyginus, § 61. - Indem Zeus die Jahreszeiten einteilt, schafft er den Rahmen für den Ackerbau; man kann sogar sagen, er richtet den Ackerbau ein (G. Baudy, Adonisgärten 34). Die „archetypische" Szene des Streites zwischen Aphrodite-Astarte und Persephone-Ereschigai ist hier nicht nach dem Tod des Adonis angeordnet, sondern gleich nach seiner Geburt.

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§ 77 Als Adonis erwachsen war, wollte er auf die Jagd gehen. Aphrodite warnte ihn; es gibt gefährliche Tiere, wie die Löwen: „Vor diesen, Liebster, sollst du fliehen, und ebenso alle Arten wilder Tiere, die nicht den Rücken zur Flucht zeigen, sondern die Brust zum Kampf." 1 So ging Adonis auf Hasenjagd; 2 dabei stieß er auf einen Eber und wurde von diesem tödlich am Oberschenkel verwundet. Einige Autoren sagen, daß Ares sich in diesen Eber verwandelt hatte, um den Nebenbuhler zu töten. 3

Homosexuelle Deutung der Schenkelwunde § 78 Es gibt freilich auch ein Gedicht, 4 nach dem der in den Eber verwandelte Ares keineswegs auf Adonis eifersüchtig war; vielmehr war der Eber selber in den schönen Schenkel des Adonis verliebt. Als Aphrodite ihn nach dem Tod des Adonis hatte einfangen lassen und die bittersten Vorwürfe machte, verteidigte er sich: „Ich schwöre dir, Kythere . . .: Ich wollte diesen deinen schönen Mann nicht treffen, sondern sah ihn als ein Götterbild an, und da ich die Hitze nicht ertragen konnte, wollte ich seinen nackten Schenkel küssen. Sprich über mich gerechtes Gericht, pack diese hier (die Zähne) und schneide sie ab, strafe sie, Kypris; wozu trage ich unnötigerweise verliebte Zähne; und wenn dir das nicht genügt, schneide mir auch diese meine Lippen ab; wie konnte ich es wagen zu küssen?" 5 Als Aphrodite diese Verteidigung hörte, soll sie dem Eber vergeben haben. Hier ist die Schenkelwunde des Adonis eine Chiffre für die homosexuelle Liebesverbindung.^

Des Bion von Smyrna „Klage um Adonis" § 79 Als Aphrodite vom Tod des Adonis hörte, wurde sie von rasendem Schmerz erfüllt; sie irrte, ihn suchend, durch die Wälder:

1 Ovid, Met. X 705-707: hos tu, care mihi, cumque his genus omne quod non terga fugae, sed pugnae pectora effuge.

ferarum praebet,

2

Theokrit 1,110 (Adonis) καί πτώκας βάλλει καί ΰηρία π ά ν τ α διώκει. Bei Bion klagt Aphrodite um Adonis (60f.) τί γ ά ρ τολμηρέ κυνάγεις; καλός έών τοσσοϋτον έμήναο ϋηρί παλαίειν; 3 Firmicus Maternus, De errore 9 Mars enim in porci silvestris speciem formamque mutatus, ut sibi primas partes in amore Veneris vindicaret, incaute contra se ruentem percutit iuvenem. Servius auctus zu eclog. 10,18 Adonis . . . quem quia Venus adamavit, Mars in aprum transfiguratus occidit. 4 Erhalten allein im Codex Vaticanus 1824 im Anschluß an die bukolischen Gedichte (Theokrit, Moschos, Bion); in unseren Editionen als (Ps.) Theokrit 33 gezählt. Incipit "Αδωνιν ή Κυΰήρη. 5

Verse 2 2 - 3 9 δμνυμί σοι, Κυθήρη· / . . . τόν ά ν δ ρ α τον καλόν σευ / ουκ ήθελον π α τ ά ξ α ι , / αλλ' ώς αγαλμ' έσεΐδον, / καί μή φέρων τό καύμα / γυμνόν τόν είχε μηρόν / έμαινόμαν φιλάσαι. / καί μευ κ α τ ' ευ δίκαζε- / τούτους λαβούσα τέμνε, / τούτους κόλαζε Κύπρι- / τί γ ά ρ φέρω περισσώς / ερωτικούς οδόντας; / εί δ' ούχί σοι τ ά δ ' άρκεΐ, / καί ταύτά μου τά χείλη· / τί γάρ φιλεΐν έτόλμων; 6 Auf diese Seite des Adonismythos hat erst G. Baudy hingewiesen (Adonisgärten 50). - In dem Orakel aus dem „Adonis" des Komikers Piaton (fr. 3 Kassel - Austin) wird vorausgesetzt, d a ß Dionysos Liebhaber des Adonis gewesen ist. Ebenso Phanokles fr. 3 Powell (p. 108) bei Plutarch, Quaest. conviv. IV 5 p. 671BC (Teubner-Edition IV 146,5-9).

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„Aphrodite löst ihre Locken und irrt durch die Bergwälder in Trauer, die Haare aufgelöst, ohne Schuhe; wie sie schreitet, schürfen die Dornsträucher sie und kratzen das Blut der Göttin. Laut klagend eilt sie durch die tiefen Bergschluchten, nach dem assyrischen Gatten, dem Knaben, rufend und immer wieder rufend. Sie hat ihr schwarzes Gewand bis zum Nabel herab zerfetzt, ihre Brust wurde blutig rot von den Schlägen . . , " 1 § 8 0 Als sie den toten Geliebten fand, warf sie sich schluchzend auf ihn: „Als sie (ihn) sah, als sie die klaffende Wunde des Adonis sah, als sie das rote Blut am bleichenden Schenkel sah, umarmte sie ihn und klagte: Bleib, Adonis, unglücklicher Adonis, bleib, damit ich dich zum letztenmal antreffe, dich umarme und Lippen mit Lippen mische! W a c h e auf ein kurzes auf, Adonis, und küsse mich zum letztenmal. . . " 2 § 81 Die ganze Welt soll stillestehen, alles soll zugrunde gehen; Dienerinnen, die Verzweiflung der Herrin mitempfindend, sagen zu Aphrodite: „Als jener starb, verdorrten auch alle Blumen. Besprenge ihn mit syrischem Öl, besprenge ihn mit Myrrhenessenz: So sollen doch alle Myrrhenessenzen zugrunde gehen, wenn deine Myrrhe, Adonis, zugrundegegangen i s t . " 3

Aphrodite holt Adonis aus der Unterwelt zurück § 8 2 Schließlich ist Aphrodite in den Hades hinabgestiegen und hat ihren Geliebten von Persephone freigekauft. 4 Aber nur auf sechs M o n a t e darf Adonis in der Oberwelt bleiben; in 1 Bion von Smyrna, Klage um Adonis 1 9 - 2 6 ά δ' Ά φ ρ ο δ ί τ α λυσαμένα πλοκαμίδας άνά δρυμώς άλάληται πενθαλέα νήπλεκτος άσάνδαλος, αί δέ βάτοι νιν έρχομέναν κείροντι και Ιερόν αίμα δρέπονται· οξύ δέ κωκύουσα δι' άγκεα μακρά φορεΐται Ά σ σ ύ ρ ι ο ν βοόωσα πόσιν και παΐδα καλεϋσα· άμφί δέ νιν μέλαν ειμα παρ' όμφαλόν οαωρεΐτο στήθεα δ' έκ χειρών φοινίσσετο . . . 2 Verse 4 0 - 4 5 ώς ΐδεν, ώς ένόησεν Ά δ ώ ν ι δ ο ς άσχετον έλκος, ώς ΐδε φοίνιον αιμα μαραινομένωι περί μηρώι, πάχεας άμπετάσασα κινύρετο· μεΐνον "Αδωνι, δύσποτμε μεΐνον "Αδωνι, πανύστατον ώς σε κιχείω, ώς σε περυιτύξω και χείλεα χείλεσι μείξω εγρεο τυτθόν "Αδωνι, τό δ' αύ πύματόν με φίλησον (κτλ.). 3 Verse 7 6 - 7 8 ώς τήνος τέΰΎακε και άνΟεα πάντα μαράνΰη· ραίνε δέ νιν Συρίοισιν άλείφασι ραίνε μύροισιν όλλύσθω μύρα πάντα, τό σον μύρον ώλετ' "Αδωνις. Aphrodite hat allen Grund, sich wie eine Melancholikerin zu betragen, die ihrer Trauer freien Lauf läßt. Dasselbe werden wir bei Demeter wiederfinden, s. § 9 5 . Vgl. K. Meuli, Gesammelte Schriften I 3 3 3 - 3 5 1 , auch II 9 2 4 - 9 3 4 und 8 8 7 - 8 8 8 . 4 Dies berichtet der Christ Aristeides Kap. 1 1 , 3 (p. 1 4 Goodspeed) " Α δ ω ν ι ν . . . ούτινος και τόν θάνατον κλαίει (sc. 'Αφροδίτη ) ζητούσα τόν έραστήν αυτής· ήν λέγουσι και εις " Α ώ ο υ καταβήναι, δπως

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den anderen sechs gehört er Persephone. 1 Die Rückkunft des Adonis aus der Unterwelt ist in hellenistisch-römischer Zeit in Syrien und Ägypten in prächtigen Festen gefeiert worden. 2 Berühmt ist die Schilderung des Adonisfestes bei Theokrit. Dort wird Aphrodite angerufen: „Herrin Aphrodite mit dem goldenen Spielwerk, wie haben die Hören (die Göttinnen der Jahreszeiten) mit ihren zarten Füßen dir im zwölften M o n a t den Adonis aus dem Acheronfluß zurückgebracht", 3 und Adonis wird angeredet: „ D u als einziger unter den Halbgöttern, lieber Adonis, kommst hierher (zu uns) und (wieder) in den A c h e r o n . " 4 In einem Hymnus an den Planeten Venus-Aphrodite fordert der Sänger die Göttin auf, seinen W u n s c h zu erfüllen; andernfalls „sollst du nicht sehen, wie Adonis aus dem Hades emporkommt"

Adonisfeste in Byblos, Alexandria und Rom § 83 Z u m Bau von Schiffen waren die Ägypter schon in pharaonischer Zeit auf den Import von Zedernholz aus dem Libanon angewiesen. Der Umschlagplatz war die syrische Hafenstadt Byblos. 6 Zeitweise war der Ort den Ägypterkönigen Untertan, und es hat dort immer Kultstätten der ägyptischen Götter gegeben. M a n hat Adonis und Osiris für denselben Gott gehalten. Byblos liegt an einem Fluß, der den Namen „Adonis" führte. Die Stadt war ein Hauptkultort des Adonis. 7 Aber manche Leute von Byblos sagten, ihr großes Fest beziehe sich gar nicht auf Adonis, sondern auf Osiris, der bei ihnen begraben sei. Es komme nämlich in jedem J a h r ein

έξαγοράσηι τόν "Αδωνιν από της Περσεφόνης. Ähnlich der Patriarch Kyrillos im Kommentar zu Jesaias 1 8 , 2 bei Migne, P. G. 7 0 , 4 4 1 . 1

S. S 59-61.

In dem Gedicht des Bion von Smyrna auf den T o d des Adonis ist die rituelle Totenklage um Adonis in ein Gedicht umgesetzt. Es sei an den Vortrag erinnert, den Wilamowitz diesem Gedicht gewidmet hat (Reden und Vorträge I 4 [ 1 9 2 5 ] 2 9 2 - 3 0 5 ) . - Im Pap. Petrie III 1 4 2 aus dem Fayum werden Ausgaben für ein Adonisfest verzeichnet; der T e x t ist von G. Glotz besprochen worden (R. E. G. 3 3 , 1 9 2 0 , 1 6 9 - 2 2 2 ) . Résumé im T h e o k r i t k o m m e n t a r von A. S. F. G o w , S. 2 6 2 - 2 6 4 (mit dem T e x t des Papyrus). - Das alexandrinische Fest ist auch durch den Epigrammatiker Dioskurides bezeugt (Anth. Pal. V 5 3 und 1 6 1 , im 3. Jahrh. v. Chr.). 2

3 Theokrit 1 5 , 1 0 0 - 1 0 3 Δέσποιν(α) — χρυσώι παίζοισ' Άφροδίτα οίόν τοι τόν "Αδωνιν άπ' άενάω Άχερόντος μηνί δυωδεκάτωι μαλακαί πόδας αγαγον Τ Ωραι. 4 15,136-137 ερπεις ώ φίλ' "Αδωνι και ένθάδε κής 'Αχέροντα ημιθέων, ώς φαντί, μονώτατος. M a n vergleiche auch die Scholien zu diesen Stellen, und beachte das W o r t εϋθυμεύσαις in Vers 1 4 3 ; s. unten § 3 1 2 . 5

P. G. M . IV 2 9 0 3 = Abrasax II S . 1 1 4 οΰκ όψη τόν "Αδωνιν άνερχόμενον Ά ί δ α ο .

6

Ρ. Montet, Byblos et l'Égypte ( 1 9 2 8 ) .

7

(Ps.) Lukian, De dea Syria 6.

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K o p f , der aus Papyrus gebildet sei, 1 in wunderbarer Weise aus Ägypten nach Byblos geschwommen. § 84 D a ß Osiris aus Ägypten nach Byblos geschwommen und daß Isis zur See dorthin gefahren sei, um den toten Gatten zu suchen, sagt auch Plutarch 2 ; und nach Ps. Apollodor (II 9, s. § 1 2 1 ) ist Ιο-Isis auf der Suche nach ihrem Sohn Epaphos aus Ägypten nach Byblos gefahren. § 8 5 Schließlich berichtet der alexandrinische Patriarch Kyrillos, daß noch zu seiner Zeit ( 4 1 2 - 4 4 4 ) die Heiden in Alexandria ein Adonisfest feierten. Am Ende schrieben sie einen Brief an die Frauen von Byblos und kündigten an, daß Adonis gefunden sei; sie legten den Brief in einen T o p f , versiegelten diesen und warfen ihn ins Meer. Der T o p f komme in jedem J a h r an einem bestimmten T a g des Jahres in Byblos an. Die Frauen öffneten den Krug, erfuhren, daß Adonis gefunden sei, und hörten auf zu trauern. 3 § 8 6 Der Verfasser der Schrift „Über die syrische G ö t t i n " erzählt von dem Adonisfest zu Byblos. Zunächst wird der T o d des Adonis beklagt, und man opfert ihm als einem Toten; „aber am anderen Tag erzählen sie, er l e b e " . 4 § 8 7 Auch christliche Schriftsteller berichten über das heidnische Adonisfest. Horigenes kommt auf den heidnischen Gott zu sprechen anläßlich der Stelle im Propheten Hesekiel 8 , 1 4 , wo von der Trauer der Weiber um Tammuz-Adonis die Rede ist. 5 Er bemerkt: „Sie feiern jährlich Zeremonien; am ersten Tag beweinen sie ihn als Toten, und am zweiten Tag freuen sie sich, weil er von den Toten erstanden i s t . " 6 Ähnlich kommentiert Hieronymus: 7 „Die Frauen beweinen ihn als Toten; danach lebt er wieder auf und wird besungen und g e r ü h m t . . . M a n begleitet die Tötung des Adonis und seine Auferstehung mit Klagen und mit Freude."

1

De dea Syria 7. Der Autor hat die κεφαλή βυβλίνη selbst gesehen.

2

De Iside 1 5 / 6 , s. § 1 1 4 .

3 K o m m e n t a r zu Jesaias 1 8 , 2 (,,ό άποστέλλων εν θαλάσσηι . . . έπιστολάς βυβλίνας έπάνω τοϋ ύδατος"), bei Migne, P. G. 7 0 , 4 4 0 / 1 : κέραμον λαβόντες, ειτα γράφοντες έπιστολήν προς τάς èv Βύβλωι γυναίκας ώς ηΰρημένου τοϋ Ά δ ώ ν ι δ ο ς και ένθέντες τε αυτήν τώι κεράμωι και σφραγίσαντες καθίεσαν εις τήν θάλασσαν, τελετάς τινας έπ' αϋτώι ποιησάμενοι· και ώς γε εφασκον, αυτομάτως εις Βύβλον άπεκομίζετο κατά φανερός τοϋ έτους ήμέρας· δν δή και άποδεξάμεναι γυναΐκές τίνες της 'Αφροδίτης φίλαι, είτα λαβοΰσαι τήν έπιστολήν επαύοντο τοϋ θρηνεΐν ώς ηΰρημένου παρά της 'Αφροδίτης τοϋ Ά δ ώ ν ι δ ο ς . Die Stelle ist sehr gut behandelt bei D. Bonneau 2 6 1 - 2 6 2 : Z u r Zeit der Nilflut dürften große Papyrusbüschel (3 Meter lang) auf dem Nil und auch noch auf dem Meer geschwommen sein. 4 De dea Syria 6 πρώτα μέν καταγίζουσι τώι 'Αδώνιδι δκως έόντι νέκυϊ, μετά δέ τήι έτέρηι ήμέρηι ζώειν. . . μιν μυθολογέουσι. 5

γυναίκες καΰημεναι θρηνοϋσαι τον Θαμμουζ.

Selecta in Ezechielem 8 , 1 3 (Migne, P. G. 1 3 , 7 9 7 ) = Orígenes ed. C. Η. E. Lommatzsch X I V ( 1 8 4 2 ) 2 0 7 δοκοϋσι γαρ κατ' ένιαυτόν τελετάς τινας ποιεϊν πρώτον μέν οτι θρηνοϋσιν αυτόν ώς τεθνηκότα, δεύτερον δέ οτι χαίρουσιν έπ' αύτώι. ώς από νεκρών άναστάντι. 6

7 Corp. Christ. Lat. L X X V 9 9 : plangitur laudatur.

a mulieribus

quasi mortuus

et postea reviviscens

canitur

atque

50 3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis § 88 Der Patriarch Kyrillos berichtet über das Adonisfest in Alexandria: „Sie taten so, als ob sie zusammen mit der trauernden Aphrodite über den Tod des Adonis klagten und weinten; nachdem diese aber aus dem Hades wieder emporgekommen sei und gesagt habe, sie habe den Gesuchten gefunden, hätten sie sich mit ihr gefreut und getanzt." 1 § 89 Der neuplatonische Philosoph Damaskios, der um 5 0 0 n. Chr. in Alexandria lebte, hielt den alexandrinischen Gott der Ewigkeit (Aion), Osiris und Adonis für einen und denselben Gott. 2 In Amathus auf Zypern verehrte man den Gott Adonis-Osiris. 3 § 90 Neben der Identifizierung des Adonis mit Osiris stand auch eine Gleichsetzung mit dessen Sohn Harpokrates/Karpokrates; sie findet sich in der Selbstoffenbarung des Karpokrates aus Chalkis auf Euboea, also in einem kultischen Text. 4 § 91 M a n hat die Angleichung des Adonis an Osiris auch sinnfällig dargestellt. In Syrien wurde das Fest des Adonis am 19. Juli gefeiert, also am Tag des Frühaufgangs des Sirius, dem Termin für das große Nil- und Osirisfest der Ägypter. 5 Am Ende des alexandrinischen Adonisfestes, welches Theokrit schildert, wird eine Puppe des Adonis ins Meer geworfen. 6 Adonis ist ertrunken wie Osiris. Andere Autoren berichten, daß man die Adonisgärten - die Töpfe, in welchen man Samen zu raschem Aufblühen gebracht hatte - ins Meer warf. 7 § 92 N o c h gegen Ende des 4. Jh.s η. Chr. muß es in Rom ein Adonisfest gegeben haben, in welchem der Tod des Gottes theatralisch dargestellt wurde. In einem Gedicht gegen den heidnischen Götterkult entrüstet sich ein Christ:

1

Migne, P. G. 70,440/1 bei der Erklärung von Jesaias 18,2: έπλάττοντο τοίνυν "Ελληνες έορτήν . . . τοιαύτην· προσεποιοϋντο μέν γαρ λυπουμένηι τήι Ά φ ρ ο δ ί τ η ι διά τό τεθνάναι τόν "Αδωνιν συνολοφύρεσθαι και θρηνεΐν· άνελθούσης δέ έξ "Αιδου και μήν και ηΰρήσΟαι λεγούσης τόν ζητούμενον συνήδεσθαι και άνασκιρτάν και μέχρι των καθ' ήμαρ καιρών έν τοις κατ' Άλεξάνδρειαν ίεροΐς έτελεϊτο τό παίγνιον τοΰτο. 2 Vita Isidori ed. Zintzen fr. 174 (p. 147,6) Ήραΐσκος . . . διέγνω τό άρρητον άγαλμα τοϋ Αιώνος υπό του θεοϋ κατεχόμενον . . . "Οσιριν οντα κα'ι "Αδωνιν όμοϋ κατά μυστική ν . . . θεοκρασίαν. 3 Stephanos von Byzanz s. ν. Άμαθους- πόλις Κύπρου άρχαιοτάτη, εν ήι "Αδωνις Ό σ ι ρ ι ς έτιμάτο. 4 Vidman Nr. 88; Μ. Totti, Texte Nr. 6, 10. Karpokrates nennt sich selbst Άσσύριος κυναγέτης. 5 Den Beweis hat F. Cumont geführt (Syria 8, 1927, 330-341 „Les Syriens en Espagne et les Adonies à Seville"). 6 Theokrit 15,132-135 mit den Scholien. 7 Eustathios zu Odyssee 11, 590 (p. 1701,48) κήποι. . . 'Aôcimôoç φυτάρια ταχύ άναθάλλοντα εσω χύτρας . . . και αύτίκα ριπτούμενα κατά θαλάσσης. Adonisgärten in den Brunnen geworfen: Zenobios I 49 έκφέρονται δέ αμα τελευτώντι τωι θεωι και ριπτούνται εις κρήνας. Für die Adonisgärten ist jetzt die bahnbrechende Studie von G. J. Baudy heranzuziehen. Er weist nach, daß diese Beete eine wirtschaftliche Funktion hatten: Sie dienten der Überprüfung, ob die Samen (welche später ausgesät werden sollten) auch wirklich keimfähig seien. Diese Prüfung war seit alter Zeit, vielleicht seit der Einführung des Ackerbaus, an den Frühaufgang des Sirius geknüpft; die Mondmonate waren nicht geeignet, dem Ackerbauer einen einigermaßen exakten Termin zu bieten.

3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis 51 „In den Tempeln wird der schöne junge Adonis beklagt, nackt beweint ihn Venus, der Held M a r s freut sich." 1

Isis und Demeter § 93 Die Ähnlichkeit der Mythen und auch der Riten im Kult von Isis und Demeter ist so evident, daß die Griechen ihre Demeter ohne weiteres mit Isis gleichgesetzt haben. Schon Herodot sagt: „Isis heißt in der griechischen Sprache Demeter." 2 Wie die Mythen vom Suchen der Isis nach Osiris, vom Suchen der Demeter nach Kore-Persephone, und dann wieder vom Auffinden des Osiris und der Persephone gleichlaufen, ist oben dargestellt. Eigens hingewiesen sei auf die Episode von der Unfruchtbarkeit der Erde. Im homerischen Demeterhymnus befiehlt die Göttin in Eleusis den Bau eines Tempels. Dort setzt die trauernde Demeter sich nieder und läßt nichts mehr wachsen: „ D o r t blieb sie sitzen, entfernt von allen Göttern, sich in Sehnsucht nach ihrer tiefgegürteten Tochter a b h ä r m e n d . Sie bewirkte f ü r die Menschen das ärgste und schlimmste J a h r auf der vielernährenden Erde; die Erde ließ keinen Samen aufkeimen, denn die schönbekränzte Demeter hatte ihn verborgen. Die Ochsen zogen viele krumme Pflüge vergebens über die Fluren, und viel weiße Gerste fiel umsonst in die Erde; und nun hätte sie das Geschlecht der sterblichen Menschen gänzlich vernichtet in schrecklichem Hunger und hätte sogar die Bewohner des Olymps der Ehrengaben und der Opfer beraubt, wenn Zeus dies nicht wahrgenommen hätte . . , " 3 Zeus schickt die Götterbotin Iris und dann alle anderen Götter zu Demeter; aber erst als er H a d e s Anweisung gibt, Persephone wieder an die Oberwelt zu senden, läßt die Göttin von ihrem Groll ab. N u n wächst die Frucht wieder auf der Erde. § 94 Die Mysterien von Eleusis galten Demeter als der Göttin des Getreides: Demeter hat den Ackerbau „ e r f u n d e n " . In den Fröschen des Aristophanes f o r d e r t der C h o r f ü h r e r einen Chor eleusinischer Mysten auf (382-383): „Wohlan, rühmt die fruchtbringende Königin, die Göttin Demeter." 4 1 Carmen contra paganos 19-20 (Riese, Anthol. Lat. 4 = Shackleton-Bailey, Anthol. Lat. 3): plangitur in templis iuvenis formonsus Adonis, nuda Venus deflet, gaudet Mavortius heros. 2 II 59,2, ebenso in II 156,5. Vgl. Diodor I 25 und 96 und V 69; Ps. Apollodor, Bibl. II 9. 3 Verse 303-313 ενθα καθεζομένη μακάρων άπο νόσφιν άπάντων μίμνε πόθωι μινύθουσα βαθυζώνοιο θυγατρός. α'ινότατον δ' ένιαυτόν έπίχ-θόνα πουλυβότειραν ποίηα' άνθρώποις και κύντατον, ουδέ τι γαία σπέρμ' άνίει- κρύπτεν γάρ έυ στέφανος Δημήτηρ. πολλά δέ καμπύλ' άροτρα μάτην βόες ειλκον άρούραις, πολλόν δέ κρΐ λευκόν έτώσιον εμπεσε γαίηικαί νύ κε πάμπαν δλεσσε γένος μερόπων ανθρώπων λιμοϋ ύπ' άργαλέης, γεράων δ' έρικυδέα τιμήν καί θυσιών ήμερσεν 'Ολύμπια δώματ' έχοντας, εί μή Ζευς ένόησε (κτλ.). 4 Verse 382-383 άγε νυν . . . τήν καρποφόρον βασίλειαν Δήμητρα θεάν . . . κελαδεΐτε.

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3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis

Mit der Feldfrucht hat sie den Menschen auch das zivilisierte Leben gebracht und die Gesetze gegeben. Sie hieß θεσμοφόρος „Bringerin der Gesetze". 1 Auf dem Höhepunkt der Zeremonien im eleusinischen Demeterkult wurde die heilige Ähre gezeigt, welche Demeter gefunden hatte. 2 Ihr Attribut war der M o h n , der in Getreidefeldern wächst. 3 Dann hat Demeter ihren Schützling, den Eleusinier Triptolemos, auf einem von Schlangen gezogenen Wagen durch die Welt geschickt. Er hat die Menschen den Ackerbau gelehrt. Zur Erinnerung daran wurden in Eleusis die Mysterien der Göttin und ihrer Tochter Kore-Persephone gefeiert. § 95 Während Isis zwar nach dem Tod ihres Gatten zusammen mit ihrer Schwester Nephthys die Totenklage erhebt, dann aber entschlossen handelnd Osiris wieder erweckt und von ihm den Sohn empfängt, wird von Demeter und von Astarte-Aphrodite erzählt, daß sie nach dem Verschwinden der Persephone, nach dem Tod des Adonis sich einer Trauer hingegeben haben, die bald dumpf-brütend und bald wie rasend gewesen sein soll. Von der Trauerwut der Aphrodite ist oben berichtet worden. Von Demeter wird im homerischen Hymnus erzählt, daß sie - noch in Unkenntnis über den Verbleib der Tochter - weder aß noch trank noch sich wusch, sondern suchend das Land durchstreifte: „Danach streifte die Herrin Deo neun Tage über die Erde, in der Hand brennende Fackeln tragend; in ihrer Trauer genoß sie weder Ambrosia noch den süß-zu-trinkenden Nektar, noch wusch sie ihre H a u t . " 4 § 96 Sie blieb den Göttern fern „und entstellte lange Zeit ihre Gestalt". 5 Aber schließlich gelang es, ihre Trauer zu besänftigen und zu lösen. Als sie in Eleusis eingekehrt ist, folgt im homerischen Hymnus eine Episode, welche der Besänftigung der Ereschigal durch den Tänzer im Ischtar-Epos entspricht, s. § 69. Demeter hat sich auf einen einfachen Stuhl gesetzt: „Lange saß sie, stumm trauernd, auf dem Schemel, und wendete sich an niemand, weder mit Worten noch durch eine Handlung, sondern sie saß, ohne zu lachen, ohne Speise oder Trank zu sich zu nehmen, sich in Trauer um ihre tiefgegürtete Tochter abhärmend, so lange, bis die kluge ïambe, mit Scherzreden spottend, den Sinn der Erhabenen, Edlen umwendete, so daß sie lächel-

1 Kallimachos, Demeterhymnus 18 κάλλιον ώς πολίεσσιν έ α δ ό τ α τέθμια δώκεν. Vergil, Aen. IV 58 legtferae Cereri. Licinius Calvus bei Servius zu Aen. IV 58 leges sanctas docuit. 2

Hippolytos, Elenchos V 8,39 (p. 9 6 , 1 2 Wendland).

3 Theokrit 7 , 1 5 7 von Demeter δράγματα και μάκωνας έν άμφοτέραισι,ν εχοισα. 4 Verse 4 7 - 5 0 έννήμαρ μέν επειτα κατά χ θ ό ν α πότνια Δ η ώ στρωφατ' αίθομένας δ α ΐ δ α ς μετά χερσίν έχουσα, ο ύ δ έ ποτ' άμβροσίης και νέκταρος ήδυπότοιο πάσσατ' άκηχεμένη, ούδέ χ ρ ό α βάλλετο λουτροΐς. 5

Vers 94 είδος ά μ α λ δ ύ ν ο υ σ α π ο λ ύ ν χ ρ ό ν ο ν .

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te und lachte und wieder frohen Sinnes wurde; darum hat sie ihr auch später bei den Mysterienfesten gefallen." 1 Aus dem letzten Vers ergibt sich, daß die Scherzreden der lambe zum eleusinischen Ritual gehört haben. Daraus ist wohl zu folgern, daß die ganze Szene der Trauerlösung gespielt worden ist. § 97 In den orphischen Gedichten stand eine Variante zu dieser Szene. Die Dienerin, welche dort Demeter besänftigt, heißt bei Orpheus „Baubo", und sie begnügt sich nicht mit Scherzreden, sondern führt einen lächerlichen Bauchtanz auf. 2

Attis und Kybele; Atys § 98 Hier ist schließlich auch noch eine Variante des Mythos von Attis und Kybele anzuschließen. 3 M a n kann diese alten Mythen weder auf eine einzige, „richtige" Version noch auf eine einheitliche Deutung festlegen, welche durchweg gültig wäre. Es handelt sich ja nicht um einmalige, historische Ereignisse, sondern um Mythen, welche man jeweils in derjenigen Form erzählte, die man als wahr empfand, oder so, wie es die Zuhörer haben wollten, und die in wechselnder Weise nachgespielt worden sind. Die hier folgenden Bemerkungen zum Attis-Mythos sollen also nicht den Schlüssel zu der gesamten Religion um Kybele-Rhea-Magna Mater liefern, sondern nur die eine Seite herausheben, welche in unserem Zusammenhang von Bedeutung ist. Auch Attis ist als ein Gott aufgefaßt worden, der wie das Getreide und alle Feldfrucht stirbt und wiedergeboren wird. Firmicus Maternus sagt in seiner Polemik gegen die heidnischen Kulte, daß die phrygische Göttermutter eine Vertreterin der Erde sei. Die Phryger wollen ihren Mythos so erklären, „daß die Erde die Frucht liebt; und daß Attis eben dasjenige sei, was aus der Frucht geboren wird. Sie sprechen von seinem Tod, wenn die gesammelten Samen aufgespeichert werden, und dann wieder von seinem Leben, wenn die ausgesäten Samen im Wechsel des Jahres wieder geboren werden." 4 1

Verse 1 9 8 - 2 0 5 δηρόν δ' α φ θ ο γ γ ο ς τετιημένη ήστ' έπί δίφρου ουδέ τιν' οΰτ' επεϊ προσπτύσσετο ούτε τι εργωι, άλλ' άγέλαστος άπαστος έδητύος ήδέ ποτήτος ήστο, π ό θ ω ι μινύθουσα βαθυζώνοιο ΰυγατρός, πρίν γ' δτε δή χλεΰηις μιν Ί ά μ β η κέδν' είδυΐα πολλά π α ρ α σ κ ώ π τ ο υ σ ' έτρέψατο πότνιαν άγνήν μειδήσαι γελάσαι τε και ίλαον σχεΐν Ou μόνη δή οί καΐ επειτα μεθύστερον εΰαδεν όργαις. 2 Orpheus fr. 52 Kern = Clemens Alex., Protr. II 21,1 (p. 15,21-16,17 St.). Die Verse wurden besprochen von F. Graf, Eleusis und die orphische Dichtung Athens in vorhellenistischer Zeit (1974) 194-199. 3

Die grundlegenden Werke sind H . Hepding, Attis (1903); H. Graillot, Le culte de Cybèle, mère des dieux (1912); M. J. Vermaseren, Cybele and Attis, the Myth and the Cult (1977); vgl. auch R. Turcan, Les cultes orientaux dans le monde romain (1989) 3 5 - 7 5 und G. Sanders bei M . J. Vermaseren, Die orientalischen Religionen im Römerreich (EPRO 93, 1981) 264-297. 4 De errore profanarum religionum 3: Amare terram volunt (sc. Phryges) fruges, Attiri vero hoc volunt esse quod ex frugibus nascitur . . . Mortem ipsius dicunt, quod semina collecta conduntur, rursus, quod iacta semina annuis vicibus renascuntur.

ipsum vitam

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3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis

In einem gnostischen Hymnus heißt Attis „die abgemähte grüne Ähre". 1 § 99 Wie Adonis, so soll auch Attis von einem Eber getötet worden sein. Das hat der hellenistische Dichter Hermesianax von Kolophon 2 berichtet. 3 § 100 Eine Variante dieses Mythos liest man bei Herodot (I 3 4 - 4 5 ) als Erzählung eines historischen Ereignisses: Der Lyderkönig Kroisos hatte einen Sohn Atys. Als ein wilder Eber das Land verwüstete, zog Atys mit seinen Jägern gegen das Untier aus. Zum Schutz des Sohnes schickte Kroisos den Adrestos mit auf die Jagd, einen phrygischen Königssohn. Als die Jäger den Eber gestellt hatten, schoß Adrestos seinen Speer auf das Tier; aber er verfehlte das Ziel und traf versehentlich den Atys tödlich. - „Die Geschichte von Adrastos und Atys wurzelt im Mythos; der Zusammenhang . . . der Erzählung vom Tode des Atys durch den Eber mit der Attissage ist unverkennbar. Aber im Munde der ionischen Erzähler hat sie den mythischen Charakter abgestreift und ist zu einer Novelle geworden." 4 § 101

Wie beim Tod des Adonis gab es für den Tod des Attis eine homosexuelle Version. 5

§ 102 Wieder eine andere Variante von Kybele und Attis steht bei Diodor (III 5 8 - 5 9 ) . Dort ist Kybele eine Tochter der Maion, des Königs der Phryger und Lyder. Sie verliebte sich in Attis und wurde von ihm schwanger. Ihr Vater war darüber so ergrimmt, daß er Attis töten ließ. Kybele verfiel in rasende Trauer. Mit gelösten Haaren zog sie jammernd und das Tympanon schlagend durch alle Lande. In Phrygien litten alle Menschen an Krankheit, und das Land war unfruchtbar. Man fragte ein Orakel um Rat; auf dessen Geheiß wurde Attis ehrenvoll begraben und Kybele als Göttin verehrt; später erbaute man ihr in Pessinus einen prachtvollen Tempel. Die Analogie zur trauernden Suche der Isis, Aphrodite-Astarte, Demeter ist klar; der Bau des Tempels in Pessinus erinnert an den Bau des Tempels in Eleusis. 1 Naassenerhymnus bei Hippolytos, Elenchos V 9 , 8 (p. 9 9 , 2 1 Wendland) χλοερόν στάχυν άμηθέντα (E. Heitsch, Dichterfragmente S. 1 5 6 / 7 , N r . X L I V 2 ; Th. Wolbergs, Griechische religiöse Gedichte der ersten nachchristlichen Jahrhunderte [ 1 9 7 1 ] S. 8). In einem gegen Ende des 4 . Jh.s n. Chr. Rhea und Attis geweihten Gedicht heißt es: " A r t ε ι θ ' ΰψίστω . . . τω πασιν καιροΐς θεμε[ρώτε]ρα πάντα φύοντι (I. G. urbis R o m a e 1 2 9 ) .

2 J. U. Powell, Collectanea Alexandrina p. 1 0 5 , fr. 8. 3 Pausanias VII 1 7 , 9 - 1 0 Έ ρ μ η σ ι ά ν α κ τ ι . . . τώι τά έλεγεΐα γράψαντι πεποιημένα έστίν ώς υιός τε ήν Καλαοΐ) Φρυγός και ώς ου τεκνοποιός υπό της Μητρός τεχθείη. έπεί δέ ηΰξητο, μετφ-κησεν είς Λυδίαν τώι Έρμησιάνακτος λόγωι, και Λυδοΐς οργιά έτέλει Μητρός ες τοσούτο ήκων παρ' αύτη ι τιμής ώς Δία αύτήι νεμεσήσαντα υν επί τά εργα έπιπέμψαι των Λ υ δ ώ ν . . . και α ϊ τ ό ς "Αττης απέθανε ν άπό τοΰ ύός. Ähnlich im Scholion zu Nikandros, Alexipharmakon 8 (e, p. 3 2 Geymonat) ποιμήν ήν Φρύξ ó "Αττης, ποιμαίνων δέ και ύμνων την Μητέρα των θεών έφιλήθη υπ' αυτής· και δή φαινομένη πολλάκις τιμής αυτόν ήξίωσε. ό Ζ ε ύ ς δ' έπΐ τούτωι δυσανασχετών άνεΐλεν αυτόν ού φανερώς δι' αιδώ τής Μητρός, άλλά σϋν άγριον πέμψας· ή δέ κατολοφυρομένη αυτόν εθαψεν. 4

Ed. Meyer, Forschungen zur Alten Geschichte II ( 1 8 9 9 ) 2 3 9 .

5 Servius auctus zu Vergil, Aen. I X 1 1 5 Attis, puer speciosus, cum Matris Magnae praeesset sacris, a rege civitatis suae adamatus est; sed cum intellegeret vim sibi a rege instare, clam in silvas profugit. cum ergo inventus vim sibi videret inferri, verenda stupratoris abscidit. qui moriens eandem ipsam partem corporis puero abscidit. quem semianimem sub pinu latentem cum invenissent antistites Matris Magnae, perlatum in templum deae frustra conati reficere, defunctum sepelierunt.

3 Isis-Demeter, Osiris-Adonis, Kybele und Attis

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Gespielte Szenen § 103 Es ist wohl deutlich geworden, daß die generelle Ähnlichkeit der hier besprochenen Mythenkreise nicht darauf beruht, daß ihnen ein und derselbe Ablauf der Handlung zugrundeläge. Vielmehr werden innerhalb des vorgegebenen Zusammenhangs mit dem Ackerbau eine Anzahl von Episoden in wechselnder Reihenfolge aneinander gereiht, Episoden, die alle auch gespielt werden konnten: die Suche (als Umzug), der Weg in die Unterwelt mit den Szenen vor dem Tor und vor dem Fürsten (der Fürstin) des Jenseits, die Trauerlösung durch Scherz und Tanz. M a n konnte erzählen und spielen, daß der Hinabgestiegene sich auf den Thron des Unterweltsfürsten setzte oder dies ablehnte, daß er von der Speise der Toten aß oder nicht, den Toten mit dem Wasser des Lebens besprengte, es trank oder auf die Welt zurückbrachte: Immer sind es Spiel-Szenen, welche in anderem M a ß in der Erinnerung des Menschen haften als dies reine Erzählungen tun können. Wir werden noch oft Anlaß haben, auf die gespielten Szenen zurückzukommen.

Erster Teil Die Religion um Isis und Sarapis in griechisch-römischer Zeit

4 Isismythen aus hellenistisch-römischer Zeit

Ί ώ πασικράτει,α και Ί ώ πασιμέδουσα Ί ώ παντροφέουσα Ιο, Allherrin, Ιο, All-Lenkerin, Ιο, All-Ernährerin P. G. M. IV 2774

Herodot über die Religion der Ägypter; Orpheus und Pythagoras § 104 Als Alexander im Jahr 331 Ägypten eroberte, hatten schon seit 300 Jahren Griechen in Ägypten gewohnt, vor allem in Naukratis und Memphis. Die Religion der Ägypter war den Griechen vertraut. Sie haben von jeher die ägyptischen Götter mit ihren griechischen gleichgesetzt - Osiris mit Dionysos, 1 Isis mit Demeter, 2 Horos mit Apollon. 3 Anscheinend hat man Isis auch bereits mit Io identifiziert; jedenfalls sagt Herodot, daß Isis mit Kuhhörnern dargestellt werde, „so wie die Griechen die Io malen". 4 Daß die Kultur der Ägypter älter war als die der Griechen, war offenkundig und ist immer a n e r k a n n t worden. So hat man darüber spekuliert, daß die Mysterien der Demeter (θεσμοφόρια) von den Töchtern des Ägypterkönigs Dañaos nach Griechenland gebracht worden seien; 5 die Mysterien des Dionysos mit der Prozession des Phallos soll Melampus aus Ägypten in Griechenland eingeführt haben. 6 Alle Kunst der Weissagung war von dort gekommen, 7 und die Ägypter haben als erste große religiöse Festversammlungen (πανηγύριες) und Prozessionen veranstaltet.® § 105 Nach Herodot stammen auch die mystischen Lehren der Orphiker und der Dionysosmysten, welche später von den Pythagoreern aufgenommen worden sind, aus Ägypten. 1

Herodot II 42.

2

II 59 und 156.

3

II 144 und 156.

4

II 41 το γάρ της "Ισιος άγαλμα έόν γυναικήι,ον βοΰκερών έστι, κατάπερ "Ελληνες τήν Ί ο ΰ ν γράφουσι. 5

II 171.

6

II 49. Diodor I 97,4. Clemens Alex., Protr. 13,5 (p. 12,13 Stählin).

7

II 54-57.

8

II 58.

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4 Isis-Mythen aus hellenistisch-römischer Zeit

H i e r ü b e r spricht H e r o d o t zunächst anläßlich der T a t s a c h e , d a ß die Ägypter weder in den T e m p e l n n o c h bei der Bestattung wollene Kleider benutzen dürfen und daß dieselbe Regel a u c h für O r p h i k e r und Dionysosmysten gilt. 1 An einer späteren Stelle: „Auch diese Lehre haben die Ägypter als erste v o r g e b r a c h t , d a ß die Seele des M e n s c h e n unsterblich sei; w e n n der K ö r p e r vergehe, gehe sie ein in ein anderes Lebewesen, das gerade geboren wird. W e n n sie a b e r alle L a n d - und Wassertiere und Vögel durchlaufen haben, gehen sie wieder ein in den L e i b eines M e n s c h e n , der geboren wird; und der ganze U m l a u f dauere 3 0 0 0 J a h r e . Diese L e h r e h a b e n auch m a n c h e unter den Griechen benutzt, die einen früher, die anderen später, und sie als ihre eigene ausgegeben; ich kenne ihre N a m e n , schreibe sie a b e r nicht n i e d e r . " 2 Er d e n k t a n Orpheus, M e l a m p u s (der die Dionysosmysterien eingeführt haben soll) und Pythagoras. Es stimmt nicht, daß die Ägypter die Seelenwanderung gelehrt hätten; sie k o m m t in den T a u senden uns bekannten ägyptischen T e x t e n niemals vor. Vielleicht hat die ägyptische Lehre, d a ß die Gottheit in den heiligen Tieren W o h n u n g nehme, zu dieser Gleichsetzung mit griechischen Vorstellungen geführt. Aber wenn die Behauptung, die Ägypter hätten die Seelenwanderungslehre g e k a n n t , auch historisch nicht zutrifft - für die Betrachtung der griechisch-ägyptischen R e l i g i o n müssen wir mit dieser T h e s e rechnen, denn sie ist in hellenistisch-römischer Z e i t als offenbare T a t s a c h e angesehen worden. Aus den vielen Berichten von der Herkunft griechischer religiöser Vorstellungen aus Ägypten hat H e r o d o t zusammenfassend den Schluß gezogen, daß fast alle als Personen vorgestellten G ö t t e r 3 aus Ägypten nach Griechenland g e k o m m e n seien; die Pelasger, die vor den Hellenen in Griechenland w o h n t e n , hätten zwar allgemein die „ G ö t t e r " verehrt, aber die Differenzierung in charakteristische, mit N a m e n bezeichnete göttliche Figuren sei erst von den Griechen aus Ägypten ü b e r n o m m e n worden.

Isis und Demeter gleichgesetzt; eleusinische Priester in Alexandria § 1 0 6 Dreihundert J a h r e ist Ägypten von der mazedonisch-griechischen Dynastie der Ptolemäer regiert w o r d e n . Griechen w a r e n die im L a n d e herrschende Schicht. Sie h a b e n in der ihnen natürlichen W e i s e die G ö t t e r des Landes mit den ihnen vertrauten griechischen G ö t t e r n gleichgesetzt.

1 II 81 ού μέντοι ες γε τά Ιρά έσφέρεται είρίνεα ουδέ συγκαταθάπτεταί σφι· ού γαρ οσιον. όμολογέει δέ ταύτα τοΐσι Όρφικοίσι καλεομένοισι και Βακχικοΐσι, έοϋσι δέ Αίγυπτίοισι και Πυθαγορείοισι· ούδέ γάρ τούτων των οργίων μετέχοντα οσιόν έστι εν εΐρινέοισι εΐμασι θαφθηναι. 2 I I 123 πρώτοι δέ και τόνδε τον λόγον Αιγύπτιοι είσι ο'ι είπόντες, ώς ανθρώπου ψυχή αθάνατος έστι, του σώματος δέ καταφθίνοντος ές άλλο ζώιον άεί γινόμενον έσδύεται- έπεάν δέ πάντα περιέλθηι τά χερσαία και τά θαλάσσια και τά πετεινά, αύτις ές άνθρώπου σώμα γινόμενον έσδύνειν, την περιήλυσιν δέ αύτήι γίνεσθαι εν τρισχιλίοισι ετεσι. τούτωι τώι λόγωι είσί οϊ Ελλήνων έχρήσαντο, οί μέν πρότερον, οί δέ ύστερον, ώς ίδίωι έωυτών έόντι- τών έγώ είδώς τά ούνόματα ού γράφω. Diodor I 98,2 Πυθαγόραν... τήν εις πάν ζώον της ψυχής μεταβολήν μαθείν παρ' Αιγυπτίων. 3 II 50,1 σχεδόν δέ και πάντων τά ούνόματα τών θεών έξ Αιγύπτου έλήλυθε ές τήν Ελλάδα „die Personen so ziemlich aller Götter sind aus Ägypten nach Griechenland gekommen". Vgl. auch II 52. Durch die Benennung erfolgt die Differenzierung in Personen; s. W. Burkert, Mus. Helv. 42, 1985, 1 2 1 132 („Herodot über die Namen der Götter").

4 Isismythen aus hellenistisch-römischer Zeit

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Die Identität von Isis und Demeter ist immer selbstverständlich gewesen. Die Ägypter hatten zwar auch eine besondere Erntegöttin, Renenutet-Terenuthis; 1 aber diese stand in enger Verbindung zu Isis. Es gibt viele Darstellungen der Isis-Demeter. Als Beispiel sei angeführt die Statuette in Berlin Abb. 92. Auf einer Reliefgruppe in Rom (Abb. 138) sind sowohl Isis als auch Demeter neben Sarapis und Harpokrates dargestellt, also Isis selbzweit. Als Ptolemaios Soter (323-283) seine neue Hauptstadt Alexandria zu einem zweiten Athen ausbaute, berief er auch einen angesehenen eleusinischen Priester, Timotheos, nach Ägypten. 2 Eine Vorstadt erhielt den Namen Eleusis, und man feierte dort ein Fest „Eleusinia", 3 ein Demeterfest. § 107 Indem man Isis mit Demeter gleichsetzte, übertrug man auch die Mythen der Demeter auf Isis. So erhielt Isis Züge der eleusinischen Göttin. In mehreren Tempeln ist ein Text gefunden worden, den man „Selbstoffenbarung der Isis" nennen kann. Dort sagt die Göttin: „Ich bin es, welche für die Menschen die Frucht gefunden hat." 4 Die Isis aus Theadelphia hält in der rechten Hand die Getreideähre und Mohn, die Wahrzeichen der Demeter (Abb. 88). Auf dem Relieffragment in Rom (Abb. 93) steht Isis in einem Getreidefeld und schneidet eine Ähre, auf einem anderen (Abb. 94) schreitet sie mit erhobener Hand auf eine Getreidepflanze zu. § 108 In einem Brief, den ein Leon von Pella an Alexander den Großen geschrieben haben soll, hieß es, daß Isis als Erste die Getreideähren gefunden und sich den Ährenkranz - charakteristisches Attribut der Demeter - auf das Haupt gesetzt habe.-5 In der Selbstoffenbarung spricht die Göttin: „Ich bin es, die den Namen .Bringerin der Gesetze' (θεσμοφόρος) trägt." 6 Damit hat Isis den berühmtesten Titel der eleusinischen Göttin übernommen.

1 Vgl. die Hymnen des Isidoros von Narmuthis an Hermuthis-Renenutet-Isis. Für die Editionen s. das Abkürzungsverzeichnis unter Isidoros. 2

Tacitus, Hist. IV 83,2 (Ftolemaeus) Timotheum Atheniensem e gente Eumolpidarum, quem ut antistitem caerimoniarum Eleusine exciverat (etc.). Plutarch, De Iside 28 nennt Timotheos einen εξηγητής. Dies ist ein eleusinischer Priestertitel. 3

Satyros im Pap. Oxy. 2465, fr. 3, col. II. Vgl. P. M. Fraser, Alex. I 200 und II 338 (Anm. 85).

4

In Zeile 7 des Textes, s. Kap. 9. Vgl. Diodor I 14, 1 εΰρούσης . . . Τσιδος τόν τε του πυροϋ και της κριθής καρπόν, φυόμενον μέν ώς ετυχε κατά την χώραν μετά της άλλης βοτάνης, άγνοούμενον δέ υπό των ανθρώπων. Isidoros von Narmuthis II 3 ζωής (Lebensunterhalt) και καρπών εύρέτρια. 5 6

Tertullian, De corona militis 7 = F. Jacoby, F. gr. Hist. 659 F 8.

In Zeile 52, s. Kap. 9. Vgl. Diodor 1 1 4 , 3 - 4 θείναι δέ φασι και νόμους τήν ΤΙσιν, καθ' ους άλλήλοις διδόναι τούς ανθρώπους τό δίκαιον και της άθέσμου βίας καί ύβρεως παύσασθαι διά τον ά π ό της τιμωρίας φόβον· διό καί τοίις παλαιούς "Ελληνας τήν Δήμητραν θεσμοφόρον όνομάζειν, ώς των νόμων πρώτον ύπό ταύτης τεθειμένων. In dem Enkomion von Maroneia wird ausdrücklich gesagt, daß θεσμός das alte Wort für ν ό μ ο ς sei (S. E. G. 26, 821 = M. Totti, Texte Nr. 19, Zeile 29 σύ νόμους εδωκας· θεσμοί δ' έκαλοϋντο καταπρωτάς).

62

4 Isis-Mythen aus hellenistisch-römischer Zeit D e r Dichter Isidoros von Narmuthis rühmt sie als „oberste Demeter, gesetzesbringende Isis"

(Hymnus IV 4 ) und redet sie als Isis-Demeter an (I 3 - 8 ) : Δ η ο ΐ υψίστη, ζ ω ή ς ε ύ ρ έ τ ρ ι α π ά σ η ς , π α ν τ ο ί ω ν έ ρ γ ω ν έ μ έ λ η σ έ σοι, ο φ ρ ' ά ν α δ ο ί η ς ά ν θ ρ ω π ο ισι βίον τ ε και εύνομίην τ ε απασι κ α ι θ ε σ μ ο ύ ς κ α τ έ δ ε ι ξ α ς , ιν' εύδικίη τις ΰπάρχη· κ α ι τ έ χ ν α ς ά ν έ δ ω κ α ς , ιν' ε ύ σ χ η μ ω ν βίος εϊη· κ α ι π ά ν τ ω ν τ ε φύσιν ε ΰ α ν θ έ α ε ϋ ρ ε ο κ α ρ π ώ ν . „ O b e r s t e D e m e t e r , Finderin jeglichen Lebensunterhalts, um vielerlei Berufe hast du dich gek ü m m e r t , um allen M e n s c h e n Lebensunterhalt und Wohlgesetzlichkeit zu verschaffen; du hast auch die Gesetze gegeben, damit Gerechtigkeit sei; du hast auch die Künste gegeben, damit das L e b e n in schöner F o r m verlaufe; und du hast die schön blühende N a t u r aller Früchte gefunden." N o c h a m Ende der römischen W e l t , im F o r u m H a d r i a n i ( V o o r b u r g in H o l l a n d ) , hieß Isis „die fruchtbringende" ( f r u g i f e r J . 1

Die „guten Hoffnungen"; der Hafen der Seligen § 1 0 9 W e r in die eleusinischen Mysterien eingeweiht w a r , der hatte „gute H o f f n u n g e n " ( ά γ α θ α ί ε λ π ί δ ε ς ) nicht nur für das Leben auf Erden, sondern auch im Jenseits. 2 D a r u m sollte er „ f r o h e n M u t e s s e i n " ( ε ύ θ υ μ ε ΐ ν ) . Beide Redewendungen sind in das V o k a b u l a r der V e r e h r e r von Isis und Sarapis eingegangen. 3 § 1 1 0 In einem Epigramm aus Bithynien gibt ein T o t e r der H o f f n u n g Ausdruck, d a ß er als Isismyste nicht zum H a d e s hinabsteigen wird; denn er hat für den Isistempel das Bett gezimm e r t , a u f w e l c h e m die Z e r e m o n i e der E r w e c k u n g des Osiris zelebriert w o r d e n ist, und bei seiner Bestattung haben die Isiaci mit lautem Z u r u f entschieden, daß er unter die Seligen aufgen o m m e n werden soll: 4 ο ύ δ ν ο φ ε ρ ά ν Ά χ έ ρ ο ν τ ο ς εβαν ν ε κ υ ο σ τ ό λ ο ν οιμον Μ η ν ι κ έ τ η ς , μ α κ ά ρ ω ν δ ' ε δ ρ α μ ο ν εις λιμένας· 1

Vidman 724; vgl. 379 (Rom).

Isokrates, Paneg. 28 Δήμητρος . . . δ crû σης δωρεάς διττάς . . . τοΰς τε καρπούς . . . καίτήν τελετήν, ής οί μετάσχοντες περί τε της του βίου τελευτης καί τού σύμπαντος αίώνος ήδίους τάς ελπίδας εχουσιν. Cicero, De legibus II 36 (über die eleusinischen Mysterien) neque solum cum laetitia vivendi rationem accepimus, sed etiam cum spe meliore moriendi. 2

3 Vgl. die Vita Aesopi 8 (in einer Isis-Aretalogie) χρηστάς έλπίδας. Hermes Trismegistos, Κόρη κόσμου 56 (Isis spricht; Anrede an den Weltschöpfer) πλήρωσον καλών έλπίδων πάντα. Appuleius, Met. XI 21,3 spei melioris solaciis. Pap. Oxy. 1 0 7 0 , 8 - 1 2 (Privatbrief aus Alexandria) τον μέγαν θεόν Σάραπιν παρακαλώ π ε ρ ί . . . τών χρηστών έλπίδων τών έν άνθρώποισι νενομισμένων. - Isidoros von Narmuthis (II 34) εύθυμίαν. Inschrift aus Rom bei Vidman 390 attimo bono sis (Lesung nach R. Volpe, EPRO 92, 1982, 147; in „La soteriologia dei culti orientali"). 4

I. Κ. 40, 1028 (Th. Corsten).

4 Isismythen aus hellenistisch-römischer Zeit

63

δέμνια γάρ λινόπεπλα θεάς άρρητα βεβήλοις Αιγύπτου τραφεροΐς δώμασιν ά ρ μ ο σ ά μ α ν τιμήεις δέ βροτοΐσι θανών, ξένε, τάν έπίσαμον φάμαν Ίσιακων μάρτυρ' έ π ε σ π α σ ά μ α ν (κτλ.) „Ich, Meniketes, bin nicht auf dem dunklen Pfad der Toten zum Acheron gegangen, sondern in die Häfen der Seligen eingelaufen; denn ich habe das mit Leinen bedeckte Bett der Göttin, von dem die Ungeweihten gar nicht sprechen dürfen, in dem festen Gebäude des ägyptischen Kultes zusammengefügt. In Ehren, Fremder, bin ich gestorben und habe den auszeichnenden Zuruf der Isisdiener als Zeugnis mit mir genommen." 1

Auch die ägyptischen Priester betonen die Priorität der ägyptischen Religion; Triptolemos § 111 Wenn Herodot darüber spekuliert hatte, daß die Verehrung der Götter wohl aus Ägypten nach Griechenland eingeführt worden sei, so haben die ägyptischen Priester in hellenistischer Zeit diese Vorstellung bereitwillig aufgegriffen. 2 Der attische Urkönig Erechtheus sei ein Ägypter gewesen. Als in Griechenland und der übrigen Welt katastrophale Dürre herrschte, war Ägypten, vom Nil bewässert, außer Gefahr. Damals sei Erechtheus zu Schiff mit einer großen Getreideladung nach Athen gekommen. Die dankbaren Athener hätten ihn zum König gewählt, und er habe mit dem Getreide auch dessen Göttin, Isis-Demeter, nach Griechenland gebracht. Damals wurden die eleusinischen Mysterien eingeführt, und dies sei der Grund, warum der Kult der Göttin in Ägypten und Athen identisch sei. Das eleusinische Priestergeschlecht der Eumolpiden sei von den ägyptischen Priestern abgeleitet, das Geschlecht der Kerykes („Herolde") stamme von dem ägyptischen Kleros zweiter Klasse, den Pastophoren ( „ Schreinträgern" ). § 112 Auch den eleusinischen Kulturheros Triptolemos hat man zu einem Ägypter gemacht. Nach den attischen Traditionen hatte er von Demeter gelernt, wie man Getreide anbaut, und Demeter hatte ihn auf einem von Schlangen gezogenen Wagen ausgeschickt, um alle Menschen die neue Kunst zu lehren. So ist Triptolemos über die ganze Erde gefahren und hat allen den Ackerbau gebracht. Aber die ägyptischen Priester haben gelehrt, Triptolemos sei ein Ägypter gewesen, und es sei Isis, die ihn ausgesandt habe.·' In einer Prachtrede, welche in Maroneia 4 gehalten wurde und teilweise auf Stein erhalten ist, wird Isis gepriesen: „Als deinen Wohnsitz liebtest du am meisten Ägypten. In Griechenland erwiesest du Athen die größten Ehren, denn dort hast du zum erstenmal die Feldfrucht gezeigt; aber Triptolemos hat deine heiligen Schlan-

1

Das in den Versen 5 - 6 genannte Zeugnis der Isiaci bezieht sich auf die Rechtfertigungszeremonie vor der Bestattung, s. § 48. 2

Das Folgende nach Diodor I 2 9 , der Zweifel an diesen Erzählungen der ägyptischen Priester anmeldet.

3

Diodor 1 1 8 , 2 und 20,3.

4

Der Ort liegt an der Nordküste des ägäischen Meeres und wurde zeitweise von den Ptolemäern beherrscht.

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4 Isis-Mythen aus hellenistisch-römischer Zeit

gen angespannt und auf dem Wagen fahrend den Samen an alle Griechen verteilt. Deshalb wollen wir von Griechenland vor allem Athen sehen, von Athen aber E l e u s i s . . , " 1 Auf den Münzen von Alexandria wird die Fahrt des jugendlichen Heros abgebildet und als zivilisatorische G r o ß t a t gefeiert, die er im Auftrag der Isis-Demeter vollbracht hat (Abb. 235/236).

Demeter sucht Kore-Persephone; Fahrt der Isis nach Byblos § 1 1 3 V o n der typologischen Verwandtschaft der Isis- mit den Demeter-Mythen war oben die Rede. In der griechisch-römischen Zeit Ägyptens hat man die Parallelen zwischen den Mythen betont. Wir müssen hier nochmals auf den eleusinischen Mythos zurückkommen, wie er im homerischen Demeterhymnus erzählt wird: Als Pluton Kore entführt hatte, suchte Demeter ihr Kind über die ganze Erde hin; in schwerem Groll ließ sie alle Pflanzen verdorren. Sie kam schließlich nach Eleusis und setzte sich dort in Gestalt eines alten Weibes trauernd bei einem Brunnen nieder. Da kamen die Töchter des Königs und sprachen freundlich mit ihr. Demeter bot an, sie könne im Haus des Königs, falls es bei ihnen ein kleines Kind gebe, den Dienst einer Amme versehen. Die Königin hatte vor kurzem einen Sohn geboren und übertrug Demeter den Dienst. Die schön duftende Göttin übernahm das Kind und nährte es in wundersamer Weise, so daß es herrlich gedieh; nachts legte sie den Knaben ohne Wissen der Mutter in ein wunderbares Feuer 2 , um ihn so zur Unsterblichkeit zu läutern. Leider bemerkte die Mutter schließlich, was die Amme tat, schrie laut auf und unterbrach die Feuerzeremonie. D a gab sich Demeter zu erkennen. Unsterblich konnte das Kind nun nicht mehr werden, aber die Herrscher von Eleusis sollten der Göttin einen Tempel bauen und zur Erinnerung an ihren Aufenthalt ein jährliches Fest feiern: die eleusinischen Mysterien. Schließlich erfuhr Demeter, wer die T o c h t e r geraubt hatte, und erreichte von Göttervater Zeus, daß Pluton seine Gattin für einen Teil des Jahres wieder an die Oberwelt entließ. Demeter hatte ihre Tochter wieder: Jetzt blühte die Natur wieder auf, jetzt wuchs das Getreide. § 1 1 4 M a n vergleiche nun damit, was Plutarch über den Aufenthalt der Isis in Byblos erzählt (De Iside 1 5 - 1 6 ) : Seth-Typhon hatte Osiris in den Sarg gesperrt und in den Nil geworfen; der Sarg schwamm durch die tanitische Nilmündung ins M e e r und wurde an die phönizische Küste bei Byblos getragen. Isis erfuhr durch die Fama (φήμη, das Gerücht), w o sich der Sarg befand, und fuhr zu Schiff nach Byblos. Der Sarg war dort beim Schößling einer Zeder gelandet, die in kurzer Zeit den Sarg überwuchs, so daß sich ein kräftiger Stamm um den Sarg bildete. Der König ließ ihn fällen und nutzte ihn als den tragenden Balken seines Königsge1 S. E. G. 2 6 , 8 2 1 ; M . Totti, Texte Nr. 1 9 : σοι προς κατοίκησιν Αίγυπτος έστέρχΰη- σύ μάλιστα της Ε λ λ ά δ ο ς έτίμησας τάς 'Αθήνας· κεΐθι γαρ πρώτον τούς καρπούς έξέφηνας· Τριπτόλεμος δέ τ ο ύ ς Ιερούς δράκοντάς σου κ α τ α ζ ε ΰ ξ α ς άρματοφοροΰμενος εις πάντας " Ε λ λ η ν α ς διέδωκε τ ό σπέρμα· τοιγαροϋν της μέν ' Ε λ λ ά δ ο ς ίδεΐν σ π ε ΰ δ ο μ ε ν τ ά ς ' Α θ ή ν α ς , των δ' ' Α θ η ν ώ ν ' Ε λ ε υ σ ί ν α κ τ λ . E r w ä h n t sei auch das merkwürdige Papyrusfragment mit Triptolemos als Totenrichter, welches im Pap. Antinoopolis 1 8 erhalten ist. Vgl. A. Delatte, Bulletin de la Classe des Lettres de l'Académie Royale Belgique V 3 7 ( 1 9 5 2 ) 194ff.; M . P. Nilsson, Opuscula Selecta III 3 2 6 - 8 ; M . Totti, Texte Nr. 65. 2 Dies bezieht sich auf ein heiliges Feuer und Licht, welches in Eleusis im Z e n t r u m der Riten stand. Kein Uneingeweihter darf zusehen, sonst wird der Zweck, eine Art Unsterblich-Werden, vereitelt.

4 Isismythen aus hellenistisch-römischer Zeit

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machs. 1 Als Isis in Byblos anlangte, setzte sie sich trauernd neben einem Brunnen nieder. Da kamen die Dienerinnen der Königin und sprachen freundlich mit der Göttin, die einen wunderbaren Wohlgeruch ausströmte. Als die Königin die Fremde sah, faßte sie Zuneigung zu ihr und machte sie zur Amme ihres Sohnes. Isis nährte den Knaben in wundersamer Weise, indem sie ihren Finger in den Mund des Knaben legte, und läuterte nachts mit einem Feuer die Sterblichkeit aus dem Kind. Aber schließlich bemerkte die Königin dies, schrie entsetzt auf und verhinderte, daß der Knabe unsterblich wurde. Jetzt gab sich Isis zu erkennen und forderte von der Königin den Pfeiler des Königsgemachs. Sie erhielt ihn, nahm die seitlichen Schößlinge ab und ließ sie als Reliquie in Byblos, wo sie später gezeigt wurden. M i t dem Sarg reiste Isis ab; sobald sie allein war, öffnete sie ihn und küßte den toten Gatten. Hier bricht Plutarch ab; es ist klar, daß die Totenhochzeit folgte. In Plutarchs Erzählung von der Reise der Isis nach Byblos sind Episoden des Demeter- und des Isis-Mythos miteinander kombiniert. M a n empfand die Göttinnen als miteinander identisch.

Isis sucht H a r p o k r a t e s und erfindet die Seefahrt § 1 1 5 Es gab eine Variante des Mythos, nach der Isis nach Byblos gefahren ist, um den Sohn Harpokrates zu suchen. Auf der Fahrt erfand sie das Segel. Der Mythograph Hyginus erzählt (Fabulae 2 7 7 ) :

Velificia primum invertit Isis; nam dum quaerit Harpocratem vit.

filium suum, rate

velifica-

„Das Segel hat Isis zuerst erfunden, denn als sie ihren Sohn Harpokrates 2 suchte, hat sie auf dem Boot ein Segel aufgespannt". Eine hübsche Variante findet sich bei Casiodorus, dem Sekretär Theoderichs (Variae V 1 7 , 4 ) :

Velum Isis rati prima suspendit, cum per maria Harpocrân pietate perquireret.

filium suum audaci

femina

„Isis hat als erste auf dem Boot ein Segel befestigt, als sie - eine Frau - in kühner Mutterliebe 3 ihren Sohn Harpokräs suchte." Die Erfinderin des Segels war auf vielen Werken der bildenden Kunst dargestellt. Die Schiffe haben niemals einen Mastbaum. Isis steht anstelle des Mastes auf dem Schiff; sie ist mit einem Fuß auf das untere Ende des Segels getreten, um es festzuhalten, und hält mit den Armen das

1 Dies spielt an auf ein Osirisfest, die Aufrichtung des Djed-Pfeilers. Vgl. § 2 1 - 2 2 . Isis hat ihren toten Sohn H o r o s wieder belebt und unsterblich gemacht, s. Diodor I 2 5 , 6 εΰρείν δ' αυτήν και τό της αθανασίας φάρμακον, δι' ου τόν υίόν Τ Ωρον, υπό των Τιτάνων έπιβουλευθέντα και νεκρόν ευρεθέντα καθ' ύδατος, μή μόνον άναστήσαι δοϋσαν την ψυχήν, αλλά και της αθανασίας ποιήσαι μεταλαβεΐν. Minucius Felix, Octavius 2 2 Isis perditum filium cum cynocéphale suo et calvis sacerdotibus luget plangit inquirit. Arnobius I 3 6 (p. 3 1 , 4 Marchesi) Isis furva maerens perditum filium. Wir kommen auf diese Variante des Mythos in § 1 2 1 zurück. 2

3

M a n gestatte diese Übersetzung des Wortes pietas.

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4 Isis-Mythen aus hellenistisch-römischer Zeit

sich blähende Tuch, s. das Relief aus Delos und die Lampe aus Athen (Abb. 1 0 0 - 1 0 1 J 1 sowie die Münzen aus Alexandria und Kyme (Abb. 2 2 7 - 2 2 9 und 2 4 0 - 2 4 1 ) .

Isis Pelagia (Herrin des Meeres) § 116 Solange Isis nur eine Göttin der Ägypter war, fuhr sie nicht zur See. Erst die Griechen zu Alexandria - das auf das Meer hinaus blickte und zurück ins Binnenland - machten Isis zur Göttin des Meeres (πελαγία). 2 Auch in ihrer Selbstoffenbarung rühmt sie sich ihrer M a c h t über das Meer. 3 Im Hymnus von der Insel Andros spricht Isis: 4 π ρ ά τ α δ' έπί σέλματι δ ο ύ ρ ω ν κ ο λ π ω τ ά ν όθόναισι θ ο ά ν τρόπιν ίθύνεσκον οιδμα κ α θ ι π π ε ύ ο ι σ α , δ α μ α ζ ο μ έ ν α ς δέ ϋαλάσσας ώ κ υ π ό ρ ο ι ς έλάταις έλικάν εστασε χορείαν Δ ω ρ ί δ ο ς εΰλοχία, περιπάλλετο δ' έν φρεσί Φάμβος είρεσίαν ά δ ά η τ ο ν ετ' δ ϋ μ α σ ι παπταινοίσαις „als erste habe ich auf dem hölzernen Verdeck den schnellen Kiel des Schiffes, dessen Leinensegel gebauscht wird, gelenkt, indem ich über die Meeresflut hinwegritt; als das Meer von den es schnell durchfahrenden Rudern bezwungen wurde, führten die schönen Kinder der Doris 5 einen Reigentanz auf; Staunen ließ ihr Herz heftig schlagen, als sie mit ihren Augen die R u d e r f a h r t sahen, die ihnen vorher unbekannt w a r . " Als Isis-Tyche (s. § 171) hält die Göttin in der rechten H a n d das Steuerruder, s. Abb. 67, 95, 96 und 98. Auf Abb. 99 = Farbtafel VII und Abb. 230 lehnt das Steuerruder an ihrem rechten Fuß. Eine Isis Pelagia aus Elfenbein in spätägyptischem Stil ist bis an die Kanzel des D o m s zu Aachen gelangt (Abb. 102).

Isis Pharia, Soteira (Retterin), Euploia (gute Fahrt) § 117 Der Heimathafen der ägyptischen Hochseeschiffe war Alexandria mit seinem riesigen Leuchtturm, dem Pharos, der den Schiffen den Weg der glücklichen Heimkehr wies. Auf vielen

1

Für Darstellungen der Isis Pelagia s. Ph. Bruneau, B. C. H. 85 (1961) 4 3 5 ^ 1 4 6 ; 8 7 (1963) 3 0 1 - 3 0 8 ; 98 (1974) 3 3 2 - 3 8 1 ; 1 0 2 (1978) 1 5 2 - 1 6 1 ; V. Tran Tarn Tinh, L. I. M . C. s. v. Isis, Nr. 2 6 9 - 2 9 7 ; Klara Póczy, Ein Isis-Relief aus Aquincum, 2. Internationales Kolloquium über Probleme des provinzialrömischen Kunstschaffens (Veszprem 1991) 2 4 5 - 2 5 6 . Die Seefahrt der Isis ist auch auf einem Fresko im pompeianischen Isisheiligtum dargestellt (Abb. 26). 2 Vidman 2 5 9 (Mytilene); 2 7 4 (lasos; = I. Κ. 28, 2 4 1 [W. Blümel]); 3 9 6 (Rom); 7 6 4 (Saguntum); mehr bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie 2 2 6 - 2 2 7 und 2 3 3 - 2 3 4 (Anm. 30). 3

In den Zeilen 15, 39, 4 3 und 49; s. unten in Kap. 9.

4

W. Peek, Der Isishymnus von Andros (1930) Nr. 1, Verse 1 5 2 - 1 5 7 ; M . Totti, Texte Nr. 2.

5

Tochter des Okeanos, Gattin des Nereus, Mutter der Nereiden (der Meermädchen).

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alexandrinischen Münzen, ζ. B. in Abb. 227-228, fährt die heimkehrende Isis auf den Pharos zu, d. h. auf den Hafen von Alexandria, und „Pharia" ist ein häufiger Beiname der Göttin.1 Isidoros von Narmuthis dichtet (I 32-34): και όσοι έμ πελάγει μεγάλωι χειμώνι πλέουσι άνδρών όλλυ μένων νηών κατά άγνυμενάων, σώζονθ' ούτοι άπαντες έπευξάμενοι σε παρεΐναι.2 „Diejenigen, welche bei schwerem Sturm zur See fahren, wenn die Schiffe zerbersten und die Männer zugrundegehen, sie alle werden gerettet, wenn sie darum gebetet haben, daß du (Isis) kommst und beistehst." Die aus der Gefahr Geretteten haben dann Isis als Retterin (σώτειρα) verehrt.3 § 118 Manch einer hat zum Dank ein Votivgemälde im Tempel der Göttin aufgehängt, eine votiva tabella; „ein jeder weiß ja, daß die Maler von Isis ernährt werden", bemerkt Juvenal, 4 und sein Scholiast erklärt: Antiquitus enim solebant templo Isidis ponere.

qui naufragio

liberati essent pro voto pingere tabellas

et in

„Früher5 haben diejenigen, welche aus dem Schiffbruch gerettet worden waren, auf Grund ihres Gelübdes ein Bild malen lassen und es im Tempel der Isis aufgehängt." § 119 Ein anderer Beiname der Göttin ist Euploia.6 Auf der Schiffslampe aus Puteoli Abb. 213 ist das Paar Isis-Sarapis und ein Dioskur abgebildet; darunter steht „Gute Fahrt" (εΰπλοια).

Der Io-Mythos § 120 Neben der Gleichung Isis = Demeter ist noch eine zweite Gleichung oft belegt, die mit Io, 7 „denn das Standbild der Isis als einer Frau trägt Kuhhörner, ganz so wie die Griechen die

1 Vidman 403 = G. Sacco, Iscr. di Porto 9; Minucius Felix 21,1 Phariae Isidis; Carmen contra paganos (Α. Riese, Anthol. Lat. 4 = D. R. Shackleton-Bailey Nr. 3) 99 sistriferam Phariam; mehr bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie 2 2 8 - 2 2 9 und 234 (Anm. 32). 2 Die παρουσία, das hilfreiche Erscheinen der Göttin. 3

31).

Vidman 179 (Rhodos), 247 (Kos); mehr bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie 2 2 6 - 2 2 7 und 234 (Anm.

4

Sat. 12,28 pictores quis nescit ab Iside pasci?

5

Als das Christentum noch nicht die herrschende Religion war.

6 Roussel 147 und 194 = I. Délos 2153 und 2132. Vgl. V. Tran Tarn Tinh, Campanie 2 2 2 - 2 2 3 und N. Sandberg, ΕΥΠΛΟΙΑ, Diss. Göteborg 1954. 7 Kallimachos, Epigramm 57 Ίναχίης . . . "Ισιδος; Diodor I 24,8; E. Bernand, Inscr. Philae II Nr. 158 I 2; Properz II 2 8 , 1 7 - 8 und II 3 3 , 1 - 2 0 ; Statius, Silvae III 2 , 1 0 1 - 1 0 2 ; Juvenal 6,526; Lukian, Dialogi deorum 7 (früher 3); Hyginus, Fabulae 145; Eusebios, Praep. ev. II 1,28 (p. 6 2 , 9 - 1 2 Mras); X 9,20 (p. 589,19); X 12,21-22 (p. 605,6-8); s. weiter V. Tran Tarn Tinh, Campanie 216/7; R. I. Hicks, Transactions Am. Philol. Assoc. 9 3 , 1 9 6 2 , 93-97.

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Io malen". 1 Nach dem griechischen Mythos, der schon in den Katalogen des Hesiod - also im 7. Jahrhundert v. Chr. - belegt ist, stammten die Brüder Aigyptos und Dañaos von Io ab; Dañaos war Ahnherr der Griechen in der Peloponnes. Die Geschichte der Io ist im Isistempel von Pompei gemalt (Abb. 2 0 - 2 1 = Farbtafeln II-III): Der Göttervater Zeus verliebte sich in Io, eine junge Priesterin der Hera, in der Stadt Argos. Als das Mädchen allein vor den Toren war, überraschte er sie und gewann ihre Gunst. Aber die Gattin Hera, durch viele Erfahrungen mißtrauisch geworden, spürte hinter dem Ehemann her, und fast hätte sie ihn ertappt; gerade noch rechtzeitig witterte Zeus den göttlichen Duft und verwandelte das Mädchen in eine Kuh. So traf Hera ihren Mann mit der Kuh an und fragte, wo denn das Mädchen sei, dem er schön tue? Zeus antwortete, hier sei niemals eine andere Person als diese Kuh gewesen. Wenn sie ihm das glauben solle, antwortete Hera, möge er ihr doch diese Kuh schenken. Da blieb dem Göttervater nichts übrig, als dies zu tun. Hera besorgte sich nun einen Hirten, der den Namen Argos trug. Er hatte tausend Augen. Hera trug ihm auf, die Kuh sorgfältig zu bewachen. Zeus wollte die Geliebte befreien und rief seinen listigen Sohn Hermes zu Hilfe. Hermes machte sich an Argos heran, spielte ihm auf einer Syrinx (Hirtenflöte) vor und bot ihm die Flöte zum Geschenk an. M a n sieht die Szene auf Fresken aus dem Isistempel zu Pompei, der Casa del Citarista und dem sogenannten Haus der Livia in Rom (Abb. 20, 63 und 64). Argos war mißtrauisch und wollte das Geschenk nicht annehmen. Hermes erzählte dem Wächter nun eine lange Geschichte: Mit diesem Instrument habe es eine besondere Bewandtnis. Die Syrinx sei früher ein Mädchen gewesen, in welches sich Pan verliebt habe, aber sie wollte von dem bocksfüßigen Dämon nichts wissen. Auf vielerlei Weise habe Pan versucht, sie zu fangen, erzählte Hermes so ausführlich er nur konnte, bis Argos von der eintönigen Erzählung eingeschlafen war. Da schlug ihm Hermes den Kopf ab. Hera hatte Mitleid mit Argos und verwandelte ihn in den Argus-Pfau, der so viele Augen auf den Schwanzfedern trägt. Aber die Leiden der Io waren noch nicht beendet. Hera schickte eine Kuhbremse (κώνωψ), die stach, und die Ιο-Kuh lief verzweifelt davon. Die Bremse folgte und stach; die Kuh lief weiter, durch ganz Griechenland, über den Bosporus, durch Kleinasien, Syrien, Palästina bis nach Ägypten. Hier stürzte die Ιο-Kuh sich in den Nil und war endlich befreit. Der Nilgott ließ nicht zu, daß sie ertrank, und Isis verwandelte die Kuh wieder in das Mädchen Io. 2 Auf dem zweiten Fresko aus dem pompeianischen Isistempel bringt der Nil Io auf seinen Schultern zu der thronenden Isis (Abb. 21). 3 In Ägypten gebar Io dem Zeus den Sohn Epaphos, der bald als Urkönig von Ägypten und bald als heiliger Stier (Apis) aufgefaßt wurde. Von ihm stammten die Brüder Aigyptos und Dañaos ab. Dañaos wanderte mit seinen Töchtern, den Danaiden, nach Griechenland aus.

1

Herodot II 41,2, s. § 104 Anm. 4.

2

Die ausführlichste Erzählung steht in den Metamorphosen des Ovid (I 5 8 3 - 7 5 0 ) . Kallimachos hat eine „Ankunft der Io" geschrieben ( Ί ο ϋ ς άφιξις im Suda-Lexikon s. ν. Κ α λ λ ί μ α χ ο ς , Testimonium 1 Pfeiffer, Band II S. XCV). Die Rückverwandlung soll in der Stadt Koptos erfolgt sein (Lactantius Placidus zu Statius Thebais I 2 6 4 / 5 , zitiert in § 183). 3

Die Szene ist noch auf einem weiteren pompeianischen Fresko dargestellt (Abb. 65).

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Io sucht ihren Sohn Epaphos § 121 M a n hat noch von weiteren Leiden der Io erzählt. Da ihr Sohn Epaphos-Apis auch als Osiris verstanden wurde, von dem man annahm, daß er derselbe Gott sei wie Dionysos, 1 hat man eine Geschichte von Dionysos und den Titanen auf Epaphos übertragen: Die Titanen hatten einst das Dionysoskind verschwinden lassen; zur Strafe erschlug Zeus sie mit dem Blitz. Ähnlich eine Erzählung über Io: 2 Hera war eifersüchtig auf Io und ihren Sohn und gab den Kureten den Auftrag, Epaphos verschwinden zu lassen. Diese schafften ihn nach Byblos;^ zur Strafe tötete Zeus die Kureten. Io begab sich auf die Suche nach dem Sohn; damals spannte IsisIo zum erstenmal das Segel über einem Boot aus. 4 In Syrien angekommen durchirrte sie das ganze Land, bis man ihr sagte, daß die Königin von Byblos ein Kind als Amme aufziehe. So fand sie den Sohn und brachte ihn nach Ägypten zurück.

Mythen der Nilflut § 122 Es gibt aus griechisch-römischer Zeit mehrere Mythen, welche die Nilflut zum Thema haben. 5 In einem Mythos, der in ägyptischer Sprache auf den Tempelwänden von Apollonopolis (Edfu) eingemeißelt ist, wird geschildert, wie Horos siegreich den Nil hinabfährt. Sein Gegner Seth stellt sich ihm immer wieder in Gestalt eines Krokodils oder Flußpferds entgegen, das einen Damm gegen die Flut zu bilden versucht. Aber Horos ersticht oder harpuniert den Gegner und kämpft sich den Weg frei. 6 Mit dem siegreichen Weg des Wassers flußabwärts hing zusammen, daß der ägyptische König oder der römische Praefectus Aegypti zur Zeit der Nilflut nicht stromaufwärts fahren durfte. 7

1 Herodot II 42 Όσίριος, τόν δή Διόνυσον είναι λέγουσι (sc. Αιγύπτιοι). II 144 "Οσιρις δέ έστι Διόνυσος κατά Ε λ λ ά δ α γλώσσαν. 2 Ps. Apollodor, Bibl. II 8 - 9 (Ίώ) γεννςί παρά τφ Νείλψ ποταμω Έ π α φ ο ν παΐδα. τούτον δέ "Ηρα δεΐται Κουρήτων άφανή ποιήσαι· οί δέ ήφάνισαν αυτόν, και Ζεύς μέν αίσθόμενος κτείνει Κούρητας, Ίώ δέ έπί ζήτησιν του παιδός έτράπετο. πλανωμένη δέ κατά τήν Συρίαν απασαν (έκεΐ γαρ έμηνΰετο οτι ή του Βυβλίων βασιλέως γυνή έτιθήνει τόν υΐόν) και τόν "Επαφον εύροϋσα, είς Αίγυπτον έλθοϋσα κτλ.

3 Vermutlich ließen sie ihn den Nil hinab und dann durch das Meer nach Byblos schwimmen. - Nach Hyginus, Fabulae 150 haben die Titanen Epaphos auf der Jagd getötet. 4

Vgl. § 115 (Hyginus, Fabulae 277).

5 Ich gehe nicht auf die nur aus pharaonischer Zeit überlieferten Mythen ein, erinnere aber an den Mythos von der Himmelskuh (vgl. „Isisfeste" S. 17, Anm. 25). 6 Α. M. Blackman - H. W. Fairman, The Myth of Horus at Edfu, J. E. A. 21, 1935, 26-36; 28, 1942, 3 2 - 3 8 ; 29, 1943, 2 - 1 8 ; 30, 1944, 5 - 1 5 . H. W. Fairman, The Triumph of Horus. The Oldest Play in the World. An Ancient Egyptian Sacred Drama, Berkeley-London 1974. M. Alliot II 677-803; G. Roeder, Mythen 90-154; E. Drioton, Pages d'égyptologie (1957) 331-362; H. Kurth 196-229; auch „Isisfeste" 21f. 7 Plinius, Nat. hist. V 57 über den Nil: cum crescit, reges aut praefectos navigare eo nefas est. Es wird sicherlich nur die Fahrt flußaufwärts verboten.

iudicatum

70 4 Isis-Mythen aus hellenistisch-römischer Zeit

§ 123 Sonst wurde die Nilflut mit dem Mythos von Isis und Osiris zusammengebracht. Als Typhon den Osiris getötet hatte, trauerte Isis; ihre Tränen machten, daß der Nil anstieg und die Fluren bewässerte. * § 124 Plutarch berichtet: 2 Als Typhon den Bruder Osiris getötet und zerstückelt hatte, warf er den Phallos des Toten in den Fluß - denn der Nil ist identisch mit dem Phallos des Osiris; „die zeugende und samenartige Natur des Gottes hat als erste Materie die Feuchtigkeit erhalten, und über die Feuchtigkeit ist sie allem beigemischt worden, was am Werden teilhaben k a n n " . 3 Für Plutarch ist Osiris die zeugende Feuchtigkeit und Isis die fruchtbare Erde. 4 Dem Ägypter stellt sich alles anschaulich dar: Die Nilflut ist Hochzeit von Fluß und Erde, Hochzeit von Osiris und Isis. § 125 Derselbe Gedanke von der Identität der Nilflut mit Osiris wird nochmals anders ausgedrückt in der Erzählung, daß Typhon den Osiris in einen Sarg einschloß und diesen beim tanitischen Nilarm in den Fluß warf, so daß der Nil den Gott ins Meer hinaustrug.· 5 Der Nil ist Ausfluß des Osiris, so heißt es im Totenbuch und bei Plutarch (s. § 11). Die Mythen umspielen in immer neuer Weise das Grundphänomen der ägyptischen Kultur.

1 Pausanias X 32,18 ήκουσα . . . άγειν tfji "Ισιδι Αιγυπτίους την έορτήν, οτε αυτήν τόν "Οσιριν πενθεΐν λέγουσι· τηνικαΰτα δέ και ό Νείλος άναβαίνειν σφίσιν άρχεται, και των έπιχωρίων πολλοίς έστιν είρημένα, ώς τά αύξοντα τόν ποταμόν και άρδειν τάς άρούρας ποιοϋντα τα δάκρυα έστι της "Ισιδος. Eine etymologische Erklärung des Mythos gibt Ph. Derchain, Chronique d'Égypte 45, 1970, 2 8 2 - 2 8 4 . 2

De Iside 18. Siehe § 7/8.

3

De Iside 36 τό γόνιμον και τό σπερματικόν του θεοϋ πρώτην εσχεν ϋλην τήν ΰγρότητα, και δι' ΰγρότητος ενεκράθη τοις πεφυκόσι μετέχειν γενέσεως. 4

De Iside 38. Vgl. Kap. 32, 39, 59. Vgl. § 11.

5

De Iside 13. Vgl. § 10.

5

Osiris-Sarapis

τάς Μοίρας γάρ ε γ ώ μ ε τ α μ φ ι ά ζ ω Ich wechsle die Kleider der Todesstunden Pap. Berol. 1 0 5 2 5

Osiris-Dionysos § 1 2 6 Herodot sagt, daß Osiris in griechischer Sprache „Dionysos" heiße. 1 Die Ähnlichkeit bestand darin, daß Dionysos Zagreus ebenso wie Osiris getötet wurde und wieder aufgelebt ist. Es hätte also nahe gelegen, bei dieser Identifizierung zu bleiben, und man hat es auch versucht. In seinem ersten Buch hat Diodor eine Schilderung Ägyptens, seiner Sitten, Religion und Geschichte gegeben. Darin steht eine Partie über Osiris, der als einer der ersten Könige des Landes aufgefaßt wird (I 1 3 - 2 2 ) . Es wird geschildert, wie Osiris als Wohltäter der Menschheit ohne Schwertstreich die Welt erobert und allen Menschen ein zivilisiertes Leben gebracht hat. Es wird vorausgesetzt, daß Osiris mit Dionysos identisch ist, von dem die Griechen eben dies erzählt haben. Osiris soll, wie Dionysos, in Nysa geboren sein und die Bereitung des Weins „erfunden" haben. Als Pflanze des Osiris wird der immergrüne Efeu genannt, eine charakteristisch dionysische Pflanze. Gesellen des Osiris waren die Satyrn; „denn Osiris liebte das Lachen und hatte seine Freude an Musik und T a n z " . 2 So umgaben ihn viele Musikanten, unter ihnen jene neun Jungfrauen, welche bei den Griechen Musen hießen.^ Auf dem Zug durch die Welt wurde Osiris begleitet von den Satyrn und einigen Heroen, unter denen Triptolemos, M a r o n und Makedon genannt werden. Triptolemos hat in Attika den Ackerbau gelehrt. In Thrakien hat sich der böse König Lykurgos Osiris entgegengestellt, der schon bei Homer als Gegner des Dionysos genannt wird. Lykurgos wurde getötet. Des Osiris Gefährte M a r o n hat am thrakischen (nördlichen) Ufer des ägäischen Meeres die Stadt Maroneia gegründet, in welcher längere Zeit eine ägyptische Besatzung lag. 4 Schließlich hat M a k e d o n , der

1

II 4 2 .

2

I 1 8 , 4 είναι γ ά ρ τον Ό σ ι ρ ι ν φιλογέλωτά τε και χαίροντα μουσικήι και χοροΐς.

3 Musenstatuen befanden sich auch in der Nilanlage im Garten des Octavius Q u a r t i o zu Pompei, welche in § 4 2 4 besprochen wird; eine dieser Musen in Abb. 3 6 a . 4 Die auf Stein erhaltene Festrede zu Ehren von Isis und Sarapis (S. E. G. 2 6 , 8 2 1 = M . Totti, Texte Nr. 19) ist dort gefunden worden.

72

5 Osiris-Sarapis

General des Osiris, seinen Sohn als König des Landes zurückgelassen, welches nach ihm „ M a z e d o n i e n " hieß. W e n n also .das mazedonische Geschlecht der Ptolemäer über Ägypten herrschte, so war dies keine Fremdherrschaft; vielmehr waren die Ptolemäer nur in dasjenige Land zurückgekehrt, welches ihre Urheimat gewesen war. Eine Generation nach Diodor ist der vornehme Römer Valerius Messalla Corvinus in Ägypten gewesen, und auch ihm hat man noch berichtet, daß Osiris und Dionysos derselbe Gott sei. Dies ist eindrucksvoll dargestellt in dem Geburtstagsgedicht des Tibull für Messalla, das wir in § 2 4 7 besprechen werden.

Oserapis von Memphis § 1 2 7 Aber die Gleichsetzung von Osiris mit Dionysos führte doch zu Unstimmigkeiten. M a n konnte nicht sagen, Dionysos bewirke die Nilflut. 1 Ferner war Dionysos nicht wie Osiris der Gott der T o t e n ; 2 der Unterweltsgott der Griechen war Hades-Pluton. Die Ägypter haben Osiris immer als aufrecht stehende oder auf dem Thron sitzende Mumie dargestellt; er sah dem Dionysos überhaupt nicht ähnlich. So hat sich bei den Griechen bald eine andere Benennung des Osiris durchgesetzt, Sarapis.^ § 1 2 8 Ursprünglich ist Sarapis nur eine besondere Erscheinungsform des Osiris gewesen. In Memphis, der alten Hauptstadt des Landes, wurde Osiris als im heiligen Apis-Stier verkörpert verehrt. Er hieß dort Oser-Apis. 4 An diesen Kult hat man schon früh einen Kult des Gottes in griechischer Form angeschlossen; dies scheint auf Anregung des peripatetischen Philosophen Demetrios von Phaleron geschehen zu sein, den Ptolemaios I. Soter im J a h r 3 0 7 in Ägypten aufgenommen hat. M a n hat in Memphis eine Reihe von Sitzstatuen ausgegraben, die im Halbrund angeordnet und in griechischem Stil ausgeführt waren. Dargestellt sind: Dionysos, die M u s e Kalliope, Orpheus, H o m e r , Hesiod, Pindar, Thaies, Protagoras, Platon, vermutlich Aristoteles, Demetrios von Phaleron. Die Statuen sind aus späterer Zeit; aber daß Demetrios von Phaleron abgebildet ist, darf so erklärt werden, daß er der Begründer der griechischen Kultanlage in Memphis gewesen ist.·5

1 Diesen Einwand hat E u d o x o s von Knidos, ein Freund Piatons, erhoben, ebenso den folgenden. S. Plutarch, De Iside 6 4 , auch 7 8 ; F. Lasserre, Die Fragmente des Eudoxos von Knidos ( 1 9 6 6 ) S. 1 1 0 fr. 2 9 8 . 2 W e n n Heraklit sagt, Dionysos sei derselbe wie Hades (Vorsokr. 2 2 Β 15), so ist das die Einsicht eines Philosophen, keine Realität des Kultes.

3 Die Literatur über Sarapis ist immens. Ich nenne: U. Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit; J. E. Stambaugh, Sarapis Under the Early Ptolemies ( E P R O 2 5 , 1 9 7 2 ) ; W . Hornbostel, Sarapis ( E P R O 3 2 , 1 9 7 3 ) ; G. J . F. Kater-Sibbes, Preliminary Catalogue of Sarapis Monuments ( E P R O 3 6 , 1 9 7 3 ) ; R. A. Wild, W a t e r in the Cultic Worship of Isis and Sarapis (EPRO 8 7 , 1 9 8 1 ) . 4 Einer der ältesten griechischen Papyri, der „Fluch der Artemisia", stammt aus dem Heiligtum des Oserapis in Memphis (U. Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit Nr. 1; P. G. M . X L ) . 5

J.-Ph. Lauer - Ch. Picard, Les statues ptolémaïques du Sarapieion de Memphis (Paris 1 9 5 5 ) .

5 Osiris-Sarapis

73

Die „Enkatochoi" des Sarapis § 129 Im Sarapeum zu Memphis und wohl in den meisten größeren Heiligtümern des Gottes lebten außer den Priestern und dem Tempelpersonal auch Menschen verschiedener Herkunft, welche mit dem Namen „Enkatochoi" bezeichnet wurden, etwa: „Leute, die im Tempel (vom Gott) festgehalten werden". 1 Es hat sich um Leute gehandelt, die als Kranke in das Sarapeum gekommen sind und vom Gott durch eine Traumweisung geheilt wurden. 2 Einigen dieser Geheilten ist dann Sarapis im Traum erschienen und hat ihnen befohlen, im Tempelbezirk Wohnung zu nehmen. Dieses „Festhalten", die „ H a f t " konnte kurze oder längere Zeit dauern und wurde durch eine neue Traumweisung des Sarapis beendet; ein Enkatochos konnte aber auch lebenslang im Tempel bleiben. Diese „ H a f t " beruhte allein auf dem inneren Verhältnis des Enkatochos zu seinem Gott und dessen Traumweisungen, auf den psychischen Erlebnissen des Einzelnen. Keine weltliche oder priesterliche Autorität hat den Enkatochos festgehalten. Die Sarapispriester haben den Traumbefehl als gültig anerkannt, von dem der einzelne Enkatochos ihnen berichtete. 3 Der soziale Status der Enkatochoi ist verschieden gewesen. Einige von ihnen standen in hohen Ehren, so der aus den Sarapeumspapyri bekannte Klausner Ptolemaios, der sogar in Audienz vom König empfangen wurde. 4 Er war als Traumdeuter tätig; es wird auch Enkatochoi gegeben haben, die Geschichtenerzähler (Aretalogen) gewesen sind. Andere werden arme Leute gewesen sein, die ihr Leben von der Gnade des Gottes fristeten, in einem Schlafsaal untergebracht,· 5 von Sarapis gespeist 6 und von den Priestern zu allerlei Hilfsdiensten eingeteilt wurden.

Sarapis von Alexandria § 130 Als Ptolemaios I. Soter um 320 v. Chr. die Hauptstadt von Memphis nach Alexandria verlegte, übertrug er auch den Kult des Sarapis in die neue Hauptstadt und machte ihn zum Gott der Stadt. 7 Man hat ihn dort nicht mehr in der Gestalt eines göttlichen Stiers verehrt wie 1 Grundlegend U. Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit I (Texte und ausführliche Diskussion). Vgl. weiter: F. von Woess, Das Asylwesen Ägyptens in der Ptolemäerzeit (Münchener Beiträge zur Papyrusforschung 5, 1923); L. Delekat, Katoche, Hierodulie und Adoptionsfreilassung (Münchener Beiträge 47, 1964); R. Reitzenstein, Die hellenistischen Mysterienreligionen^ (1927) 197-213. 2

Vgl. meinen Beitrag in: Ζ. P. E. 103 (1994) 293-296.

3

Möglicherweise haben die Priester aber darauf bestanden, daß Sarapis seine Traumweisung nicht nur dem Enkatochos geben mußte, sondern auch einem Priester, so daß man die Zahl der Enkatochoi unter Kontrolle halten konnte (U. Wilcken, Urkunden I S. 75 unten). 4 Wilckens Texte Nr. 2 - 1 0 5 betreffen fast alle diesen Mann. Vgl. auch den Philosophen Papinius in Smyrna, der im Heiligtum der Nemeseis als Enkatochos gelebt und einen Raum (anscheinend für den Kult des Sarapis) errichtet hat; Vidman 306 = I. K. 24, 725 (G. Petzl).

5 Im Sarapeum zu Memphis diente das Pastophorion diesem Zweck, s. U. Wilcken, Urkunden Nr. 5-6. 6 Vgl. Vidman 291 = I. Priene 195: Der Isispriester erhält den vierten Teil από . . . των τραπεζών ών αν δημ[ος κοσμήι — τ]οις κατεχομένοις νπό του θεοί'. 7 Memphis hat religiöse Bedeutung behalten: Seit Ptolemaios V. Epiphanes wurden die Könige dort gekrönt, und die Selbstoffenbarung der Isis soll in griechischer Sprache im Heiligtum des Ptah-Hephaistos zu Memphis gestanden haben (I. K. 5, 41 [H. Engelmann] = M. Totti, Texte Nr. 1).

74 5 Osiris-Sarapis

in Memphis, sondern als einen Götterkönig in der Art des griechischen Zeus. Das Sarapeum zu Alexandria war das Zentralheiligtum des Kultes. Es ist nach und nach zu einem riesigen Tempelkomplex ausgebaut worden. Die berühmteste Statue des griechischen Götterkönigs Zeus war das Sitzbild, welches Pheidias für den Tempel von Olympia geschaffen hatte. Pheidias soll den Wunsch gehabt haben, den Gott so erhaben abzubilden, wie ihn eine berühmte Szene im ersten Buch der Ilias darstellte. 1 Dort gewährt Zeus der Thetis eine Bitte: ή και κυανέηισιν έπ' όφρύσι νεϋσε Κ ρ ο ν ί ω ν άμβρόσιαι δ' άρα χαϊται έπερρώσαντο άνακτος κράτος ά π ' άθανάτοιο, μέγαν δ' έλέλιξεν Ό λ υ μ π ο ν . „So sprach der Sohn des Kronos (Zeus) und winkte mit seinen dunklen Augenbrauen; die ambrosischen Locken des Herrschers bewegten sich an seinem unsterblichen Haupt, und der Olymp erbebte" (A 528-530). Nach dem Vorbild dieser Statue, also nach dem Vorbild eines Gottes, der ein Erdbeben hervorruft, wenn er die Augenbrauen bewegt, ist die Statue des Sarapis zu Alexandria geschaffen worden, 2 und so liest man auf Amuletten, Papyri und Inschriften: εις Ζεύς Σάραπις, „ein und derselbe ist Zeus mit Sarapis". 3 Eine der vielen Nachbildungen der alexandrinischen Statue ist das Sitzbild aus Puteoli Abb. 116.

Sarapis als Allgott § 131 Aber Sarapis von Alexandria war noch mehr als Zeus. In der Zeit zwischen 321 und 311 v. Chr. hat ein Kleinkönig von Zypern, Nikokreon, bei Sarapis angefragt, was für ein Gott er sei. Dies sein Orakel: 4 είμί θεός τοιόσδε μαθειν, οιόν κ' εγώ ειπώ ουράνιος κόσμος κεφαλή, γαστήρ δέ θάλασσα, γαία δέ μοι πόδες είσί, τα δ' οΰατ' έν αίθέρι κείται, ομμα δέ τηλαυγές λαμπρόν φάος Ήελίοιο. „Ich bin der Gott, den man so erkennen kann: Das All des Himmels ist mein Haupt, mein Bauch das Meer, meine Füße die Erde, meine Ohren im Äther, aber mein weithin glänzendes Auge das helle Licht des Sonnengottes." 1 Strabon VIII 3,30; Dion von Prusa XII 25/6; Valerius Maximus III 7 extr. 4; Macrobius, Saturnalia V 13,23. 2

P s . Kallisthenes I 33,13 (p. 37,13-18 Kroll). Vidman 363 (Dura-Europos); 364 („nota") Siegelring aus Berytos; I. G. XIV, 2413,3 mit Anm. (Amulett aus Rom); P. G. M . IV 1715; Pap. Oxy. 1382 = M . Totti, Texte Nr. 13; C. Bonner, Studies 175. 3

4

Macrobius, Saturnalia I 20,17.

5 Osiris-Sqrapis

75

Sarapis wird als kosmischer Allgott aufgefaßt. Die Vorstellung paßt zu dem Gedanken der griechischen Philosophen, daß alle überlieferten Götter in einem einzigen Weltgott zusammenfallen. Aber gleichzeitig hat dieses Gottesbild auch ägyptische Wurzeln: Schon in ramessidischer Zeit und später immer wieder haben einige ägyptische Priester die Vorstellung von Einem Weltgott entwickelt, der sich in den anderen Göttern manifestiere, in vielen verschiedenen Gestalten auftrete und in Wirklichkeit unbenennbar bleibe. Der am ehesten treffende Name war Amun, „der Verborgene". Er konnte sich auch in dem Sonnengott Re offenbaren, war aber nicht die sichtbare Sonne (Re) selbst, sondern die hinter ihr wirkende, unsichtbare Macht. 1 So war Sarapis ein Allgott, der sich in allen anderen Göttern manifestieren konnte. 2 Die modernen Gelehrten haben in der Regel in Sarapis einen vorwiegend politischen Gott gesehen, den die ptolemäischen Könige favorisiert hätten, um ihren griechischen und ägyptischen Untertanen einen gemeinsamen Kult zu geben. Damit unterschätzt man die Echtheit der religiösen Emotionen, welche Sarapis entgegengebracht worden sind. 3

Gründung von Alexandria nach dem Alexanderroman § 132 In der Historia Alexandri Magni, die wir „Alexanderroman" nennen, wird ausführlich erzählt, wie Alexander seine Stadt Alexandria gründete. 4 Freilich ist die Darstellung ganz unhistorisch. Aber der Verfasser dieses Buches war Alexandriner 5 und hat um 300 n. Chr. gelebt, und was er erzählt, ist für die Gedankenwelt der damals in Alexandria lebenden Menschen so charakteristisch, daß seine Erzählung von hohem Interesse ist. Er schreibt, als sei er ein Historiker; in Wirklichkeit hat ihm seine mythenbildende Phantasie einen Gründungsmythos von Alexandria eingegeben: Alexander hat in der Oase Siwa den Ammon gefragt, an welcher Stelle er eine neue Stadt gründen solle, die seinen Namen trage. Ammon hat den König angewiesen, die Stadt „bei der Proteusinsel" zu gründen. Von der Insel, auf welcher in mythischer Zeit Proteus wohnte, hatte Homer in der Odyssee erzählt; sie trug den Namen „Pharos". Ammon hat noch hinzugefügt, daß an dieser Stelle ein plutonischer Ewigkeitsgott (Αιών Πλουτώνιος) regiere. 6 Bei der Proteusinsel angekommen befahl Alexander den Architekten, den Umfang des Stadtgeländes zu markieren. Da keine Kreide vorhanden war, streuten die Ingenieure Mehl. Da

* Vgl. J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete 6 6 - 7 1 ; Re und Amun (1983) 1 8 9 - 2 8 6 ; Ägypten, Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur (1984) 2 5 8 - 2 8 2 ; E. Hornung, Der Eine und die Vielen. 2

Vgl. Vidman 7 5 3 = Dessau 4 4 0 1 (aus Pax Iulia in Lusitanien) Serapi pantheo

etc.

3

Vgl. Claire Préaux, Le monde hellénistique 650: „Les Grecs n'ont pas attendu une machiavélique volonté politique du 1 e r ou du 2 e Ptolémée, comme l'ont cru les historiens modernes, pour découvrir et vénérer Sarapis . . . Rien n'autorise à prêter aux Ptolémées l'intention d'unir dans le culte de ce dieu leurs sujets grecs et leurs sujets égyptiens." 4

Ps. Kallisthenes I 3 0 - 3 3 .

5

In I 3 1 , 2 (p. 2 8 , 1 2 Kroll) heißt es: π α ρ α γ ε ν ά μ ε ν ο ς δέ επί τούτου του έδάφους, „als er (Alexander) auf diesem (unserem) Boden anlangte". Wiederholt in I 32,1 (p. 31,11 Kroll). 6 „Pluton" war den Griechen jener Gott der Unterwelt, der Getreidereichtum (πλούτος) aus den Feldern emporwachsen läßt.

76

5 Osiris-Sarapis

kamen viele Vögel geflogen, pickten das Mehl und flogen wieder fort. Die Wahrsager deuteten dieses Zeichen dahin, daß die künftige Stadt den ganzen Weltkreis ernähren werde. 1 Man erbaute die ersten Häuser und feierte den Tag der Stadtgründung. An diesem Tag kamen zahme Schlangen herbei; jede kroch in eines der Häuser, und seither verehren die Alexandriner diese Schlangen als „gute Dämonen" (αγαθοί δαίμονες). Der „gute Dämon", Agathos Daimon = Harpokrates (s. § 163), war neben Sarapis der Hauptgott von Alexandria. § 133 Dann brachte Alexander das Gründungsopfer dar 2 und legte Fleischstücke auf einem Altar nieder. Ein Adler kam geflogen, packte ein Stück, flog weg und ließ es an anderer Stelle wieder fallen. Dort befand sich ein uralter, verfallener Tempel mit zwei Götterbildern; das eine stellte einen unerkennbaren Gott dar, das andere „Kore"-Persephone. Daneben standen zwei Obelisken.3 Alexander wollte erfahren, ob seiner neugegründeten Stadt eine große Zukunft bestimmt sei und welches der Name des unerkennbaren Gottes sei. So legte er sich dort zum Tempelschlaf nieder in der Erwartung, im Traum von dem Gott des Ortes Auskunft zu erhalten. Der Gott erschien und sagte, daß er für alle Menschen der Gott der Vorsehung sei. 4 Die Stadt werde eine große Zukunft haben, und er selbst (der Gott) werde ihr Vorsteher sein. 5 Schließlich teilte der Gott auch seinen Namen mit. 6 Er tat dies mittels eines Zahlenrätsels (die Griechen schrieben die Zahlen mit Buchstaben): „Setze zusammen 200 1 100 1 80 10 200

= = = = = = =

Σ (S) α (a) ρ (r) α (a) π (p) ι (i) ς (s)".

Alexander erwachte, memorierte den Traum und erkannte, daß der Name des großen Weltgottes „Sarapis" lautete. Diese Offenbarung des wahren Gottesnamens ist für den Sarapiskult charakteristisch, in welchem Tempelschlaf (Inkubation), Traumgesichte und Traumdeutung eine große Rolle spielten.

1 I 3 2 , 4 p. 3 1 , 2 2 - 2 3 αΰτη ή πόλις . . . δλην την οίκου μένη ν θρέψει. Diese Episode wird von vielen Autoren erzählt, s. ζ. B. Arrian, Anabasis III 2 , 1 ; Plutarch, Alexander 2 6 , 8 ; Curtius Rufus IV 8 , 6 ; Eustathios zu Dionysios Periegetes 2 5 4 . 2

Z u einem heidnischen Fest gehört ein Festessen, und darum wird zu Beginn des Festes „geopfert".

^ Es sind die beiden Obelisken gemeint, welche um 3 0 0 im Bezirk des Sarapeums standen. Sie werden von dem Rhetor Aphthonios (um 3 0 0 n. Chr.) erwähnt (Progymnasma 1 2 , p. 4 0 , 1 8 ed. H. Rabe). 4

I 3 3 , 8 p. 3 4 , 2 4 εγώ είμι ό πάντων προνοούμενος θεός.

5

I 3 3 , 1 1 (Vers 2 0 ) = p. 3 6 , 7 προστάτης.

In ähnlicher Weise wird bei Appuleius (Met. X I 1 - 5 ) der N a m e der Isis als Geheimname behandelt und erst im T r a u m offenbart. 6

S Osiris-Sarapis

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Ein Mailänder Papyrusfragment enthält einen ähnlichen Text. Dort ruft Alexander den Sarapis an, in der Statue, welche er aufgestellt hat, Wohnung zu nehmen. 1

Alle Götter manifestieren sich in Sarapis; Sarapis-Pluton, Sarapis-Aion § 1 3 4 Sarapis ist mit allen Göttern gleichgesetzt worden. Die wichtigsten dieser Gleichungen waren die mit Aion, dem Gott der Ewigkeit, mit Pluton, mit Agathos Daimon (dem Schlangengott von Alexandria) sowie mit Helios und Zeus. Aber für den tiefer Blickenden, für die Priester und Philosophen, war sogar der N a m e „Sarapis" nur vorläufig; gemeint war der unbenennbare Weltgott, der hinter allen sichtbaren Gestalten stand und unendlich viele Namen trug. 2 Nur wenige fromme und nachdenkliche Menschen haben Sarapis so tiefsinnig aufgefaßt. Die weniger religiös gestimmten, im Alltag lebenden Bürger von Alexandria und Bewohner des Landes Ägypten haben Sarapis unter derjenigen Gestalt verehrt, welche die Standbilder des Gottes zeigten. § 1 3 5 Wie Osiris war auch Sarapis Herr der Unterwelt. Aber man hat ihn nicht als Mumie gebildet; der mumifizierte Gott, Osiris, ist den Griechen immer fremd geblieben. Um Sarapis als den Jenseitskönig darzustellen, hat man neben ihm den dreiköpfigen Höllenhund, den Kerberos, abgebildet, wie bei der Sitzstatue aus Puteoli (Abb. 1 1 6 ) . So war Sarapis mit dem griechischen Gott Hades identifiziert, der auch Pluton, „der Getreidereiche", hieß. § 1 3 6 Sarapis war auch der Gott der Ewigkeit, A i o n . 3 Er war Herr über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein Zeichen für diese seine Herrschaft sah man darin, daß der Kerberos, das neben ihm lauernde Tier, drei Köpfe hatte. Sie waren als die eines Wolfs, eines Löwen und eines Hundes gebildet:

Leonis capite monstratur praesens tempus, quia condicio eius inter praeteritum futurumque actu praesenti valida fervensque est. sed et praeteritum tempus lupi capite signatur, quod memoria rerum transactarum rapitur et aufertur. item canis blandientis effigies futuri temporis désignât eventum, de quo nobis spes, licet incerta, blanditur. „ D e r Löwenkopf bedeutet die Gegenwart, die zwischen der Vergangenheit und der Zukunft liegend durch gegenwärtige Handlung von starker und brennender Eigenschaft ist. Die Vergangenheit wird durch den Wolfskopf bezeichnet, weil die Erinnerung an die vergangenen Dinge

1 A. Vogliano, Papiri della Regia Università di Milano I ( 1 9 3 7 ) Nr. 2 1 (S. 1 8 4 ) ; M . Totti, T e x t e Nr. 66. Vgl. § 2 7 0 . 2

Vgl. Abrasax 1 1 2 7 - 1 3 4 mit dem Zitat aus J. Assmann, Re und Amun ( 1 9 8 3 ) 1 9 4 / 5 .

P. G. M . XIII 5 8 2 , 6 2 0 , 6 4 0 = Abrasax III S. 1 3 1 , 1 3 7 , 1 4 1 . S. E. G. 1 5 , 6 1 9 Αιών έρπέτα κύριε Σάραπι (Amulett). Hesperia 1 3 , 1 9 4 4 , 3 4 = Journ. Hell. Stud. 6 5 , 1 9 4 5 , 6 2 Δ ι Ι Ή λ ί ω ι μεγάλωι Σαράπιδι Αίώνι (Inschrift aus Ägypten). Für den Αιών Πλουτώνιος bei Ps. Kallisthenes I 3 0 - 3 3 s. § 1 3 2 . 3

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fortgerissen und weggetragen wird. Das Bild des schmeichelnden Hundes bezeichnet die Ereignisse in der Zukunft, über welche uns die Hoffnung, so unsicher sie ist, schmeichelt." 1

Sarapis mit Poseidon, Asklepios, Jahwe identifiziert; Sarapis-Helios § 137 Aber Sarapis war nicht nur Zeus, Pluton und Aion; er war auch Poseidon, wenn er die Schiffe zur See rettete; war der Heilgott Asklepios; war mit dem Einen Gott der Juden, Jahwe, identisch, denn er umfaßte alle Götter. 2 So liest man: lovi optima máximo Neptuno Serapidi „dem besten und größten Juppiter-Neptun-Sarapis" 3 und Sarapidi Neptuno Aug(usto) „dem erhabenen Sarapis-Neptun" 4 . In Lebena auf Kreta wird eine Widmung gesetzt Διί Σεράπιδι Άσκληπιω ίατρώ, „dem ZeusSerapis-Arzt-Asklepios" 5 , und ähnlich liest man auf einer Gemme εις Ζευς Σέραπις έπιφαν(ε)ίς 'Ασκληπιός σωτήρ, „ein und derselbe Gott sind Zeus, Serapis und der als Retter erschienene Asklepios" 6 . Als der Eine Gott war Sarapis auch mit Jahwe identisch, jenem Gott, der in Alexandria mit seiner starken jüdischen Bevölkerung wichtig war. Es galt also auch εις Ζεύς Σέραπις Ί α ω , „einer und derselbe sind Zeus-Serapis-Jahwe" 7 , und man konnte Sarapis auch „Allgott" nennen; so gilt eine Weihung in Karthago Δ ι ί Ή λ ί ω μεγάλω πανθέφ Σαράπιδι, „dem Zeus-Heliosgroßen-Allgott-Sarapis" 8 . Auf einem Amulett aus Rom steht εις θεός Σάραπις, „es gibt nur Einen Gott: Sarapis" 9 . § 138 Die wichtigste aller Identifikationen des Sarapis war die mit Helios, dem Sonnengott, denn damit war festgelegt, daß Sarapis dem größten Gott Ägyptens, dem Sonnengott mit seinen vielen verschiedenen Namen, gleichgesetzt wurde. Sowohl in Ägypten10 als auch in den anderen Mittelmeerländern 11 liest man immer wieder Ζεύς "Ηλιος μέγας Σάραπις, „Zeus-Helios-gro-

1 Macrobius, Sat. I 2 0 , 1 5 . Diese allegorische Deutung ist spät bezeugt (Macrobius lebte um 4 0 0 n. Chr.), aber ohne Zweifel wesentlich älter. Es sei daran erinnert, dai? schon Kallimachos eine allegorische Deutung der delischen Statue des Apollon gegeben hat (fr. 1 1 4 ; R. Pfeiffer, Ausgewählte Sehr. 5 5 - 7 1 ) . 2

Vgl. E. Peterson, Ε Ι Σ Θ Ε Ο Σ 2 2 7 - 2 4 0 und O. Weinreich, Ausgewählte Schriften I 4 3 0 - 4 3 6 .

Vidman 6 7 0 , zwischen Brigetio und Aquincum. Für Sarapis als Retter aus Seenot s. Beri. gr. Urk. II 4 2 3 , 6 - 8 = C. C. Edgar - A. S. Hunt 1 1 2 (Apion an seinen Vater Epimachos): ε υ χ α ρ ι σ τ ώ τ ω κυρίψ Σαράπιδι δτι μου κινδυνεύσαντος είς θ ά λ α σ σ α ν εσωσε ε υ θ έ ω ς . 3

4

Vidman 7 7 0 = Dessau 4 3 9 0 , aus Karthago.

5

Vidman 1 6 1 = I. Cret. I p. 1 7 3 (XVII N r . 2 7 ) .

F. H. Marshall, Catalogue of the Jewellery, Greek, Etruscan and R o m a n , in the Department of Antiquities, British Museum ( 1 9 1 1 ) N r . 3 1 5 6 . Vgl. die Kölner Gemme Abb. 1 2 1 . 6

7

Vidman 7 6 9 = C. I. L. II 5 6 6 5 (p. 1 0 4 0 ) aus Quintanilla de Somoza in Spanien.

8

Vidman 7 7 7 = C. I. L. VIII 1 2 4 9 3 = S. E. G. 1 1 , 8 2 0 .

9 I. G. X I V , 2 4 1 3 , 2 = M . Malaise, Inventaire 9 8 (S. 1 4 0 / 1 ) . Vgl. P. G. M . IV 1 7 1 5 = A b r a s a x I, hier § 3 6 6 ; Vidman 3 6 3 (Dura-Europos); Pap. O x y . 1 3 8 2 = M . Totti, Texte Nr. 13, hier § 3 9 9 .

Z. B. bei A. Bernand, Pan du désert 2 1 , 1 (Möns Porphyrites); 3 8 , 1 und 4 2 , 3 (Möns Claudianus); 7 1 , 1 und 7 2 (Berenice Troglodytica); P. M . Fraser, J. E. A. 4 0 ( 1 9 5 4 ) 1 2 5 - 1 2 6 (Nr. 1 0 , aus Theben); Pap. O x y . 1 3 8 2 = M . Totti, Texte Nr. 13. 11

Vidman 2 6 1 = I. G. XII 2, 1 1 4 (Lesbos); viele weitere Belege im Index bei Vidman p. 3 4 3 .

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ßer-Sarapis" 1 . Auf einer Inschrift in R o m steht εις Ζ ε ύ ς Σ ά ρ α π ι ς " Η λ ι ο ς κ ο σ μ ο κ ρ ά τ ω ρ α ν ί κ η τ ο ς , „Einer u n d derselbe sind Zeus, Sarapis und Helios, der unbesiegbare W e l t h e r r scher" 2 . In Statuen wird Sarapis mit dem Strahlenkranz des Helios abgebildet, so in der Statue im Louvre:

Zeichnung 21: Heliosarapis, nach S. Reinach, Répertoire de la statuaire grecque et romaine II 1 p. 19, fig. 1 (Paris 1897). Im Louvre. Photographie bei W. Hornbostel Tafel XCV (Nr. 162).

Die altägyptische Vorstellung, daß Sonne und M o n d die Augen des unsichtbaren Gottes hinter der Sonnenscheibe seien, hat m a n so variiert, d a ß Sarapis-Helios das eine u n d Isis-Selene das andere Auge Gottes seien. In der Festpredigt aus Maroneia wird Isis angeredet: 3 „ Z u m Gatten hast du Serapis g e n o m m e n , und als ihr eure Hochzeit feiertet, w u r d e das Weltall d u r c h euer Antlitz hell, indem es durch Helios und Selene seine Augen erhielt. Ihr seid zwar zwei, und bei den Menschen werdet ihr mit vielen N a m e n gerufen. Aber im Leben seid ihr die einzigen Götter."

1 Da Amun mit Zeus und der Sonnengott Re mit Helios geglichen wurde, bedeutete „Zeus-HeliosSarapis" für den Ägypter auch „Amun-Re-Sarapis". 2 Vidman 389 = I. G. urbis Romae 194a. Es findet sich auch die Form „Heliosarapis" in einem Wort, s. Vidman 331 (Sinope) und die Lampe aus Puteoli (hier Abb. 213). 3 S. E. G. 26, 821; M. Totti, Texte Nr. 19,17-20: σΰνοικον δ' ελαβες Σέραπιν, κα'ι τον κοινόν ΰμών θεμένων γάμον τοις ΰμετέροις προσώποις ό κόσμος άνέλαμψεν ένομματισθείς Ήλίωι και Σελήνηι- δύο μέν ούν έστε, καλεΐσθε όέ πολλοί παρ' άνθρώποις· μόνους γάρ ό βίος υμάς θεούς οιδεν.

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Sarapis als Schlange (Agathos Daimon); Herr der Nilflut; Ernährer des Erdkreises § 139 Nicht selten tritt Sarapis auch in Schlangengestalt auf und wird dann mit dem „guten D ä m o n " , Agathos Daimon, identifiziert. 1 O f t sind auch zwei Agathodaimones nebeneinander abgebildet, Sarapis und Isis(-Thermuthis) in Schlangengestalt, wie in der Berliner Terrakotta.

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tJUULWJULlUUUUULJUULILlJDu Zeichnung 22: Zwei große heilige Schlangen in einem Schrein; links Isis-Thermuthis mit Sistrum, Wasserkrug und Mondscheibe über Kuhhörnern, rechts Sarapis mit ägyptischer Königskrone, Getreideähre und Mohnkapsel. Terrakotta in Berlin. Nach A. Erman, Die Religion der Ägypter 392 Fig. 163.

Für uns besteht eine logische Schwierigkeit darin, daß des Sarapis Sohn H a r p o k r a t e s gleichfalls als Agathos Daimon (Schlange) abgebildet wird. Den Ägyptern war dies kein Problem. § 140 Osiris ist im Nil ertrunken, ist das Wasser des Nils. Von Sarapis-Zeus-Helios-Apollon hat m a n nicht mehr erzählt, er sei ertrunken; aber Herr der Nilflut ist auch er gewesen. „Er f ü h r t den Nil herbei zur Sommerszeit", sagt Aelius Aristides. 2 Er w a r der „Urheber des Anschwellens der Wasser und der Überschwemmung" (incrementi aquarum et inundationis auc-

1

F. Dunand, Catalogue des terres-cuites gréco-romaines d'Égypte (Musée du Louvre, 1990, Nr. 460, S. 169-170); M. Pietrzykowski, Hommages Vermaseren (EPRO 68, 1978) III 959-966; P. M. Fraser, Alex. I 209. 2 Or. 45,32 (p. 361,25 Keil) ούτος άγει Νεΐλον ώραι θέρους.

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íor); 1 zur Zeit Konstantins sagten die „Hellenen" (= Heiden) in Alexandria, daß Sarapis die Nilflut bewirke, damit Ägypten bewässert werde. 2 Auf einer Inschrift aus R o m wird „der große Sarapis" genannt, und dann folgen die Akklamationen: „Alles m ö g e dir zum Guten geraten, Bringer der Nilflut . . ., Wohltäter Sarapis, schön ist jede deiner Jahreszeiten. § 141 Ein Kennzeichen des Sarapis war der Erntekorb (Kalathos), den er auf dem Kopfe trug. Ägypten hat im Altertum Überschüsse von Getreide erzeugt, und ein großer Teil der Versorgung R o m s geschah mit Getreide, welches durch eine Flotte aus Alexandria nach Italien transportiert wurde. So hat Sarapis als der „Ernährer des Erdkreises" gegolten. 4

Statuen des Sarapis § 1 4 2 Die berühmteste Statue des Sarapis war das Sitzbild, welches der Bildhauer Bryaxis um 3 0 0 v. Chr. geschaffen hatte. Eine Replik ist hier als Zeichnung 2 3 , eine andere in Abb. 1 1 6 abgebildet. Eä-gab auch Statuen des stehenden Sarapis-5 und Büsten.^

1 Rufin, Hist, eccles. XI 30. Kurz vorher (XI 23) sagt er, manche Ägypter verehrten den Sarapis als virtutem Nili fluminis, cuius Aegyptus opibus et fecunditate pascatur. Ähnlich das Suda-Lexikon unter dem Stichwort „Sarapis": οί δέ (sc. εφασαν είναι) τόν Νειλον δια τό μόδιον εχειν έν τήι κεφαλήι και τόν πήχυν ήγουν ι ό τοϋ ύδατος μέτρον. 2

Sokrates, Hist, eccles. 118,2 λ ε γ ό ν τ ω ν . . . των 'Ελλήνων, ώς άρα ό Σάραπις εΐη ό τόν Νειλον άνάγων επί άρδείαι της Αιγύπτου. ^ Moretti, Inscr. Gr. urbis Romae 192 = Vidman 458 = Malaise, Inventaire p. 136 (Roma 83) μέγας Σάραπις — έπ' ά γ α θ ω σοι γένοιτο, Νειλαγωγέ — καλή σοι πάσα ώρα, εύεργέτα Σάραπι.

ó

4

Suppl. Mag. 7 ό τροφεύς της ολης οικουμένης. P. G. M. XIII 639 = Abrasax III S. 141 κύριε ενδοξε κοσμοκράτωρ μυριώτατε (= μοιριώτατε) μέγιστε τροφεϋ μεριστά (Zuteiler) Σάραπι Für Ps. Kallisthenes I 32,4 (p. 31,23 Kroll) s. § 132. Die kymäische Münze Abb. 242 bezieht sich wohl auf Getreidelieferungen aus Alexandria. ^ Abb. 115; vgl. die Münze Abb. 246. Vollständige Sammlung von V. Tran Tarn Tinh, Sérapis debout (EPRO 94, 1983). 6 Abb. 117-120. Vgl. die Münzen Abb. 242 und 244.

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Zeichnung 23: Sarapis mit Kerberos. N a c h W. H. Roscher, M y t h o l . Lex. IV 3 7 3 . A. de Ridder, Les bronzes antiques du Louvre I ( 1 9 1 3 ) Nr. 5 1 2 .

Sarapis von Osiris verschieden § 143 Während bisher davon zu berichten war, daß Philosophen und fromme Priester in Sarapis einen Allgott sahen, der alle anderen Götter umfaßte, ist auch eine gegenläufige Entwicklung festzustellen: Für die einfacheren Menschen, die nicht spekulierten, sondern in der Anschauung lebten, haben die an den Zeus der Griechen angelehnten Sarapis-Statuen bedeutet, daß dieser Sarapis ein neuer Gott war, der zu den bisher verehrten ägyptischen Göttern hinzutrat. 1 Dieser Sarapis hatte mit Osiris, aus welchem er doch hervorgegangen war, keine Ähnlichkeit. Zwar war dieser Sarapis theoretisch Herr der Unterwelt, wie Osiris; aber er sah so ganz anders aus, und er war auch nicht mehr wie Osiris Gott der Totenklagen, der Mumifizierung und des Totengerichts. Für die Bewohner des ägyptischen Landes war dieser Gott der Griechen, der Gott von Alexandria, auf lange Zeit eine durchaus fremde Gestalt. In den ländlichen Gebieten sind nur wenige Weihinschriften für Sarapis gefunden worden, welche aus hellenistischer Zeit stammen. 2 Aber auch außerhalb von Ägypten hat man Sarapis und Osiris unterschieden. So findet man in Eretria und Chalkis auf Euböa Weihungen, die an mehrere ägyptische Götter gerichtet sind,

1

Vgl. die Weihinschrift für Osor-O („Osiris-den Großen"), Sarapis, Isis, Anubis in Taposiris Parva, O. G. I. 9 7 (um 190 v. Chr.). 2 Darauf hat P. M. Fraser hingewiesen: Opuscula Atheniensia 3 (1960) 1 - 5 4 „ T w o Studies on the Cult of Sarapis in the Hellenistic World"; ibid. 7 (1967) 2 3 - 4 5 „Current Problems Concerning the Early History of the Cult of Sarapis"; Alex. (1972) I 2 7 2 - 2 7 4 .

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darunter an Sarapis und Osiris. 1 Ein schönes Relief aus Tunesien zeigt Isis, Harpokrates, Sarapis und Dionysos, den man wohl als Dionysos-Osiris interpretieren darf (Abb. 137). Eine Stele aus Eretria ist gewidmet an Serapis, Isis, Osiris, Anubis und Harp(h)okrates, 2 eine Inschrift aus Pergamon an Sarapis, Isis, Anubis, Harp(h)okrates, Osiris, Apis, Helios, Ares und die Dioskuren.3

Gott ohne Mythen § 144 Indem nun Sarapis als von Osiris verschieden aufgefaßt wurde, konnte man die Mythen um Isis und Osiris nicht mehr auf Isis und Sarapis übertragen, und die Mythen vom Tod des Osiris hätten auch nicht zu Sarapis gepaßt. So kommt es, daß allein Sarapis unter den griechischen und ägyptischen Göttern nicht in mythischen Erzählungen vorkommt. Dies war ein Nachteil, denn die Menschen liebten ihre Mythen; es war aber auch ein Vorteil: Sarapis konnte dem Gott der Philosophen gleichgesetzt werden. Zwar hatten die Stoiker versucht, Zeus zu einem erhabenen Allherrn zu erheben; 4 aber die zahllosen Liebschaften des Göttervaters waren nun einmal bei Homer und Hesiod und den anderen griechischen Dichtern überliefert, und die Geschichten waren zu hübsch und den Leuten wert, als daß man sie jemals hätte vergessen können. Anders stand es bei Zeus-Sarapis. Er war der erhabene Gott, wie ihn Pheidias gesehen hatte; ihm haftete kein Erdenrest an; er war der henotheistische Gott, den zu verehren die Philosophen lehrten. Noch Kaiser Julian rühmt diesen Einen Himmelsgott: εις Ζεύς, είς Άΐδης, εις Ή λ ι ό ς έστι Σάραπις „Zeus, Hades, Helios sind in Einem Gott Sarapis". 5

Herr des Schicksals; Freilassungen durch Sarapis § 145 In der späteren hellenistischen und Römer-Zeit hat die anscheinend wissenschaftliche Lehre der Astrologen Macht über die Gemüter gewonnen: Wie das Jahr vom Lauf der Sonne, wie die Gezeiten des Meeres und die Periode der Frau^ vom Umlauf des Mondes abhängen, so sollten alle Ereignisse, und insbesondere die Schicksale der Menschen, von den Sternen abhängen, welche den Weltlauf mit unabänderlicher Notwendigkeit regieren, ganz wie sie selbst ihre

1 Vidman 8 2 und 8 8 ; M . Totti, T e x t e Nr. 6 (Chalkis) Κ α ρ π ο κ ρ ά τ η , Σαράπιδι, άκοαΐς της "Ισιδος, Ό σ ε ί ρ ι δ ι έπηκόω κτλ. 2

Vidman 8 2 = I. G. XII SuppL, 5 6 5 .

3 Vidman 3 1 3 = 1. Pergamon 3 3 6 . 4

Es sei an den Hymnus des Kleanthes erinnert.

Or. 4 , p. 1 3 6 A . - Bei Macrobius (Sat. I 1 8 , 1 8 = Orpheus fr. 2 3 9 Kern) steht der Vers in der Form εις Ζευς, εις Ά ΐ δ η ς , εις "Ηλιος, εις Διόνυσος. Hier wird „Sarapis" als das verum nomen, der geheime N a m e behandelt, den man nicht ohne N o t ausspricht. Vgl. § 1 3 3 zu Ps. Kallisthenes I 3 0 - 3 3 . 5

^ Das W o r t „Periode" heißt „Umlauf"; gemeint war diejenige Zeit, in welcher der M o n d einmal umlief.

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unabänderlichen, der Notwendigkeit unterworfenen Bahnen nehmen. Alle Freiheit schien vernichtet, das blinde Fatum schien die Welt zu regieren. Vielen Menschen war diese Vorstellung unerträglich, und man hat nach Auswegen gesucht. Die mythologischen Götter boten keine Hilfe, sie waren nicht erdacht, um eine Antwort auf philosophische Probleme wie das von Freiheit und Notwendigkeit zu erhalten. Dazu kam, daß man den Planeten unglücklicherweise die Götternamen Venus, Mercur, Mars, Jupiter und Saturn gegeben hatte, so daß diese fünf Götter in besonderem Maß Werkzeuge der blinden Notwendigkeit zu sein schienen. Sarapis, der philosophische Gott, war eher geeignet, Hilfe zu bieten. Man suchte Trost in der Vorstellung, daß Sarapis Herr des Schicksals sei; daß er seinen Platz oberhalb der Planetensphären habe und über dem blinden Fatum stehe, so daß er das Schicksal eines frommen Menschen ändern, ja eine neue Geburtskonstellation verleihen könne. Wir werden auf diese Gedanken in § 341-346 und 401 zurückkommen. § 146 In welchem Maß Sarapis als der Gott empfunden wurde, der das Lebensschicksal der Menschen ändern konnte, zeigt sich daran, daß man die Freilassung eines Sklaven in Mittelgriechenland, aber auch am kaspischen Meer in der Form vollzog, daß der Sklave Sarapis geweiht und damit zum Freien erklärt wurde. 1 Die Freilassungsurkunde wurde im Sarapistempel deponiert.

Drei Orakel des Sarapis § 147 Das Orakel, welches Sarapis dem König Nikokreon von Zypern gab, haben wir schon kennengelernt (§ 131). Hier seien noch drei weitere Orakelsprüche zitiert, welche von philosophischen Priestern im Namen des Gottes in griechischen Versen formuliert worden sind. 2 Ein Orakelsucher hatte von Sarapis hören wollen, was Weisheit sei.3 Der Gott antwortete, daß die volle Weisheit einem Menschen unerreichbar sei; sie könnten nur „Freunde der Weisheit", Philo-sophen, sein. Diese entmutigende Auskunft hat der Sarapispriester, welcher für die Versifikation der Orakel zuständig war, in die folgenden sehr gestelzten Hexameter gekleidet: δσσον έέλδονται χρυσοΰ πολυτιμέος άνδρες, τόσσον μαντοσύνης ποθέεις τέλος· άλλά τόδ' ί'σθι· θάττόν τοι θνητοίσι κόρος χρυσοΐο παρέσται η σοφίης τέλος εύρύ καταζητών έσαθρήσεις·

1 In Böotien, Phokis und Westlokris: Vidman Nr. 55-56, 60, 67, 69-71, ferner I. G. VII, 3 2 0 1 - 3 2 0 4 und 3198-3199. In Hyrkanien Vidman Nr. 369 = S. E. G. 20, 325. 2

G. Wolff, De novissima oraculorum aetate (Berlin 1854) 15f.; Porphyrii de philosophia ex oraculis haurienda librorum reliquiae (Berlin 1856) 239 Nr. 10 und Philol. 17 (1861) 551f.; K. Buresch, Klaros (1889) S. 102 Nr. 25; H. Erbse, Fragmente griechischer Theosophien (Hamburg 1941) S. 173 § 25; M. Totti, Texte Nr. 61-62; H. Erbse, Theosophorum Graecorum Fragmenta p. 17. 3

ό Σάραπις τώι περί σοφίας ερωτήσαντι οΰτως άπεκρίνατο.

S Osiris-Sarapis

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τόσση άπείρητος τέταται βασιλήος 1 έν ούδώι αθανάτου· κείνος δέ διδοί και δώρον όπάζει. „Du wünschst Auskunft über einen Endpunkt der Orakelweisheit etwa so, wie die Menschen das hochgeschätzte Gold begehren; so wisse: Eher werden die Sterblichen so viel Gold erhalten, daß sie seiner überdrüssig werden, als daß der Fall eintreten könnte, daß du den entfernten Endpunkt, die Weisheit, suchend erblicken wirst; so weit entfernt erstreckt sie sich hinter der Schwelle zum Palast des unsterblichen (Himmels-) Königs. Er allein ist es, der sie verleihen und als Gabe geben kann." 2 § 148 In einem anderen Orakel schärft Sarapis ein, daß nicht kultische Tauchbäder den Menschen rein machen; ein Tropfen Weihwasser beim Betreten des Tempels genüge: άγνάς χείρας εχων και νοϋν και γλώτταν αληθή εϊσιθι, μή λοετροΐς, άλλά νόωι καθαρός· άρκεΐ γάρ θ ' όσίοις ρανίς ύδατος· άνδρα δέ φαϋλον ούδ' αν ό πας λούσαι χεύμασιν ωκεανός „Trete (in den Tempel) ein, rein an Händen und Sinn und wahr in deinen Worten, rein nicht durch das Tauchbad, sondern im Geist; denn dem Frommen genügt ein Tropfen Wassers; aber einen Schlechten könnte auch der ganze Okeanos mit seinen Fluten nicht reinwaschen." § 149

In einem dritten Orakel wendet Sarapis sich gegen die Knabenliebe: μηδέ βιάζεσθαι παιδός φύσιν άρσενος άνδρα εις αισχρών συνέλευσιν, έπεί φόνωι εικελόν έστιν.

„Nie soll ein M a n n der Natur eines Knaben zu schlimmer Vereinigung Gewalt antun, denn dies ist einem Mord gleichzustellen." Von den Traumorakeln werden wir in § 261 und 379 sprechen.

Abrasax § 150 Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß zwischen Sarapis als dem Weltgott und der sonderbaren Gestalt, welche „Abrasax" heißt, ebenfalls enge Beziehungen bestehen. In den magisch-religiösen Papyri und auf den Gemmen gehen die beiden Namen oft ineinander über. Abrasax wird auf den Amuletten als ein Mischwesen dargestellt, das über einem gepanzerten

1 Der König ist der oberste Gott, der im 2. platonischen Brief (den man als echt ansah) e r w ä h n t wird (p. 312E). Appuleius beschreibt ihn in der Apologie (64): ille basileus, totius rerum naturae causa et ratio et origo initialis, summus animi genitor, aeternus animantum sospitator, assiduus mundi sui opifex . . . ñeque loco ñeque tempore ñeque vice ulla comprehensus eoque paucis cogitabilis, nemini effabilis. Vgl. weiter Η . Dörrie, Platonica minora 3 9 0 - 4 0 5 . 2

Meine Übersetzung ist frei und soll vor allem den allgemeinen Sinn wiedergeben.

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menschlichen Leib einen Hahnenkopf trägt. 1 Seine Füße gehen in Schlangen über; in der einen Hand hält er einen schützenden Schild und in der anderen eine Geißel. Der Name ist künstlich erfunden und bezeichnet den Gott des Jahres; wenn man die sieben Buchstaben nach ihrem Zahlwert addiert, erhält man das Resultat 365, die Zahl der Tage des Jahres. 2 Da das Jahr durch den (scheinbaren) Umlauf der Sonne entsteht, war Abrasax auch ein Sonnengott. Von Abrasax führen Spuren zu Jahwe, dem Gott der Juden. 3 So wichtig diese Zusammenhänge auch sind - unter den alexandrinischen Juden ist eine der ersten christlichen Gemeinden außerhalb von Palästina gegründet worden - , wir würden vom Weg abkommen, wenn wir dem hier nachgehen wollten.

1 Der Hahn begrüßt den Sonnengott schon vor dem Aufgehen und war wegen seiner Tapferkeit hoch angesehen. 2 3

A = 1, B = 2 , P = 100, A = 1, Σ = 200, A = 1, Ξ = 60.

M a n sehe M. Philonenko, L'anguipède alectorocéphale et le dieu Iaô, Comptes-Rendus de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 1979, 2 9 7 - 3 0 4 , und E. Zwierlein-Diehl, Magische Amulette und andere Gemmen des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln (Papyrologica Coloniensia X X , 1992) 29-35.

6

Harpokrates-Horos-Eros

sed saevum atque ferum vipereumque malum quod pinnis volitans super aethera cuncta fatigat, flammaque et ferro singula débilitât, quod tremit ipse lovis, quo numina terrificantur, fluminaque horrescunt et Stygiae tenebrae. Ein Übel, wütend und wild, eine Giftschlange, die durch die Luft fliegt, alles bezwingt und jeden Einzelnen mit Feuer und Eisen unterwirft, vor der Juppiter selbst zittert, die Götter in Schrecken sind, und die Flüsse und Finsternisse der Styx sich fürchten. Appuleius, M e t . I V 3 3

Die heilige Familie § 1 5 1 In der griechisch-römischen W e l t ist meistens Sarapis der G a t t e der Isis, nicht Osiris. Osiris w a r gestorben und mumifiziert. Auf den M o n u m e n t e n sind Isis und Sarapis oft nebeneinander dargestellt, so auf einem Fresko im Isisheiligtum von Pompei (Abb. 2 7 ) , in der Statuengruppe aus G o r t y n a u f Kreta (Abb. 1 1 5 ) , auf der Steatitschale im M u s e u m zu A l e x a n d r i a (Abb. 1 3 5 ) und auf den L a m p e n Abb. 1 3 6 , 2 1 2 und 2 1 3 . Auf M e d a i l l o n s sieht m a n , wie die beiden sich zärtlich anblicken oder küssen. 1 § 1 5 2 N o c h öfter sind Isis, Sarapis und ihr Sohn H a r p o k r a t e s als heilige Familie abgebildet, so in A b b . 6 8 , 1 3 3 und 1 3 4 . Auf dem pompeianischen Fresko A b b . 6 6 = Farbtafel V i l l a blickt m a n a u f eine Kapelle am Nil, in welcher Statuen von Vater, M u t t e r und Kind abgebildet sind.

1

V. Tran Tam Tinh, Isis et Sérapis se regardant, Rev. arch. 1 9 7 0 , 1 5 5 - 8 0 .

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6 Harpokrates-Horos-Eros

Erweiterte Gruppen sieht man auf dem Relief aus Thuburbo Maius (Abb. 137; Isis, Sarapis, Harpokrates, Dionysos), einem Relief aus Rhodos (Abb. 139; Isis, Falke, Kuh, Sarapis, Sphinx, Anubis) und in Rom (Abb. 138; Isis, Sarapis, Harpokrates und Demeter).

Herr des Brotes, Herr der Frucht § 153 Wie Sarapis und Isis als Götter aufgefaßt wurden, welche den Menschen das Getreide spenden, so auch ihr Sohn Harpokrates. In Samos hat man seinen Namen als Alphokrates umgedeutet, als „Herrn des Brotes" und in der Selbstoffenbarung des Gottes aus Chalkis hat man aus dem anlautenden H- ein K- gemacht (Karpokrates), so daß der Name nun den Sinn hat: „Herr der Frucht" 2 .

Harpokrates das Kind, Horos der Sonnengott § 154 Der Name Harpokrates bedeutet „Horos das Kind" (s. § 24). Als Erwachsener wurde der Gott „Horos" genannt, in der Regel mit einem ehrenden Beinamen, ζ. B. Harwêris „Horos der Große". In den altägyptischen Texten wird Horos meistens als erwachsener König von Ägypten aufgefaßt. In griechisch-römischer Zeit tritt Harpokrates das Kind in den Vordergrund des Kultes. Die Rollen der Götter sind neu verteilt worden, als aus Osiris-Apis der neue Götterkönig Sarapis entstand. M a n kann dies etwa so darstellen: Rolle

Pharaonische Zeit

Griechisch-römische Zeit

Götterkönig Götterkönigin Göttliches Kind König der Unterwelt

Horos der Erwachsene Isis Horos das Kind (Harpokrates) Osiris

Sarapis Isis Horos das Kind (Harpokrates) Osiris oder Sarapis

Aber auch in griechisch-römischer Zeit konnte man Horos noch als den Götterkönig, den Sonnengott, verstehen.

1

Vidman 254 Σαράπιδι Ε'ίσιδι Ά ν ο ύ β ι δ ι Άλφοκράττ) Αύξος Δημοκλέους Σάμιος . . . καθιέρωσεν. Das homerische Wort άλφι bedeutet „Gerste, Brot". 2 Vidman 88 = M. Totti, Texte Nr. 6. Das anlautende K- findet sich auch in E. Bernand, Inscr. métr. 107; Beri. gr. Urk. II 362 fr. 8,6 (p. 21); I. G. XII 5, 739, p. 217 (Praescript des auf los gefundenen Textes der „Selbstoffenbarung").

6 Harpokrates-Horos-Eros

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Horos-Herakliskos, Harpokrates-Eros, Horos-Apollon $ 155 Eine der gängigen Identifikationen des Horos mit einem griechischen Gott war die mit Herakles. M a n hat insbesondere den auf den vielen „Horosstelen" abgebildeten jungen Horos, der Schlangen erwürgt und Helfer gegen alle Krankheiten war, mit dem Herakles-Knaben (Herakliskos) identifiziert; dieser hat nach dem griechischen Mythos gleich nach seiner Geburt zwei Schlangen erwürgt, welche die Stiefmutter Hera gegen ihn ausgesandt hatte. Eine Statuette dieses schlangenwürgenden Heraklesknaben (Abb. 41) ist im pompeianischen Haus des Octavius Quartio gefunden worden, in welchem es so viele ägyptische Motive gibt. S. § 424. Wenn Harpokrates mit einer Keule abgebildet wird, wie auf der in Zeichnung 24 abgebildeten Statuette aus Pompei, so wird damit die Identifizierung mit Herakles bezeichnet. Die Stadt, welche die Griechen Herakleopolis nannten, wurde von den Ägyptern Stadt des Horos genannt. Dem griechischen Namen der Stadt liegt die Identifizierung des Horos mit Herakles zugrunde. § 156 Noch häufiger ist die Identifikation des Harpokrates mit Eros, dem Sohn der Aphrodite. In dieser Gestalt trägt der junge Gott Flügel, so an der Florentiner Statuette Abb. 123 und an den als Zeichnung 24 abgebildeten Statuetten aus Pompei und Herculanum. Kennzeichen des Harpokrates-Knaben ist der Finger am M u n d . 1

1 M a n sehe im Bildteil noch die Statuetten Abb. 122 und 124 sowie die Reliefs Abb. 131 (Harpokrates mit einem Nilpferdgespann) und 143.

90 6 Harpokrates-Horos-Eros

Zeichnung 24: Zwei Harpokrates-Statuetten aus Herculanum und Pompei. Der junge Gott führt den Finger an den Mund und trägt die ägyptische Königskrone (Harpokrates-Horos). Er trägt Flügel (Harpokrates-Eros). Der links abgebildete Knabe stützt sich auf eine Keule (Harpokrates-Herakles bzw. Herakliskos), hinter seiner linken Hand der Hahn. Real Museo Borbonico XII Tafel XXX 1 und 2; V. Tran Tarn Tinh, Herculanum Cat. 23 (S. 68) mit Fig. 16 (pl. X); derselbe, Pompéi Cat. 107 (S. 162) mit pl. X I I I .

6 Harpokrates-Horos-Eros

91

Bei den Ägyptern hatte diese Geste das lutschende Kleinkind bezeichnet. In griechisch-römischer Zeit deutete man sie auf das Schweigegebot. 1 Auf einem Fresko aus dem Isistempel zu Pompei verehrt ein Priester eine Statue des Harpokrates (Abb. 8). § 157 Wenn Horos-Harpokrates als Sonnengott aufgefaßt wurde, dann hat man ihn entweder mit Helios oder mit Apollon (oder mit beiden) geglichen. Die Gleichsetzung mit Apollon ist oft belegt. 2

Harpokrates-Helios; Helios in dreifacher Gestalt § 158 Auf einer Terrakotta des Louvre Abb. 127 sieht man Harpokrates-Helios zu Pferd. Das ist ein gräzisierter Harpokrates; die ägyptischen Götter reiten nicht, ihr Göttersystem war ausgebildet, bevor das Pferd in Ägypten eingeführt wurde.·* Die Ägypter haben sich den Sonnengott in dreierlei Gestalt vorgestellt: Morgens als Kind, mittags als erwachsenen und abends als gebeugten alten Mann, der sich auf seinen Stock stützt. § 159 Hierfür seien zwei Belege aus der ägyptischen Literatur gegeben: In der Erzählung von der List der Isis will die Göttin vom Sonnengott seinen geheimsten Namen erfahren. Bevor er diesen preisgeben muß, versucht er, Isis abzulenken, und nennt andere Namen. Einer von diesen lautet: „Ich bin Chepre (der Sonnenkäfer) am Morgen, Re am Mittag, und am Abend bin ich Atum." 4 In einem Wecklied an den Sonnengott Amun-Re, der als Schöpfer der Welt verehrt wurde, heißt es: 5 „Erwache in Frieden, mögest du friedlich erwachen, Amun-Re . . . Käfer (= Chepre), der aufspringt in der Morgenfrühe, in Frieden! Erwache in Frieden, mögest du friedlich erwachen, Amun-Re, strahlenflammend, der in seiner Barke fährt, in seiner Erscheinungsform als Re (,Sonne') in der Mitte des Tages, in Frieden! Erwache in Frieden, mögest du friedlich erwachen, Amun-Re, der dahingleitet am Abend, wenn er alt geworden ist, Atum, der im Leben untergeht, in Frieden!" § 160 Dieselbe Vorstellung findet sich auch in den magisch-religiösen Texten aus Ägypten in griechischer Sprache:

1

Catull 74,4; Varrò, De lingua Latina V 57; Ovid, Met. IX 692; Plutarch, De Iside 68; Damaskios, Vita Isidori 107 p. 148,2 Zintzen. 2 Vidman 496 (Neapel) = I. G. XIV, 719 = V. Tran Tarn Tinh, Campanie S. 72 (als IS 23) mit Tafel XXXIII fig. 43 "Ισιδι ' Α π ό λ λ ω ν α *Ωρον Ά ρ π ο κ ρ ά τ η ν . Vidman 116 (Philippi) "Ωρωι Ά π ό λ λ ω ν ι Άρφοκράττμ . Gemme in Wien Corp. Inscr. Graec. 7045 = C. Bonner, Studies 4 7 und 168 Μέγας τ Ω ρ ο ς 'Απόλλων Ά ρ π ο κ ρ ά τ ( η ς ) .

3 Plutarch (De Iside 19) läßt Horos sagen, das Pferd sei für den Krieger das nützlichste Tier; auch dies eine griechische Vorstellung. 4 E. Brunner-Traut, Altägyptische Märchen S. 154; J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts S. 54 (in der Nr. 84). O f t besprochen, ζ. Β. bei E. Hornung, Der Eine 78, 89 und 145. 5

J. Assmann, Hymnen Nr. 127A, 74-82 (S. 277; Pap. Berlin 3049).

92 6 Harpokrates-Horos-Eros P. G. „der P. G. „der

M. du M. du

I I 1 1 9 - 1 2 0 ό ν ή π ι ο ς ανατέλλων, ό τ ο ν π ό λ ο ν δ ι ο δ ε ΰ ω ν als Kind aufgehst und das Himmelsrund durchmissest". 1 I 33 ό π ρ ω ί α ς ν ε α ρ ό ς , και ό ψ έ π ρ ε σ β ύ τ η ς morgens jung und abends ein Greis bist".

Harpokrates-Eros-Sonnengott; Harpokrates auf dem Lotos § 161 So konnte m a n als griechisches Äquivalent f ü r den ägyptischen N a m e n H a r p o k r a t e s sowohl Apollon als auch Helios als auch Eros nennen, u n d diese Gleichungen sind belegt. 2 § 162 O f t wird H a r p o k r a t e s als K n a b e dargestellt, der auf der L o t o s b l u m e sitzt. Am Anfang der Zeiten, als es die Erde noch nicht gab, tauchte aus dem Urgewässer eine Lotosblume auf, u n d in ihr saß der junge Sonnengott, der sein Licht zum erstenmal erstrahlen ließ.

Zeichnung 25: Harpokrates mit dem Finger am Mund und der Sonnenscheibe auf dem Haupt, in der Linken die Geißel, auf der Lotosblume. Links ein Stern, wohl der Sirius. Gemme. Ann Arbor, Michigan, Museum of Archaeology. Nach D. Wortmann, Bonner Jahrbücher 166, 1966, 67; vgl. C. Bonner, Studies D 190.

Eine hübsche Bronzestatuette in M a i n z zeigt den jungen Gott in griechisch-römischem Stil, aber mit ägyptischer Königskrone und der heiligen Schlange im Füllhorn (Abb. 128).

Harpokrates-Agathos Daimon-Pschai als Schlange § 163 Schließlich ist H a r p o k r a t e s auch als glückbringender Schlangengott vorgestellt w o r den. Der ägyptische N a m e der Schlange w a r Pschai, „Zuteiler des Schicksals" 3 . M a n h a t das W o r t „ Z u t e i l e r " griechisch mit „ D a i m o n " wiedergegeben, 4 und damit der Zuteiler des Schicksals Gutes zuteilen möge, hat m a n ihn den „guten D a i m o n " , ' Α γ α θ ό ς Δ α ί μ ω ν , genannt. Dieser

1

Vgl. Abrasax I S. 52, auch S. 24, 33, 94 (= P. G. M. III 153). Plutarch, Amatorius 19, p. 764B (Teubner-Edition IV 375/6) Α ι γ ύ π τ ι ο ι . . . νομίζουσιν Έ ρ ω τ α τόν Ήλιον. I. Délos 2132 = Roussel 194 = Sylloge3 1132 ( — ) Έ ρ ω τ ι Άρφοκράτει Ά π ό λ λ ω ν ι — . 3 Das Ρ- ist der Artikel, und Schai bedeutet „Schicksal, Zuteiler". 4 Man hat δαίμων etymologisch von δάσαθαι „zuteilen" abgeleitet: Apollonios Sophistes p. 56,14 Bekker; vgl. Abrasax 1123. Eine andere Übersetzung war μεριστής (P. G. M. XIII 639). 2

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Schlangengott war Gott von Alexandria, 1 und die beiden bei Alexandria mündenden Nilarme trugen die Namen „Agathos Daimon" und „Drakon" (Schlange). 2 Als Schlange erscheint Harpokrates auf den Reliefs zu Delos (Abb. 140) und in Liverpool (Abb. 141) zwischen seinen Eltern Sarapis und Isis; auf dem Relief von Savaria (Abb. 147) befindet sich zwischen Isis und Anubis die große Harpokrates-Schlange. In der Cista mystica, welche bei den Isisprozessionen mitgeführt wurde, 3 befand sich die Schlange als Abbild des Harpokrates, s. Abb. 142 (Altarrelief aus Rom) und 214 (Benevent). Gebete, in welchen Harpokrates unter vielen Gestalten - als Eros, Knabe auf dem Lotos, geflügelte Schlange, Sonnengott, Gott der Wasser - erscheint, werden wir in Kap. 16 kennenlernen.

1

Ps. Kallisthenes I 3 2 , 1 0 - 1 1 (p. 3 2 , 1 8 - 2 4 Kroll), s. § 132.

2

Ps. Kallisthenes I 3 1 , 7 (p. 3 0 , 1 1 - 1 2 Kroll); Claudius Ptolemaeus, Geogr. IV 5,39; O. G. I. 6 7 2 = A. Bernand, Les confins libyques 3 3 2 - 3 3 3 , Nr. 3. 3

Appuleius, Met. XI 11,2 cista secretorum

capax.

7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth Αιγύπτου μεδέουσα μελαμβώλου λινόπεπλε Herrin Ägyptens, der schwarzen Erde, im Leinengewand Philippos von Thessalonike, Anth. Pal. VI 231

Isis myrionymos § 164 Wir haben gesehen, daß Isis als identisch mit Demeter und Io aufgefaßt wurde. Wir fahren nun fort: Sie war mit allen anderen Göttinnen identisch. In der hellenistischen und römischen Periode gab es die Tendenz, alle Götter auf den Einen zurückzuführen: der charakteristische Ruf hieß εις θ ε ό ς , „es gibt nur einen Gott" 1 . So hat man vor allem in Sarapis und später in Helios-Sol alle Götter zusammenfallen lassen. In derselben Weise hat man in Isis alle Göttinnen verkörpert gesehen. § 165 Im Pap. Oxy. 1380 ist eine Kulttopographie 2 der Isis erhalten, in der alle Kultplätze der Göttin und ihre jeweiligen Namen aufgezählt werden. 3 Zuerst werden die Gaue und Städte Ägyptens, dann die der übrigen Welt genannt. Einige der Abschnitte seien zitiert. Die Menschen rufen Isis an „in Herrnupolis - als schöngestaltige, heilige, in Naukratis - als vaterlose, Geberin der Festfreude, Retterin, Allherrscherin . . . in Pelusion - als Ankerplatz-Gebende . . . am Ekregma 4 - als Isis, die rettende, in Arabien - als große Göttin . . . in Lykien - als Leto, in Myra in Lykien - als Erhabene, Eleuthera, in Knidos - als Guter Beginn der Reise, Finderin . . . " 1 Um treffend zu übersetzen, muß man das „ n u r " hinzusetzen. - Ε Ι Σ Θ Ε Ο Σ ist der Titel des hervorragenden Buches von E. Peterson, Göttingen 1926. 2

Für die Kulttopographien im alten Ägypten s. J. Assmann, Hymnen S. 7 3 - 7 4 mit Nr. 33 (S. 1 3 7 139); 130,130-200 (S. 304-307); 203,19-33 (S. 425); 204,8-40 (S. 4 3 3 ^ 3 4 ) ; 213,4-18 (S. 443). 3 Der Text steht auch bei B. A. van Groningen, De papyro Oxyrhynchita 1380 (Groningen 1921); G. Manteuffel, De opusculis Graecis Aegypti e papyris lapidibusque collectis (Warschau 1930) Nr. 2; M. Totti, Texte Nr. 20. Die zitierten Zeilen sind 18-21, 73-81. 4 Der Ort liegt nördlich des heutigen Suezkanals.

7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth

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In dem uns erhaltenen Teil des Textes werden 123 Orte, Gaue und Landschaften aufgezählt. Die Angaben über die Beinamen der Göttin treffen zu; so ist Leto die Hauptgöttin von Lykien und Eleuthera die Göttin von Myra. In Indien heißt Isis nach diesem Text „Maia". § 166 Isis umfaßte sämtliche Göttinnen. Isidoros von Narmuthis hat im ersten Jahrhundert v. Chr. Isis so gepriesen: 1 πλουτοδότι βασίλεια θεών, Έ ρ μ ο υ θ ι ανασσα, παντοκράτειρα, Τύχη 'Αγαθή, μεγαλώνυμε Τ Ιοι, Δηοΐ ύψιστη — οσσοι δέ ζώουσι βροτοί επ' άπείρονι γαίηι, Θράκες και "Ελληνες και οσσοι βάρβαροι είσι οΰνομά σου τό καλόν, πολυτίμητον π α ρ ά πάσι, φωναΐσι φράζουσ 1 ίδίαις, ίδίαι ένί πάτρηι. Ά σ τ ά ρ τ η ν "Αρτεμίν σε Σύροι κλήζουσιν " Α ν α ι α ν και Λυκίων έθνη Λητοϋν καλέουσιν ά ν α σ σ α ν μητέρα δή κλήζουσι θεών και Θρήϊκες άνδρες"Ελληνες δ' Ή ρ η ν μεγαλόθρονον ή δ' Ά φ ρ ο δ ί τ η ν και Έ σ τ ί α ν άγαθήν και 'Ρείαν και Δήμητρα· Αίγύπτοι δέ ΘΙΟΥΙΝ, ότι μούνη ει σύ άπασαι αί υπό των έθνών ονομαζόμενοι θεαί αλλαι. „Reichtumgebende Königin der Götter, Herrin Hermuthis, Allesbeherrschende, Göttin guten Gelingens, Isis mit dem großen Namen, Oberste Deo (= Demeter) Alle Menschen, die auf der unendlichen Erde leben, Thraker, Griechen und Barbaren, sprechen deinen schönen Namen, der bei allen hochgeehrt ist, in ihrer Sprache, in ihrer Heimat aus. Die Syrer nennen dich Astarte, Artemis, Anaia 2 ; die Völker der Lykier nennen dich Herrin Leto; die thrakischen Männer rufen dich „Mutter der Götter", die Griechen Hera auf dem großen Thron und Aphrodite und gute Hestia (Herdgöttin) und Rhea und Demeter, aber die Ägypter „Thiuis" (die Eine) 3 , weil du, die Eine, alle anderen Göttinnen bist, welche die Völker mit ihren Namen benennen." Ähnliche Listen mit den vielen Namen der Isis stehen bei Appuleius, Met. XI 2 und 5, s. § 482 und 484. § 167 Neben der Gleichung mit Demeter ist die mit Aphrodite die häufigste. 4 Besonders charakteristisch ist, daß sie in vielen Darstellungen ihre Hand verhüllend vor die Scham hält wie Aphrodite von Knidos in dem Meisterwerk des Praxiteles; die ägyptische Krone zeigt an, daß Isis-Aphrodite gemeint ist.

1 Erster Hymnus, Verse 1 - 3 und 14-24. 2

Anaia = Anahita, Anaitis.

3

Auch in Philae heißt sie „die Einzige", s. H. Junker, Der große Pylon des Tempels der Isis in Philä (1958) 53. 4 Im Iseum zu Pompei ist eine Statue der Aphrodite gefunden worden, die sich die H a a r e auswringt (Abb. 7). Es ist zweifellos Isis-Aphrodite gemeint.

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Zeichnung 2 6 : Bronzestatuette der Isis-Aphrodite nach Roschers Mythologischem Lexikon II 495; Brüssel, Musée royal; L. I. M . C. Isis Nr. 2 5 4 b (V. Tran Tarn Tinh).

§ 1 6 8 Isis ist mit allen Göttinnen identifiziert worden. 1 Als Göttinnen, in deren Gestalt Isis erscheint, seien noch genannt: - Hera (Iuno) 2 - Kore-Persephone 3 - Hekate4 - Athena 5 - Artemis (Dianaψ - Nemesis 7 - Selene 8 - Dikaiosyne (ägyptisch M a ' a t ) 9 - Gaia, Ge, T e l l u s 1 0 1

Vgl. die Zusammenstellung bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie S. 214-234.

2

Pap. Oxy. 1380 (= M. Totti, Texte Nr. 20) 26, 32 usw.

3

Pap. Oxy. 1380,72.

4

Pap. Oxy. 1380,113.

5

Pap. Oxy. 1380,30. Beri. gr. Urk. VI 1216,82 (im Jahr 110 v. Chr.).

6

Pap. Oxy. 1380,84; Isidoros von Narmuthis 118 (s. § 166).

Roussel 1 3 8 - 1 4 0 = I. Délos 2038, 2062/3; Appuleius, Met. XI 5,4 Rhamnusia. κυρία 7 Ισις Νέμεσις 'Αδράστεια. 7

P. G. M. VII 503

8 Pap. Oxy. 1380,104; Enkomion aus Maroneia (M. Totti, Texte Nr. 19 = S. E. G. 26, 821) 19. Vgl. das pompeianische Fresko Abb. 67 (rechte Figur). 9

Roussel 117 = 1. Délos 2079.

10

S. § 11.

7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth

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- Hygieia1 - Astarte2 - T h e r m u t h i s (Agathe T y c h e ) . 3 M a n k o n n t e sie als H i m m e l s g ö t t i n (Urania) 4 , A l l h e r s c h e r i n 5 und Allgöttin ( P a n t h e a ) 6 auffassen, wie a u f der L a m p e aus C a m p a n i e n . Zeichnung 2 7 : Tonlampe. Auf einem Thron sitzt eine geflügelte Göttin (Nike) mit Helm und Helmbusch (Athena), in der linken Hand ein Füllhorn (Isis). Sie spendet aus einer Schale für eine heilige Schlange (Harpokrates), die sich um eine Cista mystica mit Früchten windet. Zwischen der Cista und den Füßen der Göttin eine Fackel (Kore-Persephone), unter ihrem T h r o n ein Adler (Zeus-Sarapis). Links von der Cista eine Keule (Herakles) und ein Sistrum (Isis), darüber eine Leier (Apollon), eine Z a n g e (Hephaistos), ein H e r o l d s t a b (Hermes) und ein Thyrsosstab (Dionysos). Links über dem K o p f der Göttin ein jugendliches Gesicht (Helios) über einer Mondsichel, darunter wohl ein Globus mit Himmelsäquator und Zodiacus; dann eine Ähre (Demeter) und zwei Mohnkapseln (Persephone), an welchen zwei Schellen hängen (wohl Anspielung auf Eleusis); darüber eine Taube ( A p h r o d i t e ) . H i n t e r dem H e l m b u s c h ein Geierkopf (Isis), unter den Flügeln ein Delphin (Poseidon). V. Tran Tarn Tinh, Campanie S. 6 9 als "IS 2 1 " mit Tafeln X X X - X X X I , fig. 4 0 (Photographie) und 40bis (Zeichnung, hier wiederholt). Aus Neapel. Ähnliche Lampen sind verzeichnet bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie S. 2 1 1 / 2 Anm. 4. Ein Berliner Exemplar bildet ab Fr. Eichler, Österr. Jahresh. 3 9 , 1 9 5 3 , 2 5 .

1

Roussel 124 = I. Délos 2 0 6 0 .

2

Roussel 82 und 194 = I. Délos 2 1 0 1 und 2 1 3 2 .

3 So in den Hymnen des Isidoros von Narmuthis. Vgl. auch in § 1 3 9 (Zeichnung 2 2 ) die Terrakottafigur mit Sarapis und Isis(-Thermuthis) als Schlangen sowie die pompeianischen Fresken Abb. 2 6 , 60 und 67. 4 Vgl. die Statue im Louvre Abb. 108 und das pompeianische Fresko Abb. 99 = Farbtafel VII. In den Versen 6 - 7 des Anubishymnus aus Kios heißt es: τ Ισις, ήν τέκεν Ουρανός Εϋφρονίδης επί κύμασι πόντου (Vidman 3 2 5 = I. Κ. 2 9 , 2 1 [Th. Corsten]). 5

παντοκράτωρ Vidman 4 2 = I. G. V 2, 4 7 2 = W. Peek, Griech. Vers-Inschr. 1 1 6 3 (Megalopolis).

6

Die Statuette Abb. 114 stellt Isis Panthea dar.

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7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth

Sie trug den Beinamen „die Unbesiegte" {invictaj1 und konnte auch den Namen Euthenia „Überfluß, Fülle" tragen; als solche ist sie dargestellt in der Statuette zu Alexandria (Abb. 106). Auf einer Münze Hadrians steht neben der gelagerten Isis die Beischrift „Aegyptos" (Abb. 245). Der häufigste Beiname der Isis ist μυριώνυμος, „die mit den zehntausend Namen". 2 Statuen der Isis sind zu Hunderten erhalten. Besondere Erwähnung verdient die in ägyptischem Stil gehaltene Statue aus dem Iseum von Pompei (Abb. 6). Im Bildteil findet man Statuen von Isis mit Sistrum und Situla, 3 Isis-Demeter-Selene, 4 Isis-Tyche pelagia, 5 Isis mit ägyptischer Geierhaube 6 und ägyptischen Königssymbolen. 7

Isis die Eine, die Herrin (κυρία, domina), die Retterin (σώτειρα) § 169 Eine Weihinschrift aus Capua lautet: 8 Te tibi, una quae es omnia, dea Isis, Arrius Balbinus v(oti) c(ompos) „Arrius Balbinus widmet dich (d. h. dein Standbild) dir, Göttin Isis, die du als die Eine (auch zugleich) Alles bist, denn mein Wunsch ist erfüllt." In den „Stundenwachen" für Osiris, die in Hieroglyphen aufgezeichnet sind, spricht eine Darstellerin in der Rolle der Isis: „Ich bin die Einzige." 9 § 170 Vielfach wird Isis einfach „Herrin" genannt. Eine rituelle Akklamation lautete Μεγάλη Τ Ισις ή κυρία, „Groß ist die Herrin Isis." 10 Noch nach der Zerstörung des alexandrinischen Sarapeums beklagt sich der Patriarch Kyrillos (412-444) darüber, daß Kranke im Isistempel zu Menuthis Heilträume suchten und nach dem Erwachen erklärten: „Gesprochen hat die Herrin: Tue das und das." 1 1 O f t heißt sie auch „Retterin" (σώτειρα) 12 , und als „Hebamme" (λοχία) 13 half sie bei der Geburt. 1 Vidman 402 (Rom); Statue aus Köln Abb. 107 = Vidman 718; auch Vidman 719 (ebenfalls aus Köln) und Appuleius, Met. XI 7 (numen invictum). 2

Vidman 721 (Köln) und oft.

3

Abb. 29, 89 und die Münzen aus Magnesia Abb. 243/244. Auch die Isis aus Ras-el-Soda bei Alexandria (Abb. 86) hielt vermutlich in der rechten Hand eine Situla. 4 5 6 7

Abb. Abb. Abb. Abb.

8

88 und 99. 95-97. 90. 91.

Vidman 502, Dessau 4362; Photographie des Steins bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie pl. XXIX.

9

H. Junker, Die Stundenwachen in den Osirismysterien (1910) S. 59 (51) und S. 117 (66). G. Roeder, Urkunden S. 38. 10

P. G. M. XXIVa; I. G. XIV, 2413,3 Anmerkung (Graffito).

11

Migne, P. G. 77,1105 εί'ρηκενή κυρά.

12 Ζ. Β. bei Isidoros von Narmuthis I 26; eine Serie weiterer Belege bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie 226/7 (auch σώζουσα und sospitatrix, dies bei Appuleius, Met. XI 9,1; 15,4 und 25,1). In einem hübschen Gedicht des Philippos von Thessalonike bringt Damis ein Opfer dar. Er dankt für Rettung aus Seenot und bittet Isis, ihn nun auch aus der Armut zu retten (Anth. Pal. VI 231 = Gow - Page, The Greek Anthology II, The Garland of Philip 2773-80). 13

Vidman 107 (Beroia in Mazedonien).

7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth

99

Isis-Tyche und Isis-Pronoia (Providentia), Herrin des Schicksals und der Nilflut § 171 Isidoros hat, wie wir oben gesehen haben, Isis auch die Göttin des guten Gelingens (Τύχη Α γ α θ ή ) genannt. Im älteren Griechischen hätte man das „gut" nicht als nähere Bestimmung der Tyche benötigt, denn Tyche heißt „das Treffen". 1 Aber schon in hellenistischer Zeit muß man Tyche mit „Glück" übersetzen, und das Glück kann günstig sein oder auch nicht. So galt Tyche als eine wankelmütige Göttin, ebenso wie ihre lateinische Entsprechung Fortuna, und man vergewisserte sich der guten Absichten, indem man das „gut" zum Namen der Tyche hinzusetzte; Tyche allein konnte vielleicht auch nur der Zufall sein. § 172 Der Gegensatz zum Zufall war, so lehrten die griechischen Philosophen, die Vorsehung Gottes, πρόνοια. Auch dies ist ein Beiname der Isis gewesen. 2 M a n hat daraus ein weiteres Zeichen für ihre allumfassende Wirkung gewonnen: Sie war Zufall (Fortuna) und Vorsehung (Providentia) in Einem. § 173 Wie ihr Gatte Sarapis ist auch Isis zur Herrin des Schicksals geworden, als die Menschen in späthellenistischer und römischer Zeit befürchteten, alles Leben sei unabänderlich durch den Gang der Sterne bestimmt. Isis hatte ihren Platz oberhalb der Planeten und konnte für die von ihr begünstigten Menschen das Schicksal ändern. So heißt es in der Selbstoffenbarung: 3 „Ich besiege das Fatum; das Fatum gehorcht mir." § 174

Auch Isis galt als Göttin der Nilflut. 4 Isidoros von Narmuthis rühmt sie: 5 Νεΐλον χρυσορόαν πείθουο' άνάγεις κατά [ώρας] Αιγύπτου έπί γήν άνδράσιν εύτερπίην εύανθεΐ τότε καρπός άπας, και παοι μερίζ[εις], οισι θέλεις, ζωήν π α ν τ ο δ α π ώ ν αγαθών.

„Mit deiner Überredung führst du den golden-strömenden Nil zur rechten Zeit in das Land Ägypten, zur Freude der Männer; dann erblüht alle Frucht, und du teilst allen, denen du geben willst, den Lebensunterhalt mit jeglichen guten Gaben zu." Und nochmals: σήι δυνάμει Νείλου ποταμοί πληρούνται άπαντες ώρηι όπωρινηι, και λαβρότατον χεΐθ' ΰδωρ γαϊαν πασαν επι, IV άνέγλιπα καρπός ΰπάρχηι. 1 Τύχη ist von dem Stamm τυχ- „treffen" abgeleitet, vgl. den Aorist τυχεΐν; nur das Praesens τυγχάνειν hat die Bedeutung „zufällig sein". 2

Pap. Oxy. 1380,85.

3

Zeilen 55-56; s. Kap. 9.

4

Pap. Oxy. 1380 = M. Totti, Texte Nr. 20,125 την κ α ί τ ό ν Νείλον έπί π α σ α ν χ ώ ρ α ν έπανάγουσαν. In Philae spricht sie zu Ptolemaios XIII.: „Ich gebe dir den Nil" (H. Junker, Der große Pylon des Tempels der Isis 53). 5

II 17-20 und 1 1 1 - 1 3 .

100 7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth „ D u r c h deine w u n d e r b a r e M a c h t füllen sich alle Flußläufe des Nils zur Sommerszeit; gewaltig ergießt sich das Wasser über das ganze Land, damit unermeßliche Frucht entstehe." D a ß die Nilflut aus den T r ä n e n der Isis entstand, haben wir oben (§ 123) gesehen; über IsisSothis als Herrin des Hundssterns, der ebenfalls die Flut anzeigt, s. § 205. Z u Isis gehörten die Götter Anubis und T h o t h .

Anubis § 175 Anubis, der schakal- oder hundsköpfige Gott, illegitimer Sohn der N e p h t h y s u n d des Osiris, hat seiner Pflegemutter Isis bei der Suche geholfen (s. § 15). Bei allen Prozessionen, in denen die Suche nachgespielt w u r d e , 1 ging ein Darsteller des Anubis mit. Ein maskenartiger Aufsatz, den ein Isisverehrer auf den Schultern getragen hat, in Abb. 156; s. ferner die Zeichnung.

Zeichnung 28: Aus J. Leipoldt, Umwelt des Christentums III Abb. 241 nach A. Mariette, Dendera IV pl. XXXI; vgl. J.-C. Grenier, Anubis pl. XLIII 2. Ein Priester setzt einem anderen die Anubismaske auf.

* Diodor I 87,3 ενιοι δέ φασι της "Ισιδος προηγουμένους τούς κ ί ν α ς καθ' δν καιρόν έζήτει τον Ό σ ι ρ ι ν τά τε θηρία και τούς άπαντώντας άπείργειν, ετι δ' εϋνοϊκώς διακειμένους συζητείν ώρυομένους· διό και τοις Ίσείοις προπορεΰεσ&αι τους κΰνας κατά την πόμπην, των καταδει|άντων τοΰτο τό νόμιμον σημαινόντων την παλαιάν τοϋ ζώου χάριν. „Einige sagen, daß die Hunde der Isis vorausliefen, als sie Osiris suchte, und die (wilden) Tiere und die Begegnenden abschreckten und ihr außerdem in freundlicher Gesinnung beim Suchen halfen und jaulten; und deshalb gingen an den Isisfesten bei den Prozessionen die Hunde voraus; die Leute, welche dies eingerichtet hätten, deuteten damit auf die Hilfe, welche das Tier in alter Zeit der Göttin geboten habe."

7 Isis mit den zehntausend Namen, die EINE; Anubis und Thoth

101

Auf den Abbildungen der Isisprozession geht mehrfach der hundsköpfige Gott voran, so auf den Reliefs aus Savaria (Abb. 147) und Klein-Glienicke (Abb. 146). Auch auf der Keramikschale aus Lyon ist der hundsköpfige Dämon zu erkennen (Zeichnung 34, § 288). Auf mehreren Terrakotta-Figuren und Lampen sieht man Isis und neben ihr die kleineren Figuren des Harpokrates und Anubis (Abb. 150/151). M a n wird diese Gefäße als verkürzte Darstellungen einer Prozession verstehen. Vgl. auch die Anubisfigur (Abb. 10) unter den pompeianischen Isispriestern. Die Gestalt des Anubis dürfte für das zuschauende Volk eine Hauptattraktion bei den Isisprozessionen gewesen sein. 1 Im Bildteil zwei Reliefs mit Darstellungen des Anubis (Abb. 130 und Abb. 144). § 176 Im Totenkult war Anubis Leiter der Balsamierung und Mumifizierung, bzw. in seiner Rolle der Priester, welcher diese Aufgabe übernahm; s. § 44. Wegen seiner Funktion im Totenkult haben die Griechen Anubis mit Hermes gleichgesetzt, der die Seelen ins Jenseits geleitete. Thoth § 177 Der Arzt unter den ägyptischen Göttern war Thoth. Auch von ihm haben die Griechen gesagt, er sei dieselbe Person wie Hermes. Thoth galt auch als Erfinder der Schrift. Beim Prozeß des Horos gegen Seth hat er das Urteil der Götter verkündet; beim Totengericht schrieb er das Urteil auf. Er war auch der Gott des Mondes, des Messens und des Kalenders; der Mond ist der Stern, der die Zeit mißt. Der erste Monat des Jahres hieß nach ihm Thoth, und im idealen Jahr der Ägypter fiel der 1. Thoth auf den 19. Juli, den Tag der Nilflut.

1 Charakteristisch ist, daß in den spätrömischen Kalendern die großen Isisprozessionen des Monats N o v e m b e r durch die Figur des Anubis bezeichnet werden. M a n sehe das Kalendermosaik aus Thysdrus (El-Djem in Algerien) im L. I. M . C. unter Anubis Nr. 4 4 (J. Leclant) und die Novemberbilder des Filocalus Nr. 41; vgl. J. Strzygowski, Die Calenderbilder des Chronographen v o m Jahre 3 5 4 (Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, Ergänzungsheft I, 1 8 8 8 ) 7 8 - 8 0 mit Tafel X X X ; H. Stern, Le calendrier de 3 5 4 (Paris 1953) 2 7 9 - 2 8 3 ; Inscriptiones Italiae XIII 2 , 2 5 8 / 9 ; K. M . D. Dunbabin, The Mosaics of Roman North Africa (Oxford 1978) 111 mit Abb. 99 (plate XXXVIII).

8

Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

ού γάρ τις π ο τ α μ ώ ν έναλίγκιος ε π λ ε τ ο Νείλωι, ο ΰ τ ' ίλύν βαλέειν ο ΰ τ ε χ θ ο ν ό ς ο λ β ο ν ά έ ξ ε ι ν Kein F l u ß ist dem Nil gleich, nicht im A b l a g e r n des Schlamms, nicht im M e h r e n des W o h l s t a n d e s im L a n d . Dionysios Periegetes 2 2 8 - 2 2 9

Reisen auf dem Nil; Pilgerfahrten § 1 7 8 Für den Ägypter gehörte der Nil zum Leben. Der Strom w a r zu jeder Zeit von vielen Schiffen b e f a h r e n ; der binnenländische V e r k e h r erfolgte im A l t e r t u m zu W a s s e r . F ü r alle B e w o h n e r der Mittelmeerländer w a r der Nil ein W u n d e r der N a t u r . Die fremden, oft seltsamen T i e r e und Pflanzen und die prachtvollen Tempel entlang dem Fluß beschäftigten die Phantasie. Eine Schiffsreise auf dem Nil war ein Vergnügen einziger Art. Selbstverständlich w a r nicht jeder Reisende auch ein Verehrer von Sarapis und Isis. Caesar ist mit Kleopatra n a c h der Beendigung des alexandrinischen Krieges den Nil hinauf g e f a h r e n , 1 Seneca bis zum ersten K a t a r a k t bei Syene (Assuan) gereist. 2 Septimius Severus hat sich stets gern seiner Reise durch Ägypten erinnert. 3 § 1 7 9 Für die f r o m m e n Verehrer der ägyptischen G ö t t e r spielte der Nil eine besondere R o l l e , und wenn viele nur zum Vergnügen a u f dem Fluß reisten, so w a r für die D i e n e r des Sarapis und der Isis eine Fahrt auf dem Nil eine f r o m m e Pilgerfahrt. W e r von Alexandria stromaufwärts reiste, bekam viel zu sehen. Z u n ä c h s t fuhr m a n den Nila r m „ A g a t h o s D a i m o n " hinauf. 4 D e r Fluß selbst, der sich durch das L a n d schlängelt, ist als Schlange aufgefaßt worden, welche Glück bringt.

1

Sueton, Caesar 52; Appian, Bell. civ. II 90.

2

Nat. quaest. IVa,2.

3 Hist. Aug. Sept. Sev. 17,4 iucundam sibi peregrinationem banc propter religionem dei Sarapidis et propter rerum antiquarum cognitionem et propter novitatem animalium vel locorum fuisse Severus ipse postea semper ostendit; nam et Mempbim et Memnonem et pyramides et labyrinthum diligenter inspexit. Der Kaiser soll aus fast allen Heiligtümern Bücher mitgenommen haben, die irgendwelche Geheimnisse enthielten (Cassius Dio L X X V 13,2 p. 3 5 0 , 1 3 - 1 5 Boissevain). 4S.

§ 163.

8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

103

Memphis, die alte Hauptstadt, Apis-Stier und Kinderorakel § 1 8 0 Stromaufwärts fahrend kam man zur Spitze des Nildeltas. Etwas südwärts erreichte m a n M e m p h i s , die alte Hauptstadt des L a n d e s t Hier fand in der späteren Ptolemäerzeit die Krönung jedes neuen Herrschers nach pharaonischem Ritus statt. 2 Die Stadt enthielt viele Heiligtümer. Der berühmteste Tempelbezirk war der des Apis. Beim T o d e des heiligen Stiers fanden große Beisetzungsfeierlichkeiten statt; die riesigen Särge sind aufgefunden worden. Anschließend wurde im ganzen Land nach einem neuen Apis gesucht. Er wurde an bestimmten äußeren Zeichen, vor allem einem h a l b m o n d f ö r m i g e n H a u t f l e c k e n , erkannt, und das „Finden" des neuen Apis wurde durch ein Fest gefeiert. § 181 Beim Apisheiligtum gab es ein berühmtes Kinderorakel. Wer den Gott konsultieren wollte, sagte ihm - dem heiligen Stier in seinem Stall 3 - die Frage ins Ohr, über welche er Auskunft begehrte. D a n n hielt er sich die Ohren zu und ging hinaus. Vor dem Heiligtum spielten fast immer Kinder. Im Freien angekommen, nahm der Orakelsucher die H ä n d e v o n den Ohren, und die ersten Worte, welche er von den spielenden Kindern hörte, galten als v o m Gott inspirierte Antwort. 4 Auf einem Inschrift-Stein zu Memphis soll die Selbstoffenbarung der Isis gestanden haben, s. Kap. 9. § 1 8 2 In der N ä h e von M e m p h i s konnte m a n die Pyramiden sehen, die auch wir noch bewundern. Weiter stromaufwärts besichtigte m a n das „Labyrinth", den heute weitgehend zerstörten Totentempel des Amenemhet III.5

1

Strabon XVII 1,31 p. 807; Plinius, Nat. hist. V 50.

2

Vgl. das Priesterdekret von Rosette (O. G. I. 90); Nigidius Figulus in den Scholien zu den Aratea des Germanicus p. 88,12 und 157,9 Breysig. Im Töpferorakel wird verheißen, daß der Gott Agathos Daimon die neugegründete Stadt am Meer (Alexandria) wieder verlassen und in die alte Hauptstadt Memphis zurückkehren wird (L. Koenen, Z. P. E. 2, 1968, 206-207). 3 Dies muß man wohl annehmen, wenn man den in der nächsten Anmerkung zitierten Bericht des Pausanias über das Hermes-Orakel zu Pharai sinngemäß auf das Apis-Orakel zu Memphis überträgt. 4 Pausanias VII 22,2-4 berichtet über das Orakel des Hermes Agoraios in einem heiligen Hain bei Pharai in Achaia, in der Nähe von Patrai. Wer eine Weisung des Gottes wünscht, geht in den Hain, bringt die üblichen Opfer dar και έρωτοα προς τό οΰς τον θεόν όποιον τι και έκάστωι τό έρώτημά έστι· τό άπό τούτου δέ άπεισιν έκ της άγοράς έπιφραξάμενος τά ώτα. προελθών δέ ές τό έκτος τάς χείρας άπέσχεν άπό των ώτων, και ήςτινος αν έπακούσηι φωνής, μάντευμα ηγείται. - Vgl. Dion Chrysostomos in seiner Rede an die Alexandriner (or. 15 bzw. 32, § 13) ϊστε δήπου τάς τοϋ "Απιδος φήμας . . . έν Μ έ μ φ ε ι . . . δτι παίδες άπαγγέλλουσι παίζοντες τό δοκούν τώι θεώ ι, και τούτο «ψευδές πέφηνεν. Aelian, De natura animalium XI 10 μάντις δέ ήν ά ρ α άγαθος ó Τ Απις . . . παίδες δέ άθύροντες εξω και πρός αυλούς σκιρτώντες έπίπνοοι γενόμενοι σύν τώι ρυθμωι αύτά έκαστα προλέγουσιν, ώς είναι αληθέστερα . . . τα λεχθέντα. Plinius, Nat. hist. Vili 185 hi greges (se. puerorum) repente lymphati futura praecinunt. Uber die Kinderorakel in den ägyptischen Tempeln spricht auch Plutarch, De Iside 14. Für das Kinderorakel zu Memphis s. Xenophon von Ephesos V 4,11 (s. § 605). 5 Bei Hawara, am Zugang zum Fayum. Herodot II 148, Diodor I 66, Plinius, Nat. hist. XXXVI 84, Strabon XVII 1,37.

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Koptos und das H a a r der Isis; Theben § 1 8 3 D e r wichtigste O r t weiter stromaufwärts war in der Römerzeit K o p t o s . D o r t zweigte die Straße a b , auf der die W a r e n Indiens vom R o t e n M e e r her und die Produkte der Steinbrüche zum Nil g e b r a c h t wurden. Die Stadt hatte eine r ö m i s c h e G a r n i s o n und einen Isistempel, in welchem die L o c k e gezeigt wurde, welche sich Isis in der T r a u e r um Osiris abgeschnitten hatte. Die Göttin hatte hier den Beinamen „Isis von der L o c k e " ( τ Ισις τριχώματος). 1 In dem Tempel fand zur Zeit der Nilflut eine mystische Feier statt, vermutlich mit einer W i e derholung der T o t e n k l a g e und des Abschneidens der L o c k e . 2 § 184

Bald nach K o p t o s k a m T h e b e n , w o m a n die Königsgräber (die Syringen) und die Sta-

tue des M e m n o n besuchte. 3

Syene, das heilige Wasser, der Katarakt, Philae § 1 8 5 Bei Syene erreichte man den ersten K a t a r a k t , die Südgrenze des eigentlichen Ägypten. Unzählige Pilger haben die Fahrt unternommen, nicht nur aus Ägypten, sondern von weither. J u v e n a l berichtet von einer bigotten römischen D a m e , welche bis n a c h „ M e r o e " reiste (sat. 6,526-528):

si candida iusseri Io ibit ad Aegypti finem calidaque petitas a Meroe portabit aquas, „ w e n n die weiße Io (= Isis) es befiehlt, wird sie bis ans Ende Ägyptens reisen und das W a s s e r heimbringen, welches sie aus dem heißen M e r o e geholt h a t " . M e r o e w a r die Hauptstadt Äthiopiens, des heutigen Sudan. M a n wird J u v e n a l so verstehen dürfen, daß die D a m e bis zur Grenze zwischen Ägypten und Äthiopien, bis zum ersten K a t a r a k t gereist ist. D a s Nilwasser von dort (von Syene und Elephantine) w a r besonders heilig, denn dies w a r die Stelle, w o sich die neue Flut zuerst zeigte. 4 M a n hat es in Flaschen aufgefangen und mit nachhause g e n o m m e n , bis nach R o m . Natürlich wollten die Pilger auch die W e l t sehen und Abenteuer erleben. D e r g r o ß e W a s s e r fall beim ersten K a t a r a k t - der heute durch den B a u des S t a u d a m m s verschwunden ist - w a r

1 Plutarch, De Iside 14; Etymologicum Magnum s. ν. Koptos p. 5 5 2 , 1 2 - 1 9 ; Pap. Michigan VIII 5 0 2 ; E. Bernand, Ζ. Ρ. E. 45 (1982) 1 0 3 - 1 0 4 (Photo der Inschrift) = M. Totti, Texte Nr. 67 = A. Bernand, Les portes du désert (1984) Nr. 71. Unter der „Locke der Isis" darf man sich einen großen Papyrusbüschel vorstellen, s. § 85 (D. Bonneau). - Auch in Memphis wurde die Locke der Isis verehrt, s. Lukian, Adversus indoctum 14. 2 Vgl. Lactantius Placidus zu Statius, Thebais I 264/5 („Mareotica . . . Coptos"): Aegypti, in qua lo versa in Isidem colitur; cuius sacris sistro celebratis Nilus exaestuat.

civitas

Mareotica

3

Vgl. A. und E. Bernand, Les inscriptions grecques et latines du Colosse de Memnon (Le Caire 1960).

4

Vgl. schon § 56 (mit dem Zitat aus dem Totenbuch 173,60).

8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

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eine Sehenswürdigkeit. Der Gott ließ dort aus „reinem Mund zahmen Schaum hervorsprudeln". 1 § 186 Jenseits des Kataraktes lag das Ziel der Reise, die heilige Insel Philae mit ihren prächtigen Tempeln (Abb. 182/183). Sie ist heute im Stausee vor dem Damm von Assuan untergegangen. Auf den Tempelwänden standen Inschriften, welche Pilger nach dem Erreichen ihres Ziels in die Wände eingegraben haben. 2 Philae war nicht nur den Ägyptern heilig, sondern auch den Nubiern im Süden; sie kamen aus Meroe herabgefahren, um Isis von Philae anzubetend § 187 Neben Philae lag eine andere Insel, auf welcher sich eines der Osirisgräber befand. 4 Nur Geweihte durften den Ort betreten; er hieß „der Unbetretbare" (αβατον). Hierüber zitiert der Vergilkommentator Servi us5 aus dem Buch des Seneca über Ägypten: Hie (sc. Seneca) dicit citrcfi Syenen, extremam Aegypti partem, esse locum, quem Philas, hoc est arnicas, vocant ideo quod illic est placata ab Aegyptiis Isis, quibus irascebatur quod membra mariti Osiridis non inveniebat, quem frater Typbon occiderat. quae inventa postea cum sepelire vellet, elegit vicinae paludis tutissimum locum, quam transitu constat esse difficilem; limosa enim est et papyris referta et alta, ultra banc est brevis insula, inaccessa hominibus, unde Abatos appellata est . . . haec palus Styx vocatur, quod tristitiam transeuntibus gignit. sane ad illam insulam ab his qui sacris imbuti sunt certis transitur diebus. (Seneca) „sagt, daß jenseits von Syene, dem letzten Ort Ägyptens, ein Platz liegt, den man .Philae', das heißt freundlich' nennt, weil dort Isis von den Ägyptern besänftigt worden ist. Sie hatte ihnen gezürnt, weil sie die Glieder ihres Gatten Osiris, den Typhon getötet hatte, nicht fand. Nachdem Isis die Gebeine gefunden hatte, wählte sie zur Bestattung einen sicheren Ort nahe einem Sumpf, der schwer zu überqueren ist, denn er ist schlammig und voll von Papyruspflanzen und tief. Danach befindet sich eine kleine Insel, die von Menschen nicht betreten wird, weshalb sie ,Abatos' (die Unbetretbare) heißt. Dieser Sumpf heißt ,Styx', weil er bei den Hinüberfahrenden Traurigkeit hervorruft. Aber die in die heiligen Riten Eingeweihten setzen an bestimmten Tagen auf die Insel über."

* P. G. M. IV 9 4 2 (= Abrasax I S. 4) και καθαρών στομάτων άφρόν ήμερον έξαναβλύζων. Aus dem „zahmen" Schaum wird die „zahme Speise", das Getreide, hervorwachsen, welche dem Menschenfressen ein Ende gesetzt hat (s. Kap. 9, Selbstoffenbarung Zeile 21). Der Schaum ist das Fruchtbarkeit bringende Nilwasser. 2 Herausgegeben von A. und E. Bernand, Les inscriptions grecques et latines de Philae I—II ( 1 9 6 9 ) ; einige Beispiele bei M . Totti, Texte N r . 2 6 - 3 5 . Neue Inschriften bei A. Bernand, De Thèbes à Syène ( 1 9 8 9 ) Nr. 3 0 7 - 3 4 4 .

3 Auch von ihnen sind Erinnerungsinschriften erhalten, z. Β. E. Bernand, Inscr. Philae II Nr. 1 5 8 , 1 8 0 , 1 8 1 , 1 9 7 = M. Totti, Texte Nr. 3 6 - 3 9 . 4 Vgl. H. Junker, Das Götterdekret über das Abaton, Wien 1 9 1 3 (Denkschriften der kaiserlichen Akad. der Wiss. in Wien, Phil.-hist. Klasse, Band 56). G. Roeder, Urkunden 3 1 - 3 3 . 5

Zu Aeneis VI 154.

^ circa die Handschriften, von mir korrigiert.

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8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

Pflanzen und Tiere § 188 Über Flora und Fauna Ägyptens u n d N u b i e n s haben die Reisenden gestaunt. Es gab damals n o c h viele Papyruspflanzen, die heute verschwunden sind; es gab die südlichen Vögel; im Fluß lebten Krokodile und Flußpferde.

Der Nil in der bildenden Kunst § 189 Der Nil w a r auch ein beliebtes T h e m a f ü r Gemälde 1 , M o s a i k e n u n d Statuen. In vielen H ä u s e r n zu R o m , Pompei und H e r c u l a n u m waren Nillandschaften mit exotischen Tieren zu sehen; statt Menschen sind o f t Zwerge (Pygmäen) dargestellt. S. Abb. 1 6 6 - 1 6 8 und 181 und die Zeichnung.

Zeichnung 29: Römisches Tonrelief. Man blickt durch Arkaden auf eine Nillandschaft. Auf dem Tempeldach und dem Pylon sitzen die heiligen Vögel, darunter auf dem Nil eine Barke, Krokodile und ein Nilpferd. Nach A. Erman, Die Religion der Ägypter (1935) S. 421 Abb. 179. Vgl. H. v. RohdenWinnefeld, Architektonische römische Tonreliefs der Kaiserzeit (1911) S. 156 („Berlin, Antiquarium Nr. 1339").

§ 190 Eine prächtige Darstellung des Flußlaufes zur Zeit der Flut, von den Bergen Äthiopiens bis h i n a b n a c h A l e x a n d r i a , ist auf dem M o s a i k v o n Praeneste (Palestrina) e r h a l t e n (Abb. 1 6 9 - 1 8 0 ) . § 191

Ein Mosaik aus Sabathra (in Tripolitanien) zeigt eine Nilprozession (Abb. 155).

1 Philostrat, Imagines I 5 beschreibt ein Bild des Nils mit „ellengroßen" Knaben und Krokodilen, welches sich in Neapel befunden hat (s. I praef.). Für die ellengroßen Knaben s. § 191.

8 N i l , N i l f l u t , Sothis-Stern, Sothis-Periode

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§ 192 Mehrere der sakralen Landschaften im Isistempel zu Pompei liegen am Nil (Abb. 2 2 24 und Farbtafel VI 1 ). Auf dem Fresko Abb. 66 = Farbtafel Villa sieht man eine Tempellandschaft am heiligen Fluß. In der Mitte der pompeianischen Casa dell'Efebo (unter freiem Himmel) befindet sich ein Triclinium. Auf den Innenwänden der U-förmig angeordneten Liegebänke ist die Nilflut gemalt (Abb. 82). Im Hintergrund sieht man an der Wand die wilden Tiere Äthiopiens. Schließlich befindet sich im H a u s des Octavius Q u a r t i o ein Nil en miniature, der in § 4 2 4 besprochen wird. Dort ist auch eine Statuette des liegenden Nilgottes gefunden worden (Abb. 42).

D a s Fest der Nilflut § 193 Zur Zeit der Nilflut bot der Fluß ein einzigartiges Schauspiel. D a s L a n d war fast gänzlich vom Wasser überschwemmt. Dörfer ragten wie kleine Inseln aus der Flut, wie der Urhügel des ägyptischen Mythos. An Arbeit war nicht zu denken; die Bevölkerung feierte ein langdauerndes Fest. 2 Es wird im Nilhymnus des altägyptischen Dichters Cheti beschrieben: Wenn er steigt, dann ist das Land in Jubel, dann ist jeder Bauch in Freude. Jeder Kiefer bricht in Lachen aus, jeder Zahn ist entblößt. Er, der Nahrung bringt, reich an Speisen, Schöpfer alles Gereiften; Herr der Anschwellung, mit süßem Duft, Gnadenreicher, wenn er k o m m t . . . M a n stimmt dir ein Lied auf der Harfe an, man singt dir mit Handzeichen; Generationen deiner Kinder jubeln dir zu, man rüstet dir ein Fest aus. 3 § 194 Der griechische Dichter Hedylos (3. Jahrh. v. Chr.) hat das Lied, welches man zur Feier der Nilflut sang, so beschrieben: 4 κώμου σύνθεμα και θαλίης Νείλος όκοΐον άναξ μύσταις φίλον Ιεραγωγοΐς εΰρε μέλος θειων πάτριον έξ υδάτων,

1 Für die F a r b t a f e l VI vgl. den K a t a l o g „ A l l a ricerca di I s i d e " N r . 1 . 4 0 (S. 5 0 ) mit der Ü b e r s i c h t der Bilder dieser W a n d S. 3 0 . 2 D a s N i l f e s t w i r d in den antiken Q u e l l e n o f t beschrieben; ich h a b e die wichtigsten Stellen in m e i n e m B u c h „ I s i s f e s t e in g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e r Z e i t " ( 1 9 6 3 ) 1 4 - 1 9 z u s a m m e n g e s t e l l t . In d e m reichen B u c h v o n D a n i e l l e B o n n e a u , L a crue d u N i l , divinité égyptienne (Paris 1 9 6 4 ) ist b e s o n d e r s e i n s c h l ä g i g Teil III „ L e culte de la c r u e " (S. 2 1 5 - 4 4 3 ; d a r i n 361—420 „ L e s fêtes de la crue d u N i l " ) . 3

J . A s s m a n n , H y m n e n N r . 2 4 2 , 2 2 - 2 6 und 8 6 - 8 9 (S. 5 0 1 u n d 5 0 4 ) ; M . L i c h t h e i m I 2 0 6 und 2 0 8 .

Bei A t h e n a i o s X I 9 7 (p. 4 9 7 D E , ed. K a i b e l 3 , 9 6 - 9 7 ) ; G o w - Page, T h e G r e e k A n t h o l o g y , Hellenistic E p i g r a m s , V e r s e 1 8 4 8 - 5 0 ; P. M . F r a s e r , Alex. II 8 1 5 A n m . 1 5 4 . - Ein neuer N i l h y m n u s in H e x a m e t e r n in Ζ . P. E. 1 0 6 ( 1 9 9 5 ) 9 7 - 1 0 6 (R. Cribiore). 4

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8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

„ein Signal für einen Festzug und die Festfreude, ein von den Vätern her ererbtes Lied für die göttliche Wasserflut, wie es der Herrscher Nil für seine Mysten erfunden hat, wenn sie die heiligen Gegenstände (in Prozession) geleiten". § 1 9 5 M a n schöpfte das frische, heilige Wasser aus dem Fluß und trank es. Im Nilhymnus des Cheti heißt es: „ M a n trinkt Wasser; jedes Auge ist auf ihn (den Nil) gerichtet." 1 § 1 9 6 Der Grieche Aristainetos schreibt: „Die Ägypter, und zwar das ganze Volk, feiern ein Fest für den Nil. Alle Männer und Frauen gehen in die Theater der Städte, und jeder M a n n und jede Frau verspeisen, was sie mitgebracht haben. Sie bilden Chöre und singen dem Nil Lieder, wie sie sonst für Zeus gesungen werden, weil der Nil die Aufgabe des (Regengottes) Zeus vollführt und das Land bewässert." 2 „Während der ganzen Zeit der F l u t " , berichtet Diodor, „hat die Menge keine Arbeit und wendet sich zu Entspannung und Vergnügen; sie bewirten sich die ganze Zeit und genießen alles, was Freude macht, ohne Scheu." 3 Die Felder sind überschwemmt; ein Verkehr von D o r f zu D o r f ist nur noch mit Kähnen und Schiffen möglich, und die Ägypter fahren auf den Schiffen über die Felder.^ Sie waren ohnedies gewöhnt, an Festtagen zu Schiff von Stadt zu Stadt zu fahren;· 5 der Nil war ihnen der natürliche, bequemste Verkehrsweg. § 1 9 7 Ausführlich schildert der Redner Himerios (4. Jahrh. n. Chr.) das Fest: „ W e n n die Ägypter das Demeterfest feiern und sich auf der Tenne (beim Dreschen) mühen, dann ergießt sich (der Nil) in hoher Flut aus Äthiopien und macht plötzlich aus ganz Ägypten ein M e e r . Dann kann man das große Wunder in jenem Land sehen: Auf derselben Erde ist ein und derselbe M a n n Schiffer und Ackersmann; und man kann Kühe weiden sehen und kurz darauf Lastschiffe, und eine im Land gelegene Stadt plötzlich als Insel. Es heißt, daß ganz Ägypten es sich zu dieser Zeit gut gehen läßt und im Reigen tanzt und Lieder singt; die Lastschiffe fahren wie sonst auf dem Nil, aber nicht nur zu nützlichem Zweck, wie sie noch gestern fuhren; vielmehr ziehen sie sozusagen in Prozession auf dem Fluß einher, der zum M e e r geworden ist; die Schiffsleute sind überglücklich und tanzen alle und hantieren statt mit dem Schiffsgerät mit den Zymbeln."6 1

J . Assmann, Hymnen Nr. 2 4 2 , 4 5 (S. 5 0 2 ) ; M . Lichtheim I 2 0 7 .

Bei F. J a c o b y , F. gr. Hist. 6 2 3 F 1 (aus dem Kommentar des M ö n c h s Nonnos zur Rede des Gregor von Nazianz gegen Julian, bei Migne, P. G. 3 6 , 1 0 5 2 ) : έορτάζουσι τώι Νείλωι οί Αιγύπτιοι έορτήν πανδημεί, πάντες και πάσαι έρχόμενοι περί τά θέατρα των πόλεων, κάκεΐσε θοινώνται έκαστος και εκάστη, δ εχει. χορούς δέ συστησάμενοι άιδουσι τώι Νείλωι ώιδάς, αϊ τώι Διί άιδονται, ώς του Νείλου τό τοϋ Διός έργον ποιοΰντος και αρδοντος την χώραν. 2

3 I 3 6 , 1 0 οί δ' όχλοι πάντα τον της πληρώσεως χρόνον άπολελυμένοι τών έργων είς άνεσιν τρέπονται, συνεχώς έστιώμενοι και πάντων τών προς ήδονήν ανηκόντων άνεμποδίστως απολαύοντες.

4 Seneca, Nat. quaest. IVa 2 , 1 1 Latent campì opertaeque sunt valles; oppida insularum modo exstant. nullum in mediterraneis nisi per navigia commercium est. Der Vergleich der Ortschaften mit Inseln schon bei Herodot II 9 7 und Diodor I 3 6 , 8 . 5 M a n sehe Herodots Schilderung des großen Festes zu Bubastis (II 5 9 - 6 0 ) . ^ Himerios XLVIII 8 - 9 (p. 1 9 9 , 8 6 - 2 0 0 , 9 9 Colonna) έπειδάν δέ ΑΙγύπτιοι Δημήτρια θύσαντες περί τάς άλως πονήσωσι, τότε εκχυθείς (se. ó Νείλος) έξ Αιθιοπίας πολύς, πέλαγος εξαίφνης άπασαν ποιεί

8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode 109 Abends wurde oft illuminiert, s. § 297.

Durchstechen der Deiche und Sieg der Flut § 198 Die Seitenkanäle, durch welche das Nilwasser auf die Felder geleitet wurde, waren zunächst durch Deiche versperrt. Wenn das Wasser der Nilflut hoch genug gestiegen war, wurden sie feierlich durchstochen und eröffnet; das Fruchtbarkeit bringende N a ß ergoß sich über das ausgetrocknete Land, Horos Sohn des Osiris hatte über Seth, Gott der Trockenheit, gesiegt. § 199 Diese Vorstellung lag dem feierlichen Schauspiel zugrunde, welches in ApollonopoIis/Edfu zur Zeit der Nilflut inszeniert wurde. 1 Von Süden (aus Nubien) nach Norden (bis zum Mittelmeer) zu Schiff fahrend besiegt Horos in immer neuem Kampf die Krokodile und Nilpferde, welche sich quer zum Fluß gelegt haben und den Weg des Horos hindern wollen. Horos trifft sie mit seiner Lanze, d. h. er durchsticht den Damm und eröffnet den Weg. § 200 Überschwemmungs-Manöver haben mehrfach in Kriegen eine Rolle gespielt und sind als Siege des Horos-Königs über die Rebellen verstanden worden. In dem Priesterdekret, welches auf dem Stein von Rosette erhalten ist, wird Ptolemaios V. Epiphanes dafür gepriesen, daß er im Jahr 198/7 v. Chr. die Rebellen besiegt hat, welche sich in Lykopolis (im Delta) gegen ihn erhoben hatten: „Er belagerte die Stadt und umgab sie mit gewaltigen Dämmen, Gräben und Mauern, und als der Nil eine große Flut schickte, die sonst die Felder überflutet hätte, hielt er ihn an vielen Orten zurück und verstopfte die Mündungen der Flußarme . . . So nahm er in kurzer Zeit die Stadt mit Gewalt und tötete die Aufrührer in ihr alle, wie Re und Horos, der Sohn der Isis und des Osiris, früher an demselben Ort die Aufrührer überwältigt hatten." 2 § 201 Auch im Raphiadekret wird ein Zusammenhang zwischen der Nilflut und dem Sieg des Königs angedeutet. Der König ist zur Zeit der Flut nach Ägypten zurückgekommen. „Die Bewohner Ägyptens empfingen ihn . . . Er fuhr zu Schiff durch Ägypten. Die Tempelinsassen erwarteten ihn . . . mit der Zurüstung und den übrigen Dingen, die man bei einer solchen Fahrt zu bringen pflegt, indem sie bekränzt waren und ein Fest feierten." 3 τήν Α'ίγυπτον. 'ίδοις άν, ϊδοις καί τά μεγάλα τότε κατά τήν έκεΐσε χώραν θαύματα, επί μιας γης πλωτήρα τόν αυτόν καί γηπόνον, καί νεμομένας βοϋς καί μετ' ολίγον όλκάδας, καί νησον έξαίφνης τήν πρόσθεν πάλιν χερσεύουσαν. τότε δή τότε πάσαν εϋπαθεΐν λόγος τήν Α'ίγυπτον έν χοροις τε είναι καί μελεσιπλέουσι μέν τόν ΝεΤλον αί συνήθεις όλκάδες, ού κατά χρείαν μόνον, ώσπερ καί πρώην άνήγοντο, άλλ' οίον πομπήν τινα δια του πελάγους τώι ποταμώι πομπεύουσαι· οί δέ δή πλωτήρες αυτών ΰπερήδονται καί πάντες χορεύουσιν, άντί των οπλών των ναυτικών φέροντες κύμβαλα. 1

Vgl. § 122. Ο. G. I. 90,23-27 άντικαθίσας χώμασίν τε καί τάφροις καί τείχεσιν αυτήν (sc. Λύκων πόλιν) άξιολόγοις περιέλαβεν του τε Νείλου τήν άνάβασιν μεγάλην ποιησαμένου . . . καί είθισμένου κατακλύζειν τά πεδία κατέσχεν έκ πολλών τόπων όχυρώσας τά στόματα των ποταμών . . . έν όλίγωι χρόνωι τήν τε πόλιν κατά κράτος είλεν καί τους έν αύτήι ασεβείς πάντας διέφθειρεν, καθάπερ [Φρ]ής καί ΤΩρος ό της "Ισιος καί Όσίριος υιός έχειρώσαντο τους έν τοις αΰτοΐς τόποις άποστάντας πρότερον. 3 H.-J. Thissen, Studien zum Raphiadekret S. 21 (Zeile 27 des demotischen Textes). Die zweite Hälfte des Satzes ist auch in griechischer Sprache erhalten: καί τάλλα τά νομιζόμενα προς τήν τοιαύτην ΰποδοχήν στεφανοφοροϋντες καί πανηγυρίζοντες (S. E. G. 8, 467; Α. Bernand, La prose sur pierre dans l'Égypte hellénistique et romaine I [1992] S. 39, Nr. 14 A 1-4). 2

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8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

§ 202 Als Augustus Ägypten in das römische Reich eingliederte, hat der erste Statthalter, C. Cornelius Gallus, einen Aufstand im Süden des Landes niedergeworfen; auch er hat sich gerühmt, daß er seinen Sieg „mit Hilfe des Nils" 1 gewonnen habe. § 203 Im Roman des Heliodor wird beschrieben, wie der Äthiopierkönig Hydaspes seine Feinde durch Zurückstauen des Nils und anschließenden Dammdurchstich besiegt. 2

Das Fest des „Zeichens" (σημασία) § 204 Der Nil stieg im Juli und August von Tag zu Tag höher. Wenn im August an den Nilometern eine bestimmte Marke erreicht war, wurde das Fest der σημασία gefeiert, „das Zeichen ist erreicht". Das Wasser war so hoch gestiegen, daß man keine Sorgen mehr hatte, ob genügend Land eingesät werden könne. 3 Auf Münzen aus Alexandria sieht man das personifizierte „Zeichen" (Semasia) auf einem Pferd reiten, in der erhobenen rechten Hand den Palmzweig schwingend (Abb. 231-232).

Isis-Sothis auf dem Hund, Sol in Leone § 205 Daß die Nilflut um die Zeit eintrat, wo der Sirius (ägyptisch Sothis) zum erstenmal wieder am Morgen kurz vor Sonnenaufgang erblickt wurde, war den Ägyptern schon im Alten Reich bekannt (§ 23). Isis galt als Herrin des Sothis-Sterns. Die Griechen nannten den Sirius „Hundsstern". Man hat in der griechisch-römischen Zeit das heilige Datum - den Beginn der Nilflut - durch Darstellungen gezeigt, auf welchen Isis auf einem Hund reitet. Eine solche Gruppe war auf dem Iseum Campense in Rom zu sehen. 4 Vgl. die Reliefs Abb. 112 und 113, die Münzen Abb. 111 und 233 sowie die Terrakotta, Zeichnung 30. 5 In der Selbstoffenbarung sagt die Göttin: „Ich bin es, die auf dem Hundsstern aufgeht." 6

1 E. Bernand, Inscr. Philae II Nr. 128: Gallus hat die Inschrift gesetzt θ ε ο ΐ ς π α τ ρ [ φ ο ι ς , Ν]είλωι συλλήπτορι χαριστήρια, lateinisch die[is] patriéis et Nil[o adiutori d(onum) d(edit). 2

In Buch IX.

3

Vgl. D. Bonneau, Revue d'Égyptologie 2 3 (1971) 4 9 - 6 5 , besonders 58f., und Le fisc et le Nil (1967) 3 6 und 64; E. Bernand, Inscriptions grecques et latines d'Akôris S. 57/58 Nr. 4 0 - 4 1 (σημεΐον, σημασία). 4

Cassius Dio LXXIX 10,1 (p. 4 6 3 , 2 4 Boissevain).

5

Vgl. die Übersicht bei G. Clerc, Mélanges M. J. Vermaseren (EPRO 68, 1978) I 2 4 7 - 2 8 1 .

6 S. das nächste Kapitel; vgl. auch P. G. M. VII 4 9 5 und Plutarch, De Iside 2 1 , 22, 38 und 61.

Τ

Ισι Σώθι, das Kanopos-Dekret (Ο. G. I. 5 6 , 3 6 )

8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

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Zeichnung 30: Isis-Sothis auf dem Hunde; Terrakottagruppe in Berlin, Inv. 9956. Nach A. Erman, Die Religion der Ägypter (1935) S. 391 Abb. 161; bei W. Weber, Die griechisch-ägyptischen Terracotten (1914) S. 51 Nr. 36 mit Tafel 3.

In diesen Bildern soll zum Ausdruck kommen: Isis hat zur Zeit des Aufgangs des Sothissterns - als Isis-Sothis - den gesuchten Gatten wiedergefunden, der Nil steigt, ein neuer Jahreszyklus beginnt. § 2 0 6 Ein anderes Symbol für die Nilflut ist die Büste des Helios über einem springenden Löwen mit einem Stern (Abb. 234). Das Jahr des Himmels war in die zwölf Abschnitte des Zodiacus unterteilt; man kann diese Abschnitte als „Himmelsmonate" bezeichnen. Die Nilflut tritt ein, wenn die Sonne sich bei ihrem jährlichen Umlauf im Zeichen des Löwen befindet (17. Juli - 16. August); spezieller gerechnet, an demjenigen Tag, wo der Sirius-Stern (die Sothis) zum erstenmal wieder am Morgenhimmel gesichtet wird.

Sothis-Periode und Vogel Phönix § 2 0 7 Die alten Ägypter hatten ihren Neujahrstag auf diesen Tag gelegt, den 19. Juli unseres Kalenders. Der Tag war heilig, weil die Nilflut begann. Sie haben einen Sonnenkalender erdacht, 1 in welchem es 12 Monate zu 30 Tagen und fünf Schalttage gab. Der erste Monat hieß nach Thoth, dem Gott der Rechenkunst, des Kalenders und der Schrift, und der 1. Thoth sollte auf den Tag des Sirius-Aufgangs fallen. Aber dieses Jahr war um einen Vierteltag zu kurz; es fehlte jener Schalttag, den wir nach dem julianischen Kalender in jedem vierten Jahr einschieben. So verschob sich der ägyptische Neujahrstag im Verhältnis zum Tag des Sirius-Aufgangs alle vier Jahre um einen Tag. Vier Jahre nach der Einführung des Kalenders fiel der 1. Thoth auf den 20. Juli unseres Kalenders, acht Jahre später auf den 2 1 . Juli, während der Sirius unverändert am 19. Juli aufging. Nach 120 Jahren hatte man 30 Tage verloren, der 1. Thoth fiel auf den 18. August. Man hat dann beide Tage gefeiert, den Sothis-Aufgang als Tag der Nilflut und den 1. Thoth als Neujahrstag. Der Neujahrstag entfernte sich alle 120 Jahre um einen weiteren Monat vom Sothis-Aufgang und wanderte durch die Jahreszeiten. Erst nach 1461 Jahren trat wieder der Fall ein, daß der Neujahrstag (1. Thoth) und der Sirius-Aufgang auf denselben Tag fielen. Man nennt diesen Zeitraum eine Sothisperiode. 1 „This calendar is . . . the only intelligent calendar which ever existed in human history" (O. Neugebauer, The E x a c t Sciences in Antiquity 81).

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8 Nil, Nilflut, Sothis-Stern, Sothis-Periode

§ 2 0 8 Zur Illustration diente der Mythos von dem heiligen Vogel Phönix. 1 Er galt als eine Verkörperung des Urgottes, der sich nach ägyptischer Meinung selbst erzeugte, oder auch als Verkörperung des Osiris. 2 Die Lebensdauer des Phönix war dieselbe wie die der Sothisperiode, 1 4 6 1 Jahre. 3 Er lebte in „Phönizien", im Sonnenland, im Osten oder im Süden, und wurde niemals gesehen. Aber wenn er, nach Ablauf seiner Lebenszeit, den T o d herannahen fühlte, dann flog er nach der ägyptischen Stadt Heliupolis, legte dort sein Ei und verbrannte sich selbst. Aus dem Ei schlüpfte kurz danach der Sohn, der neue Phönix. In der Regierungszeit des Kaisers Antoninus Pius, im Jahr 1 3 9 n. Chr., lief eine Sothisperiode ab und eine neue begann. Das Jahr wurde von der kaiserlichen Münzstätte in Alexandria durch die Emission von Münzen mit dem Bild des Phönix gefeiert (Abb. 2 2 5 / 2 2 6 ) . Auf dem Priestergewand von Saqqara betet Isis den Phönix an (Abb. 2 0 6 ) . § 2 0 9 Horapollon sagt in seinem Buch über die Hieroglyphen, daß die Ägypter einen Phönix zeichnen, wenn sie die Nilflut bezeichnen wollen. 4 Der Phönix sei auch ein Symbol für die Wiederkehr des Weltalls in seinen ursprünglichen Zustand,· 5 womit die Wiederkehr der Sothisperiode nach 1 4 6 1 Jahren gemeint ist. Im Totenbuch wird der Phönix mit Osiris identifiziert; er galt als Symbol für die ewige Folge von Tod und Wiedergeburt/ In einem Rätsel des Symposius, dessen Lösung „Phönix" ist, heißt es (Nr. 31): Vita mihi mors est; morior si, coepero

nasci,

„Der T o d bedeutet für mich Leben; wenn ich sterbe, fängt meine Geburt an." M a n kann damit den Spruch 6 7 0 (§ 1 9 7 5 ) der ägyptischen Pyramidentexte vergleichen: „ Y o u have gone, but you will return; you have slept, but you will awake; you have died, but you will live." 7

1 Monographien von J. H u b a u x - M . Leroy, Le mythe du phénix ( 1 9 3 9 ) und R . van den Broek, The M y t h of the Phoenix ( E P R O 2 4 , 1 9 7 2 ) . 2

Totenbuch 1 7 , 8 (S. 6 1 E. Hornung).

3

Manilius bei Plinius, Nat. hist. X 5; Tacitus, Ann. VI 2 8 .

I 3 4 βουλόμενοι γ ρ ά ψ α ι . . . πλημμύραν φοίνικα τό δρνεον ζωγραφοϋσι. Vgl. die Zeichenliste in Α. Gardiner, Egyptian Grammar unter G 3 1 „heron, ardea cinerea or ardea purpurea" = bnw; G 3 2 „heron on a p e r c h " = b c hi „be inundated". 4

5 II 5 7 άποκατάστασιν δε πολυχρόνιον βουλόμενοι σημήναι φοίνικα τό δρνεον ζωγραφοΰσι. 6 Spruch 1 7 , § 8, Zeile 4 4 „Ich bin jener große Phönix, der in Heliopolis ist . . . W a s bedeutet das? Osiris ist es" (Hornung S. 6 1 - 6 2 ; weitere Belege in seinem Index auf S. 5 4 0 ) . 7 R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Pyramid Texts ( 1 9 6 9 ) 2 8 5 . Angeredet wird der tote König als Osiris.

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Ich bin Isis εγώ τό είμαρμένον νικώ Ich besiege das Schicksal I. K. 5, 4 1

Eine Offenbarungsrede der Isis; Priesterinnen in der Rolle der Göttin § 2 1 0 Isis ist in hellenistischer Zeit in solchem M a ß hellenisiert worden, daß sie ebenso als Griechin wie als Ägypterin gelten konnte. Dies hat seinen Niederschlag gefunden in einem T e x t , der in fast gleichlautender F o r m in drei Isis-Heiligtümern gefunden worden ist, in Kyme, Thessalonike und auf der Insel los; 1 auf Andros ist eine Fassung in H e x a m e t e r n erhalten, 2 und in der Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. zitiert Diodor denselben Text.^ Wahrscheinlich ist er - auf Stein oder Papyrus - in allen Heiligtümern der Isis vorhanden gewesen. 4 Es ist ein kultischer T e x t , in dem Isis selbst spricht und den Menschen offenbart, daß sie alle Zivilisation gebracht hat. Er ist in hellenistischer Zeit, vielleicht schon im dritten Jahrhundert vor Christus, abgefaßt worden. 1 Kyme: I. K. 5, 41 (H. Engelmann) = hier § 212. Thessalonike: Ch. Edson, I. G. X 2, fase. 1, 254; los: F. Hiller v. Gaertringen, I. G. XII Suppl., 14, p. 98. Vgl. M. Guarducci, Epigrafia Greca IV 138; M. Totti, Texte Nr. 1. 2

I. G. XII 5, 739; W. Peek, Der Isishymnus von Andros (1930); M. Totti, Texte Nr. 2.

3 I 27. Auch in der auf Stein eingemeißelten Festrede für Isis und Sarapis aus Maroneia wird auf diese Schrift Bezug genommen: Y. Grandjean, Une nouvelle arétalogie d'Isis à Maronée (EPRO 49, 1975); S. E. G. 26, 821; M. Totti, Texte Nr. 19. 4 Man nennt diesen Text meistens eine „Aretalogie", aber diese Bezeichnung ist irreführend: Die Macht der Isis wird hier nur in ganz allgemeiner Form gepriesen. Eine Aretalogie bezeugt eine einzelne Tat (άρετή, δύναμις) und soll mit Nennung von Zeugen beweisen, daß die Gottheit ein Wunder vollbracht hat, daß sie wirklich existiert und in das Leben der Menschen eingreift. Aretalogien sind Texte, die eine spezielle άρετή darstellen; sie entsprechen ungefähr den christlichen miracula, wie sie ζ. B. Augustin in De civitate dei X X I I 8 gesammelt hat (de miraculis, quae ut mundus in Christum crederet facta sunt). Die Selbstoffenbarung ist in mehreren ausgezeichneten Arbeiten besprochen worden: R. Harder, Karpokrates von Chalkis und die memphitische Isispropaganda, Abhandl. preuss. Akad. der Wiss. 1943 Nr. 14 A. Festugière, Harv. Theol. Rev. 4 2 (1949) 2 0 9 - 2 3 4 = Etudes de religion grecque et hellénistique (1972) 138-163 D. Müller, Ägypten und die griechischen Isis-Aretalogien, Abhandl. sächs. Akad. der Wiss. 53 (1), Leipzig 1961 Jan Bergman, Ich bin Isis. Studien zum memphitischen Hintergrund der griechischen Isisaretalogien. Acta Universitatis Upsaliensis, Historia religionum 3, Uppsala 1968.

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9 Ich bin Isis

§ 2 1 1 Der erste Satz lautet: „Ich bin Isis." Dies bedeutet, daß eine Priesterin in der Tracht der Göttin in feierlicher Zeremonie vor die Gemeinde getreten ist und mit diesen W o r t e n zu verstehen gegeben hat: „Ich stehe vor euch in der Rolle der Isis, und was ich sage, das spricht die Göttin durch meinen Mund." In den ägyptischen Texten stehen oft die Worte „Ich bin . . . " zur Bezeichnung einer Rolle. 1 Im Griechischen schwingt um die Worte έγώ είμι eine göttliche Aura. 2 Wir besitzen viele Darstellungen, in welchen Priesterinnen in der Tracht und damit in der Rolle der Isis dargestellt worden sind. 3 Es handelt sich immer um Grabsteine, auf welchen festgehalten wird, daß die Verstorbene die ruhmvolle Rolle der Göttin gespielt hat. Diese Rolle war nicht allein auf die Offenbarungsrede beschränkt; auch bei den Prozessionen ist - wie sich aus den Reliefs ergibt - oft eine Priesterin in der Kleidung der Göttin mitgegangen. Aber der Höhepunkt dieses sakralen Rollenspiels dürfte die Offenbarungsrede gewesen sein, welche auf die Worte „Ich bin Isis" folgte. 4 Für Beispiele solcher Grabsteine sei verwiesen auf Abb. 1 5 7 - 1 6 4 und die Zeichnung.

1 Ζ . B. stellt sich der Priester in der Rolle des Anubis im Totenpapyrus Rhind vor mit den W o r t e n : „Ich bin es, der den W e g ö f f n e t " (G. M ö l l e r , Die beiden T o t e n p a p y r u s R h i n d des M u s e u m s zu E d i n b u r g , Leipzig 1 9 1 3 , S. 2 3 ) . - D a ß Priester in der Rolle der G ö t t e r auftraten, ist sicher; vgl. ζ. B. die in § 3 7 8 besprochene Zeremonie im Kult des Imuthes-Asklepios, w o es heißt: „ D u siehst den G o t t in Gestalt eines Priesters, der mit Byssos bekleidet ist und Sandalen an den Füßen t r ä g t " (Abrasax II S. 8 0 = Pap. demot. M a g . IV 8). 2 Eigentlich darf nur ein G o t t sagen: έγώ είμι (L. R a d e r m a c h e r , Griechische Quellen zur Faustsage S. 3 8 , 1 ) . Die Stelle im Johannesevangelium 1 8 , 5 wird erst verständlich, wenn man an diese Bedeutung des έγώ είμι, denkt: Als dort Jesus diese W o r t e spricht, weichen die H ä s c h e r , welche ihn gefangen nehmen sollen, zurück und fallen zu Boden, denn das έγώ είμι offenbart ihnen die göttliche N a t u r Jesu. 3 E. J . W a l t e r s , Attic Grave Reliefs that Represent W o m e n in the Dress of Isis, Hesperia Suppl. X X I I ( 1 9 8 8 ) ; J . Eingartner, Isis und ihre Dienerinnen in der Kunst der römischen Kaiserzeit, M n e m o s y n e Suppl. 1 1 5 ( 1 9 9 1 ) . Darstellungen von Isispriesterinnen findet man auch sonst oft. G e n a n n t seien die Fresken aus dem Iseum zu Pompei (Abb. 1 3 und 2 5 ) , aus dem „ H a u s der L i v i a " zu R o m (Abb. 7 6 / 7 7 ) sowie das G r a b m a l der Fabia Stratonice (Abb. 1 6 5 ) . Auch die weibliche Figur mit Sistrum und Hydria auf dem M o n u m e n t des Astragalus zu R o m wird eher eine Priesterin sein als die Göttin selbst (Abb. 1 9 6 ) . 4

Klar erkannt von J . Bergman, Ich bin Isis 2 2 2 und 2 2 9 .

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Zeichnung 31. Die Priesterin Isias in der Tracht der Göttin, in der erhobenen rechten Hand das Sistrum, eine eckige Klapper, in der Linken das Schöpfgefäß (situla). Nach F. H. Marshall, Greek Inscriptions in the Brit. Mus. IV 2, 1023. - Pfuhl - Möbius, Ostgriech. Grabreliefs I 3 7 6 mit Photo Tafel 61; J . Eingartner, Isis und ihre Dienerinnen, Kat. 98 (S. 143) mit Tafel LXII; I. K. 23, 10 (G. Petzl). Die Inschrift lautet: (Im Kranz) ό δή-μος (das Volk hat den Kranz verliehen), und über dem Relief Ίσιάδα Μητροδώρου Λαοδικίδα (für Isias, Tochter des Metrodoros, aus Laodikeia). Laodikeia ist wohl Laodikeia am Lykos. G. Petzl notiert: „Nach van der Horst stammt die Stele von einer Insel."

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Wortlaut der Offenbarung § 212

Die Offenbarungsrede lautet: 1

Ich bin Isis, die Herrin jedes Landes. Ich wurde von H e r m e s ( - T h o t h ) erzogen, und h a b e mit Hermes die Schrift erfunden, die Hieroglyphen und die demotische Schrift, d a m i t nicht alles mit denselben Zeichen geschrieben werde. (4) έ γ ώ ν ό μ ο υ ς ά ν θ ρ ώ π ο ι ς έ ϋ έ μ η ν , κ α ι Ich habe den Menschen Gesetze gegeben und Gesetze erlassen, die niemand a b ä n d e r n kann. έ ν ο μ ο θ έ τ η σ α α ουδείς δύναται μ ε τ α ϋ ε ΐ ν α ι . Ich bin die ä l t e s t e T o c h t e r d e s K r o n o s (5) έγώ ε ί μ ι Κ ρ ό ν ο υ Φυγάτηρ πρεσβυτάτη. (= Geb).

(3) Ε ι σ ι ς έγώ ε ί μ ι ή τ ύ ρ α ν ν ο ς πάσης χώρας, και έπαιδεύϋην υπό Έ ρ μ ο υ , και γράμματα ε ΰ ρ ο ν μ ε τ ά Έ ρ μ ο υ , τά τ ε ι ε ρ ά κ α ι τα δημόσια, ίνα μ ή τοις αύτοΐς πάντα γράφηται.

(6) έ γ ώ ε ί μ ι γ υ ν ή κ α ι α δ ε λ φ ή Ό σ ί ρ ι δ ο ς βασιλέως. (7) έγώ είμι ή καρπόν ά ν θ ρ ώ π ο ι ς εΰροϋσα.

Ich bin die Frau und Schwester des K ö n i g s Osiris. Ich h a b e für die M e n s c h e n die Feldfrucht gefunden.

1 I. K. 5, 41 (H. Engelmann); M. Totti, Texte Nr. 1. Die Einleitung zu diesem Text lautet auf dem kymäischen Stein: (1) Δημήτριος 'Αρτεμιδώρου ό καΐ Θρασέας Μάγνης άπό Μαιάνδρου "Ισιδι εΰχήν. (2) τάδε έγράφη έκ της στήλης της έν Μέμφει, ήτις εστηκεν προς τω Ήφαιστιείω. „Demetrios, Sohn des Artemidoros mit dem

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(8) έγώ είμι μήτηρ "Ωρου βασιλέως. (9) έγώ είμι ή έν τω του Κυνός άστρφ έπιτέλλουσα. (10) έγώ είμι ή παρά γυναιξί θεός καλούμενη. (11) έμοί Βοΰβαστος πόλις φκοδομήθη. (12) έγώ έχώρισα γήν άπ' ούρανοΰ. (13) έγώ άστρων όδούς έδειξα. (14) έγώ Ηλίου και Σελήνης πορείαν συνεταξάμην. (15) έγώ θαλάσσια εργα εύρον. (16) έγώ τό δίκαιον ίσχυρόν έποίησα. (17) έγώ γυναίκα και άνδρα συνήγαγον. (18) έγώ γυναικί δεκαμηνιαϊον βρέφος εις φως έξενεγκείν έταξα. (19) έγώ υπό τέκνου γονείς ενομοθέτησα φιλοστοργεΐσθαι. (20) έγώ τοις άστόργως γονεϋσιν διακειμένοις τιμωρίαν έπέθηκα. (21) έγώ μετά τοϋ άδελφοΰ Όσίριδος τάς ανθρωποφαγίας έπαυσα. (22) έγώ μυήσεις άνθρώποις έπέδειξα. (23) έγώ άγάλματα θεών τιμαν έδίδαξα. (24) έγώ τεμένη θεών ίδρυσάμην. (25) έγώ τυράννων άρχάς κατέλυσα. (26) έγώ φόνους έπαυσα. (27) έγώ στέργεσθαι γυναίκας υπό άνδρών ήνάγκασα. (28) έγώ τό δίκαιον ίσχυρότερον χρυσίου και αργυρίου έποίησα. (29) έγώ τό αληθές καλόν ένομοθέτησα νομίζεσθαι.

Ich bin die Mutter des Königs Horos. Ich bin es, die im Sternbild des Hundes (des Sirius, der Sothis) aufgeht. Ich bin es, die bei den Frauen die (eine) Göttin genannt wird. Mir wurde die Stadt Bubastos erbaut. Ich habe Himmel und Erde voneinander getrennt. Ich habe den Sternen ihren Weg gewiesen. Ich habe die Fahrt des Helios und der Selene angeordnet. 1 Ich habe die Seefahrt erfunden. Ich habe die Gerechtigkeit mächtig gemacht. Ich habe Frau und Mann zusammengeführt. Ich habe festgesetzt, daß die Frau das Kind nach zehn Monaten ans Licht bringt. Ich habe das Gesetz erlassen, daß die Eltern vom Kind geliebt werden müssen. Ich habe denen, die sich gegen die Eltern lieblos verhalten, Strafe auferlegt. Ich habe mit meinem Bruder Osiris der Menschenfresserei ein Ende gesetzt.2 Ich habe den Menschen die Einweihungsriten gezeigt. Ich habe gelehrt, wie man die Götterbilder ehren muß. Ich habe die heiligen Bezirke der Götter festgelegt. Ich habe die Herrschaft der Tyrannen beseitigt. Ich habe dem Morden ein Ende gesetzt. Ich habe die Männer gezwungen, die Frauen zu lieben. Ich habe das Recht stärker gemacht als Gold und Silber. Ich habe festgesetzt, daß man das Wahre für schön halten muß.

Beinamen Thraseas hat (diese Inschrift) der Isis als Weihgabe aufgestellt. (2) Sie wurde kopiert nach der Inschrift, die in Memphis beim Tempel des Hephaistos(-Ptah) steht." 1 Die Sterne nehmen ihren Weg parallel dem Himmelsäquator (sie drehen sich um die Achse, welche vom Nordpol, dem Polarstern, ausgeht); Helios-Re und Selene fahren auf Schiffen auf einer anderen Bahn, welche schräg zum Himmelsäquator verläuft, der Ekliptik. 2 Durch die Einführung des Ackerbaus. Vgl. den Komiker Athenion bei Athenaios XIV 80 p. 660E661D (Kaibel 3,461-3) = Kassel-Austin, Poetae Comici IV 13-16.

9 Ich bin Isis

(30) έγώ συγγραφάς γαμικάς εΰρον. (31) έγώ διαλέκτους Έ λ λ η σ ι και βαρβάροις έταξα. (32) έγώ τό καλόν και τό αίσχρόν διαγινώσκεσθαι ύπό της φύσεως έποίησα. (33) έγώ ορκου φοβερώτερον ούθέν έποίησα. (34) έγώ τον αδίκως έπιβουλεύοντα α λ λ ω 2 ύποχείριον τω έπιβουλευομένω παρέδωκα. (35) έγώ τοις άδικα πράσσουσιν τιμωρίαν έπιτίθημι. (36) έγώ ίκέτας έλεάν ένομοθέτησα. (37) έγώ τούς δικαίως άμυνομένους τιμώ (38) παρ' έμοί τό δίκαιον ισχύει. (39) έγώ ποταμών και άνεμων και -θαλάσσης ειμί κυρία. (40) ούϋείς δοξάζεται άνευ της έμής γνώμης. (41) έγώ είμι πολέμου κυρία. (42) έγώ κεραυνού κυρία είμι. (43) έγώ πραΰνω κα'ι κυμαίνω -θάλασσαν. (44) έγώ έν ταΐς τοϋ Η λ ί ο υ αύγαΐς είμι. (45) έγώ παρεδρεύω τη τοϋ Η λ ί ο υ πορεία· (46) ο αν έμοί δόξη, τούτο και τελείται. (47) έμοί πάντ' έπείκει. (48) έγώ τούς έν δεσμοϊς λύω. (49) έγώ ναυτιλίας ειμί κυρία. (50) έγώ τά πλωτά ά π λ ω τ α ποιώ, οταν έμοί δόξη. (51) έγώ περιβόλους πόλεων έκτισα. (52) έγώ είμι ή θεσμοφόρος καλουμένη.

1 2

117

Ich habe die Eheverträge erfunden. Ich habe für Griechen und Barbaren (verschiedene) Sprachen angeordnet. Ich habe gemacht, daß man Gut und Schlecht natürlicherweise unterscheidet. 1 Ich habe gemacht, daß nichts furchterregender ist als der Eid. Ich habe ihn, der einem anderen in ungerechter Weise Schaden zufügen will, jenem anderen als Besiegten übergeben. 2 Ich erlege Strafe auf denjenigen, die Unrecht tun. Ich habe die Sitte eingeführt, d a ß man Schutzflehenden Mitleid entgegenbringt. Ich ehre diejenigen, die sich zu Recht wehren; bei mir ist das Recht stark. Ich bin die Herrin der Flüsse, der Winde* und des Meeres. Niemand wird berühmt, ohne daß ich dies beschlossen habe. Ich bin die Herrin des Krieges. Ich bin die Herrin des Donnerkeils. Ich besänftige das Meer und lasse es aufwogen. Ich bin in den Strahlen des Helios. Ich sitze neben Helios bei seinem Weg (über den Himmel); wie ich entscheide, so geschieht es. 4 Mir weicht alles. Ich löse sie, die in Fesseln sind. Ich bin Herrin der Schiffahrt. Ich mache das zu Schiff Befahrbare unbefahrbar, wenn es mir gefällt. Ich habe die Mauern der Städte errichtet. Ich werde genannt „Geberin von Sitte und Recht".

Es gibt ein Naturrecht.

Auf dem Stein steht έ π ι β ο υ λ ε ύ ο ν τ α άλλοις αλλω ύ π ο χ ε ί ρ ι ο ν anderen" (Singular) oder „den anderen" (Plural) lesen.

, man konnte also „dem

Bei den Winden wird vor allem an die „Jahreswinde" (Etesien) gedacht, welche im Sommer von Norden wehen; man dachte, daß sie die Nilflut herbeiführen. 4 Helios-Re fährt auf seiner Barke über den Himmel und sieht alles. N e b e n ihm sitzt Isis und spricht Recht.

118

9 Ich bin Isis

(53) έγώ νήσους έκ β υ θ ώ ν εις φως άνήγαγον. 1 (54) έγώ δμβρων ειμί κυρία. (55) έγώ τό είμαρμένον νικώ. (56) έμοΰ τό είμαρμένον ακούει. (57) χαίρε Αϊγυπτε θρέψασά με.

Ich habe die Inseln aus der Meerestiefe ans Licht emporgehoben. 2 Ich bin die Herrin des Regens. Ich besiege das Fatum (Schicksal). Das Fatum (Schicksal) gehorcht mir. Freue dich, Ägypten, daß du mich großgezogen hast.

Isis hat die Zivilisation gebracht § 213 Die Selbstoffenbarung enthält ein ganzes Programm griechisch-ägyptischer Zivilisation: Isis hat die Welt geschaffen, hat die Grundlagen für ein geordnetes und gerechtes Zusammenleben der Menschen gelegt und wird alle strafen, die sich nicht an die von ihr gegebenen Gesetze und an die Moral halten. Dieses Programm sei, nach unseren Gesichtspunkten geordnet, kurz skizziert. § 214 Kronos.

Genealogie der Götter und damit Nachweis der Legitimität: Isis ist Tochter des Geb-

§ 215 Weltschöpfung: Isis hat Himmel und Erde getrennt, die beiden großen Bahnen am Himmel festgesetzt (Drehung der Fixsterne um die Himmelsachse, Weg von Sonne und M o n d auf der Ekliptik) und die Urinsel(n) aus der Flut emporgehoben. § 216 Nilflut: Sie geht im Hundsstern auf und bringt Ägypten die Nilflut, ist die Herrin der Winde (welche die Nilflut bringen), der Flüsse und des Wassers. § 2 1 7 Ackerbau: Sie hat die Menschen gelehrt, Getreide anzubauen, dem Kannibalismus ein Ende gesetzt und ist die Bringerin von Recht und Sitte, wie Demeter θεσμοφόρος. § 218 Recht und Gesetz: Durch sie ist das Recht mächtig, ist besser als Gold und Silber, der Bestechung überlegen. Die Menschen sollen sich nach der Wahrheit (Ma'at) richten; was gut und was schlecht ist, ist jedem evident. Wer anderen Schaden bringen will, der wird selber Schaden erleiden. 3 Sie hat vorgeschrieben, daß man Hilfesuchenden Mitleid und Hilfe entgegenbringt. Wenn Helios zu Schiff über den Himmel fährt, sitzt sie neben ihm und spricht Recht. § 219 Familie: Isis hat es so eingerichtet, daß die Männer gar nicht anders können als die Frauen zu begehren. Sie ist die Göttin der Frauen und hat zu ihrem Schutz die Eheverträge eingeführt.

1

Auf dem Stein steht εγω ννσσους εγ β[υθ]ων εις φων ανηγαγον.

2

Es wird an den Urhiigel und die weiteren Ortshügel gedacht, welche auf Geheiß der Isis aus dem UrOzean emportauchten. 3

Vgl. Hesiod, Erga 265/6 οι αϋτώι κακά τεύχει άνήρ αλλωι κακά τεύχων, ή δέ κακή βουλή τώι βουλεΰσαντι κάκιστη.

9 Ich bin Isis

119

§ 220 Kult der Götter, Einrichtung der Tempel: Sie hat die Tempel eingerichtet und ihnen Grundbesitz verliehen; 1 für sich selbst hat sie die heilige Stadt Bubastos 2 erbauen lassen. Sie hat den Kult der Götter eingeführt und die Menschen die Initiationsriten gelehrt. § 221 Seefahrt: Isis hat die Seefahrt erfunden, ist Herrin der Winde und der Wasser, kann die Wogen des Meeres beruhigen und aufschäumen lassen. § 222 Die Herrin: Isis befreit aus Fesseln und Banden, ist über alles mächtig, sogar über das unabänderlich scheinende Schicksal. Tyrannen, Eidbrüchige, Mörder müssen sie fürchten; sie siegt im Krieg und erschlägt mit dem Donnerkeil; sie richtet zusammen mit Helios-Re, und ihre Beschlüsse werden in die Tat umgesetzt. § 223 Isis ist gütig und streng. Sie hält die Menschen zu einem moralischen Leben an; wer ihren Geboten nicht folgt, den wird sie bestrafen. Sie setzt durch, daß das Recht regiert. Dieses religiöse Programm ist durch und durch griechisch-rationalistisch. Hinter ihm stehen die vernünftigen Ansichten der griechischen Sophisten wie Prodikos 3 und Protagoras, die in verschiedener Weise von den Stoikern und Epikureern aufgenommen und verbreitet worden sind. M a n findet noch nichts von mystischen Spekulationen; in der hellenistischen Zeit hat der Piatonismus die Köpfe noch nicht beherrscht. Die Selbstoffenbarung enthält auch noch keine subtile Interpretation ägyptischer Hieroglyphen nach geheimem Sinn, wie später in Plutarchs Isis-Traktat. Die griechisch-sprechenden Verehrer der Isis in hellenistischer Zeit haben den ägyptischen Kult als Anleitung zu einfachem, vernünftigem Leben verstanden. Die aus Alexandria ausfahrenden ägyptischen Griechen haben sich bald angeschickt, ihren Kult im Mittelmeerbecken zu verbreiten.

1

Die Tempel waren große Wirtschaftseinheiten.

2

Im Nildelta.

3 A. Henrichs, Harv. Stud, in Class. Philol. 88 (1984) 152-158 zeigt, daß Prodikos eine Gestalt von beträchtlicher Bedeutung gewesen ist. Von Protagoras haben wir dies immer schon gewußt, trotz der karikierenden Darstellung Piatons.

10

A u s b r e i t u n g des Isis- u n d S a r a p i s k u l t e s

αντειπεΐν άνθρωπος ού δύναται τφ κυρίω Σαράπιδι Kein Mensch kann sich Sarapis, dem Herrn, widersetzen Pap. Michigan VIII 511

In pharaonischer Zeit: Syrische Küste und Äthiopien § 2 2 4 Die Religion der Götter um Isis und Osiris war zunächst - wie alle frühen Religionen - die Religion nur eines Volkes, der Ägypter. Da aber die Pharaonen des „Neuen Reiches" (etwa von 1 5 0 0 - 1 0 0 0 v. Chr.) ihren Einfluß weit über Ägypten hinaus ausdehnten, sind ihre Götter überall dort verehrt worden, wo Ägyptens politischer und kultureller Einfluß übermächtig war. Dies gilt vor allem für die Ostküste des Mittelmeeres und für Äthiopien (den heutigen Sudan). § 2 2 5 Der Einfluß Ägyptens auf Palästina, Phönizien und Syrien ist so deutlich, daß ich keine Belege gebe. 1 Welch große Rolle Byblos in den Isismythen spielte, haben wir in § 8 3 - 8 6 gesehen. § 2 2 6 Ebenso evident ist der ägyptische Einfluß auf Äthiopien. 2 Zeitweise haben die Pharaonen den Sudan beherrscht; im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. haben umgekehrt äthiopische Könige Ägypten regiert. In beiden Fällen wurde die überlegene Kultur und Religion Ägyptens zum Vorbild. Herodot (II 29) berichtet von Tempeln des Zeus-Ammon und Dionysos-Osiris in der Hauptstadt Meroe. Die Landesreligion der Äthiopier war eine barbarisierte Form der ägyptischen Religion. Die Nubier haben regelmäßig Wallfahrten zur heiligen Insel Philae unternommen. 3

In ptolemäischer Zeit § 2 2 7 Die ersten Kulte von Isis und Sarapis in Griechenland sind von Händlern begründet worden, die aus Ägypten nach Griechenland kamen, natürlich in Athen, dem größten Hafen des 1 Vgl. G. Hölbl, Ägyptisches Kulturgut im phönikischen und punischen Sardinien ( E P R O 1 0 2 , 1 9 8 6 ) I 1 1 - 5 3 ; A. Erman, Rei. 3 4 8 - 3 5 0 ; S. Morenz, Ägyptische Religion 2 4 4 - 2 5 5 . 2

A. Erman, Rei. 3 5 1 - 3 5 4 ; S. Morenz, Ägyptische Religion 2 5 5 - 2 5 7 .

3S.

S 186.

122

1 0 Die Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes

Landes. Eine attische Inschrift des Jahres 3 3 3 / 2 1 bezeugt ein von Ägyptern erbautes Isisheiligtum. Im J a h r 3 3 1 hat Alexander Ägypten erobert. N a c h seinem T o d ( 3 2 3 ) wurde Ptolemaios Herrscher. Seine Dynastie hat das Land bis 3 0 v. Chr. regiert. § 2 2 8 Die Ptolemäer haben im 3. Jahrhundert v. Chr. zeitweise die ganze Südküste von Kleinasien, Kreta und das ägäische Meer beherrscht. Das Gedeihen ihres Staates hing ab vom Handel über See nach Griechenland und auch von der Möglichkeit, griechische Siedler ins Land zu holen. Sogar an der Nordküste der Ägäis haben sie über längere Zeit militärische Stützpunkte unterhalten, so in Samothrake 2 , Ainos und Maroneia 3 , also vor der Haustür ihrer schärfsten Konkurrenten, der Könige von Mazedonien. M i t diesen Truppen 4 sind auch die Götter der ptolemäischen Dynastie, Sarapis und Isis, in die griechische Inselwelt gekommen. Aber die enge Beziehung dieser Götter zu den Königen von Ägypten hatte zur Folge, daß die Gegner der Ptolemäer Sarapis und Isis zurückhaltend, wenn nicht feindlich entgegentraten.· 5 Z u Ende des 3. Jahrhunderts wurden die Ptolemäer aus der Ägäis verdrängt. So wie Wellen der Flut Gegenstände vom Meer bringen und zurücklassen, wenn Ebbe einsetzt, so hinterließen die von den griechischen Inseln weichenden ptolemäischen Besatzungen die Kultstätten, welche von ihnen eingerichtet worden waren. Jetzt erst kam die Zeit, in der Sarapis und Isis bei den Griechen reüssierten. Ihr Kult hatte nun keine politische Komponente mehr. Verehrer der ägyptischen Götter lebten jetzt unter den Bedingungen der Diaspora, unter den kritischen Augen von Menschen, denen diese Religion fremd war. Nur wer es ernst meinte mit dem Dienst seiner Götter, blieb beim ägyptischen Kult und führte ein korrektes, unanstößiges Leben. Unter solchen Bedingungen kann sich eine Gemeinde konstituieren, die durch ihre Lebensführung Eindruck macht und Proselyten gewinnt. Eine solche Religion beruht wenigstens zum Teil auf persönlicher Entscheidung und bewußter Wahl. Sie wird für viele Anhänger schon eine individualistische Religion gewesen sein.

Die Insel Delos; „Schreinträger" (Pastophoroi) § 2 2 9 Die kleine Insel Delos inmitten der „Kykladen"^ hat bei der Ausbreitung der ägyptischen Kulte eine wichtige Rolle gespielt. Sie war von altersher das sakrale Z e n t r u m der

Π 2

G. II 2 , 3 3 7 = Vidman 1. Sylloge 3 5 0 2 ; O. G. I. 5 4 (Adulis), 1 4 - 1 5 (Hellespont und Thrakien).

Y . Grandjean, Une nouvelle arétalogie d'Isis à Maronée ( E P R O 4 9 , 1 9 7 5 ) ; S. E. G. 2 6 , 8 2 1 ; M . Totti, Texte Nr. 19. Polybios V 3 4 , 8. 3

4 Die Soldaten sprachen griechisch, sie waren Kinder aus Familien, deren Vorfahren - Mazedonier und Griechen - unter den ersten Ptolemäern nach Ägypten eingewandert waren.

5 Klar erkannt von P. M . Fraser, „ T w o Studies on the Cult of Sarapis in the Hellenistic W o r l d " und „Current Problems Concerning the Early History of the Cult of Sarapis", Opuscula Atheniensia 3 ( 1 9 6 0 ) 1 - 5 4 und 7 ( 1 9 6 7 ) 2 3 - 4 5 . ^ Dies heißt wörtlich: „Die im Kreis" (nämlich um Delos) „Herumliegenden".

10 Die Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes 123 ägäischen Inseln. In der frühhellenistischen Zeit gab es einen „Bund der Inselgriechen" 1 , der über längere Zeit hin von den Ptolemäern kontrolliert wurde. Damals kam der Kult von Sarapis und Isis nach Delos. Es hat auf der Insel drei Sarapisheiligtümer gegeben. In einem befand sich auch ein Isistempel, dessen Fassade noch heute steht. 2 Französische Archäologen haben über 2 0 0 Inschriften gefunden, die sich auf den Kult beziehen, 3 dazu Statuen und Kultgegenstände, ζ. B. einen Opferstock. Wir werden die Inschriften aus Delos oft heranziehen. § 2 3 0 Die Verehrer der ägyptischen Götter auf der Insel hießen „Diener" (θεραπευταί). 4 Mehrfach wird ein Kultverein der „Schwarzgewandeten" (μελανηφόροι) bezeugt. 5 Sie trugen ihr schwarzes Gewand wohl bei den Trauerfeiern um Osiris. Diese Schwarzgewandeten findet man wieder in Eretria 6 und in Rom 7 . § 231 Es hat in Delos ein Gebäude gegeben, welches „Pastophorion" hieß, „Versammlungsraum der παστοφόροι (Schreinträger)". 8 Diese Schreinträger sind in Ägypten eine Art clerus minor gewesen, der unter den eigentlichen Priestern s t a n d i Solche Schreinträger sind auf zahlreichen Statuen abgebildet, s. Abb. 2 1 5 - 2 1 7 . In Ägypten wurden die Pastophoren nur zu dienenden Funktionen herangezogen. Der Unterschied zwischen Priestern und Pastophoren wurde für die Kulte in der griechischrömischen Welt von Bedeutung. Ein ägyptischer Priester sollte von priesterlichen Eltern abstammen; 10 dagegen konnte sich jeder fromme Mensch, also auch Bürger griechischer oder römischer Städte, zum Dienst als Pastophoros melden. Nun benötigte man aber in der Diaspora intelligente und wendige Leute, die gut Griechisch oder Lateinisch sprachen und sich in der Welt auskannten. Diese Qualitäten waren in der Regel bei Ägyptern, die in die Priesterkaste und am Nil geboren waren, nicht gegeben; man hätte schwere Nachteile in Kauf nehmen müssen, wenn man die Mission in griechischen und lateini-

1 κοινόν των νησιωτών. Der Zentralort war Delos und zeitweise Andros. Auf Androsist die hexametrische Fassung der Selbstoffenbarung der Isis gefunden worden (s. § 210).

Ph. Bruneau, Recherches sur les cultes de Délos (1970) 4 5 7 - 4 6 6 ; F. Dunand, Le culte d'Isis II 8 3 -

2

115.

3 P. Roussel, Les cultes égyptiens à Délos (1916). Eine gute Übersicht über die Texte auch bei L. Vidman, Sylloge S. 6 2 - 8 7 mit einer Konkordanz der Nummern bei Roussel mit denen der (späteren) Inscriptions de Délos. 4

Roussel 41 = I. G. X I 4, 1306 und oft.

5

M a n findet die Belege in den Indices von Roussel (S. 298) und Vidman (S. 348).

6 Vidman 75 = I . G. XII Suppl., 5 7 1 (p. 185) = Ph. Bruneau, Le sanctuaire et le culte des divinités égyptiennes à Eretrie (EPRO 4 5 , 1975) S. 73 Nr. III. 7 Vidman 4 2 6 - 4 2 7 = Dessau 4 4 2 0 - 2 0 a = C. I. L. VI 2 4 6 2 7 - 2 8 . Isis selbst hat ein schwarzes Gewand getragen, eine palla nigerrima (Appuleius X I 3,5). Vgl. Isidoros von Narmuthis, hymn. 3,34 μελανηφόρε Τ Ισι; Orph. hymn. 4 2 , 9 . 8

Roussel 1 3 0 - 1 3 I b i s = I. Délos 2 1 2 4 und 2 0 8 5 - 2 0 8 6 .

9

Vgl. H. Bonnet, Reallex. 4 1 3 ^ 1 6 „Laienpriester"; 5 9 6 - 6 0 8 „Priester".

10

Herodot II 37,5; Diodor I 88,2; vgl. Heliodor 1 1 9 , 4 .

124

10 Die Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes

sehen Landen priesterlichen Ägyptern übertragen hätte. So ist die eigentliche Leitung des ägyptischen Kults in Griechenland und Italien bald in die Hände der Pastophoren gelangt. 1 Z w a r hat in den meisten Sarapis- und Isisheiligtümern rund um das Mittelmeer auch ein Ägypter aus der Priesterkaste zum Tempelpersonal gehört;^ aber das ist nur geschehen, damit die Verbindung mit der priesterlichen Tradition der Ägypter nicht vollständig unterbrochen werde. Für den Erfolg der Isis-Mission, ja auch nur für das Sich-Behaupten in der griechischrömischen Welt ist Voraussetzung gewesen, daß die Leitung bei den Pastophoren lag. N u r griechisch gebildete M ä n n e r besaßen die geistige Beweglichkeit, welche nötig w a r , um den ägyptischen Kult den ganz anderen Erfordernissen anzupassen, welche in der Diaspora gegeben w a r e n . 3 Als unter Sulla, um 8 0 v. Chr., ein Isiskult auf dem Capitol eingerichtet wurde, ist sofort ein collegium der Pastophoren gegründet worden. 4 Die Ausbreitung des ägyptischen Kults ist also nicht etwa von Memphis oder von Alexandria aus gesteuert worden, sondern ging von denjenigen Isis-Verehrern aus, welche in der griechischen (und römischen) Welt heimisch waren. 5

Isis und Sarapis in allen Hafenstädten § 2 3 2 Eine ins Detail gehende Darstellung der Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes in der griechischen Welt soll hier nicht versucht werden. 6 M a n kann allgemein sagen, daß die ägypti-

1 Die antiken Zeugnisse über die Pastophoren hat H. B. Schönborn zusammengestellt: Die Pastophoren im Kult der ägyptischen Götter (1976). Bestimmungen über die Pastophoren finden sich im Gnomon des „Idios Logos", Beri. gr. Urk. 1210 (s. auch M. Totti, Texte Nr. 79; § 8 2 - 8 3 und 94). Der Text enthält eine Dienstvorschrift für einen hohen römischen Finanzbeamten in Alexandria, in der vorgeschrieben wird, welche Verfehlungen mit welchen Geldstrafen zu ahnden waren. Ein Unterschied zwischen Priestern und Pastophoren war auch, daß die Priester beschnitten waren. Die Beschneidung war im römischen Reich seit Hadrian verboten, wurde aber den ägyptischen Priestern auf Antrag gestattet, s. Grenfell - Hunt, Pap. Tebtunis II Nr. 2 9 2 und U. Wilcken, Archiv für Papyrusforschung 2, 1903, 4 - 1 3 . 2 So z. B. in I. Priene 195 = Vidman 291, Zeile 21 τον Αίγύπτιον τον συντελέσοντα τή[ν νομίμην φδήν] (so ergänzt U. Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit I 94). Auf den Fresken aus Herculanum fungieren dunkelhäutige Priester (Abb. 7 2 - 7 3 = Farbtafeln IV-V). In Demetrias ist der Grabstein eines Isispriesters Vafres aus (Ta)posiris gefunden worden (Vidman 100). 3 Man kann zum Vergleich die Mission der Juden und Christen im Römerreich heranziehen. Es gab zwischen den Juden und Christen zwei charakteristische Unterschiede: Ein jüdischer Priester sollte Levit sein; bei den Christen gab es keine solche Einschränkung. Und erst die Abschaffung der Beschneidung durch Paulus hat den Übertritt größerer heidnischer Gruppen zum Christentum möglich gemacht. Das waren beim Versuch, Proselyten zu machen, zwei beträchtliche Vorteile der Christen vor den Juden. 4

Appuleius, Met. XI 30,5.

Auch hier ist der Vergleich mit der christlichen Mission interessant: Mag vor der Zerstörung Jerusalems die heilige Stadt die Funktion eines Zentrums auch der Christen gehabt haben, so war doch nach dem großen jüdischen Krieg ein Zentrum der Christenheit nicht mehr vorhanden, und für die Mission ist dies ein großer Vorteil gewesen: Das Christentum war nun eindeutig eine Weltreligion, kein nationaler Kult. 5

6 Die Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes ist oft dargestellt worden. Gute Übersichten bei Th. Brady, The Reception of the Egyptian Cults by the Greeks. The University of Missouri Studies 10, 1935, No. 1 = Sarapis and Isis. Collected Essays (Chicago 1978) 1 - 4 6 F. Dunand, Le culte d'Isis dans le bassin oriental de la Méditerranée (EPRO 2 6 , 1 9 7 3 )

10 Die Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes

125

sehe Religion in allen Hafenstädten rasch aufblühte. Aber auch in weiter landeinwärts gelegenen Orten haben Sarapis und Isis Anhänger gewonnen.

Widerstand gegen die ägyptischen Kulte; die wunderbaren Taten von Sarapis und Isis; Träume, Staunen, Zeugen § 2 3 3 Die Ausbreitung der ägyptischen Kulte in griechischem Gebiet ging nicht ohne Widerstand vor sich. In zwei längeren Inschriften wird berichtet, wie Sarapis mit seiner wunderbaren Macht und Kraft eingegriffen und seine Feinde überwunden hat. Die eine Inschrift stammt aus Delos und ist von dem Priester Apollonios aufgezeichnet worden. 1 Der Text besteht aus zwei Teilen: Zunächst wird in einfacher Prosa der Hergang der Dinge berichtet; dann folgt ein hexametrischer Hymnus, in welchem dasselbe in hochgestochenen Versen dargestellt wird. Diese beginnen: „Unzählig viele deiner staunenswerten Taten werden besungen, vielgerühmter Sarapis, und auch die deiner Gattin Isis, in den Städten des heiligen Ägypten und in ganz Hellas." 2 Der gleichnamige Großvater des Apollonios war aus Ägypten nach Delos eingewandert. Er hatte eine Statuette des Gottes mitgebracht und in einer Hauskapelle verehrt. Als der Enkel den Kult übernahm, vollführte er die heiligen Riten sorgfältig und „besang täglich die Taten" des Sarapis. 3 Er bat den Gott, eine Weisung zu geben, wo er eine würdigere Kultstätte einrichten solle. Sarapis erschien im T r a u m 4 und befahl, zum Markt zu gehen; am Durchgang werde er offenbar an einer Wandtafel - eine kleine Papyrusrolle angeheftet „finden" 5 , in welcher ein

R. Turcan, Les cultes orientaux dans le monde romain (1989) 7 7 - 1 2 7 („Isis myrionyme ou Notre-Damedes-Flots") L. Vidman, Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 29, Berlin 1970). R. A. Wild, The Known Isis-Sarapis Sanctuaries of the Roman Period, in: Aufstieg und Niedergang II 17,4 (1984) 1739-1851 F. Cumont, Les religions orientales ( 4 1929) 69-94 R. Salditt-Trappmann, Tempel der ägyptischen Götter (EPRO 15,1970) S. Dow, The Egyptian Cults in Athens, Harv. Theol. Rev. 30, 1 9 3 7 , 1 8 3 - 2 3 2 . Für Delos und Eretria s. oben (Roussel, Bruneau). L. Vidman, Der ägyptische Kult in den Donauprovinzen, in: Aufstieg und Niedergang II 18,2 (1989) 9 7 5 1013 H. Kenner, Noreia Isis, in: Aufstieg und Niedergang II 18,2 876-894 S. A. Takács, Isis and Sarapis in the Roman World (Leiden 1994). 1 P. Roussel S. 7 1 - 7 5 (Nr. 1); I. G. XI 4, 1299; H. Engelmann, The Delian Aretalogy of Sarapis (EPRO 44, 1975, mit sorgfältigem Kommentar); M. Totti, Texte Nr. 1. 2 Zeile 30 μυρία και θαμβητά σέθεν, πολύαινε Σάραπι εργα, τα μέν θείας άνά τύρσιας Αίγύπτοιο ηΰδηται, τα δέ πασαν άν' Ελλάδα, σεΐο θ' όμεύνου "Ισιδος. 3

48 παν δέ κατ' ήμαρ / σας άρετάς ήειδεν.

4

13 έχρημάτισεν κατά τόν ΰπνον.

5

16 εΰρήσειν, das charakteristische Wort.

126

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Bauplatz als verkäuflich angezeigt werde. Staunend erwachte der Träumer, 1 ging zu dem bezeichneten Ort und fand dort ein günstiges Angebot. Rasch war der Kauf abgeschlossen und mit der Arbeit begonnen. Mit Hilfe des Gottes ging der Bau leicht und schnell voran. In sechs Monaten war alles vollendet, auch Sessel und Liegen für die Festmahlzeiten, zu welchen Sarapis seine Verehrer einlud. 2 Aber den Nachbarn hat mißfallen, daß ein ägyptischer Tempel auf Delos erbaut wurde. Sie haben Apollonios verklagt, daß er fremde Götter einführe, und es ist zu einem Prozeß gekommen. Apollonios war in größter Sorge. Aber wieder erschien Sarapis im Traum und kündigte an, daß er den Prozeß gewinnen werde. Als es zur Verhandlung vor den Richtern kam, strömte die ganze Stadt zusammen, 3 und da wirkten Sarapis und Isis ein großes Wunder: 4 Die klagende Partei wußte nichts, aber auch gar nichts vorzubringen; sie standen da wie stumme Standbilder aus Stein. „An jenem Tag bestaunte das ganze Volk deine wunderbare Kraft", ά π α ς δ' άρα λαός έκείνωι / σήν άρετήν -θάμβησεν εν ήματι (Zeile 90). Hier fällt das charakteristische Wort άρετή „wunderbare Kraft und Macht", und der ganze Text ist eine „Aretalogie", ein Bericht über die Taten des Gottes. § 234 Der zweite Bericht über eine Wundertat des Sarapis war im Sarapieion von Thessalonike in Stein gemeißelt. 5 Er handelt von der Einführung des Kultes in der Stadt Opus in Mittelgriechenland. Xenainetos aus Opus war als Gesandter nach Thessalonike geschickt worden. Er hat dort im Sarapis-Tempel übernachtet. In der Nacht erschien Sarapis im Traum und befahl: Wenn er in die Heimatstadt zurückkehre, solle er zu Eurynomos (einem angesehenen Bürger) gehen und ihm eine Botschaft von Sarapis ausrichten: Eurynomos solle Sarapis und seine Gattin Isis in die Stadt Opus aufnehmen und ihnen einen Kult einrichten. Außerdem werde Xenainetos beim Erwachen unter seinem Kopfkissen einen Brief des Sarapis an Eurynomos finden; diesen Brief solle er Eurynomos übergeben. Als Xenainetos erwachte, staunte er über den Traum, 6 denn er war mit Eurynomos politisch verfeindet und wußte nicht, was er von diesem Auftrag halten sollte. So schlief er wieder ein, sah denselben Traum zum zweitenmal und fand beim Erwachen den Brief, der im Traum angezeigt worden war. So kehrte er in die Heimatstadt zurück, suchte seinen Gegner auf, meldete den Befehl des Gottes und übergab den Brief. Eurynomos hörte Xenainetos an und war sehr erstaunt. Dann öffnete er den Brief und fand dort geschrieben eben das, was Xenainetos im Traum von Sarapis

1

60 αΐιτάρ ό θαμβήσας άναέγρετο.

2

Es wird die cline des Sarapis bezeichnet; einige Billets sind auf Papyrus erhalten. Vgl. § 313.

3

81 εγρετο ναοϊς / πάσα πόλις. Viele Zeugen waren anwesend.

4

84 ενθα αν κείνο πέλωρον έν άνδράσι θάμβος ετευξας / σή τ' άλοχος.

5

I. G. Χ 2, fase. 1, 255; Μ. Totti, Texte Nr. 14.

6

Zeile 7 τον δέ έγερθέντα θαυμάξαι. . . τόν ονειρον. Das Staunen beim Erwachen aus dem Traum ist typisch; es kommt auch in der delischen Aretalogie vor, s. oben.

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g e h ö r t hatte. D i e s e Ü b e r e i n s t i m m u n g ü b e r z e u g t e ihn, und s o s o r g t e er d a f ü r , d a ß in O p u s ein K u l t v o n S a r a p i s u n d Isis eingerichtet w u r d e . S o l c h e G e s c h i c h t e n hat m a n ernst g e n o m m e n , a u c h n o c h , als die W e l t christlich g e w o r d e n war.1 W i r w e r d e n in K a p . 1 8 auf die W u n d e r t a t e n der G ö t t e r z u r ü c k k o m m e n .

Ein Hindernis für die ägyptischen Kulte: die heiligen Tiere § 2 3 5 W e n n der k o s m o p o l i t i s c h e C h a r a k t e r , den Isis u n d vor a l l e m S a r a p i s a n g e n o m m e n h a t t e n , f ü r d e n k e n d e Griechen ein V o r z u g g e w e s e n ist, s o g a b es im ä g y p t i s c h e n K u l t d o c h a u c h e i n e n B e s t a n d t e i l , m i t d e m sich die G r i e c h e n ( u n d s p ä t e r die R ö m e r ) g a n z u n d g a r n i c h t a n f r e u n d e n k o n n t e n : den K u l t der heiligen Tiere. D a ß der ä g y p t i s c h e T i e r k u l t seine W ü r d e hatte, ist u n b e s t r e i t b a r . 2 A b e r den G r i e c h e n lag ein s o l c h e r K u l t f e r n u n d w a r ihnen b e i n a h e u n b e g r e i f l i c h . „ I s i s t r ä g t ä g y p t i s c h e E l e m e n t e als E i e r s c h a l e n ihrer H e r k u n f t mit sich h e r u m . M i t Isis k o m m e n die , ä g y p t i s c h e n S a c h e n ' ins L a n d . Ibisse u n d K r o k o d i l e , · ' Sistren u n d g a n z e N i l l a n d s c h a f t e n begleiten die G ö t t i n . " 4 Z u S a r a p i s g e h ö r t e der A p i s - S t i e r , 5 z u m N i l g o t t d a s N i l p f e r d . 6 M o c h t e in den P r o z e s s i o n e n der v o n einem m a s k i e r t e n Priester dargestellte A n u b i s (der ja deutlich ein M e n s c h w a r ) d e m P u b l i k u m g e f a l -

1 Pausanias X 38,13 erzählt das folgende Mirakel des Asklepios von Epidauros: Ein M a n n aus N a u paktos in Mittelgriechenland war fast blind. Um ihn zu heilen, befahl Asklepios in Epidauros der Dichterin Anyte im Traum, dem Kranken einen Brief zu überbringen. Als sie erwachte, hielt sie einen versiegelten Brief in den Händen. So fuhr sie nach Naupaktos zu dem Kranken und übergab den Brief. Dieser konnte zwar nicht mehr lesen, erhoffte aber Gutes von Asklepios und eröffnete das Siegel - und sobald er die Schrift des Briefes erblickte, konnte er lesen, und seine Augen waren gesund. Christliche Parallelen: Ein gewisser Theophilos hatte einen schriftlichen Pakt mit dem Teufel geschlossen, aber dann bereut und gebüßt, und die Gottesmutter Maria war ihm im T r a u m erschienen und hatte gemeldet, seine Buße sei angenommen. Theophilos wollte aber ganz sicher gehen und erbat von Maria, daß sie ihm auch das belastende Schriftstück, den Teufelspakt, verschaffen möge. Kurz danach erschien Maria im Traum und übergab die versiegelte Urkunde; als er erwachte, lag sie auf seiner Brust (L. Radermacher, Griechische Quellen zur Faustsage, Wien 1927, S. 176). Mirakel der heiligen Kosmas und Damianos (ed. L. Deubner, 1907) Nr. 13,50 (S. 134); 2 6 , 1 6 (S. 166); 34,55 (S. 185). Sophronios, Mirakel der heiligen Kyros und Johannes 5 , 4 - 5 (ed. N . Fernandez M a r c o s , Madrid 1975: „ L o s Thaumata de Sofronio", S. 250/1). Leontios von Neapolis, Leben des heiligen Johannes des Barmherzigen 46 (ed. H. Geizer 1893, S. 98/9). 2 H. Bonnet, Reallex. 8 1 2 - 8 2 4 „Tierkult"; E. Hornung, Die Bedeutung des Tieres im alten Ägypten, Studium generale 20 (1967) 6 9 - 8 4 ; H. Frankfort, Ancient Egyptian Religion (1948) 8 - 1 4 .

3 Die Isis aus Ras-el-Soda setzt ihren linken Fuß auf ein kleines Krokodil (Abb. 86); Helios-Sarapis auf der Terrakotta-Platte Abb. 129 hält ein Krokodil in der linken Hand. Vgl. die Beschreibung des Krokodils bei Achilleus Tatios IV 19 (§ 635). 4 S. Morenz, Rei. und Gesch. 525 (leicht gekürzt). - Die Fütterung der heiligen Krokodile ist auf einer Säulentrommel vom Iseum auf dem Marsfeld in Rom dargestellt, s. Abb. 2 0 1 - 2 0 4 . Die Ägypter haben in der Spätzeit ihren Tierkult sogar noch besonders betont. 5

224.

Der Apis-Stier ist oft abgebildet, z. B. auf dem Altar in London Abb. 132 und auf der Münze Abb.

6 Auf dem Altar in London sieht man Harpokrates mit einem Gespann von Nilpferden. Auch Achilleus Tatios beschreibt das Nilpferd (IV 2).

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len, so waren doch die heiligen Falken, Katzen, Hunde, Böcke und Paviane für Griechen lächerlich. 1

Italische Kaufleute in Delos und Ausbreitung der ägyptischen Kulte nach Italien § 2 3 6 Im dritten Krieg zwischen Rom und Mazedonien ( 1 7 1 - 1 6 8 v. Chr.) hatten die Rhodier, vorher stets verläßliche Bundesgenossen der Römer, sich nicht entschieden auf die Seite Roms gestellt. Die Römer straften sie: Sie erklärten nun Delos zum Freihafen. Bisher war Rhodos der zentrale Umschlagplatz für den Handel im östlichen Mittelmeer gewesen. Nun überflügelte Delos auf fast hundert Jahre 2 Rhodos und wurde nächst Alexandria der wichtigste Mittelmeerhafen. Kaufleute aus Rom und Italien haben sich in Delos niedergelassen und sind reich geworden. Sie haben dort den Kult der ägyptischen Götter kennengelernt, und manche haben an dieser Religion Gefallen gefunden. Man muß sich dabei erinnern, daß die Kulte der vorchristlichen Zeit sich nicht gegenseitig ausschlossen; wenn ein Italiker bisher (ζ. B.) Iuppiter, Mars und Minerva verehrt hatte, so verehrte er nun zusätzlich auch Isis und Sarapis. § 2 3 7 Der bedeutendste Hafen Italiens war damals Puteoli (Pozzuoli). 3 Zwischen Delos und Puteoli setzte ein reger Handelsverkehr ein. Italische Kaufleute, die aus Delos nachhause zurückkehrten, brachten Isis und Sarapis mit. Aus dem Jahr 105 v. Chr. haben wir einen Beschluß über den Bau eines Sarapistempels zu Puteoli. 4 Es dürfte nicht der erste Kultplatz des Sarapis in dieser Stadt gewesen sein. In Pompei hat ein großes Isisheiligtum bestanden, s. Abb. 1 - 3 2 . Unter den Fundamenten haben die Archäologen Reste eines älteren Tempels festgestellt; sie datieren diesen zwischen 105 und 80 v. Chr. 5 Im ersten nachchristlichen Jahrhundert hat es in Pompei Verehrer der Isis und des Sarapis gegeben. Wir werden die eindrucksvollen Überreste dieses Kultes oft heranziehen. § 2 3 8 Auf den Schiffen, welche zwischen Alexandria und Italien verkehrten, sind Isis und Sarapis verehrt worden. Aelius Aristides sagt in seinem Prosahymnus auf Sarapis, daß die Kaufleute und Schiffseigner Vereine gegründet haben, in denen der Gott als Mitglied geführt wurde. 6 1 Charakteristische Belegstellen: Anaxandrides fr. 4 0 Kassel-Austin; Celsus bei Horigenes, C o n t r a Celsum III 1 7 (p. 2 1 5 , 1 5 - 2 1 Koetschau); Clemens Alex., Paedagog. III 2 , 4 , 3 ^ t (p. 2 3 8 , 6 - 1 5 Stählin). 2 Die Bedeutung von Delos endete, als Mithradates im Jahr 8 8 die Insel eroberte und die Stadt zerstörte. Sie ist dann im Jahr 6 9 nochmals von Piraten verwüstet worden. 3

Der griechische Name von Puteoli war Dikaiarcheia, „der Ort, wo die Gerechtigkeit herrscht".

Vidman 4 9 7 = Dessau 5 3 1 7 = A. Degrassi, Inscr. Lat. Iiberae rei publicae 5 1 8 = C. I. L. X 1 7 8 1 ; Photographie bei V. Tran Tarn Tinh, Campanie pl. X X V I I - X X V H I . 4

s A. M a u , Pompei in Leben und Kunst ( 1 9 0 8 ) 1 7 5 ; V. T r a n Tarn Tinh, Pompéi 3 1 ; E. L a R o c c a , Mariette und Arnold de Vos, Pompei, Archäologischer Führer ( 1 9 9 0 ) 2 0 9 . 6 Or. 4 5 , 2 8 (p. 3 6 0 , 2 1 - 2 5 Keil) ή . . . πρός αυτόν κοινωνία, όμοτίμων προς όμότιμον, οίον έμπορων και ναυκλήρων, οιι μόνον δεκάτας άναγόντων, άλλά και μερίτην έξ ϊσου ποιουμένων, ως προς συνέμπορον καί κοινωνόν των διά μέσου π ά ν τ ω ν έπί τοσούτον άνθρώποις έγκαταμέμικται („Die

10 Die Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes Schiffe haben den N a m e n „Isis" getragen, 1 s. die Isis

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Giminiana·.

Zeichnung 3 2 (nach R. Meiggs, Roman Ostia 2 9 5 ) : Ein kleines Handelsschiff, das mit Kornsäcken beladen ist. Neben dem Heck sein Name, Isis Giminiana. Auf dem Heck der Kapitän, sein Name: Farnaces magister. Ein Träger schüttet Getreide aus einem kleineren Sack mit der Inschrift res [sc. frumentaria] in einen größeren; daneben zwei Männer; über dem Kopf des einen sein Name, Abascantus. Ein anderer Träger neben dem Bug hebt wartend seine Hand und sagt feci·, zwei andere tragen Säcke vom Ufer auf das Schiff. Das Schiff stand wahrscheinlich im Dienst der annona-, wohl war Abascantus (der navicularius) Besitzer des Schiffes. Neben ihm der mensor frumentarius, ein Funktionär des Staates. M . Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich I S. 2 2 7 . C. I. L. X I V 2 0 2 8 .

§ 2 3 9 Unter Sulla ist der Isiskult in R o m eingeführt worden. Das erste römische Isisheiligt u m dürfte dasjenige der Isis Capitolina gewesen sein; ein Priester ist in einer Grabschrift

Genossenschaft mit ihm ist von gleich zu gleich, wie es sie bei den Kaufleuten und Schiffseignern gibt, die ihm nicht nur den Zehnten geben, sondern zum Teilhaber gleichen Rechts machen, da er der Kaufmannskollege und Teilhaber von allem ist, was gemeinsamer Besitz ist; so sehr ist er mitten in das Leben der Menschen hineingemischt"). 1 Schiffe namens „Isis, Isarion, Isopharia": Lukian, Navigium 5 und 1 4 ; Pap. Soc. It. IX 1048,9; Pap. Cairo Zenon 5 9 3 2 0 , 3 (Edgar III 23); Pap. Oxy. 2 4 1 5 , 8 2 und 87; C. I. L. VI 3 1 2 3 (Rom); X 3 6 1 5 und 3 6 4 0 und Dessau 2901 (Ostia); Vidman 171 = Dessau 4 3 9 5 (Kreta); das hier abgebildete Schiff. L. Casson, Ships and Seamanship in the Ancient World (1971) 4 4 0 (im Index). Abbildung eines Schiffes Lacena, welches am Bug ein Bild der Isis, des Sarapis und Harpokrates führte: H. Fuhrmann, Archäol. Anzeiger 1940, 485/6 Abb. 36; A. W. v. Buren, Am. Journ. Arch. 4 4 (1940) 3 8 0 Abb. 4: R. Bianchi-Bandinelli, Universum der Kunst: Rom, das Zentrum der Macht (1970) S. 2 5 7 Abb. 2 8 5 ; W. Hornbostel Tafel XXIII Abb. 34. - Mit Λάκαινα ist oft Helena gemeint, die ja nach Ägypten gefahren sein soll. Eine „Isis" in Pantikapaion (Kertsch): L. Galanina, N. Grac, H.-J. Kellner, G. Kossack, „Skythika", herausgegeb. von H. Franke, Bayerische Akad. der Wiss., Phil.-hist. Klasse, Abhandlungen N. F. 98 (München 1987) S. 91 mit Tafel 39.

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10 Die Ausbreitung des Isis- und Sarapiskultes

bezeugt, welche aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. stammt. 1 Appuleius berichtet, daß in der Zeit des Sulla, also um 8 0 v. Chr., das Collegium der pastophori

gegründet worden

ist. 2 Auch das in der Historia Augusta 3 bezeugte Isium Metellinum a m Coelius ist vermutlich um diese Zeit errichtet worden. Es hat seinen N a m e n wohl von P. Caecilius Metellus Pius erhalten, der im J a h r 8 0 v. Chr. zusammen mit Sulla das Konsulat bekleidete. 4 § 2 4 0 Ebenfalls unter Sulla ist der Isiskult nach Praeneste (Palestrina) im Inneren Italiens getragen worden. Die Stadt w a r im Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla zerstört worden, und Sulla hat dort seine Veteranen angesiedelt. Die Hauptgöttin der Stadt w a r Fortuna Primigenia; ihr Heiligtum ist unter Sulla restauriert w o r d e n . 5 M a n h a t F o r t u n a Primigenia („Erstgeborene") mit der delischen Isis-Tyche-Protogeneia (ebenfalls „ E r s t g e b o r e n e " ) 6 identifiziert. In einer praenestinischen Inschrift wird gemeldet, daß ein Bürger der Fortuna Primigenia m e h r e r e Statuen, d a r u n t e r eine der Isis-Tyche, gewidmet h a t . 7 Im Bezirk der F o r t u n a Primigenia befindet sich das berühmte Nilmosaik, s. Abb. 1 6 9 - 1 8 0 . § 2 4 1 Die Ausbreitung nach Italien, Gallien, Spanien und in das römische Africa soll hier nicht im einzelnen behandelt werden. 8 Es genüge der Hinweis auf Tertullian, der von Sarapis als jenem Gott spricht, „den nicht nur Ägypten und Griechenland verehrt, sondern der ganze Erdkreis, und bei dem die Bewohner von Africa schwören".^

1 Vidman 3 7 7 = Dessau 4 4 0 5 = A. Degrassi, Inscr. Lat. liberae rei publicae 159; wiedergefunden von G. Paci, Epigraphica 38 (1976) 1 2 0 - 1 2 5 . In einer Liste von 13 Personen, welche in einem und demselben Grabmal begraben wurden und die fast alle Freigelassene sind, findet sich die Eintragung: (Grab des) T. Salpici T. filii Caecili, sac(erdotis) Isid(is) Capitoli(nae). 2 3

S. § 231. Triginta tyranni 25.

4 F. Coarelli, „I monumenti dei culti orientali in Roma", in: U. Bianchi - M. J. Vermaseren, La soteriologia dei culti orientali nell' Impero Romano (EPRO 92, 1982) 5 3 - 6 5 . 5

Plinius, Nat. hist. X X X V I 1 8 9 .

6

Roussel 1 1 9 - 1 2 0 = I. Délos 2 0 7 2 - 7 3 .

7 Vidman 528 = C. I. L. XIV 2 8 6 7 L. Sariolenus Naevius Fastus Consularis . . . ut in pronao aedis statuant... Isityches . . ., ita et hanc Minervam Fortunae Primigeniae dono dedit cum ara. 8 Außer auf die in § 2 3 2 zitierten Werke von L. Vidman und R. Turcan sei verwiesen auf M. Malaise, Les conditions de pénétration et de diffusion des cultes égyptiens en Italie (EPRO 22, 1972) und in: Aufstieg und Niedergang II 17,3 S. 1 6 1 5 - 9 1 („La diffusion des cultes égyptiens dans les provinces européennes de l'empire romain") H. W. Müller, Der Isiskult im antiken Benevent (Münchner ägyptologische Studien 16, Berlin 1969) V. Tran Tarn Tinh, Le culte d'Isis à Pompéi; Le culte des divinités orientales à Herculanum (EPRO 17, 1971); Le culte des divinités orientales en Campanie (EPRO 27, 1972) M. C. Budischovsky, La diffusion du culte isiaque autour de la mer adriatique (EPRO 61, 1977) A. Garcia y Bellido, Les religions orientales dans l'Espagne romaine (EPRO 5 , 1 9 6 7 ) R. Turcan, in: Aufstieg und Niedergang II 18,1 S. 4 5 6 - 5 1 8 („Les religions orientales en Gaule Narbonnaise").

' Ad nationes II 8 illum dico (sc. Serapin), quem non iam Aegyptus et Graecia, verum totus orbis colit et Afri iurant.

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Die ägyptischen Götter in Rom

Haec tarnen Aegyptia quondam nunc et sacra Romana sunt Dieser Gottesdienst war einst ägyptisch; jetzt ist er römisch Minucius Felix 22

In Rom wird der ägyptische Kult verboten § 2 4 2 Aber in der Hauptstadt Rom ist man den Anhängern von Isis und Sarapis längere Zeit feindlich entgegengetreten. Die Römer hatten ein tiefsitzendes Mißtrauen gegen fremde Kulte. Es gibt immer Zusammenhänge zwischen Religion und Politik, und da schien es geraten, sich vorzusehen. In der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. war durch Senatsbeschluß verboten, den Isis- und Sarapiskult innerhalb des pomerium (der administrativen Stadtgrenze) auszuüben. Aber unter den einfachen Leuten - Freigelassenen und Zuwanderern - gab es Verehrer dieser Götter, und sie wollten sich ihre Religion nicht nehmen lassen.1 Beim Amtsantritt der Cónsules des Jahres 58, an den Kaienden des Januar (1. Jan.), kam es zu einem Zwischenfall. Der Consul A. Gabinius opferte auf dem Capitol den Göttern, deren Statuen auf improvisierten Altären aufgestellt waren. Die Verehrer der ägyptischen Götter brachten ihre Statuetten herbei und errichteten auch für sie Altäre. Der Consul ließ diese durch seine Amtsdiener abräumen.2 Sie sind aber kurz danach von ihren Anhängern unter Anwendung von Gewalt (per vim popularium) wiedererrichtet worden, vielleicht mit Hilfe der Volkstribunen. Der capitolinische Isistempel selbst ist wohl nicht demoliert worden.

1 Für die Auseinandersetzungen zwischen dem römischen Senat und den Verehrern der ägyptischen Götter vgl. A. Alföldi, Schweizer Münzblätter 5, 1 9 5 4 , 2 5 - 3 1 (Isiskult und Umsturzbewegung im letzten Jahrhundert der römischen Republik); P. Lambrechts, Augustus en de egyptische Godsdienst, Mededelingen van de koninklijke Vlaamse Academie voor Wetenschapen, Letteren en schone Künsten van België, Klasse der Letteren 18 ( 1 9 5 6 ) Nr. 2; P. F. Tschudin, Isis in R o m , Diss. Basel 1 9 6 2 ; M . Malaise, Inventaire 1 8 4 - 1 8 7 ; F. Coarelli, in: U. Bianchi - M . J. Vermaseren, La soteriologia dei culti orientali nell'Impero Romano (EPRO 92, 1982) 5 9 - 6 3 . 2 Tertullian, Apologeticum 6 , 8 Serapidem et Isidem et Harpocratem cum suo cynocephalo Capitolio prohibitos inferri, id est curia deorum pulsos, Piso et Gabinius cónsules . . . eversis etiam arts eorum abdicaverunt. Ad nationes I 1 0 , 1 7 - 1 8 Serapem et Isidem et Harpocratem et Anubem prohibitos Capitolio Varrò commémorât eorumque aras a senatu detectas non nisi per vim popularium restructas. sed tarnen et Gabinius consul Kalendis Ianuariis, cum vix hostias probaret prae popularium coetu, quia nihil de Serape et Iside constituisset, potiorem habuit senatus censuram quam impetum vulgi et aras instituí prohibuit. Servius zu Vergil, Aen. Vili 6 9 8 Varrò indignatur Alexandrinos deos Romae coli.

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11 Die ägyptischen Götter in Rom

§ 2 4 3 Im Jahr 52 haben Isis- und Sarapistempel 1 in der Stadt gestanden. Der Senat beschloß, sie zu zerstören; die Verehrung dieser Götter sei zwar nicht verboten, dürfe aber nicht innerhalb der Stadtgrenzen ausgeübt werden. 2 Es scheint, daß dieser Beschluß des Senats zunächst nicht durchgeführt wurde. Jedenfalls fiel zwei Jahre später dem Consul L. Aemilius Paulus die Aufgabe zu, die Heiligtümer abzureißen. Seine Amtsdiener wagten es nicht, damit anzufangen; da legte der Consul selbst seine Toga ab, ergriff ein Beil und schlug die Tür des Tempels ein. 3 Zwei Jahre später, im Jahr 48, beschloß der Senat erneut auf Antrag der staatlichen Seher (haruspices), die Heiligtümer des Sarapis niederzureißen. Dies ist auch geschehen. 4 Offensichtlich hat es unter den Isiaci Leute gegeben, die der Staatsgewalt trotzten und durchsetzten, daß ihre Religion auch innerhalb der Stadt geduldet wurde. Vermutlich hat es Märtyrer gegeben, vielleicht auch Flugschriften über ihren Tod. § 244 Sie haben ihr Ziel erreicht; im Jahr 43 haben die Triumviri (Antonius, Octavianus und Lepidus) beschlossen, daß für Isis und Sarapis in Rom ein Tempel erbaut werde. 5 Dies ist wohl geschehen, um sich bei den einfachen Leuten beliebt zu machen. Im selben Jahr hat sich der Aedil Volusius, von den Triumvirn proskribiert, als Isiacus verkleidet, indem er eine Anubismaske aufsetzte, und ist so zu den Republikanern entkommen. 6 § 245 Als dann Octavian (der spätere Augustus) gegen Antonius und Kleopatra um die Herrschaft kämpfte, können die ägyptischen Kulte in Rom nicht gern gesehen worden sein. Was man im Kreis um Augustus dachte, kann man in der Aeneis lesen. Auf dem Schild des Aeneas war die Seeschlacht von Actium abgebildet, Kleopatra in der Tracht der Isis gegen die Götter Roms: regina in mediis patrio vocat agmina sistro, necdum etiam geminos a tergo respicit anguis. omnigenumque deum monstra et latrator Anubis contra Neptunum et Venerem contraque Minervam tela tenent, saevit medio in certamine Mavors (VIII 696-700) „In der Mitte (des Bildes) ruft die Königin ihre Scharen mit der traditionellen Klapper; 7 sie blickt noch nicht zurück auf die beiden Schlangen, die sich hinter ihrem Rücken erheben. Die 1 Bei Catull 10,26 (um 55 v. Chr.) will ein elegantes leichtes Mädchen sich in einer Sänfte in den Sarapistempel tragen lassen. In Gedicht 74 nennt er Harpokrates als Gott des Schweigens. 2

Cassius Dio XL 47,5-8 (p. 529,2 Boissevain; über Sarapis und Isis) τούς γαρ ναούς αυτών, οΰς ίδίαι τινές έπεποίηντο, καθελεΐν τηι βουλήι εδοξεν· ού γάρ δή τούς θεούς τούτους έπί πολύ ένόμισαν· και οτε γε έ|ενίκησεν ώστε και δημοσίαι αύτούς σέβεσθαι, εξω του πωμηρίου σφάς ίδρυσα ντο. 3

Valerius Maximus I 3,4 L. Aemilius Paulus consul, cum senatus Isidis et Serapis fana diruenda censuisset eaque nemo opificum adtingere auderet, posita praetexta securem arripuit templique eius foribus inflixit. 4

Cassius Dio XLII 26,2 (p. 52,31 Β.) εδοξε γνώμηι των μάντεων πάντα αύθις τά τε εκείνης (sc. της Ίσιδος) και τά τοΰ Σαράπιδος τεμενίσματα κατασκάψαι· γενομένου δέ τούτου κτλ. 5

Cassius Dio XLVII 15,4 (p. 221,16 Β.) νεών τώιτε Σαράπιδι και τηι "Ισιδι έψηφίσαντο.

6

Valerius Maximus VII 3,8; Appian, Bell. civ. IV 200 (p. 432,18 Viereck).

7

Die Römer geben das Schlachtsignal mit der Trompete.

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monströsen Bildungen von Göttern aller A r t 1 und der bellende A n u b i s 2 halten die W a f f e n gegen N e p t u n und Venus und M i n e r v a . M i t t e n im Schlachtgetümmel wütet M a r s . . . " (so d a ß der Sieg der R ö m e r nicht zweifelhaft ist). Im J a h r 2 8 , nach dem Sieg, ist Augustus großzügig gewesen: Innerhalb der Stadtgrenzen blieb das V e r b o t der ägyptischen Kulte bestehen; aber alle Tempel außerhalb blieben unangetastet, ja beschützt. 3 S c h o n 2 1 v. Chr. bestanden auch im Inneren der Stadt wieder ägyptische Kapellen. Agrippa, Sieger von Actium und zweiter M a n n im Staat, ließ sie wieder entfernen und das Sperrgebiet n o c h über die administrative Stadtgrenze hinaus erweitern. 4 § 2 4 6 Ein letzter Versuch, die ägyptischen (und diesmal auch die jüdischen) Kulte aus der Stadt zu vertreiben, wurde im J a h r 1 9 n. Chr. unter Tiberius unternommen. T a c i t u s berichtet: „Es wurde (im Senat) darüber debattiert, daß man die ägyptischen und jüdischen Kulte austreiben solle, und der Senat faßte einen Beschluß, d a ß 4 0 0 0 M a n n im Stand der Freigelassenen, die von diesem Aberglauben angesteckt waren, soweit sie ihrem Alter nach b r a u c h b a r seien, auf die Insel Sardinien gebracht werden sollten, um dort die R ä u b e r b a n d e n in S c h a c h zu halten; wenn sie infolge des widrigen Klimas u m k o m m e n sollten, so w ä r e der Schaden gering. Die Übrigen sollten entweder ihre unheiligen R i t e n bis zu einem festen T e r m i n ablegen oder Italien verlassen."5 U n d welchen Erfolg hatten später die „unheiligen R i t e n " einer jüdischen Sekte in R o m ! Aber auch die ägyptischen Riten waren erfolgreich.

Osiris und Isis in der Oberschicht beliebt: Messalla Corvinus § 2 4 7 Augustus und den Senatoren, welche an alter R ö m e r w ü r d e hingen, blieb die ägyptische Religion suspekt; aber in anderen Kreisen des r ö m i s c h e n H o c h a d e l s ist der Isiskult in M o d e gekommen. Albius Tibullus hat seinem P a t r o n M . Valerius M e s s a l l a Corvinus ein Geburtstagsgedicht gewidmet. Dieser hatte in der Schlacht bei Actium auf der Seite des O c t a v i a n ein G e s c h w a d e r befehligt, w a r Statthalter in der Provinz Syria gewesen und hatte von dort aus Ägypten als Reisender besucht. D a s L a n d hat ihn so beeindruckt, d a ß Tibull in seinem G e b u r t s t a g s p o e m

1 Es wird auf die Tiergötter der Ägypter und auf die aus Tieren und Menschen gemischten Wesen angespielt. 2 Anspielung auf die Hundskopfmaske des Anubis. Vermutlich haben die Träger der Maske bei den Prozessionen wirklich gebellt. 3 Cassius Dio LUI 2,4 (p. 4 1 5 , 6 Β.) τα μεν ιερά τά Αιγύπτια οΰκ έσεδέξατο εΐσω τοϋ πωμηρίου, των δέ δή ναων πρόνοιαν έποιήσατο. 4 Cassius Dio LIV 6,6 (p. 4 4 8 , 2 2 Β.) τά . . . ιερά τά Αιγύπτια έπεσιόντα αΰθις ές τό άστυ άνέστειλεν, άπειπών μηδέ έν τώι προαστείωι αΰτά έντός ογδόου ήμισταδίου ποιεΐν. 5 Ann. II 85,4: Actum est de sacris Aegyptiis ludaicisque pellendis factumque patrum consultum, ut quattuor milia libertini generis ea superstitione infecta, quis idonea aetas, in insulam Sardiniam veherentur coercendis illic latrociniis et, si ob gravitatem caeli interissent, vile damnum; ceteri cederent Italia, nisi certam ante diem profanos ritus exuissent.

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lange bei den Wundern Ägyptens und der Religion des Dionysos-Osiris verweilt. 1 Er preist den Nil, der zur Zeit des Sirius-Aufgangs das Land überflutet, und rühmt Osiris als Erfinder des Ackerbaus, als Geber der Früchte und des Weins; Osiris löst die Sorgen:

non tibi sunt tristes curae nec luctus, O siri? sed chorus et cantus et levis aptus amor, sed varii flores et frons redimita corymb is? fusa sed ad teneros lutea palla pedes et Tyriae vestes et dulcís tibia cantu et levis occultis conscia cista sacris. „ W a s dir am Herzen liegt, Osiris, sind nicht die trüben Sorgen und nicht die Trauer; sondern Chöre und Gesänge und die leichtbeschwingte Liebe sind es, die zu dir passen, auch bunte Blumen und die mit Weinlaub geschmückte Stirn und der gelbe Festmantel, der bis zu den zarten Füßen herabfällt, auch das tyrische Purpurkleid und die Flöte mit ihrem süßen Gesang und die leichte cista mystica, die sich bewußt ist, die heiligen Gegenstände zu b e r g e n . " 4 Dieser Osiris hat nur noch wenig Ägyptisches an sich; er ist ein Dionysos der wohlhabenden Aristokratie mit einem Anflug des Exotisch-Interessanten, ist auch nicht der Dionysos der Tragödie und der Ekstase, sondern der Gott des leichten, eleganten Lebens. Aber immerhin war der Kult des Dionysos-Osiris für Messalla und Tibull ein Mysterium, wie der letzte Vers zeigt. M i t Messalla befreundet war C. Cestius, dessen Pyramide (Abb. 1 9 4 ) noch heute ein Zeugnis für die Beliebtheit ägyptischer Vorstellungen in R o m ist. Er hat Messalla unter seine Erben eingesetzt. 5

Ägyptomanie in den kaiserlichen Häusern § 2 4 8 Aber nicht nur im Kreis des Messalla hat man das sorglose, heitere Leben geschätzt und den Kult der ägyptischen Götter damit verbunden. Vor einigen Jahren hat Mariette de Vos gezeigt, daß in fast allen Luxushäusern der kaiserlichen Familie ägyptische Wanddekorationen beliebt waren. 6 Hier genügen einige charakteristische Beispiele. § 2 4 9 Auf einem Fresko in der Villa Farnesina, die wahrscheinlich für Agrippa erbaut worden ist, sieht man Isis mit Sistrum und Szepter; zu ihrer Seite rechts und links je ein Horosfalke mit ägyptischer Krone (Abb. 75).

1

17,21-48.

Diodor I 1 8 , 4 είναι γάρ τόν "Οσιριν φιλογέλωτά τε και χαίροντα μουσική ι και χοροΐς. V o m ägyptischen Osiris hätte man dies kaum sagen können. 2

3 Vgl. Diodor 1 1 7 , 4 τοΐί δέ κιττοϋ τήν εϋρεσιν άνατιθέασιν (sc. Αιγύπτιοι) Όσίριδι. 4

Anspielung auf die Mysterien des Dionysos und Osiris.

Dessau 9 1 7 - 9 1 7 a ; Prosopographia Imperii R o m a n i 2 , C 6 8 6 . Da auch der im J a h r 1 2 v. Chr. gestorbene Agrippa in der Grabschrift erwähnt wird, ist Cestius vor diesem Jahr gestorben. 5

6 M . de Vos, L'egittomania in pitture e mosaici Romano-Campani della prima età imperiale ( E P R O 8 4 , 1980).

11 Die ägyptischen Götter in R o m

135

§ 2 5 0 Eine ganze Reihe ägyptisierender Darstellungen findet sich in der Luxusvilla von Boscotrecase; als Beispiel ist in Abb. 7 8 eine Kultszene vor einer Statuette des Hundes Anubis abgebildet. Herrin des Hauses war Agrippas Gattin Julia, die einzige Tochter des Augustus. 1 § 2 5 1 Im „Haus des Augustus" auf dem Palatin zeigt ein Fresko eine ägyptische Opferdienerin und vor ihr einen Sphinx (Abb. 74). Der moderne Name („Haus des Augustus") ist nicht authentisch, aber das Gebäude wurde von der kaiserlichen Familie benutzt. § 2 5 2 Dasselbe gilt vom „Haus der Livia" auf dem Palatin. Hier ist die Befreiung der Io vom Wächter Argos durch Hermes dargestellt (Abb. 6 4 ) . Io sitzt vor einer Säule, auf welcher eine Statue der Isis-Tyche steht. Aus demselben Haus stammt ein schönes Fresko mit einer Isispriesterin (Abb. 76/ 77)? § 2 5 3 An der Via Appia befindet sich eine Grabanlage, 3 in der Freigelassene der Kaiserin Livia in Urnen beigesetzt sind. Die Anlage hat anscheinend einer Dienerin namens Thermutarion gehört. 4 Der N a m e verweist auf die ägyptische Erntegöttin Thermuthis-Isis. Hier sind ägyptische Götter in Reliefs auf Kupferplatten abgebildet, s. Abb. 7 9 . Livia hat offensichtlich nichts dagegen gehabt, daß ihre Dienerin die ägyptischen Götter verehrte. § 2 5 4 Auch in der Villa dei Misteri finden sich charakteristisch ägyptische Motive (Abb. 80/81). Das Haus gehörte wohl einem reichen Freigelassenen der Livia.·5 § 2 5 5 Aus der kaiserlichen Villa von Prima Porta (südlich von R o m ) stammt das hier in Nachzeichnung abgebildete Mosaik.

1 M a n nennt das Haus „Villa des Agrippa Postumus"; es unterliegt keinem Zweifel, dal? Julia die wirkliche Herrin war. S. § 2 5 6 .

2 M a n sehe auch das Fresko bei M . de Vos S. 6 2 mit Tav. X L I V 1 („uno dei primi sistemi simmetrici con corna e disco solare", ebenfalls in der „Casa di Livia"). 3 Diese Anlagen hießen „Columbarien" nach den Nischen, in denen die Urnen beigesetzt wurden. Die Nischen sehen ähnlich aus wie die von Taubenschlägen. 4

C . I. L. VI 4 1 6 9 .

Hier ist eine große Statue der Livia gefunden worden, s. A. Maiuri, La Villa dei M i s t e r ? ( 1 9 4 7 ) 2 2 5 2 3 5 mit Fig. 9 3 - 9 8 . 5

136 11 Die ägyptischen Götter in Rom

Zeichnung 33: Mosaik aus Prima Porta. Ein ägyptischer Priester und eine Priesterin opfern einer heiligen Schlange. Nach S. Reinach, Répertoire des peintures grecques et romaines (Paris 1922) S. 160 Nr. 8. Farbig im Bullettino della commissione archeologica comunale di Roma 1892, tav. 8, und in den Mélanges d'archéologie et d'histoire (École française de Rome) 1 3 , 1 8 9 3 , pl. 1.

§ 2 5 6 Aus der ägyptischen Dekoration der Villa Farnesina und in Boscotrecase ergibt sich, daß derselbe Agrippa, der im Jahr 21 v. Chr. das Sperrgebiet für die ägyptischen Kulte erweitert hat und ägyptische Kapellen in der inneren Stadt abreißen ließ, in Luxusvillen voller ägyptischer Darstellungen gelebt hat. Nun war Agrippa verheiratet mit der Tochter des Augustus. Da Agrippa schwerlich selber den ägyptischen Sujets besonders zugetan war, wird man folgern, daß es Julia war, die solche Bilder schätzte. R. Turcan hat vermutet: „La fille d'Auguste devait se plaire à encourager une imagerie qui contrastait si fort avec la religion officielle et qui offrait à ses égards une sorte d'évasion ésthétique." 1 Julia war beliebt, eine elegante, gebildete und witzige Frau von angenehmen Umgangsformen. 2 Ihr Lebensstil war freilich freier, als dem Vater lieb war. Aber sie war seine einzige Tochter; der Kaiser soll gesagt haben: „Ich habe zwei verzogene Töchter, deren Launen ich ertragen muß: Respublica und Julia." 3 So konnte Julia sich, solange sie das äußere Decorum wahrte, fast alles erlauben. 4 Charakteristisch für ihre Vorstellung von dem freizügigen Leben, zu welchem sie sich berechtigt fühlte, ist ein Vers, der in ihrer Villa in Boscotrecase (am Fuß des Vesuvs) gefunden wurde:

1 Les cultes orientaux dans le monde romain 90. Macrobius, Sat. II 5,2 (Iulia) indulgentia tam fortunae quant patris abutebatur, cum alioquin litterarum amor multaque eruditio, . . . praeterea mitis humanitas minimeque saevus animus ingentem feminae gratiam conciliarent. 3 Macrobius, Sat. II 5,4 inter amicos dixit (sc. Augustus) duas habere se filias delicatas, quas necesse haberet ferre, Rempublicam et luliam. 4 Die Katastrophe der Julia trat erst ein, als Augustus die leichtlebige Frau zwang, den mürrischen Tiberius zu heiraten. Sie wurde im Jahr 2 v. Chr. auf die Insel Pandataria verbannt. 2

11 Die ägyptischen Götter in Rom

Caesaris Augusti femina mater

137

erat}

was m a n etwa so paraphrasieren kann: Auch meine G r o ß m u t t e r Atia, die M u t t e r des C a e s a r Augustus, war eine Frau und hatte die entsprechenden sexuellen Bedürfnisse - wie anders hätte sie M u t t e r des Augustus werden können? N u n w a r diese Villa im J a h r 1 1 v. C h r . im Besitz des damals einjährigen Kindes Agrippa P o s t u m u s ; 2 der V a t e r Agrippa w a r im J a h r 1 2 gestorben. Herrin des Hauses w a r Julia. Sie hat, in mutwilliger Opposition zu dem sittenstrengen Vater, ägyptisierende Bilder anbringen lassen. D e r Religion gegenüber dürfte sie ziemlich indifferent gewesen sein. D i e ägyptischen M o t i v e in Boscotrecase und den anderen kaiserlichen Villen bedeuten nicht m e h r , als daß man sich in R o m damit abgefunden hatte, daß Isis und Sarapis wie viele andere G ö t t e r verehrt wurden, und daß ägyptische M o t i v e als D e k o r a t i o n gefielen.

Römische Hetären als Isisdienerinnen § 2 5 7 In der eleganten W e l t R o m s w a r Isis beliebt. Die mit den Elegikern T i b u l l und Properz befreundeten Hetären waren Verehrerinnen der Isis und des Sohnes H a r p o k r a t e s - E r o s . Die Freundin des Properz trug den „ n o m de guerre" Cynthia nach dem heiligen Berg K y n t h o s a u f D e l o s . Des Tibull erste Geliebte hieß geradezu „ D e l i a " , seine zweite N e m e s i s , was an IsisNemesis erinnerte. Delia ist eine eifrige Verehrerin der Isis gewesen, und da der S o h n der G ö t t i n den N a m e n H a r p o k r a t e s - E r o s trug, diente diese H e t ä r e in der Ausübung ihres Berufes gleichzeitig dem Gott. Als Tibull k r a n k liegt, fragt er sich, o b der Dienst der Geliebten für Isis irgendeine Hilfe g e b r a c h t habe; o b es genützt habe, daß sie ihm an den T a g e n vor dem Isisfest das Beilager verwehrt habe?

Quid tua nunc Isis mihi, Delia, quid mihi prosunt illa tua totiens aera repulsa manu, quidve pie dum sacra colis pureque lavaris te (memini) puro secubuisse toro? „ W a s hilft mir nun deine Isis, D e l i a , was hilft es mir, daß du die Erzklappern 3 so oft mit deiner H a n d hin- und hergeschüttelt hast, was hilft es, daß du, während du f r o m m die heiligen H a n d lungen vollführst und dich rein badest, auf reinem Lager - ich erinnere es (schmerzlich) - abgesondert gelegen h a s t ? " 4

1 Lommatzsch, Carmina epigraphica 2 0 5 0 ; W. D. Lebek, Z. P. E. 24, 1977, 2 5 - 3 1 mit der richtigen Erklärung. 2 Dies geht hervor aus einem Ziegelstempel: Pupil(li) Agrip(pae), Tub(erone) Fabio co(tt)s(ulibus); das Consulatsjahr des Q. Aelius Tubero und Paullus Fabius Maximus war 11 v. Chr. Vgl. M. I. Rostovtzeff, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit I 2 4 9 Anm. 31; P. H. v. Blanckenhagen - Chr. Alexander, The Augustan Villa at Boscotrecase (Mainz 1990) S. 1 - 3 . 3

Die Sistren.

4

I 3,23-26.

138

11 Die ägyptischen Götter in Rom

Tibull bittet Isis, ihm jetzt zu helfen; Delia habe ein Gelübde für seine Gesundheit abgelegt und werde es zum R u h m der Göttin erfüllen, indem sie Zeugnis ablege von der M a c h t der Göttin. 1 Properz beklagt, daß seine Geliebte zehn Nächte enthaltsam ist: Tristia iam redeunt iterum sollemnia nobis: Cynthia iam nodes est operata decern, atque utinam pereant, Nilo quae sacra tepente rnisit matronis Inachis Ausoniis!. . . quidve tibi prodest viduas dormire puellas? „Erneut kehren uns die traurigen Festtage wieder;^ Cynthia hat nun schon zehn Nächte lang heilige Riten verrichtet. Ach, es sollten doch die Zeremonien verschwinden, welche die Inachostochter (Ιο-Isis) vom heißen Nil her den ausonischen (italischen) Frauen geschickt h a t . . . W a s hast du (Isis) denn schon davon, daß die Mädchen verwitwet schlafen?" 3 Auch Ovids Geliebte Corinna war Verehrerin der Isis. 4

Unschuldserklärungen § 2 5 8 F e m e r wird in Gedichten des Lygdamus und Tibull auf die Unschuldserklärungen angespielt, von denen in § 4 1 und 4 8 gesprochen wurde. 5 Lygdamus, Freund des M . Valerius Messalla Corvinus, ist durch Krankheit gehindert, mit seinen Freunden zusammen an einen Badeort in Etrurien zu fahren, und schickt ihnen einen poetischen Brief: Vos tenet, Etruscis manat quae fontibus unda . . . at mihi Persephone nigram denuntiat horam: immerito iuveni parce nocere, dea. non ego temptavi nulli temeranda virorum audax laudandae sacra docere deae, nec mea mortiferis infecit pocula sucis, dextera nec cuiquam trita venena dédit, nec nos sacrilegos templis admovimus ungues nec cor sollicitant facta nefanda meum, nec nos insana meditantes iurgia mente impía in adversos solvimus ora deosß 1

Die Verse werden in § 3 9 4 zitiert.

2 Vermutlich hat es sich um ein Osiris-, also um ein Totenfest gehandelt. 3

Properz II 3 3 , 1 - 4 und 17.

Ovid, Amores II 1 3 , 7 - 1 8 . - Die römischen Dichter spielen öfters darauf an, daß Hetären in der Nähe des Isistempels zu finden sind, s. Ovid, Amores II 2 , 2 5 ; Martial X I 4 7 , 4 ; Juvenal 6 , 4 8 9 und 9 , 2 2 - 2 4 . 4

5 L. Koenen, Z . P. E. 2 ( 1 9 6 8 ) 3 1 - 3 8 und Illinois Classical Studies 1 ( 1 9 7 6 ) 1 2 7 - 1 5 9 , auch meine Schrift „Die Unschuldserklärungen und Beichten im ägyptischen Totenbuch, in der römischen Elegie und im antiken R o m a n " (Gießen 1 9 8 7 = Universitätsbibliothek Gießen, Kurzberichte aus den Papyrussammlungen 4 3 ) . S. auch § 3 2 6 .

^ Lygdamus 5 , 1 - 1 4 .

11 Die ägyptischen Götter in R o m

139

„Ihr seid jetzt in dem etruskischen Bad . . . Aber mir verkündet Persephone die schwarze Stunde: O Göttin, schade nicht mir jungem M a n n , der ich ohne Schuld bin. Ich habe nie in frevelhafter Kühnheit versucht, die heiligen Riten der Göttin mitzuteilen, die immer gelobt werden muß, die Riten, welche von keinem M a n n übertreten werden dürfen; nie hat meine rechte Hand todbringende Säfte in die Becher gemischt, nie hat sie Gift zerrieben und dargereicht; ich habe meine Finger nicht in frevlerischer Weise in den Tempeln benutzt, und keine Schandtaten beschweren mein Herz; nie habe ich in törichtem Sinn daran gedacht, Schimpfreden gegen die Götter zu ersinnen, und nie habe ich meinen Mund in feindlicher Weise gegen die Götter geöffnet." 1 Lygdamus hat die Unschuldserklärungen der ägyptischen Religion gekannt, den T e x t , welchen wir als Kapitel 1 2 5 des Totenbuches zählen. Auch in seinem vierten Gedicht kommt eine kurze Anspielung darauf vor. Er berichtet dort, daß er einen schlimmen Traum gehabt hat, und fährt fort: Efficiat vanos noctis Lucina timorés et frustra immeritum pertimuisse velit, si mea nec turpi mens est obnoxia facto nec laesit magnos impia lingua deos. „ M ö g e (Iuno) Lucina (Göttin des Tages) bewirken, daß meine Angst nichtig ist, und möge sie bestimmen, daß ich, der Unschuldige, ohne Grund so sehr erschrocken bin, - so wahr mein Geist sich keiner schändlichen T a t bewußt ist und meine Zunge nie die Götter in unfrommer Weise geschmäht h a t . " 2 Tibull spielt zweimal auf die Unschuldserklärungen an. Im dritten Gedicht des ersten Buches liegt er krank auf Korkyra und denkt an Delia, die in R o m geblieben ist. Er bittet Isis, ihn zu heilen, und wendet sich dann an Iuppiter-Sarapis: Parce, pater: timidum non dicta in sanctos

non me periuria terrent, impia verba deos.

„Verschone mich, Vater; nicht schrecken mich gebrochene Eide, so daß ich ihretwegen voller Angst sein müßte, und auch nicht unfromme Worte, die ich gegen die heiligen Götter gesprochen h ä t t e . " 3 Im zweiten Gedicht hadert er mit seinem Schicksal: Die Geliebte läßt es sich im Haus eines anderen, offenbar eines reichen Liebhabers, gut gehen, und er darf sie nicht einmal sehen. Wie kann die Liebesgöttin Venus - die für Delia ja mit Isis eines ist - so ungerecht gegen ihn, den Liebesdichter, sein? Num Veneris magnae violavi numina verbo et mea nunc poenas impia lingua luit? num feror incestus sedes adiisse deorum sertaque de sanctis diripuisse focis ? 1 Er hat also auch keine Drohungen gegen die Götter ausgestoßen, wie das für die Ägypter bezeugt ist; s. S 3 8 4 - 3 8 6 . 2

Lygdamus 4 , 1 3 - 1 6 .

3

Tibull 1 3 , 5 1 - 5 2 .

140

11 Die ägyptischen Götter in R o m

„Habe ich etwa die Gottheit der großen Venus mit einem Wort verletzt, und muß ich nun die Strafe für die unfrommen Worte meiner Zunge erdulden? Kann mir etwa jemand nachsagen, ich sei schändlich in die Häuser der Götter gegangen und habe die Kränze von den heiligen Feuerstätten weggerissen?"1 Es wird wohl Delia selbst, die Isisdienerin, gewesen sein, die Tibull mit diesen Unschuldsbeteuerungen bekannt gemacht hat. Die eleganten Hetären scheinen bei der Verbreitung des Isiskults eine beträchtliche Rolle gespielt zu haben.

Rom als sacrosancta

civitas der Sarapis- und Isisverehrer

§ 259 Die Deportation von Freigelassenen ägyptischer Herkunft nach Sardinien, welche im Jahr 19 n. Chr. erfolgte, ist die letzte administrative Maßnahme gegen die ägyptischen Kulte gewesen. Von nun an und bis zum endgültigen Sieg des Christentums waren Isis und Sarapis Götter Roms, wie so viele andere auch. Zur Zeit des Appuleius ist Rom für die Isis-Verehrer die sacrosancta civitas?• Es war unvermeidlich, daß die Hauptstadt des Reiches gleichwertig neben die alten heiligen Städte Memphis und Alexandria trat. Es gab nun in Rom zahlreiche Tempel und Kapellen der alexandrinischen Götter. F. Coarelli zählt vierzehn bekannte Kultstätten auf. 3 Die wichtigste war die große Anlage auf dem Marsfeld. 4 Teile der großen Säulen des Tempels sind erhalten (Abb. 201-204) 5 . Giebelfigur war eine Isis-Sothis, die auf Münzen Vespasians abgebildet ist (Abb. 111). Der auf dem Grabmal der Haterier abgebildete Arcus ad Isis gehörte zu diesem architektonischen Ensemble (Abb. 189).

Caligula und die ägyptischen Kulte § 260 Die Haltung der Kaiser gegenüber Isis und Sarapis war wechselnd. Caligula (37-41), der sich in kindischen Einfallen überbot und auf seine Abstammung von Antonius, dem Liebhaber Kleopatras, etwas zugute tat, 6 hat nach der Geburt einer Tochter ein pharaonisches Geburtsritual in Rom inszeniert.7 Er hat einen Pantomimus „Kinyras", also ein Stück um

1

12,81-84.

2

Met. X I 2 6 , 2 .

In: U. Bianchi - J. M . Vermaseren, La soteriologia dei culti orientali nell'Impero R o m a n o ( E P R O 9 2 , 1 9 8 2 ) 3 5 - 6 5 mit Stadtplan auf einem Faltblatt. Vgl. auch M . Malaise, Inventaire 1 1 2 - 2 4 6 , ebenfalls mit einem Stadtplan (am Ende des Buches). 3

Malaise 1 8 7 - 2 1 4 ; am Ende des Buches als plan 1 - 3 Rekonstruktionen der in Fragmenten erhaltenen (des Stadtplans) aus der Zeit des Septimius Severus, auf welcher das [Iseu]tn e[t] Serapaeu[m] inschriftlich bezeugt sind. Die Inschriften aus diesem Gebiet bei Vidman 3 8 2 - 3 8 7 , dazu I. G. urbis R o m a e 4

forma urbis 101.

5 Eine Säulentrommel bei J. Leipoldt, Umwelt des Urchristentums III, Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter ( 2 1 9 6 7 ) Abb. 2 8 8 - 2 9 0 ; ein Ausschnitt bei M . Malaise, Inventaire pl. 1 8 . 6 E. Köberlein, Caligula und die ägyptischen Kulte (Meisenheim 1 9 6 2 ) ; über die antonianischen Neigungen S. 1 4 - 1 7 . 7 H. P. L'Orange, Das Geburtsritual der Pharaonen am römischen Kaiserhof, Symbolae Osloenses 2 1 ( 1 9 4 1 ) 1 0 5 - 1 1 6 = Likeness and Icon ( 1 9 7 3 ) 2 4 3 - 2 5 0 ; vgl. E. Köberlein 5 8 - 6 1 .

11 Die ägyptischen Götter in R o m

141

Myrrha und Adonis, aufführen lassen. 1 Zu seiner Unterhaltung sollte in einem nächtlichen Schauspiel die Unterwelt der Ägypter und Äthiopier dargestellt werden. 2 Dazu kam es nicht mehr, der Kaiser wurde am Tag vorher erschlagen. Es muß sich entweder um das Totengericht oder um den Weg des Sonnengottes durch die zwölf Nachtstunden gehandelt haben.

Die flavischen Kaiser ( 6 9 - 9 6 ) § 261 Nach dem Tod Neros folgten auf dem Kaiserthron drei kurz regierende Monarchen. Der letzte von ihnen, Vitellius, wurde gestürzt durch Flavius Vespasianus, den General des in Palästina stehenden Heeres. Dieser ließ sich zum Kaiser ausrufen und marschierte zunächst mit einem Teil seiner Truppen nach Ägypten, der Kornkammer Roms. Am Tag seiner Ankunft in Alexandria stieg der Nil um eine ganze Elle mehr als üblich. 3 Vespasian soll in das Serapeum gegangen sein und um ein Orakel gebeten haben, ob seine kaiserliche Herrschaft beständig sei. 4 Obwohl Vorsorge getroffen war, daß er allein sei, trat ihm plötzlich ein Mann entgegen und überreichte grüne Zweige, einen Kranz und Körbe voll Brot - ein glückverheißendes Orakel. Der Mann hieß Basileides; mit dem Wort „basileus" (König) wurde auch der Kaiser bezeichnet. Es geschahen noch viele andere Wunderzeichen (multa miracula evenere).5 Ein Blinder und ein Lahmer hatten in einem Orakeltraum im Serapeum die Weisung erhalten, sie würden geheilt werden, wenn der Kaiser auf die Augen des einen spucke und sich dazu herablasse, den anderen mit dem Fuß zu berühren. 6 Als Vespasian ihre Bitten erfüllte, wurden beide geheilt. Des Vespasian 18jähriger Sohn Domitianus befand sich damals in Rom und wäre beinahe von den Leuten des dort noch regierenden Vitellius gefangengenommen worden. Er verkleidete sich mit einem Leinengewand als Isisdiener und entkam. 7 Als Vespasian und sein Sohn Titus nach dem Tod des Vitellius und der Eroberung Jerusalems den Triumph über die Juden feierten, haben sie die Nacht vor dem Fest im Isistempel auf dem Marsfeld verbracht. 8 Die große Kultanlage für Isis und Sarapis in Benevent wurde unter Domitian errichtet. 9 1

Flavius Josephus, Ant. lud. X I X 9 4 ( 1 , 1 3 ) .

Sueton, Caligula 5 7 , 4 parabatur et in noctem et Aethiopas explicarentur. Vgl. Köberlein 3 2 . 2

3

quo argumenta

inferorum

per

Aegyptios

Cassius Dio L X V 8 (p. 1 4 0 , 1 0 Boissevain).

Sueton, Vespasianus 7,1 de firmitate imperii consuleret. 4

spectaculum,

imperii capturus

auspicium.

Tacitus, Hist. IV 8 2 ut super

rebus

5 Tacitus, Hist. IV 8 1 . Z u den Mirakeln in Alexandria vgl. S. Morenz, Rei. und Gesch. 5 5 1 - 5 6 0 ; Ph. Derchain, Chronique d'Égypte 5 6 ( 1 9 5 3 ) 2 6 1 - 7 9 ; Α. Henrichs, Ζ. Ρ. E. 3 ( 1 9 6 8 ) 5 1 - 8 0 . 6 Sueton, Vespasianus 7 , 2 e plebe quidam luminibus orbatus, item alius debili crure sedentem Vespasianum) pro tribunali pariter adierunt orantes opem valetudini demonstratam a Serapide per tem: restituturum oculos, si inspuisset; confirmaturum crus, si dignaretur calce contingere.

(se. quie-

7 Sueton, Domitianus 1 , 2 Isiaci celatus habitu interque sacrificulos Phariae (variae die Hss., c o r r . Gronov) superstitionis . . . latuit. Tacitus, Hist. III 7 4 Domitianus . . . sollertia liberti lineo amictu turbae sacricolarum immixtus ignoratusque. . . delituit. 8

Flavius Josephus, Bellum VII 1 2 3 - 1 2 4 .

Hans Wolfgang Müller, Der Isiskult im antiken Benevent ( 1 9 6 9 ) . Domitian hatte im J a h r 7 0 seinen aus Ägypten zurückkehrenden Vater in Benevent empfangen (Cassius Dio L X V I 9 , 3 p. 1 4 3 , 6 Boissevain). 9

142

11 Die ägyptischen Götter in R o m

Abgesandte der Hellenen und Juden aus Alexandria vor dem kaiserlichen Gericht in Rom; die alexandrinischen Märtyrerakten § 2 6 2 Zwischen den Juden in Alexandria - etwa einem Drittel der Bevölkerung - und den Hellenen hat es immer wieder Streitereien gegeben, manchmal geradezu Straßenschlachten. Die Mißhelligkeiten hatten einen religiösen Anstrich; die Hellenen beriefen sich auf Sarapis, die Juden auf Jahwe. Über die Krawalle in der Zeit des Kaisers Caligula sind wir durch zwei Bücher des jüdischen Philosophen Philon unterrichtet, „Adversus Flaccum" und „Legatio ad G a i u m " . Der römische Gouverneur des Landes, der Praefectus Aegypti, konnte die Zwistigkeiten nicht immer schlichten, und beide Parteien haben mehrfach Gesandte nach R o m geschickt, um ihre Sache vor dem Richterstuhl des Kaisers zu vertreten. Die römische Obrigkeit hat regelmäßig die Juden - die Minorität - in Schutz genommen; hochrangige Bürger von Alexandria sind durch das kaiserliche Gericht zum Tode verurteilt worden. Brutstätte dieser Feindschaft waren die Gymnasien der Stadt, wo die jungen Griechen ihre Ausbildung als künftige Bürger erhielten. Die Leiter der Gymnasien, die Gymnasiarchen, waren oft Anführer bei den Schlägereien; für die Römer waren sie die Verantwortlichen, welche dann bestraft wurden. Es hat ausführliche Berichte über diese Gerichtsverhandlungen gegeben, die auf Papyrus erhalten sind. 1 Sie zeigen so frappierende Ähnlichkeit zu den christlichen Märtyrerakten, daß man ihnen den Namen „alexandrinische Märtyrerakten" gegeben hat. Wie auch die christlichen Akten sehen diese Texte aus wie amtliche Protokolle über Gerichtsverhandlungen. Diese wurden im Fall der Acta Alexandrinorum vor dem Kaiser persönlich geführt. Die W o r t e des Kaisers und die Antworten des Angeklagten werden wörtlich angeführt, zweifellos meistens verkürzt. Auch Zwischenfälle während der Verhandlungen, Urteil und Exekution 2 wurden protokolliert. Diese Texte müssen in Ägypten vor den Verehrern des Sarapis - des Stadtgottes von Alexandria - verlesen worden sein, und für diese Verlesung sind sie je nach den Erfordernissen späterer Jahre verkürzt oder erweitert worden,^ ganz wie auch die entsprechenden christlichen Akten immer wieder umgearbeitet worden sind. § 2 6 3 Der Aufbau dieser Texte ist dramatisch. Als Beispiel sei eine Szene aus den Acta Appiani referiert. 4 Kaiser C o m m o d u s ( 1 8 0 - 1 9 3 ) hat Appian zum T o d e verurteilt. Er wird abgeführt und kommt am Leichnam eines gerade Hingerichteten vorbei. Er spricht zum Geist des Toten: Du, Toter, geh an deinen Platz 5 (in der Unterwelt) und melde 6 meinem Vater Heraklianos (daß auch ich bald eintreffen werde).

1

Acta Alexandrinorum, ed. H. Musurillo, Leipzig 1 9 6 1 .

2 Die Kreuzigung des Alexandriners Antoninus wird in den Acta Pauli et Antonini erzählt, Musurillo N r . I X , col. VII; S. 4 1 . ^ Sowohl von den Acta Isidori als auch von den Acta Pauli et Antonini sind uns zwei verschiedene Fassungen erhalten: Musurillo N r . IV (S. 1 1 - 1 7 ) und I X (S. 3 6 - 4 6 ) . 4 Musurillo N r . X I , S. 5 1 - 5 6 . Auch bei V. A. Tcherikover - A. Fuks, Corpus papyrorum Iudaicarum II ( 1 9 6 0 ) Nr. 1 5 9 . 5

γενόμενος σου εις τήν χώραν. Das σου ist nicht sicher.

6

λέγε von Musurillo erwogen, λέγω Pap. Die Stelle ist schwierig.

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Heliodoros, ein älterer Freund des Appian, spricht: Eile, Kind, sterbe. Es ist ruhmvoll für dich, für deine geliebte Vaterstadt zu sterben. Habe keine F u r c h t . . . Der Kaiser läßt Appian nochmals zurückrufen; er tadelt die ungebührlich freche Art, mit der Appian sich gegen ihn, den Kaiser, aufgeführt hatte: Weißt du überhaupt, mit wem du sprichst? (Appianos:) Ja, ich, Appian, mit einem Tyrannen. (Kaiser Commodus:) Nein, mit dem Kaiser. (Appianos:) Das darfst du nicht sagen. Deinem verstorbenen Vater (Marcus Aurelius) Antoninus kam es zu, sich Kaiser zu nennen, denn erstens war er ein Philosoph, zweitens nicht geldgierig, drittens liebte er das Gute. Von all diesem findet sich bei dir das Gegenteil: Tyrannei, H a ß gegen das Gute, Unbildung. Der Kaiser läßt ihn abführen. Im Abgehen spricht Appian: Gewähre mir eine Gunst, Caesar. (Commodus:) Welche? (Appianos:) Erlaube, daß ich im Schmuck meiner edlen Würde zum Tod geführt werde. (Commodus:) Gewährt. Da nahm Appian die Ehrenbinde und wand sie um sein Haupt, zog seine Prunkstiefel an die Füße und rief mitten in Rom: Lauft zusammen, Römer, erblickt etwas, was man seit Beginn der Zeiten noch nie gesehen hat: Ein Gymnasiarch von Alexandria, der als Gesandter gekommen ist, wird zum Tod abgeführt. Der Soldat, der ihn abgeführt hat, (kommt zurück und) meldet: Die Bewohner von Rom murren. (Commodus:) Weshalb ? (Ein Consul:) Weil der Mann aus Alexandria zum Tod geführt wird. (Commodus:) Er soll nochmals kommen. Appianos tritt wieder ein und spricht: Wer läßt mich wieder rufen, der ich schon zum zweitenmal den Hades verehre und die vor mir Gestorbenen, den Theon und Isidoros und Lampón? 1 Tut dies der Senat oder du, der Räuberhauptmann?

1 Drei angesehene alexandrinische Bürger, die früher auf Grund eines kaiserlichen Urteils hingerichtet worden sind. Aus den Acta Isidori sind lange Fragmente erhalten (Nr. IV Musurillo).

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(Commodus:) Appianos, wir haben Übung darin, Rasende und Verrückte zur Besinnung zu bringen. Du darfst nur solange sprechen, als ich es erlaube. (Appianos:) Bei deiner Fortuna, ich bin weder rasend noch verrückt, sondern ich rufe nur laut aus, was mir wegen meiner vornehmen Stellung zukommt. (Commodus:) Wieso? (Appianos:) Ich bin von edler Herkunft und Gymnasiarch. (Commodus:) Willst du sagen, daß ich nicht von edler Abkunft sei?1 (Appianos:) Das weiß ich nicht; ich spreche nur von meiner edlen Herkunft und dem, was mir (als Gymnasiarchen) zusteht. . . § 264 Im Prozeß des Hermaiskos hat Sarapis selbst zugunsten seiner Bürger eingegriffen. In diesem Fall reisen zwei Gesandtschaften nach Rom, um vor Kaiser Trajan aufzutreten, mindestens 12 Griechen und 7 Juden; „beide führten ihre eigenen Götter mit sich", 2 die Alexandriner eine Büste des Sarapis, die Juden vielleicht eine Kopie der Bundeslade. In Rom werden beide Gesandtschaften beim Kaiser angemeldet. Trajans Gattin Plotina war für die Juden und nimmt schon vor der Verhandlung Einfluß auf die senatorischen Beisitzer in Trajans Ratskollegium. Als die Juden vor den Kaiser geführt werden, begrüßt dieser sie auf das freundlichste; auch er war durch Plotina zugunsten der Juden voreingenommen. Dann treten die Alexandriner (die Griechen) ein und begrüßen den Kaiser; aber er erwidert den Gruß nicht,·' sondern antwortet: Ihr begrüßt mich mit den Worten ,Sei froh', als ob ihr der Antwort ,Seid (auch ihr) froh' würdig wäret, obwohl ihr es fertig gebracht habt, den Juden so Schlimmes zuzufügen. Hier bricht der Papyrus ab; als er wieder einsetzt, befinden sich Hermaiskos, Sprecher der Alexandriner, und Kaiser bereits in heftigem Wortwechsel. Hermaiskos hat sich anscheinend als geistig völlig unabhängiger Philosoph dargestellt und gesagt, das Wesen der Philosophie sei „Vorbereitung auf den Tod", 4 und darum sage er dem Kaiser frei heraus die Wahrheit ins Gesicht. Darum also, sagt Trajan, bereitest du dich auf den Tod vor, weil du den Tod verachtest, und antwortest mir so trotzig?

1 M a n hat erzählt, daß Commodus aus einer ehebrecherischen Verbindung seiner Mutter stamme; s. die Historia Augusta, Vita Marci 19,7. In Kap. 2 9 , 1 - 2 wird erzählt, wie ein Schauspieler in der Aufführung eines Ehebrecher-Mimus in Anwesenheit des Kaisers auf den Namen eines Favoriten der Kaiserin angespielt hat. Dies hat zu viel Gerede im Volk geführt. Vgl. Z. P. E. 100 (1994) 471-472. 2

Nr. VIII Musurillo (S. 32-35); Col. I 16 ανάγονται μέν οΰν της πόλεως, έκαστοι βαστάζοντες τούς Ιδίους θεούς, Ά λ ε ξ α ν δ ρ ε ΐ ς [μέν τήν Σαράπιδος προτομήν, 'Ιουδαίοι δέ — ]. 3

Col. II, Zeile 34 ό δέ ουκ άντησπάσατο (St. West, Ζ. Ρ. Ε. 7, 1971, 164).

4

Platon, Phaidon 81Α: Die Philosophie ist μελέτη θ α ν ά τ ο υ .

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(Hermaiskos:) Wir sind betrübt, weil du in dein consilium lauter unfromme Juden aufgenommen hast. 1 (Trajan:) Hermaiskos, ich warne dich zum zweitenmal: Du antwortest mir trotzig im Vertrauen auf deine edle Abkunft. (Hermaiskos:) Wieso antworte ich trotzig, großer Imperator? Darüber belehre mich. (Trajan:) Weil du behauptest, mein consilium bestehe aus Juden. (Hermaiskos:) Ja, ist denn das Wort Juden' nicht schlimm? Du solltest deinen Leuten helfen und nicht als Anwalt der unfrommen 2 Juden auftreten. An dieser Stelle der Verhandlung hat Sarapis durch ein Wunder in den Verlauf des Prozesses eingegriffen: „Als Hermaiskos so sprach, zeigte die Sarapisbüste, welche die Gesandten trugen, plötzlich Schweißtropfen. Als Trajan dies sah, da erstaunte er; und kurz darauf liefen die Leute in Rom zusammen; die Menge erhob großes Geschrei, und alle flohen auf die Höhen der Hügel. . Hier bricht der Text wieder ab. Es ist jedenfalls deutlich, daß von der wunderbaren Macht (άρετή, δύναμις) des Sarapis berichtet wird. Wir werden im 18. Kapitel auf diese Wunderberichte (Aretalogien) und das Staunen der Augenzeugen zurückkommen.

Hadrian und Antinoos; die Villa Hadriana in Tivoli; das Regenwunder im Markomannenkrieg § 2 6 5 Kaiser Hadrian ( 1 1 7 - 1 3 8 ) ist während seiner Regierungszeit durch sämtliche Provinzen des Reiches gereist. Als er im Jahr 130 auf dem Nil durch Ägypten fuhr, ist sein Lieblingsknabe Antinoos unter mysteriösen Umständen ertrunken. 4 Er war damit nach ägyptischen Vorstellungen zu einem „Gesegneten" (Hesiês), einem neuen Osiris geworden. 5 Hadrian hat angeordnet, daß Antinoos unter die Götter erhoben und ihm ein Kult eingerichtet werde. In

1 Gemeint ist, daß die Senatoren im consilium beeinflußt worden sind.

principis

durch Plotina im voraus zugunsten der Juden

2 Die monotheistischen Juden erkannten die griechisch-römischen Götter nicht an, ganz wie auch die Christen, die als jüdische Sekte begonnen haben. M a n hat erwogen, daß die „Juden" dieses Textes (nach unseren Begriffen) Christen waren.

Col. III, Zeilen 5 0 - 5 5 ταϋτα λέγοντος Έ ρ μ α ΐ σ κ ο υ ή τ ο ΐ Σαράπιδος προτομή, ην έβάσταζον οί πρέσβεις, αίφνίδιον ΐδρωσεν· θεασάμενος δέ Τραϊανός ά π ε θ α ύ μ α σ ε ν και μετ' ολίγον συνδρομαί έγένοντο εις τήν 'Ρώμην, κραυγαί τε παμπληθεΐς έξεβοώντο, και πάντες εφευγαν εις τά υψηλά μέρη των λό[φων — . 4 Cassius Dio L X I X 11 (p. 2 3 2 , 2 Boissevain) deutet an, daß ein Orakel Hadrian den T o d prophezeit habe, wenn sich nicht ein anderer für ihn opfere, und daß Antinoos sich für den geliebten Kaiser hingegeben habe. M a n könnte sich daran erinnert fühlen, daß Sarapis die Schicksalslose der Menschen austauschen konnte, s. § 4 0 1 . 5 Vgl. A. Hermann, „Antinous infelix", in: Mullus, Festschrift Theodor Klauser (Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsband 1, 1 9 6 4 ) 1 5 5 - 1 6 7 und § 9.

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Ägypten wurde gegenüber von Hermupolis M a g n a eine neue Stadt, Antinoupolis, gegründet, welche hellenisches Stadtrecht erhielt. In dem großen Komplex der Villa Hadriana bei Tibur gab es eine Nillandschaft mit einer Nachbildung des Lustortes Kanopos. 1 § 2 6 6 In den Jahren 1 6 8 - 1 7 5 führte Kaiser Marcus von Carnuntum aus Krieg gegen die M a r k o m a n n e n in Böhmen. Einmal wurde das römische Heer auf feindlichem Gebiet vom Nachschub abgeschnitten und litt unter Wassermangel. Priester und Anhänger der verschiedenen Religionen, welche im Römerheer Dienst taten, wendeten sich bittflehend an ihre Götter. Ein unerwartetes, großes Gewitter hat das Heer gerettet. 2 Die Vertreter mehrerer Religionen nahmen für sich das Verdienst in Anspruch, das römische Heer durch ihre Gebete gerettet zu haben, so ein syrischer „ T h e u r g " (Bewirker göttlicher Erscheinungen) namens Iulianos. 3 Auch die Christen haben gesagt, daß Gott auf ihre Bitten hin die R ö m e r gerettet h a b e . 4 Schließlich hieß es, daß der ägyptische Priester Harnuphis durch Gebete an den „Hermes der L u f t " ( Έ ρ μ η ς άέριος, wohl der ägyptische Windgott Schu) den Regen bewirkt habe. 5 Harnuphis ist als historische Persönlichkeit durch eine Inschrift aus Aquileia bezeugt.^ M a n sieht den Gott des Gewitters auf der Marcussäule in R o m im Relief. 7 § 2 6 7 In der späteren Kaiserzeit war der Isis- und Sarapiskult im ganzen Römerreich verbreitet. 8 Als einige unter Hunderten von Belegen seien die Münzen des Hadrian (Abb. 2 4 5 ) , Gallienus (Abb. 2 3 7 ) , Claudius Gothicus (Abb. 2 3 8 ) sowie der gallischen Sonderkaiser Postumus (Abb. 2 4 6 ) und Victorinus (Abb. 2 4 7 ) angeführt.

1 Historia Augusta, Vita Hadriani 2 6 , 5 . Übersicht über die Funde bei M . Malaise, Inventaire 1 0 1 - 1 0 8 und J.-C. Grenier, La décoration statuaire du „Serapeum" du „ C a n o p e " de la Villa Adriana (Mélanges de l'École Française de Rome, Antiquité 1 0 1 , 1 9 8 9 , 9 2 5 - 1 0 1 9 , mit 4 0 Tafeln). 2 R. A. Birley, M a r k Aurel ( 2 1 9 7 7 ) 3 1 6 . Vgl. J. Guey, La pluie miraculeuse, Rev. phil. 2 2 , 1 9 4 8 , 166 2 ; G. Posener, Rev. phil. 2 5 , 1 9 5 1 , 1 6 2 - 1 6 8 ; J. Schwartz, Ζ . P. E. 1, 1 9 6 7 , 2 0 2 ; I. Tóth, Studia Aegyptiaca 2 , 1 9 7 6 , 1 0 1 - 1 1 3 .

3 Suda-Lexikon s. v. 'Ιουλιανός. Dieser Iulianus war der Verfasser der chaldäischen Orakel. Vgl. E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational 2 8 3 - 2 8 5 (= deutsch 1 5 9 - 1 6 2 ) und E. des Places, Oracles chaldaiques ( 1 9 7 1 ) S. 7. 4

Tertullian, Apologeticum 5 , 6 und Ad Scapulam 4 , 6 ; Eusebios, Hist, eccles. V 5 .

5

Cassius Dio L X X I 8 , 4 (p. 2 6 0 , 3 Boissevain).

6

Α. E. 1 9 3 4 , 2 4 5 ; Vidman 6 1 3 .

7

R. A. Birley, M a r k Aurel Abb. V neben S. 3 0 4 .

8

Minucius Felix 2 2 , zu Beginn dieses Kapitels als M o t t o zitiert.

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Sciendum in sacris simulata pro veris accipi In den Zeremonien gilt das Nachgeahmte ebensoviel wie das Wirkliche Servius zu Aeneis II 1 1 6

Die Götterbilder § 2 6 8 Unsere wichtigste Quelle für den Kult der Isis ist das X I . Buch der Metamorphosen des Appuleius. Es soll später im Zusammenhang besprochen werden. In den folgenden Kapiteln wird zusammengestellt, was wir aus anderen Quellen über den ägyptischen Kult in griechischrömischer Zeit wissen. § 2 6 9 Der ägyptische wie der griechische Gottesdienst ist ohne Götterbilder nicht vorstellbar. W i r k s a m war für Ägypter und Griechen nur ein Gott, der anschaulich vor Augen stand. Die äußere Gestalt, welche Bildhauer und Maler den Göttern gaben, hat in hohem M a ß die Vorstellungen bestimmt. So hat der neuplatonische Philosoph Porphyrios (etwa 2 3 4 - 3 0 5 ) ein ganzes Buch über die Götterstatuen 1 geschrieben und versucht, aus Haltung und Attributen der Götterbilder auch das Wesen der Dargestellten zu erklären; und als die Christen den heidnischen Gottesdienst ausrotten wollten, war es nach den Anschauungen der Zeit nötig, auch die Bilder der „ D ä m o n e n " und ihre Tempel - ihre Wohnungen - zu zerstören. Sie selbst, die Christen, haben an der Existenz der Dämonen, die ja auch ihnen noch vor Augen standen, nicht gezweifelt. Wenn bei den Juden verboten war, Götterbilder anzufertigen, so war das ein Schritt zur Abstraktion; eine solche Abstraktion haben bei Ägyptern und Griechen nur die intellektuellen Eliten vollzogen. § 2 7 0 Natürlich haben Ägypter und Griechen gewußt, daß die Götterbilder von Menschenhand aus toter Materie gemacht waren. Wenn man eine Götterstatue im Tempel aufstellte, so vollzog man eine Einweihungszeremonie, durch welche dem Bild Wirklichkeit verliehen wurde. In einem Papyrus findet sich eine Anrufung des Sarapis durch Alexander den G r o ß e n , welche der Makedone bei der Gründung von Alexandria gesprochen haben soll, nachdem ihm Sarapis im T r a u m erschienen war: „ O du Gott, der du mir so deutlich sichtbar warst, tritt ein in die

1 Π ε ρ ί άγαλμάτων. Die Fragmente bei J . Bidez, Vie de Porphyre (im Anhang, p. l * - 2 3 * ) und bei Andrew Smith, Porphyrii philosophi fragmenta ( 1 9 9 3 ) S. 4 0 7 - 4 3 5 als 3 5 1 F - 3 6 0 a F .

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Stadt, welche ich gegründet habe, und in den von mir errichteten T e m p e l . " 1 Die Ägypter haben die Götterstatuen mittels des Mundöffnungsrituals „ b e l e b t " . Die Griechen in Ägypten haben diese Vorstellungen ü b e r n o m m e n ; so findet sich in den magisch-religiösen T e x t e n ein Spruch, durch welchen alle Statuen und geschnittenen Steine belebt w e r d e n . 2

Das Sarapeum zu Alexandria § 2 7 1 S c h a u p l a t z der großartigsten S a r a p i s - Z e r e m o n i e n w a r der T e m p e l zu A l e x a n d r i a , Z e n t r u m des Kultes für die griechische Welt. O b ein erster T e m p e l schon bei der Gründung der Stadt durch A l e x a n d e r 3 oder erst durch Ptolemaios I. Soter angelegt wurde, ist nicht zu entscheiden. M a n hat an diesem Heiligtum immer weiter gebaut. Unter Ptolemaios III. Euergetes wurde ein großer neuer T e m p e l b e g o n n e n ; 4 die Anlage ist in der Kaiserzeit, wohl unter T r a j a n oder Hadrian, nochmals erweitert worden. A m m i a n u s Marcellinus sagt: „ D a s Serapeum ist durch weite Säulenhallen und a t m e n d e Stat u e n 5 und die Fülle der übrigen Kunstwerke so geschmückt, d a ß nächst dem C a p i t o l , mit dem das verehrungswürdige R o m sich ins Ewige erhebt, der ganze Erdkreis nichts Anspruchsvolleres und Großartigeres e r b l i c k t . " 6 § 2 7 2 Ausführlich beschreibt der Kirchenhistoriker Rufin die Anlage: „Die Anlage w a r nicht von N a t u r , sondern von H a n d durch Bauten hundert oder mehr Schritt in die H ö h e getürmt und von jeder Seite durch riesige, quadratische H ö f e in die Länge gezogen. D e r ganze U n t e r b a u , durch den m a n die H ö h e des gepflasterten F u ß b o d e n s erreichte, w a r aus g e w ö l b t e n B o g e n konstruiert; von o b e n her hatte m a n L i c h t s c h ä c h t e eingebaut; d o r t w a r e n heilige R ä u m e voneinander abgetrennt und dienten zu verschiedenen Z e r e m o n i e n und geheimen K u l t a k t e n . A u f dem oberen Niveau erstreckten sich über den ganzen R a u m in seinem vollen U m f a n g hin offene H a l l e n und R ä u m e für die P a s t o p h o r e n und h o c h a u f r a g e n d e H ä u s e r , in 1 M. Totti, Texte Nr. 66 [ώ δα!μ]ον έμφανέσ[τατε, εΐ]σιθι εις την [κτισθε]ίσαν πόλιν [καί ναόν] μοι Σάραπι (Pap. Milano 21); vgl. auch „Die Quellen des griechischen Alexanderromans" 2 1 9 7 7 , 1 9 8 - 2 0 1 . 2 P. G. M. XII 319 δι' οΰ ζωπυρεΐται πάντα πλάσματα καί γλυφά! καί ξόανα. Mandulis-Aion verleiht seinem Standbild und Tempel beseelten Hauch und große Kraft (ξοάνω τε σψ καί ναω εμπνοιαν παρέχων καί δύναμιν μεγάλην, E. Bernand, Inscr. métr. 166,16). Vgl. weiter das Kapitel περί καθιδρύσεως θεών im Catal. cod. astrol. Gr. VIII 4,252; Hephaistion von Theben III 7,13 (p. 258 Pingree); Appuleius, Met. XI 17,1 simulacra spirantia-, Asclepius 24 statuas animatas sensu et spiritu plenas-, G. Wolff, in: Porphyrii de philosophia ex oraculis haurienda librorum reliquiae (1856) 2 0 6 - 2 1 3 (De consecratione statuarum); F. Cumont, L'Égypte des astrologues 143; E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational 2 9 2 - 2 9 5 (= deutsch 159-162). 3

Wie in dem Mailänder Papyrus 21 vorausgesetzt wird, s. die vorletzte Anmerkung.

A. Bernand, Alexandrie la grande 1 2 5 - 1 2 9 ; P. M. Fraser, Alex. I 2 7 - 2 8 und 2 6 7 - 2 7 0 ; II 91 Anm. 195 (die Gründungsinschrift). 4

5 Den Statuen war der Mund rituell geöffnet worden. Man kann auch sagen: Sie waren künstlerisch so lebendig gestaltet, daß man sie als belebt denken konnte. 6 Ammianus Marcellinus XXII 16,12 Serapeum . . . atriis . . . columnatis amplissitnis et spirantibus signorum figmentis et reliqua operum multitudine ita est exornatum, ut post Capitolium, quo se venerabilis Roma in aeternum attollit, nihil orbis terrarum ambitiosius cernat. Eine Beschreibung des Tempels aus der Zeit um 315 n. Chr. bietet der Rhetor Aphthonios, Progymnasma 12 (p. 38^41 Rabe).

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welchen sich die Tempelpriester oder die (Initianden) aufhielten, welche sie ,Sich-Enthaltende' nannten, d. h., ,die rein und keusch leben'. Dann kamen weiter innen ringsum laufende Säulenhallen mit jeweils vier Säulenreihen. In der Mitte des ganzen Bezirks war der Tempel, erbaut mit kostbaren Säulen und in der ganzen Breite großzügig mit Marmorsteinen verkleidet. Innen befand sich das Götterbild des Sarapis; er war so massig, daß er mit der Rechten die eine, mit der Linken die andere Wand berührte. Man erzählte, daß dieses monströse Gebilde aus allen Sorten von Metallen und Hölzern zusammengesetzt sei. 1 Die inneren Wände des Tempels waren zunächst mit Goldplatten bekleidet; über ihnen waren Silberplatten, und zuletzt Bronzeplatten, welche die wertvolleren Metalle schützten." 2 § 2 7 3 Im Sarapeum befand sich auch eine große öffentliche Bibliothek. Sie war - nach der Bibliothek des Museums zu Alexandria - die zweitgrößte, und als in Caesars alexandrinischem Krieg die Museumsbibliothek abbrannte, die größte. 3

Heliosarapis in theatralischen Zeremonien § 2 7 4 Im Sarapeum hat es eine berühmte Zeremonie gegeben, in welcher anschaulich zum Ausdruck kam, wie der Sonnengott in der Sarapis-Statue Wohnung nahm. Rufinus berichtet: „Es waren dort künstlich und mit List einige Vorrichtungen getroffen, die zum S t a u n e n der Anwesenden führten: Ein kleines Fenster war nach Osten zu so angebracht, daß an dem Tag, an welchem nach dem Brauch eine Statue des Sonnengottes zur Begrüßung des Sarapis hineingebracht wurde, ein Sonnenstrahl durch eben dieses Fenster fallend (wenn man den Zeitpunkt richtig wählte) Mund und Lippen des Sarapis beleuchtete, so daß es aussah, als ob Sarapis vom Sonnengott geküßt wurde, wobei das Volk zusah." 4 1 Der Gedanke ist, daß der Weltgott Sarapis aus allen Stoffen zusammengesetzt ist. Die Vorstellung ist orphisch, s. die Col. XII des Derveni-Papyrus (Z. P. E. 47, 1982, nach S. 300) und Fr. 167 Kern mit M . L. West, The Orphic Poems 8 8 - 8 9 , 2 0 5 und 2 3 9 - 2 4 0 . Bei Ps. Kallisthenes I 33,5 (p. 34,6 Kr.) ist anläßlich der Gründung von Alexandria die Rede von einem άφραστον ξόανον, einem ξόανον, ô θνητή φύσις ούχ εύρεν άπαγγεΐλαι. Eustathios sagt zu Dionysios Periegetes 2 5 5 : Σάραπις, ου φασι τό άγαλμα τοις όρώσιν άδηλον είναι οίας φύσεως ήν. 2 Rufin, Hist, eccles. X I 23 Locus est non natura, sed manu et constructione per centum aut eo amplius gradus in sublime suspensus quadratis et ingentibus spatiis omni ex parte distentus; cuncta vero, quo ad summum pavimentorum evadatur, opere forniceo constructa, quae inmissis desuper luminaribus et occultis adytibus invicem in semet distinctis usum diversis ministeriis et clandestinis officiis exhibebant. iam vero in superioribus extrema totius ambitus spatia occupant exedrae et pastophoria domusque in excelsum porrectae, in quibus vel aeditui vel hi, quos appellabant άγνενοντας, id est, qui se castificant, commanere soliti erant. porticus quoque post haec omnem ambitum quadratis ordinibus distinctae intrinsecus circumibant. in medio totius spatii aedes erat pretiosis edita columnis et marmoris saxo extrinsecus ample magnificeque constructa. in hac simulacrum Serapis erat ita vastum, ut dextera unum parietem, alterum laeva perstringeret. quod monstrum ex omnibus generibus metallorum lignorumque compositum ferebatur. interiores delubri parietes laminis primo aureis vestiti, super has argenteis, ad postremum aereis habebantur, quae munimento pretiosioribus metallis forent. 3 Aphthonios, Progymnasma 12 (p. 4 0 Rabe); Ammianus Marcellinus X X I I 16,13; Orosius VI 15,32; P. M . Fraser, Alex. II 4 9 3 Anm. 2 2 4 . 4 Hist, eccles. X I 23, auch bei Hopfner, Fontes 627: Erant etiam quaedam ad stuporem admirationemque videntium dolis et arte composita: fenestra perexigua ab ortu solis ita erat aptata, ut die, qua institutum fuerat simulacrum Solis ad Serapem salutandum intro ferri, diligenter temporibus observatis

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Dieser Kuß des Sonnengottes ist auf alexandrinischen T o n l a m p e n und M ü n z e n abgebildet, s. Abb. 1 9 8 - 2 0 0 . 1 In dieser Szene wurde ein altägyptisches Ritual variiert, bei dem die Statue einer Gottheit auf das T e m p e l d a c h gebracht wurde, damit der Sonnengott Re sie mit seinen Strahlen belebe. 2 § 2 7 5 Für eine zweite Zeremonie hat m a n einen M a g n e t an der D e c k e des Sarapis-Tempels angebracht. M a n trug nun eine kleine eiserne Statuette des H e l i o s in den T e m p e l , bis sie sich direkt unter d e m M a g n e t e n befand. M a g n e t und Eisenstatuette w a r e n so b e m e s s e n , daß der M a g n e t das Eisen emporzog, so daß die Statuette des H e l i o s o b e n in der H ö h e hing. D i e Priester riefen nun: „ H e l i o s hat sich erhoben, um sich v o n Sarapis zu verabschieden u n d w i e d e r nachhause zu g e h e n . " 3

Morgendliche Öffnung des Tempels; Schöpfen und Spenden des heiligen Wassers § 2 7 6 D i e Ö f f n u n g der Tempeltüren am frühen M o r g e n geschah s c h o n im alten Ä g y p t e n nach feierlichem Ritus. 4 Auch in griechisch-römischer Zeit war die matutina apertio templi eine sorgfältig beobachtete Zeremonie. ingrediente simulacro radius solis per eandem fenestram directus os et labra Serapis illustraret inspectante populo osculo salutatus Serapis videretur a Sole.

ita, ut

1 Vgl. W. Weber, Drei Untersuchungen zur ägyptisch-griechischen Religion (Heidelberg 1911) 10; F. Thelamon, Païens et chrétiens 182-184 und 195 und in „Aquileia e l'Africa", Antichità Alto-Adriatiche 5 (Udine 1974) 227-250; V. Tran Tarn Tinh, Le baiser d'Hélios, in: Studi e Materiali. Istituto di Archeologia. Università di Palermo 5. Alessandria e il mondo ellenistico-romano. Studi in onore di Achille Adriani (Roma 1984) 318-328; L. Budde, Archäologischer Anzeiger 87 (1972) 630-642. In Nikomedeia scheint es eine ähnliche Zeremonie gegeben zu haben, s. die Münze bei W. H. Waddington - E. Babelon - Th. Reinach, Recueil général des monnaies grecques d'Asie Mineure Nr. 378 (p. 566) mit pl. 98 Nr. 4. 2 S. Sauneron, Les fêtes religieuses d'Esna (Esna V) 1 2 1 - 1 8 3 „L'union au disque"; Ph. Derchain, Le papyrus Sait 825 (Bruxelles 1965) 17; J. Hani, R. E. G. 83 (1970) 54; H . Kurth 107-110. 3

Rufin, Hist, eccles. XI 23 (auch bei Hopfner, Fontes 627): erat et aliud fraudis genus huius modi: natura lapidis magnetis huius virtutis esse perhibetur, ut ad se rapiat et adtrahat ferrum. signum Solis ad hoc ipsum ex ferro subtilissimo manu artificis fuerat fabricatum, ut lapis, cuius naturam ferrum ad se trahere diximus, desuper in laquearibus fixus, cum temperate sub ipso ad libram fuisset positum simulacrum, vi naturali ad se raperei ferrum, adsurrexisse populo simulacrum et in aere pendere videretur. et ne hoc lapsu propero proderetur, ministri fallaciae „Surrexit, aiebant, Sol, ut valedicens Serapi discedat ad propria." Augustin spielt auf diese Zeremonie an (De civitate dei XXI 6, p. 499,31-500,4 Dombart-Kalb); er nennt sie mirifica, quae μηχανήματα appellant. Vgl. auch Quodvultdeus, Liber promissionum et praedictorum dei III 4 2 apud Alexandriam in templo Serapis hoc argumentum daemonis fuit: quadriga ferrea, nulla base suffulta, nullis uncis infixis parietibus conligata, in aere pendens cunctis stuporem ac velut divinum subsidium oculis mortalium exhibebat. quam tarnen lapis magnus, qui ferrum vi sibimet adtributum suspendit, eo loco camerae adfixus totam illam machinam sustentabat (ed. R. Braun, Corp. Christ. Lat. 60, 1976, 184; Sources chrét. 102,570). 4

Neueste Übersetzung des Ritualtextes von E. Kausen bei Otto Kaiser (Herausgeber), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments II (1988) 391^105; vorher A. Moret, Le rituel du culte divin journalier en Égypte, Paris 1902; G. Roeder, Kulte, Orakel und Naturverehrung im Alten Ägypten (1960) 7 2 - 1 4 1 ; ein ähnlicher Text bei A. M. Blackman - H. W. Fairman, J. E. A. 32 (1946) 75-91 „The Consecration of an Egyptian Temple According to the Use of Edfu".

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Als Porphyrios die Verehrung von Feuer und Wasser durch die Ägypter bespricht, sagt er: 1 „Sie verehren Feuer und Wasser am meisten unter den Elementen, da diese am meisten Ursache unserer Rettung sind, und zeigen sie in den Heiligtümern vor,^ so wie ja auch jetzt noch der Kult bei der Öffnung des Tempels des heiligen Sarapis ausgeführt wird: Der Sängerpriester gießt das Wasser aus und läßt das Feuer sehen, 3 wenn er auf der Tempelschwelle stehend den Gott in ägyptischer Sprache e r w e c k t . " 4 § 2 7 7 Appuleius erwähnt die Öffnung des Tempels dreimal. An der ersten Stelle 5 wird berichtet, daß der Priester das heilige Wasser - Osiris - aus dem Innersten des Tempels holt. Damit wiederholt er den Mythos vom Suchen und Finden des Gottes im Wasser, jene Zeremonie, die immer neu zu wiederholen die Isisdiener nie müde geworden sind. 6 Es muß in jedem Tempel ein Wasserreservoir gegeben haben, welches diesem Zweck diente. 7 § 2 7 8 Die Vorrrichtungen hierfür waren in den uns durch die Ausgrabungen bekannten Tempeln verschieden. Im Sarapeion zu Alexandria ist ein Nilometer gefunden worden, der diesem Z w e c k gedient hat: eine lange, gerade Treppe mit mindestens 4 1 Stufen. 8 An diesen Stufen konnte man ablesen, wie hoch das Grundwasser, d. h. der Nil, gerade stand; höchstwahrscheinlich hat man an dieser Stelle das Wasser zum kultischen Gebrauch geholt. Tief unter dem Grund liegende Bassins, zu welchen man auf einer Treppe hinabstieg, sind auch in D e l o s 9 , G o r t y n 1 0 und Pompei 1 1 gefunden worden.

1 De abstinentia IV 9 (p. 2 4 2 , 3 - 1 0 Ν . ) ϋδωρ δέ και πυρ σέβονται μάλιστα τών στοιχείων, ώς ταύτα αίτιώτατα της σωτηρίας ημών, και ταύτα δεικνύντες εν τοις ίεροις, ώς που ετι και νυν έν τηι ανοίξει τοϋ άγιου Σαράπιδος ή θεραπεία δια πυρός και ύδατος γίνεται, λείβοντος τοϋ ΰμνωδοΰ τό ΰδωρ και τό πυρ φαίνοντος, όπηνίκα έστώς έπί τοϋ ούδοϋ τηι πατρίωι τών Αιγυπτίων φωνηι εγείρει τον θεόν.

2 Das Verbum δείκνυμι hat religösen Klang. 3 Das Verbum φαίνω wurde auch in den eleusinischen Mysterien benutzt, s. I. G. 11^, 3 6 3 9 , 3 τελετάς άνέφηνε und 3 4 1 1 , 5 τελετάς άνέφαινε. 4 Aus pharaonischer Zeit sind mehrere Wecklieder erhalten, ζ. B. J. Assmann, Hymnen N r . 1 2 1 (S. 2 6 1 - 2 6 2 „ E r w a c h e in Frieden"); Nr. 1 2 2 (S. 2 6 4 ) ; N r . 1 2 3 (S. 2 6 6 ) ; Nr. 1 2 7 (S. 2 7 6 - 2 7 7 , vgl. hier § 1 5 9 ) ; Nr. 1 2 8 (S. 2 8 8 - 2 9 0 ) . Ptolemäische Wecklieder in Apollonopolis-Edfu: D. Kurth 8 2 - 8 8 . 5 M e t . X I 2 0 , 3 - 5 (s. § 5 0 4 ) ; X I 2 2 , 7 rituque sollemni apertionis peracto sacrificio·, 2 7 , 6 deae matutinis perfectis salutationibus.

celebrato

ministerio

ac

matutino

6 Es hieß, das Nilwasser, welches man am 1 1 . Tybi (6. J a n u a r ) schöpfe, verwandle sich in Wein. Διόπερ έν τηι ένδεκάτηι του Τυβι κατ' Αιγυπτίους πάντες υδρεύονται ϋδωρ και άποτιθέασιν (Epiphanios, Panarion 5 1 , 3 0 , 3 p. 3 0 1 , 1 5 Holl). 7 Für das Folgende s. R. A. Wild, Water in the Cultic Worship of Isis and Sarapis ( E P R O 8 7 , 1 9 8 1 ) . Der Autor verbindet amerikanischen „ c o m m o n sense" mit sicherem Gefühl für die religiösen Werte - er ist katholischer Priester. 8 Alan Rowe, Annales du Service des Antiquités de l'Égypte, Suppl. 2 ( 1 9 4 6 ) , Tafel X I I ; R. A. Wild, Tafel II. 9

Roussel 2 0 , 3 6 und 4 5 ; R. A. Wild 3 4 - 3 8 .

10

R. Salditt-Trappmann 5 4 - 5 6 ; R. A. Wild 4 0 - 4 4 .

11

V. Tran Tarn Tinh, Pompéi 3 4 - 3 5 ; R. A. Wild 4 4 ^ 7 .

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1 2 Zeremonien und Riten

Wasserbassins anderer Art sind in Sabratha (Nordafrika), Eretria, Pergamon 1 und Flavia Solva (Frauenberg in Kärnten) ausgegraben worden. 2

Das Wasser in den Isistempeln galt als Nilwasser § 2 7 9 Alles Wasser in Ägypten stammt aus dem Nil. Als der ägyptische Kult sich im M i t telmeerbecken ausbreitete, ergab sich die Schwierigkeit, daß nur das Nilwasser als das echte heilige Wasser gelten konnte. 3 M a n hat zweierlei Auswege gefunden. Zunächst hat man die Meinung vertreten, der Nil sei einer jener Flüsse, die große Flußläufe unter der Erde bilden und viele Meilen entfernt wieder auftauchen. Als ein solcher Fluß galt den Griechen der Alpheios bei Olympia; man nahm an, daß er unterhalb des ionischen Meeres bis nach Sizilien ströme und dort auf der Insel, welche Syrakus vorgelagert ist, als süße Quelle Arethusa wieder ans Licht trete. Dasselbe, so hat man fabuliert, gelte von dem Flüßchen Inopos auf Delos: Die Quelle lasse am meisten Wasser hervorströmen, wenn die Nilflut aus Äthiopien k o m m t ; 4 ihr Wasser stamme aus dem N i l . 5 § 2 8 0 Die zweite Auskunft war, daß alles im Isiskult geweihte Wasser als Nilwasser gelte. Dies berichtet der Vergilkommentator Servius:

Sciendum in sacris simulata pro veris accipi . . . nam et in templo Isidis aqua sparsa de Nilo esse dicebaturf „ M a n muß wissen, daß in den Zeremonien das Nachgeahmte ebensoviel gilt wie das Wirkliche . . . Wenn im Isistempel Wasser ausgegossen wurde, so sagte man, es stamme aus dem N i l . " Wenn die römische Dame, welche von Juvenal verspottet wird (§ 185), bis nach Syene reiste, um das heilige Wasser an der „Nilquelle" zu holen, so konnte man es auch auf leichtere Weise erhalten: geweihtes Wasser aus dem am Ort befindlichen Tempel. Auf diese Weise ist vermutlich zu erklären, daß in Pompei zahlreiche Amphoren gefunden worden sind, welche die Aufschrift tragen: Σέραπις δώρα, „Gaben des Serapis". 7 1 Für Pergamon s. unten § 2 9 8 - 3 0 0 . 2

R . A.Wild 4 8 - 6 0 .

Plutarch, De Iside 6 6 sagt, die Ägypter sollten nicht darauf bestehen, daß nur der Nil und das vom Nil bespülte Land heilig seien. 3

Kallimachos, Hymnos auf Delos 2 0 6 - 2 0 8 Ίνωποΐο παρά ρρόον, öv τε βάθιστον γαία τότ' έξανίησιν, οτε πλήθοντι ρεέθρωι Νείλος άπό κρημνοιο κατέρχεται Αίθιοπήος „. . . beim Fluß des Inachos, den die Erde dann mit dem tiefsten Wasser hervorschickt, wenn der Nil in vollem Strom aus dem bergigen Äthiopien herabkommt". Vgl. den Vers 1 7 1 des Artemishymnus (Αιγυπτίου Ίνωποΐο). 4

5 Vgl. weiter Lykophron 5 7 4 - 5 7 6 ; Strabon VI 2 , 4 (p. 2 7 1 C.); Plinius, Nat. hist. II 2 2 9 ; Pausanias II 5 , 3 . Ein Inopos in Knidos: I. K. 4 1 , 1 6 7 (W. Blümel).

^ Z u Aeneis II 1 1 6 ; vgl. auch zu IV 5 1 2 in sacris, ut supra diximus, labantur, et erant pro veris. 7

quae exhiberi

non poterant,

simu-

Vidman 4 9 5 ; V. Tran Tain Tinh, Pompéi S. 1 7 7 - 1 8 0 , Kat. Nr. 1 5 0 - 1 5 5 , 1 5 7 , 1 6 0 - 1 6 2 , 1 6 5 - 1 6 7 .

12 Zeremonien und Riten

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Täglicher Dienst im Tempel § 2 8 1 In Ägypten haben die Priester dem Sonnengott in jeder Tagesstunde Hymnen gesungen und Opfer dargebracht. Wir besitzen ein Ritual des täglichen Gottesdienstes 1 und eine Folge von 12 Hymnen für die 12 Tagesstunden. 2 Für die Nachtstunden gibt es entsprechende Texte. 3 Wahrscheinlich hat es in den Isis- und Sarapistempeln ähnliche Rituale gegeben. Jedenfalls ist eine eigene Bezeichnung für die „Anzünder der Lichter" belegt, λυχνάπται und λυχνάπτριαι, 4 die abends ihren Dienst zu verrichten hatten.

Prozessionen: das rituelle Suchen und Finden § 2 8 2 Die Umzüge im Dienst der Isis haben bei den Zeitgenossen Eindruck gemacht. Sie fanden in wechselnden Formen statt; der Inhalt war aber immer der gleiche: Isis hat den toten Osiris gesucht und ihn im Wasser wiedergefunden. Die Wörter „suchen" und „finden" waren mit tiefer religiöser Emotion besetzt; sie „konnten sich gar nicht genug daran tun, Osiris zu suchen". 5 Die wichtigste Beschreibung einer Isisprozession steht im X I . Buch der Metamorphosen des Appuleius; wir werden sie in § 4 9 1 - 4 9 4 besprechen. § 2 8 3 Plutarch berichtet, daß im Herbst (vom 1 7 . - 2 0 . Hathyr = 1 3 . - 1 6 . November) Trauerzeremonien stattfinden: „Die Priester werfen über eine goldene Kuh ein schwarzes Byssusgewand, weil die Göttin trauert, und zeigen sie öffentlich vier Tage lang vom 1 7 . (Hathyr) an, denn sie halten dafür, daß die Kuh ein Bild der Isis und der Erde sei . . .; aber am 19. abends gehen sie nachts zum Meer hinab, und die Stolistai (Kleiderwärter) und Priester bringen die heilige cista (den Korb) hinaus, die in sich eine kleine goldene Truhe enthält; sie schöpfen trinkbares Wasser und gießen es hinein, und es erhebt sich ein Geschrei der Anwesenden, daß Osiris gefunden i s t . " 6 Die Zeremonie fand offensichtlich in Alexandria statt. M a n schöpfte süßes Wasser aus dem Meer an einer Stelle, wo der einmündende Nil sich noch nicht mit dem Salzwasser vermischt

1

S. die Anmerkung zu § 276.

2

J. Assmann, Hymnen und Gebete Nr. 1-12, das Buch vom Tage.

3 Das Buch von der Nacht, J. Assmann, Hymnen Nr. 13-14 und E. Hornung, Ägyptische Unterweltsbücher (1972) 489-493. 4 U. Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit I S. 49; Vidman 16 (Athen); 291 (Priene, λαμπαδεία = λυχνάψια).

Ovid, Met. IX 693 numquamque satis quaesitus Osiris. De Iside 39 oí ιερείς . . . βοϋν διάχρυσον ίματίωι μέλανι βυσσίνωι περιβάλλοντες έπί πενθεί της θεοΰ δεικνύουσι (βοϋν γάρ "Ισιδος εικόνα και γης νομίζουσιν) έπί τέσσαρας ημέρας άπό της έβδομης έπί δέκα έξης· . . . χήι δ' ένάτηι έπί δέκα νυκτός έπί θάλασσαν κατίασι και την ιερόν κίστην οί στολισταί και οί ιερείς έκφέρουσι χρυσοΰν έντός εχουσαν κιβώτιον, εις ο ποτίμου λαβόντες ύδατος έγχέουσι, και γίνεται κραυγή των παρόντων ως εΰρημένου του Όσίριδος. Die Kuhprozession bei der Trauer um Osiris erwähnt schon Herodot II 132. 5 6

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12 Zeremonien und Riten

hatte, und dies galt als ein Wunder, welches die anwesenden Zeugen mit ihrem Geschrei bekräftigen. Der rituelle Ruf lautete: εύρήκαμεν, συγχαίρομεν „Wir haben gefunden, wir sind alle zusammen froh." 1 § 284 Vitruv berichtet, daß die ägyptischen Priester das heilige Wasser „finden": „Wenn in dem keuschen und frommen Ritual das Wasser in dem Krug in den Tempel und das (Gottes-)Haus zurückgebracht wird, dann fallen sie zur Erde nieder, erheben die Hände zum Himmel und sagen der göttlichen Güte Dank für das ,Finden'. § 285 Eine Isisprozession wird bei Ovid in der Geschichte von Telethusa und Iphis geschildert. Dort erscheint Isis-Ιο der Telethusa im Traum so, wie man sie in der Prozession sehen konnte: 3 „Da stand, oder wurde im Traumbild erblickt, mitten in der Nacht die Inachostochter (Io) vor dem Bett, begleitet von der Prozession der heiligen Gegenstände; auf ihrer Stirn waren die mondförmigen Hörner 4 mit den Ähren, die von glänzendem Gold gelb waren, sowie der königliche Schmuck; bei ihr waren der bellende Anubis und die heilige Bubastis 5 und der Apis-Stier in seinen bunten Farben und er, der die Stimme unterdrückt und mit dem Finger zum Schweigen mahnt; da waren auch die Sistren und Osiris, 6 den man nie oft genug suchen kann, und die fremde Schlange, 7 welche voll ist von schlafbringenden Giften." An dieser geträumten Prozession nahmen also teil Isis, Anubis, Bubastis, Apis-Sarapis, Harpokrates, Osiris (wohl in seiner Form als Wasser) und die Agathos-Daimon-Schlange.

1 Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum 2; Seneca, Apocolocynthosis 13; Scholion zu Juvenal 8,29.

2 VIII praef. cum hydria aqua ad templum tes manibusque ad caelum sublatis inventionis

aedemque casta religione refertur, tunc in terra gratias agunt divinae benignitati.

procumben-

3 Met. IX 6 8 6 - 6 9 4 . . . cum medio noctis spatio sub imagine somni lnachis ante torum pompa comitata sacromm aut stetit aut visa est; inerant lunaria fronti cornua cum spicis nitido flaventibus auro et regale decus; cum qua latrator Anubis sanctaque Bubastis variusque coloribus Apis quique premit vocem digitoque silentia suadet, sistraque erant numquamque satis quaesitus Osiris plenaque somniferis serpens peregrina venenis.

4 Io wird mit Kuhhörnern abgebildet, s. die beiden Fresko-Gemälde aus dem pompeianischen Isistempel (Abb. 2 0 - 2 1 ) , die Ankunft der Io in Ägypten in Pompei (Abb. 65), die Szene mit Argos und Hermes im „Haus der Livia" in Rom (Abb. 64) und den Kopf der Isis-Ιο im Louvre (Abb. 87). 5

Die Göttin der Stadt Bubastos; vgl. die Selbstoffenbarung Zeile 11 (Kap. 9).

6

Entweder in seiner Form als Wasser, also in einem Krug, oder Osiris-Dionysos, wie auf dem Relief aus Thuburbo Maius Abb. 137. 7

Agathos Daimon-Horos.

12 Zeremonien und Riten

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$ 2 8 6 Außer den göttlichen Figuren sah m a n bei den Isisprozessionen a u c h Priester und Eingeweihte. Den Aufzug der Priester schildert Clemens von Alexandria: 1 „Die Ägypter befolgen ihre eigene Philosophie; dies zeigt sich besonders an ihrem w ü r d i g e n heiligen Gottesdienst. Als erster schreitet der ,Sänger' einher . . . N a c h dem .Sänger' k o m m t der .Beobachter der Stunden'; er hält in der H a n d eine Uhr und einen Palmzweig 2 als Symbola der Sternenkunde . . . D a n n tritt der .heilige Schreiber' hervor; er trägt eine Feder auf dem Kopf und in den H ä n d e n ein Buch und einen Korb, in welchem ein Tintenfaß und ein Schilfgriffel i s t . . . D a n n folgt den G e n a n n t e n der .Kleiderwärter'; er trägt die Elle der Gerechtigkeit u n d die Schale zur Weinspende . . . Zuletzt tritt der .Sprecher der G o t t e s w o r t e ' 3 hervor u n d hält allen sichtbar den Wasserkrug in seinem Schoß; ihm folgen die M ä n n e r , welche das Brot zur Verteilung 4 tragen." § 2 8 7 Auch auf Reliefs, Fresken, Terrakotten sind die Isisprozessionen dargestellt w o r d e n , s. Abb. 1 0 - 1 5 und 1 4 5 - 1 5 4 . § 288

Im Metropolitan M u s e u m zu N e w York befindet sich eine reliefierte Applique:

Zeichnung 34: Schale des Töpfers Felix - Felicis cera(mistae) - aus Arausio (Orange). Ein Priester, in der erhobenen rechten Hand das Sistrum haltend, fährt auf einem Wagen, der von Isisdienern gezogen wird. Vor und hinter ihm Priester mit kahlgeschorenen Köpfen (Tonsur); einige von ihnen tragen die Standarten heiliger Tiere (Ibis, Schlange, Falke). Voran schreitet Anubis. Vgl. P. Wuilleumier - A. Audin, Les médaillons d'applique gallo-romains de la vallée du Rhône (1952) S. 30/1 Nr. 17; A. Alföldi, Jahrbuch für Antike und Christentum 8-9, 196566, 70/1 mit Tafel 10,1; H. Vertet, Gallia 2 7 , 1 9 6 9 , 9 7 - 9 8 und 124-126; A. Audin - H. Vertet, Gallia 3 0 , 1 9 7 2 , 2 4 6 - 2 5 2 ; M. J. Vermaseren, Liber in deum (EPRO 53, 1976) 28 Abb. 14; J. Grenier, Anubis 162, Doc. 262 mit pl. XXXVI; J. Leclant, L. I. M . C. Anubis Nr. 45 (gute Zeichnung und Photo).

1 Strom. VI 4,35,2-37,1 (p. 448-9 Stählin) μετίασι γάρ οίκείαν τινά φιλοσοφίαν Αιγύπτιοι· αντίκα τοϋτο εμφαίνει ή Ιεροπρεπής αυτών θρησκεία, πρώτος μέν γάρ προέρχεται ό φδός . . . μετά δέ τον φδόν ό ώροσκόπος, ώρολόγιόν τε μετά χείρα και φοίνικα άστρολογίας εχων σύμβολα, πρόεισιν . . . εξής δέ ό Ιερογραμματεύς προέρχεται, εχων πτερά έπί της κεφαλής βιβλίον τε έν χερσίν και κάνουν, έν ώι τό τε γραφικόν μέλαν και σχοϊνος ήι γράφουσι. . . έπειτα ό στολιστής τοις προειρημένοις επεται, εχων τόν τε τής δικαιοσύνης πήχυν και τό σπονδεϊον . . . έπί πάσι δέ ό προφήτης εξεισι, προφανές τό ύδρειον έγκεκολπισμένος, ώι έπονται οί τήν εκπεμψιν των άρτων βαστάζοντες. 2

Erklärt von St. West, Class. Quart. 23 (1973) 62 Anm. 4. Der „Prophet"; das Wort hat im Griechischen einen anderen Sinn als in den modernen Sprachen. Dieser „Prophet" verkündet nach außen, was der Gott innerhalb des Tempels bzw. seine Priester den Laien mitteilen wollen. 4 Ph. Derchain, Chronique d'Égypte 26 (1951) 269-279 erklärt das Wort εκπεμψις. 3

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§ 289 Man machte während der Umzüge bei Kapellen der ägyptischen Götter Station und vollführte dort Zeremonien.1 Die Träger der Götterfiguren konnten sich ausruhen. Von diesen Aufenthalten bei den Kapellen hießen sie pausarli.2 § 290 Diese Prozessionen hat man natürlich nicht nur in den Städten abgehalten, sondern auch auf dem Land, von Kapelle zu Kapelle. Im vierten Jahrhundert beschreibt ein Christ eine solche Prozession: „In einem der Dörfer befand sich ein großer Tempel, in dem sich ein berühmtes Götterbild befand; es war ein Schnitzbild aus Holz. Die Priester veranstalteten eine Prozession und trugen es in ausschweifender Festfreude mit der Menge durch die Dörfer und sagten, sie feierten das Fest wegen der Hochflut des Flusses."3 Noch im Jahr 416 n. Chr., als längst das Christentum die herrschende Religion war, hat Rutilius Namatianus in Faleria (heute Falese) in Mittelitalien ein solches ländliches Osirisfest erlebt (I 373-376): et tum forte hilares per compita rustica pagi mulcebant sacris pectora fessa iocis: ilio quippe die tandem revocatus Osiris excitât in fruges germina laeta novas. „Es traf sich, daß damals die fröhlichen Landleute an den ländlichen Kreuzwegen ihr ermüdetes Herz unter heiligen Scherzen beruhigten; denn an diesem Tag wird Osiris endlich wieder erweckt und läßt üppige Keime aufspringen, welche neue Frucht bringen." Mit den Worten hilares . . . pagi („die fröhlichen Gaue" = „das fröhliche Landvolk") wird wohl auf das Isisfest der Hilaria angespielt, s. § 296.

1

Vgl. H. Bonnet, Reallex. unter den Stichwörtern „Kiosk", „Perípteros", „Prozessionen".

In der Historia Augusta kommen die pausarti zweimal vor. In der Vita Caracallae 9 , 1 0 - 1 1 heißt es, daß Caracalla den Isisdienst nach Italien gebracht habe; das könne aber nicht stimmen: in quo quidem mihi mirum videtur, quemadmodum sacra Isidis primum per hunc Romam venisse dicantur, cum Antoninus Commodus ita ea celebraverit ut et Anubin portaret et pausas ederet. C o m m o d u s lebte eine Generation vor Caracalla. Vita Pescenni Nigri 6 , 8 - 9 hunc (sc. Pescennium) in Commodianis hortis in porticu curva pictum de musio inter Commodi amicissimos videmus sacra Isidis ferentem; quibus Commodus adeo deditus fuit, ut et caput räderet et Anubin portaret et omnis pausas expleret. In der römischen Inschrift Vidman 4 0 0 wird berichtet, daß die pausarti et argentarti Isis und Osiris eine Kapelle (mansio) erbaut haben. Auch in der Inschrift aus Arelate (Arles), Vidman 7 2 7 , werden die pausar(ii) Isidis erwähnt. 2

3 Historia monachorum in Aegypto VIII 2 5 (p. 5 6 , 1 6 1 - 1 6 5 Festugière): ναός δέ ήν μέγιστος έν μιάι των κωμών και εϊδωλον έν αύτώι έπιφανέστατον. ξύλινον δέ άρα τό ξόανον τούτο ήν. έπόμπευον δέ περιφέροντες αυτό κατά τάς κώμας οί ιερείς βακχεύοντες μετά του πλήθους, ώς δή υπέρ του ποταμίου ύδατος την τελετήν άποδιδόντες. V o n einem Fest „für die Trugbilder der Dämonen im Fluß" (τοις έν τώι ποταμώι φαντάσμασι δαιμονίων) ist auch in der ersten Vita des heiligen Pachom die Rede (Kap. 3, p. 2 , 3 0 Halkin).

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Navigium Isidis § 2 9 1 Die bei Appuleius geschilderte Prozession 1 findet anläßlich des Frühlingsfestes statt, mit welchem Anhänger der Isis die Periode der Schiffahrt eröffneten. Es hieß auf Lateinisch navigium Isidis, „Ausfahrt der Isis", und auf Griechisch πλοιαφέσια 2 , „Ausfahrt des Schiffes". Bei Appuleius fällt das Fest auf den Vollmondtag in jenem „Himmelsmonat", in welchem die Sonne im Zeichen des Widders steht; der Festtag variierte nach einem lunisolaren Kalender, wie unser Osterfest. 3 Es war ein Frühlingsfest. In späterer Zeit ist das navigium Isidis auf einen festen Tag im römischen Kalender gelegt worden, den 5. März. 4 Es sind eine Reihe von Lampen in Form eines Schiffes gefunden worden, die an das navigium Isidis erinnern; s. die Abb. 212/213. Wer das Schiff der Isis zu dieser ersten Ausfahrt ausstattete und kommandierte, erhielt den Titel ναύαρχος („Herr des Schiffes"). Er war eine Art „Kapitän honoris causa" und konnte darauf stolz sein. Wir besitzen eine Reihe von Inschriften, in denen die „Schiffsherren" und einmal auch eine „Schiffsherrin" des Festes gedenken. 5

Präsentation der Götterbilder § 2 9 2 Die Statuen der ägyptischen Götter sind zu manchen Gelegenheiten aus den Tempeln - ihren Wohnungen - ins Freie herausgeholt worden. So war auf einem - leider zerstörten pompeianischen Fresko (Abb. 5) dargestellt, wie die Statuen von Sarapis, Harpokrates, Isis und Anubis vor der Säulenfront eines Podiumstempels aufgestellt sind, verehrt von unter ihnen stehenden Menschen. § 2 9 3 Auf einem eindrucksvollen Fresko aus Herculanum (Abb. 72 = Farbtafel IV) ist ein Höhepunkt im Kult der Isis dargestellt: Aus der Tempeltür tritt ein kahlköpfiger Priester und präsentiert der Gemeinde den Krug mit heiligem Wasser.

Burleske Szenen; Hilaria und Charmosyna·, Lampenfeste § 2 9 4 Auf einem anderen Fresko aus Herculanum (Abb. 73 = Farbtafel V) tanzt ein Mann vor der Tempeltür. 1

Met. XI 8 - 1 7 ; vgl. hier S 4 9 1 ^ 9 4 .

2

Vidman 130 (aus Byzantion).

Das jüdische Passah-Fest und das Osterfest der christlichen Sekte der Quartodecimaner (τεσσαρεσκαιδεκατΐται) fiel auf denselben Tag, den Vollmondstag in den Fischen. Vgl. Abrasax III 7 - 1 0 und 6 9 - 7 6 und § 3 5 4 . 3

4 Kalender des Filocalus: C. I. L. 1 1 2 (1893), p. 260; Inscr. Italiae XIII 2 , 2 4 2 / 3 ; Hopfner, Fontes 5 2 3 : Isidis navigium. - Iohannes Lydus, De mensibus IV 4 5 p. 101 Wünsch; Lactanz, Div. institut. I 11,21 (p.

40,4 Brandt) certus dies habetur in fastis quo Isidis navigium celebratur.

5 Vidman 3 2 8 = Dessau 2 8 2 4 nauarchus (Sinope); Vidman 130 (Byzantion), 3 2 7 (Nikomedeia), 8 0 - 8 2 (Eretria; in 82 die Schiffsherrin). Vgl. die ίεροναΰται in Tomi (Vidman 7 0 9 ) und die ναυβατοΰντες in Ephesos (Vidman 3 0 2 = I. K. 14, 1213).

158

12 Zeremonien und Riten

§ 295

Ein noch burleskerer Tanz ist auf einem Sarkophag aus A r i d a dargestellt (Abb. 1 9 7 ) :

M ä n n e r und Weiber produzieren sich mit den wunderlichsten Verrenkungen. Auf der rechten Seite stehen fünf Personen auf einem Sarkophag und klatschen. Sie waren rituell bestattet und sind in einer fröhlichen Zeremonie wiedererweckt worden; wir werden das Sargritual in § 3 2 9 besprechen. § 2 9 6 Im Isiskult sind zwei Feste bezeugt, welche nach Ausweis ihrer N a m e n Freudenfeste waren, die Hilaria („Fröhliche Zeremonie, heiteres F e s t " ) 1 und die Charmosyna („Freudenf e s t " ) . 2 Beide Feste dürften sich auf das „Finden" des Osiris und die anschließende freudige Feier bezogen haben. Über das Risus-Fest bei Appuleius II 31—III 1 2 s. § 7 2 0 - 7 2 2 . § 2 9 7 Mehrfach werden Lampenfeste bezeugt. So wird in der Raphia-Inschrift berichtet, daß König Ptolemaios IV. Philopator nach seinem Sieg über den syrischen König bei Raphia (im J a h r 2 1 7 v. Chr.) „ a m Lampenfest der Geburt des H o r o s " wieder nach Ägypten z u r ü c k k a m . 3 Die Geburt des H o r o s wurde gefeiert an der 2 . Epagomene, 4 dem zweiten der fünf Schalttage, welche im ägyptischen Kalender alljährlich vor dem Neujahrstag a m 1. T h o t h eingeschaltet wurden. Der Rhetor Chorikios von Gaza (um 5 4 0 n. Chr.) spricht v o m Fackel-Abbrennen der Ägypter (Αιγυπτίων λυχνοκαΐα), „bei dem das Feuer in ungeordneter Menge erblühte". 5 Auf eine nächtliche Umfahrt des Osiris, die m a n sich illuminiert zu denken hat, bezieht sich ein Epigramm aus Thessalonike. 6

1 Bezeugt im Kalender des Filocalus zum 3. November (C. I. L. I l 2 (1893) p. 2 7 6 ; Inscr. Italiae XIII 2,258/9; Hopfner, Fontes 526). In den Inschriften aus Akoris, in welchen die Höhe der Nilflut notiert wird, kommt das Wort ί,λαρία oft vor (E. Bernand, I. Akoris 2 9 - 3 9 ) . Vgl. noch Rutilius Namatianus I 373, wo die frohen Scharen der Landleute (hilares pagi) im Herbst ein Osirisfest feiern (§ 290). - Die Hilaria müssen nicht überall zum gleichen Kalendertag gefeiert worden sein; das Finden des Osiris ist im Lauf des Jahres mehrfach und zu verschiedenen Terminen gefeiert worden. 2 Plutarch, De Iside 2 9 ; Vidman 324 = I. K. 29, 2 2 (Kios; Th. Corsten); Vidman 7 0 4 (Tomi); Pap. Bruxelles E 7535, Col. I 9 (M. Hombert - C. Préaux, Chronique d'Égypte 15, 1940, 135 mit dem Kommentar S. 1 4 4 - 1 4 5 ) . Vgl. auch das χαίρε Αΐγυπτε am Ende der Selbstoffenbarung der Isis (s. § 212). 3

H.-J. Thissen, Studien zum Raphiadekret S. 19 (Zeile 26) mit dem Kommentar auf S. 63.

4

Plutarch, De Iside 12.

5 Enkomion auf den Bischof Markianos von Gaza I 86 (p. 2 4 , 4 Foerster-Richtsteig) εις πλήθος άκόσμητον ήνθει τό πυρ. 6 I. G. Χ 2, fase. 1, 108; Μ. Totti, Texte Nr. 72: σο'ι τόδε δωμητόν τέμενος θέτο, δαΐμον, Όσε[ιρι,] λάρνακα τε γλαφυράν ενδοθι ναμοφόρον, ένθα περιπλώεις σύ κατ' άστεροφεγγέα νύκτα και τεύχεις έρατήν ΤΙσιν έν άγλαΐαις (κτλ.) „Dir, Gott Osiris, hat (der Stifter Phylakides) dieses Heiligtum erbaut mit der hohlen Lade, die innen das Wasser trägt, in welcher du in der sternenbeschienenen Nacht umfährst und die liebliche Isis in Festfreude versetzest."

12 Zeremonien und Riten

159

Der Tempel zu Pergamon: Wasser-Anlagen und Unterwelt § 298 Im Tempel der ägyptischen Götter zu Pergamon hat R. Salditt-Trappmann 1 Anlagen festgestellt, die für Einweihungszeremonien bestimmt waren. Dieses Heiligtum befand sich auf einem Gebiet von ca. 200 m Länge und 100 m Breite. Ein Drittel der heutigen Stadt liegt im Gelände des ehemaligen Tempelbezirks. Im Zentrum steht eine dreischiffige Basilika, deren Eingangstür 7 m breit und 14 m hoch gewesen ist. Der Raum war wahrscheinlich mit einem Tonnengewölbe überdacht. Rechts und links vom Eingang haben sich massive, turmartige Konstruktionen befunden. Rechts und links von der Basilika stehen zwei massige Rundbauten 2 , deren eine noch heute als Moschee genutzt wird. Neben dem Eingangsteil der Basilika sind rechts und links zwei größere Höfe, von Säulenhallen begrenzt, s. Abb. 185. § 299 Innerhalb der Basilika befindet sich ein gemauertes Becken, das 22 cm tief war, und dahinter ein ebenfalls gemauerter Graben, der 1,37 m in die Tiefe ging. Vgl. Abb. 188. Der Graben war mit Wasser gefüllt (die Wasserleitung ist noch kenntlich) und muß einen Nil in Miniatur dargestellt haben, der bei der Initiation zu durchschreiten war. Vermutlich haben die beiden Gräben die Uneingeweihten, welche am Eingang der Basilika standen, von den Eingeweihten getrennt. Das nur 22 cm tiefe Becken war entweder ebenfalls mit Wasser gefüllt·' oder diente als eine Stelle, wo die Initianden nur mit Wasser besprengt wurden, 4 um dann weiter nach vorn zu dem Graben zu gelangen. Hinter dem Graben erhob sich ein Podium von 1,50 m Höhe, auf welchem ein nochmals 1 m höherer Sockel für eine kolossale Statue der Gottheit gestanden hat. Die Ausnehmung für die Basis der Statue ist noch deutlich kenntlich. Unterhalb des Podiums befand sich eine 4 m tiefe Zisterne, aus welcher das heilige Nilwasser geschöpft wurde. Eine kleine Treppe links von der Statue führt zu der Zisterne; das Wasser steht heute darin 2 m hoch. § 300 Unter dem Tempelbezirk befindet sich noch heute ein riesiges System unterirdischer Gemächer und Gänge. Alle Gänge sind etwa 2 m hoch und 1,45 m breit, also bequem zu begehen. Innerhalb dieser Anlage konnte man anläßlich der Weihe-Zeremonien Wege und Irrwege der verschiedensten Art inszenieren; in den unterirdischen Räumen dürfte die Anbetung der Unterweltsgötter zelebriert worden sein. Durch diese Gänge konnte man auch unter die Kultstatue gelangen und dann sicherlich auch in ihr emporsteigen, so daß ein Priester anstelle des Gottes aus dem Mund der Statue ein Orakel verkünden konnte.

1 Tempel der ägyptischen Götter in Griechenland und an der Westküste Kleinasiens (EPRO 15, 1970) 1 - 2 5 . Die gesamte Anlage ist erst in dieser Monographie verständlich gemacht. Vgl. hier-Abb. 184-188. 2

Siehe Abb. 1 8 4 , 1 8 5 , 1 8 7 .

3

So R. Salditt-Trappmann.

4

Dies vermutet R. A. Wild, Water 57-58.

160

12 Zeremonien und Riten

Ferner konnte man durch das Gangsystem auch in das Innere der beiden mächtigen Eckpfeiler neben der Tür des Gebäudes kommen und von dort in einer Treppe emporsteigen. Auch von den Türmen aus konnte man sprechen oder singen. M a n hat in dem pergamenischen Sarapeum heiliges Theater in vielerlei Formen gespielt.

Podiumstempel § 301 Der Isistempel zu Pompei war in anderer Weise auf die Bedürfnisse des Kultes eingerichtet (Abb. 1 - 2 und Plan, Abb. 3^4). Die eigentliche Cella für die Götterbilder - die klein gewesen sein müssen - ist schmal, und für die den Kult verrichtenden Priester ist nur wenig Platz. Die einfachen Anhänger der Isis sind vermutlich fast nie in den Wohnraum der Götter(Statuen) eingetreten. Der Hauptteil des Tempels war das bühnenartige Podium, das von sechs Säulen umgeben war. Auf ihm traten die Priester in den Rollen der Götter auf; die Gemeinde stand im Hof zu ihren Füßen. An der Hinterseite des Tempels befindet sich eine Treppe, auf welcher die Schauspieler ungesehenen Zutritt hatten. Ein gutes Bild davon, wie die priesterlichen Akteure auf dem Podium auftraten, geben die Fresken Abb. 5 und 72/73 = Farbtafeln IVV (vgl. auch § 293/4). Das Volk steht im Hof oder musiziert. Solche für den Bedarf der gottesdienstlichen Aufführungen konstruierten Podiumstempel waren wahrscheinlich verbreitet. Der Isistempel in Ras-el-Soda bei Alexandria (Abb. 3a) ist ähnlich. Auch bei Appuleius wird eine solche Anordnung beschrieben: In XI 17 verkündet der „heilige Schreiber" von einer hoch erhobenen Bühne {de sublimi suggestu) den Beginn der Schiffahrts-Saison.

13

Einweihungsriten

ά λ λ ά σύ "δάρσει Sei getrost (Ps.) Pythagoras, Carmen aureum 63

Tonsur und Leinenkleider § 3 0 2 Die Isispriester hatten glattrasierte Schädel. 1 Nicht nur die Priester, sondern alle Verehrer der ägyptischen Götter trugen Leinenkleider; Wollkleider waren verboten. 2 H e r o d o t berichtet: „ M a n bringt keine Wollkleider in die Heiligtümer und wird nicht in ihnen bestattet; es wäre gegen den f r o m m e n Brauch. Dies stimmt überein mit den Bräuchen, die m a n .orphisch' und .bakchisch' nennt und die ägyptisch und pythagoreisch sind; denn auch für einen in diese Riten Eingeweihten ist es nicht erlaubt, in Wollkleidern bestattet zu werden." 3 Bei strengem Verständnis dieser Stelle sagt Herodot nicht mehr, als daß die .Orphiker' und die D i o n y s o s - M y s t e n 4 nicht in Wollkleidern bestattet werden durften, ganz w i e die Ägypter. Aber er hat doch wohl gemeint, daß die orphischen und bakchischen Lehren, und dazu auch die der Pythagoreer, aus Ägypten stammen.

1

Herodot II 37,2; Appuleius, Met. XI 10,1; Gnomon des Idios Logos (Beri. gr. Urk. 1210), § 71 und 76 (auch bei M. Totti, Texte Nr. 79). In Beri. gr. Urk. I Nr. 16 wird eine Anzeige gegen einen Priester erwähnt, der lange Haare und Wollkleider getragen hat. - Man sieht die Tonsur auf vielen Monumenten. 2

Roussel 16 und 16bis (S. 95-96) = I. Délos 2180-81; Plutarch, De Iside 3-4; Gnomon des Idios Logos S 71, 75 und 76. 3 II 81 ού μέντοι ες γε τά ίρά έσφέρεται είρίνεα ούδέ συγκαταθάπτεταί σφι; ού γάρ δσιον. όμολογέει δέ ταϋτα τοϊσι Όρφικοΐσι καλεομένοισι και Βακχικοϊσι, έοϋσι ôè Αίγυπτίοισι και Πυθαγορείοισι· ουδέ γάρ τούτων των οργίων μετέχοντα οσιόν έστι έν είρινέοισι εΐμασι θαφθηναι. Vgl. auch Appuleius, Apologie 56: Lana, segnissimi corporis excrementum, pecori detracta, iam inde Orpbei et Pythagorae scitis .profanus vestitus est; sed enim mundissima lini seges, inter optumas fruges terra exorta, non modo indutui et amictui sanctissimis Aegyptiorum sacerdotibus, sed opertui quoque rebus sacris usurpatur. Iamblich, De vita Pythagorica 149 (p. 84,8 Deubner): Pythagoras trug ein weißes Leinengewand. 4 Grabbezirk der Dionysos-Mysten (βεβακχευμένοι) in Kyme in Unteritalien: E. Schwyzer, Dialectorum Graecarum exempla epigraphica 792, vgl. 791. - Auf dem „orphischen" Goldplättchen aus Hipponion wird vom Weg der μύσταικαί βάκχοι ins Jenseits gesprochen (S. E. G. 26, 1139, Vers 16).

162

13 Einweihungsriten

Die „Mysterien" (Einweihungszeremonien) § 303 Die Einweihungszeremonien des ägyptisch-griechischen Kultes sind mit dem Wort „Mysterion" bezeichnet worden. Es ist nicht so, daß es neben der gewöhnlichen Isis-Sarapis-Religion noch besondere „Mysterien" gegeben hätte, welche eine höhere Stufe dieser Religion dargestellt hätten. Vielmehr bezeichnet das Wort „Mysterion" die Einweihungszeremonien selbst, auch die rituellen Mittel, welche dafür verwendet wurden, die Räume, Gebete, Salben, Devotionalien, welche bei der Einweihung übergeben wurden oder eine Rolle spielten. Das Wort μυστήριον ist von μύστης abgeleitet („der Einzuweihende, der Eingeweihte"). 1 Ein „Mysterion" ist ein Mittel, um einen Menschen zum Mysten zu machen. Die Vokabel ist in heidnischen Texten nicht selten, aber in christlichen noch viel öfter belegt. Es ist dann von den Ritualen der Taufe (der christlichen Initiation, die zu Ostern stattfand) oder von Riten die Rede, welche nur für die Mitglieder der Gemeinde (die Eingeweihten) ausgeführt wurden.

Weihekleider und Horoslocke § 304 Über die Festkleider der Eingeweihten berichtet Plutarch: 2 „Die stolae der Isis sind bunt gefärbt. . . Aber an der des Osiris ist kein Schatten (nichts Dunkles) und nichts Buntes, sondern allein das Lichtfarbene . . . So kommt es, daß sie (die Mysten) wenn sie dieses Kleid einmal getragen haben - es zur Seite legen und beiseite halten, so daß niemand es sieht und berührt. Aber die Isiskleider benutzen sie oft." Das weiße Osiriskleid ist das weiße Leinenkleid, welches der Verstorbene (als „Osiris Ν. Ν.") in den Miniaturen des Totenbuches trägt. Es sind mehrere Leichentücher erhalten, auf denen der Tote in weißem Kleid abgebildet ist; 3 s. Abb. 191. Wenn die Mysten der ägyptischen Götter dieses Kleid auch schon im Leben einmal getragen haben, dann muß dies bei einer Osirisweihe geschehen sein. Eine solche Weihe ist bei Appuleius belegt. Von dem neuplatonischen Philosophen Heraiskos wird berichtet, daß er in einem leuchtenden Osiriskleid bestattet worden ist. 4 Das bunte Isiskleid wird von Appuleius, Met. XI 24,2 beschrieben, s. § 520. § 305 In Delos, Eretria und Rom ist ein Collegium der „Schwarzgewandeten" (melanephori) bezeugt. 5 Sie haben die Trauerkleider gewiß bei einer Totenfeier für Osiris, vielleicht auch bei seiner Wiedererweckung getragen. 1 A. Debrunner, Griechische Wortbildungslehre § 283: Zu einem denominativen -της konnte ein τήριον gebildet werden, δεσμώτης - δεσμωτήριον, ψάλτης - ψαλτήριον, άκροατής - άκροατήριον. 2 Kap. 77 στολαί δ' αί μέν "Ισιδος ποικίλοι ταΐς βαφαις· . . . ή δ' Όσίριδος ουκ εχει σκιάν ουδέ ποικιλμόν, άλλ' εν άπλοΰν τό φωτοειδές· . . . οθεν άπαξ ταύτην άναλαβόντες άποτίθενται και φυλάττουσιν άόρατον και άψαυστον· ταΐς δ' Ίσιακαις χρώνται πολλάκις. Kap. 51 Die Statuen des Osiris zeigen ihn im Lichtgewand ( ά μ π ε χ ό ν η ι . . . φλογοειδεΐ στέλλουσιν αυτοί: τάς ε'ικόνας). 3

S. Morenz, Das Werden zu Osiris, in: Rei. und Gesch. 231-262; Κ. Parlasca, Mumienporträts (1966).

4

Damaskios, Vita Isidori S 107 = fr. 174, p. 146/7 Zintzen.

5

Vgl. § 230.

13 Einweihungsriten

163

§ 306 Eine priesterliche Tunica ist in Saqqara gefunden worden 1 (Abb. 205/206). Auf dem Gewand sind die verschiedenartigsten Tiere zusammen mit den Göttern dargestellt. § 307 Knaben, welche später volle Mitglieder werden sollten, ließen sich eine lange Seitenlocke über das rechte Ohr wachsen. Diese Jugendlocke ist schon in pharaonischer Zeit vielfach belegt; 2 das Abschneiden der Locke bezeichnete den Übergang in die Gruppe der Erwachsenen. Der Gebrauch ist auch von den Verehrern der ägyptischen Götter in der Fremde übernommen worden, s. Abb. 125 und 126.

Die Sich-rein-Haltenden (άγνεύοντες); ihre Träume; das Bad § 308 Vor der Einweihung hat es eine Vorbereitungszeit gegeben, die bei Appuleius mehrfach erwähnt wird. 3 Im Sarapistempel zu Alexandria gab es eigene Räume, in welchen die Kandidaten auf längere Zeit Wohnung nahmen; man nannte sie die „Sich-Enthaltenden" (άγνεύοντες). 4 § 309 Der Lucius des Appuleius hat vor den Initiationen immer wieder gottgesandte Träume. M a n hat den Träumen der Kandidaten große Bedeutung beigemessen und auch die kurz vor dem Einschlafen hin- und herflutenden Gedanken, welche wir Wachträume nennen, unter die Träume gerechnet. 5 § 310 Wie in vielen Kulten gehörte ein rituelles Tauchbad zu den Voraussetzungen der Isisweihe. Tertullian berichtet, daß die Isismysten bei der Initiation ein Bad nahmen.^ Dieses Bad des Mysten steht in ägyptischer Tradition; als Beispiel hier die Taufe des Amenophis III.:

1

P. Perdrizet, Fondation Eugène Piot, Monuments et mémoires 34, 1934, 9 7 - 1 2 8 .

2

V. v. Gonzenbach, Untersuchungen zu den Knabenweihen im Isiskult der römischen Kaiserzeit (Bonn 1957; mit Katalog und Bildern). Im vierten Jahrhundert ließ ein kaiserlicher comes namens Dioscorus in seinem Eifer, die Bürger von Alexandria zum Christentum zu bekehren, den Knaben die Locken abschneiden, „weil dies zum Kult der (heidnischen) Götter gehöre" (Ammianus Marcellinus XXII 11,9). 3

Met. XI 21; 28,5; 30,1.

4

Rufin, Hist, eccles. XI 23, s. § 2 7 2 .

5

So z. B. Iamblich-Abammon in der Schrift gegen Porphyrios, dem sogenannten Buch „De mysteriis" III 2 und Marinos in der Vita Prodi 30. ^ De baptismo 5 sacris quibusdam per lavacrum initiantur, Isidis alicuius aut Mithrae. Für altägyptische Vorbilder s. A. Gardiner, J. E. A. 36 (1950) 3 - 1 2 „The Baptism of Pharaoh"; H. Bonnet, Reallex. 6 3 3 - 6 3 7 „Reinigung".

164

13 Einweihungsriten

~

Zeichnung 3 5 : Horos und Seth taufen Phar a o ( T h e b e n ) . N a c h E. B r u n n e r - T r a u t , Ägypten. Kunst- und Reiseführer mit Landeskunde 5 1 9 8 6 S. 1 1 8 , nach R. Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien III Bl. 1 2 4 . Vgl. H . Bonnet, Reallex. 3 9 7 Abb.

100.

Prüfungsaufgaben; „seid getrost" § 311 Allen Mysterienkulten ist gemeinsam, daß der Kandidat vor der Aufnahme Prüfungen zu bestehen und gewisse Aufgaben zu erfüllen hatte. Bei der Besprechung der Isis-Romane werden wir viele Spiegelungen solcher Bräuche feststellen.1 Der Kandidat sollte beweisen, daß er bereit war, Spaten und Hacke zu ergreifen und mit der Hand zu arbeiten.2 § 312 Wenn die Prüfungsaufgabe dem Initianden zu schwer schien und er verzagte, dann trat ihm der Mystagoge zur Seite und sprach: „Sei getrost" (θάρρει), „sei guten Muts" (εύθΰμει, θυμό ν εχε αγαθόν, bono animo esto), „habe keine Furcht" (μή φοβη-θήις). Das „Seid getrost" ist auch ganz allgemein darauf bezogen worden, daß dem Mysten eine bessere Zukunft, nach dem Tod eine Wiedergeburt verheißen wurde. Firmicus Maternus schildert eine Zeremonie, wobei er nicht mitteilt, in welchen Gottes Kult sie vollzogen wurde: „In einer Nacht wird eine Figur rücklings liegend auf ein Bett gelegt und im Wechselgesang be-

1 Für die Prüfungen der Dionysosmysten s. „Die Hirten des Dionysos" S. 101. Ein Echo solcher allgemein verbreiteter Riten findet sich in Menanders Dyskolos. Dort verlobt der Brautvater seine Tochter dem Freier, nachdem er bewiesen hat, daß er bereit ist zuzugreifen (Verse 7 6 5 770): πάντα ποιείν ήξίωσας του γάμου ενεκα· τρυφερός ών δίκελλαν ελαβες· εσκαψας· πονεϊν ήΰέλησας. έν δέ τούτωι τώι μέρει μάλιστ' άνήρ δείκνυτ', έξισοϋν έαυτόν όστις υπομένει τινί εύπορων πένητι· και γαρ μεταβολάς ούτος τύχης έγκρατώς ο'ισει. δέδωκας πειραν ίκανήν του τρόπου. „Du warst bereit, um der Hochzeit willen alles auf dich zu nehmen: Du bist ein üppig lebender junger Mann und hast doch die Hacke in die Hand genommen; du hast gegraben; du warst bereit, Mühe auf dich zu nehmen. Bei solcher Gelegenheit zeigt sich am besten, ob einer ein rechter Mann ist, wenn ein Reicher es fertig bringt, sich einem Armen gleich zu stellen; denn so einer wird auch die Umschwünge des Glücks mit Fassung ertragen. Du hast einen ausreichenden Beweis für deinen Charakter gegeben." 2

13 Einweihungsriten

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klagt. 1 W e n n sie sich dann a n den gespielten T o t e n k l a g e n ersättigt h a b e n , wird ein Licht hereingebracht. D a n n salbt der Priester das Mundinnere all derer, die geweint hatten, und nach der Salbung summt er in leisem M u r m e l n : ,Seid getrost ( θ α ρ ρ ε ί τ ε ) , ihr M y s t e n , der G o t t ist gerettet; auch für uns wird es nach den M ü h e n Rettung g e b e n . ' " 2

Speisebetten {cline) und Festessen mit Sarapis § 3 1 3 D e r Übergang in die Gruppe der Erwachsenen 3 wurde durch ein Festessen gefeiert, zu dem Sarapis selbst die Teilnehmer einlud. Dieses gemeinsame M a h l hieß nach den Speisebetten, a u f welchen m a n w ä h r e n d des Essens lag, cline (Speisebett). Es sind eine Anzahl von Einladungsbriefen a u f Papyrus e r h a l t e n ; 4 einer sei angeführt: „ D e r G o t t ruft dich zum .Liegebett', welches morgen von der neunten Stunde an im Thoeris-Tempel stattfinden wird."· 5 Aelius Aristides bestätigt, d a ß m a n sich Sarapis als selbst a n w e s e n d vorgestellt und das gemeinsame Speisen als eine K o m m u n i o n (κοινωνία) aufgefaßt hat: „ M i t diesem G o t t allein kommunizieren die M e n s c h e n in besonderer W e i s e die richtige K o m munion in den Opfermahlzeiten, indem sie ihn zum Herd einladen und ihn sich als Speisegenossen und Gastgeber zum Vorgesetzten machen, so daß er . . . der gemeinsame V o l l f ü h r e r aller gemeinsamen Mahlzeiten ist und für alle, die sich um ihn versammeln, die Rolle des Vorsitzenden beim Trinkgelage h a t . . . Er ist gleichzeitig derjenige, der die Opferspenden darbringt und empfängt; der als Gast zum rauschenden Fest k o m m t und die Festgenossen zu sich e i n l ä d t . " ^ M a n darf sich vorstellen, daß Sarapis in Gestalt einer Statuette auf einem der „ B e t t e n " Platz g e n o m m e n hat. Diese cline des Sarapis ist uns in einer R e i h e von I n s c h r i f t e n 7 und R e l i e f s 8 1

Dies erinnert an die Totenklagen der Isis und Nephthys an der Bahre des Osiris.

De errore profanarum religionum 2 2 nocte quadam simulacrum in lectica supinum ponitur, et per números digestís fletibus plangitur. Deinde cum se ficta lamentatione satiaverint, lumen infertur. tunc a sacerdote omnium qui flebant fauces unguentur, quibus perunctis sacerdos hoc lento murmure susurrât: θαρρείτε μΰσται τον θεοϋ σεσωσμένου· εσται γαρ ήμιν έκ πόνων σωτηρία. 2

3 Pap. Oxy. 1484 ist eine Einladung zur cline des „Herrn" (κύριος) Sarapis anläßlich der μελλοκούρια, des Festes beim Übergang in die Gruppe der jungen Männer. 4 Liste bei M. Totti, Texte S. 1 2 5 - 1 2 7 . Vgl. auch A. Bernand, Le Paneion d'El-Kanais Nr. 59bis: τό συμπόσιν ποίησαιτοϋ κυρίου Σαράπιδος.

^ Pap. Köln I Nr. 57 = M. Totti, Texte Nr. 48 καλεί σε ό θεός εϊς κλίνην γινομένην έν τφ Θοηρείω αϋριον άπό ώρας ένατης. Thoeris („die Große") ist eine Nilpferdgöttin. 6 Or. 45,27 (p. 3 6 0 , 1 1 - 1 8 Keil) και τοίνυν και θυσιών μόνωι τούτωι θεώι διαφερόντως κοινωνοϋσιν άνθρωποι την ακριβή κοινωνίαν, καλοΰντές τε έστίαν καί προϊστάμενοι δαιτυμόνα αυτόν και εστιάτορα, ωστε . . . κοινός άπάντων των έράνων ουτός έστι πληρωτής, συμποσιάρχου τάξιν εχων τοις αεί κατ' αυτόν συλλεγομένοις . . . αυτός ών ομόσπονδος τε καί ό τάς σπονδάς δεχόμενος, έπί κώμόν τε άφικνούμενος καί καλών ώς αυτόν κωμαστάς. Die „Mahlzeiten, zu denen Gott einlädt" (θεόκλητοι δαΐτες) werden auch in der delischen Sarapis-Aretalogie erwähnt (Vers 65; s. § 233). 7 Vidman 265,7 (Thasos) έν τήι κλισίαι τήι ίεράι, 120 (Philippi; mensa), 2 7 5 , 1 7 (Mylasa; = Ι. Κ. 34, 137 [W. Blümel]: τράπεζα), 720 (Köln: cline)·, Roussel 20,10 = I. G. XI 4, 1223 (κλιναι); Vidman 109 = I. G. Χ 2, fase. 1, 58 (Thessalonike: συγκλίται). 8 L. Castiglione, Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 9 (1961) 2 8 7 - 3 0 3 ; Th. Kraus, Jahrbuch des Deutschen Archäol. Inst. 94 (1979) 5 6 6 - 5 7 7 ; F. Dunant, Religion populaire en Egypte romaine

166

13 Einweihungsriten

bezeugt. Aus einem Papyrusbrief kennen wir einige Einzelheiten über die Organisation eines solchen Festmahls. § 314 Die Vorbereitungen für die cline begannen schon mehrere Monate vor dem Termin. Die Novizen hießen „Schweiger" (σιωπητικοί). Ein „Schweiger" schreibt seinen Eltern: „Ptolemaios grüßt den Vater. Du und die Mutter, wisset, daß die Gebühr für einen .Schweiger' bei der cline 24 Drachmen beträgt, und nochmals 22 Drachmen für die Teilnahme (für einen Platz). Ich habe es ausgerechnet und habe es auf mich genommen, alles Nötige einzukaufen, denn dann brauche ich weder als .Schweiger' noch für den Platz etwas zu bezahlen, sondern bekomme die doppelte Portion und liefere ihnen das Brennholz." 1 Dabei sollen die Eltern helfen.

Hochzeits-Riten § 315 In der cline des Sarapis feierte man die Einführung der Jünglinge in den Kreis der Männer. Hat man auch die Einführung der Mädchen unter die Erwachsenen, welche mit der Hochzeit zusammenfiel, mit religiösen Zeremonien gefeiert? Man hat ja die Hochzeit immer als eine τελετή, eine Weihe, angesehen. Isis rühmt sich in der Selbstoffenbarung, daß sie die Göttin der Ehe ist: (Zeile 17) Ich habe Weib und Mann zusammengeführt. (18) Ich habe es so geordnet, daß die Frau nach zehn Monaten das Kind ans Licht bringt. (27) Ich habe die Männer gezwungen, ihre Frauen zu lieben. (30) Ich habe die Eheverträge erfunden. In den im zweiten Teil besprochenen Isisromanen gibt es zwei Fälle göttlicher Intervention vor einer Hochzeit: Sowohl Antheia und Habrokomes bei Xenophon von Ephesos als auch Psyche und Cupido heiraten auf Grund einer Orakelweisung des Apollon(-Harpokrates-Eros). Offenbar spiegeln sich in diesen Erzählungen Riten, in denen der Ehe eine religiöse Weihe verliehen wurde. Bei Achilleus Tatios findet die feierliche Verlobung der Melite mit Kleitophon im Isistempel zu Alexandria statt 2 und die des Kleitophon mit Leukippe im Artemistempel zu Ephesos, in Gegenwart von zwei Priestern. 3

(EPRO 76, 1979) S. 268 Nr. 348 und S. 275 Nr. 368 mit pl. CXVIII und CXXVIII. Expedition Ernst v. Sieglin, Ausgrabungen in Alexandria II: J. Vogt, Die griechisch-ägyptische Sammlung E. v. Sieglin (1924) Teil 2, S. 1 Fig. 1 eine cline aus der Sammlung Bircher mit Sarapis, Harpokrates, Isis, Demeter und Hermanubis. - Ein Götterbankett mit Sarapis, Harpokrates, Isis, Demeter und einer weiteren Gottheit im Louvre: S. F. Dunand, Musée du Louvre, Catalogue des terres cuites gréco-romaines d'Egypte (1990) Nr. 483. 1 Pap. Michigan VIII 511; H. C. Youtie, Harv. Theol. Rev. 41 (1948) 9 - 2 9 = Scriptiunculae I (Amsterdam 1973) 4 8 7 - 5 0 7 ; auch bei M . Totti, Texte Nr. 49: Πτολεμαίος τω πατρί χαίρειν. γινώσκειν σε θ έ λ ω και την μητέρα μου, δτι σιωπητικοΰ της κλίνης δραχμαί κδ', και τ ό π ο υ αλλαι δ ρ α χ μ α ί κβ'. λογισάμενος οΰν ήρκα άγορανομίαν, ίνα μήτε σιωπητικοΰ μήτε τ ό π ο υ δω, άλλά και διπλά μέρη λαμβάνω και χορηγώ αΰτοΐς ξύλα. 2

Ach. Tat. V 14, s. § 646.

3

Ach. Tat. VII 16 und VII 4-5, s. hier § 661 und 663.

1 3 Einweihungsriten

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Der Priester Tyrannus und der Ritter Decius Mundus § 316 In diesem Zusammenhang sei referiert, was Rufin in der Kirchengeschichte über den Saturnpriester Tyrannus erzählt. 1 Saturn, bei den Griechen Kronos, ist infolge des lautlichen Gleichklangs immer auch als Chronos, als Gott der Zeit, angesehen worden, und darf als mit Aion-Sarapis identisch verstanden werden. Der alexandrinische Priester Tyrannus also soll „angeblich auf Weisung der Gottheit" 2 diesem oder jenem Anbeter befohlen haben, seine Frau im Tempel übernachten zu lassen. Die Männer waren froh über die gnädige Herablassung des Gottes. 3 Man schmückte die Frau und sandte sie mit Geschenken zum Tempel. Der Priester Schloß sie ein, ging durch einen unterirdischen Gang, stellte sich hinter eine hohle Statue4 und sprach sie an. Die Frau erzitterte vor Schreck und Freude, daß sie des Umgangs mit dem Gott gewürdigt werde. 5 Dann löschte der Priester mittels einer dafür konstruierten Vorrichtung alle Lichter und umarmte die „verdutzte" Frau. 6 § 317 Ein ähnlicher Fall wird aus Rom berichtet. 7 In der Regierungszeit des Tiberius lebte der Ritter Decius Mundus. Er hatte sich in Paulina, die Frau eines vornehmen Mannes, verliebt. Aber seine Anträge wurden abgewiesen. Da bekannt war, daß Paulina eine eifrige Isisdienerin war, bestach Mundus durch eine Sklavin einen Isispriester. Dieser sagte Paulina, Anubis befehle ihr, zu ihm zu kommen. 8 Ihr Mann war einverstanden. Paulina ging in den Tempel und speiste; als es Schlafenszeit war, wurden die Türen des Tempels geschlossen und die Lichter gelöscht. 9 Mundus war im Tempel versteckt, und Paulina gab sich ihm hin, im Glauben, er sei der Gott. Die Sache ging übel aus: Mundus wurde verbannt, der ägyptische Kult in Rom verboten. Es wird das Verbot des Jahres 19 n. Chr. sein, s. § 246. Die beiden Berichte setzen voraus, daß die Berufung einer Frau in den Tempel der ägyptischen Götter als ein Ereignis angesehen wurde, welches im Bereich des Möglichen lag.

Die „Schweiger" § 318 In dem Papyrusbrief über die Vorbereitungen zur cline des Sarapis (§ 314) werden die Novizen „Schweiger" (σκυπητικοί) genannt.

1

Vgl. O. Weinreich, Der Trug des Nektanebos ( 1 9 1 1 ) 2 7 - 2 9 .

2

Hist, eccles. X I 2 5 quasi ex responso

3

Is qui audierat gaudens,

4

Unterirdische Gänge gibt es im Tempel zu Pergamon, s. § 3 0 0 .

5

ut pavore et gaudio infelix mulier trepidaret,

6 obstupefactae

numinis.

quod uxor sua ex dignatione

et consternatae

numinis

vocaretur.

quod dignam se tanti numinis putaret

adloquio.

mulierculae.

7

Z u m Folgenden s. O. Weinreich, Der Trug des Nektanebos 1 7 - 2 7 .

8

Josephus, Ant. lud. XVIII 7 2 κελεύοντος . . . ώς αυτόν έλθεΐν.

9 τήι δ' εύκτός ό λόγος ήν και ταΐς . . . φίλαις ένεκαλλωπίζετο τήι έπί τούτοις αξιώσει (dignatione) τοϋ Ά ν ο ύ β ι δ ο ς . Auch nach der N a c h t im Tempel rühmt sich Paulina der „Epiphanie" des Gottes.

168 13 Einweihungsriten Das Schweigen galt Pythagoreern und Ägyptern als hohe Tugend; der Schweiger ist für die Ägypter eine Idealfigur. 1 Bei den Einweihungsriten der griechischen Kulte wurde von den Initianden Schweigen verlangt. 2 In dem dionysischen Verein von Torre Nova bei Rom gab es die Gruppe der Schweiger (σιγηταί). 3 Instruktiv ist eine Stelle, in der Plutarch die Einweihung in die Mysterien mit der Einführung in die Philosophie vergleicht: „Denn wie die Initianden zunächst in Trubel und Geschrei zusammenkommen, indem sie sich gegenseitig drängeln, dann aber, wenn die heiligen Handlungen verrichtet und die Gegenstände gezeigt werden, in Furcht und Schweigen aufmerken, so kann man am Anfang, an den Türen der Philosophie ein großes Durcheinander, Zudringlichkeit und Geschwätz sehen, weil manche sich in plumper und gewaltsamer Weise nach dem Schein drängeln; wenn (der Initiand) aber eingetreten ist und das große Licht sieht, dann ist es, wie wenn (in Eleusis) die Tempeltore geöffnet werden, dann nimmt er ein anderes Betragen an, schweigt, staunt und folgt demütig und diszipliniert dem Logos (Sinn) wie einem Gott." 4 In dem Eid der Isismysten (s. § 325) verspricht der Initiand, „nichts auszuplaudern". Die Statuen des Harpokrates mit dem Finger am Mund erinnerten den Mysten ständig an die Schweigepflicht.

Der Pater § 319 Der Priester, welcher den Mysten einweihte, wurde zum geistlichen Vater des neuen Menschen. Diese Symbolik findet sich in vielen Kulten; sie ist auch für die Mysterien des Sarapis und der Isis belegt. 5

1 Einige Beispiele nach H. Brunner, Die Weisheitsbücher der Ägypter: Lehre des Ptahhotep 313 (S. 123) „Es ist dir zuträglicher zu schweigen als dein Herz zu zeigen", 522 (S. 131) „Beherrsche deinen Mund"; Lehre für Kagemmi 3 (S. 134) „Offen ist das Zelt für den Schweiger", 32/3 (S. 135) „Laß deinen Namen bekannt werden, indem dein Mund schweigt". 2 Philostrat, Vita Apollonii I 15 ώσπερ έν μυστηρίοις έσιώπων. III 26 είδες αν ώσπερ έν μυστηρίωι σιωπής μεστά πάντα. Àppuleius, De deo Socratis 14 mysteriorum silentia. 3 1. G. urbis Romae 160. Weitere Belege in „Die Hirten des Dionysos" 101/2. 4 De profectibus in virtute 10 p. 81DE (Teubner-Edition I 162,21-163,2) ώς γάρ οί τελούμενοι κατ' άρχάς έν θορύβωι κα'ι βοήι προς αλλήλους ωθούμενοι συνίασι, δρωμένων δέ και δεικνυμένων τών 'ιερών προσέχουσιν ήδη μετά φόβου και σιωπής, ούτω και φιλοσοφίας έν άρχήι και περ'ι θύρας πολύν θόρυβο ν οψει και θρασύτητα και λαλιάν, ωθουμένων προς τήν δόξαν ένίων άγροίκως και βιαίως· ό δ' έντός γενόμενος και μέγα φως ίδών, οίον άνακτόρων άνοιγομένων, ετερον λαβών σχήμα και σιωπήν και θάμβος ώσπερ θεώι τώι λόγωι ταπεινός συνέπεται και κεκοσμημένος. Vgl. noch De liberis educandis 14 (p. ÎOEF, Teubner-Edition I 20,17) διά τοϋτό μοι δοκει τάς μυστηριώδεις τελετάς οί παλαιοί κατέδειξαν, ΐν' έν ταύταις σιωπάν έθισθέντες έπί τήν τών άνθρωπίνων μυστηρίων πίστιν τον άπό τών θεών μεταφέρωμεν φόβον. De garrulitate 8 (p. 505EF, Teubner-Edition III 288,18): Die Athener haben in den Propyläen eine Löwin ohne Zunge aufgestellt τ ώ ι . . . άγλώσσωι τό σιωπηρόν και μυστηριώδες έμφαίνοντες. Achilleus Tatios 110,5 σιώπα . . . ώς έν μυστηρίοις. 5 Vidman 384 = I. G. urbis Romae 77; 438/9 (Rom); 698 (Potaissa in Dakien); Àppuleius, Met. XI 25,7 (parentem).

1 3 Einweihungsriten

Neue Namen für die Eingeweihten (signa); Erinnerungszeichen

169

(memoracula)

§ 320 Da mit der Initiation der Übertritt in eine neue Lebensphase vollzogen wurde, ist in gewissem Sinn ein neuer Mensch entstanden. Dies hat man manchmal dadurch betont, daß der Myste zu seinem bisherigen bürgerlichen Namen einen religiösen Namen erhielt. Solche zusätzlichen Namen heißen lateinisch signa.1 Wahrscheinlich hat es sich ursprünglich um religiöse oder Vereinsnamen gehandelt. 2 Die charakteristische Form dieser Namen ist, daß an einen etymologisch durchsichtigen Stamm das Suffix -ius angehängt wurde, also ζ. B. Eugamius - einer, der eine gute Heirat tun soll, 3 Alypius - einer, der niemanden Schmerz zufügen und selbst keinen erleiden soll, 4 Pierius - einer, der mit den pierischen Musen vertraut sein soll. 5 Dieser Typ der Eigennamen ist vom 3. Jahrh. n. Chr. ab sehr beliebt; in der späteren Zeit sind diese Namen (Georgios, Ambrosios, Eusebios) nicht mehr als signa anzusehen. § 321 Neben den Signa auf -ios gibt es andere, die auch als gewöhnliche Personennamen vorkommen, z. B. Demetrios, der auch Thraseas heißt (Δημήτριος ό και Θρασέας). Dieser Mann hat veranlaßt, daß der Text der Selbstoffenbarung in Kyme auf Stein gemeißelt aufgestellt wurdet Thraseas erinnert an den Zuruf „Sei getrost" (θάρσει). In Acerrae in Campanien wird ein Gnaeus Stennius Egnatius Primus, Priester der Isis und des Serapis, geehrt; 7 der Inschrift vorangestellt ist der Vokativ Heuresi. Das Signum dieses Mannes, Heuresius, erinnert an das „Finden" des Osiris. Auf dem Isis-Sarkophag aus Ravenna (Abb. 2 2 0 - 2 2 2 ) werden zwei Frauen genannt, die Tochter Sosia Iuliana mit dem Signum Eugamius, die schon oben erwähnt wurde, und ihre Mutter Tetrada Isias mit dem Signum Memphius. Dieser Name bezieht sich auf Memphis, die heilige Stadt. Bemerkenswert an diesen Namen ist, daß sie von maskuliner Form sind, obwohl die bezeichneten Personen Frauen sind. Diese Signa beziehen sich auf das innerste Wesen der Personen, auf Menschen, für welche die Differenzierung nach dem Geschlecht ohne Bedeutung geworden ist. § 322

Zwei weitere Signa beziehen sich auf Memphis:

1 Literatur zu den signa: Guilelmus Schulze, Orthographica et Graeca Latina (Sussidi eruditi 1 4 , R o m a 1 9 5 8 ) 9 5 - 1 0 2 ; E. Diehl, Rhein. Mus. 6 2 , 1 9 0 7 , 3 9 0 - 4 2 0 ; Th. M o m m s e n , Hermes 3 7 , 1 9 0 2 , 4 4 6 - 4 5 5 ; Hélène Wuilleumier, Étude historique sur l'emploi et la signification des signa, in: Mémoires présentés par divers savants à l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 13 ( 1 9 3 3 ) 5 5 9 - 6 9 6 . 2 Ein charakteristischer Beleg ist der Verein der Syncratii, S. 9 9 und Dessau 8 0 9 0 (C. I. L. X I V 3 3 2 3 ) .

s. Guil. Schulze (in der vorigen Anmerkung)

3 V i d m a n 5 8 6 = Dessau 9 4 4 2 (Sarkophag in R a v e n n a ; hier Abb. 2 2 0 - 2 2 2 ) . Vgl. a u c h die „Unvergleichlich-Lebenden" (Άμιμητόβιοι), das Collegium der Freunde des Antonius (Plutarch, Ant. 2 8 ; O. G. I. 1 9 5 ) . 4 5 6 7

Vidman 4 0 6 = I. G. urbis R o m a e 1 9 3 (in Zeile 1 0 ist zu schreiben "Αλυπι, Vokativ von Alypios). Vidman 1 1 0 (Thessalonike) = I. G. X 2 , fase. 1, 2 2 0 . 1 . Κ. 5, 4 1 (Η. Engelmann); M . Totti, Texte Nr. 1. Vidman 5 0 1 = Dessau 6 3 4 0 .

170

13 Einweihungsriten

In einer römischen Grabschrift wird eine Frau Agrippina vere Mempbiana genannt, 1 „eine Frau, die in Wahrheit aus Memphis stammt". Im zweiten Jahrhundert n. Chr. war ein L. Aurelius Apolaustus als Pantomime berühmt. 2 Er trug das Signum Memphius, war also ein Myste der Isis und des Sarapis. 3 Unter der Selbstoffenbarung des Karpokrates in Chalkis steht im Vokativ das Signum Λιγΰρι zu „Ligyrios", „der Mann mit der wohlklingenden Stimme". 4 § 323 Aus den Gedichten des Tibull und Properz sind die Hetären Delia („die von der Insel Delos") und Cynthia („die vom Berg Kynthos auf Delos") als Isisdienerinnen bekannt. 5 Auch ihre Namen sind Signa. Die Frauen waren Dienerinnen der Liebesgöttin Isis und ihres Sohnes Harpokrates-Eros; ihre Namen erinnerten daran, daß der Isiskult aus Delos nach Italien eingeführt worden ist, s. § 236/7. § 324 Bei allen antiken Initiationen erhielten die Neu-Eingeweihten kleine sakrale Gegenstände ausgehändigt, 6 die wir Devotionalien nennen können. Der Myste mußte sie sorgfältig aufbewahren und vorzeigen, wenn er eine höhere Weihe erhielt, wenn eines seiner Kinder eingeweiht wurde, wenn er in einer anderen Stadt als Geweihter am Kult teilnehmen wollte. Diese Gegenstände hießen memoracula (Erinnerungszeichen), crepundia (Spielzeug-Klappern), signa (Zeichen), παίγνια (Spielzeug), γνωρίσματα (Erkennungszeichen). 7

Ein Mysten-Eid § 325 Auf zwei Papyri aus Oxyrhynchos ist ein Eid erhalten, der bei einer Einweihungszeremonie zu schwören war: 8 „Ich schwöre bei Ihm, der Himmel und Erde voneinander getrennt hat und Finsternis von Licht und Tag von Nacht und Aufgang von Untergang und Leben von Tod und Werden von Vergehen und Schwarz von Weiß und Trocken von Feucht und Wasser von Land und Bitter von Süß und Fleisch von Seele, ich schwöre auch bei den Göttern, die ich kniefällig verehre: die heiligen Geheimnisse (Mysterien), welche mir mitgeteilt werden, zu bewahren und geheimzuhalten . . . Wenn ich meinen Eid einhalte, möge es mir gut ergehen, und das Gegenteil, wenn ich den Eid breche, wenn ich etwas von alledem ausplaudere." Dies ist ein Eid von Mysten des Sarapis und der Isis.9 Der Gott, der Himmel und Erde, Finsternis und Licht, Tag und Nacht, Aufgang und Untergang voneinander getrennt hat, ist der 1

Vidman 424 = Dessau 4411 = C. I. L. VI 11271 D(is) M(attibus) Agrippine

bere (= vere)

Memfianae

etc. 2

Prosopographia Imperii Romani 2 , A 148.

3 Vidman 425 = Dessau 5190 = C. I. L. VI 10117; s. auch C. I. L. X 6219 = Dessau 5187; C. I. L. XI 3822 = Dessau 5192; C. I. L. XIV 4254 = Dessau 5191 mit dem Nachtrag in Band III 2, S. CLXXXV. 4

Vidman 88 = M. Totti, Texte Nr. 6.

5

Vgl. § 257.

6

Die Vokabel ist tradere = παραδιδόνοα.

7

Die Hauptstelle ist Appuleius, Apologie 55/6. Vgl. weiter Clemens Alex., Protrept. II 18,1 (p. 1 4 , 1 4 16 St.); Arnobius V 19; Pap. Gurob 1 = Orph. fr. 31 Kern = Vorsokr. 1 Β 23. 8

Pap. Soc. It. 1162 und 1290; M. Totti, Texte Nr. 8.

13 Einweihungsriten

171

Sonnengott, der nach ägyptischer Vorstellung die Welt im Aufgehen geschaffen hat und an jedem Morgen neu erschafft. Die Gegensatzpaare erinnern an die Gegensatzpaare der Pythagoreer; 1 also auch hier Amalgamierung von ägyptischen und griechischen Elementen. Als Plutarch davon spricht, daß man bei Isis an dasjenige denken solle, was die Philosophen „Materie" nennen, da sagt er: „Denn ihre (der Isis) Kraft hängt eng zusammen mit der Materie, die sich in alles verwandelt und die alles empfängt, Licht-Dunkel, Tag-Nacht, Wasser-Feuer, Leben-Tod, Beginn-Ende." 2

Ein Priester-Eid und die Unschuldserklärungen im Totenbuch § 326 Auf zwei Papyri 3 steht ein Eid, welchen griechisch-ägyptische Priester 4 bei der Einweihung zu schwören hatten: 5 „Ich werde nichts essen, was den Priestern verboten ist. Ich werde nicht schneiden und auch keinem anderen das auftragen, was mir verboten ist. Ich habe nie einem Tier den Kopf abgeschnitten. Ich habe keinen Menschen getötet. Ich habe [keinen Umgang mit unreinen] Menschen gehabt. Ich habe mit keinem Knaben geschlafen. Ich habe nicht mit der Frau eines anderen geschlafen. Ich werde weder essen noch trinken, was nicht erlaubt ist, und auch nicht, was in den Büchern (als verboten) verzeichnet ist. Ich werde an meinen Fingern nichts haften lassen. 6 Ich werde kein Getreidemaß auf der Tenne benutzen. 7 Ich werde keine Waage in die Hand nehmen. Ich werde kein Land vermessen. Ich werde keinen unreinen Ort betreten. Ich werde kein Schafshaar berühren. 8 Ich werde kein Messer in die Hand nehmen, bis zum Tag meines Todes."

9 A. Momigliano, Aegyptus 13 (1933) 1 7 9 - 1 8 6 ; Z. P. E. 1 (1967) 5 5 - 7 3 . Vgl. auch Abrasax II 1 4 6 174 mit dem auf S. 1 7 2 / 1 7 3 rekonstruierten Text. 1

Aristoteles, Metaphysik A 5 p. 9 8 6 a l 5 f f . und a22ff. (Alkmaion) = Vorsokratiker 58 Β 5 bzw. 2 4 A 3.

2

De Iside 7 7 περί γ α ρ ϋλην ή δύναμις αύτής (sc. της "Ισιδος) π ά ν τ α γ ι ν ο μ έ ν η ν και δεχομένην, φ ω ς σκότος, ήμέραν νύκτα, π ΰ ρ ΰδωρ, ζωήν θ ά ν α τ ο ν , άρχήν τελευτήν. Vgl. Hippolytos, Elenchos IV 4 4 , 1 (p. 6 7 , 1 0 Wendland; über die Ägypter). 3 K. Maresch - Z. Packman, Papyri from the Washington University Collection, St. Louis, Missouri, Part II (Papyrologica Coloniensia XVIII) Nr. 71; Pap. Oslo 2 = P. G. M. XXXVII; M. Totti, Texte Nr. 9 und 10. 4

In den Papyri werden genannt die προφήται, die πρωτοστολισταί und die δεύτεροι ιερείς.

5

Im Pap. Washington Univ. (St. Louis) 71 1 1 2 steht ] δει μυστηριασθηναι.

6

Ich werde mich nicht bestechen lassen.

7

Der Priester darf keine Steuern eintreiben und keine Grenzen der Äcker festsetzen; er soll unparteiisch bleiben. 8

Vgl. § 302.

172

13 Einweihungsriten

Diese Erklärungen werden teils im Futur und teils im Perfekt abgegeben. Diejenigen im Futur betreffen Tätigkeiten, welche dem jetzt geweihten Priester künftig nicht mehr gestattet sein werden; die im Perfekt abgegebenen Erklärungen hängen mit den Unschuldserklärungen zusammen, von denen schon öfters gesprochen wurde. 1 Diese Erklärungen sind bei der Priesterweihe schon zu Lebzeiten abgegeben worden. Es besteht eine Beziehung der Riten für die Lebenden zu den Riten für die Toten; die einen wurden als den anderen analog vorgestellt. § 327 Bei der Besprechung der Isisromane werden wir ferner Szenen kennenlernen, in welchen der Mythos vom Prozeß des Horos gegen Seth (§ 36) variiert wird. M a n wird zu der Annahme geführt, daß bei der Initiation ein Advocatus diaboli (des Seth-Typhon) aufgetreten ist und den Kandidaten verklagt hat, in einem Scheinprozeß, der stets zugunsten des Initianden entschieden wurde.

Isis aus der Mumie (Statuette aus Kyrene); ein Sargritual § 328 Eine Statuette aus Kyrene (Abb. 109/110) zeigt eine Frau in Tracht und Kopfschmuck der Isis. Ihr Unterleib ist wie eine Mumie eingewickelt, aber ihr Oberleib ist frei, und um die Schultern liegt ein purpurroter Mantel, der über den Rücken herabfällt. Es scheint, daß ein Initiationsritus dargestellt wird, bei welchem die Einzuweihende zunächst als Mumie eingewickelt und zeremoniell bestattet, dann aber wieder befreit und zum Leben erweckt wurde. § 329 Wenn diese Deutung richtig ist, dann hat es in den Isis- und Sarapismysterien ein Sargritual gegeben, in welchem der Initiand zeremoniell bestattet und wieder erweckt wurde. In allen Isisromanen werden wir entsprechende Szenen finden. Plutarch berichtet über eine Episode des Osirismythos, welche klingt, als handle es sich um ein Kultspiel: 2 Seth-Typhon wollte Osiris töten und selbst König von Ägypten werden. Er verschwor sich mit seinen Freunden gegen den nichtsahnenden Osiris. Sie maßen heimlich seine Größe und bereiteten einen prächtigen Sarkophag vor, in den Osiris genau paßte. Als alle ein fröhliches Trinkgelage feierten, ließ Typhon den Sarkophag hereinbringen. Er war so schön, daß alle ihre Freude daran hatten. Da versprach Typhon im Scherz (μετά παιδιάς), er werde dieses Prunkstück demjenigen schenken, der genau hineinpasse. So legten sich alle nacheinander hinein, vergeblich. Schließlich versuchte sich auch Osiris. Sofort klappten Typhon und seine Gesellen den Deckel zu und vernagelten ihn. - Es wird hier nicht etwa erzählt, daß Osiris getötet wurde; er wird lebendig in dem Sarkophag eingeschlossen. Diese wunderliche mythische Szene ist nur verständlich, wenn man annimmt, daß sie bei Initiationszeremonien nachgespielt wurde, wobei der neue Myste bald wieder aus dem Sarg herausgeholt wurde. Der in § 295 besprochene Sarkophag aus Arida (Abb. 197) ist ebenso zu erklären. Er zeigt das Ende eines solchen Spiels: Die im Sargritual Bestatteten sind auferstanden, stehen auf dem Sarg und applaudieren, während andere Mysten lachend tanzen und gestikulieren. Für den in dem Sarkophag Bestatteten erhoffte man eine ähnliche fröhliche Auferstehung im Jenseits.

1

Totenbuch 125. Vgl. § 41, 48 und 258.

2

De Iside Kap. 13. Vgl. § 10.

13 Einweihungsriten

173

Artemidor und Plutarch über die Weihezeremonien § 3 3 0 Nachrichten allgemeiner Art über Einweihung finden sich auch im T r a u m b u c h des Artemidor und bei Plutarch. „ T r ä u m e von S a r a p i s , Isis, Anubis und H a r p o k r a t e s , von ihnen selbst oder ihren Standbildern oder ihren Mysterien deuten voraus auf Verwirrungen, Gefahren, drohende Situationen und U m s c h w ü n g e , a u s welchen sie (Sarapis und Isis) dann gegen alle E r w a r t u n g retten; denn m a n ist allgemein überzeugt, daß diese Götter die Retter der in äußerste N o t geratenen Menschen sind und daß sie diejenigen, welche in solchen Umständen sind, unversehens r e t t e n . " 1 Es m u ß bei den E i n w e i h u n g s z e r e m o n i e n s c h e i n b a r e G e f a h r e n u n d ü b e r r a s c h e n d e U m s c h w ü n g e gegeben haben, und die ägyptischen Götter müssen in kleinen sakralen D r a m e n ihre Mysten „ g e r e t t e t " haben - so wie m a n darauf vertraute, daß sie auch in den wirklichen Gefahren des Lebens, in Seenot und in Krankheiten helfend und rettend eingreifen würden. § 3 3 1 Plutarch berichtet, Isis sei ursprünglich ein großer „ D a i m o n " gewesen und habe all d a s wirklich erlebt, w a s über ihre Schicksale berichtet wird. Sie habe endlich gesiegt. „ A b e r nachdem die Gattin und Rächerin des Osiris den Wahnsinn und die Tollwut des T y p h o n (Seth) unterdrückt und beendet hatte, ließ sie nicht zu, daß die Aufgaben und K ä m p f e , die sie bestanden hatte, ihre Irrfahrten und die vielen mit Klugheit und T a p f e r k e i t vollführten T a t e n in Vergessenheit geraten und von Schweigen bedeckt sein sollten; sie hat daher die heiligsten Weihen gegründet und ihnen Bilder, Andeutungen und N a c h a h m u n g e n ihrer damaligen Schicksale beigemischt, welche M ä n n e r und Frauen f r o m m machen und diejenigen trösten sollten, welche ähnliches Schicksal erlitten." 2 § 3 3 2 Auf den Seelenzustand des Mysten bei der Initiation k o m m t Plutarch in der Schrift über d a s Gesicht in der Mondscheibe zu sprechen. D o r t wird die Lehre vorausgesetzt, daß der wahre H a d e s sich in der L u f t r e g i o n zwischen Erde und M o n d befinde. Die Seelen der Verstorbenen hätten die A u f g a b e , zur reinen Sphäre des M o n d e s aufzusteigen. K u r z bevor sie dorthin gelangten, würden sie die „Wiesen des H a d e s " erreichen, w o sie sich einige Zeit auf den Übertritt in die höhere Sphäre vorbereiten müßten. Diesen Z u s t a n d noch in dem alten Stadium, aber kurz vor dem Übertritt in ein neues vergleicht Plutarch dem Z u s t a n d des Mysten vor der Initiation: „ E s ist, als ob (die Seelen) aus der Ver-

1 Artemidor II 39 (p. 175,8 Pack) Σάραπις και τ Ισις και "Ανουβις και Άρποκράτης αύτοί τε και τά άγάλματα αυτών και τά μυστήρια . . . ταραχάς και κινδύνους και άπειλάς κα'ι περιστάσεις σημαίνουσιν, έξ ών και παρά προδοκίαν και παρά τάς έλπίδας σώζουσιν αεί γαρ σωτήρες είναι νενομισμένοι ε'ισίν οί θεοί των εις πάντα άφιγμένων και εσχατον έλθόντων κίνδυνον, τους δέ ήδη έν τοις τοιοΰτοις όντας αΰτίκα μάλα σώζουσιν. 2 De Iside 27 ή δέ τιμωρός Όσίριδος αδελφή και γυνή τήν Τυφώνος σβέσασα και καταπαΰσασα μανίαν και λύσσαν ού περιειδε τους άθλους και τους άγώνας, ους άνέτλη, και πλάνας αυτής και πολλά μέν εργα σοφίας, πολλά δ' άνδρείας άμνηστίαν ύπολαβοϋσαν και σιωπήν, άλλά ταΐς άγιωτάταις άναμίξασα τελεταις εικόνας και ύπονοίας και μιμήματα τών τότε παθημάτων εΰσεβείας όμοϋ δίδαγμα και παραμύθιον άνδράσι και γυναιξίν υπό συμφορών έχομένοις όμοιων καθωσίωσεν.

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13 Einweihungsriten

bannung in die Heimat zurückkehren sollten; sie empfinden eine Freude, wie sie die Initianden haben, eine Freude, die mit Schrecken und Furcht vermischt ist und süße Hoffnung birgt." 1 Furcht und Hoffnung gemischt sind charakteristisch für die Stimmung des Initianden. § 333 Hier sei noch ein weiterer Bericht Plutarchs angeschlossen, der sich wahrscheinlich auf die eleusinischen Mysterien bezieht, aber auch die Isismysterien illustriert; beide Kulte sind nahe verwandt. Die Stelle stand in Plutarchs verlorenem Dialog „Über die Psyche". Es war davon die Rede, daß die Seele sich nach dem Tod vom Körper trennt und in die Weltseele aufgeht. M a n verwendet dafür das Wort ολλυσθαι („vergehen"); aber nach dem richtigen Sinn, sagt Plutarch, bedeutet ολ-, daß die Seele sich in das δλον, das Ganze, auflöst: „So sagen wir auch, die Seele .vergehe' (ol-), wenn sie - drüben angekommen - sich in das All (ol-) verwandelt und in den Kosmos eingeht; hier aber ist ihr dies nicht bewußt, außer, wenn sie bereits im Sterben (tel-) ist; dann aber erleidet sie etwas Ahnliches wie diejenigen, welche in der großen Weihe eingeweiht werden. Denn wie das Wort für Sterben (tel-eutân) und für Geweihtwerden (tel-eîsthai) ähnlich ist, so auch das Ereignis dem Ereignis: Zuerst kommen Irrwege und mühsames Herumgehen und bedenkliches Gehen durch das Dunkel, welches zu keinem Ziel führt; dann vor dem Ende (= der Weihe, tei-) alle Schrecken, Zittern, Angst, Schweiß und Staunen. Danach aber tritt ihr ein wunderbares Licht entgegen; reine Orte und Wiesen nehmen sie auf, wo es Stimmen und Tänze und erhabene, heilige Offenbarungen 2 und heilige Erscheinungen gibt. In diesen ergeht sich der jetzt Voll-Geweihte und Initiierte als Freier und ist, befreit, in glücklicher Fest-Stimmung; er ist zusammen mit frommen und reinen Männern und sieht, wie hier (auf der Erde) die ungeweihte, unreine Menge der Lebenden in Schlamm und Nebel unter seinen Füßen liegt und niedergedrückt wird, aber aus Furcht vor dem Tod und ohne Vertrauen auf das Glück im Jenseits in ihrem schlimmen Zustand bleibt." 3

1

De facie in orbe Lunae 28 p. 943C (Teubner-Edition V 3,83,20-23) οίον έξ αποδημίας άνακομιζόμεναι φυγαδικής εις πατρίδα γεύονται χαράς, οιαν οί τελούμενοι μάλιστα θορύβωι και πτοήσει συγκεκραμένην μετ' έλπίδος ηδείας εχουσιν. 2 3

ακούσματα: So nannten die Pythagoreer ihre Vorschriften, s. Iamblich, Vit. Pyth. 82-86.

Stobaios, Eclog. IV 52,49 (p. 1089 Hense) = Plutarch fr. 178 Sandbach. Die Fragmente 177 und 178 werden bei Stobaios unter dem Namen des Themistios zitiert, aber seit Wyttenbach allgemein Plutarch zugeschrieben; die Gründe für die Autorschaft Plutarchs scheinen mir zwingend. Es ist für uns nicht von Bedeutung, ob der Text von Plutarch oder Themistios stammt; es liegt jedenfalls ein antikes Zeugnis vor. οΰτω κατά τήν εις τό δλον μεταβολήν και μετακόσμησιν όλωλέναι την ψυχήν λέγομεν έκεΐ γενομένην ενταύθα δέ άγνοει, πλην δταν έν τώι τελευτάν ήδη γένηται· τότε δέ πάσχει πάθος, οίον οί τελεταΐς μεγάλαις κατοργιαζόμενοι. διό και τό ρήμα τώι ρήματι και τό έργον τώι εργωι τοϋ τελευτάν και τελεισθαι προσέοικε. πλάναι τά πρώτα και περιδρομαί κοπώδεις καί δια σκότους τινές ύποπτοι πορεΐαι και άτέλεστοι, είτα προ τοϋ τέλους αϋτοϋ τά δεινά πάντα, φρίκη καί τρόμος καί ίδρώς καί θάμβος· έκ δέ τούτου φως τι θαυμάσιον άπήντησεν καί τόποι καθαροί καί λειμώνες έδέξαντο, φωνάς καί χορείας καί σεμνότητας άκουσμάτων ιερών καί φασμάτων άγιων εχοντες· έν αις ό παντελής ήδη καί μεμυημένος ελεύθερος γεγονώς καί άφετος περιιών έστεφανωμένος οργιάζει καί σύνεστιν όσίοις καί καθαροΐς άνδράσι, τον άμύητον ένταϋθα των ζώντων άκάθαρτον έφορών οχλον έν βορβόρωι πολλώι καί όμίχληι πατούμενον ύφ' έαυτοϋ καί συνελαυνόμενον, φόβωι δέ θανάτου τοις κακοΐς άπιστίαι τών εκεί άγαθών έμμένοντα.

14 Zwei Priesterweihen aus Alexandria

κύριε ενδοξε κοσμοκράτωρ μέγιστε τροφεΰ μεριστά Σάραπι Herr, Ruhmreicher, Weltherrscher, Größter, Ernährer, Zuteiler des Geschicks, Sarapis P. G. M. XIII 638

Die Leidener Weltschöpfung § 334 In einem Leidener Papyrus ist uns eine ausführliche Vorschrift darüber erhalten, wie ein Priester im Kult des Sarapis-Aion eingeweiht werden sollte. 1 Die Zeremonie beginnt in jenem Himmelsmonat, 2 in dem die Sonne im Zodiacalzeichen der „Fische" steht, also im Februar/März, und zwar an dem Tag, an welchem die schmale Mondsichel nach den drei Neumondstagen zum erstenmal wieder gesehen wird. Die vorbereitenden Riten dauern 40 Tage. Sie kulminieren in der Nacht vor der Weihe und in der anschließenden Nacht. Dies ist die Vollmondnacht beim Frühlingspunkt des Sonnenlaufes, im März/April, an welchem in Korinth nach Appuleius das Frühlingsfest mit dem navigium Isidis gefeiert wurde. 3 § 335 In der sechswöchigen Vorbereitungszeit sind viele Riten zu vollziehen. Der Kandidat durfte kein Fleisch essen, keinen Wein trinken, hatte sich der Liebe zu enthalten. Er mußte sieben Sorten Weihrauch vorbereiten. Dann waren sieben verschiedene Blumen zu trocknen und zu pulverisieren und in eine Tinte zu streuen. Es war das Bild eines neungestaltigen Gottes zu zeichnen, und alles war von Gebeten begleitet. Die eigentlichen Weiheriten fanden in zwei aufeinanderfolgenden Nächten statt, der Vornacht und der Nacht der Initiation. In beiden Nächten hatte der Kandidat zunächst einen Bericht über die Entstehung der Welt beim Sonnenaufgang zu rezitieren. Anschließend sollte er die Rolle des Sonnengottes annehmen und mitten in der Nacht rituell „aufgehen". Dann erschien in der Vornacht ein „Bote" (άγγελος) des obersten Gottes; diese Rolle wurde von einem Tempeldiener gespielt. In der Weihenacht erschien Sarapis selbst, repräsentiert durch einen hohen Priester.

1 P. G. M . XIII. Facsimile-Edition von R. Daniel, T w o Greek Magical Papyri in the National Museum of Antiquities in Leiden (Papyrologica Coloniensia XIX, Opladen 1991). Abrasax III (Text, Übersetzung und Kommentar). 2

Vgl. § 2 0 6 und 2 9 1 .

3

Vgl. § 2 9 1 , 3 5 4 , 4 8 0 ; Abrasax III 7 - 1 0 und 6 9 - 7 6 .

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1 4 Zwei Priesterweihen aus Alexandria

Nach ägyptischer Vorstellung ist die Welt nicht einmal und damit definitiv geschaffen worden, sondern entsteht an jedem Morgen neu mit dem Aufgang der Sonne: Das Licht wird von der Finsternis getrennt, das Leben auf der Welt beginnt. Diese Vorstellung liegt auch der kosmogonischen Zeremonie des Leidener Papyrus zugrunde. Der Kandidat hat zu rezitieren, was sich ereignete, als die Welt entstand: Als die Sonne aufging, da begann auch die Sonnenbarke über den Himmel zu fahren. 1 Ihre Mannschaft bestand aus mehreren Göttern, die den Sonnengott jubelnd begrüßten. Der erste der Götter auf der Barke rief in der Vogelsprache: „Wehe meinem Feind". Der zweite begrüßte den Sonnengott in drei Sprachen, auf Altägyptisch (in der Sprache der Hymnen), auf Hebräisch und in der ägyptischen Volkssprache: „Ich gehe dir voraus, H e r r . " Der dritte Gott war T h o t h , der G o t t des Zählens, Rechnens und des Kalenders. Er rief in der Sprache der Paviane: „ A b r a s a x " , womit er darauf deutete, daß der Sonnengott das J a h r hervorbringt. 2 Der vierte Gott, Horos, rief in der Falkensprache: Tip tip tip. Der fünfte der Götter auf der Barke begrüßte den Sonnengott in der Sprache der ägyptischen Priester. Nachdem das Sonnenschiff so in Fahrt gekommen war, kam die Urgans geflogen und rief: T a k tak tak. § 3 3 6 Dann hat der Sonnengott, der Weltschöpfer, siebenmal gelacht: H a - ha - ha - ha ha - ha - ha. Aus diesem Lachen entstanden sieben Götter: Der Gott über dem Feuer, der Gott über dem Wasser, Hermes, Γέννα-Natura, M o i r a , Kairos und zuletzt Psyche.3 V o n Psyche heißt es, daß der Gott weinte, als er sie lachend erschuf. 4 § 3 3 7 Schließlich entstanden noch zwei weitere Götter. Zunächst sagte der Schöpfergott ein „ P " und ein „ S c h " und schuf den Gott Pschai, den Zuteiler des Schicksals (s. § 1 6 3 ) , welchen die Griechen Agathos Daimon nannten und der mit Harpokrates-Horos zusammenfiel; danach sprach er „ I a o " und erschuf einen Gott, der gleichzeitig der mächtige ägyptische Eselsgott Seth ( „ I o " heißt ägyptisch „Esel") und auch der jüdische Gott J a h w e war, dessen N a m e n die Griechen als „ I a o " aussprachen. Die beiden Götter, Pschai und Iao, stritten miteinander um die Herrschaft; aber der oberste Gott versöhnte sie. Die Episode ist dem ägyptischen Mythos nachgebildet, in welchem Horos (hier Pschai) und Seth (hier Io/Iao) miteinander um die Herrschaft stritten, aber vom Sonnengott versöhnt wurden. § 3 3 8 Nachdem dieser Bericht über die Erschaffung der Welt zeremoniell rezitiert worden war, sollte sich der Initiand aufstellen und die Weltschöpfung selber nachspielen. Er sollte die Rufe der Götter auf der Sonnenbarke wiederholen, mit welchen sie den aufgehenden Sonnengott begrüßten, sollte also rufen:

1 Bei den Ägyptern fährt der Sonnengott nicht mit einem Pferdegespann über den Himmel, sondern auf einer Barke. 2

Siehe § 1 5 0 .

3 Es liegt nahe, in diesen sieben Göttern die sieben Planeten zu sehen, aber es ist bisher kein einleuchtender Vorschlag gemacht worden, wie die Planeten auf die sieben Götter des Textes zu verteilen seien. 4 Dies erinnert an das ägyptische Mythologem, w o n a c h die Menschen - ägyptisch „ r o m e " - aus den Tränen - ägyptisch „rime" - des Weltschöpfers entstanden seien.

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Wehe meinem Feind, ich gehe dir voraus, Herr, Abrasax, Tip tip tip und den Sonnengott in der Sprache der ägyptischen Priester begrüßen. Dann sollte er sich in die Urgans verwandeln und rufen: Tak tak tak. Schließlich sollte er siebenmal lachen (Ha ha ha ha ha ha ha) und rufen: P-sch - Iao. § 339 Wenn er so am Vorabend die Kosmogonie nachgespielt hatte, dann trat ein Bote (άγγελος) des Sarapis auf. Der Kandidat hatte dem Boten eine Tabelle zu übergeben, auf welcher seine Geburtskonstellation (γένεσις) verzeichnet war, und um eine Audienz bei Sarapis für die folgende Nacht zu bitten: Der Gott möge enthüllen, was das Schicksal für den Initianden bestimmt habe; und wenn aus der Stellung der Sterne ein ungünstiges Geschick folgen sollte, so möge Sarapis eine neue Geburtskonstellation verleihen - die Konstellation eben des Vollmondtages, an welchem die Initiation (eine neue Geburt) erfolgte. Aus dem Gebet des Kandidaten seien einige Sätze zitiert: „Möge mir deine gute Gestalt erscheinen. Ich rufe dich an, Weltherrscher Sarapis! Blicke auf meine Geburtskonstellation und wende dich nicht ab von mir . . . Schütze mich vor jedem Sternenzwang . . ., löse auf mein schlimmes Fatum, teile mir Gutes zu innerhalb meiner Geburtskonstellation, Herr des Fatums, Zuteiler 1 Sarapis." Der Bote empfängt die Tabelle mit der Geburtskonstellation und tritt ab, die Zeremonie der Vornacht ist zu Ende. § 340 In der nächsten Nacht findet die Einweihung statt, nach demselben Ritual: Erst wird die Weltschöpfung beim Sonnenaufgang rezitiert und dann wiederholt. Danach erscheint der Gott in Person, vertreten durch einen Priester. Der Kandidat hat sich demütig auf der Erde auszustrecken. Es heißt in der Vorschrift: „Du sollst auf einer Binsenmatte liegen, die unter dir auf der Erde ausgebreitet ist. Wenn der Gott hereinkommt, blicke ihm nicht ins Gesicht, sondern nur auf seine Füße, und danke ihm, daß er dich nicht verachtet, sondern der Worte gewürdigt hat, 2 die zur Geraderichtung deines Lebens gesagt werden sollen. Du sollst fragen: ,Herr, welches Geschick ist mir bestimmt?' Dann wird er dir Auskunft geben über deinen Stern und welcher dein Dämon ist. Wenn du aber etwas Schlimmes hörst, so jammere und weine nicht, sondern bitte ihn, daß er selbst es auswische oder auf einen anderen Weg lenke; denn dieser Gott vermag alles." Die „Auskunft" ist das Orakel, welches gleichzeitig ein Befehl ist. Da es sich um eine Priesterweihe handelt, wird der Befehl des Gottes zum Inhalt gehabt haben, daß der Kandidat heute in den höheren Stand erhoben wird, der mit der Weihe verbunden ist.

1 μεριστά = Zuteiler = Pschai, denn Pschai-Agathos Daimon und Sarapis fallen hier ineinander. Vgl. § 139. 2

P. G. M. XIII 7 0 7 κατηξιώθης.

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Die Pariser Unsterblichkeitsliturgie § 3 4 1 Eine zweite Priesterweihe, die mehr auf griechisch-philosophische Vorstellungen Bezug nimmt, ist in einem Pariser Papyrus erhalten. 1 Der Gott, in dessen Dienst die Zeremonien vollzogen wurden, heißt Aion. Aion war in Alexandria ein anderer Name des Sarapis, s. § 1 3 6 . Die Zeremonie spielt im Tempel, der ein Abbild des Weltalls darstellt. Sie heißt „Unsterblichwerdung" (άπαθανατισμός), und Aion-Sarapis ist hier Herr über das Schicksal und macht den geistigen („pneumatischen") Teil des Initianden unsterblich. Das Modell des Kosmos ist das ptolemäische: In der Mitte ruht die Erde, um sie sind die Sphären der sieben Planeten gelagert; darüber befindet sich die achte Sphäre, der Fixsternhimmel. Am Nord- und Südpol, so stellte man sich die Himmelsmechanik vor, befanden sich zwei Löcher; in diesen Löchern ruhten die Zapfen der Weltachse, welche das All dreht. Diese rotierende Bewegung ist immer die gleiche und erfolgt mit Notwendigkeit; und ebenso ist notwendig alles, was innerhalb der Hohlkugel geschieht, welche vom Fixsternhimmel umschlossen wird. Eine andere Situation herrscht jenseits der Schale des Fixsternfirmaments: Dort ist Freiheit vom Zwang der Sterne. Zunächst legt der Kandidat für die Initiation alles Körperliche ab, also alles, was aus den vier Elementen (Erde, Wasser, Luft, Feuer) zusammengesetzt ist, und behält nur das fünfte Element, den Geist (πνεΰμα), zurück. Der Geist steigt durch die Sphären der sieben Planeten zum Fixsternhimmel empor und durchbricht die Fixsternsphäre an jenem Loch, welches sich am Nordpol befindet. Er soll dort den obersten Gott, Aion, erblicken, im Geist (πνεΰμα) wiedergeboren werden und eine neue Geburtskonstellation (γένεσις) erhalten. In dieser Zeremonie wurde ein Priester in einen höheren Rang eingeführt; er war nun im Geiste ein neuer Mensch; sein geistiger Teil hatte das Schicksal überwunden und war unsterblich geworden. § 3 4 2 Diese Priesterweihe ist als großangelegtes heiliges Theater gespielt worden, unter Verwendung theatralischer Maschinen, mit denen Blitz und Donner, Sternschnuppen, Erdbeben, ein Flug durch die Luft und verschiedene Göttererscheinungen vorgeführt wurden. Die letzteren hat man vermutlich durch Spiegeleffekte oder Marionetten dargestellt. Alexandria war in hellenistischer und römischer Zeit das Zentrum für alle praktischen Wissenschaften; insbesondere ist die Mechanik auf einem hohen Stand gewesen. § 3 4 3 Der Ablauf der Einweihung sei zusammenfassend referiert. 2 Die Zeremonie findet nachts in einem dunklen Raum statt; an einer Stelle leuchtet ein Licht, welches die Sonnenscheibe repräsentiert. Der Kandidat sitzt auf einem Podest, welches im Lauf der Zeremonie in die Höhe gehoben wird. Er spricht ein Gebet: „Erste Geburtskonstellation (γένεσις) meiner Geburt" und gibt die Stellung der sieben Planeten bei seiner Geburt an; dann fährt er fort: „Erster Beginn meines Beginns" 1 P. G. M . IV 4 7 5 - 8 2 4 ; T e x t , Übersetzung und Kommentar in Abrasax III. Dies ist jener T e x t , welchen A. Dieterich „Mithrasliturgie" genannt hat, der aber mit Mithras nichts zu tun hat. 2 Für eine ausführlichere Darstellung s. Abrasax III. Hier wird der T e x t mehrfach gekürzt, ohne daß dies angegeben wird.

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und macht dann dreimal „P" und „Sch", d. h., er ruft den Gott Pschai-Agathos Daimon an, den Zuteiler des Schicksals. Dann ruft er die vier Elemente, aus denen sein Körper gebildet ist: Luft, Feuer, Wasser, Erde, und betet: 1 „Ihr habt beschlossen, mich jener Geburtskonstellation zu übergeben, welche unsterblich ist. Nach der mir nun bevorstehenden, mich sehr bedrängenden Not werde ich jenen Beginn erblicken, der zur Unsterblichkeit führt, in unsterblichem Lebenshauch (πνεΰμα), in unsterblichem Wasser, in einer Luft, die ganz fest ist. Ich werde im Geist in neuer Gestalt geboren werden; in mir wird der heilige Lebenshauch wehen; ich werde das heilige Feuer bestaunen; ich werde im Osten das schreckliche Urgewässer betrachten; der Äther, der alles Leben zeugt und uns alle umfaßt, wird mich erhören. Heute werde ich, ein Sterblicher, der aus einem sterblichen Mutterleib geboren ist, durch die gewaltig wirkende Kraft und die unvergängliche Rechte (Gottes) in einen höheren Stand versetzt. Ich werde mit unsterblichen Augen und in unsterblichem Lebenshauch den unsterblichen Aion erblicken, den Herrn der feurigen Kronen. Dabei wird mich auf kurze Zeit die Kraft der menschlichen Seele verlassen. Aber nach dem mir jetzt bevorstehenden bitteren Zwang werde ich sie gemäß dem unabänderlichen Beschluß Gottes wieder zurückerhalten, und dann werde ich nicht mehr von der Notwendigkeit belastet sein. Bleibe zurück, sterbliche Menschennatur, und empfange mich dann nach der unabdingbaren, mich sehr belastenden Not wieder heil zurück." § 344 Nach diesem Gebet steigt der Initiand in die Höhe. Die Anweisung lautet: „Zieh nun aus den Strahlen (des Lichts) dreimal den Lebenshauch in dich und atme tief durch; dann wirst du merken, wie du leicht wirst und in die Höhe emporsteigst, so daß du den Eindruck hast, mitten in der Luft zu sein. 2 Alles, was du siehst, wird unsterblich sein. Du wirst die Stellung der (Sternen-)Götter für jenen Tag und jene Stunde sehen, du wirst sehen, wie die regierenden Planetengötter zum Himmel emporsteigen, während andere niedergehen, und der Weg der sichtbaren Götter (der Planeten) wird offenbar sein." Dann wird der Myste sehen, wie die Planetengötter auf ihn zuschreiten; man wird dies durch Spiegelungen dargestellt haben. Der Initiand soll nun den Finger an den M u n d legen, wie der junge Sonnengott Harpokrates, und dazu sagen: „Sst". 3 Dann soll er ein langes „Sch" zischen und ein „P" machen, 4 also wiederum Pschai-Agathos Daimon anrufen; „dann wirst du sehen, wie die Götter freundlich auf dich blicken und nicht mehr auf dich losgehen, sondern wieder ihren Weg nehmen nach der für sie festgesetzten Ordnung". Der Myste wird einen großen Donner hören; er soll wieder „Sst" sagen, sich als eine Verkörperung des Harpokrates zu erkennen geben, und sprechen: „Sst, ich bin ein Planet ganz wie ihr, ich tauche aus der Tiefe leuchtend empor." Danach werden von der Sonnenscheibe Sternschnuppen ausgehen, und die Sonnenscheibe wird sich öffnen. Hinter ihr wird ein Rund erscheinen, das nicht feurig ist, und darin feurige Türen, die verschlossen sind. N u n soll der Myste die Augen schließen und erbitten, daß die Türen geöffnet werden. 1

Um der Verständlichkeit willen ist die Übersetzung des folgenden Gebets recht frei gehalten.

2

P. G. M. IV 539 οψει σεαυτόν άνακουφιζόμενον καί υπερβαίνοντα εις ΐ ψ ο ς , ώστε σε δοκειν μέσον τοΐ άέρος είναι. 3 Griechisch σιγή. 4

Griechisch σύρισον und πόππυσον.

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Es folgt die Anweisung: „Öffne die Augen, und du wirst die Türen offen und hinter ihnen die Welt der Götter erblicken." Die Götter sind vermutlich durch Marionetten dargestellt worden. § 3 4 5 Der Myste soll sprechen: „Tritt hervor, H e r r " . Nun wird ein jugendlicher, schöner Gott mit feurigen Haaren in weißem Gewand und rotem Mantel erscheinen, der einen Strahlenkranz trägt. Er stellt den Sonnengott dar. Er wird durch einen Statisten oder durch eine Lichtprojektion dargestellt worden sein. Der Initiand soll ihn begrüßen: „Herr, sei gegrüßt, du mit gewaltiger M a c h t und gewaltiger Kraft, König Helios! W e n n es dir beliebt, melde mich dem obersten Gott und sage: ,Ein Mensch (nämlich ich, der Ν . N . ) 1 , der entstanden ist aus dem sterblichen Mutterleib der Ν. N. und flüssigem Samen, der heute von dir neu gezeugt und allein unter so vielen Zehntausenden nach dem Beschluß des über alle M a ß e n gütigen Gottes in dieser Stunde zur Unsterblichkeit erhoben wurde, bittet darum, dich anbeten zu dürfen.'" Der jugendliche Gott (König Helios) wird zum Himmelsrund emporsteigen. Es werden sich Türen öffnen, und aus ihnen werden sieben Mädchen hervorkommen; sie repräsentieren die Sterne des großen Bären. Der Myste begrüßt jede von ihnen mit einem eigenen Gebet. Nach den Mädchen kommen sieben andere Götter mit Stiermasken; sie stellen die Sterne des kleinen Bären dar. Sie heißen „Herrscher über den Himmelspol". Der Myste ist in der Region des Nordpols angelangt. Er betet: „Seid gegrüßt, ihr Wächter des Himmelszapfens, ihr starken jungen Männer, die ihr die Achse des Himmels dreht, die ihr D o n n e r , Blitz, Erdbeben und Donnerkeile auf die Unfrommen schleudert: M i r aber, der ich fromm und gottesfürchtig bin, gebt Gesundheit und Unversehrtheit des Körpers, volle Kraft des Gehörs und Sehens und unerschütterlichen M u t in den guten Stunden, die mir heute bevorstehen." Dann begrüßt er jeden der sieben Götter mit seinem Namen. Die Gottheiten der Bärengestirne werden durch Lichtprojektionen, vielleicht auch durch Tänzerinnen und Tänzer oder Marionetten dargestellt worden sein. § 3 4 6 Der Myste ist jetzt an jenem Loch der Himmelsschale angelangt, in welchem sich der Zapfen der Himmelsachse dreht. Durch dieses Loch hindurch steigt er nun in die überirdische Welt auf und sieht den Weltgott. Er untersteht nicht mehr der Notwendigkeit, der sich in stets gleichem Rhythmus drehenden Welt unter der Himmelsschale; er ist seiner Geburtskonstellation entronnen, sein Lebenshauch ist unsterblich geworden. Nun folgt die Anweisung: „Blicke in die Luft, und du wirst sehen, wie Blitze und schimmernde Lichter herniedergehen, wie die Erde erbebt und ein übergroßer G o t t mit leuchtendem Antlitz herabkommt, von jugendlichem Aussehen und mit goldenen Haaren, mit einem goldenen Kranz, und bekleidet mit (persischen) Hosen;-* er hält in der rechten Hand eine goldene

1 Hier wird der N a m e des Initianden genannt und gleich darauf der seiner Mutter. 2 Dies ist die Stelle, aus welcher A. Dieterich erschloß, daß es sich um einen Mithrastext handle. T a t sächlich wird hier der oberste Gott im persischen Kostüm, den Hosen, dargestellt. Aber da Mithras die Sonne ist, bedeutet dies nicht mehr als eine der vielen möglichen Trachten des Sonnengottes. Er hätte auch in der Kleidung des Griechen Helios oder des Ägypters A m m o n - R e erscheinen können. Er wird auch gleich danach mit „ R e " angeredet.

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Stierschulter, das Bärengestirn, welches den Himmel bewegt und herumdreht." - Die Stierschulter ist dasjenige ägyptische Sternbild, welches am Nordpol steht; mit dieser Schulter wie mit einem Hebel dreht der oberste Gott, über dem Firmament stehend, die Weltkugel. Aus den Augen des Gottes werden Blitze, aus seinem Leib Sternschnuppen hervorspringen; der Myste soll ihn nun anbeten: „Sei gegrüßt, Herr, Herrscher über das Wasser; sei gegrüßt, Erbauer der Erde; sei gegrüßt, Fürst des Lebenshauches, hell hervorleuchtendes Licht, König, Re! Erteile mir Weisung! Herr, indem ich wiedergeboren werde, gehe ich dahin; indem ich wachse und größer werde, sterbe ich; indem ich aus einer lebengebenden Geburtskonstellation in das Ent-Werden (Vergehen) aufgelöst werde, schreite ich voran - wie du es begründet und angeordnet, wie du es als Gesetz festgelegt und als geheime Weihe geschaffen hast." N u n wird der Gott das Orakel erteilen, und zwar wird er in Versen sprechen, und danach weggehen. Die Orakelweisung hatte gewiß zum Inhalt, daß der Kandidat nun initiiert, zu einem höheren Rang erhoben und rituell unsterblich geworden sei. In diesem wie im vorigen Ritual erscheint auf dem Höhepunkt der Handlung der oberste Gott nachts dem Initianden in Person und „bestimmt sein Schicksal".

Heiliges Theater § 347 Es hat im Kult des Sarapis und der Isis theatralische Zeremonien gegeben, die gewiß nicht nur in immer neuen Inszenierungen, sondern auch mit abweichenden Handlungen vorgeführt worden sind. Die Sarapeen zu Alexandria und Pergamon - und an anderen Orten, ganz sicher in Rom - waren so gebaut, daß Teile der Anlage als Bühnen oder Spielplätze benutzt werden konnten. Die mechanischen Requisiten bereitzustellen, welche man hierfür benötigte, war bei dem Stand der antiken Mechanik nicht schwer. In den Büchern des Mechanikers Heron finden sich Anweisungen zur Konstruktion der verschiedenartigsten Theatermaschinen und zur Vorführung eines langen Marionetten-Stücks. 1

1 Für Alexandria als das Zentrum der antiken Mechanik und Heron als den wichtigsten Autor über mechanische Kunststücke s. H. Diels, Antike Technik 5 7 - 7 0 und Abrasax III 2 9 - 3 2 ; ein Bericht über die Kunststücke der ägyptischen Priester bei Hippolytos, Elenchos IV 2 8 - 4 2 (= M. Totti, Texte Nr. 78; S. 184-192).

15 Festdaten und Kalender

Η λ ί ο υ γενέθλιον αΰξει φως Geburtstag des Helios: Das Licht wächst Kalender des Antiochos zum 24. 12.

Jahr des Ackerbauers; der ägyptische Kalender § 348 Es hat eine Art „Kirchenjahr" der griechisch-ägyptischen Religion gegeben. Aber der Neujahrstag stand meistens nicht in fixiertem Verhältnis zum jährlichen Lauf der Sonne, und außerdem hat es auch örtliche Unterschiede gegeben. Der griechisch-ägyptische Festkalender ist daher eine komplizierte Materie. 1 Ich gebe einen kurzen Abriß. § 349 Die Ägypter kannten drei Jahreszeiten. Diese entsprachen der Tätigkeit der Ackerbauern, die den größten Teil der Bevölkerung darstellten; und darauf bezog sich auch der Mythos des Korngottes Osiris. Überschwemmungszeit, etwa Mitte Juli bis Mitte November: Das Land wird vom Nilwasser überflutet, der Ackerbauer ist frei und feiert. Osiris ist im Nil ertrunken und wird im neuen Wasser, welches rituell geschöpft wird, wieder geboren. Aussaat („Winter"), etwa Mitte November bis Mitte März: Der Bauer sät und bearbeitet das Land. Osiris wird im Samen begraben in der sicheren Hoffnung, daß das Korn wieder keimen, daß Osiris wiedergeboren wird. Ernte („Sommer"), etwa Mitte März bis Mitte Juli: Der Bauer schneidet und drischt das Getreide, Osiris wird getötet (geschnitten) und zerstückelt (gedroschen); aber dann wird er wieder zusammengesetzt, es wird aus dem Korn Brot gebacken, und ein Teil des Korns wird als Saatgut für die nächste Aussaat beiseitegelegt. Sowohl das neue Brot als auch das Saatgetreide bedeutet Gedeihen der Menschen und Wiederaufleben des Osiris. § 350 Die Ägypter haben schon früh festgestellt, daß das Jahr 365 Tage hat, und einen Sonnenkalender geschaffen, 2 der keine Rücksicht auf den Mond nahm. Ihr Jahr bestand aus 12 Abschnitten (Monaten) zu je 30 Tagen und weiteren 5 Schalttagen. Die Einteilung des Jahres:

* Ich habe ihr ein kleines Buch gewidmet: „Isisfeste in griechisch-römischer Zeit" (Meisenheim 1963). 2

S. S 2 0 7 .

15 Festdaten und Kalender

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Überschwemmungszeit Winter (Aussaat) Sommer (Ernte) Schalttage Thoth Tybi Pachón (fünf Tage) Phaophi Mechir Payni Hathyr Phamenoth Epiph Choiach Pharmuthi Mesore Nicht vorgesehen war, in jedem vierten Jahr einen weiteren T a g einzuschalten. D a s vierte Jahr hatte also auch 3 6 5 Tage und nicht 366 wie heute. Alle 4 Jahre verlor das ägyptische Jahr einen Tag. Der sakrale Neujahrstag (1. Thoth) hätte eigentlich immer auf den T a g der Nilflut fallen sollen, den Tag, an welchem der Sothis-Stern (unser Sirius, s. § 2 0 5 ) 1 nach längerer Unsichtbarkeit wieder am Morgenhimmel gesichtet wird. Aber das Fehlen des zusätzlichen Schalttags brachte es mit sich, daß der ägyptische Kalender auf die Dauer nicht zu den Bewegungen der Himmelskörper und zum natürlichen Jahr paßte. Möglich wäre gewesen, den sakralen Neujahrstag (1. Thoth) auf den 19. Juli - den T a g des Sothisaufgangs - zu legen und zu den 5 bestehenden Schalttagen alle vier Jahre einen sechsten einzufügen. Die griechischen Astronomen in Alexandria haben den Fehler berechnet und im Jahr 2 3 8 v. Chr. beschließen lassen, künftig den fehlenden T a g in jedem fünften Jahr einzufügen. 2 Diese Reform ist aber zunächst nicht durchgesetzt worden; erst unter Augustus wurde der zusätzliche Schalttag eingeführt, so daß die Monate immer in dieselbe Jahreszeit fielen.

Die Festtage und ihre Verdoppelung § 351 Im Prinzip waren jene Tage zu feiern, an welchen Osiris starb und an denen er wiedergeboren wurde. D a s sind jeweils die letzten Tage aller Jahreszeiten für den T o d und die ersten T a g e für die Wiedergeburt des Osiris. Die Festperioden für die Überschwemmungszeit waren: die Schalttage nach dem M o n a t Mesore und der 1. Thoth, für den Winter: die letzten Tage des Choiach und der 1. Tybi, für den Sommer: die letzten T a g e des Pharmuthi und der 1. Pachón. § 3 5 2 N u n haben die Ägypter diese Festtage bald auf die eine und bald auf die andere Weise berechnet: Bald haben sie zu denjenigen Zeiten gefeiert, welche dem natürlichen Lauf des Jahres entsprachen, also um die Mitte unserer M o n a t e Juli, November und M ä r z ; und bald haben sie angenommen, daß diejenigen Tage zu feiern seien, welche den N a m e n 1. Thoth, 1. Tybi und 1. Pachón trugen (einschließlich der vorangehenden Schalttage und Schlußtage der M o n a t e Choiach und Pharmuthi) - auch wenn diese Feste nicht mehr in die Jahreszeit paßten, zu der sie nun gefeiert wurden. So hat man in der römischen Kaiserzeit das Fest der Nilflut gefeiert zunächst am 19. Juli, dem Aufgang der Sothis,·* und nochmals a m 29. August, weil dieser T a g im alexandrinischen Kalender der Römerzeit den Namen „1. T h o t h " trug. 4 M a n hat also dasselbe Fest zweimal im

* Der Sirius-Aufgang wird erwähnt im Kanopos-Dekret, O. G. I. 5 6 , 3 6 - 3 8 . Vgl. schon § 23. 2

Siehe das Kanopos-Dekret.

3 Achilleus Tatios beschreibt das Fest der Nilflut in Buch III—IV, s. § 632-642. 4

Vgl. „Isisfeste" S. 1 4 - 3 1 .

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1 5 Festdaten und Kalender

J a h r begangen. Alle diese Feste hatten denselben agrarischen Sinn, T o d und Wiedergeburt des Korngottes Osiris.

Geburt des Aion(-Sarapis) am 6. Januar § 3 5 3 In der römischen Kaiserzeit wurde in der Nacht vom 1 0 . / 1 1 . T y b i , was dem 5./6. J a n u a r des julianischen Kalenders entspricht, im Heiligtum der Kore(-Isis) zu Alexandria ein Fest gefeiert, weil Kore-Persephone den Aion geboren habe. Der Christ Epiphanios berichtet : „Die Anführer des Götzendienstes feiern an vielen Orten ein großes Fest gerade in der Nacht des (christlichen) Epiphanienfestes 1 . . ., so in Alexandria in dem sogenannten Kore-Heiligtum. Dies ist ein sehr großer Tempel, der Bezirk der Kore. Die ganze Nacht über wachen sie und singen Lieder zur Flötenbegleitung für das Götzenbild, und wenn sie die Nachtfeier vollendet haben, steigen sie beim Schrei der Hähne mit Fackeln in eine unterirdische Kapelle hinab und bringen ein hölzernes Schnitzbild herauf, welches nackt auf einer Trage sitzt. Es trägt ein goldenes Kreuzeszeichen 2 auf der Stirn und zwei weitere auf beiden Händen und nochmals zwei auf den beiden Knien, zusammen fünf aus Gold geschmiedete Zeichen. D a n n tragen sie das Schnitzbild siebenmal mit Flötenspiel und Handtrommeln und Hymnen rings um den Tempel in der Mitte herum, und am Ende der Prozession bringen sie es wieder an den unterirdischen Platz zurück. Wenn man sie fragt, was diese Weihezeremonie bedeutet, so antworten sie: Heute und zu dieser Stunde hat Kore (d. h. die Jungfrau) den Aion g e b o r e n . " 3 Das Holzbild, welches nackt auf einer Trage sitzt und beim Hahnenschrei, beim Sonnenaufgang heraufgeholt wird, hat den Harpokratesknaben auf der Lotosblüte dargestellt, der am Anfang der Zeiten und an jedem Morgen durch sein Aufgehen die Welt erschuf; er war auch ein Gott der Ewigkeit (Aion). Wie das göttliche Kind von Schreinträgern getragen wird, sieht man auf Abb. 2 1 5 - 2 1 7 . Die Mutter des Kindes heißt K o r e ; 4 sie ist eine eleusinische Isis. Wir werden in § 4 1 1 auf die hier beschriebene Zeremonie zurückkommen. * M a n hat an diesem T a g zunächst die Taufe Jesu im Jordan gefeiert, die geistliche Geburt des Gottessohns, später auch die natürliche Geburt, die Anbetung der Magier und die Hochzeit zu Kana mit der Verwandlung von Wasser in Wein, den Beginn des messianischen Wirkens. 2

Es handelt sich um das Lebenszeichen (anch) der Ägypter: Ϋ.

Panarion haer. 5 1 , 2 2 , 8 - 1 0 (II p. 2 8 5 , 9 - 2 8 6 , 7 Holl) οίτης των εΙδώλων θρησκείας άρχηγέται. . . έν πολλοίς τόποις έορτήν μεγίστην άγουσιν έν αύτηι τήι νυκτί των Επιφανειών . . . έν Άλεξανδρείαι έν τώι Κορείωι οΰτω καλουμένων ναός δέ έστι μέγιστος, τουτέστι τό τέμενος της Κόρης, δλην γαρ την νύκτα άγριιπνήσαντες έν άσμασί τισι και αύλοϊς τώι είδώλωι αδοντες και παννυχίδα διατελέσαντες μετά την των άλεκτρυόνων κλαγγήν κατέρχονται λαμπαδηφόροι εις σηκόν τινα ύπόγαιον και άναφέρουσι ξόανόν τι ξύλινο ν έν φορείωι καθεζόμενον γυμνό ν, εχον σφραγΐδά τινα σταυρού έπί τού μετώπου διάχρυσον, και έπί ταις έκατέραις χερσίν άλλας δύο τοιαύτας σφραγίδας, και έπ' αύτοΐς τοις δυσι γονάτοις άλλας δύο, όμοϋ δέ πέντε σφραγίδας άπό χρυσού τετυπωμένας, και περιφέρουσιν αύτό τό ξόανον έπτάκις κυκλώσαντες τον μεσαίτατον ναόν μετά αυλών και τύμπανων και ύμνων, και κωμάσαντες καταφέρουσιν αύτό αύθις εις τον ύπόγαιον τόπον, έρωτώμενοι δέ δτι ,,τί έστι τούτο τό μυστήριον" άποκρίνονται και λέγουσιν δτι ,,ταύτηι τηι ώραι σήμερον ή Κόρη (τουτέστιν ή παρθένος) έγέννησε τον Αιώνα". 3

4 Für Kore-Persephone-Isis vgl. § 1 6 8 . N a c h der Gründungslegende von Alexandria im Alexanderr o m a n hat Alexander auf dem Platz der künftigen Stadt zwei Holzbilder vorgefunden, das eines männlichen Gottes, der sich später als Sarapis zu erkennen gibt, und weiter ein κόρης άγαλμα μέγιστον (I 3 3 , 5 p. 3 4 , 9 Kroll).

1 5 Festdaten und Kalender

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Das Datum (5./6. Januar) fällt mit dem christlichen Epiphanienfest (den „heiligen drei Königen") zusammen. Die Priorität liegt bei dem heidnischen Fest; die Christen haben ihr Fest absichtlich auf dasselbe Datum gelegt.1

Ein Fest zur Zeit des Frühlingsaequinoctiums (zur Osterzeit) § 354 Die Griechen, welche in der ptolemäischen Zeit das Land beherrschten, haben zunächst keineswegs das sachlich bessere ägyptische Jahr übernommen. Sie benutzten einen Kalender, den der Astronom Meton von Athen im Jahr 432 v. Chr. vorgeschlagen hatte. In diesem Kalender wurde die Länge des Monats durch den Mondumlauf bestimmt; das Jahr wurde einigermaßen in Ubereinstimmung mit dem Sonnenumlauf gebracht, indem nach klug ausgerechnetem Zyklus im Lauf von 19 Jahren siebenmal ein ganzer Schaltmonat eingefügt wurde. In diesem Kalender stimmten die Monate genau zu dem tatsächlichen Umlauf des Mondes, während das Jahr bald kürzer und bald länger war als das Sonnenjahr; aber am Ende des 19jährigen Zyklus war man an den Ausgangspunkt zurückgekehrt. Dieser griechische Kalender war „lunisolar", während der altägyptische und dann auch der julianische Kalender sich allein nach dem Sonnenlauf richteten und eine Übereinstimmung des Mondumlaufs mit den Kalendermonaten gar nicht anstrebten. Ein griechisch-ägyptisches Fest, welches lunisolar errechnet wurde, ist bezeugt in der Leidener Weltschöpfungszeremonie (§ 334) und im XI. Buch des Appuleius (§ 291 und 480). 2 Das Fest wurde an demjenigen Vollmondtag gefeiert, welcher dem Frühlingsaequinoctium am nächsten war, dem Vollmondstag, in welchem die Sonne im Zodiacalzeichen des „Widders" steht. Die Juden in Jerusalem haben um dieselbe Zeit ihr Passahfest begangen; an diesem Tag wurde Jesus gekreuzigt; die ersten Christen haben Tod und Auferstehung, also das Osterfest, an eben diesem Tag gefeiert. Später haben sie den Ostertag auf denjenigen Sonntag („Tag des Herrn", κυριακή, dominica) gelegt, welcher auf den Frühlings-Vollmondtag folgt. Unser Osterfest wird noch heute nach diesem Verfahren berechnet, nach derjenigen Variante des metonischen Zyklus, welche in der Ptolemäerzeit in Alexandria benutzt wurde.

Die Kikellia a m 2 4 . / 2 5 . Dezember § 355 In der römischen Kaiserzeit wurde am 25. Dezember in Alexandria ein Isisfest, die Kikellia, begangen. 3 Nach dem in Alexandria gültigen Kalender war dies der 29. Choiach. Die

1 In „Isisfeste" habe ich vermutet, daß es sich beim Fest des 6. Januar ursprünglich um ein Gedenkfest der Ptolemäer gehandelt hat und daß der Begründer der Dynastie, Ptolemaios I. Soter, am 1. Hathyr = 6. J a n u a r des Jahres 3 0 4 zum König von Ägypten gekrönt worden ist. Vgl. L. Koenen, Eine agonistische Inschrift aus Ägypten und frühptolemäische Königsfeste (Meisenheim 1 9 7 7 ) 5 1 - 7 7 ; L. Koenen bei A. Bulloch - E. S. Gruen - A. A. Long - S. Stewart, Images and Ideologies. Self-Definition in the Hellenistic World (Berkeley 1 9 9 3 ) 7 0 - 8 1 . 2 Vgl. hierzu Abrasax III 7 - 1 0 und 6 9 - 7 6 . Meine Ausführungen in „Isisfeste" S. 3 9 ^ 1 und S. 5 7 - 5 9 sind zu berichtigen, denn das Fest des navigium Isidis fällt bei Appuleius auf den (variablen) Vollmondstag beim Frühlingsaequinoctium und nicht auf den 5. März. Vgl. § 4 8 0 . 3

Epiphanios, Panarion 5 1 , 2 2 (II 2 8 4 Holl), zitiert in § 5 2 8 . Vgl. „Isisfeste" S. 3 6 - 3 9 .

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15 Festdaten und Kalender

letzten T a g e dieses M o n a t s gehören zu der Festperiode des Osiriszyklus, welche vorangeht. Vgl. § 5 2 8 . M a n k a n n n o c h eine andere Ableitung dieses Festdatums ins Auge fassen, und tungen schließen sich nicht aus. D e r 2 4 . D e z e m b e r fällt mit dem Wintersolstitium sonnenwende) zusammen; von jetzt a b werden (in der nördlichen Hemisphäre) die länger. Dies ist „der Geburtstag des Helios, das Licht mehrt s i c h " . 1

dem 1. T y b i beide Ablei(der W i n t e r T a g e wieder

Die griechischen A s t r o n o m e n in Alexandria haben das J a h r nicht mehr in ägyptischer W e i s e in drei Jahreszeiten eingeteilt, sondern in vier; die Einschnitte zwischen den Jahreszeiten fielen a u f die beiden Sonnenwenden im J u n i und D e z e m b e r und a u f die T a g - u n d - N a c h t - G l e i c h e n im M ä r z und September. Diese Einschnitte im J a h r waren auf den riesigen S o n n e n u h r e n verzeichnet, welche in der Stadt aufgestellt waren: Im Z e n t r u m einer solchen Anlage stand ein O b e l i s k , um diesen befand sich nach N o r d e n zu ein großer H o f , auf welchem ein N e t z w e r k von Linien eingetragen w a r . An derjenigen Stelle, a n welcher der Schatten des O b e l i s k e n endete, k o n n t e m a n zu jeder Z e i t bis a u f wenige M i n u t e n genau die Uhrzeit ablesen. Diejenigen Querlinien, welche v o m Obelisken am weitesten entfernt w a r e n , zeigten die Uhrzeit des längsten S o m m e r tages; die mittlere Linie die der Aequinoctien; und die dem Obelisken a m nächsten befindliche Querlinie die Zeit des kürzesten Wintertags. D i e neue Einteilung in vier Jahreszeiten zu je drei M o n a t e n w a r in A l e x a n d r i a durch die öffentlichen Uhren stadtbekannt und hat sich nach und nach durchgesetzt. -Wenn auch das Fest des 2 4 . / 2 5 . Dezember ursprünglich a u f das Isisfest des 2 8 . / 2 9 . C h o i a c h zurückging, lag doch den Alexandrinern offen vor Augen, d a ß dieser Festtag mit dem kürzesten T a g des J a h r e s zusammenfiel. Plutarch sagt, daß H a r p o k r a t e s (der junge S o n n e n g o t t ) zur Z e i t der W i n t e r s o n n e n w e n d e geboren w u r d e . 2 M a c r o b i u s berichtet: „ D i e Ägypter führen u m die Wintersonnenwende den kleinen Sonnengott in Prozession aus dem H e i l i g t u m . " 3

1 Siehe das Motto zu diesem Kapitel. Der Kalender des Antiochos ist herausgegeben von F. Boll, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie 1910 Nr. 16; s. dort S. 16 zum 25. Dezember. 2

De Iside 65.

Saturnalia I 18,10 (verschiedene Götternamen sind auf den Sonnengott zu beziehen), ut parvulus videatur hiemali solstitio, qualem Aegyptii proferunt ex adyto die certa, quod tunc brevissimo die veluti parvus et infans videatur. 3

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Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

τίς μορφάς ζ ώ ω ν επλασεν; τίς δ ' ε υ ρ ε κ ε λ ε ύ θ ο υ ς ; W e r hat die Gestalten der Sterne geschaffen? W e r hat ihren Weg erfunden? P. G. M . X I I 2 4 4

Auditisne magiari. . . artem esse dis immortalibus acceptant, colendi eos ac venerandi pergnaram, piam scilicet et divini scientem ? Hört ihr? Die Magie ist eine Kunst, die den unsterblichen Göttern willkommen ist, kundig dessen, wie man sie verehren soll, fromm und erfahren im Göttlichen Appuleius, Apologie 2 6

W a r u m man diese Texte übergangen hat § 3 5 6 W i r gehen über zu den magisch-religiösen Papyri. M a n hat diese T e x t e bei der Darstellung der Isis- und Sarapisreligion bisher kaum herangezogen: (1) M a n wollte zwischen Religion und Magie eine Grenze ziehen. (2) In unserem monotheistisch geprägten Denken haben wir die Kulte des Sarapis und der Isis meistens gesondert untersucht, und die Namen der beiden Götter kommen in den „magischen" Papyri nicht oft vor. Aber Sarapis und Isis sind als göttliches Ehepaar verstanden worden, und ihr Sohn, „Horos das K i n d " = Harpokrates, wird in den magisch-religiösen Papyri oft angerufen. M a n muß die griechisch-ägyptischen Götter als Gruppe fassen; Thoth-Hermes, AnubisHermes, Seth-Typhon und auch Nephthys werden oft genannt. (3) Viele in den religiösen Papyri beschriebene Riten kommen uns zunächst abstrus vor, zeigen sich aber als sinnvoll, sobald man die ägyptischen Vorstellungen heranzieht. W e n n man die Zeremonien nicht einzeln (analytisch) betrachtet, sondern im Zusammenhang (synthetisch), kann man aus diesen Texten Erkenntnis gewinnen über eine echte Religion. (4) Der christliche (und schon der platonische) Gott ist das Gute an sich. Eine solche Stufe der Vergeistigung hat die Religion der Isis und des Sarapis nur im Denken des Plutarch und seines mittelbaren Schülers Appuleius erreicht. Im alltäglichen Leben sind Orakelzeremonien und Riten zur Beruhigung emotionaler Leidenschaften vorgekommen, welche sich mit einem philosophisch gereinigten Gottesbegriff nicht vertragen. So sind gerade Gelehrte, welche der Isis-Sarapis-Religion hohe Achtung entgegenbringen, davor zurückgeschreckt, die magischreligiösen Papyri zu berücksichtigen. Aber die Papyri enthalten eine Fülle von Gebeten und

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16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

Hymnen aus dem lebendigen Kult, und der Großteil dieser Texte stammt aus der Hauptstadt selbst, aus Alexandria. Wir dürfen sie nicht eliminieren. Wir wollen also eine Reihe von Zeremonien aus den „magischen" Papyri betrachten.

Ein Lampenorakel und die Merkmale des Sonnengottes Horos-Harpokrates § 357 Zu den Orakelmethoden gehörten Zeremonien, bei welchen der Orakelsucher in einen Spiegel 1 , in eine Wasserschüssel 2 oder in eine Lampe blickte, wobei er sich konzentriert den Assoziationen hingab, welche ihm in den Sinn kamen. Als theoretische Erklärung dafür hat man angeführt, daß in der Lampe dasselbe göttliche Feuer wirke wie in der Sonne, so daß die Lampe auch mitten in der Nacht Erkenntnis gewähren könne, als sei es Tag. Ein Rätsel des Symposius mit der Lösung Lanterna (Nr. 67) lautet: Lumen habens intus, divini sideris instar, noctibus in mediis faciem non perdo dierum. „In mir habe ich das Licht, einen Teil des göttlichen Gestirns; mitten in der Nacht verliere ich das Gesicht des Tages nicht. " § 358 Damit der Text der Anweisung, wie man im Licht der Lampe ein Orakel erhalten könne, 3 verständlich wird, bespreche ich zunächst einige Vorstellungen, die vorausgesetzt werden. Die Orakelweisung stammt aus Alexandria, und der orakelgebende Gott heißt Proteus. Er war der lokale Dämon der Insel Pharos mit ihrem Leuchtturm. Proteus wird in der Odyssee als Orakelgott erwähnt. Menelaos hatte auf der Heimfahrt aus Troja von ihm guten Rat erhalten. Freilich wollte Proteus sich dem Menelaos zunächst entziehen und verwandelte sich in immer wechselnde Gestalt. Er wurde Löwe, Schlange, Panther, Eber, hoher Baum, Wasser und Feuer, aber schließlich hat er das erbetene Orakel erteilt. Diese Verwandlungsfähigkeit des Proteus galt als mythisches Bild für die wechselnden Erscheinungen, welche dem in das Licht der Lampe Blickenden entgegentraten. Der Gott, welcher schließlich im Licht der Lampe erschien, war der Sonnengott Horos-Harpokrates. Er spielte in vielen mythischen Zusammenhängen eine Rolle: - Er hat als Sonnengott am Anfang der Zeiten Licht gebracht und trennt an jedem neuen Morgen das Licht von der Finsternis. - Eines seiner heiligen Tiere ist der Scarabäus, der Sonnenkäfer. Er formt aus Sand oder Erde Kügelchen und legt seine Eier hinein; diese rollt er dann vor sich her. So wie der Scarabäus

1 A. Delatte, La catoptromancie grecque et ses dérivés, Paris 1 9 3 2 ; E. R. Dodds, The Ancient Concept of Progress 1 8 5 - 1 9 2 . 2 Lekanomantie oder Phialomantie: P. G. M . IV 1 5 4 - 2 8 5 und 3 2 0 9 - 3 2 5 4 ; Ps. Kallisthenes I 3 (Nektanebos vollführt eine Lekanomantie); Augustin, De civitate dei VII 3 5 (aus V a r r ò ) ; A. Delatte, La catoptromancie (im Index); R. Ganscyniec, R. E. XII 1 8 7 9 - 1 8 8 9 ; eine Weissagung mit einem Becher in P. G. M . IV 1 9 2 8 - 2 1 4 0 . 3

P. G. M . IV 9 3 0 - 1 1 1 4 ; Abrasax I 2 - 1 0 , hier verkürzt wiederholt.

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hinter der Sandkugel, so wirkte hinter dem Sonnenball ein Gott, der die Kugel emporschiebt und die Sonne aufgehen läßt. - Ein anderes mythisches Bild für die Weltschöpfung und den Sonnenaufgang war die Lotosblüte, welche aus dem Urgewässer emportauchte. Als „Lotos" bezeichnete man eine große Wasserrose, die ihre Blüte morgens öffnet und sich nach der Sonne richtet. Das Fruchtgehäuse der Pflanze hieß ciborium, „Kelch". 1 Man dachte sich das gerade geborene Harpokrateskind in diesem Kelch sitzend und am Finger lutschend. - Der Sonnengott Horos hing, wie seine Eltern Isis und Osiris, aufs engste mit der Lebenbringenden Nilflut zusammen. Er war Gott des Jahres: Wenn die Sonne am höchsten stand und schlimm herniederbrannte, führte Horos die rettende Flut herauf. 2 - Dies geschah, wenn die Sonne im Zodiacalzeichen des „Löwen" stand. So wies der Löwe auf den Sonnengott und die Nilflut. - Die Flut zeigte sich zuerst im Süden des Landes, am ersten Katarakt bei Elephantine und Syene. Das aus Äthiopien kommende Schmelzwasser stürzte schäumend über die Klippen herab. Auch dies hat Horos bewirkt. - Von Syene aus strömte dann der Nil wie eine riesige Schlange heilbringend durch das Land Ägypten. Horos hatte sich in diese heilige Schlange verwandelt und ergoß sich bei Alexandria aus den Nilarmen „Drakon" und „Agathos Daimon" ins Meer. 3 - Die Bäume und Pflanzen Ägyptens wachsen allein durch das Wasser des Nils, des guten Dämons Horos-Harpokrates. - So konnte man den Sonnengott Urvater von allem nennen, den „Ersterschienenen", den „Selbsterzeugten", und wenn man auch griechische Vorstellungen heranzog, dann war er Anfang und Ursprung des Feuers in der Natur; die Stoiker hätten gesagt, er ist das „zeugende Feuer". § 359 Wir wenden uns zu dem Lampenorakel. Der Orakelsucher sollte sich priesterlich kleiden (Bastschuhe und Leinengewand), einen Ölzweig im Haar tragen und beim Sonnenaufgang und ein zweitesmal in der Nacht vor der Lampe den folgenden Hymnus sprechen:4 (1) „Sei gegrüßt, Schlange, jugendkräftiger Löwe, Ursprung des Feuers in der Natur; sei gegrüßt, helles Wasser und hoher, belaubter Baum; 5 1 Vgl. das ciborium der christlichen Kunst, das metallene Speisegefäß, welches vom Altarbaldachin herabhängt und die konsekrierten Hostien enthält. 2

Vgl. Kap. 8.

3

Siehe § 1 6 3 und 1 7 9 .

4

1 2 3 4 5 6 7 8 5

P. G. M . IV 9 3 9 - 9 4 8 und Preisendanz - Henrichs II S. 2 3 8 ; Abrasax I S. 4 : Χαίρε δράκων, άκμαιε λέων, φυσικαί πυρός άρχαί, χαίρε δέ λευκόν ΰδωρ και δένδρεον ΰψιπέτηλον, και χρυσού κυαμώνος άναθρώσκων μελίλωτον και καθαρών στομάτων άφρόν ήμερον έξαναβλύζων· κάνθαρε, κύκλον άγων σπορίμου πυρός, αΰτογένεθλε, ος τε δισύλλαβος ει, A - Η , και πρωτοφανής ει· νεϋσον έμοί, λίτομαι, δτι σύμβολα μυστικά φράζω· — hier folgen unverständliche, „barbarische" Namen — ίλαθί μοι, προπάτωρ, καί μοι σθένος αυτός όπάζοις. Fast alle Wörter stammen aus der Odyssee und beziehen sich dort auf Proteus.

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(3) Lotosblüte, die aufsproßt aus dem goldenen Blütenfeld;1 der du aus reinem Mund zahmen Schaum hervorsprudeln läßt; 2 (5) Sonnenkäfer, der du die Scheibe des zeugenden Feuers bringst,3 Selbstentstandener, 4 der du aus zwei Silben bestehst, A - H, 5 der du als erster erschienen bist: (7) Gewähre mir meine Bitte, denn ich spreche die geheimen Kennworte (hier folgen unverständliche Geheimnamen); (8) Sei mir gnädig, Urvater, und gib mir Kraft." § 360 Auf diesen Hymnus folgen Gebete in Prosa: „Herr, nimm mich an als einen, der bei dir eine Audienz erhält, und erhöre mich . . . Gibt mir durch das Lampenorakel . . . eine Weisung in derjenigen Angelegenheit, wegen der ich hier bin." Hier sollte der Beter die Angelegenheit bezeichnen, in welcher er das Orakel erbat. „Ich rufe dich an, den lebendigen Gott, den im Feuer Leuchtenden, den unsichtbaren Erzeuger allen Feuers: Gewähre mir deine Kraft, erwecke deinen göttlichen Geist und tritt ein in dieses Feuer; erfülle es mit deinem göttlichen Geist und zeige mir deine Kraft; öffnen möge sich für mich die Wohnung des allmächtigen Gottes, der in diesem Feuer ist, und das Licht möge sich weiten in der Breite, Tiefe, Länge, Höhe und im Glanz, und es möge aufleuchten der Herr, der innen ist. . . Ich rufe dich an, den Herrn der größten Götter Horos-Harpokrates, dich, der alles erleuchtet und mit seiner Kraft das ganze Weltall erhellt, der Tag und Nacht regiert, der die (Sonnen-)Rosse lenkt und das Steuerruder (des Sonnenbootes) führt, der die Schlange .Guter Dämon' hält, dich, den Ost und West beim Aufgehen und Untergehen besingen . . . Tritt ein, erscheine mir, Herr, antworte mir mit deiner heiligen Stimme, damit ich deutlich und ohne Trug höre über die und die Angelegenheit." Hier war wieder die Angelegenheit zu nennen, wegen der das Orakel erbeten wurde. Die Gebete gehen litaneiartig weiter; dabei sind die Augen abwechselnd zu schließen und wieder zu öffnen. Am Ende heißt es: „Öffne die Augen, und du wirst sehen, daß das Licht der Lampe kammerartig geworden ist; dann schließe die Augen; und wenn du sie wieder öffnest, wirst du es unermeßlich geweitet und innen einen großen Glanz sehen; du wirst nirgends mehr die Lampe sehen, sondern den Gott, wie er im Strahlenkranz auf dem Kelch (ciborium) sitzt, die rechte Hand im Gruß erhoben und in der Linken eine Peitsche haltend." § 361 Am Ende der Zeremonie soll der Orakelsucher also den jungen Gott HarpokratesHoros sehen, wie er in der Lotosblüte sitzt. Durch das Ins-Licht-Blicken, Die-Augen-Schließen und wieder Ins-Licht-Blicken werden optische Halluzinationen gesucht. Gleichzeitig versetzte sich der Orakelsucher in die mythische Situation der Kosmogonie, in die Zeit, als alles neu und frisch wurde. Seine inneren Wünsche und Befürchtungen konkretisierten sich in Bildern, und wenn die Zeremonie mit der Lampe zu Ende geführt war, wird der Orakelsucher ein Bild 1

Harpokrates in der Lotosblüte.

2 Bezieht sich auf den Wasserfall am ersten Katarakt. 3

Der Käfer schiebt am Morgen die Sonnenscheibe empor.

4

Der Urgott.

^ Gesprochen A - Ä. Wir wissen nicht, was mit den zwei Silben gemeint ist.

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gesehen haben, welches zwar nicht vom Sonnengott kam, sondern aus der Tiefe seiner eigenen Psyche, ihm aber doch diejenige Hilfe gab, deren er bedurfte.

Gebet bei einer Einweihung § 362 In mehreren Papyri ist ein Gebet erhalten, welches bei einer Einweihung gesprochen wurde. Ein Priester in der Rolle des Horos hat die Weihe vollzogen. Das Gebet richtet sich an Horos in seinen verschiedenen Gestalten - als der heilige Vogel Phönix, der vom Roten Meer her nach Ägypten fliegt, der Vogel der Erneuerung und der Nilflut, - als der Knabe Harpokrates auf der Lotosblüte, der bei der Weltschöpfung und dann wieder an jedem Tag aus dem Wasser emporgetaucht ist, - als Falke, den Vogel des Horos, - als Krokodil mit Schlangenschwanz, das Tier des Wassers und der Nilflut, - und als geflügelte Schlange (Drache), als den Gott, der sich als schlangengestaltiger Nil durch das Land windet und bei Alexandria als der Nilarm „guter Daimon" ins Meer mündet. Die Weihezeremonie erfolgt also im Namen des Horos-Harpokrates-Agathodaimon; der Priester, welcher die Rolle des Horos spielte, wird ein Gewand getragen haben, ähnlich dem Priestergewand aus Saqqara (Abb. 205/206). § 363 Zu ihm betet der Einzuweihende: 1 „Du, der du auf deinem Gewand den heiligen Vogel (Phönix) trägst, der vom Roten Meer kommt, der du aus den vier Himmelsrichtungen die Winde erregst: Im Norden sitzest du in der Gestalt eines kleinen Kindes auf dem Lotos und erleuchtest den ganzen Erdkreis, im Süden hast du die Gestalt des heiligen Falken und schickst die Hitze in die Luft, im Westen hast du die Gestalt eines Krokodils und den Schwanz einer Schlange und schickst von dort Schnee und Regen, aber im Osten hast du die Gestalt eines geflügelten Drachen und eine blaue Krone, mit welcher du alles unter dem Himmel und auf der Erde beherrschst, denn dies ist deine wahre Gestalt. Der du dem Tag Licht gibst, der du als Kind aufgehst, der du das Himmelsrund durchmißt, der du dich selbst begattest·^ und stärkst, Mehrer des Feuers und Erleuchter des Himmelsgewölbes, mächtigster Gott der Wasser." Danach erinnert der Beter daran, daß er den Gott schon einmal getroffen (d. h. schon eine Weihe empfangen hat): „Du hast mir als Geschenk gegeben die Kenntnis deines größten

1 Das Nähere möge man aus Abrasax I S. 2 0 - 3 4 ersehen, woraus auch die Übersetzung entnommen ist. Die zugrundeliegenden Texte sind P. G. M. II 1 - 1 8 3 , III 1 - 1 6 4 und XII 1 4 - 9 5 .

2 Nach ägyptischer Vorstellung hat der Urgott durch Selbstbegattung die Welt geschaffen.

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16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

Namens; ich werde dieses Wissen fromm bewahren und es niemand mitteilen außer deinen MitMysten bei deinen heiligen Weihen."

Weihe eines Amuletts § 364 Wenn ein Priester ein Amulett oder einen Ring weihen will, soll er eine Zeremonie vollführen, die morgens beim Sonnenaufgang beginnt, sich über die zwölf Stunden des Tages hinzieht und abends endet. Er soll dabei den Gott anrufen, den man Helios oder „guter Daimon" (ägyptisch Pschai) oder Sarapis nennen kann. 1 Während der ganzen Zeremonie soll der Gott in Gestalt einer kleinen Statuette des Agathos Daimon neben dem Beter stehen. Das Morgengebet lautet: „Ich rufe dich an, den größten Gott, den ewigen Herrn, den Herrscher des Weltalls, der über dem Weltall ist und unter dem Weltall, den mächtigen Herrscher über das Meer (das Urgewässer), der in der Morgenfrühe aufleuchtet, der von Osten her für das ganze Weltall aufgeht, der im Westen untergeht. Her zu mir, der du aufgehst, der Gott aus den vier Himmelsrichtungen, der frohe Gute Daimon, dessen Prozessionsweg der Himmel ist. Ich rufe deine heiligen und großen und geheimen Namen an, die du gerne hörst. Die Erde erblüht, wenn du aufleuchtest, und die Pflanzen bringen Frucht, wenn du lachst, und die Tiere zeugen, wenn du dich zeigst. Gib Ruhm, Ehre, Gunst und Macht diesem Amulett hier, das ich heute . . . weihe. Ich rufe dich an, den Großen am Himmel, Sonnengott . . ., Sonnenkäfer . . ., strahlender Sonnengott, der seine Strahlen über das ganze Weltall sendet. . . Pschai, ΦΝΟΥΘΙ ΝΙΝΘΗΡ (Gott der Götter), Du bist derjenige, der jeden Tag (neu) in Erscheinung tritt, der im Nordwesten des Himmels untergeht und im Südwesten wieder aufgeht." § 365 Dann soll der Gott an allen zwölf Stunden des Tages mit dem Namen angerufen werden, welchen er in der betreffenden Stunde hat: „In der ersten Stunde hast du die Gestalt eines Katers; dein Name ist Pharakuneth.2 Gib Ruhm und Gunst diesem Amulett. In der zweiten Stunde hast du die Gestalt eines Hundes; dein Name ist Suphi} Gib Kraft und Ehre diesem Amulett. 1

P. G. M . IV 1 5 9 6 - 1 7 1 6 = Abrasax I S. 1 0 4 - 1 1 5 . Die Übersetzung ist aus „ A b r a s a x " entnommen.

2

Ein uns unverständlicher, „barbarischer" Name.

3 Ebenfalls unverständlich.

16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

In der dritten Stunde hast du die Gestalt einer Schlange; dein Name ist gib dem Gott Ν. N. Ehre."

193

Pekranebecbeo-Thothj1

Es folgen die Gestalten und geheimen Namen des Sonnengottes von der vierten bis zur zwölften Stunde. § 3 6 6 Am Abend schließlich ist dieses Gebet zu sprechen: „Der du abends als Greis untergehst, 2 der du über der Welt und unter der Welt bist, mächtiger Herrscher über das Meer (= das Urgewässer), höre meine Stimme am heutigen Tag, in dieser Nacht, zu diesen heiligen Zeiten: Durch dieses Amulett soll alles vollendet werden . . . Ich vereidige dich bei der Erde und dem Himmel, bei Licht und Finsternis und bei dem großen Gott Sarusis (Sarapis-Usiris), dich, den hier neben mir stehenden kleinen guten Dämon: Vollende mir alles durch den Gebrauch dieser Gemme." Nun folgt noch die Anweisung: Wenn du ihn weihst, so sprich: „Es gibt nur einen einzigen Gott, Zeus-Sarapis."

Gebet, um Gunst zu erlangen § 3 6 7 Ein Gebet zu sprechen konnte in vielen Situationen helfen. Es war auch gut, den Text eines Gebets auf einem Amulett bei sich zu tragen; denn auch wenn man nicht die Zeit hatte, es vollständig aufzusagen, so genügte doch die Tatsache, daß man es bei sich trug und es in Gedanken gerafft wiederholte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen - der Beter sollte Vertrauen darauf schöpfen, daß er mit Hilfe Gottes schwierige Situationen und Gefahren werde bestehen können. Ein solches Gebet an Helios-Horos lautet: 3 „Sei gegrüßt, der du über den Süden und über das Weltall gesetzt bist, dessen Satelliten (Wachmannschaft) alle Götter sind, zu deiner guten Stunde, an deinem guten Tag, (du,) der gute Dämon des Weltalls, der Kranz der bewohnten Erde, der du aus dem Urgewässer auftauchst, 4 der du täglich neu geboren wirst und als Greis untergehst, 5 Harponknuphi& . . . großer Horos . . .

1 Ägyptisch „die große Schlange des T h o t h " . 2

Vgl. § 1 5 8 / 9 .

3

P. G. M . X X X V I 2 1 1 - 2 3 0 ; Abrasax II S. 5 6 - 6 1 .

4

H o r o s als Kind auf der Lotosblume.

5

Der Sonnengott geht abends als Greis unter.

6 Ein ägyptischer N a m e des Gottes: „Horos der lebendige, gute".

194 16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri) Ich bitte dich, Herr: Nichts soll mich zu Fall bringen, niemand soll mir nachstellen, ich möge kein schädliches Mittel einnehmen, ich möge nicht in Verlassenheit oder Mangel an Lebensmitteln geraten, sondern ich möge erhalten und von dir bekommen: Leben, Gesundheit, Ansehen, Reichtum, Macht, Kraft, gutes Gelingen, Liebenswürdigkeit, Gunst bei allen Menschen und bei allen Frauen, Sieg über alle Menschen und über alle Frauen, ja, Herr . . . Vollführe, Herr, mit deiner Macht das, was ich begehre." In der Überschrift zu diesem Gebet heißt es: „Gebet an den Sonnengott, zur Beschwichtigung des Zorns (ζ. B. eines Vorgesetzten) und als Mittel zum Sieg und um Gunst zu erlangen." In ähnlicher Weise haben die Christen Amulette getragen, auf welchen das Vaterunser, das Credo, das Trishagion („dreimal heilig") oder Verse aus den Psalmen und Evangelien aufgeschrieben waren. 1

Hymnisches Gebet an Helios § 368 In einem anderen Gebet wendet sich ein orakelsuchender Priester an Helios; seine Gemeinde steht dabei und wird zu andächtigem Schweigen aufgerufen. 2 Der zeremonielle Zusammenhang, in welchem das Gebet vorkommt, ist durch Lückenhaftigkeit des Papyrus nicht deutlich. Es scheint, daß eine Statuette des Apollon/ Horos/Helios angefertigt und ein Dreifuß benutzt wurde, das Wahrzeichen des Apollonorakels zu Delphi. Jedenfalls wurde eine Zeichnung verwendet, auf welcher eine „pythische Schlange" (δράκων) und ein Dreifuß dargestellt waren. Ferner wurden radförmige Kuchen hergestellt (und verzehrt), die wohl an die Sonnenscheibe erinnern sollten. 3 Dann sollten verschiedene Götter angerufen werden, unter ihnen Osiris, der erste von Athribis (Athribis ist eine Stadt im Nil-Delta). 4 § 369 Dann sollte der Orakelsucher den Päan - einen Hymnus zu Ehren des Apollon/Horos - anstimmen und um ein Orakel bitten:·5 ήσυχον έν στόμασιν πάντες κατερύκετε φ[ωνήν,] αιθέρος αμφίδρομοι σιγήν όρνιθες εχοιτε, σκιρτώντες δελφΐνες υπέρ άλίου παύεσθε, μείνατέ μοι ποταμών τε ροαί και νάματ' άν[αΰρω]ν,

2 4 1

Beispiele in P. G. M . als Ρ 4, 5b, 5c, 9, 1 7 , 1 9 , 2 2 , 2 3 (in Band II, S. 2 1 1 - 2 3 2 ) und in Suppl. Mag. 2 3 , 30, 31, 33 und 35. 2

P. G. M. III 1 6 5 - 2 6 2 ; Abrasax II 6 2 - 7 6 .

3

Dabei fanden Verwendung der Saft der Palme (φοίνιξ, also eine Anspielung auf den Vogel Phönix) und ein Magnetstein, der zerrieben werden sollte. 4 Usir-Chentechtha in P. G. M . III 171 Ο Υ Σ Ι Ρ - Έ Ν [ Τ Ε Χ Θ Α ] . M a n könnte auch ergänzen Ο Υ Σ Ι Ρ Έ Ν [ Θ Ε Μ Ε Ν Θ Ε Ι ] , Osiris, Erster der Westlichen (der Toten). 5 P. G. M . III 191 χ ρ ω ούτως παιανίζων τ ο ν θ ε ό ν (ich übersetze hier anders als in Abrasax II 65). Von dem folgenden Hymnus biete ich einen Lesetext, im wesentlichen nach E. Heitsch, Dichterfragmente S. 183/4 (als Nr. LIX 5). Vgl. weiter Preisendanz - Henrichs II S. 2 4 1 / 2 (Hymnus 5) und Abrasax II S. 66/7.

16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

6 8 10

12

195

οιωνοί πτηνοί νυν στήσατε πάντες υπ' αί/θραν, έρπετά φωλειοισι βοήν άίοντα φοβεΐσθε, δαίμονες έν φθιμένοις, σιγήν τρομέοντες ε[χοιτ]ε· άρρήτοις επεσιν κόσμος ξε[ινί]ζεται αυτός· (ώ) βασιλεϋ, κόσμου [γενετώ]ρ, έμοί ϊλαος ε[λ·&οις,] κάν[ϋαρε, χ]ρυσοκόμην κλ[ήζω θεόν,] ά θ ά ν α τ ο ν [φως,] κάν[·θαρε, π]άσι -θεοισι και [άνθρώ]ποις μέγα ·θα[ϋμα,] [ϊλα-θι, δέσ]πο[τ' εχων] επί σ[οί φλογ]ινόν πυρός [άτμόν,] δέσποτα άν[τολίης,] Τιτάν, πυρόεις άνατείλας.

„Haltet alle eure Stimme still im Munde zurück: Ihr Vögel, die ihr in der Luft hin- und herfliegt, seid still; ihr Delphine, hört auf, über die Meeresfläche zu springen; bleibt stehen, ihr Fluten der Ströme und ihr rinnenden Bäche; ihr geflügelten Vögel alle, steht still unter dem Äther; ihr Schlangen in den Höhlen, fürchtet euch, wenn ihr den Ruf hört; ihr dämonischen Seelen im Totenreich, haltet zitternd Schweigen. Das Weltall selbst staunt über diese Worte, wie sie noch nie gehört wurden: König, Vater des Alls, komm gnädig zu mir; Sonnenkäfer 1 , dich rufe ich an, den goldhaarigen Gott, das unsterbliche Licht; Sonnenkäfer, der du für alle Götter und Menschen ein großes Wunder bist; sei gnädig, Herr, der du in dir den flammenden Atem des Feuers hast, Herr des Aufgangs, Titan, der du feurig auftauchst." § 370 Wenn dieser Päan gesungen ist, wird „das Göttliche" 2 vor dem Orakelsucher erscheinen; ein kleines Erdbeben wird das ganze Haus und den Dreifuß erschüttern, „und dann wird es dir die Weisung über die Zukunft in klarer Rede geben, solange du es wünschst". 3 Vor dem Auftreten des Priesters, der die Rolle des Gottes oder seines Dieners spielte, ist ein „Erdbeben" inszeniert worden. Bei dem Christen Hippolytos von Rom gibt es einen ganzen Abschnitt darüber, welche Bühnentricks die ägyptischen Priester in ihren Tempeln angewendet haben; darin steht auch ein Abschnitt, „wie man den Anschein eines Erdbebens erwecken kann". 4

Gebet an den Allgott § 371 Wir kommen zu zwei der schönsten Texte der griechisch-ägyptischen Religion, die sich an den Einen Gott wenden, der als Allgott und Weltschöpfer verehrt wird. Wir haben schon in § 131 anläßlich des Sarapis davon gesprochen, daß es sowohl griechische (philosophische) als auch ägyptische Religionsvorstellungen gegeben hat, nach welchen es ein einziger, den Menschen nicht kenntlicher Gott ist, der sich in den verschiedenen überlieferten Göttergestalten manifestiert. So ist auch der Name „Sarapis" nur vorläufig; man nenne den

1

Der Skarabäus, Symbol des sich selbst erneuernden Lebens.

2

P. G. M. III 192 καί έλεύσεταί σοι τό θείον.

3

καί τότε τελεί τήν προγνωστικήν. Ich übersetze wieder anders als in Abrasax II 65.

4

Elenchos IV 39, p. 63,23 Wendland = M. Totti, Texte Nr. 78, S. 191 σεισμού δέ φαντασίαν ποιοΰσιν, ώς δοκεΐν πάντα κινεΐσθαι.

196

16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

Gott Sarapis oder Zeus oder Helios, er ist jener Gott, dessen Haupt - nach dem Orakel für Nikokreon - der Himmel und dessen Körper der Luftraum ist, und seine Füße sind die Erde. An diesen Gott richtet sich ein Gebet, welches in drei verschiedenen Papyri in leichten Variationen erhalten ist. Er wird angerufen als das Urgewässer 1 und als Agathos Daimon; als der aus dem Urgewässer emportauchende Sonnengott, der in triumphaler Prozession über den Himmel fährt; als der Herrscher über das obere und das untere Land, d. h. über Ober- und Unterägypten. Ihn verehren jene acht Urwesen der Ägypter, welche schon vor der Weltschöpfung, vor dem ersten Sonnenaufgang existierten, H u und Hauchet („Endloser" und seine Gattin), Kuk und Kauchet (Finsternis), N u n und Naunet (Urgewässer), Amun und Amaunet (Verborgenheit). Am Ende des Gebets wird der Gott mit einem langen ägyptischen Namen angerufen, welcher sein Wesen beschreibt („Ich bin derjenige, der aus dem Urgewässer kam . . ."). 2 § 372

„Her zu mir, du Gott aus den vier Winden, 3 Allherrscher, der du den Menschen den Lebenshauch eingeblasen hast, dessen geheimer Name unaussprechlich ist, vor dessen Namen auch die Dämonen erschrecken, wenn sie ihn hören, dessen unermüdliche Augen sind: Helios, der lodernde Dämon, Horos, der Herr des heilen Auges; und Selene Thoth, 4 die in den Augen der Menschen leuchten,· 5 dessen Haupt der Himmel ist, dessen Leib die Luft, dessen Füße die Erde. Du bist der Okeanos, der Gute Dämon, der Herr, der das Gute erzeugt, der die gesamte bewohnte Welt und den ganzen Kosmos nährt 6 und erhält. (Am Himmel) ist festgelegt dein ewiger Prozessionsweg, 7 auf dem dein Name in den sieben Buchstaben (der sieben Planeten) zur Harmonie der sieben Töne festgelegt ist, 8 aus dessen guten Einflüssen die Sterngötter und Fortunae und Parzen stammen, durch den verliehen werden Reichtum, Glück, gutes Alter und schöne Bestattung.^ * Okeanos, ägyptisch Nun. 2

Abrasax I 1 2 7 - 2 2 2 . Die Stellen in den P. G. M . sind: XXI (nur das Gebet), XII 2 3 8 - 2 4 4 (in der Ringweihe 2 0 1 - 2 6 9 ) , XIII 7 6 1 - 8 2 0 (in der Weihe eines Amuletts 7 3 2 - 1 0 5 6 ) . 3

Winde = Himmelsrichtungen.

4

Sonne und M o n d sind nach ägyptischer Vorstellung die beiden Augen des Himmelsgottes. Vgl. § 138.

5 Das Licht der Sonne und des M o n d e s spiegelt sich in den Pupillen der Menschen wider; „wär nicht das Auge s o n n e n h a f t . . . " 6 Besonders in seinem N a m e n „Sarapis" ernährt der Weltgott die bewohnte Erde mit den Getreideschiffen, die aus Alexandria auslaufen (s. § 141). 7

Die Bahn, auf welcher Sonne, M o n d und Planeten ihren Lauf nehmen, die Ekliptik.

® Die Sphärenharmonie: „Die Sonne tönt in alter Weise in Brudersphären Wettgesang." 9 Ein charakteristisch ägyptischer Wunsch.

16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

197

Du, Herr des Lebens, der du als König herrschst im oberen und im unteren Land, dessen Gerechtigkeit nie unzugänglich ist, dessen ruhmvollen Namen die Musen besingen, 1 dem als Satelliten (Wachmannschaft) dienen He und H o (Hu und Hauchet), C h o und Chuch (Kuk und Kauchet), Nun und Nauni (Naunet), Amun und Amunith (Amaunet), bei dem die untrügliche Wahrheit ist: (Gib, daß) mich auch viele Personen, die sich im Fleisch bewegen, nicht überwinden können, daß kein Geist, kein mir entgegentretendes Gespenst, keines von den Übeln im Hades sich mir entgegenstellt. Z u m Schutz werde ich deinen Namen (wie ein Amulett) in meinem Herzen bewahren: Φ Ι Ρ Ι Μ Ν Ο Υ Ν A N O K (ich bin derjenige, der aus dem Urgewässer kam), ΣΡΩ (Widder) 2 , - - Ν Ο Υ Σ Ι Ν Ο Υ Σ Ι (Gott der Götter) 3 , - - Σ Ι Ε Θ Ω Σ Ι Ε Θ Ω (Basilisk der Basilisken) 4 , B E N O Y (Phönix) - - -.

Der Hymnus auf den EINEN Gott § 3 7 3 Dieses Gebet an den Allgott steht in einem Papyrus, der die Anweisung enthält, wie ein Abrasax-Ring geweiht werden soll, ein Ring, der zu dem Gott des Jahres und des Sonnenlaufes in Sympathie steht; gemeint ist der E I N E Gott, der unsichtbar und unerkennbar hinter allen Göttern steht. In diesem Papyrus sind in das vorstehende Gebet zwei Partien eingeschoben; zunächst tritt der betende Priester in vielen Götterrollen auf; diese umfassen vor allem jene Götter, welche in einer der ägyptischen Kosmogonien die Götterfamilie bilden: 5 „Ich bin Helios, der das Licht geschaffen hat (Re), ich bin Aphrodite mit dem Namen Typhi (= Tefnut, die Feuchte), ich bin der heilige Gott, der den Wind schickt (= Schu), ich bin Kronos, der das Licht geschaffen hat (= Geb), ich bin die Göttermutter namens Himmel (= Nut), ich bin Osiris, der ,Wasser' heißt,

1

Griechischer Einfluß.

2

Der Widder ist die abendliche Erscheinungform des Sonnengottes Re.

3

Oberster Gott.

4

Königsschlange.

P. G. M . X I I 2 3 2 - 2 3 5 = Abrasax I 1 6 0 : die „heliopolitanische" Kosmogonie; s. S. Morenz, Ägyptische Religion 1 7 0 und S. Sauneron - J. Yoyotte, in „La naissance du m o n d e " (= Sources Orientales I) 4 5 5 1 . Nur Seth-Typhon, der schlimme Gott, wird übergangen. 5

198

16 Gebete an den Sonnengott (magisch-religiöse Papyri)

ich bin Isis, die ,Tau' heißt, ich bin Isis-Nephthys, 1 die .Frühling' heißt." Im Namen dieser und vieler anderer Götter ruft der Beter den Weltgott an: „Her zu mir, du Gott aus den vier Winden (usw.)" und schiebt dann einen Hymnus ein, der das Juwel unter den magisch-religiösen Hymnen ist: 2 § 374 Τις μορφάς ζώων επλασεν; τίς δ' εύρε κελεύθους; 2 τίς κ α ρ π ώ ν γενέτης; τις δ' οΰρεα ΰψόσ' εγειρεν; τίς δ' άνέμους έκέλευσεν εχειν ένιαύσια εργα; 4 τίς δ' Αίών Αιώνα τρέφων Αίώσιν άνάσσει; εις -θεός αθάνατος- πάντων γενέτωρ σύ πέφυκας, 6 και πάσιν ψυχάς σύ νέμεις και πάντα κρατύνεις, Αιώνων βασιλεΰ και κύριε, öv τε τρέμουσιν 8 ούρεα σύν πεδίοις, πηγών ποταμών τε ρέεθρα, και βησσαι γαίης και πνεύματα, πάντα τά φύντα· 10 ουρανός ύψιφαής σε τρέμει και πάσα -θάλασσα, κύριε παντοκράτωρ, άγιε και δέσποτα π ά ν τ ω ν 12 σήι δυνάμει στοιχεία πέλει και φύε·&' άπαντα άέρι και γαίαι και ϋδατι και πυρός άτμώι. „Wer hat die Gestalten der Sterne geschaffen? Wer hat ihren Weg erfunden? Wer war der Erzeuger der Früchte? Wer hat die Berge in die Höhe gehoben? Wer hat den Winden befohlen, ihr Werk nach den Jahreszeiten zu vollführen? Wer ist der Gott der Ewigkeit, der die Ewigkeit hervorbringt und in Ewigkeiten herrscht? Du, der EINE unsterbliche Gott. Du bist der Erzeuger von allem; du teilst allen ihre Seelen zu und du lenkst alles, König der Ewigkeiten und Herr; du, vor dem die Berge und die Ebenen erzittern, die Wasser der Quellen und der Flüsse, die Waldschluchten auf der Erde und die Winde, alles, was entstanden ist; der hoch droben leuchtende Himmel und alle Meere fürchten dich, allmächtiger Herrscher, heiliger Gott, Herr über alles. Durch deine Kraft sind die Elemente und wächst alles, in der Luft und auf der Erde, im Wasser und im Hauch des Feuers." Dieser Hymnus steht nicht nur in ägyptischer und griechischer Tradition, sondern auch in jüdischer und - wie aus dem Anfang hervorgeht - sogar in zarathustrischer^. Er ist Ausdruck einer kosmischen Frömmigkeit, welche aus dem Kult des Sarapis-Aion in Alexandria hervorgewachsen ist.

1 Für Isis-Nephthys s. J. Quaegebeur, Orientalia Lovaniensia Periodica 2 2 , 1 9 9 1 , 1 1 1 - 1 2 2 . IsisNephthys mit dem Doppelnamen steht für Nephthys etwa so, wie der Doppelname Oser-Apis auch für Osiris allein stehen konnte. 2 P. G. M. XII 2 4 4 - 2 5 2 ; E. Heitsch, Dichterfragmente S. 1 7 9 - 1 8 0 Nr. LIX 1; Preisendanz - Henrichs II S. 2 3 7 Nr. 1; Abrasax I S. 16 und 164. Der elfte Vers ist metrisch nicht korrekt und dürfte verderbt sein; in Vers 13 wäre besser γαίαι (τε) καί ΰδατι.

3 Die Anklänge an die neunte Gatha sind unverkennbar, s. Abrasax I S. 18.

17 Traumorakel und Traumsendungen

Maior paene vis hominum ex visionibus deum discunt Die meisten Menschen lernen Gott in Träumen kennen Tertullian, De anima 47,2

Isis als Heilgöttin; Sanatorien und Tempelschlaf § 375 Diodor berichtet über die Traumerscheinungen und Wunderheilungen der Isis: „Die Ägypter sagen, daß Isis große Erfahrung in der ärztlichen Kunst habe. So habe sie an der Heilung der Menschen besondere Freude und gebe denen, welche sie darum bitten, im Schlaf viele Hilfsmittel, indem sie sich ihnen deutlich zeige. Als Beweise dafür bringen sie nicht mythische Erzählungen vor wie die Griechen, sondern offenkundige Wirkungen; fast der ganze Erdkreis bezeuge dies, indem man ihr um die Wette Ehren erweist wegen ihrer Erscheinungen bei den Kuren; denn sie trete im Schlaf zu den Kranken heran und gebe ihnen Heilmittel gegen die Krankheiten, und wer ihr gehorche, der werde in ganz unerwarteter Weise gesund; und viele, bei denen die Ärzte wegen der Schwere der Krankheit die Hoffnung aufgegeben hätten, seien von ihr gerettet worden; und viele, die den Gebrauch der Augen oder eines anderen Körperteils gänzlich verloren hätten, würden in ihren früheren Zustand zurückversetzt, wenn sie zu dieser Göttin ihre Zuflucht nähmen." 1 Auch Isidoros von Narmuthis rühmt die Heilkraft der Isis.2

1

1 25,2-5 φασί δ' Αιγύπτιοι την Ίσιν . . . της ιατρικής επιστήμης μεγάλην εχειν έμπειφίαν· διό . . . έπΐ ταΐς θεραπείαις των άνθρώπων μάλιστα χαίρειν, και κατά τούς ΰ πνου ς τοις άξιοϋσι διδόναι βοηθήματα, φανερώς έπιδεικνυμένην τήν . . . ιδίαν έπιφάνειαν. . . αποδείξεις δέ τούτων φασί φέρειν εαυτούς ού μυθολογίας ομοίως τοις "Ελλησιν, άλλά πράξεις έναργεϊς· πάσαν γαρ σχεδόν τήν οίκουμένην μαρτυρεΐν έαυτοΐς, εις τάς ταύτης τιμάς φιλοτιμουμένην δια τήν εν ταΐς θεραπείαις έπιφάνειαν. κατά γάρ τούς ΰπνους έφισταμένην διδόναι τοις κάμνουσι βοηθήματα προς τάς νόσους, κα'ι τούς ύπακούσαντας αύτήι παραδόξως ύγιάζεσθαι· και πολλούς μέν υπό των Ιατρών άπελπισθέντας ύπό ταύτης σώζεσθαι, συχνούς δέ παντελώς πηρωθέντας τάς οράσεις ή τινα μερών του σώματος, οταν προς ταύτην τήν θεόν καταφύγωσιν, είς τήν προϋπάρξασαν άποκαθίστασθαι τάξιν. 2 Hymnus I 29-34 δσσοι δ' έμ μοίραις θανάτου συνέχονται έν ε'ιρκτήι (...) σώζονθ' ούτοι άπαντες, έπευξάμενοί σε παρεΐναι und II 7-8 και δσοι έν νούσοις θανατώδεσι μοίρη εχονται σο'ι εύξάμενοι ταχέως σής ζωής έτυχον.

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17 Traumorakel und Traumsendungen

Es überrascht uns, daß den M e n s c h e n der alten W e l t G ö t t e r oft im T r a u m erschienen sind; unsere T r ä u m e sind anderen Inhalts. Aber T r ä u m e sind von den V o r s t e l l u n g e n b e s t i m m t , welche in der Z e i t des T r ä u m e r s und seiner Menschengruppe vorherrschen. 1 Ägypter, Griechen, R ö m e r haben geträumt, daß die Götter ihnen erschienen. § 3 7 6 Bei schweren Entscheidungen, in Notfällen, aber vor allem bei K r a n k h e i t e n hat m a n W e i s u n g der G ö t t e r im T r a u m gesucht, und in den T e m p e l n w a r dafür V o r s o r g e getroffen: Vielfach gab es neben den T e m p e l n Einrichtungen, welche m a n unseren Sanatorien vergleichen kann.2 Die K r a n k e n k a m e n von weither und suchten Heilung. Sie fanden U n t e r k u n f t in eigens dafür hergerichteten Nebengebäuden und V o r h ö f e n . Einige der Priester waren Ärzte und berieten die Kranken. 3 N o c h öfter versuchten die K r a n ken, eine W e i s u n g im T r a u m zu erlangen. Sie legten sich im T e m p e l b e z i r k zum S c h l a f nieder und hofften, d a ß ein T r a u m ihnen den W e g der Heilung zeigen werde. Dieses S c h l a f e n im Tempel hieß Inkubation (έγκοίμησις). W e n n der G o t t selbst erschien und R a t erteilte, w a r der W e g gewiesen. W e n n der T r a u m undeutlich w a r , dann hatte einer der Priester oder ein professioneller T r a u m d e u t e r die Aufgabe, den T r a u m zu interpretieren und anzugeben, welche T h e r a p i e geraten sei. D i e T r a u m d e u t e r gehörten zum Tempelpersonal, s. § 3 9 0 . Die T r a u m o r a k e l werden in den K r a n k e n oft H o f f n u n g auf Besserung erweckt h a b e n ; und sobald die H o f f n u n g e r w a c h t ist, treten die selbstheilenden K r ä f t e des K ö r p e r s in F u n k t i o n . Zweifellos sind viele Heilung-Suchende genesen. § 3 7 7 D e r Betrieb in solchen Sanatorien ist uns bekannt. D e r Redner Aelius Aristides (etwa 1 2 0 - 1 8 0 n. Chr.) h a t in den erhaltenen fünf „heiligen R e d e n " ausführlich beschrieben, wie Asklepios von Pergamon ihn geheilt h a t . 4 Ferner h a b e n die Christen - als sie die heidnischen Kulte verdrängten - selber S a n a t o r i e n e r b a u t , die den heidnischen Einrichtungen e n t s p r a c h e n . So hat der P a t r i a r c h Kyrillos v o n Alexandria in M e n u t h i s bei K a n o p o s , w o es ein berühmtes S a n a t o r i u m der Isis g a b , 5 ein k o n kurrierendes Gebäude errichten lassen, in welchem die Heiligen A b b a K y r o s 6 und J o h a n n e s die K r a n k e n durch T r a u m e r s c h e i n u n g e n heilten. Die w u n d e r b a r e n K u r e n sind in dem B u c h des Sophronios sorgfältig aufgezeichnet (Anfang des 7. Jahrhunderts n. C h r . ) . 7 1 E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational 1 0 2 - 1 3 4 („Dream-Pattern and Culture-Pattern"; deutsch 5 5 - 7 1 ) . Vgl. auch sein Buch: Pagan and Christian in an Age of Anxiety 3 8 - 5 3 .

2 Genannt seien die Asklepiosheiligtiimer zu Epidauros, Pergamon, Aigeai in Kilikien und auf der Tiberinsel in Rom. 3 Nach der hermetischen „Pupille der W e l t " (Κόρη κόσμου) haben Isis und Osiris die vollkommene Gestalt des ägyptischen „Propheten" (Priesters) geschaffen, der mit Philosophie und Magie die Seele nährt und durch die ärztliche Kunst den Körper rettet (ϊνα . . . σώζηι . . . ίατρικήι σώμα, Exzerpt XXIII 6 8 p. 2 2 Festugière = Stobaios I 4 9 , 4 4 p. 4 0 7 , 5 Wachsmuth = M. Totti, Texte Nr. 3, § 13). 4

Vgl. A. J. Festugière, Personal Religion among the Greeks ( 1 9 5 4 ) 8 5 - 1 0 4 .

Pap. Oxy. 1 3 8 0 = M . Totti, Texte Nr. 2 0 , Zeile 6 3 ; G. Sacco, Inscriptiones Italiae, Portus, Nr. 9 = Vidman 4 0 3 = O. G. I. 7 0 6 ; Sacco Nr. 18 = Vidman 556a; vgl. R. Herzog, Der Kampf um den Kult von Menuthis, in: Pisciculi F. J. Dölger ( 1 9 3 9 ) 1 1 7 - 1 2 4 . 5

^ Der Ort heißt heute Abukir, nach dem Heiligen. Vgl. § 5 6 1 . 7

Los Thaumata de Sofronio, por Natalio Fernandez Marcos, Madrid 1 9 7 5 ( 1 5 6 Seiten griechischen

17 Traumorakel und Traumsendungen

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In den Inkubationsheiligtümern übernachteten die Kranken in Menge und oft viele Tage, bis der weisende Traum erschien. Sanatorien im Kult der Isis sind in Menuthis bei Kanopos 1 und in Kerkeosiris im Fayum bezeugt; es ist auf Papyrus der Brief eines Mannes erhalten, der sich im dortigen Isistempel aufgehalten hat.^ Sarapis erteilte Traumorakel in Alexandria selbst und in K a n o p o s . E r wurde mit dem griechischen Heilgott Asklepios identifiziert, s. § 137.

Heilorakel des Imuthes-Asklepios § 378 Im Kreis der ägyptischen Götter um Isis und Sarapis gab es auch andere Heiler. So befand sich in Memphis ein Kult des Imuthes. 4 Dieser Imuthes war eine historische Person, Amenophis Sohn des H a p u , der als Wesir des Pharao Amenophis III. (1403-1364) gelebt hat und nach dem Tod vergöttlicht worden ist. In griechischer Zeit ist Imuthes ebenso wie Sarapis mit Asklepios gleichgesetzt worden. In einem demotischen Papyrus ist eine Vorschrift erhalten, wie man ein Heilorakel des Imuthes bekommt. 5 Die Zeremonie findet im Nebenraum eines Tempels statt: Der Orakelsucher soll einen sauberen Tisch aus Olivenholz aufstellen und ihn mit einem Tuch bedecken. Vor dem Tisch soll er aus vier Ziegelsteinen einen Altar errichten und darauf Räucherkugeln verbrennen, die Myrrhen enthalten. Dann soll er den Gott in griechischer Sprache anrufen; die Vorstellung ist, daß Imuthes in der Unterwelt unter den Göttern sitzt: „Dich rufe ich an, der du im Dunkel sitzest, das den Blicken entzogen ist, und der du inmitten der großen Götter bist, der du untergehst und die Strahlen des Helios empfängst und die lichtbringende Göttin Nebutosualeth (die Mondgöttin) emporsendest, dich, den großen G o t t . . . Schick mir in dieser Nacht empor deinen obersten Boten 6 Zeburthaunen1, erteile mir Orakel in Wahrheit, wahrhaftig, ungelogen, unzweideutig, über die und die Angelegenheit." Hier sollte der Orakelsucher nun seine Krankheit bezeichnen. „Versage mir meine Bitte nicht, sondern Textes). - Es existieren auch ausführliche Sammlungen der Mirakel des Kosmas und Damianos in Konstantinopel (ed. L. Deubner 1 9 0 7 und E. Rupprecht 1935), der Thekla in Seleukeia in Kilikien (ed. G. Dagron 1 9 7 8 ) , des Demetrios in Thessalonike (ed. P. Lemerle 1979). Vgl. H. Delehaye, Les recueils antiques des miracles des saints, Analecta Bollandiana 43, 1925, 5 - 8 5 und 3 0 5 - 3 2 5 . 1

S. oben (Pap. Oxy. 1380,63; Vidman 403; Sophronios).

2 Pap. Tebtunis 4 4 ; U. Wilcken, Chrestomathie Nr. 118; M. Totti, Texte Nr. 69: ο ν τ ο ς μου έπί θ ε ρ α π ε ί α έν τω α υ τ ό θ ι (in Kerkeosiris) μεγάλω Ίσείω χάριν της περιεχούσης με άρρωστίας κτλ. Für das Sanatorium in Tentyra s. F. Daumas, Β. I. F. A. O. 5 6 , 1 9 5 7 , 3 5 - 5 7 . 3 Für Sarapis als Heilgott vgl. auch Varrò, Menipp. fr. 1 5 2 Bücheler (= Cèbe = Astbury) ego Serapi utor. Fr. 128 hospes quid curas nummo curare Serapim?

medicina

4 Im Pap. Oxy. 1381 = M . Totti, Texte Nr. 15 ist eine Aretalogie des Imuthes erhalten. Vgl. auch die Texte über Amenotes, Totti Nr. 1 6 - 1 7 (S. E. G. 8, 7 2 9 und A. Bataille, Les inscriptions grecques du temple de Hatshepsout à Deir-el-Bahari Nr. 126). 5 Pap. Dem. Mag., Columne IV 1 - 2 2 (Griffith-Thompson S. 3 8 - 4 3 ) ; H. D. Betz, The Greek Magical Papyri in Translation (1985) S. 200/1 als Pap. Dem. Mag. XIV 9 3 - 1 1 4 ; P. G. M. XlVa; Abrasax II 7 7 - 8 2 (Übersetzung des demotischen Textes von H. J. Thissen). Ich folge dem zuletzt genannten Buch, weiche aber in Einzelheiten ab. 6

Im Griechischen steht άρχάγγελος, unser Wort „Erzengel".

7

Ein „barbarischer Name".

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17 Traumorakel und Traumsendungen

schicke rasch, in dieser Nacht, den Befehl des Gottes empor." Der Orakelsucher sollte ferner seine Krankheit auf einem frischen Papyrus niederschreiben. Weiter heißt es dann in der Vorschrift: „Du sollst dich hinlegen, ohne zu irgendeinem Menschen der Welt zu reden: 1 Du siehst den Gott in Gestalt eines Priesters, der mit Baumwolle bekleidet ist und Sandalen an den Füßen trägt. Er spricht dir von Mund zu Mund über jede Sache, die du wünschst. Wenn er aufhört, wird er wieder gehen." Es ist also ein Priester nachts in das Zimmer eingetreten, hat die „Sache, die du wünschst" die Beschreibung der Krankheit und die Bitte um Heilung - gelesen und eine Vorschrift gegeben, welche Therapie anzuwenden sei. Wer auf Grund der Weisung des Gottes bzw. des Priesters gesundete, von dem wurde erwartet, daß er einen Bericht über die Großtat (άρετή, δύναμις) abfaßte (eine Aretalogie) und im Tempel deponierte, s. Kap. 18.

Ein hymnisches Gebet an Hermes-Thoth, Gott des Traumorakels § 379 Arzt unter den ägyptischen Göttern war Thoth (s. § 177), den die Griechen mit ihrem Hermes gleichsetzten. Er war Gott der Weisheit und Erfinder der Schrift. Er hat auch den Kalender erfunden und war der Gott des Mondes, in dessen Umlauf sich die Zeit manifestiert. Die heiligen Tiere des Thoth waren Pavian und Ibis, sein Symbol das Herz. In drei magisch-religiösen Papyri kommt ein Hymnus vor, in welchem der Priester sich betend an Hermes-Thoth wendet und ihn um Traumweisung zur Heilung einer Krankheit bittet. 2 In der Einleitung zu einem dieser Texte wird vorgeschrieben, eine kleine Hermes-Statuette zu fertigen, mit Reisemantel und Heroldstab. Die Statuette wird aus verschiedenartigem Material gemacht, welches in Sympathie zu Hermes-Thoth steht: 28 Lorbeerblätter (der M o n d umkreist die Erde in 28 Tagen), „Pavianskraut", ein Ei des Ibis, dazu Erde und Weizenmehl. Die Statuette wird in einem Altar aus Lindenholz aufgestellt. Dann schreibt der Orakelsucher den Hymnus und sein Begehren (also die Krankheit) auf Papyrus nieder und legt es der Statuette zu Füßen. Er verbrennt Weihrauch und Ammoniaksalz und rezitiert den Hymnus; danach darf er mit niemand mehr sprechen, sondern soll sich zum Schlafen niederlegen, mit dem Kopf bei der Hermes-Statuette. Der Hymnus lautet:

2

Έ ρ μ η κοσμοκράτωρ, έγκάρδιε, κύκλε σελήνης, στρογγυλέ και τετράγωνε, λόγων άρχηγέτα γλώσσης, πειθοδικαιόσυνε, χλαμυδηφόρε, πτηνοπέδιλε,

1 Man könnte aus dieser Vorschrift schließen, daß mehrere Personen in dem Zimmer waren und um ein Heilorakel gebeten haben. 2 P. G. M. V 3 7 0 - 4 4 5 (hier die Einleitung über die Hermes-Statuette); VII 6 6 8 - 6 8 0 ; XVIIb. Bei E. Heitsch, Dichterfragmente S. 186/7 (als Nr. LIX 8) steht der Hymnus in der Fassung des Pap. XVIIb, danach auch bei Preisendanz - Henrichs S. 2 4 9 (als Nr. 15/16); ich folge im wesentlichen den Varianten der beiden anderen Papyri (also V 370ff. und VII 668ff.). Auf Einzelheiten in der Textgestaltung gehe ich nicht ein, sondern gebe einen Lesetext. Ich hoffe, in einem späteren Band „Abrasax" auf das Gedicht zurückzukommen.

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4 6 8 10 12

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αίθέριον δρόμον είλίσσων ύπό τάρταρα γαίης, πνεύματος ήνίοχ', ήελίου οφθαλμέ, μέγιστε, παμφώνου γλώττης άρχηγέτα, λαμπάσι τέρπων τούς ύπό τάρταρα γης τε βροτούς βίον έκτελέσαντας· μοιρών προγνώστης 1 σύ λέγηι και θείος ονειρος, ήμερινούς και νυκτερινούς χρησμούς έπιπέμπων, ΐασαι τά βροτών άλγήματα σαΐς θεραπειαις. δεϋρο, μάκαρ, Μνήμης τελεσίφρονος υίέ μέγιστε, σήι μορφήι Ιλαρός τε φάνηθ(ι) ιλαρός τ' έπίτειλον, ο φ ρ α σε μαντοσύναις, ταις σαις άρεταισι, λάβοιμι.

„Weltbeherrschender Hermes, Gott des Herzens, Kreis des Mondes, der du (gleichzeitig) rund und viereckig bist,2 der du als erster die Zunge das Sprechen gelehrt hast und für Gerechtigkeit bist, Mantelträger mit Flügeln an den Füßen, der du im Äther deinen spiralförmigen Lauf bis unter die Erde nimmst, 3 Wagenlenker des (göttlichen) Geistes, Auge des Sonnengottes, Größter, Erfinder aller Sprachen, der du mit deinem Licht die Menschen unter der Erde tröstest, die ihr Leben vollendet haben; du wirst genannt Vorauserkenner des Schicksals und göttlicher Traum, weil du am Tag und in der Nacht die Weissagungen emporschickst: Heile die Schmerzen der Menschen durch deine Heilkunst. Komm, Seliger, größter Sohn der Erinnerung, 4 'die zu gutem Ende führt, erscheine froh in deiner Gestalt, erhebe dich froh, auf daß ich dich in deinem weisen Rat für die Zukunft, in deiner wunderbaren Macht, ergreife."

Traumorakel durch einen Totengeist mit Hymnus an Helios § 380 M a n hat Weisungen durch Traumgesichte nicht nur von den Göttern erwartet, sondern auch von den Toten. Auch uns erscheinen Tote im Traum; in früheren Zeiten ist dies viel häufiger geschehen. M a n hat den Toten Erkenntnisse zugetraut, welche den Lebenden unzugänglich waren, und hat ihrer Erscheinung im Traum erhebliche Bedeutung beigemessen. Übrigens waren Götter und Tote für die Alten nicht streng getrennt. Zwischen Göttern und Menschen gab es die zahlreiche Gruppe der „Heroen". Im volkstümlichen Griechisch - nicht in den homerischen Gedichten - hat das Wort „Heros" oft den Sinn „der Verstorbene". M a n hat sich vorgestellt, daß vor der Zeit oder gewaltsam gestorbene Menschen eine besondere Gruppe unter den Toten bildeten - im Krieg gefallene „Heroen", aber auch Hingerichtete; früh verstorbene Kinder, Mädchen und junge Männer, welche vor der Heirat gestorben waren. M a n nannte diese Toten „gewaltsam Gestorbene" 5 und „zur Unzeit Gestorbene" 6 . Im sechsten Gesang der Aeneis liest man, daß diese Toten erst dann von Charon über den Unterweltsfluß 1 Variante μοιρών τε κλωστήρ „der die Fäden des Schicksals spinnt". 2 Der Hermes der Griechen war oft viereckig; er war auch am Monatsvierten geboren. 3

Der M o n d (Thoth) nimmt seinen Lauf am Himmel bald etwas höher und bald etwas tiefer, vollführt also (ebenso wie die Sonne und die anderen Planeten) einen spiralförmigen Weg. 4 Es kommt alles darauf an, daß man sich nach dem Aufwachen an den Traum erinnert. Darum wird hier Hermes als Sohn der „Memoria" vorgestellt. 5

βιαιοθάνατοι, βιοθάνατοι, βίαιοι.

6

άωροι.

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übergesetzt würden, wenn ihre reguläre Lebenszeit vorbei sei; in der Zwischenzeit müßten sie vor dem Fluß warten. 1 Solche Totengeister konnten leichter im Traum erscheinen als jene anderen, welche den Unterweltsfluß bereits überschritten hatten. Der Tod von zur Unzeit Gestorbenen macht tieferen Eindruck, und so erscheinen sie öfter in den Träumen. Aus diesen Vorstellungen hat sich eine uns befremdende Art der Orakelbefragung entwickelt: Man hat sich Teile von unzeitig Gestorbenen verschafft - am besten Haare oder Fetzen der Kleider - und geglaubt, damit den Toten selbst in der Gewalt zu haben; man hat vor dem Einschlafen den Totengeist aufgefordert, im Traum zu erscheinen und Auskunft zu geben über das, was er wußte. Diese Form des Orakels war ζ. B. in Abydos offiziell im Tempel etabliert. Die Orakelsucher haben sich irgendein Teil von einem beliebigen Toten beschafft und sind abends in einer Vorhalle oder einem Hof zusammengekommen. Dann wurde ein Hymnus an Helios rezitiert: Der Gott, der sich anschickte, unter die Erde zu tauchen und seinen Weg durch die zwölf Nachtstunden in der Unterwelt zu nehmen, sollte diejenigen Totengeister wecken und als Traumerscheinungen heraufschicken, von welchen die im Heiligtum Schlafenden ein Teil bei sich trugen; und der Totengeist sollte dann Auskunft in derjenigen Angelegenheit geben, welche den Orakelsucher bedrängte. Zweifellos standen am nächsten Morgen auch Traumdeuter bereit, welche verschlüsselte Träume auflösten. § 381 Ein schwungvoller Hymnus lautet: 2

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 1 2

άεροφοιτήτων άνεμων εποχούμενος αΰραις, "Ηλιε χρυσοκόμα, διέπων φλογός άκάματον πυρ, αίθερίοισι τρίβοισι μέγαν πόλον άμφιελίσσων, γεννών αυτός άπαντα τάπερ πάλιν έξαναλΰεις, έκ σου γάρ στοιχεία τεταγμένα σοΐσι νόμοισι κόσμον άπαντα τρέφουσι τετράτροπον εις ένιαυτόν. κλΰθι, μάκαρ, κλήζω σέ, τον ούρανοΰ ήγεμονήα, γαίης τε χάεός τε και "Αϊδος, εν&α νέμονται δαίμονες άνθρώπων οί πριν φάος είσορόωντες. και δή νυν λίτομαι, μάκαρ άφθιτε, δέσποτα κόσμου· ήν γαίης κευθμώνα μόληις νεκύων évi χώρωι, πέμψον δαίμονα τούτον έμοί μεσάταισιν έν ώραις νυκτός έλευσόμενον προστάγμασι σης ύπ' ανάγκης, οΰπερ άπό σκήνους κατέχω τόδε, και φρασάτω μοι δσσα θέλω γνώμηισιν, άληθείην καταλέξας, πραΰς, μειλίχιος, μηδ' άντία μοι φρονέοιτο· μηδέ σύ μηνίσηις έπ' έμαις ίεραΐς έπαοιδαϊςταϋτα γάρ αυτός εταξας έν άνθρώποισι δαηναι νήματα Μοιράων ταΐς σαϊς ΰποθημοσύνηισιν, άλλά φύλαξον άπαν δέμας αρκιον ές φάος έλθεΐν -

Vergil, Aen. VI 322-330.

P. G. M. I 315-325 und 341-342; IV 436-461 und 1957-1989; VIII 74-81; E. Heitsch, Dichterfragmente S. 181-183 Nr. LIX 4; Preisendanz - Henrichs Band II, S. 2 3 9 - 2 4 0 Nr. 4; Abrasax I S. 10-16. Ich hoffe, in einem späteren Band „Abrasax" auf die Traumorakel durch Totengeister zurückzukommen.

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καί μοι μηνυσάτω τό τις ή πόθεν, ήι δύναται μοι ώρηι (ΰπουργήσαι), καί τον χρόνον, δν παρεδρεύει.

25

ΐ λ α θ ί μοι, προπάτωρ, κόσμου θόλος, αύτολόχευτε.

205

(1) „Helios mit den goldenen Locken, der du einherfährst auf den Lüften der Winde, die durch den Äther wehen, der du das nie ermüdende Feuer des Lichts regierst und auf den Ätherpfaden über das Himmelsrund deinen spiralförmigen Weg nimmst, der du alles erzeugst und dann wieder auflösest; denn von dir und nach deinen Gesetzen sind die Sterne geordnet und ernähren das ganze All im vierfach sich wandelnden Jahr. Erhöre mich, Seliger. Ich rufe dich an, den Herrscher des Himmels und der Erde und des Hadesdunkels, wo die dämonischen Seelen der Menschen sich aufhalten, die vor uns das Licht gesehen haben. (10) So bitte ich dich jetzt, Seliger, Unvergänglicher, Herr der Welt: Wenn du zu den verborgenen Plätzen unter der Erde im Land der Toten kommst, so schicke um Mitternacht auf Grund deines zwingenden Befehls diesen Toten herauf, daß er (im Traum) kommt, ihn, von dessen Gehäuse ich dies hier in der Hand halte; und er soll mir alles sagen, was ich in meinem Sinn wünsche, und zwar wahrheitsgemäß; er soll mild sein, versöhnlich gestimmt, und soll nichts mir Feindliches denken. 1 (17) Und auch du sollst mir nicht über diesen meinen heiligen Zaubergesang zürnen; denn du selbst hast dies ja für die Menschen so festgesetzt, daß wir nach deiner Vorschrift die Fäden der Schicksalsgöttinnen erkennen dürfen. Schütze mich, daß mein Leib morgen wieder heil ans Licht komme, und der Tote soll mir anzeigen, wer er ist, woher er kommt, zu welcher Stunde er mir dienen kann und zu welcher Zeit er als Helfergeist wirken kann. Sei gegrüßt, Urvater des Alls, Selbsterzeuger 2 ." M a n beachte hier vor allem die Verse 1 8 - 1 9 , in welchen vorausgesetzt wird, daß Helios selbst die Regeln festgelegt hat, nach welchen man die Totengeister auffordern kann, im Traum zu erscheinen. Also g a b es Heiligtümer, in welchen solche Regeln galten, unter der Fiktion, daß Helios selbst dieses Orakelverfahren eingerichtet habe.

Ein weiterer Sonnenhymnus § 3 8 2 Es seien noch einige Verse aus einem weiteren Sonnenhymnus eingerückt, die im Zusammenhang mit einem Traumorakel durch Totengeister überliefert sind. Der Orakelsucher soll am frühen Morgen, vor der Orakel-Nacht, den Sonnengott begrüßen:·' χαίρε, πυρός ταμία, τηλεσκόπε, κοίρανε κόσμου, Ήέλιε κλυτόπωλε, Διός γαιήοχον όμμα, παμφαές πάντας δ' είσορόων τε καί άμφιθέων καί ά κ ο ύ ω ν 1

Der Tote könnte ja zürnen, daß er aus seiner Ruhe aufgeschreckt wird, und könnte Schaden bringen.

2

Der „Selbsterzeugte" der ägyptischen Mythologie.

3 P. G. Μ . II 8 8 - 9 8 ; Preisendanz - Henrichs, P. G. Μ . II S. 245/6 N r . 1 1 , 1 2 - 2 6 ; A b r a s a x I 4 8 - 5 1 . Helios fährt hier in griechischer Weise auf einem von Pferden gezogenen Wagen über den Himmel. Vgl. § 158.

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σοι φλόγες ώδίνουσι φεραυγέες ήματος άρθρον, σοι δέ μεσημβριόωντα πόλον διαμετρήσαντι Ά ν τ ο λ ί η μετόπισθε ροδόσφυρος εις έόν οίκον άχνυμένη στείχει, προ δέ σοΰ Δύσις άντεβόλησεν Ώ κ ε α ν ώ ι κατάγουσα πυριτρεφέων ζυγά π ώ λ ω ν Νύξ φυγάς ούρανόθεν καταπάλλεται, εΰτ' άν άκούστμ πωλικόν άμφί τένοντα δεδουπότα ρόίζον ίμάσθλης· — Μουσάων σκηπτοΰχε, φερέσβιε, δεϋρό μοι ήδη . . . „Sei gegrüßt, Herr des Feuers, weithin Blickender, Herr des Kosmos, Helios mit den berühmten Rossen, überall leuchtendes Auge des Zeus, 1 das die Erde umfaßt . Der du alle erblickst und umkreisest und hörst; für dich gebären die den Tag bringenden Strahlen den Morgen; wenn du das mittägliche Himmelsrund durchmissest, geht hinter dir Frau ,Aufgang' mit den rosigen Knöcheln betrübt in ihr Haus, während Frau .Untergang' dir entgegentritt und die von Feuer sich nährenden Pferdegespanne zum Okeanos herableitet. Aber sobald die Nacht hört, wie das Zischen der Peitsche auf den Nacken der Pferde niederfällt, stürzt sie sich flüchtend vom Himmel herab. Szepterhaltender Herr der Musen, Lebenspender, komm her zu mir."

Totenorakel durch heilige Tiere § 383 Die Ägypter haben viel vertrauter mit den Tieren gelebt als wir, und es bestand für sie kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Mensch und Tier. So haben sie auch von toten Tieren Orakel erbeten. Porphyrios berichtet: „Sie (die Ägypter) nahmen an, daß einigen Göttern gewisse Tiere näher stehen und lieber sind als die Menschen, wie z. B. der Falke dem Helios. . . Sie sind überzeugt, daß in seinen Augen das Licht des Helios wohnt, und nehmen an, daß (der Falke) viele Jahre lebt, aber nach dem Tod wahrsagende Kraft habe und nach der Trennung vom Körper in hohem M a ß ein Tier des Logos und der Kenntnis der Zukunft fähig sei." 2 Wir haben Zeugnisse dafür, daß man Falken „vergottet" hat, indem man sie im Wasser ertränkte (erstickte); diese Tiere hatten den Tod des Osiris erlitten. 3 M a n hat sie mumifiziert und in einem Schrein Wohnung nehmen lassen, der zu Orakelzwecken benutzt wurde. 4

1 Der Sonnengott (Re, griechisch Helios) ist eines der Augen des unsichtbaren Weltgottes Amun (griechisch Zeus). 2

De abstinentia IV 9 (p. 242,19-243,9 Ν.) κατέλαβόν τισι των θ ε ώ ν προσφιλή των ζ ώ ω ν τινά μάλλον α ν θ ρ ώ π ω ν , ώς Ή λ ί ω ι ίέρακα — τούς οφθαλμούς, έν οίς τό ήλιακόν κατοικεΐν πεπιστεύκασι φώς, και ζην μέν έπί πλείονα ετη κατειληφότες, μετά δέ τόν βίον ίσχύν εχειν μαντικήν και είναι λογικώτατον ά π ο λ υ θ έ ν τ α του σώματος και προγνωστικώτατον. 3 Z u m Beispiel P. G. M . 1 1 - 4 2 und Koiraniden I 21,98-110 (p. 98/9 Kaimakis). - In P. G. M . XII 1 4 75 werden mehrere Vögel erstickt, um eine Eros-Statuette zu beleben (Abrasax I S. 65-80). Porphyrios berichtet, daß bei einer Séance im Iseum zu Rom in Anwesenheit Plotins Hühner erstickt worden sind (Vita Pioti ni 10 [57-59]). 4 Solche Schreine für vergottene Falken bei W. Kaiser, Ägyptisches Museum in Berlin (Katalog, 1967) S. 83/4 mit Abb. und M . Sahleh - H. Sourouzian, Die Hauptwerke im ägyptischen Museum (1986) Nr. 268.

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Drohungen gegen Götter, Traumsendungen, kathartische Wirkung § 384 Oft ist vorgekommen, daß ein Mensch sich im Tempelbezirk abends zum Träumen niederlegte und am nächsten Morgen feststellte, daß er nicht geträumt hatte. Der Gott oder der Tote war nicht erschienen. Die Ratsuchenden mußten sich gedulden, mußten einen zweiten, dritten, vierten Tag auf die Traumerscheinung warten. Sie wurden dazu angehalten, sich der Träume gleich nach dem Erwachen zu erinnern; es gab Zeremonien, welche dafür behilflich sein sollten. 1 Viel Geduld haben die Ägypter nicht gehabt. So haben sie sich „Zwangsmittel" (έπάναγκοι) ausgedacht, welche die Götter, Dämonen, Totengeister dazu zwingen sollten, endlich zu erscheinen. 2 Sie haben Drohungen erfunden, welche Götter und Tote in Schrecken setzen sollten.·' So wird in einer Vorschrift für ein Traumorakel durch einen Totengeist schon für den zweiten Tag ein Zwangsmittel empfohlen, welches die Götter dazu bringen soll zu intervenieren: Der Orakelsucher soll das Hirn eines schwarzen Widders als Opfer darbringen. 4 Das wird dem Sonnengott Re, dessen Tier der Widder ist, unangenehm sein. Am dritten Tag soll er die kleine Klaue des rechten Vorderfußes „opfern". Am vierten Tag soll er den Mondgott Thoth erschrecken, indem er das Hirn seines Vogels, des Ibis, opfert. Wenn das alles nicht nützt, muß er zu einem heftigeren Mittel greifen: Er m u ß dem Totengeist, der nicht erscheint, selbst weh tun; und gleichzeitig dem Osiris, da ja jeder Tote mit Osiris zusammenhängt. Er wird die Figur eines „Kopflosen" zeichnen; denn Seth hatte den Leib des Osiris zerstückelt. Diese Zeichnung wird der Orakelsucher in die Fußbodenheizung eines Bades legen. Da wird es dem Toten so unerträglich heiß werden, daß er dann wohl im Traumgesicht erscheinen wird. § 385 Solche Drohungen haben sich die Ägypter nicht nur dann erlaubt, wenn ein Traumgesicht nicht erschienen ist; nein, wann auch immer die Götter den Wunsch eines „Magiers" nicht erfüllten, konnten wüste Drohungen folgen. Man hat sich in grauslichen Reden geradezu überboten, um immer schlimmere „Strafen" für die Götter auszudenken. Solch leeres Schimpfen war, dessen sind sich die Ägypter sehr wohl bewußt gewesen, vollständig folgenlos; aber welche Erleichterung verschaffte es, sich einmal so richtig gehen zu lassen! § 386 Es seien hier einige der phantastischen Drohungen zusammengestellt, welche in den magisch-religiösen Papyri gegen die Götter erhoben werden. Der wütende Sprecher will - das Sonnenschiff anhalten 5 - den Himmel einstürzen lassen 6

1

P. G. Μ. II 17 und 4 0 (πρός τό μνημονεύειν), I 2 3 2 , III 4 2 4 und 4 6 7 (μνημονική).

2

Ζ. Β. P. G. M . IV 2 8 9 6 , 2 9 0 1 , 2915; LVII14.

3 Für die Drohungen gegen die Götter s. S. Sauneron, Bull. Soc. Fr. d'Égyptologie 8, 1 9 5 1 , 1 1 - 2 1 (ägyptische Belege) und Abrasax II S. 8 3 - 8 8 . 4

P. G. Μ . II 4 3 - 6 1 und 1 6 9 - 1 7 3 (Abrasax I S. 4 2 - 4 5 und 5 6 - 5 7 ) .

5

P. G. M . III 98 (Abrasax I S. 90); LVII 2 (Abrasax II S. 90).

6

P. G. M . III 5 3 7 (Abrasax II S. 14); V 283; L X I I 1 3 .

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- die Gebeine des Osiris verbrennen 1 - dafür sorgen, daß die Leiche des Osiris von Fischen zerfressen w i r d 2 - das W a i s e n k i n d H o r o s von seiner M u t t e r Isis wegreißen-* - in den Tempel des Osiris hinabsteigen, seine M u m i e zerreißen und in den Nil werfen, w o sie dann von den Krokodilen gefressen w i r d 4 - den A m m o n ermorden. 5 Vermutlich haben f r o m m e Priester solche Reden nicht ernst g e n o m m e n , sondern als folkloristisches Spiel geduldet. § 3 8 7 V o n den T o t e n o r a k e l n sind zu unterscheiden die T r a u m s e n d u n g e n , bei denen ein G o t t , ein T o t e r oder eine geweihte Substanz (z. B. O l ) beauftragt wurden, einem anderen im T r a u m zu erscheinen und ihm eine Botschaft zu überbringen. Meistens ist der Auftraggeber von starker Liebessehnsucht geplagt und wünscht, daß die geliebte Person von dem Traumgesicht so entzündet werde, d a ß sie augenblicklich zur U m a r m u n g herbeieile. Die Sprüche enthalten oft jene drastischen sexuellen V o k a b e l n , die m a n normalerweise nicht ausspricht. Die Traumsendungen konnten aber auch schlimme W ü n s c h e sein; so k o n n t e ein Läufer, ein W a g e n l e n k e r seinem K o n k u r r e n t e n , mit dem er sich a m folgenden T a g würde messen müssen, eine Folge von beunruhigenden T r ä u m e n schicken, damit der Gegner schlecht schlafen und am anderen T a g nicht in bester Verfassung antreten sollte. W e l c h e W i r k u n g hatten solche Traumsendungen a u f die Adressaten? In der Regel w u ß t e er gar nicht davon, daß ein T r a u m an ihn abgeschickt w a r , und dann w a r die Sendung folgenlos. Aber w e r a n die M ö g l i c h k e i t solcher M a g i e glaubte und vermutete, d a ß ein anderer magische Z e r e m o n i e n vollführte, der war verunsichert oder gar gefährdet. ^ D a ß Priester gelegentlich versucht haben, T r ä u m e zu verschicken, scheint sicher. I m A l e x a n d e r r o m a n sendet N e k t a n e b o s , der als T y p eines ägyptischen Priesters dargestellt w i r d , der O l y m p i a s einen L i e b e s t r a u m mit dem Erfolg, daß die K ö n i g i n ihn zu sich b e s t e l l t . 7 In den magisch-religiösen Papyri gibt es viele Vorschriften für Traumsendungen.

! ρ . G. M. V 2 6 8 . 2

P. G. M. V 278.

3

P. G. M. V 2 8 2 ; LVII 8 (Abrasax II S. 90).

4

A. Audollent, Defixionum Tabellae 270, p. 370/1 (Dessau 8757); P. G. M. V 273.

5

P. G. M. LVII 7 (Abrasax II S. 90).

6 So war der Rhetor Libanios, einer der gebildetsten Männer seiner Zeit, davon überzeugt, daß er behext werde; s. Or. 1 , 2 4 3 - 2 5 0 und Campbell Bonner, Transactions and Proceedings of the Am. Philol. Assoc. 63 (1932) 3 4 - 4 4 „Witchcraft in the Lecture Room of Libanius". 7

Ps. Kall. I 5 - 6 (p. 6 - 7 Kroll).

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§ 388 M a n wird zusammenfassend sagen können, daß die besprochenen Zeremonien den Gefühlen und Stimmungen, Wünschen und Ängsten der Menschen Ausdruck gegeben haben. 1 Es sind keine rationalen Zweckhandlungen; aber das trifft auf die meisten religiösen Zeremonien zu. So schlimm diese Texte auch manchmal klingen, handelte es sich doch im Grunde um harmlose Veranstaltungen, bei welchen der Absender des Traums seinem emotionalen Überdruck ein Ventil verschaffte. Wenn der Verliebte den Text siebenmal geschrieben und am Grab eines vor kurzem Verstorbenen niedergelegt hatte, auf daß dieser ihn überbringe, dann konnte er wenigstens wieder ruhig schlafen. Es ist dem Menschen leichter ums Herz, wenn er seine Wünsche, auch die schlimmen, ausgesprochen hat. Er hat immerhin ein Scheinbild dessen gehabt, was er begehrt. M a n wird also einem guten Teil der Riten kathartischen Wert zuerkennen und dann manche der Sonderbarkeiten, die uns begegnet sind, milder beurteilen.

1 Es gibt richtige Vielzweckzeremonien. Man sehe P. G. M. V 488 (Abrasax II S. 148) über ein Gebet: πέδας λύει, άμαυροί, όνειροπομπει, χαριτήσιον „es löst Fesseln, macht unsichtbar, schickt Träume; gunstverschaffendes Mittel"; P. G. M. IV 2441, ein Räucheropfer an die Mondgöttin (σκευή επιθέματος σεληνιακού) άγουσα άσχετους και ά(συ)νουσιάστους μονοήμερους, κατακλίνει γενναίως και αναιρεί ισχυρώς, όνειροπομπει καλλίστως, όνει^αιτητεϊ θαυμαστώς „Bereitung eines Räucheropfers an Selene. Es führt (geliebte) Personen herbei, welche man bisher nicht bekommen konnte und die sich nicht (in Liebe) vereinigen wollen, in nur einem Tag, wirft mächtig aufs Krankenbett nieder und tötet mit Macht, schickt vortrefflich Träume, erbittet mit wunderbarem Erfolg Orakelträume." In P. G. M. I 98 wird das Blaue vom Himmel versprochen.

18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen)

μυρία και θαμβητά σέϋεν, πολύαινε Σάραπι, εργα Unzählig und bewundernswert sind deine Werke, vielgelobter Sarapis Maiistas, I. G. XI, 1299

Der Betrieb im Vorhof der Tempel § 3 8 9 D a s Durcheinander in den Sanatorien (s. § 376) kann man sich nicht bunt genug vorstellen. Die Kranken kamen aus aller Welt und hatten den langen T a g über nichts zu tun. Jeder sprach von seiner Krankheit und war begierig zu hören, ob es für ihn Hoffnung gebe, ob andere mit ähnlichen Beschwerden geheilt worden seien, ob der Gott entgegen dem natürlichen Gang der Dinge eingreife. Nachts schliefen sie auf der Streu oder auf einfachen Betten im Tempelhof und in Nebengebäuden und warteten auf den Traum. Am anderen Morgen berichtete der eine oder andere von seinem Traumgesicht. Es mußte aufgeräumt und Essen verteilt werden; aber dann begann wieder ein langer Tag, und jede Unterhaltung war willkommen. In den antiken Texten heißt es oft, Fama, das personifizierte Gerücht, laufe schnell. Einen geeigneteren Platz für die Geschwindigkeit der Fama als solche Tempelhöfe und ein leichtgläubigeres Publikum kann man sich nicht denken. Die Priester, die Leiter des Tempels, hatten mit dieser Menge nur aus der Ferne zu tun. Sie hatten Untergebene minderen Ranges, welchen die Aufgabe übertragen war, für den Heilung Suchenden zu sorgen. D a gab es vor allem die Traumdeuter und jene Enkatochoi, „ v o m Gott Festgehaltene", von denen in § 129 die Rede war.

Traumdeuter § 3 9 0 In der N ä h e des Sarapeums zu Memphis ist das Aushängeschild eines Traumdeuters gefunden worden, auf dem der heilige Apis-Stier und ein Altar abgebildet sind (Abb. 2 1 9 ) . Dabei stehen zwei iambische Trimeter: 1 ενύπνια κρίνω τοΰ θεού πρόσταγμ' εχων τυχάγαθαι - Κρής έστιν ό κρίνων τάδε.

1

E. Bernand, Inscr. métr. 112.

18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen)

211

„Ich deute Träume zu gutem Erfolg und habe dazu einen Auftrag des Gottes (des Apis). Ein Kreter 1 ist es, der sie (die Träume) deutet." Im selben Sarapeum war der in § 129 erwähnte Klausner Ptolemaios als Traumdeuter tätig. Auch in den Heiligtümern auf Delos hat die Traumdeutung eine große Rolle gespielt. In sieben Inschriften 2 wird ein Traumdeuter (όνειροκρίτης) genannt, einmal eine Traumdeuterin. 3 Dem delischen Sarapispriester Apollonios, von dem wir die lange Aretalogie auf Stein besitzen (§ 233), ist Sarapis mehrfach tröstend und Weisung erteilend im Traum erschienen. 4 Auf Papyrus ist der Brief erhalten, den ein Zoilos von Aspendos 5 an Apollonios, den Wirtschaftsminister 6 des zweiten Ptolemaios gerichtet hat. Er schreibt, Sarapis habe im Traum befohlen, ihm einen Tempel zu errichten. 7 Daß Vespasian in Alexandria einen Blinden und einen Lahmen geheilt hat, erinnert man aus § 2 6 1 . Den beiden war Sarapis im Traum erschienen und hatte versprochen, daß die Berührung des Imperators sie heilen werde. " Die Traumdeuter im ägyptischen Kult sind auch nach Rom gekommen. Aber Cicero lehnt es ab, sich mit ihnen zu beschäftigen.^

Enkatochoi und niederes Tempelpersonal § 391 In den großen Tempeln gab es immer eine Anzahl einfacher Leute, die nachts Unterkunft und tags eine Essensportion erhielten. M a n hat sicher von ihnen Hilfsdienste verlangt. Die in § 129 besprochenen „Enkatochoi" gehören in diese Kategorie. Vermutlich sind die Traumdeuter meistens aus dieser Gruppe hervorgegangen. Das gleiche gilt auch für die Geschichtenerzähler, auf die wir zurückkommen werden: Einige von ihnen dürften intelligenter gewesen sein als mancher in die Priesterkaste Geborene. Sozialer Rang und Klugheit gehen oft nicht Hand in Hand.

1 „Weil der Inhaber der Bude von der Insel des (Kreters) Epimenides ist, verdient er Vertrauen" (Wilamowitz, Kl. Sehr. IV 304-305). 2 Roussel 64, 84, 119, 120, 123, 169, 201 = I. Délos 2071, 2120, 2072, 2073, 2151, 2105/6, 2110. Vgl. auch Vidman 5 (Athen), ein κρίνων τά οράματα.

3 Roussel 175C,b 10 Μινδία όνειροκριτίς = I. Délos 2619. Eine Traumdeuterin in Athen Vidman 16 = I. G. II 2 , 4771. 4 Roussel 1 = I. G. XI 4, 1299 = H. Engelmann, The Delian Aretalogy of Sarapis (EPRO 44, 1976) = M. Totti, Texte Nr. 11. Vgl. hier S 400. 5

Aspendos liegt an der kleinasiatischen Südküste.

6

Er war „Dioiketes", was etwa einem Wirtschaftsminister entspricht.

7

Zenon-Papyri I (1925) Nr. 59034 bei C. C. Edgar im Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire; A. Deissmann, Licht von Osten, 4. Aufl. 1923, 121-128; V. Longo, Aretalogia nel Mondo Greco 62 (S. 103-106); P. M. Fraser, Opuscula Atheniensia 3 (1960) 54 Nr. 12; M. Totti, Texte Nr. 71 έμοί συμβέβηκεν θεραπεύοντι τόν θεόν Σάραπιν . . . τόν Σάραπίν μοι χρηματίζειν πλεονάκις έν τοις ΰπνοις κτλ. Sueton, Vespasianus 7,2. ^ De divinatione I 132 non habeo dettique nauti . . . Isiacos coniectores, non interpretes

somniorum.

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18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen)

Sündenbekenntnis und Heilung § 3 9 2 Auch die Heilung Suchenden haben manchmal in ihrer Weise zur Unterhaltung der sich langweilenden Menge beigetragen. Sie haben nicht nur von ihrer Krankheit gesprochen, sondern oft von einer Missetat erzählt. Man hat die Krankheit nicht selten als Strafe für eine Verfehlung aufgefaßt 1 und gehofft, der Gott werde - wenn man seine Schuld öffentlich bekenne und bereue - die Strafe erlassen und die Krankheit wegnehmen. So sind in den Tempeln Menschen aufgetreten, die ihre Confessionen vortrugen. Solche Beichten waren im Dienst der Isis üblich; 2 Ovid sagt: 3 Vidi ego linigerae numen violasse fatentem Isidis Isiacos ante sedere focos, alter ob huic similem privatus lumine culpam clamabat media se meruisse via. „Ich habe einen Mann gesehen, der bekannte, gegen die Gottheit der leinentragenden Isis gefrevelt zu haben, und vor der Tür des Isistempels saß; ein anderer, der wegen einer ähnlichen Sünde das Augenlicht verloren hatte, rief mitten auf der Straße: ,Ich habe es ja verdient.'" Noch im vierten Jahrhundert n. Chr. hält ein christlicher Dichter einem Römer vor, daß er ein öffentliches Sündenbekenntnis abgelegt habe: 4 rumor et te dixisse: die mihi, et veniam

ad nostras pervenit publicus aures „Dea, erravi, ignosce, redivi." si valeas, cum talia saepe rogares peteres, quae tecum verba locuta est?

„Auch ist ein öffentliches Gerede an meine Ohren gekommen, du habest gesagt: ,Göttin, ich habe geirrt; verzeih, ich bin auf den rechten Weg zurückgekehrt.' So sag mir doch, so wahr du gesund sein willst: Wenn du öfters solche Bitten aussprachst und um Verzeihung batest - was für eine Antwort hat sie dir denn gegeben?"

1 So glaubt der soeben genannte Zoilos von Aspendos, zweimal krank geworden zu sein, weil er einen Traumbefehl des Sarapis nicht befolgt hat. 2 Entsprechende ägyptische Texte findet man vor allem in den Votivstelen aus der thebanischen Gräberstadt (Der el-Medine) bei J . Assmann, Hymnen Nr. 1 4 8 - 1 6 8 (S. 3 5 1 - 3 6 8 ) und im Pap. Anastasi II bei Assmann Nr. 1 7 6 - 1 7 7 (S. 3 8 0 - 3 8 1 ) . Aus dem 2. Jahrh. v. Chr. stammt der demotische Pap. Dodgson, in welchem eine öffentliche Beichte im Osirisdienst zu Elephantine bezeugt wird (G. Roeder, Die ägyptische Götterwelt S. 3 4 0 unten). 3

Epist. ex Ponto 1 1 , 5 1 - 5 4 .

4

(Ps.) Cyprian, Carmen IV (contra paganos) 3 5 - 3 8 (ed. Härtel 3,303; Riese, Anthol. Lat. Nr. 689b).

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Auch in den astrologischen Texten werden Menschen genannt, die sich in Tempeln aufhalten und ihre Sünden öffentlich bekennen. 1 Eine solche öffentliche Beichte bedeutete immer eine gewisse Demütigung angesichts der anderen Isisverehrer und konnte daher schon als Sühne gelten; der Beichtende hoffte auf Vergebung seitens der Göttin und damit auf Heilung von der Krankheit.

Der Geheilte dankt öffentlich; Votivbilder § 393 Wer durch die Gnade der Götter geheilt war, von dem erwartete man, daß er dem Heilgott gebührenden Dank abstatte und die wunderbare Tat und Macht (άρετή, δΰναμις) des Gottes öffentlich bekunde. Das mindeste war, daß der Geheilte vor allen im Tempelbezirk befindlichen Kranken seine Heilung bezeugte. Viele erwiesen ihre Dankbarkeit durch bleibende Gaben. So Demetrios von Phaleron (um 300 v. Chr.); er hatte sein Augenlicht verloren, es aber durch die Gnade des Sarapis wiedererhalten. Er hat dem Gott zum Dank Päane gedichtet, die noch lange gesungen wurden. 2 § 394 Ein dauerhaftes Andenken war auch ein Votivbild. Solche Bilder bezeugt Tibull in seinem Gebet an Isis (I 3,27-32): Nunc dea, nunc succurre mihi: nam posse mederi pietà docet templis multa tabella tuis: ut mea votivas persolvens Delia noctes ante sacras lino tecta fores sedeat bisque die resoluta comas tibi dicere laudes insignis turba debeat in Pbaria. „Jetzt, Göttin, hilf mir; denn daß du heilen kannst, bezeugen viele Bilder in deinen Tempeln; damit meine Delia, wenn sie nächtelang ihr Gelübde für meine Gesundheit einlöst, in Leinenkleidern vor der Tempeltür sitzen und zweimal am Tag mit offenem Haar dir in der pharischen 3 Schar, durch ihre Schönheit herausragend, lobende Danksagungen sprechen könne." Juvenal spielt darauf an, daß Leute, die von Isis aus Seenot gerettet wurden, Votivbilder stiften, s. § 118. Der Brauch, Votivbilder aufzustellen, ist von den Christen übernommen worden. 4

1

Cat. codd. astrol. Gr. VIII 4 , 1 4 8 , 2 2 und 166,11 (έξαγορεύοντες, έξαγορευταί); herangezogen von F. Cumont, L'Égypte des astrologues 146. 2 Diogenes Laertios V 76. Vgl. P. G. M. III 191, w o von dem hexametrischen H y m n u s III 1 9 8 - 2 3 0 gesagt wird, dai? er als Päan gesungen werden soll (παιανίζων τ ο ν θεόν). 3 4

„Pharisch" = ägyptisch, nach dem Leuchtturm zu Alexandria.

Frühe christliche Beispiele: Prudentius, Peristephanon 9 (Passion des hl. Cassian, Gemälde in Forum Cornelii, dem heutigen Imola); Asterios von Amaseia, Beschreibung eines Bildes mit dem Martyrium der Euphemia in Kalchedon (F. Halkin, Euphémie de Chalcédoine [1965] 1 - 8 ) .

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Die Aretalogen § 3 9 5 Die öffentliche Danksagung für Rettung aus Krankheit ist im Kreis der Isisverehrer oft wiederholt worden, wie Tibull dies im Fall seiner Delia voraussetzt. Das war noch nicht genug. Es bestand ein Interesse daran, die Großtaten von Isis und Sarapis immer erneut zu bekräftigen. M a n hat sich nicht darauf beschränkt, daß die Betroffenen selber berichteten; es haben auch andere Personen solche Berichte wiederholt, die sie ja oft genug gehört hatten. Dasselbe galt für die Votivbilder: Ein aus Seenot Geretteter konnte, auf das Bild hinweisend, die genauen Umstände seiner Rettung erzählen und Details des Bildes erläutern. Aber auch ein anderer konnte die Erklärung des Bildes übernehmen, wenn er die Geschichte von dem Stifter selbst gehört hatte. Personen, welche in dieser Weise die Taten (άρεταί.) der Götter vortrugen, hießen Aretalogen. Sie sind in Delos zweimal inschriftlich im Dienst der Isis und des Sarapis belegt. 1 § 3 9 6 Aber mündliche Uberlieferung bleibt schwankend und unsicher. M a n ist dazu übergegangen, Wunderheilungen und andere Taten der Götter schriftlich niederzulegen; zunächst, um sie von Zeit zu Zeit vor der Gemeinde zu verlesen, und auch, um Dokumente für das Einwirken der Götter auf die irdischen Dinge zur Hand zu haben. So berichtet Strabon: „In der Stadt Kanopos besteht das Sarapisheiligtum, welches mit großer Ehrfurcht verehrt wird und wo Heilungen stattfinden, so daß auch sehr gebildete M ä n n e r darauf vertrauen und sich dort zum Schlaf niederlegen, für sich und auch (stellvertretend) andere (für sie). Manche schreiben auch die Heilungen nieder, andere die wunderbare Kraft der dortigen Orakelsprüche." 2 Artemidoros von Daldis (in Kleinasien) erzählt: „Geminus von Tyros und Demetrios von Phaleron 3 und Artemon von Milet haben in drei bzw. fünf bzw. zweiundzwanzig Büchern Träume niedergeschrieben, vor allem Weisungen und Heilungen, welche Sarapis gegeben h a t . " 4 Einige Zeugnisse für wunderbare Heilungen durch Sarapis sind in der Tiergeschichte des Claudius Aelianus aus Praeneste erhalten. 5

1 Roussel 6 0 = I. G. X I 4 , 1 2 6 3 ; Roussel 1 1 9 = I. Délos 2 0 7 2 . Vgl. den Liber Hermetis (ed. W . Gundel) p. 9 0 , 8 sacris locis detinentur et fabulas (μύϋον$ recitant vel exponunt. - Firmicus Maternus, Mathesis VIII 1 3 , 1 (vol. II p. 3 0 7 , 2 4 ) divinas quasdam artes studiosis interpretationibus explicantes. - M a n e t h o n (der Astrologe) IV 4 4 5 f f . μ υ θ ο λ ό γ ο υ ς . . . εν τ' άρεταλογίηι μυθεύματα ποικίλ' έχοντας. 2 X V I I 1 , 1 7 p. 8 0 1 Κάνωβος δ' έστ'ι πόλις . . . έχουσα τό τοΰ Σαράπιδος Ιερόν πολλήι άγιστείαι τιμώμενον και θεραπείας έκφέρον, ώστε και τοίις έλλογιμωτάτους άνδρας πιστεύειν και έγκοιμάσθαι αυτούς υπέρ εαυτών ή ετέρους- συγγράφουσι δε τίνες και τάς θεραπείας, άλλοι δέ άρετάς των έ ν τ α ΐ θ α λογίων. Die Lesart des letzten Wortes ist unsicher, der allgemeine Sinn nicht zweifelhaft. 3

Fr. 9 9 Wehrli.

II 4 4 (p. 1 7 9 , 1 3 - 1 8 Pack) . . . Γεμίνου τοΰ Τυρίου και Δημητρίου τοΰ Φαληρέως και Ά ρ τ έ μ ω ν ο ς τ ο ΐ Μιλησίου τοΰ μέν έν τρισί βιβλίοις τοΰ δέ έν πέντε τοΰ δέ έν είκοσιδύο πολλούς όνείρους άναγραψαμένων και μάλιστα συνταγής και θεραπείας τάς υπό Σαράπιδος δοθείσας. 4

5 X I 3 1 / 3 2 und 3 4 / 3 5 ; Hopfner, Fontes 4 2 5 / 4 2 6 ; D. del Corno, Graecorum de re onirocritica scriptorum reliquiae ( 1 9 6 9 ) p. 2 6 - 2 9 .

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Sarapis heilt ein Pferd § 3 9 7 Die originellste dieser Heilungen sei hier eingerückt. Aelian erzählt: Der Kavallerist Lenaios hatte ein schönes, schnelles und mutiges Pferd. Es w u r d e a m rechten Auge v o n einem Schlag getroffen, so daß es mit ihm nicht mehr sehen konnte; und d a s linke Auge war durch den Schild des Ritters verdeckt. „ S o geht er ins Heiligtum des Sarapis und führt dorthin ein höchst ungewöhnliches Stück Vieh, sein Pferd, als sei es ein Opfertier, und bittet den Gott wie für einen Bruder oder Sohn, er m ö g e Mitleid mit diesem Bittflehenden haben, der g a n z und gar nichts Böses getan habe. Es gebe ja zwar Menschen, die an ihrem Unglück selbst schuld seien, weil sie etwas U n f r o m m e s getan oder Lästerungen gesprochen hätten; ,aber wie könnte es bei einem Pferd Tempelraub oder M o r d , wie könnte es Lästerung geben?' Er rief auch den G o t t zum Z e u g e n an, daß er selbst niemals irgendjemandem ein Unrecht zugefügt habe; und so bat er, seinen Kriegskameraden und Freund von der Augenkrankheit zu befreien. Und dieser so große Gott hält es nicht für unter seiner Würde und für eine Bagatelle, d a s vernunftund sprachlose Wesen zu heilen; er hat M i t l e i d 1 mit dem Kranken und dem für ihn Bittenden und gibt Anweisung zur Heilung: man solle d a s Auge nicht einsalben, sondern innerhalb des Tempelbezirks zur Mittagszeit mit trockenen, warmen Umschlägen behandeln. Dies geschah, und das Auge des Pferdes gesundete. Lenaios g a b D a n k o p f e r und Lohn für die Lebensrettung, und das Pferd sprang und schnaubte um den Tempel herum. Es schien größer und schöner als vorher, war von glanzvollem Aussehen, lief zu dem Altar und gebärdete sich stolz; ja, m a n sah sogar, wie es zu den Tempelstufen lief und sich dort wälzte und dem rettenden G o t t den D a n k d a f ü r darbrachte a n der Stelle, w o es wieder gesundet w a r . " 2

1

Die charakteristische Vokabel οίκτείρει auch in XI 32 am Ende.

XI 31 άνήρ ίππεύς τήν στρατών, Ληναΐος tò όνομα, ι'ππον ειχεν ίδεΐν μέν ώραΐον, δραμεΐν δέ ώκιστον, τον δέ θυμό ν άνδρειότατον . . . ó τοίνυν ϊππος ό τοιούτος τήν Ιππική ν άρετήν θατέρωι τοΐν όφθαλμοΐν τώι δεξιώι ΰπό τίνος πληγής προσπεσοΰσης όράν άδύνατος ήν. οϋκοϋν ό Ληναΐος όρων έαυτοϋ σαλεύουσαν τήν πάσαν έλπίδα έν τώι τοϋ 'ίππου τοΰ εύγενοϋς εκείνου πάθει, έπεί τά άλλα και ή άσπίς ή ιππική τον λαιόν όφθαλμόν οί εσκεπε τον μόνον όρώντα, εις τοΰ Σαράπιδος έρχεται θρέμμα*· άνάγων και μάλα άηθές * " ώσπερ ούν ίερείον τον ι'ππον και δεΐται τοΰ θεοΰ ώς υπέρ άδελφοϋ τίνος ή υίοΰ ό Ληναΐος τοΰ ϊππου οίκτεΐραι τον Ικέτην, και ταΰτα άδικήσαντα ουδέν, είναι γαρ τίνων άνθρώπους σφίσι κακών αιτίους, ή δράσαντάς τι άσεβές ή ε'ιπόντας τι άπόφημον ϊππου δέ, ελεγε, ποία μέν θεοσυλία, φόνος δέ τις, βλασφημία δέ πώς ή πόθεν; έμαρτύρατο δέ τόν θεόν και αυτός ώς οΰδεπώποτε ούδένα ουδέν άδικήσας- και διά ταϋτα τόν συστρατιώτην οί και φίλον έδεΐτο τής όφθαλμίας άπαλλάξαι τόν θεόν. δ δέ ούχ ύπεροράι οΰδέ έξεφαύλισε τόν άλογόν τε και άφωνον ίάσασθαι, ών τοσούτος θεός, και διά ταϋτα οίκτείρει και τόν νοσοΰντα και τόν δεόμενον υπέρ αΰτοϋ και δίδωσιν ϊασιν, μή καταιονεΐν μέν τόν όφθαλμόν, πυριάσεσι δέ αυτόν άλεαίνειν μεσούσης ημέρας έν τώι τοΰ νεώ περιβόλωι. και ταϋτα μέν έπράττετο, έρρώσθη δέ τώι ϊππωι τό όμμα. και ό μέν Ληναΐος χαριστήριά τε καί ζωάγρια άπέθυεν, ό δέ ίππος έσκίρτα τε και περί τόν νεών έφριμάττετο, και έδόκει μείζων τε καί ωραιότερος, καί ήν φαιδρός, καί τώι βωμώι προσθέων εκυδροϋτο, καί μέντοι καί προς τοις άναβαθμοΐς καλινδοΰμενος έωράτο τώι θεοΗ τώι σωτήρι χαριστήρια έκτίνων ήιπερ οΰν εσθενεν. Textkritische Notiz: (*) θρέμμα ist überliefert, Herchers Konjektur θεράπευμα ist falsch. ( * * ) άηθές Hercher, richtig; überliefert ist αληθές. 2

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Die Mirakel des Sarapis § 3 9 8 Aber nicht nur Krankenheilungen, sondern ganz allgemein alle Wunderwirkungen der Götter sind in Büchern aufgeschrieben und in den Tempelbibliotheken niedergelegt worden. Aelius Aristides rühmt Sarapis im erhabenen Stil des Gottespreises: 1 „ER ist der Herr der Winde . . ER hat trinkbares Wasser mitten im Meer nach oben geschickt, 2 ER hat Darniederliegende aufgerichtet, ER hat gemacht, daß die Menschen das heißersehnte Licht des Helios wieder erblickten; 3 darüber gibt es in den Tempelbibliotheken unendlich viele Bücher, und ,voll sind die Märkte und H ä f e n ' 4 und Plätze der Städte von den ,Auslegern', welche alles im einzelnen erklären 5 ." Diese Berichte über die Wundertaten des Sarapis haben bei der Ausbreitung seines Kultes über das Mittelmeergebiet eine wichtige Rolle gespielt. Wir haben in § 2 3 4 gesehen, w i e Xenainetos von Opus den Kult des Gottes in seine Heimatstadt einführte. Dies Ereignis ist im Sarapistempel zu Thessalonike in Stein aufgezeichnet worden.

Steuermann Syrion erlebt ein Mirakel § 3 9 9 Ein aufschlußreiches Fragment aus einer Aretalogie ist in einem Oxyrhynchos-Papyrus zutage g e k o m m e n . 6 Der Titel des Buches - er ist in der subscriptio erhalten - lautet: „Die wunderbare Tat des Zeus-Helios, des großen Sarapis, um den Steuermann Syrion". 7 Erhalten ist nur der Schluß; aus ihm hat O. Weinreich den verlorenen Teil so rekonstruiert: 8 Ein Schiff war in Seenot geraten, aber durch Sarapis gerettet worden. D a s Trinkwasser w a r 1 Or. 45,29-30 (p. 360,26-361,4 Keil): ούτος έστιν ό . . . ταμίας των ά ν ε μ ω ν . . . , ούτος ΰδωρ άνηκε πότιμον έν μέσηι θαλάττηι, ούτος κείμενους άνέστησεν, ούτος περισπούδαστον ηλίου φως τοις θεαταΐς εδειξεν, ών ίεραί ΰήκαι βίβλων Ιερών άπειρους αριθμούς εχουσιν· μεσταί δέ άγοραί (φασί) και λιμένες και τά ευρύχωρα των πόλεων των καθ' έκαστα έξηγουμένων. 2 Beim Umzug der Isiskuh durch Alexandria schöpfen die Teilnehmer trinkbares Wasser aus dem Meer und rufen, Osiris sei gefunden, s. Plutarch, De Iside 39 (s. § 283); in der Aretalogie des Steuermanns Syrion (s. ξ 399) wird ebenfalls Trinkwasser mitten im Meer geschöpft. Im Mündungsgebiet des Nils ergießt sich Süßwasser bis weit ins Meer hinein. 3 Wenn den Seefahrenden aus dunklen Sturmwolken das ersehnte Sonnenlicht wieder erscheint, ist dies das Werk des Sarapis (O. Weinreich, Ausgewählte Schriften 1422/3 Anm. 21). 4

Anspielung auf die Anrufung des Zeus im Prooemium des Arat: μεστα'ι δέ Διός πάσαι μέν άγυιαί, πάσαι δ' α ν θ ρ ώ π ω ν άγοραί, μεστή δέ θάλασσα και λιμένες. 5

Diese „Ausleger" (έξηγούμενοι) sind mit den Aretalogen identisch. Der Attizist Aelius Aristides benutzt das in der klassischen Literatur bezeugte Wort, nicht die hellenistisch-kaiserzeitliche Vokabel άρεταλόγος. 6 7 8

Pap. Oxy. 1382; V. Longo, Aretalogie 64 (S. 116/7); M. Totti, Texte Nr. 13. Vgl. § 137. Διός 'Ηλίου μεγάλου Σαράπιδος αρετή ή περί Συρίωνα τον κυβερνήτην. Ο. Weinreich, Ausgewählte Schriften I 421-424. Ich übernehme das Résumé bei M. Totti (S. 32).

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ausgegangen, und die Passagiere befürchteten, sie müßten verdursten. Da schöpfte der Steuermann Wasser aus dem Meer, und siehe, es war süß; Sarapis hatte die Besatzung vor dem Verdursten gerettet. Nach der Landung bei der Pharos-Insel erzählt der gerettete Steuermann das Mirakel und zeigt den Rest des Trinkwassers als Beweis vor. Man will es ihm als Heiltrank abkaufen, aber er will das Lebenswasser behalten. Da greift ein Unbekannter ein (vielleicht ein Priester, vielleicht Sarapis in Epiphanie) und veranlaßt den Steuermann, das Wasser den Bewohnern der Pharos-Insel zu überlassen. Der Steuermann läßt sich umstimmen und spricht (hier setzt der erhaltene Text ein): „,Um deinetwillen schenke ich das Wasser den Bewohnern der Pharos-Insel.' So begrüßte er ihn (den Unbekannten) und fuhr in den Hafen ein. Er verkauft das Wasser den Pharos-Leuten und erhält von ihnen als Kaufpreis 100 Silberdrachmen. Die Wundertat wird in den Bibliotheken des Mercur deponiert. 1 - Ihr Anwesenden, sprecht: ,Einer und derselbe ist Zeus und Sarapis.'" 2 Dies ist eine öffentliche Akklamation, fast ein Glaubensbekenntnis. Der Text ist niedergeschrieben zur Verlesung vor den Verehrern des Sarapis. Man könnte ihn als „legenda" bezeichnen, so wie die ebenfalls zur Verlesung niedergeschriebenen christlichen Texte.

Apollonios von Delos siegt im Prozeß § 4 0 0 Eine typische Aretalogie, teilweise in Versen, ist der Bericht des delischen Sarapispriesters Apollonios, 3 den wir in § 233 besprochen haben: Am Tag des Prozesses bewirken Sarapis und Isis ein Wunder (Φάμβος): Die Gegenpartei weiß vor Gericht nichts Vernünftiges vorzubringen. Eine Menge Volks ist Zeuge und staunt über die Großtat (άρετήν θάμβησεν) des Sarapis. 4 Das Staunen der Zeugen ist ein charakteristischer Bestandteil vieler Aretalogien. 5

Sarapis tauscht die Schicksalslose § 401 Die merkwürdigste Aretalogie ist auf einem Berliner Papyrus erhalten. Anfang und Ende des Textes fehlen; und auch in der erhaltenen Partie erschweren Lücken das Verständnis. 6 Dennoch sei eine Interpretation versucht.

1

Der Mercurtempel ist inschriftlich bezeugt, s. Dessau 1 3 9 8 (Capua).

- - - ειπεν· ,,διά σέ χαρίσομαι τό ΰδωρ Φαρίταις." και άσπασάμενος αυτόν άνέπλευσεν. και άποδίδωσι το ΰδωρ Φαρίταις, και λαμβάνει παρ' αυτών εις τιμήν αργυρίου δραχμάς έκατόν. και καταχωρίζεται ή άρετή έν ταΐς Μερκουρίου βιβλιοθήκαις. - οι παρόντες είπατε· „Εις Ζευς Σάραπις." Z u dem Schlußwort vgl. § 1 3 0 und 3 6 6 . 2

3 Roussel 1 = I. G. X I 4 , 1 2 9 9 = H. Engelmann, The Delian Aretalogy of Sarapis ( E P R O 4 4 , 1 9 7 6 ) = M . Totti, Texte N r . 1 1 . 4

Verse 9 0 / 1 , zitiert in § 2 3 3 .

Als der Priester Pachrates von Heliupolis Kaiser Hadrian „die M a c h t seiner göttlichen Magie zeigte" (P. G. M . IV 2 4 4 8 έπιδεικνύμένος την δύναμιν της θείας αυτοί) μαγείας), da „bestaunte (Hadrian) den Propheten" (θαυμάσας τον προφήτην) und belohnte ihn. 6 Α. Abt, A. R. W . 1 8 , 1 9 1 5 , 2 5 7 - 2 6 8 ; D. L. Page, Select Papyri Nr. 9 6 ; E. Heitsch, Dichterfragmente N r . L; V. Longo, Aretalogie N r . 6 6 ; M . Totti, Texte Nr. 1 2 mit sorgfältigem kritischem Apparat; für die N a m e n der Gelehrten, welche die Ergänzungen vorgeschlagen haben, sei auf diesen Apparat verwiesen.

218 18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen) Ein armer M a n n war erkrankt, und es schien, er müsse sterben. Aber da gab es einen Libyer Thrason, der unter Schmerzen litt und den Tod ersehnte, dessen Todestag aber von den Schicksalsgöttinnen f ü r später vorgesehen war. Sarapis hat die Todestermine der beiden nach ihrem Wunsch ausgetauscht. Der erhaltene Text setzt damit ein, daß Sarapis dem kranken Armen im T r a u m erschienen ist und ihm Rettung verspricht: „. . . Sarapis ist der Retter derjenigen, die auf ihn vertrauen." 1 Gleichzeitig erschien er auch dem Libyer im T r a u m und versprach ihm Linderung durch baldigen Tod. 2 Z u m Armen hatte Sarapis gesagt: „Von morgen an leidet ein libyscher M a n n an einer seltenen Krankheit; dadurch werde ich dich retten." 3 Dieser Libyer hatte - so wird nun nachgetragen - dieselbe Geburtskonstellation (συναστρία) 4 wie der Arme. 5 Sarapis erscheint dem Libyer im T r a u m und spricht: „Hier erhältst du, Thrason, das Ende deines Lebensgeschicks, nicht nach dem Willen der Moira, sondern entgegen der Moira; denn ich tausche die Kleider der Moirai (der Schicksalsgöttinnen) um. Steh morgen f r ü h auf, und nach der vierten Stunde sollst du dich betrinken und lang dabei bleiben, indem du nichts speisest, sondern nur immer sechs M a ß fassende Krüge ungemischten Weins trinkst; und nach dem Trinken sollst du ein Bittgebet sprechen und dich hinwerfen und schlafen. Wenn du so betrunken bist, werde ich dich zu endlicher Heilung wegschaffen, so d a ß du ü b e r h a u p t keine Schmerzen empfinden wirst. D a n n wird in wechselnden Versen geschildert, was der eine und was der andere tut: „Der Eine steht also auf und fängt an zu trinken, 1

Vers 1 [των πι]στών ό Σάραπίς έστι σωτήρ. Verse 2-4; in Vers 4 gibt Sarapis dem Libyer zur Beglaubigung des Traumgesichts einen Ring. 3 Verse 5-6 άπό της γάρ αΰριον Λίβυς τις άνήρ πάσχει νόσον ξένην, δι' ής σε σώζω. 4 Das Wort συναστρία ist von F. Boll behandelt worden (Kl. Sehr. 115-124), unter Heranziehung auch unserer Sarapisaretalogie. 5 ούτος δ' ήν, ó Λίβυς δν ό θεός ειπεν, κοινήν συναστρίαν εχων. 6 έκείνφ τη νυκτί παραφανεις ό -θεός ελεξε· της Μοίρης άπέχεις, Θράσων, τό τέρμα, οΰχ ώς ήθελε Μοίρα, παρά δέ Μοΐραν· τάς Μοίρας γαρ έγώ μεταμφιάζω. [άνέγ]ειρε δ' αΰριον, μετά δέ τετάρτην [μεθύειν] και προπεΐν, πολύ παραμείνας [μηδέν] γευσάμενος, μόνον δ' άκρατου [χύτρ]ας έξαδόχου, μετά δέ τό πίνειν [ειπών έ]ντυχίας βαλών κάθευδε· [οίνού]μενον δ' έγώ σ' αποθεραπεύσω [ώστ' ού]δέ τού πόνου πείραν όλως σχης. 2

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- der andere fastet, wie es der Gott befohlen hatte; der eine fängt in derjenigen Stunde an, welche ihm aufgetragen war; - der andere hält, sich selbst beherrschend, durch, ohne zu essen; der eine trinkt ungemischten Wein und wird trunken; - der andere erwartet die richtige Gesundung; der eine stürzt an seinem Ort nieder, mit schwerem Schädel ,"1 Hier bricht der Papyrus ab; aber der Ausgang ist klar: der Libyer (Thrason) wird von seinen Leiden befreit und stirbt, während der Arme gesundet. In diesem Text ist Sarapis nicht vollständig Herr des Schicksals. Er kann den Armen nur dadurch erretten, daß er seinen Todestag entgegen den Schicksalsgöttinnen mit dem Todestag eines Mannes vertauscht, welcher dieselbe Stellung der Sterne bei der Geburt hatte. 2 Anders in dem priesterlichen Einweihungsritual, der Pschai-Aion-Liturgie (§ 3 4 1 - 3 4 6 ) : Dort wird der Initiand neu geboren, erhält also von Sarapis eine neue Geburtskonstellation.

Straf-Mirakel § 4 0 2 Die Macht der Götter erwies sich nicht nur im Guten: Wer ungehorsam war, dem drohte göttliche Strafe. 3 Diese ereilt auch Frevler, welche ungeweiht ins Innere des Heiligtums eindringen. Zwei solche Strafen der Isis erwähnt Pausanias bei seiner Beschreibung des Isistempels zu Tithorea in Phokis (in Mittelgriechenland): „Sie erzählen, daß einmal ein M a n n von denen, die nicht in den Kult des Tempels eingeweiht sind, der vielmehr profan war, aus frevlerischer Wißbegierde und Frechheit in das Heiligtum hineingegangen sei; alles sei ihm voll von Erscheinungen vorgekommen; und er sei zwar nach Tithorea zurückgekehrt, aber als er erzählt habe, was er gesehen hatte, sei er gestorben. Einen ähnlichen Fall habe ich von einem Phönizier gehört: Die Ägypter feierten der Isis ein Fest, wenn

1 [ό μέν ού]ν άνίσταται λαβών t ò πίνειν, - ó δέ νήστις άναμένει θ ε ψ κελευσθείςώραν λά[βεν] έκεΐνος ήν έτάχθη· - ούτος δέ μή τραφείς μένει κραταιως· [πί]νει δ' ούτος άκρατα και μεθχιει· - [κείνος] ούσαν δ' υπομένει ύ γ ε ί α ν [πίπ]τει δ' ούτος εκεί καρηβαρήσας — . 2 Parallelen zu einer Vertauschung der Todeslose bzw. der Verlängerung des Lebens finden sich in mehreren christlichen Texten: Georgios von Sykeon, Vita des Theodoros von Sykeon 90 (p. 7 4 - 7 5 Festugière, Umtausch des Todestermins); 39 (p. 35 F., Verlängerung des Lebens); Sophronios, Miracula sanctorum Cyri et Iohannis 5 1 , 1 0 (p. 364 Fernandez Marcos); Mirakel des Artemios N r . 17 (p. 1 7 - 2 0 bei A. Papadopoulos-Kerameus, Varia Graeca Sacra 1 9 0 9 , Nachdruck 1 9 7 5 : Die Krankheit geht auf einen anderen über). Ähnliche Erzählungen: Lukian, Philopseudeis 25; Plutarch, Fragment aus Π ε ρ ί ψ υ χ ή ς bei Eusebios, Praep. ev. X I 36 (p. 7 4 - 7 5 M r a s = fr. 176 Sandbach); Augustin, De cura pro mortuis gerenda 12,15; Gregorius M a g n u s , Dial. IV 3 7 , 6 ; s. R. Reitzenstein, Hellenistische Wundererzählungen 5 - 6 . 3 Von Strafwundern spricht O. Weinreich, Antike Heilungswunder 1 8 9 - 1 9 1 (und im Index S. 2 0 7 unter „ S t r a f w u n d e r " ) . Als typische Berichte über Strafwunder seien der fünfte und sechste Hymnus des Kallimachos genannt. Athena straft Teiresias, der sie nackt gesehen hat, mit Blindheit, Demeter straft Erysichthon, der ihren heiligen H a i n gefällt hat, mit Heißhunger. M a n könnte die beiden H y m n e n „Aretalogien" nennen.

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sie (wie sie sagen) den Osiris beklagen . . . Zu dieser Zeit also habe der Römer, dem die Aufsicht über Ägypten anvertraut ist,1 einen Mann mit Geld bestochen und in das Isisheiligtum zu Koptos geschickt;2 und dieser Späher sei zwar aus dem Heiligtum zurückgekommen, aber als er erzählt habe, was er gesehen hatte, sei auch dieser Mann - wie ich höre - gestorben." 3 Die Stelle ist auch deshalb bemerkenswert, weil Pausanias zugibt, daß er diese beiden Beweise für die Macht der Isis nur vom Hörensagen hat, und sie doch weitergibt.

Übergang der Aretalogien in die Literatur; Telethusa und Iphis § 403 Diese Erzählungen der Aretalogen, zuerst mündlich vorgetragen, dann schriftlich fixiert und verlesen, von den Hörern oder auch den Aretalogen selbst wieder mündlich weitergegeben, sind in den Ozean der Erzählungen eingegangen und wurden bald hier, bald dort in immer neuen Variationen ausgesponnen. Wie aus solchen Erzählungen der Aretalogen die literarische Gattung des Romans hervorgegangen ist, wird im zweiten Teil dargelegt. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß der Roman des Xenophon von Ephesos und die Historia Apollonii ebenso wie die in § 396-400 besprochenen Aretalogien in einer Tempelbibliothek deponiert werden. § 404 Die Aretalogien konnten auch als Erzählungs-Stoff in die Literatur übernommen werden. Als Beispiel sei das MirakeH von Telethusa und Iphis angeführt, welches Ovid in den Metamorphosen erzählt (IX 666-797). Der Ehemann der schwangeren Telethusa hatte die Absicht bekundet, das erwartete Kind nur aufzuziehen, wenn es ein Knabe sei. Die Frau wendet sich bittflehend an Isis; diese erscheint ihr mit ihrem Gefolge·5 im Traum und spricht: „Laß die schweren Sorgen und umgehe den Befehl des Gatten; zögere nicht, das neugeborene Kind aufzuziehen, welches Geschlechts es auch sei. Ich bin die helfende Göttin, und wenn man mich erbittet, bringe ich Hilfe, und du wirst dich nicht darüber beklagen müssen, daß ich eine undankbare Göttin sei." 6 1

Der Praefectus Aegypti. Wo es ein berühmtes Isis- und Osirisfest gab und die Locke der Isis gezeigt wurde, s. § 183. 3 X 32,17-18 και φασί ποτε άνθρωπον ού των καταβαινόντων ές τό άδυτον, βέβηλον δέ, . . . είσελθείν ές τό άδυτον υπό πολυπραγμοσύνης τε καί τόλμης, καί ol πάντα άνάπλεα ειδώλων φαίνεσθαι· καί άναστρέψαι μέν αυτόν ές την Τιθορέαν, διηγησάμενον δέ, α έθεάσατο, άφειναι τήν ψυχήν. έοικότα δέ άνδρός ήκουσα Φοίνικος αγειν τήι "Ισιδι Αιγυπτίους τήν έορτήν, οτε αυτήν τον Όσιριν πενθείν λ έ γ ο υ σ ι . . . τότε ούν τον 'Ρωμαϊον, δς έπετέτραπτο Αΐγυπτον, άνδρα εφη χρήμασιν άναπείσαντα ές τό άδυτον καταπέμψαι της "Ισιδος τό έν Κόπτω· καί ό έσπεμφθείς άνέστρεψε μέν έκ του άδυτου, διηγησάμενον δέ, όπόσα έθεάσατο, καί τούτον αύτίκα έπυνθανόμην τελευτήσαι. 4 Vers 667 miracula. 5 Die Verse 686-694 mit der Beschreibung der Isisprozession werden in § 285 zitiert. 6 Verse 697-701 Pone graves curas mandataque falle mariti, nec dubita, cum te partu Lucina levarit, tollere quicquid erit. dea sum auxiliaris opemque exorata fero, nec te coluisse quereris ingratum numen. 2

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Telethusa entbindet im Freien; sie nennt das Kind Iphis. Es ist ein M ä d c h e n , aber sie gibt es als K n a b e n aus, und es gelingt ihr, dies dreizehn J a h r e lang vor dem G a t t e n zu verbergen. N u n aber verlobt der V a t e r Iphis mit einem schönen und reichen M ä d c h e n , und alles Hinauszögern nützt nichts, die Hochzeit ist auf den folgenden T a g angesetzt. Die unglückliche Telethusa geht mit ihrer Iphis in den Tempel der Isis und betet: „Sie löste das H a a r , umfaßte den Altar und sprach: ,Isis, die du dich in P a r a i t o n i o n aufhältst und an den Fluren des mareotischen Sees und a m Pharos und a m Nil, der sich in sieben M ü n dungen teilt, hilf uns und heile unsere Furcht. D i c h , G ö t t i n , dich und deine Kennzeichen habe ich einst e r b l i c k t , 1 und ich k e n n e 2 alles, die Gefährten, die Fackeln, den K l a n g der Sistren 3 , und deinen Befehl h a b e ich in treuem Sinn behalten. D a ß sie hier lebt, d a ß ich nicht mit Unglück geschlagen b i n 4 , das ist dein R a t und deine G a b e . H a b E r b a r m e n mit uns beiden und hilf uns.' A u f das Gebet folgten die Tränen.- 5 Es schien, als habe die Göttin ihren Altar geschüttelt, und sie hatte dies wirklich getan; die Tempeltüren schwankten,^ und die H ö r n e r (der Isis-Io-Statue) leuchteten, und das tönende Sistrum (in der H a n d der Statue) klapperte. So geht die M u t t e r aus dem T e m p e l , nicht ohne Sorge zwar, aber doch froh über die glückbringenden Z e i c h e n . Iphis folgt ihr - mit längerem Schritt als üblich; der M u n d ist nicht m e h r so g l a t t / die K r ä f t e w a c h s e n , das Gesicht selbst hat schärfere Z ü g e , die H a a r e sind kurz und u n g e k ä m m t , mehr Kraft ist da als bei einer Frau; denn du, der du gerade n o c h eine F r a u warst, bist nun ein junger M a n n . G e b t den T e m p e l n D a n k e s g a b e n , freut euch in einem V e r t r a u e n , 8 das keine Furcht mehr kennt! J a , sie geben den T e m p e l n D a n k e s g a b e n , und sie fügen a u c h eine Inschrift 9 hinzu, einen kurzen Vers: ,Diese G a b e , welche Iphis als F r a u gelobt hatte, löst er ein als M a n n . ' " 1 0

1 vidi kann religiösen Klang haben, s. Appuleius XI 23,7 nocte media vidi Soient. Gespräch mit dem Totenrichter Triptolemos im Pap. Antinoopolis 18 = M. Totti, Texte Nr. 65 [ούτε] την κόρην ειδον ή[ρπασμ]ένην οϋδέ τήν Δή[μητρα λε]λυπημένην, άλ[λ' ειδον τους νικηφόρους βα[σιλέας]. Oft im ägyptischen Totenbuch, ζ. Β. in Spruch 9 (Hornung S. 50) „Ich . . . habe meinen Vater Osiris geschaut." 2

Sehr oft im Totenbuch, ζ. B. Spruch 17, § 7, Zeile 39 (S. 61) „Ich kenne jenen großen Gott."

3

Ich folge im Vers 777 der Emendation von N. Heinsius.

4

So übersetze ich die Worte quod non ego

punior.

$ Gebetsweinen: Wenn keine Tränen der Inbrunst fließen, ist das Gebet nicht echt. ^ Ein kleines Erdbeben. 7 Es zeigt sich ein Flaum. 8

Fides klingt religiös.

Der verwandelte Iphis bezeugt seine Dankbarkeit durch eine Inschrift, die als Votivgabe aufgestellt wird. 9

Met. IX 7 7 2 - 7 9 4 et passis aram complexa capillis „Ist, Paraetonium Mareoticaque arva Pharonque quae colis et Septem digestum in cornua Nilum, 775 fer precor" inquit „opem nostroque medere timori, te dea te quondam tuaque haec insignia vidi cunctaque cognovi, comitesque facesque sonumque sistrorum, memorique animo tua iussa notavi, quod videt haec lucem, quod non ego punior, ecce 780 consilium munusque tuum est; miserere duarum 10

772

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18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen)

Durch die elegant fließenden, leichten Verse des Ovid scheint eine Erzählung mit aretalogischem Klang hindurch.

Eine Isis-Aretalogie in der Vita Aesopi § 405 Eine literarische Isis-Aretalogie findet sich auch in der Vita Aesopi. 1 Dort wird der stumme Sklave Aesop durch die Traumerscheinung einer Göttin geheilt, die in den Handschriften bald Isis und bald Tyche heißt. Aesop hatte einer Priesterin, 2 die sich verlaufen hatte, den Weg gewiesen; zum Dank hat die Priesterin zu ihrer Göttin gebetet und verlangt, daß dem gütigen Helfer die Sprache geschenkt werde. Von der Priesterin heißt es in einigen Handschriften, daß sie Dienerin der Artemis gewesen sei; in anderen, so in der ältesten Handschrift, ist sie Dienerin der Isis. Da die Erzählung in Amorion in Phrygien spielt, wo Artemis die traditionelle Göttin ist, wird es sich ursprünglich um eine Großtat der Artemis gehandelt haben, welche von den Isisanhängern annektiert wurde; Artemis war für sie ja einer der vielen Namen der Isis. § 406 Aus der Erzählung, wie sie uns jetzt vorliegt, seien wenige Einzelheiten herausgehoben: Von der Isispriesterin heißt es, daß sie als Mensch Haltung und Gewand der Göttin angenommen habe.3 Sie bittet Aesop, Mitleid mit ihr zu haben (έλεαν). 4 Aesop gibt ihr zu essen und zu trinken-5 und zeigt ihr den Weg.^ Als die Priesterin dann auf dem rechten Weg und allein ist, betet sie: „Diadem des ganzen Erdkreises, zehntausendnamige Isis, habe mit diesem Arbeiter, dem es so schlecht geht und der fromm ist, Mitleid, zum Dank für seine fromme Tat nicht mir gegenüber,

785

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auxilioque iuva. " lacrimae sunt verba secutae. visa dea est movisse suas, et moverai, aras, et templi tremuere fores, imitataque lunam cornua fulserunt, crepuitque sonabile sistrum. non secura quidem, fausto tarnen omine laeta mater abit templo: sequitur comes Iphis euntem, quam solita est maiore gradu, nec candor in ore permanet, et vires augentur, et acrior ipse est vultus, et incomptis brevior mensura capillis, plusque vigoris adest habuit quam femina. nam, quae femina nuper eras, puer es. date muñera templis nec timida gaudete fide, dant muñera templis, addunt et titulum; titulus breve carmen habebat: „Dona puer solvit quae femina voverat Iphis. "

1

Kap. 4 - 8 , auch bei M . Totti, Texte Nr. 18 (S. 56-59).

2

Wörtlich „Trägerin eines Götterbildes" (ίεροφόρος).

3

ò Αίσωπος . . . θεασάμενος τό της θ ε ο ί σχήμα ά ν θ ρ ώ π ω ι περικείμενον.

4

Bei Appuleius begrüßt Isis den Lucius mit den Worten: Ad aram misericordiae, 15,1). ^ Eine Art Kommunion. ^ Mehrfach wird das Wort δείκνυμι gebraucht.

Luci, venisti (XI

18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen)

223

sondern deinem Kleid . . . Schenke ihm wenigstens die Sprache; denn du bist ja imstande, auch das ins Dunkel Gestürzte wieder hervorzuholen." 1 Die Herrin Isis schenkte ihr G e h ö r t Als Aesop in der Mittagszeit ruhte, erschien sie-* und verlieh ihm die Sprache. Aesop erwachte und konnte sprechen. Er fragte sich: „Woher habe ich die Sprache erhalten? . . . Gewiß zum Dank dafür, daß ich gegen die Priesterin der Isis fromm gehandelt habe. Es ist also gut, fromm zu sein. Ich erwarte, daß ich von den Göttern die guten Hoffnungen (auf ein besseres Jenseits) erhalten w e r d e . " 4 Wenn richtig ist, daß diese Erzählung sich erst auf Artemis bezogen hat und auf Isis übertragen wurde, dann haben wir hier ein Beispiel, wie die religiösen Erzählungen, die Aretalogien, von einem Kult in einen anderen übertragen und neu erzählt wurden. 5 M a n darf sich den volkstümlichen Erzählvorrat als eine flutende Masse von Motiven und Sequenzen vorstellen, welche dem jeweiligen Bedürfnis angepaßt wurde. W i r schließen hier einige andere literarische Texte zum Ruhm der ägyptischen Götter an.

Der Sarapishymnus des Aristides; die Festrede aus Maroneia; Selbstoffenbarungen des Osiris und Karpokrates § 4 0 7 Im Kult sind gelegentlich Festredner aufgetreten, welche Gott in rhetorisch ausgefeilten Reden rühmten. Eine Rede des Aelius Aristides (or. 4 5 Keil) auf Sarapis ist erhalten. M a n nannte diese Festredner θεολόγοι, „Theologen" = Redner über Gott. In Maroneia an der Nordküste des ägäischen Meeres ist das Fragment einer Rede auf Isis auf Stein gefunden worden. 6 Der Redner war an den Augen erkrankt, ist von Isis geheilt worden und hält jetzt die Preisrede. Er stattet öffentlichen D a n k ab, rühmt im Anschluß an die „Selbstoffenbarung" die M a c h t der Isis und geht über zu den eleusinischen M y s t e r i e n ; 7 dann bricht der T e x t ab. 1 Kap. 5 ή ôè Ιεροφόρος . . . ειπεν „Διάδημα της ολης οικουμένης, Τ Ισι μυριώνυμε, έλέησον τόνδε τον έργάτην τον κακοκαθοΰντα τον ευσεβή άνθ' ών εύσέβησεν ουκ εις έμέ, δέσποινα, άλλ* εις τό σον σχήμα . . . τό γοϋν λαλειν αύτώι χάρισαι· δυνατή γάρ σύ και τά έν σκότει πεπτωκότα πάλιν είς φως προελέσθαι. "

2 ή Τ Ισις, ή κυρία, ΰπήκουσεν. 3

Kap. 7 ή κυρία τ Ισις παραγίνεται.

πόθεν ελαβον τό λαλειν;. . . πάντως άνθ' ών εΰσέβησα είς τήν ίεροφόρον της "Ισιδος· ώστε καλόν έστιν εύσεβεΐν. προσδέχομαι ουν θεών λήψεσθαι χρηστάς έλπίδας. Die „guten Hoffnungen" wurden bei den eleusinischen Mysterien verheißen (§ 1 0 9 ) . 4

5 M a n sehe ζ. B. das in Epidauros bezeugte Mirakel vom zerbrochenen und wieder geheilten Gefäß (Sylloge 3 1 1 6 8 Nr. X = I. G. I V 2 1, 1 2 1 Nr. X ) , welches bei Gregor von Tours (In gloria martyrum 4 5 , p. 5 1 8 / 9 Krusch) in christlicher Fassung erscheint (s. P. Perdrizet, A. R. W . 8, 1 9 0 5 , 3 0 5 - 3 0 9 und O. Weinreich, Ausgewählte Schriften I 8 7 - 8 9 ) . Die christliche Erzählung von Barlaam und Joasaphgeht zurück auf die Lebensbeschreibung des Gautama Buddha, und zwar wahrscheinlich auf dem Umweg über eine manichäische Erzählung. 6 Y . Grandjean, Une nouvelle arétalogie d'Isis à M a r o n é e ( E P R O 4 9 , 1 9 7 5 ) ; M . Tacheva-Hitova, Eastern Cults in Moesia Inferior and Thracia ( E P R O 9 5 , 1 9 8 3 ) 2 9 - 3 1 Nr. 5 0 ; M . Totti, T e x t e Nr. 1 9 ; S. E. G. 2 6 , 8 2 1 . 7

Ein Teil des Textes ist in § 1 1 2 zitiert.

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18 Traumdeuter - Beichtende - Erzähler (Aretalogen)

Diese Rede ist eine heidnische Predigt (ομιλία, sermo). § 408 Es sind uns noch zwei weitere Texte überliefert, welche Offenbarungsreden von Göttern enthalten und nach dem Muster der Selbstoffenbarung (s. Kap. 9) gestaltet sind. Sie sind von geringerer Bedeutung als der fast kanonische Isistext. Diodor überliefert im Anschluß an die Offenbarung der Isis einen ähnlichen, kürzeren Text, der mit den Worten „Ich bin Osiris" beginnt. 1 In einem Tempel der ägyptischen Götter zu Chalkis auf Euböa ist eine Inschrift gefunden worden, die mit den Worten „Ich bin Karpokrates " beginnt 2 und die zivilisatorischen Taten des jungen Gottes aufzählt.

1

Diodor I 27,5; M . Totti, Texte Nr. l b (S. 4). Vgl. die Studie von J. Bergman, Isis-Seele und Osiris-Ei (Acta Universitatis Upsaliensis, Historia religionum 4, 1970) 71-98. 2 Vidman Nr. 88; M . Totti, Texte Nr. 6. M a n hat auch diesen Text eine Aretalogie genannt; aber damit wird der Charakter des Stückes nicht getroffen, der keine spezielle Großtat (άρετή) des Harpokrates beschreibt, sondern allgemein sein Wesen offenbart.

19 Vier Hymnen des Mesomedes

πάντα δι' άνακτόρων "Ισιδι χορεύεται In den Mysterienräumen tanzt Alles für Isis Mesomedes

§ 409 Ein wichtiges Zeugnis für die Isis-Weihen ist der Isishymnus des P. Aelius Mesomedes. Der Dichter war in Kreta geboren, ist anscheinend als Kind an den Kaiserhof verkauft worden, 1 hat eine gute literarische Ausbildung erhalten und lebte als dichtender Freigelassener in der Umgebung Hadrians (117-138); er hat einen Hymnus auf den im Nil ertrunkenen Antinoos geschrieben, den Favoriten Hadrians. Uns sind 13 Gedichte des Mesomedes erhalten, darunter vier Götterhymnen. 2 Es sind literarische, keine kultischen Texte; aber eine Kenntnis der religiösen Zeremonien wird beim Leser vorausgesetzt. Die Hymnen auf Helios und auf Isis hängen zusammen. Wir besprechen auch die beiden Gedichte auf Physis (die Natur) und Nemesis; der religiöse Hintergrund ist derselbe. § 410

An Helios. Mesomedes besingt den Sonnenaufgang:

"Υμνος εις Ή λ ι ο ν

Hymnus an Helios

Εύφαμείτω πάς αιθήρ γη και πόντος και πνοιαί οϋρεα τέμπεα σιγάτω ήχοι φθόγγοι τ' ο ρ ν ί θ ω ν μέλλει γάρ π ο ρ θ ' ήμας βαίνειν Φοίβος άκερσεκόμας εύχαίτας.

Schweigen soll der ganze Äther, Erde, Meer und Winde; Berge und Täler sollen schweigen, (alle) Geräusche und Töne der Vögel;-' Phöbus der langgelockte, schönhaarige ist dabei, zu uns zu kommen.

χιονοβλεφάρου πάτερ Ά ο ΰ ς ροδόεσσαν ος αντυγα πώλων πτανοΐς υπ' ιχνεσσι διώκεις,

Vater der Aurora mit den kühltauenden Wimpern, der du auf dem rosigen Wagen der Pferde mit den geflügelten Füßen fährst,

1

Dies war nominell Sklaverei; aber Kinder armer Eltern, als Sklaven an den Kaiserhof verkauft, hatten dort ganz andere Chancen als in der Heimat. Ähnliches gilt für Antinoos und Epiktet. 2

Edition bei E. Heitsch, Dichterfragmente.

3 Für das Schweigegebot am Beginn vgl. § 369.

226

19 Vier H y m n e n des Mesomedes

10

χρυσέαισιν άγαλλόμενος κόμαις περί νώτον άπείριτον ούρανοϋ άκτίνα πολΰστροφον άμπλέκων, αιγλας πολυδερκέα π α γ ά ν περί γαϊαν ά π α σ α ν έλίσσων, ποταμοί δέ σέθεν πυρός άμβρότου τίκτουσιν έπήρατον άμέραν. σοι μέν χορός εΰδιος άστέρων κατ' Ό λ υ μ π ο ν ανακτα χορεύει άνετον μέλος αίέν άείδων Φοιβηίδι τερπόμενος λύραι γλαυκά δέ πάροικε Σελάνα χρόνον ώριον άγεμονεΰει λευκών υ π ό σΰρμασι μόσχων γάνυται δέ τέ σοι νόος ευμενής πολυείμονα κόσμον έλίσσων.

12 14

16 18

20 22 24

411

10 12 14 16

der du - stolz auf deine goldenen Haare um den unendlichen Rücken des Himmels deine Strahlen in vielen Windungen flichtst, und die alles erblickende Quelle des Glanzes in Spiralen über die ganze Erde führst; 1 die Ströme deines unsterblichen Feuers erzeugen den lieblichen Tag. Für dich tanzt der heitere Reigen der Sterne um Olympos, den Herrscher, und singt immer ein leichtes Lied voll Freude an der Leier des Phoibos; vor dir fährt die glänzende Luna zur rechten Zeit gezogen von den weißen Rindern; da erfreut sich dein freundlicher Geist, der das Weltall mit seinen vielen Gewändern im Spiralkreis dreht.

Der Isishymnus ist voll von Anspielungen auf die eleusinischen Mysterien.

Εις την Τσιν

An Isis

Εις ΰμνος άνά τε γάν άνά τε νηΰς άλιπόρους αδεται, πολυτρόποις εν τέλος έν όργίοις· ά βαϋΰκερως Τ Ισις άτ' έαρος θέρεος ατε χείματος άγει νεογόνους ήνίας. τέ καλεϋσι πυρ "Αιδος και χθόνιος ϋμέναιος, αί φυτών ώδινες, οί Κύπριδος ίμεροι, τέ νηπιάχου γονά, πυρ τέλεον άρρητον, οί 'Ρέας Κουρήτες ο τε Κρόνιος αμητος·

Ein einziger Hymnus wird über die Erde hin und auf den meerdurchfahrenden Schiffen gesungen, in den vielgestaltigen,hochgemuten Festen eine einzige Mysterienweihe: Isis mit dem großen Kuhhorn ist es, die im Frühling, die in der Erntezeit, die im Winter 2 mit ihren Zügeln die neuen Geburten heraufführt. Dich rufen (verehrend) an der Feuerritus des Hades und die Hochzeit unter der Erde, die Geburtswehen der Pflanzen, der sehnsüchtige Drang der Liebesgöttin, die Geburt des Kindes, das weihevolle Feuer, von dem man nicht sprechen darf, die Kureten (Tänzer) der Rhea, und das, was Kronos abgemäht hat.

1 Vgl. in § 381 den Vers 3 = P. G. M. IV 4 3 8 (άμφιελίσσων), auch das Orakel des Ammon über die Zukunft von Alexandria bei Ps. Kall. I 30,6 und 33,2 (p. 27,24 und 33,16 Kroll) ά τ έ ρ μ ο ν α κ ό σ μ ο ν έλίσσων. Immer wird darauf hingewiesen, daß die Sonne ihren Weg bald höher, bald tiefer am Horizont nimmt und so einen spiralförmigen Weg vollführt. 2

Es wird die ägyptische Einteilung des Jahres vorausgesetzt (drei Jahreszeiten zu je vier Monaten).

19 Vier Hymnen des Mesomedes

αστεα διφρήλατα 18

πάντα δι' άνακτόρων "Ισιδι χορεύεται.

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Alle Städte, durch die (Triptolemos) mit dem Wagen fährt, tanzen in den Weihehäusern für Isis.

In den Versen 1 - 8 wird gesagt, daß die Hymnen an alle Götter, ob sie zu Land oder zur See gesungen werden, zum Preis der Einen Göttin gesungen werden, und daß alle Mysterienweihen (τέλος), die in hochgemuter Stimmung (οργιά) begangen werden, eben dieser Isis gelten. Die Verse 9 - 1 7 beziehen sich nicht auf den Mythos und den Kult der Isis, sondern den der Demeter und ihrer Tochter Kore-Persephone, der im Weihehaus (άνάκτορον) zu Eleusis rituell wiederholt wurde. 1 Im Vers 10 wird mit der „Hochzeit unter der Erde" auf den Mythos vom Raub der Persephone angespielt, die von Hades-Pluton zur Hochzeit ins Totenreich entführt wird; in der mit dem Mythos korrespondierenden Realität bedeutet dies die Aussaat, das Unter-die-Erde-Bringen des Saatkorns. Es folgen die „Geburtswehen der Pflanzen" (Vers 11). Bei den Menschen entspricht der „sehnsüchtige Drang der Liebesgöttin" (Vers 12). Es folgt die Geburt des Kindes (Vers 13) - beim Korn, bei den Menschen, bei der Göttin, und alles geschieht in einer Feuerzeremonie, von der man nicht sprechen darf und die sich auf eine Weihe bezieht (Verse 9 und 14). Welche Bedeutung die Kureten der Rhea (in Vers 15) haben, weiß ich nicht; vielleicht haben sie einen Freudentanz um das neugeborene Kind vollführt, wie sie ihn nach dem Mythos früher um das Zeuskind (und auch um Dionysos-Zagreus) getanzt haben. In Vers 16 wird dann erwähnt, „was Kronos abgemäht hat". Da Kronos ein Saat- und Erntegott gewesen ist, wird man diese Worte auf die eleusinische Zeremonie beziehen, über welche der Christ Hippolytos berichtet: „Wenn die Athener die eleusinische Weihe vollführen, zeigen sie den .Schauenden' (den Initianden) schweigend das große, bewundernswerte 2 , allerhöchste Mysterium der Schauenden, eine geerntete Ähre . . . Wenn der .Vorzeiger des Heiligen' (der Priester) nachts in Eleusis mit einem großen Feuer die großen Mysterien, von denen man nicht sprechen darf, vollzieht, dann ruft, ja schreit er laut: .Die Herrin Brimo (.die Gewaltige') hat den heiligen Knaben Brimos (.den Gewaltigen') geboren.'" 3

1 Dabei braucht man sich nicht vorzustellen, daß in Eleusis der ganze Mythos theatralisch durchgespielt wurde; vielmehr genügten kurze Andeutungen, um bei den Eingeweihten die Erinnerung an ganze mythische Szenen hervorzurufen. Das Verständnis des Mesomedes-Gedichts ist erst durch zwei Bemerkungen W. Burkerts möglich geworden: Die Städte in Vers 17 beziehen sich auf die Wagenfahrt des Triptolemos über die Erde hin, und das Wort άνάκτορα in Vers 18 erinnert an das Weihehaus (den „Palast") der Demeter zu Eleusis; s. „Homo necans" 320 Anm. 79 und „Antike Mysterien" 123 (Anm. 117) und 125 (Anm. 22). 2 3

Der Christ meint das spöttisch.

Hippolytos, Elenchos V 8 , 3 9 - 4 0 (p. 9 6 , 1 0 - 1 8 Wendland) 'Αθηναίοι μυοΰντες 'Ελευσίνια και έπιδεικνύντες τοις έποπτεύουσι τό μέγα και θαυμαστό ν και τελειότατον έποπτικόν εκεί μυστήριον έν σιωπήι, τεθερισμένον στάχυν . . . αυτός ό Ιεροφάντης . . . νυκτός έν Έλευσΐνι ΰπό πολλώι πυρί τελών τά μεγάλα και άρρητα μυστήρια βοάι και κέκραγε λέγων· Ιερόν ετεκε πότνια κοϋρον Βριμώ Βριμόν. Kurz danach wird auch „Eleusis und das Weihehaus (άνακτόριον)" erwähnt (p. 96,21 und 23).

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19 Vier Hymnen des Mesomedes

Vers 17 weist auf Triptolemos, den Demeter in alle Städte ausgesandt hat, die Menschen den Ackerbau zu lehren. Nach seinem Tod ist Triptolemos unter die Totenrichter versetzt worden. 1 Mesomedes schildert also eine Sequenz mythisch-ritueller Vorstellungen, die für Eleusis bezeugt sind. Aber sein Gedicht richtet sich an Isis. Isis und Demeter sind verschiedene Namen derselben Göttin, und seitdem Triptolemos allen Menschen den Ackerbau gebracht hat, sind alle Feste der Ackerbauer über die ganze Welt hin Feste der Demeter-Isis. Wahrscheinlich darf man noch weiter gehen und vermuten, daß die eleusinische Sequenz der Demetermythen und -riten auch in Alexandria gefeiert worden ist; eine Vorstadt der ägyptischen Kapitale hieß ja Eleusis. Drei der von Mesomedes berührten Episoden sind für Alexandria bezeugt: - Die Ausfahrt des Triptolemos ist auf alexandrinischen Münzen dargestellt, s. Abb. 235/236. - In einem Papyrus wird Triptolemos als Totenrichter angerufen. 2 - Die Geburt des Kindes (Vers 13 νηπιάχου γονά) ist in Eleusis und Alexandria gefeiert worden; wenn man in Eleusis rief: „Die Herrin Brimo hat den Knaben Brimos geboren", wobei Brimo ein Beiname der Kore-Persephone war, so rief man in Alexandria: „Heute hat Kore den Aion geboren". 3 § 412 Dem Hymnus an Physis (Natura) liegt die Vorstellung von einer Stufenfolge der göttlichen Wesen zugrunde. Die oberste, unsichtbare und unbenennbare Gottheit wird hier mit dem Namen Rhea bezeichnet. Den Menschen sind kenntlich der Sonnengott, der auch die Namen Helios, Apollon, Paean, Dionysos und Aion (Ewigkeit) trägt, und Physis-Natura. Helios-Aion ist - im Gegensatz zur obersten Gottheit - materiell, aber ewig; Natura ist das Prinzip des Werdens und Vergehens, 4 die Göttin des sichtbaren Kosmos. Sie allein kann den Zugang zum Allgott vermitteln, so wie man den Kaiser nur durch die Vermittlung seiner Minister erreichen kann. Für das Nebeneinander von Physis-Natura und Aion ist der Bericht des Christen Athenagoras über die heidnische Theologie zu vergleichen. Nach ihm sagen die heidnischen Schriftsteller über Isis, sie sei die „Physis" (Natura) „des Aion, aus der alle entstanden sind und durch welche alle existieren". 5 M a n darf paraphrasieren: Die sichtbare Ewigkeit (Aion) besteht, weil durch stetes Wachsen (φΰω, Physis) und durch stetes Geboren-Werden (Natura zu nasci), aber auch durch stetes Vergehen, der Kosmos immer gleich bleibt. Physis-Natura ist Isis. Εις την Φ ΰ σ ι ν Π υ ϋ α γ ό ρ ο υ

An Natura, (in der Weise) des Pythagoras

Ά ρ χ ά και πάντων γέννα,

Beginn und Entstehung (natura) von allem,

1

Piaton, Apologie 41A; Cicero, Tusc. I 98.

2

Pap. Antinoopolis Nr. 18 = M. Totti, Texte Nr. 65.

3 σήμερον ή Κόρη έγέννησε τόν Αιώνα. Für den ganzen Text (Epiphanios, Panarion 51,22,8-10) s. § 353. Aion genoß auch in Eleusis einen Kult, s. Sylloge^ 1125. 4

Sie ist wohl zur Mondgöttin in Beziehung gesetzt, dem Symbol für Werden und Vergehen am Him-

mel. 5 Supplicatio (Bittgesandtschaft, πρεσβεία) pro Christianis, an den Kaiser gerichtet; Kap. 2 2 , 5 - 6 ol συγγραψάμενοι. . . περί της "Ισιδος, ήν Φύσιν Αιώνος, έ | ης πάντες εφυσαν και δι' ης πάντες είσίν, λέγσυσιν.

1 9 Vier Hymnen des Mesomedes

2

πρεσβίστα κόσμου μάτερ, και νύξ και φως και σιγά, α φρουρεΐς πάντα(ς) μύθ(ους), 1 ήδ' άγγέλλεις τους Ζηνός παΐδας κυδίστηι'Ρείηι, δέχει γαρ πάντας μύθους μειλικτούς άνδρών εργοις.

4 6 8

και μοι πρώτον μέν ψυχά όρθάν βαίνοι πρός γραμμάν άψευδεί γλώσσης ρύμηι γυίων αύθις δ' ασκηθείς γόμφοι τ' ειεν και ταρσοί ζωας ές μέτρον τασδε.

10 12 14

22

συ δ' ώ λαμπραις άκτΐσιν γαΐαν πασαν πυρσεύων Α ι ώ ν άσβεστων φλογμών, ταΐς σαΐς δέρκευ με γλήναις ολβον χεΰων ευαγή τώι σώι, Παιάν, βακχευται, εις σέ ζωάν γάρ τείνω γυίοις ένναίων ρευστοϊς·

24

οικτειρον τόσσον, Τιτάν, ανθρώπου δειλού δεσμόν.

16 18 20

229

älteste Mutter des Kosmos, Nacht und Licht und Schweigen, die du alle Worte bewahrst, die du die Kinder des Z e u s 2 anmeldest bei der erhabensten Rhea;^ denn du nimmst alle Worte entgegen, so daß sie für die Werke der Menschen gnädig beschieden werden. So möge erstens meine Seele auf gerader Linie schreiten in wahrhaftigem Schwung der Zunge; weiter mögen unversehrt sein die Gelenke und die Glieder 4 auf die Zeit dieses Lebens. Aber du, der du mit deinen hellen Strahlen die ganze Erde erleuchtest (Helios), Aion (Ewigkeit) der unlöschbaren Strahlen, blicke auf mich mit deinen Augen und gieße frommen Segen aus für deinen Bakchos-Diener, Paean (Apollon). Denn nach dir richte ich das Leben aus, solange ich in den vergänglichen Gliedern wohne; habe soviel Mitleid, 5 Titan (Helios), mit dieser großen Fessel des armen Menschen.

§ 4 1 3 An Nemesis. „Nemesis" heißt etwa „Zuteilerin", und die Vorstellung war, daß die Göttin Gutes und Böses im Wechsel zuteile, daß sie gerade den Erfolgreichen zu Fall bringe. M a n konnte sie als eine Göttin auffassen, welche dem Menschen das Glück neidet. Ihr Symbol war das sich drehende Rad, und jeder Wagenlenker, besonders die Rennfahrer, mußten sich vorsehen, daß kein Rad breche. Andererseits konnte gerade sie auch gegen Neid und bösen Blick schützen: W e n n man dem Übel entgegenspuckte, konnte man es abwehren; um dieses Spucken zu verbergen, sollte man das Gewand hochziehen, den Kopf etwas neigen und dann ins Innere des eigenen Gewandes spucken. In diesem Gestus wird Nemesis oft dargestellt. Nemesis hatte Beziehungen zu Tyche-Fortuna. Sie galt auch als Göttin der Gerechtigkeit (Dike, Justifia) oder als deren Helferin. Ihr Attribut war die Waage; sie konnte einer der Waagschalen den Ausschlag nach unten (ροπή) geben. Ferner führte sie die Elle als Symbol des rechten Maßes. 1

Lesung unsicher; auch μίι(στας) ist erwägenswert. Überliefert ist μυθε.

2

Die Götter; auch sie werden nur nach Anmeldung vorgelassen.

^ Rhea scheint hier einer der N a m e n der obersten Gottheit. Im Vers 1 5 des Isishymnus werden die Kureten der Rhea genannt. 4

Wörtlich: die Pflöcke der Glieder und die Hand- und Fußflächen.

5

Isis hat die Menschen das Mitleid gelehrt, s. Zeile 3 6 der Selbstoffenbarung.

230

19 Vier Hymnen des Mesomedes

Alle diese Eigenschaften kommen denen der Isis sehr nahe, besonders, wenn man an die ägyptische Göttin der Waage, Ma'at, denkt. Wie alle anderen Göttinnen ist auch Nemesis mit Isis geglichen worden, s. § 168. "Υμνος εις Νέμεσιν

2

ζυγόν μετά χείρα κρατούσα. ϊλαθι, μάκαιρα, δικασπόλε Νέμεσι πτερόεσσα βίου ροπά.

Geflügelte Nemesis, Umschwung des Lebens, dunkeläugige Göttin, Tochter der Justitia, die du dem hochfahrenden Schnauben der Menschen mit ehernem Zügel Einhalt gebietest, und voll H a ß auf den verderblichen Hochmut der Menschen den schwarzen Neid vertreibst. Unter deinem Rad, das nie stillsteht und auf das keiner treten kann, dreht sich die wildfunkelnde Fortuna der Menschen unerkannt schreitest du neben ihm und beugst den Nacken dem Hochfahrenden. Mit der Elle missest du stets die Lebensführung. Stets neigst du das Gesicht unter den Gewandbausch und hältst die Waage in der Hand. Sei gnädig, Selige, Richterin, geflügelte Nemesis, Umschwung des Lebens.

Νέμεσιν θεόν αδομεν άφθιταν Νίκην τανυσίπτερον δμβριμαν νημερτέα και πάρεδρον Δίκας, α τάν μεγαλανορίαν βροτών νεμεσώσα φέρεις κατά τάρταρον.

Wir besingen Nemesis, die unvergängliche Göttin, die gewaltige Victoria, die ihre Flügel ausbreitet, die wahrhaftige, die Beisitzerin der Justitia, die du den hochfahrenden Stolz der Menschen Übles zuteilend in den Tartarus hinabführst.

Νέμεσι πτερόεσσα, βίου ροπά, κυανώπι θεά, θύγατερ Δίκας, α κοΰφα φρυάγματα ϋ ν α τ ώ ν

4

επέχεις άδάμαντι χαλινώι, εχθουσα δ' ΰβριν όλοάν βροτών

6

μέλανα φϋόνον έκτος έλαΰνεις, υπό σον τρόχον άστατον άστιβή

8

χ α ρ ο π ά μερόπων στρέφεται τύχα, λήθουσα δε πάρ π ό δ α βαίνεις, γαυρούμενον αυχένα κλίνεις. υπό πήχυν άεί βίοτον μετρεΐς, νεΰεις δ' υπό κόλπον δφρυν άεί

10 12

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Hymnus an Nemesis

20 Interpretatio Aegyptiaca

(Νείλωι — ) τώι πάρα ναιεχάουσιν άριπρεπέων γένος ανδρών, οϊ πρώτοι βιότοιο διεστήσαντο κελεύθους, πρώτοι δ' ίμερόεντος επειρήθησαν άροτρου, και σπόρον ιθυτάτης υπέρ αύλακος άπλώσαντο, πρώτοι δέ γραμμηισι πόλον διεμετρήσαντο θυμώι φρασσάμενοι λοξόν δρόμον ήελίοιο Der Nil, an dem das Geschlecht jener vorzüglichen Menschen lebt, die als erste die Wege gewiesen haben sich zu ernähren, als erste den herrlichen Pflug erprobt und das Saatkorn über der schnurgeraden Furche ausgestreut haben, die als erste das Himmelsrund nach Abschnitten vermessen und in ihrem Sinn den schrägen Lauf der Sonne erkannt haben Dionysios Periegetes 2 3 2 - 2 3 7

Orpheus - Pythagoras - Platon § 414 Wir haben in Kap. 4 gesehen, daß Herodot die ägyptischen und griechischen Götter ohne weiteres gleichsetzt: Isis ist für ihn dieselbe Göttin wie die Griechin Demeter, Osiris ist Dionysos, Horos ist Apollon. Wir nennen dieses Verfahren „Interpretatio Graeca", Interpretation der fremden (ägyptischen, skythischen, persischen usw.) Götter nach den Gegebenheiten der griechischen Religion. Daneben steht das umgekehrte Phänomen, die Interpretation der griechischen Traditionen in Religion, Philosophie, Wissenschaft von ägyptischem Blickwinkel: Aus dieser Sicht ist fast die ganze griechische Kultur aus Ägypten importiert und von Ägypten her zu verstehen. So hat Herodot gesagt, die orphischen und pythagoreischen Lehren seien aus Ägypten nach Griechenland gekommen (s. § 105). Diese Gedankengänge, die zunächst von Griechen formuliert wurden, sind in späthellenistischer Zeit von den Ägyptern aufgegriffen worden; sie haben nach und nach versucht, einen großen Teil der griechischen Mythologie aus ägyptischen Traditionen abzuleiten. Ein guter Teil der griechischen Vorstellungen von der Unterwelt und von Mythen wie die von Perseus und Andromeda wurden nun von Ägypten her erklärt: „Interpretatio Aegyptiaca". M a n war schon in hellenistischer Zeit davon überzeugt, daß die Griechen wesentliche Elemente ihrer Kultur aus Ägypten übernommen hätten.

232

2 0 Interpretatio Aegyptiaca

So referiert Diodor (I 9 6 - 9 7 ) die Behauptungen der ägyptischen Priester, Orpheus, Musaios, Melampus, Daidalos, Homer, Lykurg, Solon, Platon, Pythagoras, Demokrit und die Mathematiker und Astronomen Eudoxos und Oinopides1 seien alle in Ägypten gewesen; aus dem Land am Nil hätten sie jene Lehren mitgebracht, die sie bei den Griechen berühmt machten. In I 2 9 erzählt Diodor, daß Erechtheus die eleusinischen Mysterien aus Ägypten eingeführt habe (s. § 111). Plutarch 2 stellt fest, daß die weisesten der Griechen - Solon, Thaies, Piaton, Eudoxos, Pythagoras, Lykurg - in Ägypten gewesen seien und von den ägyptischen Priestern gelernt hätten. Auch Strabon 3 berichtet vom Aufenthalt des Piaton und Eudoxos in Ägypten. Die späteren antiken Schriftsteller haben nicht den geringsten Zweifel daran, daß Pythagoras 4 und Platon 5 in Ägypten gewesen sind und einen wesentlichen Teil ihrer Lehren den Ägyptern verdanken.

Das Jenseits nach Diodor § 415 Diodor (I 9 6 - 9 7 ) folgt ägyptischen Priestern und sagt, Orpheus habe die mystischen Weihen und die Mythen über die Dinge in der Unterwelt aus Ägypten mitgebracht;^ denn was er über Dionysos und Demeter erzähle, sei dasselbe, was die Ägypter über Osiris und Demeter berichteten. Die Strafen der Unfrommen, die Gefilde der Seligen und die bei vielen umlaufenden Geschichten über die Scheinbilder7 habe er in Nachahmung der ägyptischen Bestattungsriten eingeführt: § 416 Bei der Bestattung des Apis-Stiers in Ägypten führe nach altem Brauch der Seelengeleiter Hermes den Leib des Stiers bis zu einem gewissen Punkt und übergebe ihn dann demjenigen (Priester), welcher die Maske des Kerberos trage (Anubis). Nachdem Orpheus dies bei den Griechen einführte, habe Homer im letzten Buch der Odyssee beschrieben, wie Hermes die toten Freier in den Hades führte (24 1-2, 11-14): Έρμης δέ ψυχάς Κυλλήνιος έξεκαλεΐτο ανδρών μνηστήρων, εχε δέ ράβδον μετά χερσίν . . . παρ δ1 ϊσαν Ώκεανοΰ τε ροάς και Λευκάδα πέτρην, ήδέ παρ' Ήελίοιο πύλας και δήμον 'Ονείρων ήϊσαν αΐψα δ' ϊκοντο κατ' άσφοδελόν λειμώνα, ενθα τε ναίουσι ψυχαί, είδωλα καμόντων. 1 Oinopides von Chios hat die Neigung der Ekliptik bestimmt ( λ ο ξ ό ν δ ρ ό μ ο ν ήελίοιο in dem oben zitierten Vers des Dionysios Periegetes). 2

De Iside Kap. 1 0 .

3

X V I I 1 , 2 9 p. 8 0 6 C.

Vgl. Isokrates, Busiris 2 8 / 9 ; Justin X X 4; Porphyrios, Vita Pyth. 6 - 8 ; Iamblich, Vita Pyth. 1 2 - 2 0 und im Brief des Abammon an Porphyrios I 1. 4

5 Cicero, De re pubi. I 1 6 ; De finibus V 8 7 ; Appuleius, De Platone I 3; Diogenes Laertios III 6; Olympiodor, Vita Piatonis 5.

6 Dies sagt Diodor auch in I 2 3 und IV 2 5 . Vgl. auch Plutarch fr. 2 1 2 Sandbach aus Theodoret, Graec. affect, curatio I 2 1 (p. 1 0 , 1 0 - 1 6 Raeder, p. 1 0 8 - 1 0 9 Canivet). 7

Begriffe, auf welche Diodor im nachfolgenden wieder zurückkommt, sind kursiv gedruckt.

2 0 Interpretatio Aegyptiaca

233

„Hermes vom (Berg) Kyllene rief die Seelen der Freier heraus, er hielt in der Hand den Stab . . . Sie schritten vorbei am Fluß des Okeanos und am leukadischen Felsen, und an den Pforten des Helios und dem Volk der Träume gingen sie vorbei; und rasch gelangten sie zur Asphodelos-

Wiese, wo die Seelen wohnen, die Scheinbilder1 der Toten. "

All dies, so sagen die ägyptischen Priester, sei voll von Reminiszenzen an Gegebenheiten, die in Ägypten wirklich vorhanden seien: (a) Der Fluß Okeanos sei bei den Ägyptern das Urgewässer Nun, und dieses sei mit dem Nil identisch; es sei also von einer Überfahrt über den Nil die Rede; (b) mit den Pforten des Helios sei die Stadt Heliopolis gemeint; (c) die Wiese, auf welcher die Seelen der Toten wohnen, sei der Platz am „acherusischen See", der sich in der Nähe von Memphis befinde, wo es wunderbar schöne Wiesen, Sümpfe, Lotosblumen und Binsen 2 gebe; und es sei ganz richtig, daß dort die Toten wohnen, denn dort seien die schönsten Grabstätten der Ägypter, und die Toten würden dorthin übergesetzt über den Fluß und den acherusischen See. § 4 1 7 Die Toten würden bei den Ägyptern noch heute wirklich auf einem Nachen über den Nil gesetzt, während das Übersetzen bei den Griechen nur Mythologie sei; der Nachen hieße ägyptisch βάρις 3 , man gebe dem Fährmann eine Münze als Lohn, und der Fährmann heiße in ägyptischer Sprache „ Charon". 4 § 4 1 8 In der Gegend von Memphis gebe es auch die Pforten des Kokytos (des Jammerflusses) und der Lethe (des Stroms des Vergessens). 5 § 4 1 9 In „Akanthon Polis" (Akazienstadt), 120 Stadien (ca. 25 km) westlich von Memphis, befinde sich ein Faß mit Löchern, zu dem die ägyptischen Priester an jedem Tag aus dem Nil Wasser brächten: dies sei die Wirklichkeit hinter dem griechischen Mythos von den Danaiden, den Mädchen aus Ägypten, welche nach der griechischen Erzählung im Jenseits immer wieder Wasser in ein Faß mit Löchern schöpfen müssen. § 4 2 0 Auch die Geschichte von Oknos, dem Seilflechter, sei ägyptisch. Der unglückliche Alte muß nach der griechischen Erzählung auf Ewigkeit ein Seil flechten, welches ein Esel, der hinter seinem Rücken steht, wieder auffrißt. In Ägypten finde sich die Realität: Bei einem großen Fest in der Nähe von Akanthon Polis müsse ein Mann ein Seil flechten, und viele Männer, die hinter ihm stünden, lösten das Seil immer wieder auf.^ 1

Dies bezieht sich auf die vorher genannten „Geschichten über die Scheinbilder".

Das Binsengefilde als Ort der Seligkeit für den Toten kommt im Totenbuch oft vor, s. das Register zu Hornungs Übersetzung. Es entspricht dem Elysium der Griechen. 2

3

βααρε bei Westendorf, Kopt. Handwörterbuch 2 6 ; P. G. M . V 1 7 5 , VII 6 1 8 , XIII 1 5 3 usw. βάρις.

4

Westendorf 5 1 verzeichnet eine F o r m „Dschiaar" für „ F ä h r e " , „ F ä h r m a n n " .

5 Die Pforten der Lethe und des Kokytos bei Memphis erwähnt auch Plutarch (Kap. 2 9 ) . Es besteht kein Zweifel, daß es Tore dieses Namens in der Spätzeit tatsächlich gegeben hat.

^ Die Geschichte von Oknos, dem Seilflechter, ist in das Repertoire der ägyptischen Geschichtenerzähler übergegangen; sie findet sich in der demotischen Erzählung von Setom-Chamwese und Si-Osire (p. 2 ) , s. E. Brunner-Traut, Altägyptische Märchen Nr. 3 5 und 3 6 (S. 2 2 1 - 2 6 4 ) und M . Lichtheim III 1 4 1 . In der Erzählung steht auch eine ägyptische Variante zum Mythos des Tantalos.

234

20 Interpretatio Aegyptiaca

Ein Grabmonument aus Abydos § 421 Die Vorstellung nun, daß die griechischen Unterweltmythen in Ägypten lokalisiert werden müßten, findet sich auch in einem griechischen Grabepigramm aus Abydos. 1 Ein 16jähriger Mann aus Lykopolis namens Apollos ist in Alexandria gestorben. Die Eltern haben ihn in Abydos begraben und dort seine Grabstele aufgestellt. In Abydos war auch das heilige Haupt des Osiris bestattet, und eine Bestattung an diesem Ort bedeutete, daß der Tote in den herrlichen Gefilden weiterlebte, welche jenen Frommen vorbehalten waren, die vor dem Gericht des Totenrichters freigesprochen worden waren. Auf der Stele (Abb. 193) ist Anubis abgebildet, der den noch nicht ganz ausgewachsenen Apollos vor Osiris führt; im Giebel der Stele eine geflügelte Sonnenscheibe und zwei heilige Schlangen, beides Symbole der Wiedergeburt. Unter den Figuren steht : πατρίς μέν μοί εστι Λύκων πόλις, ειμί δ' Άπολλ[ώς], έν Φαρίηι γαίηι θυμό ν άποφθίμενος νήπιος· ήρπάσθην δ' έκκαιδεκάτου ένιαυτοΰ έκτον άωροσύνης μήνα παρερχόμενος' νυν δ' Ά β υ δ η ν α ί ο υ τον Όσείριδος άμφιπολεύω θώκον, και φθιμένων ουκ έπάτησα δόμους, α θ α ν ά τ ω ν και τέκνα μεμορμένον οιτον έπέσ[πεν], άλλ' οικεί μακάρων ήλύσιον π ε δ ί ο ν ενθ' άμα παισί θεών με φ[έρ]ων Κυλλήνιος Έ ρ μ η ς ίδρυσε, και Λήθης ουκ επιον λιβάδα. „Meine Heimat ist Lykopolis; ich heiße Apollos und bin als Kind auf der Erde des Pharos (in Alexandria) gestorben. Ich wurde hinweggerafft in meinem sechzehnten Lebensjahr, als ich nur noch sechs Monate des Nicht-Erwachsenseins vor mir hatte. 2 Jetzt halte ich mich auf beim Sitz des Osiris von Abydos; ich habe die Häuser der Toten nicht betreten. Auch die Kinder der Unsterblichen haben erlitten, was ihnen vom Schicksal bestimmt war; aber sie bewohnen die elysischen Gefilde der Seligen; 3 dorthin, zu den Kindern der Götter, hat Hermes von Kyllene mich gebracht und niedergesetzt. Das Wasser der Lethe (des Vergessens) habe ich nicht getrunken." Das Bemerkenswerte an diesem Monument ist, daß der griechische Seelenführer, Hermes vom Kyllene-Berg, im Epigramm und der ägyptische Seelenführer Anubis auf dem zugehörigen Relief als identisch aufgefaßt werden. Auch das elysische Gefilde der Griechen ist mit den glücklichen Gegenden der ägyptischen Unterweltsvorstellungen gleichgesetzt; es befindet sich hier in der Totenstadt von Abydos. Dorthin sind auch die beiden Quellen der orphischen Jenseitslehre, die Quelle der Erinnerung (Μνημοσύνη) und des Vergessens (Λήθη) versetzt.

1 S. die Bemerkungen von E. Bernand, Inscr. métr. 73 und Inscr. grecques du Louvre 93. Ganz ähnlich, ebenfalls aus Abydos, die Stele mit dem Epigramm 74 Bernand = Inscr. grecques du Louvre 94. 2 Wörtlich: „Nachdem ich in meinem sechzehnten Jahr den sechsten M o n a t des άωρος-Seins hinter mich gebracht hatte." 3

Der Vers erinnert an Odyssee 4, 563-569.

2 0 Interpretatio Aegyptiaca

235

Die ägyptischen Priester haben wirklich behauptet, die griechischen Jenseitsvorstellungen stammten aus Ägypten und die Plätze selbst seien in Ägypten nachweisbar, und man glaubte ihnen.

Seelenwanderung; Rückkehr der Seele in die himmlische Heimat § 422 Wenn man aber der Ansicht war, daß Orpheus seine Lehren aus Ägypten nach Griechenland gebracht habe, dann galt dies auch für seine wichtigste Lehre, die Seelenwanderung: Die Seelen stammen aus der Region des Himmels, von den Sternen. Sie stürzen von dort herab und gehen in Körper ein. Wenn die Leiber sterben, kommen die unsterblichen Seelen entweder zurück in die Sternensphären oder in eine Unterwelt oder an einen Ort der Läuterung in der Luft. Von dort kehren sie in regelmäßigem Kreislauf wieder auf die Erde, in die Körper zurück. Da viele Elemente der orphischen Lehre von Piaton übernommen waren, hat man in hellenistisch-römischer Zeit auch die Hauptlehren der platonischen Philosophie auf die ägyptische Religion zurückgeführt. So heißt es in dem Grabepigramm auf die Isispriesterin Dionysia aus Megalopolis in der Peloponnes, daß sie zu den Sternen aufgestiegen sei. 1 Damit war der Weg frei zu Spekulationen: M a n hat die wesentlichen Lehren der platonischen Philosophie in die Mythen und Riten der Isis-Sarapis-Religion hineininterpretiert. Es sei daran erinnert, daß auch die Religion der Christen in hohem M a ß von platonischen Vorstellungen durchdrungen worden ist. 2 Ein wichtiges Werkzeug für diese Spekulationen war die allegorische Interpretation der griechischen Mythen, welche die stoischen Philosophen begründet hatten. Mit diesem Mittel konnte man allen Mythen und Riten fast jede beliebige Interpretation unterlegen. 3 Dem modernen Leser ist all dies verdächtig. Die Ällegoresen sind weitgehend falsch. Die Ägypter haben keine Seelenwanderungslehre gekannt und haben nicht über den Sturz der Seele in die Materie spekuliert. Aber wenn diese Rückführung orphischer und platonischer Lehren auch falsch ist, so ist sie doch gleichzeitig ein historisches Faktum: Man hat behauptet, die Lehren des Orpheus und Piaton seien ägyptisch. Wir müssen, wenn wir die spätantiken Religionen verstehen wollen, mit dieser Tatsache rechnen. Es steht hiermit nicht anders als mit der Astronomie: Das ptolemäische Weltsystem ist falsch; aber um die antiken Texte zu verstehen, müssen wir dieses System voraussetzen.

Ägyptisierende Interpretation griechischer Mythen § 423 Wir stehen vor einem Pan-Ägyptizismus: Alles (oder fast alles) wird ägyptisch gedeutet. Wenn das Grundmuster der hellenistischen Periode als Durchdringung der Länder des Orients mit griechischen Ideen beschrieben werden kann, so liegt hier ein entgegengesetztes

1

Vidman 4 2 , 1 4 άστρ' εβα (I. G. V 2, 4 7 2 ; W. Peek, Griechische Vers-Inschriften 1163).

2

E. Hatch, The Influence of Greek Ideas on Christianity (1890); Ch. Bigg, The Christian Platonists of Alexandria (Oxford 1886). 3

Die christlichen Schriftsteller haben dieselben Wege beschritten.

236

2 0 Interpretatio Aegyptiaca

Phänomen vor: Die griechische Kultur, die griechische Religion, die griechischen Mythen werden aus dem Orient abgeleitet, allerdings mit Mitteln, welche erst die griechische Philosophie bereitgestellt hatte; so daß auch der hier beschriebene Pan-Ägyptizismus im Resultat auf eine Hellenisierung der ägyptischen Religion hinausläuft. Die meisten Belege für diese Rückführung griechischer Mythen auf ägyptische Vorstellungen finden sich in Wandgemälden Pompeis. Eine ganze Reihe griechischer Mythen wurde von einem ägyptischen Vorverständnis her interpretiert. Solche ägyptisierenden Deutungen kamen natürlich nur in Häusern vor, deren Bewohner Isis und Sarapis verehrten. Wir werden daher nur Bilder aus Häusern heranziehen, bei denen sicher ist, daß die Eigentümer den ägyptischen Kult pflegten. 1

Die Ertrunkenen der griechischen Mythologie: Narziß, Pyramos, Hylas § 424 Im Haus des Octavius Quartio findet sich eine Nillandschaft en miniature. Solche Nil-Imitationen waren in der Zeit Ciceros bei eleganten Römern beliebt. 2 Octavius Quartio hat zwei künstliche Kanäle bauen lassen, die in der Form eines Τ angelegt sind. Der obere Kanal, der Querbalken des T, wird am rechten Ende durch ein Nymphaeum und am linken Ende durch ein Isisheiligtum abgeschlossen. 3 Im Inneren ist ein Isispriester gemalt (Abb. 3 9 ^ 0 ) . Bevor man eintritt, sieht man links neben der Tür Artemis im Bad und rechts Aktaion; wir kommen unten auf diese Darstellung zurück. Neben dem Nymphaeum am rechten Ende des oberen Kanals befinden sich zwei Fresken: Narziß beugt sich über sein Spiegelbild im Wasser und Thisbe ersticht sich über dem toten Pyramus (Abb. 50). Narziß wird kurz nach dem dargestellten Augenblick versuchen, sein Spiegelbild zu fassen, ins Wasser stürzen und ertrinken. Im Zusammenhang mit der Nillandschaft im Garten des Octavius Quartio sollte sein Tod als Parallele zum Wassertod des Osiris verstanden werden. 4 Eine entsprechende Darstellung des Narziß im Isistempel zu Pompei wird man ebenso deuten

1 Beim Isisheiligtum und dem Haus des Octavius Quartio (Pompei II 2 , 2 mit dem Miniatur-Nil) ist selbstverständlich, daß die Bilder von einem ägyptischen Hintergrund her gedeutet werden dürfen. Im folgenden werden Bilder von sechs weiteren Häusern herangezogen: a) Casa del Frutteto (Pompei I 9,5) - Abb. 5 1 - 5 9 ägyptische Szenen, Pharao, Apis b) Casa degli Amorini dorati (VI 16,6) - Abb. 60 (Ibis-Symbole), 6 2 (Horos mit Falkenkopf) und 148 (Isisprozession) c) Casa dell'Efebo (I 7,11) - Abb. 82 Nillandschaft im Triclinium d) Haus der Julia zu Boscotrecase - Abb. 78 ägyptische Opferszene. Für die Casa dell'Ara massima (VI 16,15) s. § 4 2 4 (Anmerkung; Karyatiden mit Sistrum), für das H a u s des Sacerdos Amandus (I 7,7) s. die Notiz zu Abb. 70/71 (Isisstatuette). 2 Cicero, De legibus II 2 Ductus vero aquarum quos isti Nilos vel Euripos vacant, quis non cum haec videat inriserit? Auch im Brief an den Bruder Quintus III 7,7 werden nebeneinander genannt imagines . . . et palaestra et piscina et Nilus. 3 4

Die Anlage wird im Bildteil (Abb. 3 3 - 5 0 ) ausführlich besprochen.

Schon Herodot II 9 0 berichtet, daß die im Fluß Ertrunkenen „mehr sind als ein menschlicher Toter" (πλέον τι ή α ν θ ρ ώ π ο υ νεκρόν).

20 Interpretado Aegyptiaca

237

(Abb. 28). Dasselbe gilt für die Bilder des Narziß in der Casa dell'Efebo (Abb. 84) 1 und der Casa dell'Ara massima (Abb. 8 5 ) . 2 § 4 2 5 Auch Pyramus und Thisbe (Abb. 50) haben Beziehung zum Wasser, d. h. in diesem Z u s a m m e n h a n g zu Osiris. Pyramos ist nach seinem T o d in den gleichnamigen großen Fluß in Kilikien, Thisbe in einen Nebenfluß des Pyramos verwandelt w o r d e n . 3 § 4 2 6 Dieselbe Interp?etation gilt für den M y t h o s des Hylas. V o n ihm wird erzählt, daß er zum Wasserschöpfen an einen See gegangen ist. Als die N y m p h e n sahen, w i e der schöne Jüngling sich herabneigte, wollten sie ihn für sich gewinnen; sie umhalsten und zogen ihn in den See hinab. So ist Hylas ertrunken. D a ß der M y t h o s als Analogie zum T o d des Osiris interpretiert w o r d e n ist, w i s s e n wir aus einem Epigramm aus der ägyptischen Stadt Hermupolis Magna. 4 Ein Kind namens Isidora war im Nil ertrunken. Der trauernde Vater hat ihr ein Grab erbauen lassen. Er versucht, sich über den Verlust des Kindes damit zu trösten, daß sie (wie Osiris) durch den T o d im Nil vergottet worden sei: Οχικέτι σοι μέλλω θΰειν, θύγατερ, μετά κ λ α υ ϋ μ ο ΰ , έξ ου δή ε γ ν ω ν ώς ·θεός έ ξ ε γ έ ν ο υ „Ich werde dir, Tochter, nicht mehr mit W e i n e n opfern, seitdem ich erkannt habe, daß du unsterblich geworden bist." D a s Grabmonument 5 zeigt beiderseits Säulen, die v o n einem Giebel in Form einer Muschel (eines Wiedergeburts-Symbols) überdacht werden; die Schwelle zu dem M o n u m e n t wird durch eine Stufe gebildet, auf welcher ein ägyptisches Totenbett gemalt ist, wie es sonst als Lager des toten Osiris dient.

1 Dieses Haus enthält mehrere auf Ägypten und Isis bezügliche Darstellungen: Das unter freiem Himmel befindliche Triclinium ist ringsum mit einer Darstellung der Nilflut ausgemalt (Abb. 82); an den umgebenden Wänden befindet sich ein Bestiarium, das an die wilden Tiere Äthiopiens erinnern soll; dazu kommen eine thronende Isis und zwei Isisfiguren mit Sistrum und Situla (V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 123/4, Cat. Nr. 3-4). Für das Bild des Hylas in demselben Haus s. S 426. 2 Auf den Wänden dieses Hauses waren Karyatiden gemalt, die in der rechten Hand Sistren tragen; s. V. Tran Tarn Tinh S. 130/1, Cat. Nr. 19. 3

Dies berichten viele Autoren: Strabon XII 2,4 p. 536 C ; Themistios XI p. 180 Dindorf = I 227,25 Schenkl-Downey; Himerios IX 11 (p. 79,122 Colonna); Nonnos VI 3 3 9 - 3 5 5 und XII 8 4 - 8 5 ; die Geschichte steht auch in einer der Mustererzählungen zu Nikolaos, Progymnasmata 2,9 (Rhetores Graeci ed. Walz I 271 = A. Westermann, Μ υ θ ο γ ρ ά φ ο ι . Scriptores poeticae historiae Graeci [1843] 384,21). Dagegen hat Ovid den Mythos nach Babylon verlegt (Met. IV 55-166). Aber auch bei ihm spielt die Geschichte neben einer Quelle: Die Liebenden verabreden sich bei einem Baum, der neben einer kühlen Quelle steht (Met. IV 89/90 arbor . . . gelido contermina fonti). 4 E. Bernand, Inscr. métr. Nr. 87; M. Totti, Texte Nr. 74; J. Hani, L'Antiquité Classique 43, 1974, 212-224 mit vorzüglicher Interpretation. 5

Photographien bei P. Graindor, Β. I. F. A. O. 32, 1932, pl. I—II; P. Perdrizet bei Sami Gabra, Rapport sur les fouilles d'Hermoupolis ouest (Touna-el-Gebel; 1941) pl. XXXIII; E. Bernand, Inscr. métr. pl. XXXVIII.

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20 Interpretatio Aegyptiaca

όντως ai νύμφαι σοι έτεκτήναντ', Ίσιδώρα, νύμφαι των ύδάτων "θυγατέρες θάλαμον· πρεσβυτάτη Νίλοιο θυγατρών ήρξατο Νιλώ κόγχον τευξαμένη βένθεσιν οίον εχει πατρός ένί μεγάροισι, -θεηδη1 οίον ιδέσθαι Κρηναία δέ, "Υλα σύγγαμος άρπαγίμου, κίονας άμψοτέρωϋεν ατε σπέος, ήχι και αύτη πηχύνασα Ύ λ α ν καλποφόρον κ α τ έ χ ε ι . . . „Wahrlich, die Nymphen, die Töchter des Wassers, haben dir, Isidora, ein Brautgemach erbaut. Begonnen hat Nilo, die älteste der Niltöchter, indem sie eine Muschel bildete, wie sie eine solche in der Tiefe im Palast ihres Vaters besitzt, wunderbar anzuschauen; dann hat Krenaia 2 , die Gattin des hinweggerafften Hylas, zu beiden Seiten Säulen errichtet und gleichsam eine Grotte gebildet, wo sie Hylas, der in einem Krug Wasser holen wollte, umhalst und festhält . . . " In Pompei findet sich eine Darstellung des Hylas 3 in der Casa dell'Efebo (Abb. 83), in der wir schon ein Bild des Narziß, Nillandschaften und die wilden Tiere Äthiopiens angetroffen haben (s. § 424).

Perseus und Andromeda § 427 Ägyptisch gedeutet wurde auch der Mythos von Perseus und Andromeda. 4 Andromeda war Tochter des Kepheus 5 und der Kassiopeia. In unvorsichtiger Weise rühmte die Mutter ihre eigene Schönheit: Sie sei schöner als die Meermädchen, die Nereiden. Diese grollten und baten Poseidon um Rache. Der Meeresgott schickte ein Seeungeheuer, welches das Land überschwemmte; um es zu besänftigen, mußte man ihm täglich ein Mädchen zum Fraß vorsetzen. Kepheus fragte beim Orakel des Ammon (in Libyen) an, wie er sein Land erretten

* Lesung und Interpretation dieses Wortes sind unsicher. 2 Die Brunnennymphe. 3

M a n kann erwägen, daß schon Theokrits Gedicht über Hylas eine griechische Variation zum Wassertod des Osiris sein sollte. Nach Theokrit ist auch Hylas vergottet worden: οΰτω μέν κάλλιστος "Υλας μακάρων άριθμεΐται, „so wird der schönste Hylas unter die Seligen gezählt" (13,72). In Theokrits Gedicht „Herakliskos" (der kleine Herakles) wird erzählt, wie Herakles gleich nach seiner Geburt die Schlangen erwürgte, welche Hera geschickt hatte, um ihn zu töten. Ich glaube, daß Theokrit eine Parallele zu den vielen ägyptischen Darstellungen schaffen wollte, auf welchen der junge Horos mit jeder Hand eine Schlange erwürgt („Horosstelen"). Horos wurde oft mit Herakles geglichen. Unter den Statuen, welche entlang dem Miniatur-Nil im Garten des Octavius Quartio in Pompei aufgestellt waren, befindet sich auch ein schlangenwürgendes Herakles-Kind, s. Abb. 41. Vgl. § 155. 4 Dies hat R. A. Wild sorgfältig und überzeugend dargelegt (Water 78-85). S. Morenz, Rei. und Gesch. 441—447 nahm an, daß die Perseus-Andromeda-Sage von orientalischer H e r k u n f t sei. Vgl. noch Α. B. Lloyd, Journ. Hell. Stud. 89, 1969, 7 9 - 8 6 („Perseus and Chemmis") und in seinem Herodot-Kommentar (EPRO 43) II 3 6 7 - 3 7 0 ; S. Sauneron, Villes et legendes d'Égypte ( 2 1983) 3 9 ^ 4 („Persée dieu de Chemmis") und 8 9 - 9 0 („Persée de Chemmis"). 5 Kepheus war Sohn des Belos = Baal (Herodot VII 61,3).

2 0 Interpretatio Aegyptiaca

239

könne. Der G o t t befahl, die eigene T o c h t e r Andromeda zu opfern, und die Bewohner des Landes zwangen ihren König, dies zu tun. Andromeda wurde an einen Felsen geschmiedet und dem Ungeheuer ausgesetzt. D a k a m Perseus mit seinen Flügelschuhen herbeigeflogen. Er empfand Mitleid mit der Schönen, erschlug das Untier und gewann Andromeda. D a ß Perseus aus ägyptischem Geschlecht stamme, haben die Einwohner der Stadt Chemmis schon Herodot erzählt. 1 Er berichtet, daß in Chemmis ein Agon zu Ehren des Perseus stattfand. In der Kaiserzeit ist der Agon des „Perseus U r a n i o s " 2 als internationale (ökumenische) Veranstaltung gefeiert worden. 3 Andromeda stammte entweder aus Ioppe in Palästina 4 oder aus Äthiopien. 5 Kassiopeia ist „die vom Berg Kassion Herabblickende". Es gab zwei Plätze des Namens Kasios; der eine lag in Nordsyrien, der andere bei Pelusion am nordöstlichen Ende Ägyptens. In jedem Fall war der Mythos von Kepheus, Kassiopeia und Andromeda am östlichen Ufer des Mittelmeers lokalisiert. Der Rhetor Aphthonios sagt, daß die Taten des Perseus im Sarapeion von Alexandria dargestellt w a r e n . 6 M a n sieht Perseus und Andromeda auch auf einer alexandrinischen Münze, die unter Antoninus Pius geprägt ist (Abb. 2 3 9 ) 7 Im Isistempel zu Pompei befindet sich ein Stuckrelief: Perseus, der die Geliebte vor dem Seeungeheuer gerettet hat, faßt sie um den Leib, um mit ihr fortzufliegen (Abb. 18/19). Der Mythos ist auf einem prachtvollen Fresko in der Villa der Julia zu Boscotrecase dargestellt (Abb. 6 9 und Farbtafel I). W i r haben diese Villa mit ihren pharaonischen und ägyptischreligiösen Darstellungen schon in § 2 5 0 und 2 5 6 besprochen. Ein sehr ähnliches Bild findet sich im Haus des Sacerdos Amandus (Abb. 7 0 ) , in dem eine Isis-Statue gefunden wurde. 8

Europa auf dem Stier § 4 2 8 Auch für den Mythos von der Entführung der Europa durch Zeus in Gestalt eines Stiers bot sich eine ägyptisierende Interpretation an: Der heilige Stier von Memphis, Osiris-Apis = Sarapis, war ja mit Zeus gleichgesetzt worden. Auf der aus Memphis stammenden Darstel-

1

II 9 1 . Vgl. Eusebios, Praep. ev. II 1 , 2 8 (p. 6 2 , 9 Mras).

„Der vom Himmel herabkommende Perseus" oder „der als Sternbild an den Himmel versetzte Perseus". 2

3 άγών ιερός είσελαστικός οικουμενικός . . . Πυθικός Περσέως Ουρανίου των μεγάλων Πανείων: Pap. O x y . X X V I I 2 4 7 6 , 1 8 = Ρ. Frisch, Zehn agonistische Papyri ( 1 9 8 6 ) Nr. 3 (S. 5 2 ) ; R. E. G. 2, 1 8 8 9 , 1 6 4 / 5 (Frisch S. 6 4 ) . 4

Pausanias IV 3 5 , 9 .

5

Ps. Apollodor, Bibl. II 4 3 .

Progymnasma 1 2 (p. 4 0 , 9 - 1 1 Rabe) της μέν οΰν αυλής οΰχ εις άπας ô κόσμος· άλλο μέν γαρ άλλως ήν· τό δέ τά Περσέως ειχεν αθλήματα. 6

7 W . Dreßler, Wochenschrift für klass. Philol. 1 3 , 1 8 9 6 , 2 8 - 3 0 bespricht weitere Darstellungen des Perseus auf alexandrinischen Münzen (unter Gallienus, Claudius Gothicus, Diocletian und Maximian). 8 Siehe V. T r a n Tarn Tinh, Pompéi S. 1 5 4 (Cat. 7 2 ) , auch S. 5 2 . Auch das Fresko mit dem Sturz des Ikaros im selben Haus ist ägyptisch zu deuten, s. § 4 3 0 .

240

2 0 Interpretatio Aegyptiaca

lung Abb. 4 7 wird Europa von dem Stier übers Meer entführt. Auf der Tonlampe Abb. 48 blickt Sarapis herab auf Europa, die von einem Stier fortgetragen wird. M a n wird auch das kleine Fresko Abb. 46 aus dem Haus des Octavius Quartio auf ZeusSarapis deuten; dieses Haus ist voller Anspielungen auf die Isis-Sarapis-Religion. Achilleus Tatios II 15,4 sagt, daß Zeus bei der Entführung der Europa einen ägyptischen Stier nachgeahmt habe.

Warnende Bilder: Aktaion und Ikaros § 429 Zwei weitere griechische Mythen sind von der ägyptischen Religion her interpretiert worden. Im Haus des Octavius Quartio zu Pompei sind links und rechts von der Eingangstür zum Isisheiligtum Artemis und Aktaion dargestellt (Abb. 43—45). Artemis badet in einem Wasserfall; ihr unglücklicher Freund sieht die Göttin nackt und wird zur Strafe von seinen eigenen Hunden zerfleischt. Die Anordnung der Fresken zu den beiden Seiten der Tür zeigt, daß die Darstellung jeden Unbefugten vor dem Betreten des Heiligtums warnen soll. Der griechische Mythos von Artemis ist auf Isis übertragen worden; Artemis-Diana war einer der zehntausend Namen der Isis. Dieselbe Szene ist noch ein zweitesmal im Garten des Octavius Quartio dargestellt, an jener Stelle, wo man das Wasser aus dem oberen „Nil"-Arm (dem Quer-„Balken" der T-förmigen Anlage) in den unteren „Nil"-Arm (den senkrechten Balken des T) abfließen lassen, wo man also einen Wasserfall en miniature abstürzen lassen konnte (Abb. 49). Artemis und Aktaion sind auch in der Casa del Frutteto dargestellt (Abb. 58). Das Haus ist voll von ägyptischen Motiven, 1 so daß man auch in diesem Fall interpretieren wird: Das Schicksal des Aktaion zeigt, welche Strafe ein Mensch erleiden wird, der unerlaubt Zutritt zu heiligen Räumen oder Zeremonien gesucht hat. Schließlich finden sich Artemis und Aktaion in der Casa degli Amorini dorati (Abb. 61), wo ein Fresko mit Isis-Symbolen (Abb. 60) und eine Statuette des Horos mit Falkenkopf gefunden worden sind (Abb. 62). § 430 In der Casa del Frutteto ist neben Aktaion ein Fresko mit dem Sturz des Ikaros (Abb. 59). Der Knabe war entgegen den Warnungen des Vaters zu hoch hinauf in die Nähe des Sonnengottes gekommen und stürzte ab. Das Bild hat denselben warnenden Sinn wie die Bilder des Aktaion. 2

1

M . de Vos, L'egittomania 1 5 - 2 1 mit den Tafeln XII-XIX; F. Le Corsu, Un oratoire p o m p é i e n consacré à Dionysos-Osiris, Revue archéol. 1967, 2 3 9 - 2 5 4 ; La Rocca - de Vos 2 8 9 - 2 9 2 ; V. Tran Tarn Tinh, Pompéi 1 9 7 - 2 0 0 . Vgl. hier Abb. 5 1 - 5 9 . 2

In der Casa del Frutteto findet sich noch ein drittes warnendes Bild: Dirke kniet bittend vor ihren Stiefsöhnen Amphion und Zethos. Aber ihre Bitten nützen nichts. Sie hatte Antiope, die Mutter v o n Amphion und Zethos, töten wollen und wird nun ihrerseits zum Tod verurteilt; sie wird an einen Stier angebunden, der sie zu Tode schleift. Im Sterben verwandelte sie sich in die Dirke-Quelle zu Theben. Vgl. La Rocca - de Vos 2 9 1 . Vgl. auch § 7 3 2 (zu Appuleius, Met. VI 27,5).

20 Interpretatio Aegyptiaca 241 Eine andere Darstellung mit dem Sturz des Ikaros findet sich im Haus des Priesters Amandus (Abb. 71). Da in demselben Haus auch die Befreiung der Andromeda durch Perseus dargestellt ist (s. Abb. 70), wird man auch dieses Bild als Warnbild ansprechen. Aber nicht alle Fresken mit Narziß, Pyramos, Hylas, Andromeda, Europa, Aktaion, Ikaros sind Zeugnisse ägyptischen Kultes. Vielfach hat man sich mit diesen Bildern nur aus Freude an der bunten Welt der griechischen Mythologie umgeben. Doch wenn der Kontext, in welchem wir diese Bilder finden, auf Sympathie mit den ägyptischen Kulten deutet, wird man solche Darstellungen als Zeugnisse des Isiskultes in Italien interpretieren.

21 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion μετίασιν γάρ οίκείαν τινά φιλοσοφίαν Αιγύπτιοι Die Ägypter haben ihre eigene Philosophie Clemens Alex., Strom. VI 4,35,2

Stoische Interpretation § 431 In den ersten beiden Jahrhunderten ihrer Herrschaft über Ägypten haben die Griechen ihre rationalen, vorwiegend praktischen und oft auch hausbackenen Vorstellungen in das Land der Pharaonen eingeführt und die Religion des Landes von dieser Optik her interpretiert. Aber die Vorstellungen haben sich nach und nach gewandelt, in zweierlei Hinsicht: Einerseits haben die Griechen sich später nicht mehr an den Gedanken des Prodikos und Protagoras orientiert, sondern an denen der nachfolgenden philosophischen Schulen, der Stoa und des Piatonismus; und andererseits haben die ägyptischen Priester sich in ihrer eigenen Weise mit den Gedanken der griechischen Philosophen auseinandergesetzt und dabei versucht, sich durch Rückbesinnung auf ägyptische Vorstellungen zu orientieren. Wir wenden uns zunächst der innergriechischen Entwicklung zu. § 432 Es sind zunächst nicht die Gedankengänge Piatons gewesen, welche beim Publikum den größten Erfolg hatten; Piatons Mischung aus strenger Rationalität und Mystik war für Menschen, welche den Alltag zu bestehen hatten, allzu anspruchsvoll. Erst in der römischen Kaiserzeit, also nach einer Inkubationszeit von mehreren Jahrhunderten, hat Piaton in die Breite gewirkt. Zunächst dominierten Epikureismus und Stoizismus. Ein durchschnittlicher Epikureer hat der Religion keine große Aufmerksamkeit geschenkt; die Götter standen am Rande seines Interesses. Die Stoiker haben eine eigene Religionsphilosophie entwickelt und versucht, die überlieferten religiösen Vorstellungen aller Völker mit Hilfe des gesunden Menschenverstandes zu erklären. Von dem Stoiker L. Annaeus Cornutus, dem Lehrer des Persius und Lucan, 1 besitzen wir ein Compendium der griechischen Theologie. 2 Der Alexandriner Chairemon, Philosoph und ägyptischer Priester (ίερογραμματεύς), hat eine stoische Interpretation der ägyptischen Religion gegeben. 3 Plutarch kommt in seinem Isisbuch oft auf die stoischen Deutungen zu sprechen, die er ablehnt. 1 Prosopographia Imperii Romani A 609. 'Επιδρομή των κατά την Έλληνικήν θεολογίαν παραδεδομένων, herausgegeben von C. Lang (1881).

2 3

Fragmentsammlungen von H. R. Schwyzer, Chairemon (1932); F. Jacoby, F. gr. Hist. Nr. 618; P. W. Van der Horst (EPRO 101, 1984). Vgl. die Prosopographia Imperii Romani C 706.

2 1 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

243

Die Stoiker haben viele richtige Deutungen ägyptischer Mythen gegeben. Sie haben ζ. B. gesagt: D a ß der Nil das Land überflutet und fruchtbar macht, wird im M y t h o s durch die Erzählung von der Hochzeit des Osiris und der Isis bezeichnet. 1 § 4 3 3 Der Mythos vom T o d und Wiederaufleben des Osiris bezeichnete Saat und Keimen. 2 So bezogen die Stoiker die Schicksale der Feldfrucht auf die Götter:^ Osiris war diejenige Kraft der Natur, welche fähig war, Frucht hervorzubringen. 4 § 434 Ähnlich hat man Seth-Typhon, den Gott der Gewalt, 5 interpretiert: Er war der ausdörrende Wüstensturm. 6 Aber man konnte bei T y p h o n auch an das Salzwasser des Meeres d e n k e n , 7 welches im Gegensatz zum Süßwasser (Osiris) keine Fruchtbarkeit bringt. Für die Griechen lag es nun nahe, Typhon, den Gegner des Osiris, den verderbenbringenden Wüstensturm, das Salzwasser in einem allgemeinen Begriff zu fassen: Typhon ist alles Lebensfeindliche, Erdbeben, Dürre, schlimme Winde, Blitze 8 und Pestilenzen.

Abstrakte Begriffe § 4 3 5 Den Ägyptern waren solche Gedankengänge fremd. Ihr Denken verlief in konkreten Bahnen; dagegen haben die Griechen, welche das Land seit Alexander beherrschten, abstrakte Begriffe benutzt. Die Ägypter haben mit dem Nil ihren Gott Osiris assoziiert und das Verhältnis von Nil und Osiris nicht weiter definiert. Die Griechen haben versucht, präziser zu sprechen, und gesagt, der Nil sei ein „Ausfluß des Osiris", aber im Grunde sei „alles Feuchte" ein Ausfluß des Gottes. 9 Ein solcher Satz ist unägyptisch. Aber mit derartigen Aussagen konnte man Sachverhalte „begreifen", welche vorher nicht in W o r t e zu fassen waren. Das neue, theoretische Vokabular der Griechen brachte eine intellektuelle Überlegenheit mit sich, deren sich die Ägypter bewußt geworden sind. Sie haben versucht, Schritt zu halten, und die Griechen waren bereit, dies anzuerkennen. So sagt Plutarch: „Die Klügeren unter den (ägyptischen) Priestern halten

1

Plutarch, De Iside 1 4 , 3 2 , 3 8 , 5 9 .

Plutarch, De Iside 6 5 , zitiert in § 2 7 ; er lehnt diese Interpretation ab. Die Vorstellung v o m T o d des ausgestreuten Samens und seinem Wiederaufleben ist uns aus Paulus vertraut (1. Kor. 1 5 , 3 6 σύ δ σπείρεις, ού ζωοποιεΐται έάν μή άποθάνη). 2

Kap. 7 0 άναστρέφοντες έπί τους θεούς τά πάθη των καρπών. 6 6 εις . . . σπόρους και άρότους και πάθη γης. . . διαγράφοντες τά θεία. 4 Osiris ist τό γόνιμον και τρόφιμον, Kap. 5 1 . Porphyrios, 3 6 0 F , 3 3 = Andrew Smith p. 4 3 0 = Eusebios, Praep. ev. III 1 1 , 5 0 (p. 1 4 4 , 2 M r a s ) ó δέ Ό σ ι ρ ι ς . . . την κάρπιμον παρίστησι δύναμιν, ην θρήνοις άπομειλίσσονται εις γην άφανιζομένην έν τω σπόρω κα'ι ύφ' ημών καταναλισκομένην εις τροφάς. 5

Vgl. § 6.

Plutarch, De Iside 3 3 (καλοϋσι) Τυφώνα . . . πάν τό αύχμηρόν και πυρώδες κα'ι ξηραντικόν. 3 9 Typhon ist die αύχμοϋ δύναμις. 6

7

Kap. 3 2 , auch 6 4 .

8

Kap. 5 5 .

9 Plutarch, De Iside 3 6 ού μόνον δέ τον Νείλον, αλλά παν ΰγρόν άπλώς Όσίριδος άπορροήν καλοΰσιν.

244

21 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

nicht nur den Nil für Osiris, sondern nennen kurz allen Ursprung und jede K r a f t , w e l c h e Feuchte hervorbringt, Osiris, indem sie ihn für die Ursache des W e r d e n s und für die Essenz des Samens h a l t e n . " 1

Die ägyptischen Priester - philosophische Rätsellöser § 4 3 6 D a ß schon die altägyptischen Priester derartige Vorstellungen gehabt haben m u ß t e n , schien den Griechen evident; es k a m nur darauf an, den Sinn der ägyptischen M y t h e n und Riten in die richtigen W o r t e zu fassen. Auf der anderen Seite waren auch die Ägypter selber bald der Ansicht, daß die griechischen Interpretationen ihrer Altertümer richtig seien. Es wuchs ein neuer T y p ägyptischer Priester heran, M ä n n e r , die sich mit der griechischen Philosophie beschäftigten. Es sind eindrucksvolle Bilder solcher M ä n n e r aus griechisch-römischer Zeit erhalten, Statuen, in denen ägyptische und griechische Elemente in gelungener Synthese vereint sind; s. die Abbildungen 2 0 7 - 2 1 0 . Die ägyptischen Priester haben begonnen, sich eigene Interpretationen a u f den von den Griechen gewiesenen W e g e n auszudenken. Es eröffnete sich ein weites Feld. D e r nüchterne R a t i o n a lismus der hellenistischen Griechen, der in der Selbstoffenbarung und der stoischen Allegorese seinen Ausdruck gefunden hatte, w i c h dem Bestreben, in den alten ägyptischen M y t h e n und Riten tiefsinnige Hintergedanken zu entdecken. Die Priester und W e i s e n im alten Ägypten sollen im Grunde Philosophen gewesen sein. 2 Sie haben ihre Lehren nicht in T r a k t a t e n niedergelegt wie die Griechen; ihre Philosophie w a r von anderer Art. Sie haben sich in M y t h e n , R i t e n , symbolischen Figuren ( H i e r o g l y p h e n ) ausgedrückt, in Andeutungen und Rätseln (αινίγματα). 3 Bei den Griechen h a b e n die Pythagoreer ernstzunehmende Philosophen - sich dieser Ausdrucksweise bedient. 4 Ihre W e i s h e i t s t a m m t e aus Ägypten.· 5 So wie bei den Pythagoreern, galt es auch bei den ägyptischen Priestern, ihre tiefsinnigen Hinweise zu entschlüsseln und zu verstehen, w o h i n sie „ g e d e u t e t " ( α ί ν ί τ τ ε σ θ α ι ) hatten.

Eine verrätselte Welt: Koiraniden, Physiologus, Horapollon § 4 3 7 Im K o s m o s hing alles mit allem zusammen; es k a m darauf an, die Z u s a m m e n h ä n g e festzustellen. Die Dinge zogen sich gegenseitig an oder stießen sich a b , und in der N a t u r wirkten w u n d e r b a r e K r ä f t e ( φ ύ σ ε ι ς ) . 6 M a n hat darüber viel spekuliert. D i e w i c h t i g s t e n e r h a l t e n e n 1 Kap. 33 oí δέ σοφώτεροι των Ιερέων ού μόνον τον Νεϊλον "OOLQLV καλοϋσιν . . άλλ' Όσιριν μεν άπλως άπασαν την ύγροποιόν άρχήν και δύναμιν, αίτίαν γενέσεως και σπέρματος ούσίαν νομίζοντες. 2 Eine ausführliche Schilderung des philosophischen Lebens der ägyptischen Priester in ihren Tempeln gibt Chairemon fr. 10 Van der Horst = Porphyrios, De abstinentia IV 6 - 8 . 3

Arnobius III 15 Aegyptiorum

aenigmata.

Plutarch beruft sich mehrfach auf die Symbole, Sinnsprüche und Gegensatzpaare der Pythagoreer (Kap. 10, 3 0 , 4 2 , 75 und 77). 4

5

Herodot II 81, zitiert und besprochen in § 105; Diodor I 69, 96 und 98.

Iamblich im Scholion zu Piaton, Sophistes 216A (p. 4 0 und 4 4 5 / 6 Greene) ή φύσις ύπό τίνων μάγος κέκληται δια τάς συμπαθείας καί άντιπαθείας των φύσει. Iamblichi Chalcidensis in Piatonis diálogos commentariorum fragmenta ed. J. Dillon (1973) p. 90. Iamblich-Abammon III 2 7 (aus Porphyrios) φύσις καί τέχνη καί συμπάθεια των ώς έν ένί ζώωι τώι παντί μερών. 6

21 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

245

Bücher sind die Koiraniden, der Physiologus und Horapollon. Alle stehen zu den Lehren der ägyptischen Priester in naher Beziehung, ja, sie sind ursprünglich aus einer pseudo-naturwissenschaftlichen Theologie der griechisch-ägyptischen Religion hervorgegangen. 1 § 4 3 8 Die Koiranider?· belehren über die okkulten Eigenschaften der Steine, Pflanzen und Tiere und die geheimen Verbindungen zwischen den Reichen der N a t u r in der F o r m alphabetischer Listen. § 4 3 9 Der Physiologus ist ein christliches Lehrbuch der Natursymbolik. 3 Aber die Christianisierung ist oberflächlich. Der Kern der Lehren geht auf heidnische, teilweise auch jüdische 4 Bücher zurück. Es werden die merkwürdigen Eigenschaften der Tiere angegeben. Sie sind Zeichen der geheimen Sympathie aller Dinge in der N a t u r und deuten auf die verborgenen Gesetze der Welt, auf das Verhältnis von Mensch und Gott, auf T o d und Unsterblichkeit. W a s die Menschen im ausgehenden Altertum hierüber dachten, haben sie in die N a t u r projiziert und dann aus ihr herausgelesen. N u n spielte der Tierdienst in Ägypten eine große Rolle. W a s den aufgeklärten Hellenen Albernheit schien, verteidigten die ägyptischen Priester durch eine abstrus-tiefsinnige Symbolik. Die Herkunft dieser Tiersymbolik aus der ägyptischen Religion ist evident. 5 Das Nilmosaik aus dem Tempel der Fortuna-Isis-Tyche zu Praeneste (Abb. 1 6 9 - 1 8 0 ) zeigt alle Wundertiere des Nils. Von dem Priester Claudius Aelianus aus Praeneste stammt eine ausführliche Darstellung der Merkwürdigkeiten des Tierreichs. 6

1 M. Wellmann hat diesem Gebiet grundlegende Untersuchungen gewidmet: „Die Georgika des Demokritos" und „Die Φυσικά des Bolos Demokritos", Abhandlungen der preuss. Akad. der Wiss. 1921 und 1928; „Der Physiologus" und „Marcellus von Side als Arzt und die Koiraniden des Hermes Trismegistos", Philologus Suppl. 22,1 (1930) und 2 7 , 2 (1934); „Die Stein- und Gemmenbücher der Antike. Die Steinund Gemmenliteratur des Altertums", Quellen und Studien zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin IV 4 , 1 9 3 5 , 8 6 - 1 4 9 = 4 2 6 - 4 8 9 . Vgl. weiter J. Bidez - F. Cumont, Les mages hellénisés (1938) passim, ζ. Β. I 118f. (Bolos) und 170,1 (Sympathielehren). Eine hervorragende Ubersicht über das ganze Gebiet bietet A. Festugière, La révélation d'Hermès Trismégiste I. 2 Edition von D. Kaimakis (1976); über die Akrostichides s. M. West, Class. Quart. 32, 1982, 480/1 und R. Führer, Ζ. P. E. 58, 1985, 270. Seine aufschlußreichen „Untersuchungen zum griechischen Physiologus und den Kyraniden" hat K. Alpers versteckt in dem Band „All Geschöpf ist Zung' und Mund", hrsg. von H. Reinitzer = Vestigia Bibliae 6, 1984, 1 3 - 8 7 . Vgl. auch P. G. M . III 4 9 9 - 5 3 5 (mit den in „Abrasax" II 1 - 8 gegebenen Erläuterungen). 3 Übersetzung und Erklärung von O. Seel, Der Physiologus (Zürich 1960); dort im Nachwort (S. 68): „Hier gerinnt alles zur Sigle, wird zum Ideogramm oder zur Scharade." Für die Untersuchung von K. Alpers s. die vorige Anmerkung. 4 I. Buch der Könige (in der griechischen Übersetzung III. Buch der Könige) 5,13 (Salomon) έλάλησε υπέρ των ξύλων άπό της κέδρου της έν Λιβάνωι και εως της ΰσσώπου της έκπορευομένης διά του τοίχου· κα'ι έλάλησε περί των κτηνών και περί των πετεινών και περί των ερπετών και περί των ιχθύων. 5 Siehe Plutarch, De Iside 7 2 - 7 6 ; Clemens Alex., Strom. V 7,41-2 und Damaskios, Vita Isidori 9 7 - 1 0 2 (p. 1 4 0 - 1 4 2 Zintzen). 6

Περί ζώων ιδιότητος.

246

2 1 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

§ 440 Horapollon gibt eine symbolische Deutung der Hieroglyphen. 1 Er überschneidet sich inhaltlich oft mit den Koiraniden und dem Physiologus; Herkunft aus demselben Milieu ist unverkennbar. Die Lehre von der Sympathie beherrscht auch die Alchimie; Alchimisten waren fast immer Priester. Wie nahe sich Priester und Magier standen, sieht man an Gestalten wie Alexandras von Abonuteichos 2 und Apollonios von Tyana. 3 § 4 4 1 Später haben die neuplatonischen Philosophen sich die Sympathielehre zu eigen gemacht. 4 Sie empfanden, diese Lehre sei tief religiös, enthalte Wahrheit. Uber die naturwissenschaftliche Seite dieser Lehre spotten die Modernen mit Grund. Die religiöse Komponente sollten wir gerechter beurteilen. Das Große im Neuplatonismus - gerade auch in Plotin kommt aus jenem religiösen Antrieb, welchen die orientalischen Religionen gegeben haben, als sie die philosophischen Vorstellungen der Griechen in ihre Lehren einbezogen.

Die Rätselweisheit der ägyptischen Priester § 442 Plutarch berichtet in seinem Buch über Isis und Osiris: Wer früher im Land am Nil König wurde, erhielt Kenntnis von einer Philosophie, die in Erzählungen und Reden versteckt war und nur schwache Hinweise und Andeutungen auf das enthielt, was in Wahrheit gemeint war; und die ägyptischen Priester machten das auch deutlich, indem sie vor ihren Heiligtümern Sphingen aufstellten, zum Zeichen dafür, daß ihre Theologie eine Weisheit voller Rätsel (αίνιγματώδης φιλοσοφία) ist. 5 § 443 So hat der Name des ägyptischen Gottes Amun die Bedeutung „der Verborgene". 6 Gleichzeitig bedeutete das Wort AMOYNI im Ägyptischen „komm zu mir". 7 Dieser Doppelsinn ist beabsichtigt: „Wenn sie den ersten Gott, den sie für denselben halten wie das All, als den Unsichtbaren und Verborgenen anrufen und ihn bitten, sichtbar und deutlich zu werden,

1 Ü b e r die „ M y s t e r i e n der H i e r o g l y p h e n " s. S. Sauneron, Les prêtres (Paris 1 9 5 7 ) 1 2 3 - 1 3 2 und Ph. Derchain, L a vie des temples en Egypte romaine, Privatdruck 1 9 9 2 ; erscheint in englischer Übersetzung in: A. Lloyd (Herausgeber), R o m a n Egypt. Cultures in Transition, in der Reihe „Studies in E g y p t o l o g y " . 2 Aufschlußreich L. R o b e r t , A travers l'Asie M i n e u r e ( 1 9 8 0 ) 3 9 3 ^ 2 1 mit der auf S. 4 0 7 angeführten Inschrift aus C a e s a r e a T r o k e t t a , in welcher ein Sohn des G l y k o n - A l e x a n d r o s bezeugt ist (Inscriptiones G r a e c a e ad res R o m a n a s pertinentes IV 1 4 9 8 ) . 3

D a s eindrucksvollste Beispiel für die Einheit von Priester und M a g i e r ist der Kalasiris des H e l i o d o r .

Ü b e r die Sympathielehre bei Plotin s. Ph. M e r l a n , Plotinus and M a g i c (Isis 4 4 , 1 9 5 3 , 3 4 1 - 3 4 8 ) = Kleine philosophische Schriften ( 1 9 7 6 ) 3 8 8 - 3 9 5 . 4

5 K a p . 9 ( ό ά π ο δ ε δ ε ι γ μ έ ν ο ς β α σ ι λ ε ύ ς ) μετείχε τ η ς φ ι λ ο σ ο φ ί α ς , έ π ι κ ε κ ρ υ μ μ έ ν η ς τ ά π ο λ λ ά μ ύ θ ο ι ς και λ ό γ ο ι ς ά μ υ δ ρ ά ς έμφάσεις τ η ς α λ η θ ε ί α ς και δ ι α φ ά σ ε ι ς εχουσιν, ώ σ π ε ρ ά μ έ λ ε ι καί π α ρ α δ η λ ο ϋ σ ι ν α υ τ ο ί π ρ ο τ ω ν ιερών τ ά ς σφίγγας επιεικώς ίστάντες, ώς α ί ν ι γ μ α τ ώ δ η σ ο φ ί α ν τ η ς θ ε ο λ ο γ ί α ς α ϋ τ ώ ν έ χ ο ΰ σ η ς . 6

K a p . 9 , belegt aus M a n e t h o (F. J a c o b y , F. gr. Hist. 6 0 9 F 1 9 ) .

K a p . 9 π ρ ο σ κ λ η τ ι κ ή ν γ ά ρ είναι τ η ν φωνήν, „das W o r t hat Imperativischen Sinn". Vgl. P. G. M . X I I I 9 9 3 (= A b r a s a x I S. 2 0 2 und 2 2 0 ) und Suppl. M a g . 6 , 3 ; S. Sauneron, Β. I. F. A. O . 5 1 , 1 9 5 2 , 4 9 - 5 1 ; Les prêtres 1 2 7 . 7

2 1 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

247

sagen sie AMOYN; so groß war die Frömmigkeit der Ägypter in der Weisheit über das Göttliche." 1 Nicht alle Erklärungen ägyptischer Traditionen sind so einsichtig wie diese. Einige Beispiele für absonderliche Interpretationen der ägyptischen Überlieferung: § 4 4 4 Allegorese ägyptischer Mythen: Es gab einen ägyptischen Mythos vom Kampf des Apopis-Drachens, eines Bruders des Helios, gegen Zeus-Amun, den Gott des Lufthauches (πνεύμα). Zeus hat mit Hilfe des Osiris-Dionysos gesiegt. Dies ist als eine Natur-Allegorese zu verstehen: Apopis ist wie Typhon ein Dämon des Feuers und der ausdörrenden Hitze; er ist nicht der Sonnengott selbst, ist ihm aber verwandt. Osiris als der Dämon des Feuchten hat die Hitze und Trockenheit besiegt und bewirkt, daß warmer Wasserdampf aufsteigt, aus dem der Lufthauch (πνεύμα), im Mythos Amun, gespeist wird und gedeiht.2 § 4 4 5 Deutung von Hieroglyphen: In der Vorhalle des Athena-Tempels zu Sais konnte man fünf Hieroglyphen sehen, deren Bedeutung war: Ein Kind = ein Werdendes ein Greis = ein Vergehender ein Falke = ein Gott ein Fisch = hassen ein Nilpferd = Schamlosigkeit. Der Sinn der fünf Zeichen ist also: „Ihr Werdenden und Vergehenden, Gott haßt die Schamlosigkeit".-* § 4 4 6 Griechische Etymologie ägyptischer Wörter: Da man annahm, daß in der Vorzeit griechische Auswanderer nach Ägypten gekommen und griechische Vokabeln nach Ägypten gebracht haben könnten, hat man griechische Etymologien für ägyptische Wörter vorgeschlagen. 4 So erklärte man den Namen des Nils (ΝΕ-ΙΛος) daraus, daß der Fluß mit jeder Hochflut fruchtbaren „neuen Schlamm" (ΝΕα ΙΛυς) brachte und das Land fruchtbar machte. 5 § 447 Erklärung ägyptischer Riten: Selbstverständlich haben die Riten in den ägyptischen Tempeln in der Regel Beziehung zu den zugehörigen Mythen. Aber man hat sich bemüht, zu den klaren Beziehungen noch weitere tiefsinnige Bezüge aufzuweisen. Wenn im Herbst 6 der Umzug der Isiskuh, welcher dem Mythos entsprechend das Suchen der Isis (in Kuhgestalt) nach Osiris wiederholt, an vier Tagen nacheinander stattfindet, so geschieht das aus vier Gründen: (1) weil der Wasserstand des Nils um diese Zeit zurückgeht, (2) weil die Kühlung bringenden Nordwinde (die Etesien) um diese Zeit von den heißen Südwinden zurückgedrängt werden, (3) weil die Tage kürzer, die Nächte länger werden und (4) weil die Blätter im Herbst abfallen, so daß die Erde kahl daliegt. 1

Plutarch beruft sich auf Hekataios von Abdera, Vorsokratiker 7 3 Β 8; F. Jacoby, F. gr. Hist. 2 6 4 F 4.

2

Kap. 3 6 .

3

Plutarch, De Iside 3 2 ώ γιγνόμενοι και άπογιγνόμενοι, θ ε ό ς άναίδειαν μισεί.

4

Kap. 6 1 .

5

Kap. 4 0 . Diese Etymologie war allgemein akzeptiert, s. Heliodor I X 2 2 , 5 . Vom 1 7 . - 2 0 . Hathyr = 1 3 . - 1 6 . November des julianischen Jahrs; De Iside 3 9 ; vgl. „Isisfeste" S. 3 5 .

6

248

2 1 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

5 448 Speisegewohnheiten: Die Ägypter essen keinen Fisch; denn als Seth-Typhon seinen Bruder Osiris zerstückelt und den Phallos in den Nil geworfen hatte, haben Fische ihn aufgefressen. 1 § 4 4 9 Kleidervorschriften: Die ägyptischen Priester trugen Leinenkleider. 2 Manche gaben als Grund an, daß Leinen hell ist und der Helle des Himmels ähnlich sei. Plutarch lehnt diese Erklärung ab; Leinen sei die reinlichste Kleidung.3 § 450 Der tiefere Sinn des Tierkults·. Der Kult der heiligen Tiere ist in der griechisch-römischen Zeit immer Gegenstand des Spottes gewesen. Die Isisverehrer haben ihn verteidigt: Wenn die pythagoreischen Philosophen in den Zahlen einen Hinweis auf das Göttliche (αίνιγμα τοΰ θείου) sahen, dann solle man auch die Besonderheiten in den Lebewesen (τάς έν . . . φύσεσιν ιδιότητας) schätzen, indem man nicht die heiligen Tiere ehre, sondern das Göttliche in ihnen. 4 So wird das Krokodil als göttlich geehrt, denn es ist ein Abbild des Gottes, insofern es keine Zunge hat; auch der göttliche Logos bedarf keiner Stimme; von ihm gilt der Vers des Euripides (Troerinnen 887-888): δι' άψόφου βαίνων κελεύϋου κατά δίκην τά ·9νήι' άγει „auf lautlosem Pfad schreitend führt er die Dinge der Menschen nach der Gerechtigkeit".·5 Nach dem Neuplatoniker Damaskios ist das Krokodil gerecht. 6 Wenn die Ägypter den Hund mit dem Namen des Hermes (= Anubis) ehren, so meinen sie nicht eigentlich das Tier, sondern das Hütende, das Wach-Sein, seine Liebe zur Klugheit (zur Philosophie); der Hund unterscheidet das zu ihm Gehörende (Befreundete) und das Feindliche daran, ob er es kennt oder nicht; das „Kennen" wird mit dem Wort „Gnosis", das Gegenteil mit dem Wort „Unkenntnis" bezeichnet, womit der Hund zum Symbol des Philosophen und Gnostikers wird. 7 § 451 Astrale Deutungen: Die astronomischen Kenntnisse der Ägypter waren nicht groß; aber seitdem im zweiten vorchristlichen Jahrhundert ein Anonymus ein Buch über Astronomie und Astrologie unter den Namen des Königs Nechepso und des Weisen Petosiris veröffentlicht und darin tiefe astronomische Einsichten der Ägypter postuliert hatte, ist man zu der Ansicht gekommen, daß in den ägyptischen Mythen und Riten allenthalben Anspielungen auf astronomische Fakten versteckt seien. Wenn ζ. B. im Mythos erzählt wird, daß Nephthys den Anubis 1

Kap. 18 und 7 .

2

Herodot II 3 7 , 2 ; Roussel 4 9 = I. G. X I 4, 1 2 5 3 = Sylloge 3 1 1 2 9 usw.

3

Kap. 4 .

4

Kap. 7 6 .

$ Kap. 7 5 . Plutarch führt dort noch weitere Gründe für die Heiligkeit des Krokodils an. 6

Vita Isidori 9 9 (p. 1 4 2 Zintzen).

Kap. 11 ού γάρ τον κύνα κυρίως Έ ρ μ η ν λέγουσιν, άλλα του ζώου το φυλακτικόν και τό άγρυπνον και τό φιλόσοφον, γνώσει και άγνοίαι τό φίλον και τό έχθρόν ορίζοντος. Plutarch beruft sich dabei auf Platon, der die Wächter (φύλακες) seines „Staates" mit guten Hunden vergleicht ( 3 7 5 E ) . 7

2 1 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

249

geboren, Isis aber ihn aufgezogen habe, so bedeutet Isis die helle Oberwelt, Nephthys die dunkle Unterwelt, und Anubis, der zwischen ihnen steht, den Kreis des Horizonts, welcher Ober- und Unterwelt voneinander trennt. 1 Wenn erzählt wird, daß Osiris 28 Jahre gelebt hat, so ist dies aus der Mondnatur des Osiris zu erklären; in 28 Tagen umrundet der M o n d die Erde. 2

Astrologie und Schicksalsglaube § 4 5 2 Wer Mythen und Riten aus der Astronomie erklärte, der war nicht mehr weit entfernt von der Astrologie, von der Vorstellung, daß des Menschen Schicksal vom G a n g der Sterne abhänge und damit unabänderlich feststehe. Diese Lehre ist von den Stoikern vertreten, von den Piatonikern nie anerkannt worden. Wenn man die astrologischen Vorstellungen zu Ende dachte, dann war jede Religion aufgehoben. Aber man sagte: „Die obersten Götter, Sarapis und Isis, stehen über dem Schicksal und können das Fatum korrigieren." In der Selbstoffenbarung erklärt Isis: „Ich besiege das Schicksal; das Schicksal gehorcht mir." In dem in § 3 4 1 - 3 4 6 besprochenen Initiationsritual aus Alexandria, der Pschai-Aion-Liturgie, ist diese Vorstellung in ein sakrales Spiel umgesetzt, in dem der Initiand durch die sieben Planetensphären zum Polarstern emporstieg, die Himmelsschale durchbrach und - oberhalb der Planeten stehend und ihrer zwingenden Macht entronnen - von Sarapis eine neue Geburtskonstellation (γένεσις) empfing.

Hermes Trismegistos; die „Pupille der Welt" (Κόρη κόσμου) § 4 5 3 In der römischen Kaiserzeit ist in Ägypten eine populärphilosophische Literatur unter dem N a m e n des Hermes Trismegistos 3 entstanden. 4 Sicherlich sind diese Schriften zunächst auch im Kult verwendet worden. 5 M a n wollte die Urweisheit der Ägypter durch die einleuchtenden Vorstellungen ergänzen, welche Griechen und Juden nach Alexandria gebracht hatten. Die meisten dieser Traktate sind für Gemeinden frommer Theosophen geschrieben, und zum Isis- und Sarapiskult besteht keine Verbindung mehr. Eines dieser Werke müssen wir besprechen, das Buch Κ ό ρ η κόσμου („Pupille der Welt") 6 . Es endet mit einem Abschnitt über Isis und Osiris als Kulturbringer. 1

K a p . 44.

2

K a p . 42.

3

Des „dreimalgroßen H e r m e s " .

Z u den von A. D. N o c k und A.-J. Festugière herausgegebenen Texten kommt jetzt noch der Traktat über die O g d o a s und die Enneas, der in koptischer Übersetzung im C o d e x gnosticus VI 6 - 7 in N a g H a m m a d i gefunden worden ist. 4

5 Für die Verwendung hermetischer Gebete im Kult s. M . Totti, Texte Nr. 80/81 und A b r a s a x II 3 2 ^ 4 2 und 1 3 1 - 1 4 5 . Auch die Κ ό ρ η κόσμου hat ursprünglich mit einem solchen Gebet geendet. 6 Erhalten bei Stobaios I 4 9 , 4 4 (p. 3 8 5 - 4 0 7 Wachsmuth) = Exzerpt X X I I I in Band IV (p. 1 - 5 0 ) bei N o c k - Festugière. Der Schlußabschnitt auch bei M . Totti, Texte Nr. 3. Die Literatur über die Κ ό ρ η κόσμου ist umfangreich; Übersicht bei N o c k - Festugière III p. C X X V I I I - C X X I X . Auf p. C X X X - C C X I X folgt dann die Analyse des Textes von Festugière. Bequeme Inhaltsübersicht bei W. Bousset, R. E. X I 1386-1391.

250

2 1 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

§ 4 5 4 Isis erzählt ihrem Sohn Horos, wie Gott die Welt und den Menschen geschaffen habe; sie hatte dies von Hermes(-Thoth) erfahren, der bei der Weltschöpfung zugegen war. W i r betrachten nur die Erschaffung des Menschen. G o t t nahm aus sich selbst den „ H a u c h " ( π ν ε ΰ μ α ) 1 und vermischte ihn mit „geistigem F e u e r " , 2 sprach dazu geheime Worte und erschuf die Seelensubstanz (ψύχωσις), und aus ihr dann unendlich viele Seelen. Dann erschuf er die Körper und teilte die Seelen den Körpern zu, und so war der Mensch geschaffen. Da trat der Dämon „Tadler" (Μώμος) hervor und kündete an, daß Gott am Menschen keine Freude haben werde. Dieses Wesen werde frech und kühn sein, „neugierig 3 mit den Augen, geschwätzig mit der Z u n g e " ; er werde hören wollen, was ihn nichts angeht. Es folgt eine Anklagerede gegen den Wagemut und die Wißbegier des Menschen, gegen jene Eigenschaften, welche in dem Chorlied in der Antigone des Sophokles 4 die Größe des Menschen ausmachen: In frecher Weise wird der Mensch die Geheimnisse der Natur erkunden, seine Gedanken und Unternehmungen bis ans Ende der Welt schweifen lassen, (Heil-)Wurzeln ausgraben, die Eigenschaften der Säfte bestimmen, in seinem Wissensdrang Tiere und sogar Menschen sezieren, 5 übers M e e r fahren, die Produkte aller Länder exportieren und die Gesetze ergründen, nach denen der Himmel sich dreht. Hier kritisiert ein Ägypter die Lebensform, welche die Griechen ins Land gebracht hatten. Wirklich zeigte sich, so wird weiter erzählt, daß die Menschen miteinander stritten und sich bekriegten. Die heiligen Elemente (Feuer, Wasser, Luft und Erde) konnten diesen Zustand nicht ertragen und traten vor den obersten Gott: „Wie lange willst du zulassen, daß die Menschen ohne Rücksicht auf die Götter leben? Offenbare dich selbst, gebe dem Kosmos deine Weisungen, weihe das rohe Leben durch Frieden, gib Gesetze, erfülle das All mit den guten Hoffnungen.^ Die Menschen sollen die Strafe der Götter fürchten." Da versprach Gott den Elementen, eine Emanation (άπόρροια) seiner selbst zur Erde niederzusenden; „er wird ein frommer Beobachter dessen sein, was geschieht, für die Lebenden ein unbestechlicher Richter, aber für die (Toten) unter der Erde ein Schrecken erregender, strafender H e r r / und so wird jeder Mensch von Geschlecht zu Geschlecht den ihm zukommenden Lohn erhalten." Gott schickte Osiris und Isis als seine Emanationen zur Erde hernieder, die dem hilfebedürftigen Kosmos Retter sein sollten.

1

Der ägyptische Urgott Amun ist der Lufthauch.

§ 1 4 π ν ε ύ μ α . . . ά π ό τ ο υ 'ιδίου λαβών και νοερώι (so Nauck) τ ο ϋ τ ο πυρί μίζας. - Feuer und πνεΰμα sind die Urstoffe der Stoiker, πνεΰμα „Hauch, Luft" ist dasselbe W o r t , welches wir in christlichen Texten mit „Geist" (dem heiligen Geist) übersetzen. 2

3

S 4 4 περίεργος, lateinisch

curiosus.

Verse 3 3 2 - 3 7 5 ( π ο λ λ ά τ ά δεινά κοϋδέν α ν θ ρ ώ π ο υ δεινοτέρον πέλει κτλ.). Freilich ist auch Sophokles schon besorgt über die unermeßlichen Möglichkeiten, welche der Mensch sich geschaffen hat. 4

5 Z u Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. hat der in Alexandria tätige Arzt Herophilos Menschenkörper seziert. Er gilt als Vater der Anatomie.

^ § 5 6 πλήρωσον καλών έλπίδων πάντα. ^ Osiris in seiner Funktion als Totenrichter.

21 Philosophische Interpretation der ägyptischen Religion

251

§ 4 5 5 Der Text endet mit einem Preis dieses Götterpaares als der Bringer aller Kultur. Es werden fast dieselben Taten aufgezählt, welche auch in der Selbstoffenbarung vorkommen: „Sie (Osiris und Isis) haben für die Menschen die Fülle der Lebensmittel gegeben, sie haben der Wut des Sich-gegenseitig-Mordens ein Ende gesetzt 1 . . . Sie haben als erste Gerichte eingerichtet 2 und alles mit Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit erfüllt, sie sind die Erfinder des Handschlags und von Treu und Glauben und haben den größten Gott ,Eid' ins Leben eingeführt, sie haben gelehrt, wie man diejenigen bekleiden muß, welche gestorben sind, 3 sie haben danach gesucht, 4 worin die Wildheit des Todes besteht, und haben erkannt, daß der Lebenshauch (πνεύμα) von außen in den aus Materie geschaffenen K ö r p e r 5 zurückkehren will, daß aber, wenn er zu spät kommt, eine Ohnmacht bewirkt wird, welche nicht mehr aufgehoben werden kann^ . . . Sie haben erkannt, daß die Körper dem Verderben ausgesetzt sind, und haben den in jeder Hinsicht vollkommenen Stand der Propheten 7 eingesetzt, und es so eingerichtet, daß ein Prophètes, der seine Hände im Gebet zu den Göttern erhebt, über alle existierenden Dinge Bescheid weiß und durch die Philosophie und die Magie (= das priesterliche Wissen) die Seele nährt und durch die ärztliche Kunst den Körper, wenn ihm etwas zustößt, rettet." Diese Kosmogonie wird durch eine Offenbarung über die ägyptischen Götter gekrönt. D a s allgemeine Urteil über die Menschen ist differenziert: Ihre Kühnheit und Wißbegierde ist großartig und gleichzeitig schrecklich. D a s wirklich zivilisierte Leben ist erst entstanden, als der Weltschöpfer die gemäßigten Götter Ägyptens geschaffen und die Menschen angewiesen hat, ihr Leben nach den Gesetzen und der Moral auszurichten.

1

Indem sie die Menschen gelehrt haben, Getreide anzubauen.

2

Im Griechischen steht das charakteristische Wort δείξαντες, wörtlich „sie haben gezeigt".

3

Sie haben die Mumifizierung gelehrt.

4

ζητήσαντες, alles „Suchen" ist fromm.

Mit „ a u s Materie geschaffener K ö r p e r " übersetze ich das eine Wort π λ ά σ μ α τ α Es stammt aus der griechischen Übersetzung des Alten Testaments. 5

^ Dies geht auf jene Episode des Isismythos zurück, wonach Isis dem gestorbenen Gatten wieder Leben eingehaucht und ihn zur Begattung erweckt habe. Der T o d des Osiris wird hier als O h n m a c h t interpretiert, und einen Ohnmächtigen kann man durch Beatmen wieder erwecken. Aber wenn die Hilfe zu spät kommt, gibt es keine Rettung mehr. 7 D a s Wort „ P r o p h e t " bezeichnet die oberste Rangklasse der Priester; man darf nicht an die Propheten des Alten Testaments denken.

22 Plutarchs platonische Interpretation

τήν ·θεόν ταύτην άπό της επιστήμης άμα και της κινήσεως Εισιν μέν ημείς, Εισιν δ' Αιγύπτιοι καλοΰσιν Nach dem Wissen (Eisis) und gleichzeitig nach der Bewegung (Heisis) nennen wir Griechen, nennen die Ägypter diese Göttin „Eisis" Plutarch, De Iside 60

Plutarchs Isis-Buch § 456 Die Isis- und Sarapis-Verehrer haben in immer neuen Anläufen versucht, ihre Religion so neu zu interpretieren, daß sie für einen denkenden Menschen der hellenistisch-römischen Zeit akzeptabel sei. Es muß ein Gewirr von Stimmen über die wesentlichen Punkte dieser Religion gegeben haben. Plutarch hat in seiner Schrift „Über Isis und Osiris" 1 versucht, Ordnung in die umlaufenden Vorstellungen zu bringen. Das Buch ist ein Alterswerk und dürfte um 120 n. Chr. geschrieben sein. M a n darf sich nicht vorstellen, daß Plutarch zu einem Apostel der Isis- und Osiris-Religion geworden sei. Seine Religionsphilosophie ist immer platonisch gewesen. Ähnlich wie schon Piaton an überlieferte orphische und pythagoreische Vorstellungen anknüpfte, war auch Plutarch der Meinung, daß die - oft namenlosen - religiösen Lehrer der Vorzeit in vieler Hinsicht Einsicht in das Wesen der Dinge hatten und daß man die altüberlieferten Lehren ernst nehmen, sie aber nach den Bedürfnissen der Gegenwart neu deuten müsse. In diesem Sinn war für Plutarch die ägyptische Religion um Isis und Osiris eine altüberlieferte heilige Lehre, 2 welche - in richtiger Weise philosophisch interpretiert - mit den religiösen Vorstellungen der anderen Völker, vor allem auch der Griechen, zusammenpaßte. 1

Im „Lamprias"-Katalog der plutarchischen Schriften und im Codex Vindobonensis 4 6 heißt das Buch „Über Isis und Sarapis". Editionen des Isisbuches: Teubneriana von W. Sieveking (1935); Loeb-Ausgabe von F. C. Babbitt (1936); Budé-Edition von Chr. Froidefond (1988). Kommentare von Th. Hopfner ( 1 9 4 0 / 4 1 ) und J. G. Griffiths ( 1 9 7 0 , mit Text). Wertvolle Abhandlung von J. Hani, La religion égyptienne dans la pensée de Plutarque (1976). 2

In seinem Gespräch über Eros (Erotikos) sagt Plutarch, erst Platon habe den Menschen in seiner Philosophie den rechten W e g des Eros gewiesen; „allerdings sind in den Mythen der Ägypter zarte und undeutliche Emanationen der Wahrheit ausgesät" (καίτοι λεπταί τίνες ά π ό ρ ρ ο ι α ι και ά μ υ δ ρ α ΐ της άληθ ε ί α ς ενεισι ταίς Α ι γ υ π τ ί ω ν ένδιεσπαρμέναι μυθολογίαις, Kap. 1 7 p. 7 6 2 À = Teubner-Edition IV p. 370,16-18).

2 2 Plutarchs platonische Interpretation

253

Plutarch hat mit Flavia Clea, einer jüngeren Freundin, über die Isis-Religion gesprochen. Clea war von ihren Eltern her in die ägyptischen Mysterien eingeweiht. 1 Anscheinend hat Plutarch ihr erklärt, wie man die altüberlieferten Mythen und Riten philosophisch verstehen müsse, und Clea hat ihren Freund gebeten, seine Einsichten schriftlich niederzulegen. Plutarch hat dann ein beträchtliches Studium auf die ägyptische Religion gewendet. Er hat viele der älteren Interpretationen gelten lassen. Im vorigen Kapitel sind Beispiele angeführt worden. Aber im ganzen hat der Religionsphilosoph aus Chaironeia etwas Neues geschaffen. Er hat, um bildlich zu reden, die nach und nach zufällig aufgeführten größeren und kleineren Gebäude im Tempelbezirk der ägyptischen Götter nach neuem Plan zu einem sinnvollen, neuen Ensemble umgestaltet, indem er dem Ganzen einen platonischen Grundriß unterlegte. 2

Mythendeutung aus dem ,Logos' § 4 5 7 Nach Plutarch war die Gottheit für alle Menschen dieselbe. Alles, was uns das Leben möglich macht, kommt von den Göttern: Feuer, Getreide, Wein; jene Wesen, „die uns diese Dinge schenken und ständig und ausreichend darbieten, halten wir für Götter, und zwar nicht als andere bei den verschiedenen Völkern, auch nicht als barbarische und hellenische und nicht als südliche und nördliche; sondern ganz wie Sonne, M o n d , Himmel, Erde, Meer allen gemeinsam sind, aber bei den verschiedenen Völkern jeweils anders genannt werden, so gibt es Einen Logos, der den Kosmos ordnet, und Eine Vorsehung, die dies leitet, und helfende Kräfte, die für alles eingeteilt sind; aber es gibt nach den Gesetzen bei den verschiedenen Völkern verschiedene Ehren und Bezeichnungen, und die einen gebrauchen undeutliche, die anderen klarere geheiligte Symbole, welche den Sinn auf das Göttliche lenken sollen . . . Deshalb sollen wir aus der Philosophie den Logos entnehmen, der uns wie ein Mystagoge führt, so daß wir in frommer Weise alles durchdenken (und deuten), was an Mythen erzählt und an Riten verrichtet w i r d . " 3 § 4 5 8 Oft „ist der Mythos wie die Erscheinung eines Logos (Sinnes) im Spiegel, der mit seinen gebrochenen Strahlen die Gedanken auf etwas anderes l e n k t " . 4 Darum „darf man die M y then nicht wie Berichte gebrauchen, die ganz und gar zutreffend sind, sondern muß aus jedem

1 Kap. 3 5 . Plutarch hat ihr auch die Schrift „De mulierum virtutibus" gewidmet. Klea ist in zwei delphischen Inschriften belegt, s. S. E. G. 1, 1 5 9 und J. Jannoray, B. C. H. 7 0 , 1 9 4 6 , 2 5 4 - 2 5 9 N r . 8. 2 Dasselbe hat Philon von Alexandria für die griechisch-sprechende Judenheit getan und später Clemens von Alexandria und Horigenes für die Christenheit. Die Mithrasmysterien waren ganz von platonischen Vorstellungen durchdrungen. 3 K a p . 6 7 - 6 8 τους (sc. ταύτα) . . . δωρουμένους ήμΐν και παρέχοντας άέναα και διαρκή θεούς ένομίσαμεν, οϋχ έτερους παρ' έτέροις ουδέ βαρβάρους και "Ελληνας ουδέ νοτίους και βορείους· αλλ' ώσπερ ήλιος και σελήνη και ουρανός καί γή και θάλαττα κοινά πασιν, ονομάζεται δ' άλλως ύπ' άλλων, οΰτως ενός λόγου τού ταύτα κοσμούντος καί μιας προνοίας έπιτροπευοΰσης καί δυνάμεων υπουργών επί πάντα τεταγμένων, ετεραι παρ' έτέροις κατά νόμους γεγόνασι τιμαί καί προσηγορίαι· καί συμβόλοις χρώνται καθιερωμένοις οί μέν άμυδροϊς οι δέ τρανοτέροις έπί τά θεία τήν νόησιν όδηγούντες . . . ( 6 8 ) διό δει μάλιστα προς ταύτα λόγον έκ φιλοσοφίας μυσταγωγόν άναλαβόντας όσίως διανοεΐσθαι των λεγομένων καί δρωμένων εκαστον. 4

Kap. 2 0 ό μύθος . . . λόγου τινός εμφασίς έστιν άνακλώντος έπ" άλλα τήν διάνοιαν.

254 22 Plutarchs platonische Interpretation (Mythos) entsprechend den Ähnlichkeiten d a s (jeweils) Passende e n t n e h m e n " . 1 „ D a s Suchen (nach dem Sinn) ist ein frommeres Werk als alle Reinheitsriten und jeder T e m p e l d i e n s t . " 2 Plutarch äußert sich nicht deutlich darüber, o b m a n Osiris und Isis zu den Göttern oder zu den D ä m o n e n rechnen s o l l ; 3 vielleicht sollte m a n annehmen, daß Isis und Osiris - wie später H e r a k l e s und D i o n y s o s - wegen ihrer Taten zu Göttern geworden sind. 4 Z u r Erinnerung a n ihre Taten hat Isis die Zeremonien der Mysterien eingerichtet. 5 Die Zeremonien der Isisweihe sind voll geheimen Sinns. Auch „alles, w a s die Gesetze in Hinsicht auf die Opfer und die Feste angeordnet h a b e n " , muß auf den L o g o s , auf den Sinn bezogen werden. 6 „ W e n n m a n hört, w a s die Ägypter über die Götter erzählen - Irrfahrten, Zerstückelungen u n d viele derartige Leidensschicksale - , so darf m a n nicht denken, ihre M e i n u n g sei, d a ß irgendetwas d a v o n wirklich geschehen und getan worden s e i . " 7 Flavia Clea soll den M y t h o s so nehmen, wie ihn die Erklärer 8 in frommer und philosophischer Weise auslegen. 9

Aus Platon übernommene Vorstellungen § 4 5 9 Plutarch hat platonische Vorstellungen benutzt, sie aber zu einem neuen G a n z e n zusammengesetzt. In Piatons Psychologie werden drei Bestandteile des Menschen a n g e n o m m e n , Geist (νους), Psyche und Körper. Der Geist (νους) hat seine H e i m a t im jenseitigen Reich der Ideen, die unveränderlich und immer gleich sind. Der Geist kennt weder Praeteritum noch Futurum; er ist d a s „ S e i e n d e " (öv), ist unsichtbar und nur im Denken zu erkennen. Die K ö r p e r sind in stetigem Werden und Vergehen, gehören z u m „ W e r d e n " (γένεσις), zur materiellen Welt, sind sichtbar. D a s „ S e i e n d e " und das „ W e r d e n d e " können auch mit den Wörtern τ α ΰ τ ό ν (das Selbige) und τ ό ε τ ε ρ ο ν = θ ά τ ε ρ ο ν (das Andere, d a s Verschiedene) bezeichnet werden. Der Gegensatz zwischen beiden läßt sich als der Gegensatz zwischen dem „ E i n e n " und den „ V i e l e n " beschreiben, der Piatons ganze Philosophie durchzieht; und das Eine ist mit dem Guten (τάγαθόν) identisch, welches auch gleichzeitig das Schöne ist.

1 Kap. 58 χρηστέον δέ τοις μύθοις οΰχ ώς λόγοις πάμπαν ούσιν, άλλα τό πρόσφορον έκαστου κατά την ομοιότητα λαμβάνοντας. 2

Kap. 2 . . . την ζήτησιν, άγνείας τε πάσης και νεωκορίας έργον όσιώτερον.

3

Kap. 25-26.

4

Kap. 27.

5

Kap. 27, in § 331 zitiert.

Kap. 68 α καλώς oi νόμοι περί τάς θυσίας καί τάς έορτάς έταξαν (κτλ.) und kurz danach επί τον λόγον άνοιστέον άπαντα. 7 Kap. 11 δταν ουν à μυθολογούσιν Αιγύπτιοι περί των θεών άκούσηις, πλάνας καί διαμελισμούς καί πολλά τοιαύτα παθήματα, δ ε ι . . . μηδέν οιεσθαι τούτων λέγεσθαι γεγονός ούτω καί πεπραγμένον. 6

8

οί έξηγούμενοι, eine religiöse Vokabel.

Kap. 11 τά περί θεών άκούσασα καί δεχόμενη παρά τών έξηγουμένων τον μϋθον όσίως καί φιλοσόφως. 9

22 Plutarchs platonische Interpretation

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Psyche steht in der Mitte zwischen dem Einen und den Vielen: Als Weltseele ist sie Eines, auf die Lebewesen verteilt ist sie Viele. Sie hat Anteil am „Seienden", ist unsterblich. Aber sie geht in immer neue Körper ein und lebt so im Veränderlichen. Daß die Seele unsterblich ist, wird daraus begründet, daß sie sich selbst bewegt (αυτοκίνητος). Der Beweis hierfür wird im Phaidros gegeben (245C). Die Dreiteilung Geist - Psyche - Körper gilt nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern für das Weltall: Der Geist hat seinen Platz im jenseitigen Reich der Ideen; im einzelnen Menschen ist nur ein verschwindend kleiner Anteil anwesend. Der Körper der Welt ist der sichtbare Kosmos. Er ist ein mit Geist und Psyche begabtes Lebewesen, 1 enthält alle Lebewesen, ist „einer, ein ganzer, vollendeter". 2 Die Weltseele steht zwischen den beiden. Die unsichtbare Weltseele besteht aus allerfeinstem Stoff, aus dem auch die beiden großen Himmelskreise gebildet sind: Der Himmelsäquator, um dessen Achse sich der Fixsternhimmel dreht, und der Zodiacus, die schräg dazu stehende Bahn der Planeten. Die Aufgabe der menschlichen Seele ist, sich aus dem Körper zu befreien und zu ihrem Ursprung in der Fixsternsphäre, zur Schau des jenseitigen Einen zurückzukehren. Dies hat Piaton in mehreren berühmten Bildern ausgeführt: Im Symposion im Bild des Aufstiegs von der Betrachtung der schönen Körper, bei welcher die Seelen der Liebenden „schwanger werden", über die Betrachtung der schönen Lebensweisen (επιτηδεύματα) bis zur Betrachtung (έποπτικά) 3 des Einen Schönen; im Staat im Höhlengleichnis, wo die in der Höhle Gefangenen „umkehren" und zum Anblick der Sonne emporsteigen; im Phaidros im Bild von der Wagenfahrt der Seele empor bis zum Fixsternhimmel, wo ein Blick auf das jenseits der Fixsternschale befindliche Schöne und Gute möglich wird. § 460 Neben der Dreiteilung Geist, Psyche und Körper, in welcher der Geist mit dem „Gleichen" und „Seienden", der Körper mit dem „Verschiedenen" und „Werdenden" gleichgesetzt wird, während die Psyche in der Mitte an beiden Prinzipien teilhat, findet sich im Timaios (47Eff.) eine andere Dreiteilung: Zwischen dem „Seienden" und dem „Verschiedenen" wird dort eine „Wesenheit" angesetzt, „die schwer und nur undeutlich mit Worten zu beschreiben ist". 4 Sie hat „die Kraft und das Wesen" 5 , „Empfängerin und sozusagen Amme jeden Werdens zu sein".6 Sie ist der „ R a u m " , 7 welcher „allem Entstehenden einen Sitz (Platz) darbietet", 8 ist „das Wesen, welches alle Körper empfängt", 9 „die Ernährerin und Amme des Alls". 1 ^ Mehrfach wird von ihr das Wort σείω „schütteln, schwungvoll bewegen" gebraucht. 1 1 Sie ist „die 1

Timaios 30B8 κόσμος ζών εμψυχον εννοιιν. Timaios 30C5-31A1, 33Α7 ενα δλον.. . τέλεον (sc. κόσμον). Vgl. 33Β6, 34Β2. 3 Symposion 210Α. 4 49Α χαλεπόν και άμυδρόν είδος. . . λόγοις έμφανίσαι. 5 δύναμις και φύσις. 6 πάσης είναι γενέσεως ύποδοχήν αυτήν οιον τιθήνην. 7 χώρα· 52Α9, Β4, D3, 53Α6, 57C1. 8 52Β1 εδραν . . . παρέχον δσα εχει γένεσιν πασιν, vgl. 53Α2. 9 50Β6 ή τα πάντα δεχόμενη σώματα φύσις. 10 88D6 τροφός καίτιθήνη τοϋ παντός. 11 52Ε4-5, 53Α3-4, 57C5, 88D8, Ε2. 2

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Mutter und Empfängerin alles Entstandenen, Sichtbaren und Wahrnehmbaren", sie selbst „ein unsichtbares Wesen, ohne Gestalt, alles empfangend". 1 Da in ihrem Bereich vieles vom Zufall abhängt, nennt Piaton sie „die Form der umherirrenden Ursache". 2 Diese andere Dreiheit besteht also „aus dem Seienden, dem Raum und dem Entstandenen". 3 § 461 Plutarch greift diese Vorstellungen auf. Er spricht von dem mittleren, „empfangenden" Prinzip, 4 der Mutter, Amme, Nährerin, dem Weiblichen der Natur,· 5 dem Raum und Sitz der Erscheinungen.^ Er verwendet auch den aristotelischen Begriff der υλη, der Materie, des Stoffes, präzisiert aber, daß damit nicht etwa eine tote Materie im Sinn der Atomisten gemeint sei; vielmehr sei die Psyche des Menschen selbst der „Stoff" der Einsicht. 7

Plutarchs neues System § 462

Die zwei verschiedenen Dreiheiten Piatons

Geist - Psyche - das Werdende und Vergehende (die Körper) und das Seiende - die empfangende Natur (der Raum) - das Werdende und Vergehende hat Plutarch einander gleichgesetzt. N u n war Psyche (Weltseele oder Seele des Einzelnen) mit der „Empfangenden" (dem Raum, der ΰλη, dem beseelten Stoff) identisch und konnte mit Isis identifiziert werden. Dies erlaubte, eine sinnvolle, zusammenhängende Deutung der Mythen und Riten um Isis und Osiris: Osiris war das Seiende, Isis war Psyche und „Empfangende", und ihr Sohn Horos das Werdende und Vergehende. § 463 Ferner legt Plutarch seinen Ausführungen einen zweiten Gedanken zugrunde, für den er zwar einen Beleg aus Piaton anführt, der aber in das System der platonischen Philosophie nicht paßt: Es gebe zwei Grundprinzipien, das Gute und das Böse. Plutarch lehnt den Gedanken ab, daß alles aus Zufall geschehe, wie Demokrit und Epikur lehrten, und ebenso die Vorstellung Heraklits und der Stoiker, daß ein einziger Logos die Welt regiere. 8 1

5 1 A 4 - 7 τήν του γεγονότος όρατοϋ και παντός αισθητοί μητέρα και ΰποδοχήν . . . άνόρατον ειδός τι και άμορφον, πανδεχές. 2· 4 8 Α 7 - 8 τό της πλανωμένης είδος αιτίας. 3

52D3 ον τε και χώρα καΐ γένεσις.

4

Kap. 53 δεκτικόν, 56 δεξαμενή, 53 πανδεχής, 56 υποδοχή. Vgl. 53 δέχομαι, 59 und 64 υποδέχομαι.

^ 56 μήτηρ, 53 und 56 τιθήνη, 58 τροφή γενέσεως, 53 τό της φύσεως θήλυ. 6 Kap. 53 und 56 χώρα, 56 εδρα. 7 Kap. 58 δταν οΰν ΰλην λέγωμεν, ού δει προς ένίων φιλοσόφων δόξας άποφερομένους άψυχόν τι σώμα καί όποιον άργόν τε και άπρακτον έξ έαυτοϋ διανοεισθαι . . . αυτήν τε τήν ψυχήν και τήν διάνοιαν του ανθρώπου ώς ϋλην έπιστήμης καί αρετής τώι λόγωι κοσμεΐν καί ρυθμίζειν παρέχομεν.

" „Denn wenn Gott die Ursache von allem wäre, dann dürfte es kein Böses geben; und wenn er die Ursache von nichts wäre, nichts Gutes"; „wenn nichts ohne Ursache geschieht und wenn das Gute nicht Ursache des Schlechten sein kann, muß es in der Natur einen eigenen Ursprung sowohl des Guten als auch des Schlimmen geben" (Kap. 45).

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„Aus uralten Zeiten kommt zu uns herab von den Lehrern des Göttlichen über Dichter und Philosophen die Lehre, deren Ursprung unbekannt ist, welche aber starke und unauslöschliche Überzeugungskraft (πίστις) besitzt und in vielen Formen bei Barbaren und Hellenen in Umlauf ist, nicht nur in Reden und Orakeln, sondern auch in Weihe- und Opferzeremonien . . . : Daß das Leben und der Kosmos gemischt ist aus zwei einander entgegenstehenden Grundprinzipien und aus zwei miteinander kämpfenden Gewalten, von denen die eine nach rechts und nach vorn führt, während die andere in die Gegenrichtung umwenden und zurückreißen will." 1 Für diese Lehre führt er zunächst Zoroastres an, 2 dann die Lehre der Chaldäer von den guten und schlimmen Planeten und zuletzt die griechischen Mythen: Zeus und Hades sind einander entgegengesetzt, und aus der Ehe der Aphrodite mit Ares wurde die Tochter Harmonía geboren. Heraklit und Empedokles, die Pythagoreer, Anaxagoras und Aristoteles sprechen von den Gegensätzen; und Piaton hat im Alter in den Gesetzen 3 gesagt, „daß die Welt nicht nur von Einer Seele bewegt werde, sondern vielleicht von mehreren, sicherlich aber von nicht weniger als zweien, von denen die eine das Gute, die ihr entgegengesetzte das Gegenteil bewirkt". 4 Damit ist der Rahmen gesetzt, in welchem die Menschen leben und sich entscheiden. Plutarch fährt fort: Pia ton „läßt die Möglichkeit offen, daß es in der Mitte eine dritte Natur gibt, die nicht ohne Psyche ist und nicht ohne Logos, auch keineswegs - wie einige meinen - ohne eine aus sich selbst stammende Bewegung, sondern jenen beiden zugehört, wobei sie stets nach dem Besseren strebt, sich nach ihm sehnt und ihm nacheilt, wie die folgende Darstellung zeigen soll, in welcher die Lehre der Ägypter von den Göttern zumeist mit dieser Philosophie in Übereinstimmung gebracht werden wird". 5 § 464 Nach Plutarch steht also Psyche nicht nur in der Mitte zwischen Geist (νοΰς) und Körper, zwischen Seiendem und Werdendem, sondern auch zwischen Gut und Böse. Dasselbe gilt, wenn man das mittlere Wesen nicht „Psyche" nennt, sondern „Empfangende" oder „Raum": Die Empfangende steht zwischen dem Guten und dem Bösen; ihre Aufgabe ist, sich vom Bösen abzuwenden, zum Guten aufzusteigen, von ihm schwanger zu werden, das Gute zu erblicken. Sie strebt nach dem Guten, sehnt sich nach ihm, liebt und begehrt es; das sagt Plutarch in immer neuen Wendungen.

1

Kap. 45 διό και παμπάλαιος αυτή κάτεισιν έκ θεολόγων και νομοθετών εις τε ποιητάς και φιλοσόφους δόξα, τήν άρχήν άδέσποτον έχουσα, την δέ πίστιν 'ισχυράν και δυσεξάλειπτον, ουκ έν λόγοις μόνον οΰδ' έν φήμαις, άλλ' εν τε τελεταΐς εν τε θυσίαις και βαρβάροις και Έλλησι πολλαχοϋ περιφερόμενη, ώς . . . άπό δυοΐν έναντίων άρχων και δυοΐν αντιπάλων δυνάμεων της μέν επί τά δεξιά και κατ' ευθείαν ΰφηγουμένης, της δ' εμπαλιν άνασιρεφούσης και άνακλώσης ö τε βίος μικτός ο τε κόσμος . . . γέγονε. 2

Kap. 4 6 - 4 7 , besprochen von J. Hani, R. E. G. 77, 1964, 4 8 9 - 5 2 5 („Plutarque en face du dualisme iranien"). 3 P. 896E. Die Stelle bereitet allen Erklärern Piatons Schwierigkeiten, weil er soijst alles auf das Eine, Gute zurückführt. 4 Kap. 48 Πλάτων . . . ού μιάι ψυχή ι φησι κινεϊσθαι τόν κόσμον, άλλά πλείοσιν ϊσως, δυοΐν δέ πάντως ουκ έλάττοσιν, ων τήν μέν άγαθουργόν είναι, τήν δ' έναντίαν ταύτηι και των έναντίων δημιουργόν. 5 Kap. 48 άπολείπει δέ και τρίτην τινά μεταξύ φύσιν άψυχον οΰδ' άλογον οΰδ' άκίνητον έξ αΰτής, ώσπερ ένίοι νομίζουσιν, άλλ' άνακειμένην άμφοΐν έκείναις, έφιεμένην δέ της άμείνονος άεί και ποθούσαν και διώκουσαν, ώς τά έπιόντα δηλώσει του λόγου τήν Αιγυπτίων θεολογίαν μάλιστα ταύτηι τήι φιλοσοφίαι συνοικειοϋντος.

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Es tritt also neben die Triaden (A) Geist - Psyche - Körper (B) Seiendes - Raum - Werdendes und Vergehendes eine weitere Trias, (C) Gutes - Strebendes - Böses. Die beiden ersten Triaden konnten ineinander projiziert werden; bei der dritten Trias ging das nicht mehr an; Plutarchs System besteht aus vier Prinzipien: Geist = Seiendes (Gutes) Psyche = Raum = Empfangendes = Strebendes Körper = Werdendes und Vergehendes Böses. § 465 Diese Prinzipien entdeckt Plutarch im ägyptischen Mythos: Osiris bedeutet den Geist, das Seiende, das Gute. Isis vertritt die Psyche, die Empfangende, den Raum, das Hin-und-her-Irrende, Sich-Bewegende, Strebende. Ihr Sohn Horos steht für die Körper, die sichtbaren Erscheinungen, das Werdende und Vergehende. T y p h o n ist das Schlimme. Isis steht in der Mitte nicht nur zwischen Osiris und Horos, sondern auch zwischen Osiris und Typhon, und dies gilt sowohl für das Weltall, in dem Osiris und Typhon sich bekämpfen und Isis in der Mitte steht, als auch für die einzelne Menschenseele, denn in die Spannung zwischen Gut und Böse ist jede Psyche hineingestellt; ihre Aufgabe ist, sich von dem Bösen abzuwenden und nach dem Guten zu suchen.

Osiris, das Prinzip des Guten § 466 Osiris ist dasjenige Weltprinzip, welches Piaton das „Eine", das allein wirklich „Seiende" (öv), das Immer-sich-selbst-Gleiche (ταύτόν) nennt. Er ist „unbefleckt und unbesudelt und rein von jedem Stoff, der vom Vergehen ereilt wird", 1 ist „der Erste und der Mächtigste von Allem", 2 „Führer zu allem Guten und Herr alles Guten, der als Sinn und Verstand in der Psyche ist", 3 ist jenes „Erste, nur dem Gedanken Erreichbare", 4 „jenes Erste, Einfache, Materielose", 5 zu welchem die Seelen der Menschen nach Piatons Lehre emporsteigen sollen. 6

1

Kap. 78 άχραντος και αμίαντος και καθαρός ουσίας άπάσης φθοράν δεχόμενης.

2

Kap. 53 τό πρώτον και κυριώτατον πάντων.

3

Kap. 49 έν . . . τήι ψυχήι νους και λόγος ό των άριστων πάντων ήγεμών και κύριος.

4

Kap. 77 τό πρώτον κα'ι νοητόν.

5

Kap. 77 τό πρώτον έκεΐνο καΐ ά π λ ο ΐ ν και άυλον.

6

Weitere Belege: Osiris ist τό πρώτον και κύριον και νοητόν (Kap. 2), άΐδιος, άφθαρτος, τό ον κα'ι νοητόν και αγαθόν, ist der λόγος αμιγής καί άπαθής (Kap. 54), ό πρώτος θεός (Kap. 58), der ιερός λόγος (Kap. 2), τό νοητόν καί ειλικρινές καί άπλοΰν (Kap. 77), der Herr des Alls (πάντων κύριος, Kap. 12), der Wohltäter (ευεργέτης und άγαθοποιός, Kap. 42), der Erzeuger und Ernährer (γόνιμος καί τρόφιμος, Kap. 51), der Reine (καθαρός, ειλικρινής, Kap. 54). Wenn er als βασιλεύς bezeichnet wird (Kap. 10, vgl. Kap. 78 ήγεμών καί βασιλεύς), so geht dies auf den 2. platonischen Brief (p. 312E) zurück, welcher im Altertum als echt angesehen wurde. Vgl. Appuleius, Apologie 64.

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Piatons Lehre von jenem „ G u t e n " , welches U r s p r u n g und Ziel von allem ist, läßt sich nur schwer vereinbaren mit jener anderen von den zwei sich bekämpfenden Grundprinzipien, dem Guten und Bösen, welche Plutarch aus den „ G e s e t z e n " belegt.

Seth-Typhon, das Prinzip des Bösen § 4 6 7 Des Osiris Gegenspieler ist T y p h o n , das Prinzip des Schlimmen und Lebensfeindlichen. T y p h o n ist der griechische N a m e des ägyptischen Gottes Seth. D a s griechische W o r t T y p h o n bezeichnet den Wirbelsturm (Taifun ist von T y p h o n abgeleitet) und ü b e r h a u p t alles Aufgeblasene, Hochmütige, Tyrannische. Die negative Bedeutung des T y p h o n w a r jedem Griechen einsichtig. 1 „Alles, w a s es in der N a t u r an Schädlichem und Verderbenbringendem gibt, ist als Teil T y p h o n s anzusehen."2 Er ist alles Todbringende. 3 Im Gegensatz zu den naturalistischen Interpretationen der Stoiker ist T y p h o n für Plutarch „ w e d e r das Feuer noch die a u s d ö r r e n d e Hitze noch das (salzige) Meer, sondern einfach dasjenige in diesen Erscheinungen, welches ohne rechtes M a ß und infolge von Überschwang oder Fehlen nicht geordnet i s t " . 4 Den so gewonnenen allgemeinen Begriff hat Plutarch dann auch auf seine Lehre von der Seele übertragen: „ T y p h o n ist in der Seele das Leidenschaftliche, das Titanische, d a s Vernunftlose, d a s unbeherrscht L o s s t ü r z e n d e " , 5 „ d a s Ungezügelte und der Lust E r g e b e n e " . 6 Dies ist eine sinnvolle Weiterentwicklung der ägyptischen Vorstellungen. Im ägyptischen M y t h o s wurde erzählt, daß T y p h o n auf der J a g d den Sarg f a n d , in welchem Osiris bestattet w a r , ihn öffnete, die Leiche in 14 Teile zerriß 7 und in 14 verschiedenen G a u e n vergrub. Dies ist allegorisch zu verstehen: Alles Zerreißen, alles Zerteilen einer Einheit ist für den Platoniker negativ und beruht auf Unkenntnis (άγνοια, K a p . I ) . 8 A u f g a b e des mittleren Prinzips, der Psyche, der Isis ist, die zerstreuten Teile des Osiris zu suchen - das heilige Suchen, die ζήτησις der Isis-Demeter - und sie wieder zusammenzusetzen. 9

Isis-Psyche, Göttin der Bewegung und der Philosophie § 4 6 8 In der Mitte zwischen Osiris und T y p h o n steht als dritte Weltgottheit Isis. Plutarch setzt sie gleich mit Psyche, welche zwischen Geist (νους) und K ö r p e r steht, und d e m belebten 1 Hierin liegt ein Unterschied zu dem Seth der Ägypter, der zwar ein Gott der Gewalt war, aber als solcher auch positive Seiten haben konnte; so ist Seth ebenso wie Horos ein Königsgott gewesen. S. § 6. 2

Kap. 45 παν όσον ή φύσις βλαβερόν και φθαρτικόν εχει, μόριον του Τυφώνος θετέον.

3

Kap. 60 τό άναιρετικόν και φθαρτικόν.

4 Kap. 64 όρθώς εχει νομίζειν οϋτε πϋρ Τυφώνα . . . οΰτ' αΰχμόν ουδέ Μλατταν· άλλ' άπλώς δσον έστίν έν τούτοις άμετρον και άτακτον ΰπερβολαΐς η ένδείαις Τυφώνι προσνέμοντες . . . ουκ αν άμαρτάνοιμεν. 5 Kap. 49 Τυφών. . . της ψυχής τό παθητίκόν και τιτανικόν και άλογον καί εμπληκτον. 6

Kap. 2 τό άκόλαστον καί φιλήδονον.

Die Vokabeln sind διασπαν (Kap. 2, 32, 54), διασπασμός (35, 42), διαρρίπτειν (8, 18), διαιρεΐν (18), διαφορείν (39), διαλύειν (59), διασπείρειν(59), σπαράγματα (59). 8 Der böse Gott der Perser, sagt Plutarch, ist gekennzeichnet durch Dunkel und Unwissenheit (σκότωι καί άγνοίαι, Kap. 46). 9 Kap. 2 συνάγειν, συντίθεσθαι; Kap. 54 συναρμόττειν. 7

2 6 0 22 Plutarchs platonische Interpretation

Stoff (υλη) oder Raum (χώρα), welcher zwischen dem „Seienden" (öv) und dem Werdenden (γιγνόμενον) ist. 1 Sie ist „das Weibliche in der N a t u r " . Wenn Piaton im Timaios von der „umherirrenden Ursache" (48A πλανωμένη αίτια) gesprochen hatte, so sind nach Plutarch die mythischen Irrfahrten der Isis 2 philosophisch so zu deuten, daß Isis in stetem „Werden" ist und keinen festen Platz besitzt. Plutarch hat entsprechend der Gewohnheit seiner Zeit den Namen der Isis als „Eisis" (ΕΙΣΙΣ) geschrieben (schon damals als „Isis" ausgesprochen). 3 Er hat den Namen der Göttin „etymologisch" 4 erklärt und ist dabei vom Schriftbild ausgegangen. Er hat zwei Etymologien gegeben, beide aus dem Griechischen hergeleitet und beide in gleicher Weise geltend. 5

Isis = die in Bewegung Befindliche § 469 Wenn man Εισις mit anlautendem H- (= h) ausspricht (und mit Spiritus asper schreibt), dann ist der Name abzuleiten von ϊεμαι, Perfekt είμαι, Infinitiv εισθαι „in Schwung sein, streben, sich bewegen". Der Name der Göttin bedeutet also „Bewegung, Schwung, Streben". „Das Gebärende und Heilbringende der Natur bewegt sich auf ihn (Osiris) und auf das Seiende zu . . . Deshalb nennt man Isis nach dem In-Schwung-Sein . . . und nach dem Dahingetragenwerden, denn sie ist mit Psyche begabte Bewegung . . . So nennt man diese Göttin von der Bewegung Isis."^ Auf das Sich-Bewegen der Isis-Psyche weist Plutarch an mehreren anderen Stellen hin, so dort, wo er - Piatons „Gesetzen" folgend - nach den beiden einander entgegengesetzten Prinzipien des Guten und Bösen (Osiris und Typhon) das dritte, mittlere Prinzip einführt: „. . . daß es in der Mitte noch eine dritte Natur gibt, die nicht ohne Psyche ist und keineswegs ohne eine aus ihr selbst stammende Bewegung". 7 Diese dritte Natur ist die Psyche des Alls. 8

1

Kap. 58 αυτήν τε τήν ψυχήν . . . του ανθρώπου ώς ΰλην κτλ.

2

Kap. 54 τήν δ' Είσιν πλανωμένην. Vgl. Kap. 27 πλάνας.

3

In den griechischen Inschriften und Papyri überwiegt die Schreibung mit Ei-, während die lateinischen Inschriften entsprechend der Aussprache die Schreibung „Isis" bieten. 4 Wir verstehen unter Etymologie die historische Ableitung eines Wortes aus älteren Vorstufen und die entsprechende Deutung des Sinnes. Die Alten wollten, wenn sie von Etymologie sprachen, den wahren (ετυμον) Sinn der Wörter angeben. 5 In Kap. 61 verteidigt Plutarch die Ableitung der ägyptischen Götternamen durch die Annahme, daß diese Namen in der Vorzeit durch griechische Auswanderer nach Ägypten gebracht worden seien. Vgl. ξ 446. 6 Das Zitat steht in Kap. 60, ist aber oben verkürzt gegeben. Tatsächlich kombiniert Plutarch seine zwei Etymologien, die oben im Text besprochene von ϊεσθαι, εισθαι und die andere, von uns in § 4 7 0 besprochene von είδέναι, ειδον, wonach Isis die Göttin der Weisheit ist. Die oben ausgelassenen Worte, welche sich auf Isis-Sophia beziehen, sind im folgenden kursiv gesetzt: κινείται δέ της φύσεως τό μέν γόνιμον και σωτήριον έπ' αυτόν και προς τό είναι . . . διό τό μέν ΕΤσιν καλοϋσι παρά τό ΐεσθαι μετ' επιστήμης και φέρεσθαι, κίνησιν ούσαν έμψυχον και φρόνιμον. . . οΰτω τήν θ ε ό ν ταύτην ά π ό της επιστήμης άμα και της κινήσεως Εισιν . . . καλοϋσιν. 7

Kap. 48 τρίτην τινά μεταξύ φύσιν ούκ αψυχον . . . ούδ' άκίνητον έξ αυτής. Vgl. auch Kap. 75 ή δέ . . . κινήσεως άρχήν έξ αυτής έχουσα . . . φύσις. Kap. 49 ψυχή του παντός.

2 2 Plutarchs platonische Interpretation

261

Isis = die Erkenntnis § 4 7 0 M a n konnte den Namen der Isis aber auch ohne anlautendes H - aussprechen, also mit Spiritus lenis schreiben: Εισις. Dann war der Name von είδέναι „wissen" (Aorist ειδον) abzuleiten; denn Isis war nach Plutarch „ganz außerordentlich weise und weisheitsliebend (philosophisch), wie ja auch der Name zu sagen scheint, indem ihr offensichtlich Wissen und Erkenntnis z u g e h ö r t " . 1 Das Ziel des Isisdienstes „ist die Erkenntnis des Ersten, Herrschenden, dem Denken Erreichbaren" 2 (d. h. des Osiris); gleich danach fallen die Wörter „Erkenntnis und Wissen über das Seiende" (γνώσιν και εϊδησιν του οντος). 3 Das W o r t εϊδησις soll sichtlich an Εισις erinnern. Beide Etymologien Plutarchs, die von είδέναι und die von ϊεσθαι, haben den Nachteil, daß es die Vokabeln εΐσις „Wissen" und εισις „Streben" nicht gegeben hat. Aber man wird anerkennen, daß sie sprachgemäß gebildet sind: Wenn man mit Hilfe des Suffixes -σι- zu είδέναι und εισθαι Abstrakta bilden wollte, dann erhielt man eben diese Wörter. Schließlich sagt er, daß die Ägypter ihre Isis auch oft mit dem Namen „Athena" nennen und daß deren ägyptischer Name die Bedeutung habe: „Ich kam aus mir s e l b s t . " 4 Damit werde deutlich: Isis-Athena ist die sich selbst bewegende Bewegung. 5 M a n wird gegen Plutarchs Deutung des Isis-Namens einwenden, daß der N a m e nicht griechisch, sondern ägyptisch ist. Aber es kommt nicht darauf an, welche Etymologie historisch richtig ist, sondern darauf, welcher Sinn dem Namen der Isis hier und jetzt verliehen werden sollte, welche Bedeutung man der Göttin nach Plutarchs Meinung beilegen wollte. Plutarch meint: Isis ist eine philosophische Göttin (Εισις = Wissen), und als Personifikation der Bewegung (Εισις = Schwung, Streben) ist sie identisch mit der platonischen, sich-selbst-bewegenden Psyche. 6

Der Sinn des Wortes ΕΙΣΕΙΟΝ („Isistempel") § 4 7 1 Die Isisheiligtümer hießen Ε Ι Σ Ε Ι Ο Ν . Nach Plutarch (Kap. 2) ist dies zu verstehen als εισει öv, „du, der du eintrittst, 7 wirst das Seiende erkennen", wobei das „Seiende" in platoni-

1 Kap. 2 . . . έξαιρέτως σοφήν και φιλόσοφον ούσαν, ώς τοΰνομά γε φράζειν εοικε, παντός μάλλον αύτήι το είδέναι και τήν έπιστήμην προσήκουσαν. 2

. . . τέλος έστίν ή του πρώτου και κυρίου και νοητού γνώσις.

Kap. 2 . Die Stelle wird in § 4 7 1 (Anm.) im Zusammenhang zitiert. Plutarch verwendet das W o r t γνώσις noch in Kap. 1 , 1 1 und 7 6 . 3

4 Der ägyptische N a m e der Athena ist wahrscheinlich Neith. J. G. Griffiths führt in seinem Kommentar mehrere Versuche an, diesem Namen den von Plutarch angegebenen Sinn zu unterlegen. 5 Kap. 6 2 τήν μέν γάρ Εισιν πολλάκις τώι της 'Αθηνάς ονόματι καλοϋσι φράζοντι τοιούτον λόγον,,ήλθον άπ' έμαυτής", οπερ έστίν αυτοκινήτου φοράς δηλωτικόν. Die Identität der Isis-Athena mit Psyche ist evident. 6 Dementsprechend stellt Plutarch auch die beiden Etymologien, die sich für einen historischen Forscher ausschließen, ohne Bedenken nebeneinander. Dies ist besonders deutlich in der in § 4 6 9 (Anm.) zitierten Stelle aus Kap. 6 0 . 7 Das εΐσειβοΐΐ in doppeltem Sinn verstanden werden, (a) als 2. Person Singular Futur zu οίδα (wissen) und (b) als 2 . Person Singular Praesens zu εϊσειμι (eintreten, einem W o r t für Initiation). Der T e x t lautet:

262 22 Plutarchs platonische Interpretation schem Sinn als die Idee, das einzig Reale, zu verstehen ist, so daß man frei übersetzen könnte: „Du wirst das Wesen der Dinge erkennen." Plutarchs Ausführungen sind trotz der falschen Etymologie interessant, und seine Religionsphilosophie ist beachtenswert. Das Gebäude der christlichen Lehre stürzt nicht ein, weil eine Jungferngeburt historisch undenkbar ist. Sie hat mythische Wahrheit, und d a r u m haben die christlichen Lehrer nicht auf sie verzichtet. In ähnlicher Weise sind Plutarchs Etymologien nach den Gesichtspunkten der historischen Sprachwissenschaft verkehrt, aber philosophisch sinnvoll.

Der Sinn der Isis-Klapper (des ΣΕΪΣΤΡΟΝ) § 472 Daß Isis-Psyche Göttin der steten Bewegung ist, ergibt sich für Plutarch auch aus dem N a m e n der Isisklapper, des σεΐστρον. Die Vokabel ist griechisch, abgeleitet vom Verbum σείειν „schütteln" 1 . Eine Klapper macht nur Lärm, w e n n m a n sie schüttelt. Es ist nach Plutarch charakteristisch, daß für diese heftige Bewegung die Wörter σείειν und σ ε ΐ σ τ ρ ο ν gebraucht werden: Alle Dinge, die wirklich sind, müssen „geschüttelt" werden, damit sie ständig in Bewegung bleiben; man soll sich rühren und diejenigen aufwecken, die sich zum Schlafen niederlegen und verfaulen. 2 Wenn Isisverehrer den Typhon mittels der Sistren abschrecken und verjagen, so meinen sie: Z w a r fesselt „Verderben" das Wachsen (φύσις) und bringt es zum Stillstand, aber „ W e r d e n " löst die Fesseln wieder und richtet das Wachsen durch die Bewegung wieder auf. 3 Immer ist Bewegung (κίνησις) das Element des Lebens und der Psyche. Piaton selbst hat im Timaios f ü r diese Bewegungen der Psyche m e h r f a c h die W ö r t e r „bewegen" (κινεΐν) und „schütteln" (σείειν) nebeneinander gebraucht. 4

Liebesverbindung des „Verschaffenden" (Poros) mit der Armut (Penia) § 4 7 3 Im Symposion lehrt die mantineische Priesterin Diotima Sokrates das Wesen des Eros. Sokrates hatte gemeint, Eros sei ein Gott, lernt aber nun, daß Eros nur ein großer D ä m o n ist, gemischt aus Unsterblichem und Sterblichem. Seine Eltern sind Poros (der Verschaffende) und Penia (die Armut). Plutarch referiert: „Penia wünschte sich ein Kind und legte sich neben den schlafenden Poros; sie empfing und gebar Eros, der von gemischter und vielfältiger N a t u r

τοϋ δ' ίεροϋ τοΰνομα και σαφώς Επαγγέλλεται και γνώσιν και εΐδησιν του οντος· ονομάζεται γαρ Είσεΐον ώς είσομένων το ον, αν μετά λόγου και όσίως εις τά ιερά παρέλθωμεν (Initiation) της θεοϋ. 1 Ebenso wie man zu άρόω „pflügen" das Wort άροτρον „Gerät zum Pflügen, Pflug" gebildet hat. 2 Kap. 63 έμφαίνει και τό σεΐστρον, οτι σείεσθαι δει τά οντα και μηδέποτε παύεσθαι φοράς, άλλ' οιον έξεγείρεσθαι και κλονεΐσθαι καταδαρθάνοντα και μαραινόμενα. 3 τον γάρ Τυφώνα φασι τοις σείστροις άποτρέπειν και άποκρούεσθαι δηλούντες οτι της φθοράς συνδεούσης και ίστάσης, αύθις αναλύει τήν φύσιν και άνίστησι διά της κινήσεως ή γένεσις. 4 So wird in p. 43CD über die von außen kommenden Bewegungen gesprochen, welche auf dem Weg über den Körper auf die Psyche stürzen (διά τοϋ σώματος ai κινήσεις έπί τήν ψυχήν φερόμενοι) und dabei große Bewegung verursachen (πλειστην και μεγίστην παρεχόμεναι κίνησιν); sie „bewegen und schütteln heftig die Umläufe der Psyche" (κινοϋσαι και σφοδρώς σείουσαι τάς της ψυχής περιόδους). Ähnlich werden auch in p. 52D-53A und 88DE die Vokabeln κινεΐν und σείειν nebeneinander von den Bewegungen der Psyche verwendet. Vgl. ξ 460.

22 Plutarchs platonische Interpretation

263

ist; sein Vater ist gut und weise und in jeder Hinsicht sich selbst genügend; die Mutter aber ist ratlos und hilflos und begehrt immer nach etwas anderem." 1 Dies deutet Plutarch auf Osiris, Isis und ihren Sohn Horos-Eros: „Poros ist das erste Begehrenswerte, Erstrebenswerte, Vollendete, das sich selbst genug ist"; Poros ist also das Gute (τάγαθόν), ist Osiris. „Mit dem Namen Penia hat Plato die Materie (υλη) 2 gemeint, die - wenn sie für sich allein bleibt - des Guten bedürftig ist, die aber von ihm erfüllt 3 wird, sich immer nach ihm sehnt und ihn erhält." Die belebte Materie ist Isis. Der Sohn, bei Platon Eros genannt, im ägyptischen Mythos Horos, ist ein Symbol für den sichtbaren Kosmos: „Er ist nicht ewig und nicht unveränderlich und nicht unvergänglich; aber da er immer neu entsteht, bringt er es zustande, in den Veränderungen und Umläufen der Leidenschaften immer jung zu bleiben und niemals zu vergehen."

Horos, der sichtbare Kosmos § 474 Der sichtbare Kosmos, den Plutarch mit Eros-Horos 4 identifiziert, hatte bei Piaton zu der Dreiheit Geist-Psyche-Körper gehört. Wenn nicht vom einzelnen Menschen die Rede war, sondern vom jenseitigen Geist und der Psyche der Welt, dann war der Körper das sichtbare Weltall, der Sohn von Geist-Osiris und Psyche-Isis, Horos. Wenn man Isis als den „Platz des Werdens" (χώραν γενέσεως) verstand, dann war ihr Sohn ebenfalls die sichtbare, stets werdende Welt. 5 Horos ist das um die Erde gelagerte Weltall. 6 Isis „gebiert ihn als sichtbares Abbild des zum Geist gehörenden Kosmos"; 7 „indem die Physis 8 sich in Hinsicht auf das Geistige in neue Gestalten kleidet, erzeugt sie den Kosmos".^ Horos war auch Gott der Sonne, „der sichtbare Körper der Kraft des Immer-Gleichen", 1 0 war „umgrenzt" (ώρισμένος, Kap. 55), war die gute Jahreszeit (ώρα), welche alles im Raum leben läßt und nährt, war die richtige Mischung der Luft. 1 1 1

Kap. 57 nach Symposion 203B-204A.

2

Natürlich kein toter Stoff, s. § 461.

3

Im Timaios heißt es von der „Empfangenden" (δεχόμενη), sie werde erfüllt (52E2 έμπίμπλασθαι). Vgl. De Iside 53 (von Isis) κυϊσκομένη και ΰποπιμπλαμένη των γενέσεων und 58 (von Isis-ΰλη) άναπιμπλαμένην τοις κυριωτάτοις μέρεσιν. 4 Die Identität des Horos-Harpokrates mit Eros war allgemein anerkannt, s. S 156. Im Erotikos sagt Plutarch, die Ägypter hielten den Sonnengott (= Horos) für Eros (Kap. 19, p. 764B = Teubner-Edition IV p. 376,1 Α ι γ ύ π τ ι ο ι . . . νομίζουσιν"ΕρωτατονΉλιον). 5

Kap. 56 εκγονον και γένεσιν (den Horos).

6

Kap. 43 ό περίγειος κόσμος.

7

Kap. 54 . . . Τ Ωρον, ον ή Είσις εικόνα του νοητοί κόσμου αίσθητόν όντα γεννδι. Vgl. Kap. 56 αίσθητόν γαρ και όρατόν ό κόσμος. 8

Physis ist einer der Namen der Isis, vgl. Kap. 76 ή δέ ζώσα και βλέπουσα και κινήσεως αρχήν έξ αυτής έχουσα . . . φύσις. ' Kap. 54 πρός τό νοητόν ή φύσις μετασχηματιζομένη τόν κόσμον άποδίδωσιν. 10 Kap. 51 "Ηλιος σώμα της ταΰτοϋ δυνάμεως όρατόν. Vgl. Platon, Staat 516Β10 ("Ηλιος) ό τάς ώρας παρέχων. 11

Kap. 38 εστι δ' "Ωρος ή πάντα σώζουσα και τρέφουσα του περιέχοντος ώρα και κράσις άέρος.

264

2 2 Plutarchs platonische Interpretation

Aufstieg der Seele zum Schönen; Piatons Phaidros § 4 7 5 M i t dem geschilderten Götter-Ensemble war es möglich, die platonische Vorstellung in die Isis-und-Osiris-Religion zu übernehmen, welche immer so hinreißend gewirkt hat und wirken wird: Durch Eros steigt die Seele zum Schönen und Guten empor. Piaton hat diese Lehre im Symposion und im Phaidros dargestellt; der Phaidros ist im Altertum noch einflußreicher gewesen als das Symposion. Im Schatten einer Platane, neben einem Bach führt Sokrates die Diskussion mit dem jugendlichen Phaidros. V o n den Nymphen zu göttlichem Wahnsinn begeistert lehrt er, daß die Seele (Psyche) unsterblich ist, weil sie die Bewegung aus sich selbst nimmt, und schildert ihr Wesen: Sie ist zu vergleichen einem von zwei Pferden gezogenen Wagen, der von einem Wagenlenker regiert wird. Das rechte Pferd ist von weißer Farbe und stolzen, tapferen Sinnes, das linke ist schwarz und geneigt, seiner Leidenschaft und Begierde nachzugeben. Immer muß der Wagenlenker zügeln und zurückhalten. D e m entsprechen in der Seele drei Bestandteile: Die Stelle des Wagenlenkers vertritt der νους (die Einsicht, die Vernunft); dem rechten, weißen Pferd entspricht der stolze M u t (θυμός); dem linken, dunklen Pferd sind zu vergleichen die Regungen der Begierde (έπιθυμία). Die Kunst des Wagenlenkers „Einsicht" ist, seine beiden Pferde zu regieren. Der Mensch soll sein Leben so führen, daß er zur Erkenntnis und Einsicht dessen k o m m t , was das Wahre und Gute ist; dann hat er Aussicht, bei der nächsten Einkörperung der Seele ein besseres Lebenslos zu erlangen. Der Weg zur Einsicht führt über die Liebe zur Weisheit, die Philosophie. Sie ist für Piaton eng verbunden, ja identisch mit der Liebe zum Schönen, dem Eros. Er läßt der Seele Federn und Flügel wachsen, mit denen sie sich emporschwingen kann, und führt zur Sicht des wahren Schönen, zum Anblick des Guten, zur Erkenntnis Gottes. Der W e g der philosophischen Seele wird verglichen mit einer Fahrt himmelan. Der Wagenlenker „Einsicht" lenkt seine Pferde nach oben; er strebt danach, bis zum Himmelsgewölbe aufzusteigen, welches die sichtbare Welt umschließt. Hinter diesem Gewölbe befindet sich die eigentlich wahre W e l t , das Reich der Ideen. Der Aufstieg ist schwer, ja fast unmöglich. Das linke, störrische Pferd will der Begierde nachgeben, will auf die Erde zurück; die Flügel, mit denen die Seele aufsteigen könnte, fallen ab, das Gespann = die Seele stürzt zur Erde. Aber Eros kann ihr die Federn nachwachsen lassen, Psyche kann einen neuen Aufstieg versuchen. § 4 7 6 Diese platonischen Vorstellungen sind Plutarch vertraut, 1 und das Isisbuch ist voll von Anspielungen auf den Phaidros. Einige Stellen seien angeführt: „ M i t Isis(-Psyche) ist verwachsen der Eros zu jenem Ersten, Mächtigsten von allem, welches .dasselbe' ist wie das Gute. Nach jenem sehnt sie sich und jagt ihm nach . . . Sie neigt sich stets von sich aus zu dem Besseren und bietet sich ihm dar, daß er zeugen und in sie E m a n a t i o n e n 2 und Ähnlichkeiten aussäen möge, an denen sie sich freut und glücklich ist, wenn sie schwanger und erfüllt wird von Geburten. Denn die Geburt ist das Abbild des (ewigen) Seins im Stoff, und das Werdende ist die Nachbildung des (ewigen) Seienden." 3 1

Auch sein Gespräch über den Eros (Erotikos) ist voll von Anspielungen auf Symposion und Phaidros.

Das W o r t „ E m a n a t i o n " (άπορροή) stammt aus dem Phaidros 2 5 1 B (δεξάμενος . . . του κάλλους την άπορροήν). Plutarch gebraucht die Vokabel mehrfach (Kap. 3 6 , 4 9 , 5 9 , 7 6 ) . 2

3 Kap. 5 3 εχει δε σύμφυτον "Ερωτα τοϋ πρώτου και κυριωτάτου πάντων, ο τάγαθώι ταΰτόν έστι, κάκεΐνο ποθεί και διώκει' . . . ρέπουσα δ' άεί πρός τό βέλτιον έ | εαυτής και παρέχουσα γεννάν έκείνωι

2 2 Plutarchs platonische Interpretation

265

„So soll man auch über diese Göttin (Isis) sich denken, daß sie immer Anteil erhält an jenem ersten Gott (Osiris) und sich mit ihm verbindet in Liebe zum Schönen und Guten, welches um ihn ist." 1 „Die lebendige und blickende Natur, welche den Beginn der Bewegung aus sich selbst hat 2 und die Kenntnis dessen, was zu ihr gehört und was ihr fremd ist, hat die Emanation der Schönheit an sich gerissen.

„Die Erkenntnis des Geistigen, Reinen, Einfachen erhellt wie ein Blitz 4 die Psyche und gewährt, es unmittelbar zu berühren und zu erblicken. Deshalb haben Piaton 5 und Aristoteles diesen Teil der Philosophie die Mysterienschau (έποπτικόν) genannt; wenn man mit Hilfe des Logos an den Meinungen, dem Gemischten, dem Vielfältigen vorbeikommt, dann springt man empor zu jenem Ersten, Einfachen, Materie-Losen; und wenn man so die damit verbundene reine Wahrheit gewissermaßen berührt, dann hat die Philosophie ihr geweihtes Ziel erreicht." 6 Von der alten Religion um Isis und Osiris ist man hier weit entfernt: Die ägyptischen Vorstellungen sind zu einem neuen Ganzen umgestaltet, welches mehr griechisch als ägyptisch ist.

και κατασπείρειν εις έαυτήν ά π ο ρ ρ ο ά ς και ομοιότητας, αις χαίρει κα'ι γέγηθε κυϊσκομένη και ύποπιμπλαμένη των γ ε ν έ σ ε ω ν είκών γάρ έστιν ουσίας έν υληι γένεσις και μίμημα τοϋ οντος τό γιγνόμενον. Vgl. dazu Symposion 2 0 6 C 6 und E7. 1 Kap. 58 χρή καί τήν θ ε ό ν ταύτην οΰτω διανοεϊσθαι τοϋ πρώτου θ ε ο ΰ μ ε τ α λ α γ χ ά ν ο υ σ α ν άεί και συνοϋσαν ερωτι των περί έκεΐνον αγαθών καί καλών. 2

Diese Natur ist also mit Psyche identisch.

3

Kap. 76 ή δέ ζώσα καί βλέπουσα καί κινήσεως αρχήν εξ αυτής έχουσα καί γνώσιν οικείων καί άλλοτρίων φύσις κάλλους τ' εσπακεν άπορροήν. 4

Timaios 68Α οίον άπ' άστραπής. Phaidros 254Β είδον τήν όψιν τήν των παιδικών άστράπτουσαν.

5

Symposion 21 OA.

6

Kap. 7 7 ή δέ τοϋ νοητοϋ καί ειλικρινούς καί άπλοϋ νόησις ώσπερ αστραπή διαλάμψασα της ψυχής ά π α ξ ποτέ θ ι γ ε ΐ ν καί προσιδειν παρέσχε, διό καί Πλάτων καί 'Αριστοτέλης έποπτικόν τοϋτο τό μέρος της φιλοσοφίας καλοϋσιν, ως οί τά δοξαστά καί μεικτά καί π α ν τ ο δ α π ά ταϋτα παραμειψάμενοι τώι λόγωι προς τό πρώτον έκεΐνο καί άπλοϋν καί άϋλον έξάλλονται, καί θιγόντες άμωσγέπως τής περί αυτό κ α θ α ρ ό ς άληθείας οιον έντελή τέλος εχειν φιλοσοφίαν νομίζουσι. Vgl. Platons VII. Brief p. 344B6 έξέλαμψε φρόνησις.

23

Die Einweihung des Lucius

una quae es omnia dea Isis Du eine, die du alle bist, Göttin Isis Vidman 5 0 2

Lucius in einen Esel verwandelt § 4 7 7 Plutarchs neue Interpretation der Isisreligion hatte Erfolg. Fünfzig J a h r e später hat der Isisverehrer Appuleius von M a d a u r a nicht nur T r a k t a t e über S o k r a t e s und die L e h r e n Piatons verfaßt, 1 sondern auch seinem R o m a n , den M e t a m o r p h o s e n , einen p l a t o n i s c h e n Sinn unterlegt. Er nennt „ j e n e n berühmten P l u t a r c h " zweimal einen „ V o r f a h r e n " seines H e l d e n Lucius - gewiß als geistigen V o r f a h r e n . 2 W i r werden im zweiten Teil große Partien der M e t a m o r p h o s e n durchsprechen. A n dieser Stelle soll nur v o m X I . B u c h gehandelt w e r d e n . 3 Es ist das wichtigste uns erhaltene Zeugnis über die Isismysterien. Z u m Verständnis soll hier kurz über die vorangehenden Bücher referiert werden. § 4 7 8 Lucius ist in Geschäften nach Thessalien gereist und in der Stadt H y p a t a bei dem reichen M i l o eingekehrt. Er ist neugierig auf die Künste der thessalischen H e x e n und erfährt, daß die F r a u des Hauses, in welchem er w o h n t , eine berühmte Z a u b e r i n ist. Er beginnt eine Liebschaft mit der M a g d Photis und bittet diese, ihm die magischen Künste der H e r r i n zu zeigen. Photis verspricht, ihn durch Bestreichen mit einer Salbe in einen Vogel zu verwandeln. Aber sie vergreift sich in der D o s e und verwandelt den jungen M a n n in einen Esel. Sie tröstet ihn, er b r a u c h e nur a m nächsten M o r g e n eine Handvoll R o s e n zu fressen, um wieder in einen M e n schen zurückverwandelt zu werden. Photis bringt den Esel Lucius in einem Stall unter. Aber w ä h r e n d der N a c h t überfallen R ä u b e r das H a u s und erbeuten den Esel, der ihnen a u f langen W e g e n als Lasttier dient. Er gerät in die H ä n d e verschiedener H e r r e n und soll zuletzt bei einer Schaustellung in K o r i n t h Verwendung finden: Er, der Esel, soll eine Verbrecherin öffentlich be1

mate. 2

De deo Socratis

(über das δαιμόνιον, den kleinen Dämon des Sokrates) und De Piatone

Met. 1 2 a Plutarcho

ilio inclito ac mox Sexto philosopho

et eius

dog-

nepote eius und II 3.

Kommentare haben verfaßt P. Médan (1925), J.-C. Fredouille (1975) und vor allem J. Gwyn Griffiths (1975). Aus der Sekundärliteratur seien genannt: J. Berreth, Studien zum Isisbuch in Apuleius' Metamorphosen (1931); W. Wittmann, Das Isisbuch des Apuleius. Untersuchungen zur Geistesgeschichte des 2. Jahrhunderts (1938); A. Festugière, Personal Religion among the Greeks (1954) 6 8 - 8 4 . 3

2 3 Die Einweihung des Lucius

267

gatten. Lucius graust sich und entläuft; er erreicht gegen Abend eine einsame Stelle am Meer und schläft dort ein. Die Verwandlung in den Esel, das Tier des Seth-Typhon, hat allegorische Bedeutung: W e r sich der niedrigen Leidenschaft hingibt, wie Lucius mit Photis, der ist ein Esel, ist in der Gewalt des bösen Gottes Seth; die Rettung kann ihm nur von den Rosen der Isis kommen.1

Erzählebene und Ebene der Riten § 4 7 9 Wie so viele Partien der Metamorphosen spielt auch die erste Hälfte des elften Buches auf zwei Ebenen, der Erzählebene und der Ebene der Isis-Zeremonien. Die Handlung der ersten zehn Bücher ist eine erfundene, wunderbare Geschichte, die aber im elften Buch einmündet in den Bericht über die Initiationen, welche Lucius durchgemacht hat. Es wird zwar noch von den Geschicken des Esels Lucius erzählt, der Handlung liegt aber nun eine Isis-Zeremonie zugrunde: Was Lucius als Esel erlebt, das erlebt jeder Kandidat, bevor er in die Mysterien eingeweiht wird. So beziehen sich die Sätze des Appuleius bald auf die Erzähl-Ebene, bald auf die Isis-Riten, bald auf beide Ebenen zusammen; der aufmerksame Leser versteht, wie Appuleius es gemeint hat. 2

Das Datum des Isisfestes § 4 8 0 Der am Strand schlafende Esel Lucius erwacht in der ersten Nachtstunde in plötzlichem Schrecken 3 und sieht Luna als vollen M o n d aus den Meeresfluten emportauchen. Da am nächsten T a g ein Frühlingsfest gefeiert wird, ergibt sich eine exakte Datierung: Das Fest fällt auf den Vollmondtag jenes Himmelsmonats, in welchem die Sonne im Zodiacalzeichen des Widders steht. Dies ist derselbe Tag, an dem jene Sarapis-Aion-Initiation stattfand, welche uns in der Leidener Kosmogonie überliefert ist; 4 der Tag, an welchem die Juden zur Zeit Jesu das Passahfest in Jerusalem feierten; der T a g , an welchem die ersten Christen im Osterfest des Todes J e s u gedachten. 5 Zwischen dem christlichen Osterfest und der Isisweihe bei Appuleius bestehen auch insofern Beziehungen, als Ostern in der alten Christenheit der T a g der Taufe, der christlichen Initiation, gewesen ist.

1 Die allegorische Bedeutung ergibt sich aus zwei Sätzen, welche Isis und ihr Priester zu Lucius sprechen. In X I 6 , 2 sagt Isis: pessimae mihique iam dudum detestabilis beluae istius corto te protinus exue, „zieh (dann) sofort das Fell dieser schlimmen Bestie aus, die mir schon immer verhaßt w a r " ; und in X I 1 5 , 1 spricht der Priester: ad serviles delapsus voluptates curiositatis improsperae sinistrum praemium reportasti, „weil du zur Wollust mit der Sklavin herabgeglitten bist, hast du den unheilvollen Lohn deiner unzeitigen Neugier davongetragen". 2

Vgl. in § 7 0 2 über die desultoria

3

X I 1,1 pavore subito. Furcht gehört zu den Empfindungen des Initianden, s. § 3 3 2 .

scientia im Eingangskapitel der Metamorphosen.

4 Vgl. S 3 3 4 - 3 4 0 (P. G. M . XIII = Abrasax III 1 - 1 5 3 ) . Die Belege für das Folgende wurden in Abrasax III S. 7 - 1 0 und 6 9 - 7 6 gegeben. Das Datum des jüdischen Passah wird z. B. von Eusebios, Hist, eccles. V 2 5 erwähnt. 5

S . S 3 5 4 , auch 2 9 1 .

268

2 3 Die Einweihung des Lucius

Bei dem von Appuleius geschilderten Fest wird ein Schiff zum Meer gefahren und vom Stapel gelassen: Die Schiffahrt ist eröffnet. Es handelt sich offensichtlich um das navigium Isidis, die πλοιαφέσια 1 , s. § 291. 2

Lucius badet im Meer und betet zur Regina caeli, der Mondgöttin (XI 1-2) § 4 8 1 Beim Anblick des Mondes schöpft Lucius Hoffnung: Luna ist Symbol des Werdens und Vergehens; sie regiert Tiere und Pflanzen, Erde, Himmel und Meer, und so ist er sicher, daß auch die menschlichen Angelegenheiten durch ihre Providentia (Vorsehung) regiert werden. 3 Das schlimme Fatum hat sich an seinem Unglück ersättigt und bietet die H o f f n u n g auf Rettung (,spem salutis).4 So entschließt er sich, Luna um Befreiung von der Eselsgestalt zu bitten. Er schüttelt die träge Ruhe ab, erhebt sich frisch 5 und stürzt sich zu einem Tauchbad ins Meer; er taucht sein H a u p t siebenmal unter, weil Pythagoras die Zahl Sieben für die beste gehalten hat, und betet mit tränenüberströmtem Antlitz 6 zu Luna. Die Erzählung umspielt ein Ritual, das Tauchbad vor Beginn der Weiheriten. Es findet an derselben Stelle statt, an welcher am nächsten Tag das Schiff der Isis zu Wasser gelassen wird. 7 Pythagoras wird genannt, weil er seine Lehre von der Seelenwanderung - vom Eingehen der Seele in Menschen- und Tierkörper und ihrer Rückkehr in den Menschenleib - aus Ägypten empfangen haben soll.*® Weinen war beim Gebet vorgeschrieben; es galt als Zeichen echter Rührung. 9 Lucius weiß noch nicht, daß der wahre Name der Luna „Isis" ist. Er betet sie an als CeresDemeter, Venus-Aphrodite, Diana-Artemis, Proserpina-Persephone und schließt die Anrede mit den Worten: „. . . mit welchem Namen, nach welchem Ritus, mit welchem Antlitz dich anzuru-

1 Dieses W o r t ist in XI 17,3 in leichter Verderbnis erhalten {αοιαεφεσια, M . H a u p t hergestellt).

von T h . M o m m s e n u n d

2 M a n hat bisher angenommen, das Isisfest des Appuleius falle auf den 5. M ä r z . M a n hat den lunisolaren Charakter des Festes verkannt, auch ich („Isisfeste" 3 9 - 4 1 und 58; s. aber Abrasax III 76). 3 XI 1,2 certus . . . summatem Providentia.

deam praecipua

maiestate

pollere

resque prorsus

humanas

ipsius

regi

4 XI 1,3 fato . . . tarn meis tot tantisque cladibus satiato et spent salutis . . . subministrante. Diese „ H o f f n u n g " ist die Ergänzung zu der vorher genannten Furcht (pavor)·, zur Initiation gehören beide, Furcht und H o f f n u n g . 5

XI 1,4 discussa pigra quiete alacer

6

XI 1,4 lacrimoso

7

XI 16,5 ad ipsum ilium locum, quo pridie meus stabulaverat

8

H e r o d o t II 81 und 123; Diodor I 98,2. Vgl. § 4 1 4 und 4 2 2 .

exsurgo.

vultu. asinus,

pervenimus.

9 Vgl. XI 3 fusis precibus et adstructis miseris lamentationibus; 2 4 , 7 (Lucius hat sich vor der Statue der Göttin zu Boden geworfen und betet) lacrimis obortis, singultu crebro. In der Sarapisaretalogie aus Delos (Vers 72) betet der Priester Apollonios, „Tränen vergießend" (σταλάων ά μ α δάκρυ), s. I. G. XI 4 , 1 2 9 9 = Roussel 1 = M . Totti, Texte N r . 11 = H . Engelmann, The Delian Aretalogy of Sarapis (EPRO 4 4 , 1 9 7 6 , S. 49). Als Thessalos von Tralleis in Diospolis-Theben die Erlaubnis erhält, allein mit dem Gott zu sprechen, d a n k t er dem Priester, wobei ihm „die T r ä n e n wie aus einem Brunnen h e r v o r s t r ö m e n " ( η ΰ χ α ρ ί σ τ ο υ ν κ ρ ο υ ν η δ ό ν μ ο ι τ ώ ν δ α κ ρ ύ ω ν φ ε ρ ο μ έ ν ω ν , s. Thessalos I 19 p. 51a,16 Friedrich). Vgl. Κ. Meuli, Ges. Sehr. I 3 7 4 - 3 8 0 . Augustin, Confess. VII 2 1 , 2 7 spricht von den lacrimae confessionis.

23 Die Einweihung des Lucius

269

fen fromm ist". 1 Er wird in Kürze erfahren, daß Isis-Luna noch viele andere Namen trägt; sie hat zehntausend Namen, ist μυριώνυμος. § 482 Die Anrufung der Ceres im Wortlaut: Regina caeli - sive tu Ceres alma frugum parens originalis, quae, repertu laetata filiae, vetustae glandis ferino remoto pabulo, miti commonstrato cibo nunc Eleusiniam glebam percolis. „Himmelskönigin 2 - sei es, daß du die nährende Ceres bist, Ursprung und Mutter der Feldfrucht, die du in der Freude über das Wieder-Finden der Tochter die tierische Speise der Urzeit, die Eichel, abgeschafft und die zahme Speise (das Getreide)-* den Menschen gezeigt hast und nun die Scholle von Eleusis bewohnst." Hier fallen zwei charakteristische Vokabeln, das „Finden", das heilige Wort der Isisreligion, und das „Zeigen" 4 : Demeter hat den Ackerbau „gezeigt". Lucius bittet nun: Tu meis iam nunc extremis aerumnis subsiste, tu fortunam conlapsam adfirma, tu saevis exanclatis casibus pausam pacemque tribue; sit satis laborum, sit satis periculorum: Depelle quadripedis diram faciem. „Hilf mir in meiner äußersten Trübsal, richte wieder auf meine zusammengebrochene Fortuna, 5 gewähre mir Ruhe und Frieden, nachdem ich die wilden Schläge des Schicksals erduldet^ habe; es sei genug der Mühen, genug der Gefahren. Entferne von mir das scheußliche Gesicht des Vierbeiners." Die Rettung wird durch die Aufnahme unter die Isismysten erfolgen; das scheußliche Gesicht des Vierbeiners ist eine Maske, welche Lucius bei der Weihe ablegen wird.

Die Traumerscheinung der Isis (XI 3-4) § 483 Lucius, der Esel, legt sich wieder zum Schlafen nieder. Kaum war er eingeschlafen, als sich aus dem Meer ein hellglänzendes Götterbild erhebt 7 und vor ihn tritt: Isis erscheint dem Träumenden in eben der Gestalt, in welcher ihre Verehrer die Statue der Göttin in den Tempeln erblicken.*®

1 XI 2,3 quoquo nomine, quoquo ritu, quaqua facie te fas est invocare. 2 So haben die Christen später Maria angerufen. 3 Die griechische Vokabel ist ήμερος τροφή (Annaeus Cornutus, Theol. Gr. compendium 28, p. 53,21 Lang, vgl. Diodor I 20,3 τοις ήμερωτάτοις καρποϊς). Indem Ceres-Isis das Anbauen des Getreides eingeführt hat, hat sie den Kannibalismus abgeschafft (Selbstoffenbarung Zeile 21 εγώ . . . τάς ανθρωποφαγίας έπαυσα). 4

monstrare, griechisch δεικνύναι oder φαίνειν. Einer der eleusinischen Priester hieß ίεροφάντης Plutarch, Alkibiades 22 (ò) Ιεροφάντης . . . δεικνύει τα Ιερά. Hippolytos, Elenchos V 8,39 (p. 96,11 W.) έπιδεικνύντες . . . τ ο . . . έ π ο π τ ι κ ό ν . . . μυστήριον έν σιωπήι τεθερισμένον στάχυν. 5

Fortuna ist Isis-Tyche selbst, s. ξ 171. 6 Wörtlich: „ausgeschöpft". 7

Eine Aphrodite άναδυομένη. 8 XI 3,2 necdum satis conixeram, et ecce pelago medio venerandos diis etiam vultus attollens emergit divina facies; ac dehinc paulatim toto corpore perlucidum simulacrum excusso pelago ante me constitisse visum est.

270

2 3 Die Einweihung des Lucius

Träume galten im Isiskult als Orakel. 1 Der religiöse Sinn des Mondaufgangs wird dem Mysten im Traum erklärt; erst der Traum bietet den Schlüssel zur Welt des Wachens. Die Beschreibung der Traumerscheinung paßt in allen Einzelheiten zu den uns erhaltenen Statuen der Isis (Abb. 86-99). Die reichen Haare waren mit Blumenkränzen geschmückt, und darüber erhob sich die Isiskrone, eine wie ein Spiegel 2 leuchtende Mondscheibe, die von Königsschlangen beiderseits eingefaßt und mit den Ähren der Demeter geschmückt war. Das Gewand war vielfarbig; 3 darüber ein leuchtend schwarzer Mantel, der mit einem Knoten vor der Brust verknüpft war. Auf dem Mantel waren Luna und die Sterne abgebildet. 4 In der rechten Hand hielt die Gestalt das Sistrum (crepitaculum) und schüttelte es in dreimaligem Takt (;trigemino iactu)\ von der linken hing ein Gefäß in Schiffsform (cymbiumΫ herab, dessen Griff wie eine Königsschlange mit hocherhobenem Kopf gebildet war. An den Füßen trug sie Sandalen, aus Palmblättern geflochten. 6 In dieser herrlichen Gestalt, göttlichen Wohlgeruch verströmend, erwies die Erscheinung Lucius die Gnade, 7 mit göttlicher Stimme zu ihm zu sprechen:

Die Traumoffenbarung der Isis (XI 5-6) § 484 En adsum tuis commota, Luci, precibus, rerum naturae parens, elementorum omnium domina, saeculorum progenies initialis, summa numinum, regina manium, prima caelitum, deorum dearumque fades uniformis, quae caeli luminosa culmina, maris salubria flamina, inferum deplorata silentia nutibus meis dispenso: cuius numen unicum multiformi specie, ritu vario, nomine multiiugo totus veneratur „Sieh, Lucius, ich bin auf deine Bitten hin gekommen, 8 ich, die Mutter aller Dinge in der Natur, die Herrin aller Sterne, 9

1 Die Rede, welche Isis dem träumenden Lucius hält, heißt oraculum nocturni. . . oraculi.

venerabile

orbis.

(XI 7,1); vgl. 13,1

2

Die Spiegel dürften zur Tracht der Isispriesterinnen bei ihrem öffentlichen Auftreten gehört haben.

3

So Plutarch, De Iside 77, s. § 304.

4

Ein solcher Sternenmantel ziert die Isis-Statue des Louvre, Abb. 108.

5

Solche „Nachen" (σκάφια) sind in Delos oft bezeugt, ζ. Β. I. G. XI 4, 1 3 0 7 , 2 0 (Roussel S. 210); vgl. weiter Vidman S. 85. Diese Weihgaben galten der Isis pelagia. 6

XI 4 , 3 pedes ambroseos

7

dignata est. Das griechische Äquivalent ist ήξίωσεν.

tegebant soleae palmae victricis foliis

® Griechisch πάρειμι, Parusie. 9

elementa

= στοιχεία, die Sterne.

intextae.

23 Die Einweihung des Lucius der die die die

271

uranfängliche Sproß der Jahrhunderte, 1 oberste der Götter, Königin der T o t e n , 2 Erste der Himmlischen,

das einheitliche Antlitz der Götter und Göttinnen,^ die ich das lichte Dach des Himmels, die heilbringenden Winde des Meeres, das beklagenswerte Schweigen der Toten durch mein N i c k e n 4 regiere und die als einheitliche Gottheit 5 in vielfacher Gestalt unter vielfach verändertem N a m e n der ganze Erdkreis verehrt." Isis zählt nun sie einige ihrer vielen N a m e n 6 auf; sie heißt - Kybele bei den Phrygern, - Minerva-Athena bei den Athenern, - Venus-Aphrodite Paphia auf Zypern, - Diana-Artemis Diktynna bei den Kretern, - Stygia Proserpina bei den Sikelern, - Ceres-Demeter A c t a e a 7 bei den Eleusiniern, sie heißt Iuno-Hera, Bellona, Hekate, Nemesis Rhamnusia; aber mit ihrem w a h r e n N a m e n 8 , Regina Isis, benennen sie allein die Äthiopier und die Ägypter, „die durch ihre uralte Weisheit mächtig sind und mich mit den richtigen Zeremonien v e r e h r e n " . 9 § 485

Nachdem Isis ihren N a m e n mitgeteilt h a t , 1 0 fährt sie fort:

Adsum

tuos miserata

depelle

maerorem;

casus, adsum

favens et propitia,

iam tibi Providentia

mea inlucescit

mitte iam fletus et lamentationes dies salutaris.

omitte,

„Ich bin g e k o m m e n 1 1 voll

1

Isis ist der Anfang von allem und auch das Ergebnis („der Sproß") der Jahrhunderte.

2

Isis-Proserpina.

3 Vgl. die Inschrift Vidman 502 = Dessau 4 3 6 2 aus Capua: una quae es omnia, dea Isis und die weiteren Belege in ξ 1 6 4 - 1 6 9 . 4 Wie Zeus in der Ilias (A 5 2 8 - 5 3 0 ) und wie Sarapis bei Ps. Kallisthenes I 33,13 (p. 3 7 , 1 6 - 1 8 Kroll); s. § 130. 5

Vgl. die vorletzte Anmerkung.

6

Vgl. S 166 und 168.

Actaeam ist eine glänzende Konjektur von D. S. Robertson (überliefert ist deam). Er hat Statius, Silvas IV 8,50 Actaea Ceres verglichen. Άκταίη heißt „attisch" und spielt an auf das Wort άκτή „gemahlenes Korn". 7

8 vero nomine, ägyptisch PENNMHT, s. P. G. M . IV 21 und H. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch 104. Eine Parallele zur Offenbarung des wahren Namens im Traum findet sich im Alexanderroman: Als der Makedonenkönig das Gelände der Stadt Alexandria abgesteckt hat, legt er sich nieder zum Inkubationsschlaf; der Gott des Ortes erscheint im Traum und offenbart seinen Namen: „Sarapis". Vgl. § 133. 9

X I 5, 3 prisca . . . doctrina pollentes

Aegyptii caerimoniis

me propriis

percolentes.

Appuleius behandelt den Namen der Isis als Geheimnamen. Er nennt sie regelmäßig „die Göttin"; ihren Namen benutzt er nur noch in X I 15,4 (Isidis magnae) und X I 26,3 (reginae Isidis). 10

11

Wieder

adsum.

272

2 3 Die Einweihung des Lucius

Mitleid 1 mit deinen Unglücksfällen, bin gnädig und wohlwollend gekommen. Laß das Weinen und die Klagen; 2 jetzt wird für dich durch meine Vorsehung der Tag des Heils aufgehen." Isis ist mit der Vorsehung (Providentia, πρόνοια) identisch. Sie hat bestimmt, daß Lucius eingeweiht werden soll, und gibt Anweisung, was er zu tun hat. Am folgenden Tag, der nach Isis benannt ist, 3 werden die Isispriester ein Schiff vom Stapel lassen und die Periode der diesjährigen Schiffahrt eröffnen. Auf diese Feier soll Lucius warten, ohne Furcht und in frommem Sinn. 4 Er wird einen Priester mit einem Rosenkranz erblicken; dann soll er sich in die Prozession einreihen,5 dem Priester sanft 6 die Hand küssen und von den Rosen essen; „so sollst du das Fell dieser bösen, mir seit langem verhaßten Bestie sofort ausziehen", pessimae mihique iarn dudum detestabilis beluae istius corto te protinus exue. Als Isis dem Lucius im Traum erschien, gab sie auch dem Priester die entsprechende Traumweisung. 7 § 486 Doppelträume sind von Gott gesandt; sie kommen in der antiken Literatur oft vor, 8 im elften Buch des Appuleius noch zweimal.^

Das Eselsfell des Lucius und eine christliche Parallele: Das cilicium der Taufkandidaten § 487 „Zieh das Fell dieser Bestie aus {exue)", hat Isis gesagt. In der Erzählebene sind diese Worte auch in übertragenem Sinn zu nehmen: Indem Lucius durch die Gnade der Göttin aus einem Esel in einen Menschen zurückverwandelt wird, legt er das Eselsfell ab. In der Ebene der Isisriten ist das exue wörtlich zu verstehen: Der Kandidat für die Weihe hat ein Eselsfell übergezogen, als sichtbares Zeichen dafür, daß er noch kein richtiger Mensch ist; im Augenblick der Weihe zieht er das Fell aus und steht als Mensch da; er hat das Kleid und die Gesinnung des Seth ausgezogen und ist aus einem Feind zu einem Schützling der Isis geworden.

1 Miserata, griechisch έλεήσασα. Vgl. die Zeile 3 6 der Selbstoffenbarung εγώ ίκέτας έλεάν ένομοθέτησα. In der Ethik der Griechen spielt Mitleid keine Rolle; anders bei den Christen. 2

Dem Sinne nach sagt Isis: „Sei guten Mutes", bono animo esto, θάρσει, εύθΐιμει.

XI 5,5 diem, qui dies ex ista nocte nascetur, aeterna mihi nuncupavit religio. Der Tag heißt navigium Isidis. 3

4

Id sacrum nec sollicita nec profana mente debebis

5

XI 6,2 continare

opperire.

pompam.

6

clementer, πράως, eine charakteristische Vokabel.

7

Dies wird nachträglich in XI 13,1 erzählt.

8 Einige Beispiele: Livius VIII 6,9; Aretalogie des Imuthes-Asklepios im Pap. Oxy. 1381 = M. Totti, Texte Nr. 15; Apostelgeschichte 9 , 1 0 - 1 9 ; Philostrat, Vita Apollonia I 23; Wunderheilung des Asklepios zu Epidauros in I. G. IV l 2 , 1 2 2 = Sylloge3^ 1 1 6 9 (Mirakel X X I ) ; Aelius Aristides, or. 4 8 , 3 0 - 3 6 (ed. Keil II 4 0 1 , 1 1 ^ 1 0 2 , 2 3 ) und or. 4 9 , 4 5 (Keil II 4 2 4 , 5 - 1 6 ) ; Asklepiades von Mendes bei Sueton, Augustus 9 4 , 4 ; Libanios, or. 1 1 , 1 1 4 ; Flavius Josephus, Ant. lud. XI 3 1 7 - 3 4 5 ; Chares von Mytilene 1 2 5 F 5 Jacoby = Athenaios XIII 35 p. 5 7 5 A - F (p. 2 6 7 - 2 6 9 Kaibel; Odatis und Chariadres); Historia monachorum in Aegypto VIII 3 3 - 3 4 (p. 5 9 / 6 0 Festugière). 9

In XI 2 2 , 2 - 5 und 2 7 , 4 - 9 .

23 Die Einweihung des Lucius

273

§ 488 Im christlichen Taufritual in Afrika und Spanien, in Kappadokien und Syrien findet sich eine Parallele: Wer das Sakrament der Taufe begehrte, mußte sich vorher demütigen und entweder geradezu ein Bocksfell (cilicium) tragen oder wenigstens bei der Taufzeremonie auf einem Bocksfell stehen, so als ob er es nun ausgezogen hätte. Für die Christen war nicht der Esel Symbol des Bösen, sondern der Bock, und am Ende der Zeiten wird der Weltenrichter den guten Schafen den Platz zu seiner Rechten anweisen, den Böcken den Platz zur Linken (Matthaeus

25,imi)}

Den Sinn des Ritus erklärt Augustin den Taufkandidaten: „Niedergetrampelt werden sollen die Laster wie die Felle der Ziegen, man muß auf die Felle der Böcke zur Linken treten." 2 In De civitate dei sagt er: „Das Ziegenfell bedeutet die Erinnerung an die Sünden; dies bekennend strecken wir uns liegend auf dem Bocksfell aus." 3 In der Schrift De consensu evangelistarum steht: „Wer zweifelt daran, daß das Bocksfell sich auf das Sündenbekenntnis bezieht?" 4 Sein Schüler Quodvultdeus erwähnt das cilicium zweimal in den Sermones für die Taufkandidaten (De symbolo). Die Kandidaten wurden aus einem verborgenen Nebenraum einzeln hervorgeführt; 5 die ganze Gemeinde sah zu; sie mußten ihren Nacken beugen und barfuß über das Bocksfell schreiten; dann wurde der Ritus des „Examens" feierlich begangen^ und schließlich der Teufel exorzisiert. 7 Hieronymus schreibt an eine fromme Dame (Fabiola): „Nach den Vorschriften Gottes müssen wir gebadet (getauft) werden. Wenn wir - bereit, das Kleid Christi zu empfangen - die Fellkleider (tunicas pelliceas) abgelegt haben, dann werden wir mit einem Leinengewand bekleidet, an welchem nichts ist, was mit dem Tod zu tun hat, das vielmehr ganz weiß ist, so daß wir - aus der Taufe aufstehend - unsere Glieder ,in Wahrheit umgürten' 8 und die gesamte Schmach der früheren Sünden verborgen wird." 9 Tertullian - exaltiert wie so oft - entrüstet sich darüber, daß man einen Ehebrecher, der Buße getan und sich durch Anlegen eines Bocksfells gedemütigt hat, in feierlichem Ritus wieder in die 1 Die Belege für das Folgende haben beigebracht: F. J. Dölger, Der Exorzismus im altchristlichen Taufritual (1909) 114-116 und J. Quasten, Harv. Theol. Rev. 35, 1942, 2 0 9 - 2 1 9 Theodore of Mopsuestia on the Exorcism of the cilicium; Am. Journ. Phil. 63, 1942, 2 0 7 - 2 1 5 A Pythagorean Idea in St. Jerome; Revue des Études Augustiniennes 2, 1956, 101-108 Ein Taufexorzismus bei Augustin. 2 Sermo 216,11 (Migne lat. 38,1082) calcanda sunt vitia velleraque caprarum, sìnistrorum conscindendi sunt panni. 3 De civitate dei XV 20 (p. 103,12 Dombart-Kalb) in cilicio quippe recordatio quod confitentes in cilicio prosternimur.

haedorum

est peccatorum

4

II 4,13 (p. 94,17 Weihrich) Quis enim dubitet ad peccati confessionem cilicium p er tiner e?

5

Vermutlich nackt.

. . .;

^ Sie mußten - auf Fragen antwortend - ihre Sünden bekennen. 7 De symbolo I 1,4-5 (Corp. Christ. 60,305,14-21) Quid est, quod hac nocte circa vos actum est.. J ut ex locis secretis singuli produceremini in conspectu totius ecclesiae, ibique cervice humiliata quae male fuerat ante exaltata, in humilitate pedum cilicio substrato in vobis celebraretur examen, atque ex vobis exstirparetur diabolus superbus, dum super vos invocatus est bumiles altissimus Christus? 8 9

Paulus an die Epheser 6,14.

Epist. 64,19 (p. 610 Hilberg) praeeeptis dei lavandi sumus, et cum parati ad indumentum Christi tunicas pelliceas deposuerimus, tunc induemur veste linea nihil in se mortis habente, sed tota candida, et de baptismo consurgentes cingamur lumbos in veritate, et tota pristinorum peccatorum turpitudo celetur.

274

2 3 Die Einweihung des Lucius

Gemeinde aufzunehmen wagt: „ M a n bringt es wirklich fertig, einen reuigen Ehebrecher im Bocksfell und mit Asche bestreut in die Kirche einzuführen, damit er die Bruderschaft um Gnade bitte, in unwürdiger Aufmachung und so herausgeputzt, daß es einem grauen könnte, und läßt ihn mitten vor den Witwen, vor den Presbytern zu Boden fallen?" 1 Die christliche Taufe fand zu Ostern statt, am Sonntag nach dem Frühlings-Aequinoctium; das bei Appuleius geschilderte Fest, an welchem Lucius das Eselsfell ablegt, fällt auf den Vollmondtag des Frühlingsaequinoctiums.

Isis verheißt Lucius ein glückliches Leben und nach dem Tod das Elysium (XI 6) § 4 8 9 Lucius wird von den Rosen essen und das Eselsfell ausziehen, und niemand wird seine Verwandlung in den Menschen interpretieren, als ob hier Zauberei im Spiele wäre, und Anklage erheben. Dies verheißt Isis dem Lucius im Traum und fährt dann fort:

Plane memineris et penita mente conditum semper tenebis mihi reliqua vitae tuae curricula adusque términos ultimi spiritus vadata. nec iniurium, cuius beneficio redieris ad homines, ei totum debere, quod vives, vives autem beatus, vives in mea tutela gloriosus, et cum spatium saeculi tui permensus ad inferos demearis, ibi quoque in ipso subterraneo semirutundo me, quam vides, Acherontis tenebris interlucentem Stygiisque penetralibus regnantem, campos Elysios incolens ipse, tibi propitiam frequens adorabis. quodsi sedulis obsequiis et religiosis ministeriis et tenacibus castimoniis numen nostrum promerueris, scies ultra statuta fato tuo spatia vitam tibi quoque prorogare mihi tantum licere. „Bleibe immer dessen eingedenk und halte in deinem Sinn fest, daß der weitere L a u f deines Lebens bis zum letzten Atemzug mir gehört, nicht ohne guten Grund: Da du durch meine Güte zu den Menschen zurückgekehrt bist, schuldest du mir Alles, dein Leben. D u wirst aber glücklich leben, wirst in meinem Schutz ruhmvoll leben, und wenn du deine Zeitspanne durchmessen hast und in die Unterwelt hinabsteigst, wirst du auch dort, in der Halbkugel der Unterwelt, mich, die du jetzt siehst, als eine dir gnädige oft anbeten, wie ich hervorleuchte aus der Finsternis des Acheron und im innersten Heiligtum der Styx regiere, während du selbst die elysischen Gefilde bewohnst. W e n n du aber durch fleißigen Gehorsam und frommen Dienst 2 und zähe Kasteiungen meine G n a d e 3 verdienen wirst, so wisse, daß es mir (und mir allein) möglich ist, dein Leben über die vom Fatum festgesetzte Zeit hinaus zu verlängern." 4

1 De pudicitia 1 3 Et tu quidem paenitentiam moechi ad exorandam conciliciatum et concineratum cum dedecore et horrore compositum ante presbyteros? 2 Sedulis obsequiis et religiosis ministeriis . . . promerueris·. Dies X I 1 5 , 5 obsequio religionis . . . ministerii iugum, 2 1 , 1 sedulum . sedulum ministerium, ferner im M y t h o s der Psyche V 2 5 , 6 obsequiis . . . promereri. In dem Grabepigramm aus R o m V i d m a n 4 5 1 wird Phartaes (sic) casta sedulaque. 3

So übersetze ich numen meum,

fraternitatem in ecclesiam inducens prosternis in medium ante viduas,

sind charakteristische V o k a b e l n . Vgl. . . ministerium, 2 2 , 1 obsequium . . . promerere, V I 1 0 , 2 sedulo ministerio eine Isisdienerin genannt cultrix deae

„mein (gnädiges) N i c k e n " . Numen heißt „ G o t t h e i t " und „ N i c k e n " .

Über Isis und Sarapis als Herren über Schicksal und Lebenszeit s. die Zeilen 5 5 - 5 6 der Selbstoffenbarung und § 1 4 5 und 1 7 3 . 4

23 Die Einweihung des Lucius

275

Das schöne Wetter und der Maskenzug (XI 7 - 8 ) § 490 Als die Traumerscheinung ihre Orakelweisung beendet hat, entschwindet die unbesiegliche Gottheit (numen invictumJ.1 Lucius erwacht schweißübergossen in Furcht 2 und Freude, staunend über die leihliche Anwesenheit* der mächtigen Göttin. Er steht auf, 4 reinigt sich mit Meerwasser und wiederholt im Geist die Aufträge, welche ihm gegeben wurden. - Am Morgen nach der Inkubation im Tempel muß der Kandidat die Träume der Nacht repetieren. In den „magischen" Papyri werden Mittel zur Erinnerung an die Träume (μνημονική) angegeben.5 Golden strahlend geht die Sonne auf (Sol exsurgit aureus), und in geschäftiger Vorbereitung auf den Umzug füllen die Menschen die Straßen. Während es gestern geregnet hat, ist heute ein herrlicher Tag; die Vögel singen und begrüßen „die Herrin der Sterne, die Mutter der Zeit und Herrin des ganzen Erdkreises", 6 die Bäume rauschen süßen Lärm durch ruhige Bewegung ihrer „Arme". 7 Die Natur befindet sich in Harmonie: Das Meer, das gestern noch gestürmt hat, spült in leichten Wellen heran, und nachdem das Wolkendunkel zerstreut ist, 8 glänzt der Himmel in heiterem Schein des Lichts. § 491 Die Isisdiener formieren sich zur Prozession. Zuerst kommt das „Vorspiel, welches aufs schönste ausgeschmückt war durch den Eifer, welchen ein jeder bei der Erfüllung seiner Gelübde gezeigt hatte": Praecedunt anteludia votivis cuiusque studiis exornata pulcherrume. Der Maskenzug beruht auf den studia votiva, die Teilnehmer hatten gelobt, in eben der Verkleidung, welche sie nun tragen, in der Prozession mitzugehen. Sie sind Novizen, welche durch Tragen der Masken das Recht auf die Weihe gewinnen; wenn sie die Verkleidung ablegen, werden sie unter die Schar der Isisdiener aufgenommen. Der Esel Lucius ist in der Ebene der Riten nur einer von den vielen Kandidaten auf die Initiation. Die Masken, die nun beschrieben werden, haben religiösen Sinn. Es ziehen vorbei: - ein Soldat, der sich dem Kriegsdienst (militia) der Isis geweiht hat; 9 - ein Jäger in der Rolle des jagenden Horos;1® - ein als üppig geschmückte Frau verkleideter Mann; er wird mit der Hülle alle Eitelkeit ablegen; - ein Gladiator; er soll wie der „Soldat" für die Göttin kämpfen; 1

Vgl. § 168.

2

Vgl. S 4 8 0 .

3 praesentia, griechisch παρουσία. 4 exsurgo. 5 S . § 384. 6

XI 7,4 matrem siderum, parentem temporum orbisque totius

dominam.

arbores . . . dementi (!) motu brachiorum dulces strepitus obsibilabant. ihren Zweigen wie die Menschen mit den Sistren. 7

Die Bäume klappern mit

^ nubilosa caligine disiecta. Dies hat auch allegorischen Sinn. Vgl. XI 15,5 (der Priester fordert Lucius auf, in den Dienst der Isis zu treten): Da nomen sanctae huic militiae. 9

Illum succinctum chlamyde crepides et venabula venatorem fecerant, „jenen, der mit einem (Jäger-) Mäntelchen umgürtet war, hatten Stiefel und Speere zu einem Jäger gemacht", er war nun wirklich ein Jäger.

276

2 3 Die Einweihung des Lucius

- ein Magistrat; er wird im Dienst der Isis für das Recht eintreten; - ein Philosoph; die Diener der ägyptischen Götter waren die wahren Philosophen; - ein Vogelfänger mit Leimrute; wahrscheinlich ist gemeint, daß Seth-Typhon den Seelenvogel mit dem Köder der Lust 1 eingefangen hat, so daß die Seele, flügellahm, sich nicht aufschwingen kann; aber in der Isisweihe wird sie sich vom Leim lösen und wieder fähig werden emporzusteigen; - ein Fischer mit der Angelrute; die Seele schwimmt im Meer der Materie; 2 aber der Fischer zieht sie an der Angel heraus; - eine zahme Bärin auf einem Tragsessel; sie soll ebenso wie Lucius die Tiernatur ablegen; - ein als Affe verkleideter Mann, der wie Ganymed einen goldenen Becher in die Höhe hält; er wird nach Ablegung der Tierhaut wie Ganymed zu den Göttern erhoben; - ein Esel, dem man Flügel angeklebt hatte, und neben ihm ein schwacher Greis; er könnte der Zauderer Oknos sein, der die Einweihung in die Mysterien immer wieder hinausschob; aber wenn er das Zaudern ablegte und die Weihe nahm, verwandelte sich der Esel in das Flügelpferd Pegasos und der Greis in den Helden Bellerophontes, der bis zum Himmel emporgestiegen ist. Daß man in Ägypten den Mythos von Oknos bei einem Fest nachspielte, wird von Diodor berichtet (I 97,3, s. § 420).

Dienerinnen der Isis, Musikanten, ein Chor (XI 9) § 492 Nach den maskierten Anwärtern auf die Weihe kommen bekränzte Frauen in weißen Leinenkleidern, die Blumen auf den Weg streuen, welchen die Götter beschreiten sollten, und andere, die wohlriechendes Öl auf die Straße sprengen, ferner Frauen mit Spiegeln und Kämmen, deren Aufgabe ist, die Haare der Isis zu frisieren; 3 die Spiegelträgerinnen tragen die Spiegel auf dem Rücken, damit die hinter ihnen kommende Göttin sich darin betrachten könne. 4 Es folgen Personen beiderlei Geschlechts mit Lampen, Fackeln, Kerzen und künstlichem Licht jeder Art, zur Verehrung der himmlischen Gestirne. Danach kommen eine Kapelle 5 und ein Chor in weißen Gewändern und Weihekleidern (cataclista), 6 Flötenbläser im Dienst des Sarapis 7 und Herolde, 8 welche rufen, man solle der Prozession Platz machen. Der Chor trägt ein Lied vor, „dessen Inhalt sich als Vorspiel auf die höheren Gelübde bezog" (carmen . . . quod argumentum referebat. . . maiorum antecantamenta votorum).

1

ήδονήν, μέγιστον κακοϋ δέλεαρ (Timaios 69D); vgl. P. Courcelle, Connais toi-même II 4 2 9 - 4 3 5 .

2

Porphyrios, De antro nympharum 34 (p. 80,1 Ν . ) π ό ν τ ο ς δέ και θ ά λ α σ σ α και κ λ ύ δ ω ν και π α ρ ά Πλάτωνι ή υλική σύστασις. Vgl. Platon im Staat X p. 611E5. 3

In Ephesos gab es im Dienst der Artemis „Schmückerinnen" (κοσμήτειραι).

4

Dies muß prachtvolle Lichteffekte hervorgerufen haben.

5

Symphoniae.

6

κατακλειστή „das unter Verschluß gehaltene Kleid".

7

Terrakotten solcher Flötenbläser bei V. Tran Tarn Tinh, Rev. archéol. 1967, 1 0 1 - 1 1 2 .

8

frequentabant, praeciaeque, qui facilem sacris viam dari praedicarent. Im Codex steht statt praeciaeque vielmehr et plerique. Die Emendation ist M . Dousa (in der Edition des P. Colvius, 1 5 8 8 ) zu danken, er hat Festus s. v. praecia herangezogen (Glossarla Latina ed. Lindsay IV 330).

23 Die Einweihung des Lucius

277

Die höheren Grade und die Vorsteher der Gemeinde ( X I 1 0 ) § 493 Die nächste Gruppe sind die Initiierten der höheren Grade, Männer und Frauen jeden Alters in weißen Kleidern; die Frauen tragen ein helles Kopftuch, die Männer das Haupt glattrasiert; ihr Scheitel glänzt, sie sind „die irdischen Gestirne der großen Religion", magnae religionis terrena sidera. Sie klappern hell mit ihren erzenen, silbernen, ja goldenen Sistren. Dann folgen sechs „Vorsteher" (antistites). Sie tragen: - Eine Lampe in Form eines Schiffes ( c y m b i u m A n s p i e l u n g auf das heutige Fest, die Ausfahrt des Schiffes. Solche Lampen sind uns erhalten, s. Abb. 212/213. - Einen kleinen Altar,2 dem man den Namen „Hilfe" (auxilia) gegeben hat, nach der hilfreichen Vorsehung (Providentia) der obersten Göttin. 3 Der Altar symbolisiert Räucheropfer und Hoffnung auf Hilfe der Göttin. - Einen goldenen Palmzweig und den Heroldstab des Mercur: Kennzeichen des Anubis. - Einen linken Unterarm mit ausgestreckter Hand, die „Elle der Gerechtigkeit", 4 Sinnbild der Aequitas5 (was recht und billig ist), 6 und ein goldenes Gefäß in Form eines Busens, aus dem Milch gespendet wird: 7 Symbole der Isis. - Eine goldene Getreideschwinge, aus Lorbeerzweigen geflochten:^ Harpokrates als Kleinkind; man hat Getreideschwingen als Wiegen benutzt und eine Parallele gesehen zwischen dem Gedeihen der Kinder und des Korns. 9 - Eine Amphora: Sextus ferebat amphoram. Mehr sagt Appuleius nicht. Er schweigt, weil dieses Gefäß das Allerheiligste enthält, das Wasser, Osiris. - Es hat heilige Wasserkannen in verschiedenen Formen gegeben; eine elegante Hydria in Abb. 218. Bedeutung der sechs Symbole: Am Tag des Schiffsfestes verehren die Isisdiener am Altar die vier Götter: Anubis, Isis, Harpokrates und Osiris=Wasser. Die Prozession zeigt, wie Isis mit 1

Vgl. S 4 8 3 Anm. über die σκάφια in Delos.

Ein βωμίσκος ist in I. Délos 1 4 1 7 A II 151 = 1 4 3 5 , 6 belegt, ein βωμισκάριον in Rom (Vidman 406), βωμοί oft. 2

3 Secundus . . . gerebat altaría, id est auxilia, quibus nomen dedit proprium deae summatis auxiliaris Providentia. Diese auxilia werden auf einem Altar aus Mutina erwähnt (Vidman 591). Bei Ovid (Met. 6 9 9 , s. hier § 4 0 4 ) sagt Isis: dea sum auxiliaris. 4 Vgl. Clemens Alex., Strom. VI 4 , 3 6 , 2 (p. 4 4 9 , 1 5 St.) ό στολιστής . . . επεται, εχων τόν τε της δικαιοσύνης πήχυν και τό σπονδείον. Gnomon des Idios Logos § 81 = M. Totti, Texte Nr. 7 9 (S. 194) § 81 = Beri. gr. Urk. 1 2 1 0 , 1 9 4 μόνψ προ[φή]τη εξόν τό της δικαιοσύνης παράσημον φορειν.

Vgl. die Weihung C. I. L. XIV 2 8 6 0 = Dessau 3 6 8 7 (aus Praeneste) Fortun(ae) Primig(eniae) signum Aequitatis Nigrinia Auxesis etc. Fortuna Primigenia ist mit ΤΙσις Πρωτογένεια (I. Délos 2 0 7 2 - 2 0 7 3 = Roussel 1 1 9 - 1 2 0 ) identifiziert worden, und im Tempelbezirk der Fortuna befand sich das große Nilmosaik Abb. 1 6 9 - 1 8 0 . - Für 7Ισις Δικαιοσύνη s. § 168. 6

Quartus aequitatis ostendebat indicium deformatam manum sinistram porrecta

7

μαστοί bzw. μαστίαίη Delos: I. G. XI 4, 1307,21 und 9; 1308,2.

" Quintus auream vannum aureis congestam

palmula.

ramulis.

W . Mannhardt, „Kind und Korn", in: Mythologische Forschungen (1884) 3 5 1 - 3 7 4 ; A. Dieterich, Mutter Erde (2. Aufl. 1 9 1 3 ) 1 0 1 - 1 0 4 ; Jane Harrison, Prolegomena to the Study of Greek Religion (3. Aufl. 1 9 2 2 ) 5 1 7 - 5 3 4 ; M. P. Nilsson, The Dionysiac Mysteries of the Hellenistic and Roman Age (1957) 2 1 - 4 5 ; mein Buch „Die Hirten des Dionysos" 9 1 - 9 4 . - Wenn die Konjektur aureis (Passerat) richtig ist, dann liegt im Lorbeer eine Beziehung auf Apollon-Horos-Harpokrates vor. 9

278

23 Die Einweihung des Lucius

Anubis und Harpokrates nach Osiris sucht und ihn schließlich im heiligen Wasser findet. Denselben Sinn hat die Darstellung von Isis mit Anubis und Harpokrates in Abb. 150 und 151. Die Prozessionen wiederholen den heiligen Mythos, das Suchen und Finden. Derselbe Gedanke kommt in der nachfolgenden Götterprozession zum Ausdruck, welche nochmals die vier Götter zeigt: Anubis, Isis, Harpokrates und das im heiligen Krug gefundene Wasser=Osiris. Solche Verdoppelungen des zugrundeliegenden Gedankens findet man in vielen Zeremonien. Der Mythos wird in verschiedenen Bildern dargestellt; die Bilder sind das Augenfällige und nicht der Gedanke.

Die Repräsentationen der Götter (XI11) § 494 Schließlich „haben die Götter die Gnade, mit Hilfe menschlicher Füße einherzugehen". 1 Es treten vier Götter auf, von denen nur der erste mit Namen genannt wird: - Anubis, der schreckliche Geieiter zu den Göttern und in die Unterwelt (horrendus ille superum commeator et inferum). Er ist auf allen Darstellungen der Isisprozession abgebildet, so in Abb. 1 4 5 - 1 4 8 , 1 5 0 - 1 5 1 und Zeichnung 34 in § 288. - Es folgt ein Priestei^, auf der Schulter eine Kuh, Sinnbild der Isis, „das fruchtbare Abbild der allesgebärenden Göttin" (omniparentis deae fecundum simulacrum).3 - Der dritte Priester trägt die cista mystica. In ihr befindet sich, wie wir aus vielen Darstellungen wissen, 4 die heilige Schlange des Harpokrates-Agathos Daimon. Auf dem Relief mit der Prozession aus Savaria (Abb. 147) ist zwischen Isis und Anubis eine mächtige Schlange abgebildet. - Der vierte und höchste Gott ist Osiris, der im heiligen Wasser anwesend ist. Ihn trägt ein Priester mit verhüllten Händen 5 in einer goldenen Urne. 6 Vgl. Abb. 145 und 210/211. Auf dem Fresko von Herculanum präsentiert der aus dem Tempel heraustretende Priester die heilige Urne, ebenfalls mit verhüllten Händen (Abb. 72 = Farbtafel IV). Appuleius beschreibt es als summt numinis venerandam effigiem . . . sollerti repertu etiam ipsa novitate reverendam, altioris utcumque et magno silentio tegendae religionis argumentum ineffabile, als „das verehrungswürdige Bild der obersten Gottheit, welches wegen des geschickten ,Findens' schon allein durch seine Neuheit bewundernswert ist, eine unaussprechliche Andeutung 7 der hocherhabenen Religion, die mit tiefstem Schweigen zu bedecken ist". 1

dei dignati pedibus humants incedere

prodeunt.

2 Priester oder Pastophoros. 3 Über eine Prozession mit der Isis-Kuh berichtet auch Plutarch, De Iside 39 und 52. Heilige Isiskühe werden erwähnt in Beri. gr. Urk. VI 1216 und A. S. Hunt - C. C. Edgar, Select Papyri II Nr. 411 = P. W. Pestman, Greek and Demotic Texts from the Zenon Archive (= Papyrologica Lugduno-Batava 20, Leiden 1980) Nr. 50. 4

Vgl. das Relief auf dem römischen Altar Abb. 142, die Abbildung des Korbs auf dem Grabstein der Priesterin Balbullia Varilla Abb. 162 und die steinerne Cista mystica in Benevent Abb. 214. 5 Porphyrios, De abstinentia IV 6 (p. 237,24 N.; aus Chairemon); Clemens Alex., Strom. VI 4,37,1 (p. 449,21 St.); A. Dieterich, Kl. Sehr. 4 4 0 ^ 4 8 . 6 7

Vgl. Elfriede Knauer, Urnula faberrime cavata (1995).

„Unaussprechlich" ist in den spätantiken Religionen eines der häufigsten Epitheta Gottes. Das Wort argumentum habe ich mit „Andeutung" wiedergegeben.

23 Die Einweihung des Lucius

279

Lucius in einen Menschen verwandelt; Akklamation (XI 1 2 - 1 3 , 6 ) § 4 9 5 Jetzt kommt der Priester mit dem Rosenkranz „Nun treten heran die Wohltaten und das Geschick, 1 welches mir von der leibhaftig erschienenen Gottheit 2 versprochen worden war; der Priester naht, mein Heil selbst 3 in der Hand haltend." 4 Der Priester trägt in der rechten Hand Sistrum und Rosenkranz, Symbol des Sieges, „was beim Hercules - sehr gut paßte, weil ich nun nach dem Bestehen von so viel Mühen, nach dem Durchmessen von so vielen Gefahren durch die Vorsehung der größten Göttin jene Fortuna besiegte, welche auf die schlimmste Weise mit mir gerungen hatte". 5 Isis ist Fortuna (Τύχη) und Vorsehung (Providentia, πρόνοια). 6 Die Mühen und Gefahren, welche Lucius bestanden hat, sind mutatis mutandis auf jeden Menschen anzuwenden. Lucius ist sorgfältig bemüht, die gute Ordnung der Zeremonie nicht aus lauter Freude 7 durch unvorsichtiges Eindringen 8 des Vierfüßlers zu stören; er fädelt sich „in schon ganz menschlichem Schreiten" (prorsus humano graduf ein, geht nicht mehr wie ein Vierfüßler mit dem Blick zu Boden, sondern blickt wie ein Mensch empor. Die Menge ( p o p u l u s ) der Isisverehrer macht ihm „durch göttliche Eingebung" (divinitus) Platz. Der Priester reicht dem Esel die Rosen, und dieser frißt von i h n e n ^ „furchtsam, wobei das Herz durch rasches Schlagen klopfte". 1 1 Das Antlitz des Tieres gleitet von Lucius ab (delabitur . . . ferina facies),12 „die schmutzigen Haare fallen ab, die zähe Haut wird glatt, der verfressene Wanst zieht sich ein, die Füße enden nicht mehr in Hufen, sondern in Zehen, die Hände sind keine Beine mehr, sondern nehmen diejenigen Aufgaben wahr, welche sie bei Aufrecht-Gehenden haben, der lange Hals wird kurz, Mund und Kopf werden rund, die überlangen Ohren werden kurz wie früher, die felsengroßen Zähne kehren zu menschlicher Kleinheit zurück, und was mich am allermeisten quälte, der Schwanz - w e g ! " 1 3

1 Das Fatum ist durch die Gnade der Isis wohltätig geworden. - Auch die gute Fee (italienisch fata, französisch fée) ist von fatum abgeleitet. 2

XI 12,1 praesentissimi

3

salutem ipsam: Isis ist die σώτειρα, s. S 117.

numinis.

4 Et ecce praesentissimi numinis promissa nobis accedunt beneficia gerens sacerdos adpropinquat.

et fata salutemque

ipsam

meam

5 Et Hercules coronam consequenter, quod tot ac tantis exanclatis laboribus, tot emensis periculis maximae Providentia adluctantem mihi saevissime Fortunam superarem. é 7

deae

S . S 171/2. Die für den Initianden charakteristische „Freude".

8

nec . . . inclementi (!)...

cursu.

' Appuleius wechselt ständig zwischen der Erzähl- und der Ritualebene hin und her. Das Eindringen des Vierfüßlers spielt in der Ebene der Erzählung, der menschliche Schritt in der Ebene des Ritus. Ό Dies wird auch im Ritual angedeutet worden sein. 11

XI 13,2 trepidans, adsiduo pulsu micanti corde: Die Erregung des Mysten.

12

Er läßt das Fell von sich abgleiten (Ritual-Ebene); alles Folgende bezieht sich auf die Erzählebene.

. . . et quae me potissimum cruciabat ante cauda - nusquam. Lucius blickt rechts herum nach hinten und sieht nichts; er blickt links herum - wirklich, der Schwanz ist nirgends mehr. Eine spätere Hand hat im Codex ein anscheinend fehlendes Verbum (comparuit) interpoliert. 13

280

2 3 Die Einweihung des Lucius

§ 496 Die umherstehende Menge begrüßt den neuen Mysten mit lautem Beifall: Populi mirantur, religiosi venerantur tarn evidentem maximi numinis potentiam et consimilem nocturnis imaginibus magnificentiam et facilitaient reformationis claraque et consona voce, caelo manus adtendentes, testantur tarn inlustre deae beneficium. „Die Menge staunt, die Geweihten verehren die augenfällige Manifestation der Macht der größten Gottheit, ihre große Tat, welche der nächtlichen Traumerscheinung so ganz ähnlich ist, die Leichtigkeit, mit welcher die neue Gestalt angenommen wird; die Hände zum Himmel erhebend, bezeugen sie hell und einstimmig die glanzvolle Wohltat der Göttin." Dies ist eine Szene aus einer Aretalogie, einem Bericht über eine wunderbare Tat (άρετή) der Isis. Auf der Erzählebene ist ein Wunder geschehen, die Macht (potentia, δύναμις) der Isis ist bewiesen, die Menge staunt so, wie ζ. B. auf Delos „das ganze Volk" die wunderbare Macht des Sarapis bestaunt. 1 Die Eingeweihten (religiosi) sind an die Macht der Götter gewöhnt und verehren sie. Auf der Ritualebene ist ein geistliches Wunder geschehen, eine reformatio. Das Traumgesicht der vergangenen Nacht hat sich bewahrheitet, Zeichen für die „große T a t " (magnificentia) der Isis. Das Wunder wird durch Zeugen bestätigt (testantur), ein charakteristischer Zug, wie in der delischen Aretalogie. Dies gilt auf der Erzähl-Ebene; auf der Ebene des Rituals bedeuten die Rufe der Menge, daß der neue Myste von seinen Brüdern und Schwestern begrüßt wird. 2

Lucius schweigt; man gibt ihm ein neues Kleid (XI 14) § 4 9 7 Lucius kann sein Glück (gaudium) nicht fassen und steht schweigend da; er weiß nicht, wie er nach der Wiedergeburt der Zunge am glückverheißendsten mit dem Sprechen beginnen soll. 3 Der Priester, der durch die Weisung (monitu) der Isis von allem früheren Unglück des Lucius weiß, ist von dem glanzvollen Wunder bewegt. 4 Da Lucius ohne die Eselshaut nackt dasteht, 5 winkt der Priester einem Mitglied der „religiösen Cohorte er möge seine 1 1 . G. X I 4 , 1 2 9 9 = Roussel 1 (s. § 4 0 0 ) = M . Totti, Texte Nr. 11 Vers 9 0 / 1 άπας δ' άρα λαός έκείνωι / σήν άρετήν θάμβησεν έν ήματι. Vgl. auch Vers 8 4 ενθα σύ κείνο πέλωρον έν άνδράσι θάμβος ετευξας. 2

So erklärt J. Berreth, Studien zum Isisbuch in Apuleius' Metamorphosen ( 1 9 3 1 ) 9 9 .

X I 1 4 , 2 quo sermone verpflichtet. 3

4

insigni permotus

nunc renatam

miraculo.

linguam

felicius auspicarer.

Der neue Myste ist zum Schweigen

Dies gilt wieder auf der Erzählebene.

Auch der christliche Täufling stand nackt da: Hippolytos, Traditio apostolica: Der koptische T e x t der Kirchenordnung Hippolyts, herausgeg. und übersetzt von W . Till und J. Leipoldt (Texte und Untersuchungen 5 8 , Berlin 1 9 5 4 ) Kap. 4 6 (S. 1 8 - 2 1 ) ; Acta Xanthippae et Polyxenae 2 1 (p. 7 3 , 9 ed. J. A. Robinson, Texts and Studies II, N r . 3, Cambridge 1 8 9 3 ) ; Kyrillos von Jerusalem, Catechesis mystagogica II 2 (p. 3 5 6 und 3 5 8 Rupp); (Ps.) Cyprian, De singularitate clericorum 1 4 (ed. Härtel III 1 8 9 , 1 5 ) ; Johannes Moschos, Pratum spirituale Kap. 3 (Migne, P. G. 8 7 , 3 p. 2 8 5 3 - 2 8 5 5 ) ; F. J. Dölger, Der Exorzismus im altchristlichen Taufritual ( 1 9 0 9 ) 1 0 7 - 1 1 4 . Als in der Osternacht 4 0 4 die kaiserlichen Truppen in Konstantinopel die Täuflinge, welche von Johannes Chrysostomos getauft werden sollten, aus dem Constantiusbad trieben, mußten angesehene Damen nackt durch die Straßen fliehen (Palladlos, Dialog über das Leben des hl. Johannes Chrysostomos 9 ; ed. A . - M . Malingrey I p. 1 9 8 , Zeile 2 0 3 ; vgl. den Brief des Johannes an Papst Innozenz I., Band II p. 8 4 , Zeilen 1 5 3 157). 5

^ E cohorte religionis sanctae huic militiae).

unus, ein Bild aus dem religiösen „Kriegsdienst" (militia; s. X I 1 5 , 5 da

nomen

2 3 Die Einweihung des Lucius

281

Tunica ausziehen und sie Lucius geben. - Lucius hat mit der Eselsmaske den sündigen alten Leib ausgezogen, ist (wie seine Zunge) neu geboren und wird mit dem neuen Kleid zum neuen Menschen. Wie Lucius müssen auch die anderen Maskenträger nach und nach ihre votiva studia (die gelobten, sorgfältig vorbereiteten Verkleidungen) abgelegt haben. Darauf wird etwas später angespielt, als von dem „Tumult" die Rede ist, der aus den „Gelübden für das Fest" entstanden ist (XI 16,5 festorum votorum tumultum). Das Ablegen der Verkleidungen muß unter Juchzen geschehen sein, in einem richtigen „Tumult". D i e Predigt des Isispriesters ( X I 1 5 ) § 498 Danach hält der Priester mit inspiriertem Gesichtsausdruck1 eine Ansprache, die sich in der Erzählung des Appuleius allein an Lucius wendet. Im Ritual hat sich der Priester an alle vor ihm stehenden Initianden gewandt und eine „Rede über Gott" (θεολογία) gehalten. Dieses Kapitel des Appuleius ist mit XI 21 und der Festrede aus Maroneia 2 ein Beispiel der Predigten im Isiskult. § 4 9 9 Die Predigt: Multis et variis exanclatis laboribus magnisque Fortunae tempestatibus et maximis actus procellis ad portum Quietis et aram Misericordiae tandem, Luci, venisti, nec tibi natales ac ne dignitas quidem vel ipsa, qua flores, usquam doctrina profuit, sed lubrico virentis aetatulae ad serviles delapsus voluptates curiositatis improsperae sinistrum praemium reportasti, sed utcumque Fortunae caecitas, dum te pessimis periculis discruciat, ad religiosam istam beatitudinem impróvida produxit malitia. eat nunc et summo furore saeviat et crudelitati suae materiem quaerat aliam; nam in eos, quorum sibi vitas3 dea e nostrae maiestas vindicavit, non habet locum casus infestus. quid latrones, quid ferae, quid servitium, quid asperrimorum itinerum ambages reciprocae, quid metus mortis cotidianae nefariae Fortunae profuit? in tutelam iam receptus es Fortunae, sed videntis, quae suae lucis splendore ceteros etiam deos illuminât, sume iam vultum laetiorem candido isto babitu tuo congruentem, comitare pompam deae sospitatricis inovanti gradu. videant inreligiosi, videant et errorem suum recognoscant: en ecce pristinis aerumnis absolutus Isidis magnae Providentia gaudens Lucius de sua Fortuna triumphat. quo tamen tutior sis atque munitior, da nomen sanctae buie militiae, cuius non olim sacramento etiam rogaberis4, teque iam nunc obsequio religionis nostrae dedica et ministerii iugum subi voluntarium. nam cum coeperis deae servire, tunc magis senties fructum tuae libertatis. „Viele und verschiedenartige Mühen hast du, Lucius, überstanden; von schweren Stürmen der Fortuna und von den größten Sturmwinden wurdest du hin- und hergetrieben; nun bist du

1

X I 1 4 , 5 vultu geniali et Hercules

2

S. S 4 0 6 .

inhumano.

Am Ende der Predigt ist er erschöpft: X I 1 6 , 1 .

3 Im C o d e x steht vitas servitium deae. Das W o r t servitium chen, es ist aus der übernächsten Zeile genommen.

hat F. Oudendorp (ed. Leiden 1 7 8 6 ) gestri-

4 rogaveris der Codex. Das -v- und das -b- wurden gleich ausgesprochen. Die richtige Schreibung bei P. Colvius (Leiden 1 5 8 8 ) .

2 8 2 23 Die Einweihung des Lucius

endlich zum Hafen der Ruhe 1 und zum Altar des Erbarmens 2 gekommen. Nichts haben dir genützt deine Eltern, nichts dein Rang, auch nicht die Gelehrsamkeit, durch welche du blühst; vielmehr bist du in der Gefährdung, welcher deine grünende Jugend ausgesetzt war, zum Vergnügen mit einer Sklavin 3 hinabgeglitten und hast schlimmen Lohn für deine unzeitige Neugier 4 davongetragen. Aber wie es damit auch stehen möge, die blinde Fortuna, welche die Vorsehung nicht kennt, hat dich, indem sie dich mit den schlimmsten Gefahren quälte, in ihrer Bosheit zu der jetzigen religiösen Seligkeit geführt. Möge sie doch nun woandershin gehen und in größtem Grimm wüten und sich ein anderes Objekt ihrer Grausamkeit suchen; denn gegen jene, deren Leben die überlegene Kraft unserer Göttin in ihren Schutz nimmt, hat der feindliche Zufall keine Macht mehr. Was haben die Räuber, was die wilden Tiere, was der Knechtsdienst, was das Hin-und-her-, Vor-und-zurück-Irren auf rauhen Wegen, was hat die tägliche Angst vor dem Tod der schurkischen Fortuna genützt? Jetzt bist du aufgenommen in den Schutz einer anderen, der sehenden 5 Fortuna, die mit dem Glanz ihres Lichtes auch die anderen Götter erleuchtet. Nimm an ein fröhliches Antlitz, wie es zu diesem deinen weißen Gewand paßt, begleite in frohem Schritt die Prozession der rettenden Göttin. Mögen dies doch die Verächter der Religion sehen, mögen sie sehen und erkennen, daß sie auf dem Irrweg sind; hier steht er, Lucius, durch die Vorsehung der Isis aus seinen früheren Mühen befreit 6 , und triumphiert voller Freude über seine (schlimme) Fortuna. Damit du aber nun ganz sicher und geschützt seist, melde dich an 7 zu diesem heiligen Kriegsdienst; man wird dich bald zur Eidesleistung 8 auffordern; widme dich schon jetzt dem Dienst unserer Religion und nimm das freiwillige Joch des Dienstes auf dich. Denn wenn du einmal damit begonnen hast, der Göttin als Sklave^ zu dienen, dann wirst du umso mehr empfinden, welche Freiheit du als Lohn gewonnen hast." 1 ®

Lucius wird glücklich gepriesen (XI 16,1-4) § 500 Nach der Predigt setzt sich der Zug wieder in Bewegung; Lucius und gewiß auch alle anderen Neugeweihten ziehen mit. M a n zeigt mit Fingern auf ihn, und die Leute sagen: Hunc omnipotentis hodie deae numen augustum reformavit ad homines. Felix Hercules et ter beatus, qui vitae scilicet praecedentis innocentia fideque meruerit tarn praeclarum de caelo patrocinium, ut renatus quodam modo statim sacrorum obsequio desponderetur. „Diesen hat 1

Vgl. Corp. Herrn. VII 1 - 2 σωτηρίας λιμήν. Euripides, Bakchen 903. I. K. 2, 304 (Erythrai) mit Kommentar. C. Bonner, Harv. Theol. Rev. 34, 1941, 4 9 - 6 7 Desired Heaven. 2

Über das Mitleid s. S 485.

3

Das Abenteuer mit Photis steht für alle Gefahren, denen junge Leute ausgesetzt sind.

4

curiositas, griechisch περιεργία, bezeichnet nicht nur „Neugier", sondern auch „Magie".

5

ι'¡dentis = providentis. caecitas.

Das Wort bezieht sich im Kontrast zurück auf die vorher genannte

6

absolutus.

7

Derselbe Ausdruck bei der Meldung zur christlichen Taufe: Peregrinatio Egeriae 45,1.

8

Sacramentum

Fortunae

Es klingt auch eine Absolution von den Sünden an. ist hier sowohl im militärischen als auch im religiösen Sinn gebraucht.

" Für Griechen mit ihrer aristokratischen Ethik wäre die Vorstellung undenkbar gewesen, daß man sich in Sklaverei begeben könnte, und sei es auch die eines Gottes. Vgl. aber Paulus, 1. Kor. 7,22 και ό ελεύθερος κληθείς δοϋλός έστιν Χριστοί]. 9 , 1 9 έλεύθερος γάρ ών έκ π ά ν τ ω ν πάσιν έμαυτόν έδούλωσα. ^ Vgl. Paulus im 2. Korintherbrief 3,17 οΰ δέ τό πνεύμα κυρίου, έκεΐ έλευθερία.

23 Die Einweihung des Lucius

283

heute die erhabene 1 Gottheit der allmächtigen Göttin in einen Menschen zurückverwandelt. Glücklich beim Hercules und dreimal glücklich dieser Mann, der sich offensichtlich durch die Schuldlosigkeit und Treue (fides) seines früheren Lebens diese schützende Fürsorge vom Himmel verdient hat, daß er, der sozusagen gerade erst Wiedergeborene, sofort dem Dienst bei den heiligen Zeremonien verpflichtet worden ist." Hier fällt nicht nur das Wort reformavit (= μετεμόρφωσεν), 2 sondern auch renatus. Es ist „in gewisser Weise" 3 ein neuer Mensch geboren. Wenn Lucius hier als wirklich Verwandelter von den anderen neuen Mysten verschieden geschildert wird, so gilt dies nur auf der Erzähl-Ebene. Die Seligpreisung des neuen Mysten ( f e l i x . . . et ter beatus) wird in X I 22,5 wiederholt, wo der Priester den Lucius anredet: O Luci, te felicem, te beatum. Ganz ähnlich wurden die Mysten der Demeter von Eleusis selig gepriesen. Im homerischen Demeterhymnus heißt es (480) ολβιος, ος τάδ' οπωπεν, „glücklich ist, wer dies erblickt hat", und Pindar dichtete: όλβιος, όστις Ιδών κεΐν' εισ' ύπό χϋόν', οϊδε μεν βίου τελευτάν, οιδεν δέ διόσδοτον άρχάν, 4 „glücklich jener, der unter die Erde hinabsteigt und dies schon gesehen hat; er kennt das Ziel des Lebens, kennt auch seinen von Zeus gegebenen Beginn." Noch höher preist Sophokles den eleusinischen Mysten: ώς τρισόλβιοι κείνοι βροτών, οϊ ταΰτα δερχϋέντες τέλη μόλωσ' ες "Αιδοιτ τοίσδε γάρ μόνοις εκεί ζην εστι, τοις δ' αλλοισι πάντ' εχειν κακά. 5 „Wie sind doch dreimal glücklich jene der Sterblichen, welche diese Weihen gesehen haben und in den Hades kommen; denn für sie allein gibt es dort Leben, für die anderen gibt es nur alles Schlimme."

Das Schiff der Isis fährt aufs Meer hinaus; Ende des Festes (XI 1 6 , 5 - 1 7 ) § 501 Inzwischen ist die Prozession am Meer angelangt, wo Lucius in Eselsgestalt gebadet und zu Luna gebetet hatte. Die in der Prozession mitgeführten Götterbilder -Isiskuh, Cista mystica, Wassergefäß - werden nach dem Brauch aufgestellt, vermutlich auf frisch errichteten Rasenaltären. Nun soll das Schiff vom Stapel gelassen werden, welches wohl - auf Rädern gefahren - den Schluß der Prozession gebildet hatte. Der Priester verrichtet die Zeremonien der Reinigung, benennt es nach der Göttin und weiht es ihr (deae nuncupavit dedicavitque)·, es trägt also den Namen „Isis". Auf dem Segel war ein Segensspruch angebracht für glückliche Seefahrt in der neuen Periode des Seeverkehrs (votum . . . de novi commeatus prospera navigatione)ß Die

1

Es ist das Wort, welches auch vom Kaiser gebraucht wird.

2

Der Roman trägt den Titel „Metamorphosen".

3

quodam modo, „sozusagen".

4

Fr. 137.

5

Fr. 8 3 7 Radt.

6 Bei Sueton, Nero 20,3 ist von alexandrinischen Schiffern die Rede, welche zur Eröffnung der Seefahrt

284 23 Die Einweihung des Lucius Menge bringt in Getreideschwingen 1 wohlriechende Essenzen und andere Spenden, die teils ins Meer gegossen, teils in das Schiff geworfen werden. D a n n werden die Taue gekappt und das Schiff fährt „unter passendem heiteren Wind" (peculiari serenoque flatu) aufs Meer hinaus. Isis hat den Wind geschickt; die Göttin selbst eröffnet mit ihrem Schiff die Periode der Seefahrt. Die Prozession kehrt zum Tempel zurück. Der Priester und seine Helfer treten ein und holen die „atmenden Götterbilder" (simulacra spirantia)2 aus dem Inneren. 3 Eine Person h o h e n 4 Ranges, welche den Titel „Schreiber" führt, ruft das Collegium der Schreinträger ( p a s t o p b o r i ) zur Versammlung zusammen. Er spricht von einem erhöhten Platz aus (de sublimi suggestu). Er wünscht Glück dem Kaiser, dem Senat, den Rittern und dem ganzen römischen Volk; dann verkündet er in griechischer Sprache und Ritus für alle Seeleute und Schiffe, die zum römischen Reich gehören, die „Ausfahrt der Schiffe". 5 Die Menge respondiert mit der Akklamation feliciter, „zum guten Glück". Die Isisdiener schmücken die Statue nochmals mit Blumen und küssen die Füße der Göttin, „die im Schreiten hängen blieb" (quae gradibus haerebat).6 Die Menge geht nachhause; nur Lucius (und gewiß auch die anderen neuen Mysten) bleibt im Tempel und mietet dort ein Zimmer. 7 Er betet das Bild der Isis an und wiederholt im Geist sein früheres Unglück. 8 Für die „Sich-Enthaltenden" ( άγνεύοντες) im Sarapeion v o n Alexandria und ihre besonderen Räume s. § 3 0 8 .

{de novo commeatu) nach Neapel gekommen sind und Lieder singen. Wahrscheinlich wird auch an dieser Stelle auf die πλοιαφέσια angespielt, s. Scritti in onore di Orsolina Montevecchi (1981) 217-219. 1 XI 10,6 (s. § 493). 2 In P. G. M. XII 319 steht ein Spruch, „durch den alle Statuen belebt werden" (δι' ου ζωπυρεΐται πάντα πλάσματα). Mandulis-Aion zu Talmis in Äthiopien wird gepriesen, weil er seinem Standbild Atem verleiht ( ξ ο ά ν ω . . . σφ . . . εμπνοιαν παρέχων, s. E. Bernand, Inscr. métr. 166,16 = Totti, Nr. 40,16). 3 Dies erinnert an die auf dem pompeianischen Fresko Abb. 5 dargestellte Zeremonie, bei welcher die Statuen von Sarapis, Harpokrates, Isis und Anubis vor einer Tempelfront hoch über den unten stehenden Verehrern aufgestellt sind. 4 Grammateus. Dies ist ein Titel, welchen die verschiedenartigsten Funktionäre geführt haben, manchmal sehr hohe Würdenträger. 5

XI 17,3 fausta vota praefatus principi magno senatuique et equiti totoque Romano populo, nauticis navibusque, quae sub imperio mundi nostratis reguntur, renuntiat sermone rituque Graeciensi πλοιαφέσια. Vgl. § 480. 6 Es wird eine Statue in ägyptischem Stil vorausgesetzt, wie die aus Pompei (Abb. 6). Stand- und Spielbein sind nicht in griechischer Art differenziert; nur ein Fuß ist vor den anderen gesetzt, ohne daß ein Unterschied in der Haltung der Beine gemacht wäre. - Über das Schreiten hat es Spekulationen gegeben: Die Götter werden an der Art ihres Schrittes erkannt; sie nehmen die Füße nicht auseinander und wechseln nicht einen um den anderen Fuß, sondern durchschneiden fliegend die Luft; „deshalb stellen die Ägypter die Götterbilder mit einander verbundenen Füßen auf, so daß diese vereinigt sind" (Heliodor III 13,2-3); vgl. noch Iamblich-Abammon II 3 p. 71,18 P. und Porphyrios, περί άγαλμάτων 19,2* Bidez = Eusebios, Praep. ev. III 11,47 (p. 143,9 Mras) = Porph. fr. ed. Andrew Smith p. 429,16 (360F). 7 8

XI 19,1 aedibusque conductis intra conseptum templi larem temporarium

XI 17,5 intentus deae specimen prístinos Robertson).

mihi

constituo.

casus meos recordabar (so der Text von

23 Die Einweihung des Lucius

285

Lebensbeichte des Lucius (XI 18) § 502 Als Lucius im ersten Teil des Romans in einen Esel verwandelt worden war, galt er bei seinen Verwandten als verschwunden. Jetzt, wo er in den Menschen zurückverwandelt ist, zögert die beflügelte Fama (Fama volucris) nicht, die Wohltat der „vorsehenden Göttin" (deae providentis beneficium) und sein Glück (fortuna) in der Heimat des Lucius zu erzählen.1 Die Wahl der Worte erinnert einmal mehr daran, daß Isis Providentia und Fortuna in einer Person ist. Die Verwandten des Lucius eilen herbei und bringen ihm anläßlich seiner „Rückkehr aus der Unterwelt ans Tageslicht" Geschenke.^ - Auf der Ebene des Ritus sind Geschenke bringende Verwandte die neuen Brüder und Schwestern in der Isis- und Sarapis-Religion. Nun spricht Lucius, wie es seine Pflicht ist, die Einzelnen an und erzählt sein früheres Leid und seine jetzige Freude (XI 19,1): Adfatis itaque ex officio singulis narratisque mets pro3 et pristinis aerumnis et praesentibus gaudiis. Lucius hat den „Verwandten" den Inhalt des ganzen Romans erzählt. Dies läuft auf eine Generalbeichte hinaus, einen Bericht über das frühere Leben, wie er beim Eintritt in eine Gruppe gefordert werden kann. 4 Gleichzeitig war es ein Bericht, wie Lucius zum religiösen Heil geführt worden ist, eine Aretalogie. Beichte und Aretalogie hingen zusammen; in den Heiligtümern wurden interessante und erstaunliche Schicksale erzählt, die man weitererzählen konnte; wenn man sie niederschrieb, konnten aus Beichte und Aretalogie Romane entstehen.

Lucius bleibt im Tempelbezirk ( X I 1 9 ) § 503 Nach seiner Erzählung begibt sich Lucius wieder zu dem ihm so angenehmen Anblick der Göttin (ad deae gratissimum mihi refero conspectum), zu Gebet und Meditation. Noch ist er „nur im privaten Dienst der Göttin, niemals sich trennend vom Zusammensein mit den Priestern, ein Verehrer, der sich von der großen Gottheit nicht trennen kann". 5 Fast in jeder Nacht erscheint Isis im Traum und gibt den Befehl (Imperium), sich einweihen zu lassen. Aber religiöse Scheu (religiosa formido) hält ihn zurück, „denn er hatte durch fleißiges Fragen erfahren, daß die Kasteiungen und Enthaltungen sehr schwer seien". 6 Es wird die Enthaltsamkeit (άγνεία) gefordert, der sich die „Enthaltenden" (άγνεύοντες) unterziehen müssen, s. § 308.

1

Die wunderbare Schnelligkeit der Fama ist ein aretalogisches Motiv, vgl. § 389.

2 X I 1 8 , 2 (familiares) varie quisque munerabundt inferís conspectum.

ad meum festinant ilico diurnum

reducemque

ab

^ pro Médan, pro cod. Die Lesung ist unsicher. Christliche Parallele: Horigenes, Contra Celsum III 51 p. 2 4 7 , 1 3 Κ. παρ' οις (sc. Χριστιανοΐς) είσι τινές τεταγμένοι πρός τό φιλοπευστείν τούς βίους και τάς άγωγάς των προσιόντων. 4

5 deae ministeriis adhuc privatis adpositus contuberniisque cultor inseparabilis. - cultor = θεραπευτής. 6

sedulo percontaveram

sacerdotum

individuus et numinis

magni

difficile religionis obsequium et castimoniorum abstinentiam satis arduam.

286

23 Die Einweihung des Lucius

Lucius erhält das weiße Pferd zurück (XI 20) § 504 Es folgt eine Episode, die offensichtlich rituellen Sinn hat, den zu bestimmen aber nicht leicht ist. Lucius war zu Beginn des Romans auf einem weißen Pferd 1 nach Thessalien geritten; als er in den Esel verwandelt wurde, war das Pferd weggeführt worden. Die Diener des Lucius erkennen das Pferd an einem Brandmal auf dem Rücken; als bekannt wird, daß Lucius lebt, bringen sie es zurück. Lucius, der noch nichts vom Auffinden seines Pferdes weiß, träumt, daß der Oberpriester etwas verdeckt in seinem Schoß halte und ihm darreichen wolle; als Lucius danach fragt, antwortet der Priester: Diese Dinge (partes illae) seien für ihn aus Thessalien geschickt worden, und überdies sei von dort auch sein Sklave „Weiß" (Candidus) gekommen. Lucius grübelt beim Erwachen, was der Traum bedeute, zumal er nie einen Diener dieses Namens gehabt hatte; aber das Darreichen von Dingen habe gewiß eine gute Bedeutung. So erwartet er ängstlich und doch auch zuversichtlich2 die morgendliche Öffnung des Tempels: 3 „Während wir, nachdem die weißen Vorhänge auseinandergezogen wurden, den verehrungswürdigen Anblick der Göttin anbeten und der Priester, an den aufgestellten Altären herumgehend und in feierlichem Gebet die frommen Zeremonien verrichtend, aus dem Schöpfgefäß das Quellwasser, das er aus dem Innersten des Tempels geholt hatte, ausgießt, 4 da stimmen, nachdem die Zeremonien nach dem Ritus verrichtet sind, die Frommen ihr Lied zur Begrüßung des Sonnenlichtes an 5 und melden die erste Stunde." 6 § 505 „Gerade in diesem Augenblick kommen aus Hypata die Diener, welche ich dort zurückgelassen hatte, als Photis mich zu schlimmem Irrweg ins Halfter eingespannt hatte; meine Geschichte war ihnen bekannt geworden, und sie brachten auch jenes mein Pferd zurück, welches anderswohin weggeführt worden war; sie hatten es am Brandmal auf dem Rücken erkannt. So habe ich mich gar sehr darüber gewundert, wie gut das Traumgesicht paßte, welches außer dem Eintreffen der Verheißung auf Gewinn mir durch das Bild des Sklaven „Weiß" (Candidus) mein weißes Pferd zurückgegeben hatte." 7

1

1 2,2 equo . . . peralbo

vebens.

anxius et in proventum prosperiorem Hoffnung pendelt. 2

attonitus. Die Gemütslage des Mysten, die zwischen Furcht und

3

Vgl. in § 2 7 6 den Bericht des Porphyrios über die Öffnung des Sarapistempels.

4

Er hat im Inneren des Tempels im Wasser den Osiris „gefunden".

$ Ein Wecklied für den Sonnengott, s. § 159 und 2 7 6 . 6 Ac dum, velis candentibus reductis in diversum, deae venerabilem conspectum adprecatnur, et per dispositas aras circumiens sacerdos, rem divinam procurans supplicamentis sollemnibus, de penetrali fontem petitum spondeo libai: rebus iam rite consummatis incohatae lucis saltutationibus religiosi primam nuntiantes horam perstrepunt. 7 Et ecce superveniunt Hypata quos ibi reliqueram fámulos, cum me Photis malis incapistrasset erroribus, cognitis scilicet fabulis meis, nec non et equum quoque ilium meum reducentes, quem diverse distractum notae dorsualis agnitione recuperaverant. quare sollertiam somni tum mirabar vel maxime, quod praeter congruentiam lucrosae pollicitationis argumento servi Candidi equum mihi reddidisset colore candidum.

23 Die Einweihung des Lucius

287

Man könnte es für rhetorisches Spiel halten, daß Lucius die Worte gebraucht, Photis habe ihn zum Irrweg ins Halfter eingespannt, als sie ihn verführt und in den Esel verwandelt hatte, und daß die Rede ist von seinem weißen Pferd, das durch das „Brandmal" wiedererkannt wird. 1 Aber der Augenblick, in welchem die Diener mit dem Schimmel eintreffen, ist Höhepunkt und Ende des morgendlichen Gottesdienstes. Was sind „jene Dinge" (partes illae), welche der Priester im Traum in seinem Schoß verborgen hält und die noch vor dem Sklaven Candidus genannt werden? Die Episode bezieht sich auf Zeremonien im Tempel; aber von welcher Art, können wir nur vermuten. § 506 Eine mögliche Deutung: Bei „jenen Dingen" kann es sich um heilige Gegenstände symbolischer Bedeutung gehandelt haben, um memoracula, Gegenstände zur Erinnerung an die Weihe, welche man dem Mysten gegeben hat. 2 Appuleius spricht in der Apologie 3 ausführlich über solche Devotionalien. Man hat sie auch signa und crepundia (παίγνια) genannt. Sie konnten als Erkennungszeichen (γνωρίσματα) dienen, um zu beweisen, daß man initiiert worden war. § 507 Das weiße Pferd ist aus dem Phaidros zu erklären, ist das rechte Pferd, die stolze Regung (·θυμός).4 Nachdem Lucius den Esel, die Begierde (επιθυμία), überwunden hat, kann er sich bei der Wagenfahrt des Lebens auf das rechte Pferd verlassen.

Predigt zur Vorbereitung der Initianden (XI 21) § 508 Lucius lebt im Tempelbezirk und verrichtet fleißig den religiösen Dienst (sedulum colendi frequentabam ministerium). Sein Wunsch, die Weihen zu empfangen ( a c c i p i e n d o r u m sacrorum cupido), wächst von Tag zu Tag, und er bittet den obersten Priester5 immer wieder, ihn „in die Geheimnisse der heiligen Nacht einzuweihen" (ut me noctis sacratae . . . arcanis initiaret)ß Im Roman ist nur von der Einweihung des einen Lucius die Rede (Erzähl-Ebene). Aber gewiß gilt, was von Lucius erzählt wird, auch für alle anderen, die sich durch die votiva studia auf die Weihe vorbereitet hatten. 7 So ist die Rede, welche der Priester dem Lucius jetzt hält, das erzählende Äquivalent für eine Predigt, welche vor allen Kandidaten zur Weihe gehalten wurde. Die Initianden werden auf die Ereignisse während der Weihezeremonie vorbereitet: Was ihnen bevorsteht, ist ein „freiwilliger Tod" (voluntaria mors). 1 notae dorsualis agnitione. Die griechische Vokabel ist σφραγίς. Es ist vielfach für religiöse Tätowierungen und Bezeichnungen gebraucht worden, von Heiden und Christen; es sei nur an Evang. Joh. 6 , 2 7 έσφράγισεν erinnert. F. J. Dölger hat der religiösen „Sphragis" sein gleichnamiges Buch gewidmet. 2

S . S 324.

3

Kap. 5 5 - 5 6 .

4

Phaidros 2 5 3 C - 2 5 4 B und vorher 246AB; R. Thibau 102; J. Tatum 34. Vgl. S 4 7 5 .

5

primarium sacerdotem. In XI 2 2 , 3 heißt es sacerdotem

praecipuum.

6 Wahrscheinlich wurde solches Drängen von den Kandidaten erwartet: Er muß die Todeszeremonie selbst wünschen. 7 In XI 21,9 ist auch von den cultores cet er i dit Rede, welche denselben Regeln wie Lucius gehorchen müssen; in 2 1 , 5 wird in der Anrede an Lucius der Plural gebraucht (nos quoque).

288 23 Die Einweihung des Lucius Der Priester, ein würdiger Mann, der berühmt war für seine gewissenhafte Beachtung der nüchternen Religion (sobriae religionis observatione famosus), spricht sanft (clementer) zu Lucius, ganz wie Eltern verfrühte Wünsche ihrer Kinder behandeln {ut soient parentes immaturis liberorum desideriis modificari)·, er ist der geistliche Vater, Lucius in religiösem Sinn sein Sohn. Er vertröstet Lucius, der ganz ängstlich (anxius) ist, mit den „besseren Hoffnungen" (spei melioris solaciis). Dies sind die „guten Hoffnungen" (άγσθαί ελπίδες), welche die Isisreligion aus den eleusinischen Mysterien übernommen hat, s. § 109. § 5 0 9 Die Fortsetzung der Rede müssen wir im Wortlaut zitieren: Nam et diem, quo quisque possit initiari, deae nutu demonstrari, et sacerdotem, qui sacra debeat ministrare, eiusdem Providentia deligi, sumptus etiam caerimoniis necessarios simili praecepto destinari. quae cuncta nos quoque observabili patientia sustinere censebat, quippe cum aviditati contumaciaeque summe cavere et utramque culpam vitare ac neque vocatus morari nec non iussus festinare deberem; nec tamen esse quemquam de suo numero tam perditae mentis vel immo destinatae mortis, qui, non sibi quoque seorsum iubente domina, temerarium atque sacrilegum audeat ministerium subire noxamque letalem contrahere; nam et inferum claustra et salutis tutelam in deae manu posita, ipsamque traditionem ad instar voluntariae mortis et precariae salutis celebrari, quippe cum transactis vitae temporibus iam in ipso finitae lucis limine constituios, quis tamen tuto possint magna religionis commini silentia, numen deae soleat elicere et sua Providentia quodam modo renatos ad novae reponere rursus salutis curricula. „Der Tag, an welchem ein jeder eingeweiht werden könne, wird durch den Wink der Göttin 1 gezeigt 2 , und der Priester, der die heilige Handlung vollziehen soll, wird durch die Vorsehung (!) der Göttin erwählt; auch welcher Aufwand für die Zeremonien nötig sei, wird durch ähnliche Vorschrift festgesetzt. 3 All dies sollten auch wir in frommer Geduld ertragen und uns so gut wie möglich vorsehen sowohl vor allzugroßem Eifer als auch vor trotziger Zurückhaltung; man solle beide Sünden vermeiden und weder zögern, wenn man gerufen werde, 4 noch sich beeilen, wenn kein Befehl ergangen sei. Keiner aus der Schar der Göttin sei so verlorenen Sinnes, ja sogar dem Tod erkoren, daß er - es sei denn, daß die Herrin 5 es ihm eigens persönlich befiehlt es wage, einen tollkühnen, ja frevlerischen Kult zu verrichten und sich tödlichen Schaden zuzuziehen; denn die Riegel zur Unterwelt und der rettende Schutz lägen in der Hand der Göttin, und die Weihe^ selbst werde gefeiert als Abbild eines freiwilligen Todes und einer auf Bitten gewährten Rettung; denn wenn die Lebenszeit abgelaufen sei und die Menschen schon

1

Durch ein Traumgesicht.

2

demonstrari = δείκνυσθαι.

Es war, je nach der wirtschaftlichen Lage, eine Gebühr zu bezahlen. Vgl. § 314 und 318 über die Aufnahmegebühr der „Schweiger", welche zur cline des Sarapis zugelassen wurden. 3

4 Pausanias erzählt vom Heiligtum der Isis in Tithorea (in Mittelgriechenland), dal? der Eintritt in das Heiligtum allein jenen gestattet ist, welche Isis selbst bevorzugt ehrt und durch Träume ruft (X 32,13 ουτε εσοδος ές τό άδυτον άλλοις γε ή έκείνοις έστίν, ους αν αύτη προτιμήσασα ή ΤΙσις καλέσηι σφας δι' ένυπνίων).

domina = κυρία. Vgl. § 170. ^ traditionem = παράδοσιν. 5

2 3 Die Einweihung des Lucius

289

auf der Schwelle stünden, an welcher das Licht endet, dann pflege die G ö t t i n 1 diejenigen, welchen man getrost die großen Geheimnisse der Religion anvertrauen könne, aus der Unterwelt wieder zurückzurufen 2 und sie, die in gewissem Sinn durch ihre Vorsehung wiedergeboren seien, wieder auf die Bahn eines neuen Lebens im Licht zu setzen." Der Priester schließt, indem er Lucius ermahnt, sich in die Vorschriften zu fügen und abzuwarten, wenngleich er durch die offenkundige Gnade 3 der großen Gottheit schon jetzt namentlich zum glücklichen Dienst ausersehen sei (felici ministerio nuncupatum destinatumque). Er solle wie die anderen Verehrer 4 unerlaubte und schändliche Speisen 5 vermeiden, so werde er auf geradem Weg zu den verschwiegenen Geheimnissen der reinen Religion hineinschreiten.^

N a c h einem D o p p e l t r a u m wird Lucius zur Initiation zugelassen ( X I 2 2 ) § 5 1 0 Lucius faßt sich in Geduld; er „bemühte sich um sanfte Ruhe und billigenswertes Schweigen und übte täglich fleißigen Dienst bei der Verrichtung der heiligen Z e r e m o n i e n " . 7 Bald erscheint ihm die Göttin sichtbar (evidenter) im T r a u m und teilt ihm mahnend mit, daß der ersehnte T a g der Initiation gekommen 8 sei; auch, welche Gebühr für die Bittzeremonien (supplicamentis) zu entrichten sei; zum Mystagogen bestimmte sie den Oberpriester selbst, der den N a m e n Mithras - einen Sonnennamen - trug, denn dieser sei ihm (dem Lucius) durch gemeinsame Geburtskonstellation verbunden (divino quodam stellarum consortio . . . coniunc-

tum)?

Sogleich nach dem Erwachen geht Lucius zu dem Priester; dieser hat im T r a u m dieselbe Weisung von Isis erhalten und kommt Lucius von sich aus entgegen:

O Luci, te felicem, te beatum, ^ quem propitia volúntate numen augustum tantopere

dignatur.

„ O Lucius, du glücklicher, du seliger, den die erhabene Gottheit in ihrem geneigten Willen so viel Gnade erweist." 1 1 Der Tag sei gekommen, wo Lucius auf den göttlichen Befehl der vielnamigen Göttin durch seine Hände in die frommen Geheimnisse des heiligen Dienstes eingeführt werde. 1 2 1

M a n könnte numen

deae auch übersetzen mit „der Wink der Göttin".

elicere ist ein W o r t , welches bei Totenbeschwörungen verwendet wird (Appuleius, Apologie 3 4 eliciendis mortuis·, Horaz, Sat. I 8 , 2 9 ) . 2

3

dignatione

4

cultores - θ ε ρ α π ε υ τ ώ

= αξιώσει. Es muß in den Isismysterien eine Art Gnadenlehre gegeben haben.

5

Kein Fleisch essen und keinen Wein trinken; die Isisreligion ist sobria.

6 quo rectius ad arcana purissimae religionis Ein griechisches Aequivalent ist έμβατεΰειν. 7

Intentus

miti quiete et probabili

taciturnitate

secreta pervaderem. sedulum

Das „Hineingehen" ist die initiatio.

quot dies obibam

culturae

sacrorum

ministe-

rium. 8 advenisse, die Vokabel der Parusie. Gleich danach gebraucht der Priester das W o r t adest, als er Lucius auf Grund seines inhaltlich gleichen Traums zur Weihe ruft (XI 2 2 , 6 ) .

9 Das griechische W o r t ist συναστρία. Vgl. § 4 0 1 . ^ Seligpreisung des Mysten, s. § 5 0 0 . 11 12

nis

dignatur = άξιοι. Adest dies . . . quo deae multinominis insinueris.

divinis imperiis per istas meas manus piissimis sacrorum

arca-

2 9 0 23 Die Einweihung des Lucius

Der gütige alte Priester (senex comissimus) legt die rechte Hand auf Lucius und führt ihn vor die noch verschlossene Tempeltür. Der Dienst der Tempelöffnung wird nach feierlichem Zeremoniell begangen und das morgendliche Opfer ausgeführt. 1 Dann holt der Priester aus den inneren Räumen ein Buch, welches in Hieroglyphen geschrieben und teilweise radförmig oder in verschlungenen Zügen angeordneten Zeilen abgefaßt 2 und so vor der Neugier (curiositas) der profanen Außenstehenden geschützt ist. Aus dem Buch liest er Lucius vor, was zum Gebrauch bei der Weihe (telete) vorzubereiten ist. Lucius besorgt alles Nötige reichlich.

Bad und Absolution; weitere zehn Tage der Vorbereitung (XI 23,1-2) § 511 Es folgt eine Art Taufe: „Als nun, wie der Priester sagte, die Zeit gekommen war, führte er mich, der ich von der religiösen Schar 3 umgeben war, in das nächste Bad. 4 Als ich das übliche Bad genommen hatte, sprach er zunächst die Verzeihung der Götter aus und übergoß mich dann von allen Seiten auf die reinlichste Weise und wusch mich so a b . " 5 Dieses Übergießen ist auf vielen ägyptischen Darstellungen zu sehen, vgl. § 47, Zeichnung 16, und § 310, Zeichnung 35. Lucius sind nun seine Sünden vergeben. Der Priester geht mit Lucius zum Tempel zurück und führt ihn vor eine Isisstatue, die auf hohem Postament steht. Dort stellt er Lucius „gerade vor die Fußspuren der Göttin" (ante ipsa deae vestigia), gibt ihm einzeln gewisse Aufträge, über welche nicht gesprochen werden darf, und trägt ihm dann laut mit, was alle 6 hören dürfen: Er solle zehn Tage 7 lang wenig essen, auf keinen Fall Fleisch, und keinen Wein trinken. Lucius hält die Vorschrift mit Selbstdisziplin (continentia, Enthaltsamkeit) ein.

Die nächtliche Initiation und das ägyptische Totenbuch (XI 23,3-7) § 512 Dann fährt Lucius fort: „Schon war der Tag gekommen, 8 der vom Schicksal für die göttliche Verpflichtung vorgesehen war; der Sonnengott beschrieb seinen Kreis und zog den 1

rituque sollemni apertionis celebrato ministerio ac matutino peracto

sacrificio.

2

In den Papyri Magicae kann man vergleichen den in mehreren Kreisen um einen Ibis (Vogel des Thoth) geschriebenen Spruch VII 300 (Preisendanz - Henrichs II Tafel I 2) und den Ring V 357 (Band I, Tafel III 6). 3 M a n könnte cohors auch mit „Kompanie" übersetzen. Jedenfalls liegt ein Bild aus der militia Isidis vor. - Zu der cohors gehören vermutlich auch jene anderen Kandidaten auf die Weihe, welche Masken getragen hatten. Auch sie dürften „getauft" worden sein. 4 M a n hat ein öffentliches Bad benutzt. Dies haben auch die Christen getan; so sollte die österliche Massentaufe im Jahr 404 in Konstantinopel im Constantiusbad abgehalten werden (Sokrates, Hist, eccles. VI 18; Sozomenos, Hist. VIII 21; Palladlos, Dialog über das Leben des hl. Johannes Chrysostomos 9, ed. A.-M. Malingrey I p. 194-198; Kap. 9, Zeilen 162-207). 5

ïamque tempore, ut aiebat sacerdos, id postulante stipatum me religiosa cohorte deducit ad balneas et prius sueto lavacro traditum, praefatus deum veniam, purissime circumrorans abluit.

próximas

^ Der Befehl gilt allen, die mit Lucius eingeweiht werden. 7

In ägyptischer Weise wird nach Dekaden gerechnet.

8

Aderat, wieder die Vokabel der Parusie. Gleich danach das Schicksal, welches von Isis regiert wird.

23 Die Einweihung des Lucius

291

Abend hinter sich her. Sieh da, von allen Seiten strömten zusammen die Scharen der Geweihten; jeder ehrte mich mit einem anderen Geschenk. Dann mußten alle Nicht-Geweihten sich entfernen. Ich wurde mit einem Leinengewand und einem einfachen Mantel bekleidet; der Priester faßte mich an der Hand und führte mich in die innersten Gemächer des Heiligtums." 1 Lucius (oder Appuleius) wendet sich nun an den Leser, er wolle nun wohl gewiß dringend (anxie) wissen, was danach geschehen sei; aber leider sei nicht erlaubt, dies zu hören. Die Ohren des Ungeweihten, der dies hören sollte, würden für ihre frevelhaft-kühne Neugier (temeraria curiositas) schwer bestraft werden. Aber er will seinen Hörer, der ja vielleicht in frommer Qual hänge (religioso suspensum angore), nicht lange quälen. So gibt er eine provisorische Auskunft; Näheres würde nur derjenige erfahren, der sich selber weihen ließe. Der Roman des Appuleius ist in gewissem Sinne eine Missionsschrift. § 513 Es folgt die berühmte Beschreibung der nächtlichen Weihe: 2 (a) Igitur audi, sed crede, quae vera sunt. (b) accessi confinium mortis et calcato Proserpinae limine per omnia vectus elementa (c) node media vidi Solem candido coruscantem lumine. (d) deos inferos et deos superos accessi coram et adoravi de proxumo. (e) ecce tibi rettuli quae, quamvis audita, ignores tamen necesse est.

remeavi.

(a) „So höre also; aber glaube, was wahr ist.3 (b) Ich habe das Gebiet des Todes betreten, meinen Fuß auf die Schwelle der Proserpina gesetzt und bin, nachdem ich durch alle .Elemente' gefahren bin, wieder zurückgekehrt. (c) Mitten in der Nacht habe ich den Sonnengott in rötlichem Licht weiß leuchten sehen. (d) Ich bin unmittelbar vor die Götter der Unterwelt und die Götter der Oberwelt getreten und habe sie aus der Nähe angebetet. (e) Sieh, so habe ich dir berichtet, was du zwar hören, aber notwendigerweise nicht verstehen kannst." § 514 Zur Erklärung wird man die Vorausdeutungen des Priesters auf die Weihe in X I 2 1 , 6 - 7 heranziehen, wo davon die Rede war, daß der Riegel der Unterwelt (inferum claustra) in der Hand der Göttin sei, daß die Initianden „auf derjenigen Schwelle stünden, an welcher das Licht endet" (in ipso finitae lucis limine constituios), daß die Weihe ein freiwilliger Tod (voluntaria mors) sei. Die Schwelle wird an beiden Stellen genannt. Wir wollen uns hier an die Rätselfragen erinnern, welche im 125. Kapitel des Totenbuches 4 beim Verhör im Tor an den Toten gestellt werden (§ 53/54). Er muß die geheimen Namen 1 Iam dies aderat divino destinatus vadimonio, et Sol curuatus intrahebat vesperam. tum ecce conßuunt undique turbae sacrorum (so Brantius bei Oudendorp [1786], sacrorum die Hs.) ritu vetusto variis quisque me muneribus honorantes, tunc semotis procul profanis omnibus linteo rudique me contectum amicimine arrepta manu sacerdos deducit ad ipsius sacrarti penetralia. 2

Die Buchstaben dienen der nachfolgenden Besprechung.

3 Hierzu ist die Inschrift aus Rom, Vidman 3 9 0 (crede), zu vergleichen, auch die fiducia unten in XI 2 8 , 5 . In dem Enkomion auf Isis aus Oxyrhynchos (Pap. Oxy. 1 3 8 0 , 1 5 2 ; M. Totti, Texte Nr. 2 0 , S. 70) wird Isis κατά τό πιστόν angerufen. Eine christliche Parallele bei Horigenes, Contra Celsum I 9 p. 6 1 , 1 8 Κ. μή έξέταζε άλλά πίστευσον. 4

Zeilen 1 8 3 - 1 9 9 ; Hornung S. 242/3.

292

23 Die Einweihung des Lucius

wissen, welche die einzelnen Teile des Tors tragen. Dabei wird der Tote auch nach den Namen der Schwelle1 und des Riegels gefragt, welcher das Tor verschließt; diese Namen beziehen sich auf die Eltern des Osiris, Geb und Nut (Erdgott und Himmelsgöttin). Wenn bei Appuleius von Schwelle (limen) und Riegel (claustra) die Rede ist, und wenn Schwelle und Riegel auch im ägyptischen Text vorkommen, so folgt, daß die Isisweihe bei Appuleius dem im Totenbuch beschriebenen Ritus ähnlich war. Nun sind Schwelle und Riegel im Totenbuch Bestandteile des Tors, welches nur geöffnet wird, wenn das Herz des Toten vorher gewogen und als rein befunden wurde. 2 Es muß also auch bei der Initiation in die Isismysterien eine Wägezeremonie stattgefunden haben: Wie der Tote muß auch der Initiand vorher eine Erklärung abgegeben haben, daß er frei von Sünde sei. Und diese Erklärung konnte Lucius, konnten seine Weihegenossen frohen Mutes abgeben, denn sie hatten vorher das Bad genommen, bei welchem der Priester die Vergebung der Götter (deum veniam) ausgesprochen hatte. Zu den Zeremonien, welche Lucius, welche jeder Isismyste durchlief, gehörten also: Eine Unschuldserklärung, die Herzwägung, das Auf-die-Schwelle-des-Totenreiches-Treten, das Entriegeln des Tors, ein verehrendes Gebet zu Osiris und die Erklärung des Gottes, daß er diesen Mysten als Gerechtfertigten aufnehme.So hat er „die Götter der Unterwelt angebetet" (Satz d). Anschließend muß ihn Isis wieder aus dem Totenreich herausgerufen4 und als Neugeborenen auf eine neue, heilvolle Laufbahn im Licht gebracht haben (XI 21,7 renatos ad. novae reponere rursus salutis curricula). § 515 Der Sinn der Worte per omnia vectus elementa (ich bin durch alle „Elemente" gefahren) ist nicht sicher zu ermitteln. Es können, wie in der Pariser Unsterblichkeitsliturgie (§ 343), die vier Elemente Wasser, Erde, Luft und Feuer gemeint sein, durch welche der Initiand zum Himmel emporgestiegen wäre. Man kann auch erwägen, daß elementum wie sein griechisches Äquivalent στοιχεΐον die Sterne als die „Elemente" des Himmels bezeichnet?5 auch in diesem Fall wäre eine rituelle Himmelfahrt gemeint. § 516 In Satz (c) sagt Lucius, daß er mitten in der Nacht den Sonnengott in strahlendem Licht gesehen habe (vidi). Die Wendung „Ich habe gesehen" kommt in den altägyptischen Totentexten mehrfach vor, s. § 52. Eine der Wendungen lautet: „Ich habe die Mysterien

1 Auch in der Einleitung zum Totenbuch des Ani (P. Barguet, Le livre des morts des anciens Égyptiens [1967] S. 158a unten). 2 Die ersten Antworten auf die Rätselfragen im Tor lauten im Totenbuch: „Das Lot an der richtigen Stelle", „Waagschale, mit der die Ma'at gewogen wird", „Waagschale des Weins" (= Herz). S. § 53.

^ Im Pap. Rhind I col. IX 1 (Möller S. 41) heißt es: „Osiris öffnet seinen Mund zum Sprechen . . . : Dieser Mensch, dessen Herz trefflich ist, versetze ihn unter die Belohnten, möge seine Seele zum Himmel gehen." Als im Kapitel 125 des Totenbuches (Zeile 219, Hornung S. 244) der Tote alle Prüfungen bestanden hat und es heißt: „So zieh dahin - siehe, du bist angemeldet", da spricht eine Stimme, die keine andere sein kann als die des Osiris: „Dein Brot ist das Udjat-Auge, dein Bier ist das Udjat-Auge, und deine Totenopfer auf Erden sind das Udjat-Auge." Das Udjat-Auge ist das Symbol des Heils; Osiris hat den Toten akzeptiert. Vgl. § 54. 4

XI 21,7 elicere.

5

H. Diels, Elementum (1899) 4 4 ^ 5 .

2 3 Die Einweihung des Lucius

293

g e s c h a u t . " 1 Der T o t e verweist darauf, daß er zu Lebzeiten an der Mysterienfeier teilgenommen hat. V o n einer solchen Feier der Lebenden ist bei Appuleius die Rede, einer Zeremonie, welche der Leidener Kosmogonie oder dem Pariser Unsterblichkeitsritual (s. Kap. 1 4 ) ähnlich war. Beide Male bildet der leuchtende Auftritt des Sonnengottes (bzw. eines Priesters in seiner Rolle) den Höhepunkt. § 5 1 7 Lucius sagt ferner, daß er „die unteren Götter aus der Nähe angebetet h a t " (Satz d). Auch dies hat seine Parallele im Kapitel 1 2 5 des Totenbuches. Der Vorspruch lautet: „Das Angesicht der Götter zu schauen." 2 In Spruch 1 4 9 , 8 8 / 8 9 sagt der Tote: „Sei gegrüßt, du Totenreich! Ich bin gekommen, um die Götter zu schauen, die in dir s i n d . " 3 In der Zeremonie des Pap. Rhind heißt es von dem toten Mentesuphis: „Du siehst den Herrn des Amenthes." 4 Z u den Göttern der Unter- und der Oberwelt fliegt der Horosfalke in Spruch 7 8 des Totenbuches. Nachdem auch er ein Verhör bestanden hat, gelangt er zu Osiris: „Siehe, da bin ich! D u hast mich erhöht gesehen, als ich deine Unterwelt öffnete. Aufgetan sind mir die Wege, die zum Himmel gehören und die zur Erde gehören." 5 § 5 1 8 Diese Initiation 6 war, wie es in Kap. 2 1 , 7 hieß, ein „freiwilliger T o d und eine auf Bitten gewährte R e t t u n g " . 7 Sie wurde vollzogen an einem Kandidaten, der sich selbst zu der Todeszeremonie gemeldet hatte und der dann, vor dem Totengott und seiner Gemahlin Proserpina-Isis stehend, das Gebet um „Rettung" (Rückkehr auf die Erde) gesprochen hatte. Daraufhin hatte Isis ihn aus den Toten zurückgerufen und zu einer neuen Laufbahn im Licht bestimmt. D a m i t hatte sie wahr gemacht, was sie Lucius in der Traumerscheinung am Meeresufer versprochen hatte, daß es ihr möglich ist, sein Leben über den vom Fatum festgesetzten R a u m hinaus zu verlängern. ^ Der Initiand darf hoffen, daß er auch auf der Erde ein langes Leben genießen werde. Aber vor allem wurde in dieser Weihe mit ihrer Überwindung des Todes ein späteres, jenseitiges Glück versprochen, wie Isis es Lucius verheißen hatte: „Du wirst mich, die du (jetzt im Traum) vor dir siehst, zwischen den Schatten des Acheron hervorscheinen und im Innersten der Styx als Königin regieren sehen und, indem du die elysischen Gefilde bewohnst, mich, die ich dir gnädig bin, häufig a n b e t e n . " 9

1

Spruch 1 1 6 , 7 (Hornung S. 2 2 5 ) .

2

Hornung S. 2 3 3 .

3

Hornung S. 3 0 6 .

4

Möller S. 2 9 .

5 Zeilen 1 5 0 - 1 5 2 , Hornung S. 1 6 3 . Der T e x t steht schon in Spruch 3 1 2 der Sargtexte: R. O. Faulkner, T h e Ancient Egyptian Coffin Texts I ( 1 9 7 3 ) 2 2 9 - 2 3 3 nach A. de Buck, J. Ε. Α. 3 5 , 1 9 4 9 , 8 7 - 9 7 . Vgl. auch R. T. Rundle Clark, Myth and Symbol in Ancient Egypt 1 4 3 - 1 5 6 ; H. Brunner, Das hörende Herz 309-315. 6

traditio - παράδοσις.

7

voluntártele mortis et precariae

salutis.

8 X I 6 , 7 scies ultra statuta fato tuo spatia vitam quoque 9

Zitiert in § 4 8 9 .

tibi prorogare

mihi tantum

licere.

294

2 3 Die Einweihung des Lucius

§ 519 Die Initiation ist für Appuleius aber nicht nur eine ägyptische, sondern auch eine platonische Zeremonie gewesen. Lucius „sieht den Sonnengott in rötlichem Glanz weiß leuchten" (Satz c).1 Als Appuleius in der Schrift „Über den Gott des Sokrates" von der plötzlichen Erleuchtung spricht, welche dem Philosophen die Erkenntnis Gottes ermöglicht, sagt er, daß „die Erkenntnis dieses Gottes in blitzartigem, rotem Aufleuchten als weißes Licht aufglänzt". 2 Was in Piatons Philosophie die höchste geistige Erleuchtung ist, wird in der Isisweihe zu Korinth im Spiel dargestellt. 3

Lucius wird den Isisdienern als neuer Myste vorgestellt (XI 24,1-4) § 520 Was nach Abschluß der Initiation am nächsten Morgen geschehen ist, kann Lucius wieder offen berichten. Lucius tritt aus den geheimen Gemächern des Tempels heraus, nachdem er in zwölf Gewändern geheiligt worden ist (duodecim sacratus stolis). M a n wird annehmen, daß er den Sonnengott auf seiner nächtlichen Fahrt durch die Unterwelt begleitet und in jeder der zwölf Stunden ein neues Gewand erhalten hat. 4 „ M a n hieß mich auf ein Podest treten, welches genau in der Mitte des Tempels vor dem Standbild der Göttin aufgebaut war; ich war weithin kenntlich in meinem linnenen, aber bunt bestickten Kleid. Von den Schultern hing über den Rücken bis zu den Knöcheln ein wertvoller Mantel. Wohin man auch blickte, war ich deutlich bezeichnet von Tierbildern, die in bunten Farben aufgestickt waren: Von der einen Seite indische Schlangen, von der anderen hyperboreische Greife, welche die andere Welt 5 nach der Art eines beflügelten Vogels hervorbringt. Dies nennen die Geweihten die olympische Stola. Aber in der rechten Hand hielt ich eine Fackel mit voller Flamme, und ein Kranz umfaßte schön mein Haupt; er war gebildet aus den Blättern einer weißen Palme, die wie Strahlen nach vorne standen. So war ich nach der Weise des Sonnengottes geschmückt und als Götterbild aufgestellt; dann wurden plötzlich die Vorhänge zurückgezogen, und die Menge hing an meinem Anblick. Danach feierte ich in sehr festlicher Weise meinen heiligen Geburtstag mit angenehm-süßer Mahlzeit und einem fröhlich-witzigen Trinkgelage." 6

* vidi Solern candido coruscantem

lumtne.

2

De deo Socratis 3 intellectum huius dei . . . rapidissimo coruscamine lumen candidum intermicare. Auf die fast gleichlautenden Ausdrücke h a t A. W l o s o k hingewiesen, Lactanz u n d die philosophische Gnosis (1960) 226 und 255, sowie Philol. 1 1 3 , 1 9 6 9 , 83/84 Anm. 3 Vgl. Symposion 2 1 0 E über den Aufstieg des Geistes zum Schönen: π ρ ο ς τέλος ή δ η Ιών τ ω ν ε ρ ω τ ι κ ώ ν εξαίφνης κ α τ ό ψ ε τ α ί τι θ α υ μ α σ τ ό ν τήν φ ύ σ ι ν καλόν. 4

M a n h a t auch erwogen, d a ß die zwölf G e w ä n d e r sich auf die zwölf Zodiacalzeichen beziehen. Die E r k l ä r u n g nach den zwölf N a c h t s t u n d e n ist wahrscheinlicher, weil sie an altägyptische Vorstellungen a n k n ü p f t ; vgl. E. H o r n u n g , Die N a c h t f a h r t der Sonne (1991), und n u n seinen Aufsatz „Altägyptische Wurzeln der Isismysterien" (Hommages à J. Leclant III, Études isiaques 1994, 2 8 7 - 2 9 3 ) . 5 6

Es ist wohl die Unterwelt gemeint.

In ipso aedis sacrae meditullio ante deae simulacrum constitutum tribunal ligneum iussus superstiti byssina quidem, sed floride depicta veste conspicuus. et umeris dependebat pone tergum talorum tenus pretiosa chlamyda. quaqua tarnen viseres, colore vario circumnotatis insignibar animalibus: hinc dracones Indici, inde grypes Hyperborei, quos in speciem pinnatae alitis generat mundus alter, hanc Olympiacam stolam sacrati nuncupant. at manu dextera gerebam flammis adultam facem et caput decore corona cinxerat palmae candidae foliis in modum radiorum prosistentibus. sie ad instar Solis exornato me et in

23 Die Einweihung des Lucius

295

Die exotischen Tiere auf dem Gewand des Lucius sollen Abbilder der gefährlichen Tiere sein, an denen er auf seinem Weg durch die zwölf Nachtstunden vorbeigegangen ist. Man kann sich eine Vorstellung von dem Festgewand machen nach der „Tunica von Saqqara" (Abb. 205/206). Lucius vertritt die am Morgen aufgehende Sonne, die aus der Unterwelt emportaucht; er ist gleichzeitig durch die Fackel in der rechten Hand als Harpokrates-Eros bezeichnet. Der Kranz hat immer als Zeichen des Mysten gegolten. 1 Die gemeinsame Mahlzeit gehörte zu diesem Einweihungs-Schauspiel. Erst wenn der neue Myste mit den anderen zusammen gegessen hatte, war er in die Gemeinschaft voll aufgenommen. Zweifellos wurde dabei Fleisch gegessen, und die Tiere, von welchen das Fleisch genommen war, sind vorher rituell geschlachtet, den Göttern „geopfert" worden. Es ist dann noch an einem weiteren, dritten Tag gefeiert worden.

Die Verehrung der Isis-Statue; das Dankgebet des Lucius (XI 24,5-26) § 521 Lucius bleibt noch einige Tage im Tempel und gibt sich der Kontemplation der IsisStatue hin: „Ich genoß unbeschreibliche Wonne in der Betrachtung des göttlichen Bildes." 2 Der Kult vor göttlichen Statuen war der zentrale Akt des täglichen Dienstes in den ägyptischen Tempeln. Hier geht er einher mit einer mystischen Versenkung in den Anblick der Göttin. Der ägyptische Priester Chairemon, der auch stoischer Philosoph war (s. § 432), hat dem Statuenkult einen philosophischen Sinn unterlegt: „Zum Platz ihres Philosophierens haben sie sich die Heiligtümer auserwählt; denn zu der sie ganz erfüllenden Begierde der Schau war es passend, bei den Götterbildern zu wohnen." 3 § 522 Schließlich mahnt die Göttin Lucius im Traum, daß es Zeit sei, nachhause zurückzukehren. Es fällt Lucius schwer, „die Taue der brennenden Sehnsucht zu kappen" 4 ; er nimmt Abschied mit einem inbrünstigen Dankesgebet: Provolutus denique ante conspectum deae et facie mea diu detersis vestigiis eius, lacrimis obortis, singultu crebro sermonem intercipiens5 et verba devorans aio: Tu quidem, sancta et bumani generis sospitatrix perpetua, vicem simulacri constitute, repente velis reductis, in aspectum populus haerebat (so Oudendorp; errabat die Hs.). exbinc festissimum celebravi natalem sacrum (so Rohde; sacrorum die Hs.), et suaves epulae et faceta convivía. 1 Vgl. Theon von Smyrna, De rebus mathematicis ad legendum Platonem utilibus p. 15 Hiller = 22 Dupuis τετάρτη (sc. τελετή), δ δή καΐ τέλος της έποπτείας, άνάδεσις και στεμμάτων έπιθεσις. In Byzanz gab es eine kaiserliche Zeremonie, die πρόκυψις, welche frappierende Ähnlichkeiten zu der bei Appuleius beschriebenen Szene aufweist, s. A. Heisenberg, Aus der Geschichte und Literatur der Palaiologenzeit (1920) 85-132; O. Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee (1938) 1 1 2 - 1 2 0 ; Ps. Kodinos, Traité des offices ed. J. Verpeaux (1966) 195-198. 2

Inexplicabili

voluptate simulacri divini

perfruebar.

3

Fr. 10 Van der Horst = Porphyrios, De abstinentia IV 6 (p. 236,14 Ν.) τόπον μέν έξελέξαντο (sc. οί Ιερείς) έμφιλοσοφήσαι τά 'ιερά· πρός τε γαρ την δλην ορεξιν της θεωρίας συγγενές ην παρά τοις εκείνων άφιδρΰμασι διαιτάσθαι. Die Stelle wird besprochen von H. D. Betz, Hellenismus und Urchristentum 117/8. 4

XI 24,6 abruptis ardentissimi

desiderii

retinaculis.

5 intercipiens Cornelissen, interficiens cod.

296

23 Die Einweihung des Lucius

semper fovendis mortalibus munifica, dulcem matris adfectionem miserorum casibus tribuís. nec dies nec quies ulla ac ne momentum quidem tenue tuis transcurrit beneficiis otiosum, quin mari terraque protegas homines et depulsis vitae procellis salutarem porrigas dexteram, qua fatorum etiam inextricabiliter contorta retractas lieta et Fortunae tempestates mitigas et stellarum noxios meatus cohibes. Te superi colunt, observant inferi, tu rotas orbem, luminas solem, regis mundum, calcas Tartarum. Tibi resplendent1 sidéra, redeunt tempora, gaudent numina, serviunt elementa. Tuo nutu spirant flamina, nutriunt nubila, germinant semina, crescunt germina. Tuam maiestatem perhorresunt aves cáelo meantes, ferae montibus errantes, serpentes solo labentes beluae ponto natantes. At ego referendis laudibus tuis exilis ingenio et adhibendis sacrificiis tenuis patrimonio; nec mihi vocis ubertas ad dicenda, quae de tua maiestate sentio, sufficit nec ora mille linguaeque totidem vel indefessi sermonis aeterna series. Ergo quod solum potest religiosus quidem, sed pauper alioquin, efficere curabo: divinos tuos vultus numenque sanctissimum intra pectoris mei secreta condttum perpetuo custodiens imaginabor. „Schließlich streckte ich mich vor dem Anblick der Göttin aus 3 und wischte (mit Küssen) lange ihre Füße ab; die Tränen stürzten hervor, 4 mit häufigem Schluchzen meine Worte unterbre1 resplendent Rohde, respondent schwerlich gemeint ist).

cod. (was sich auf den Gesang der Sphären beziehen würde, der hier

2 labentes Hildebrand, latentes cod. Es ist die zoologische Gattung der Reptilien (έρπετοή gemeint, neben Vögeln, Vierbeinern und Fischen. 3 Wie der Initiand in der Leidener Weltschöpfungszeremonie, s. § 340, und der Christ vor der Taufe (Augustin, De civitate dei XV 20 in cicilio prosternimur). 4

Gebetsweinen, s. § 481.

23 Die Einweihung des Lucius

297

chend und meine Worte verschluckend spreche ich so: Du, Heilige, stetige Retterin 1 des Menschengeschlechts, die du immer Gaben gibst, um den Menschen zu helfen, und die süße Liebe der Mutter den Unglücksfällen der armen Menschen zuwendest. Es gibt ja keinen Tag und keine (nächtliche) Ruhe, ja nicht einmal einen kurzen Augenblick, der vergeht, ohne daß du Wohltaten gibst, indem du die Menschen zu Wasser und zu Land schützest, die Stürme des Lebens abwehrst und ihnen die rettende Rechte reichst, mit der du auch die Fäden des Schicksals, die unentwirrbar verschlungen scheinen, wieder auflösest und die Stürme der Fortuna milderst und dem schädlichen Gang der Sterne Einhalt gebietest. Dich verehren die Himmelsgötter, dir dienen die Unterweltlichen, du drehst das Himmelsrund, verleihst der Sonne ihr Licht, regierst das Weltall, trittst nieder den Tartarus. Dein Licht werfen die Sterne zurück, dir kehren zurück die Jahreszeiten, an dir haben die Götter Freude, dir dienen die Elemente. 2 Durch deinen Willen wehen die Winde, nähren sich die Wolken, keimen die Samen, wachsen die Keime. Vor deiner Übermacht fürchten sich die am Himmel fliegenden Vögel, die auf den Bergen umherirrenden wilden Tiere,-5 die auf dem Boden kriechenden Schlangen, die Riesenfische, die im Meer schwimmen. Aber ich bin zu klein im Geist, um dir Dank zu erstatten, 4 und zu schwach an Vermögen, um dir Opfer zu bringen; auch fehlt mir die Fülle der Worte, um das zu sagen, was ich für deine übergewaltige Größe empfinde; auch habe ich nicht tausend Münder und ebensoviele Zungen noch eine ewige Reihe nie ermüdender Rede. So will ich versuchen, das zu tun, was ein frommer, aber armer Mann kann: Ich werde dein göttliches Antlitz und deine allerheiligste Gottheit auf ewig in der geheimen Stille meiner Brust verwahren und hüten und mir vorstellend in Erinnerung rufen." Nach diesem Gebet an die höchste Gottheit nimmt Lucius auch von dem Priester Mithras Abschied, der in geistlichem Sinn sein „Vater" (parens) geworden war. Vgl. § 319.

Lucius kehrt in seine Heimat zurück und reist nach Rom (XI 26,1) § 523 Nach langer Abwesenheit kehrt Lucius in seine Heimat zurück; aber schon nach wenigen Tagen packt er „auf den Antrieb der mächtigen Göttin" (deae potentis instinctu)5 seine Sachen wieder zusammen und fährt zu Schiff nach Rom. Wahrscheinlich hat dieser kurze Aufenthalt in der Heimat allegorischen Sinn: Als Lucius im Isistempel zu Korinth lebte, hatte er im Dienst der Göttin seine wahre, geistige Heimat gefunden; aber solange der Mensch auf der Erde lebt, muß er wieder ins Leben hinaus, kann nur wenige Tage im Tempel, in der Heimat bleiben. Die Worte deae potentis instinctu würden dann 1

sospitatrix

2

Es ist wieder fraglich, ob die vier Elemente gemeint sind oder die Sterne.

= σώτειρα. Vgl. § 117 und 170.

3 Auf dem Nilmosaik von Praeneste sind die wilden Tiere in den Bergen Äthiopiens abgebildet (Abb. 169-172). 4 Eine ganz ähnliche Redeweise findet sich in dem Enkomion aus Maroneia (S. E. G. 26, 821 = M. Totti, Texte Nr. 1 9 ) . . . πρός τό μέγεθος [της σης εύε]ργεσίας οί λόγοι των έπαίνων μή έλλίπωσιν. 5 Kaiser Constantin verkündet auf seinem Triumphbogen in Rom, daß er instinctu divinitatis habe (Dessau 694).

gesiegt

298

23 Die Einweihung des Lucius

bedeuten, daß Isis von ihren M y s t e n fordert, wieder ins bürgerliche Leben zurückzukehren und sich dort zu bewähren.

Lucius lebt ein Jahr in Rom; er wird aufgefordert, die Osirisweihe zu nehmen (XI 2 6 , 2 - 2 7 , 3 ) § 5 2 4 Lucius hat eine glückliche Reise zu Schiff; 1 er fährt unter dem Schutz der G ö t t i n , welche gute F a h r t ( ε ΰ π λ ο ι α ) gibt. Er landet im Portus Augusti und nimmt eine K u t s c h e nach R o m , w o er a m 1 2 . Dezember eintrifft. In R o m verrichtet er täglich sein G e b e t in dem T e m p e l der Isis Campensis (auf dem Marsfeld). Als ein J a h r vergangen ist, erscheint ihm die Göttin wieder im T r a u m 2 und m a h n t ihn an die W e i h e . Lucius meint, er sei v o l l k o m m e n eingeweiht, und fragt sich, was Isis ihm w o h l ankündige (quid pronuntiaret futurum). Er erfährt von den Eingeweihten, daß er zwar in die Z e r e m o nien der Isis, nicht a b e r in die des Osiris, des obersten der G ö t t e r , eingeweiht sei. 3 Z w a r gehörten Kult und Religion der Isis und des Osiris zusammen, bildeten ein einziges Ganzes; aber die W e i h e z e r e m o n i e (telete) sei verschieden; Lucius müsse aus dem T r a u m schließen, d a ß er aufgefordert sei, nun auch Diener des obersten Gottes zu werden.4

Der Doppeltraum vor der Osirisweihe (XI 2 7 , 4 - 9 ) § 5 2 5 In der nächsten N a c h t 5 hat Lucius ein neues Traumgesicht: „Ich erblickte einen der Eingeweihten im Leinenkleid; er b r a c h t e T h y r s o s s t ä b e und Efeu und einige Gegenstände, über die m a n schweigen muß, und legte diese an meinem H a u s a l t a r nieder. D a n n setzte er sich bei mir a u f einen Stuhl und kündigte an, d a ß ein M a h l der glänzenden Religion stattfinden werde. U m mir ein sicheres Zeichen zu geben, an welchem ich ihn erkennen k ö n n e , schritt er vorsichtig-freundlich in langsamem G a n g einher, wobei er den K n ö c h e l des linken Fußes ein wenig nach hinten b o g . " 6 Thyrsosstäbe und Efeu sind Abzeichen des Dionysos-Osiris, und die Gegenstände, über welche nicht g e s p r o c h e n werden darf, sind „ E r i n n e r u n g s z e i c h e n " ( m e m o r a c u l a ) , w e l c h e dem M y s t e n bei der Einweihung überreicht wurden. 7

1

XI 26,2 iutusque (so Wasse; tutusque die Handschrift) prospettiate ventorum

ferentium.

quietem meam rursus interpellât numinis benefici cura pervigilis. Während der Mensch schläft, wacht die Göttin. 2

3 XI 27,1 (me) magni dei deumque summi parentis invicti Osiris necdum sacris inlustratum. - inlustratus = φωτισθείς, vgl. XI 28,5 und 29,5. Die Christen benutzen das Wort für die Taufe.

^ prohinc me quoque peti magno etiam deo famulum sentire deberem. 5 Es ist die Nacht nach demjenigen Tag, an welchem sich das Eintreffen des Lucius in Rom jährt, die Nacht vom 12./13. Dezember. 6 vidi quendam de sacratis linteis iniectum, qui thyrsos et hederas et tacenda quaedam gerens ad ipsos meos lares collocaret et occupato sedili meo religionis amplae denuntiaret epulas. is ut agnitionem mihi scilicet certo aliquo sui signo subministraret, sinistri pedis talo paululum reflexo cunctabundo clementer (!) incedebat vestigio. 7

Vgl. S 324 und 506.

2 3 Die Einweihung des Lucius

299

Die Ankündigung im Traum, daß ein Festmahl stattfinden werde, bedeutet, daß Lucius im Auftrag des Osiris zu dem Festmahl eingeladen wird, welches nach der Initiation stattfinden wird. Auch zu der cline des Sarapis lud der Gott selber ein. Schließlich hinkt der Myste im Traum mit dem linken Fuß, und daran soll Lucius ihn erkennen. Dieses Hinken ist ein religiöses Zeichen. 1 „Bei so offenkundigem Willen der Götter war jedes Dunkel des Zweifeins beseitigt." 2 Lucius nimmt an der morgendlichen Begrüßung der Göttin im Tempel teil und sucht, ob sich unter den Isisdienern einer befinde, der so aussehe wie der im Traum Erschienene. Die Beglaubigung des Traums ließ nicht auf sich warten (nec fides afuit): Unter den Pastophoren 3 befand sich ein Mann, der hinkte und auch sonst genauso aussah wie der Mann im Traum. Er hieß Asinius Marcellus, trug also einen Namen, der zu der Verwandlung (reformatio = μεταμόρφωσις) des Lucius paßte. „Ich trat auf ihn zu; doch ihm war genau bekannt, was ich sagen wollte, denn auch er hatte schon eine ganz ähnliche Vorschrift erhalten, bei der Ausführung der heiligen Handlungen zu helfen. Denn er hatte in der vergangenen Nacht geträumt, daß er den großen Gott bekränzte; dabei hörte er aus dem Munde, der das Schicksal jedes Einzelnen festsetzt, ihm werde ein Mann aus Madaura 4 geschickt, der freilich recht arm sei; ihm solle er sofort die Weihen darreichen; denn durch des Gottes Vorsehung 5 werde jenem Ruhm wegen seiner Bildung, ihm selbst aber ein großer Vorteil bereitet." 6

Die Kosten der zweiten Weihe (XI 2 8 , 1 - 4 ) § 5 2 6 So war Lucius „den Weihen ausersehen" (desponsus sacris).7 Aber die Initiation war teuer, und durch die lange Reise durch die Welt (peregrinanoψ war sein ererbtes Vermögen aufgezehrt. So zögerte er, wurde aber durch immer neue Traumgesichte gedrängt. Schließlich erhielt er geradezu den Befehl, 9 sein Kleid zu verkaufen; „denn wenn du", so sagt die Stimme 1 Die nächste Parallele im Helios-Roman des Heliodor, wo dem Priester Kalasiris im Traum Odysseus erscheint, „gleichsam wie von einer Wunde den hinkenden Fuß nachschleifend". Odysseus hat die Schenkelwunde bei der Jagd auf einen Eber empfangen (Odyssee 1 9 , 3 9 3 ) ; Heliodor verweist auf die Schenkelwunde des Adonis. Das Hinken des Isis-Verehrers, der Lucius als Mystagoge in die Zeremonien des Osiris einweihen wird, deutet auf den Zusammenhang von Osiris und Adonis, s. Kap. 3. 2

sublata est ergo post tarn manifestant deum voluntatem ambiguitatis tota caligo.

3

Dem leitenden Gremium, s. X I 3 0 , 4 und § 2 3 1 .

Die Stelle, an welcher sich zeigt, daß der Lucius des Romans mit dem Autor Appuleius identisch ist. Zuletzt besprochen von R. Th. van der Paardt, Mnemosyne IV 3 4 ( 1 9 8 1 ) 9 6 - 1 0 6 . 4

5

Die Vorsehung untersteht Osiris ebenso wie Sarapis und Isis.

convent protinus eum sane nec ipsum futuri sermonis ignarum, quippe iam dudum consimili praecepto sacrorum ministrandorum commonefactum. nam sibi visus est quiete próxima, dum magno deo coronas exaptat, [et del. Luetjohann) de eius ore quo singulorum fata dictât, audisse mitti sibi Madaurensem, sed admodum pauperem, cui statim sua sacra deberet ministrare; nam et illi studiorum gloriam et ipsi grande compendium sua comparari Providentia. 6

7

Dies erinnert an die studia votiva (das Gelöbnis, Masken zu tragen) in X I 8,1.

® Das W o r t bedeutet später „Pilgerschaft", peregrinus, italienisch pellegrino, französisch pèlerin, deutsch Pilger, englisch pilgrim. Das Wort hat wohl schon bei Appuleius religiösen Unterton. 9

Von den Befehlen der Isis war schon in X I 2 1 , 5 (iussus) und 2 1 , 6 (iubente domina) die Rede.

300

2 3 Die Einweihung des Lucius

im Traum oder vielleicht auch im Wachtraum, „wenn du die Absicht hättest, 1 dir ein Vergnügen zu verschaffen, dann würdest du deinen Umhang wohl kaum schonen; jetzt, wo du Zugang zu so erhabenen Riten erhalten sollst, zögerst du, dich einer Armut hinzugeben, wegen deren du dich keineswegs schämen mußt?" So verkauft Lucius sein Kleid und bringt auf diese Weise die nötige Summe zusammen. Das Verkaufen des Kleides war vielleicht im Ritus vorgeschrieben: Das alte Kleid wird abgelegt, ein neues angezogen; der alte Mensch stirbt, ein neuer wird geboren.

Die Osirisweihe (XI 2 8 , 5 - 6 ) § 527 Die Osirisweihe wird ganz kurz beschrieben: „Ich begnügte mich wieder zehn Tage lang mit vegetarischer Speise und ließ mir außerdem den Kopf rasieren. So wurde ich in die nächtlichen Weihen des obersten Gottes eingeweiht. 2 Von nun an versah ich voller Vertrauen^ gehorsam den Dienst der wahren Religion. Dies teilte meiner (langen) Pilgerfahrt (durch das Leben) den schönsten Trost zu." 4 Lucius berichtet weiter, daß er den Beruf eines Rechtsanwalts ausgeübt und dabei „durch den Geist des günstigen Erfolgs" (spiritu faventis Eventus) gut verdient habe.·5 Die ägyptischen Götter waren nicht nur für die Seelen und das Jenseits zuständig, sondern brachten auch Erfolg im Leben. Es liegt auf der Hand, daß die Isis-Anhänger - und deren waren inzwischen viele sich bei Rechtsstreitigkeiten am liebsten von einem der Ihren vertreten ließen.

Die Osirisweihe in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember § 528 Appuleius, der für das Fest des navigium Isidis ein Datum gibt (den Frühlingsvollmond), hat noch ein weiteres Datum in seinem Buch genannt, die Ankunft des Lucius in Rom am 12. Dezember. 6 Er hat damit dem aufmerksamen Leser die Möglichkeit gegeben nachzurechnen, an welchem Tag die Osirisweihe stattgefunden hat. Lucius sagt bald darauf, daß seit seiner Ankunft in Rom ein volles Jahr vergangen sei 7 und daß er nun erneut von der Weihe geträumt habe. Der Traum fällt also in die Nacht vom 12. auf den 13. Dezember. Im Tempel erfährt Lucius, daß es außer der Isisweihe auch eine Osirisweihe gibt, und träumt in der folgenden Nacht (13./14. Dezember) von dem hinkenden Mysten Asinius Marcellus. Noch fehlt ihm freilich das nötige Geld. Da wird er in der folgenden Nacht 1

moliris

2

inlustratus = φωτισθείς.

van der Vliet.

^ fiducia entspricht etwa der πίστις. decern rursus diebus inantmis contentus cibis, insuper etiam deraso capite, principalis dei nocturnis orgiis inlustratus, piena iam fiducia germanae religionis obsequium divinum frequentabam. quae res summum peregrinationi meae tribuebat solacium. 4

5 M a n kann aus dem „Hymnus" des Aelius Aristides auf Sarapis den Satz vergleichen την . . . περισπούδαστον άνθρώποις χρημάτων κτήσιν, καί ταύτην Σάραπις δίδωσιν (or. 4 5 , 1 8 p. 3 5 8 , 8 Keil) „den Gelderwerb, um den die Menschen sich so sehr mühen, auch ihn gibt Sarapis". 6 X I 2 6 , 2 vespera . . . quam dies insequebatur accedo. 7

Iduum

Decembrium,

X I 2 6 , 4 et ecce transcurso signifero circulo Sol magnus annum

sacrosanctam

compleverat.

istam

civitatem

2 3 Die Einweihung des Lucius

301

( 1 4 . / 1 5 . Dezember) mehrfach (saepiculeJ 1 ermahnt und erhält den Befehl (iussus), sein Kleid zu verkaufen. Er tut dies sofort, n a c h unserer R e c h n u n g a m 1 5 . D e z e m b e r , und fastet nun 1 0 T a g e , v o m 1 5 . bis zum 2 4 . D e z e m b e r . D a n n findet die nächtliche Osirisweihe statt, in der N a c h t v o m 2 4 . a u f den 2 5 . Dezember. D a ß die Isis-Verehrer am 2 5 . Dezember ein großes Fest, die K i k e l l i a , gefeiert h a b e n , wissen wir aus Epiphanios. Im Z u s a m m e n h a n g einer Erörterung des Tages der G e b u r t Christi k o m m t er auf den T a g der W i n t e r s o n n e n w e n d e und der „Vermehrung des L i c h t s " 2 zu sprechen und sagt: „Diesen T a g feiern die Hellenen (= die Heiden) a m 8. T a g vor den Kaienden des J a n u a r (= 2 5 . Dezember), a n dem T a g , der bei den R ö m e r n .Saturnalia' heißt, bei den Ägyptern , K r o n i a ' , in Alexandria . K i k e l l i a ' . " 3 Die Kikellia k o m m e n in den uns bekannten T e x t e n nur n o c h einmal vor, in der griechischen Fassung des K a n o p o s d e k r e t e s , welches am 2 9 . C h o i a c h des J a h r e s 2 3 8 v. C h r . beschlossen w o r d e n ist. 4 In der demotischen Fassung steht „Isis-Riten" statt „ K i k e l l i a " . D a im alexandrinischen Kalender der Kaiserzeit der 2 9 . C h o i a c h auf den 2 5 . D e z e m b e r fiel, ist a n der Identität des kaiserzeitlichen mit dem ptolemäischen Fest k a u m zu zweifeln. 5 In ptolemäischer Z e i t wurde der Z e i t p u n k t der Kikellia nach dem ägyptischen W a n d e l j a h r berechnet, welches alle 4 J a h r e einen T a g verlor. So fiel dieses Isisfest im J a h r 2 3 8 a u f den 1 7 . F e b r u a r des julianischen J a h r e s . I m J a h r 3 0 v. Chr., als Augustus Ägypten eroberte, fiel der 2 9 . C h o i a c h a u f den 2 5 . Dezember. Augustus hat das ägyptische J a h r fixieren lassen, indem alle 4 J a h r e ein Schalttag hinzugefügt wurde. Die Kikellia wurden jetzt am 2 5 . D e z e m b e r gefeiert.

Die dritte Weihe (XI 2 9 - 3 0 ) § 5 2 9 N a c h ganz kurzer Z e i t (post pauculum tempus) wird Lucius durch w u n d e r b a r e T r a u m b e f e h l e der G ö t t e r erneut aufgestört und „ g e z w u n g e n " , sich einer dritten W e i h e zu unterziehen. 6 Er fragt sich, w o r a u f diese neue, unerhörte Absicht der G ö t t e r ziele, 7 was denn a n der bereits wiederholten W e i h e 8 n o c h fehlen könne? Er b e k o m m t sogar Z w e i f e l a n der R e d lichkeit 9 der beiden Priester, die ihn vielleicht nicht vollständig geweiht hätten. Seine Zweifel

1 Ich nehme an, daß Lucius in dieser Nacht mehrfach träumt. Es kommt ja vor, daß derselbe T r a u m insistierend wiederkommt. 2

W e n n die Tage länger werden.

Panarion haer. 5 1 , 2 2 (II p. 2 8 4 , 1 0 - 1 3 ) ταύτην δέ την ήμέραν έορτάζουσιν "Ελληνες, φημί δέ ol είδωλολάτραι, τήι προ οκτώ Καλανδών 'Ιανουαρίων, τηι παρά 'Ρωμαίοις καλουμένηι Σατουρνάλια, παρ' Αίγυπτίοις δέ Κρόνια, παρ' Άλεξανδρεΰσι δέ Κικέλλια. Vgl. § 3 5 5 . 3

4

Ο . G. I. 5 6 .

Ich habe diese Berechnung in Aegyptus 4 9 , 1 9 6 9 , 8 9 - 9 1 vorgetragen („Das Osiris-Fest des 2 4 . / 2 5 . Dezember in R o m " ) . Für die Kikellia s. „Isisfeste" S. 3 7 - 3 8 . 5

6 inopinatis sustinere. 7

quorsus

et usquequaque

nova haec et inaudita se caelestium porrigeret

8 traditio = παράδοσις. 9

mirificis impertís deum rursus interpeller

fides = πίστις.

intentio.

et cogor tertiam quoque

teletam

302

23 Die Einweihung des Lucius

werden durch einen neuen T r a u m zerstreut. Ein freundliches T r a u m b i l d belehrt ihn in nächtlicher Weissagung: 1 „ D u solltest nicht erschrecken 2 über die Z a h l der religiösen Z e r e m o n i e n , als o b früher etwas unterlassen sei. Nein, sei fröhlich und freue dich^ über diese häufige G n a d e 4 der Gottheiten und f r o h l o c k e vielmehr darüber, daß du dreimal erfahren w i r s t , 5 was einem anderen k a u m einmal gegeben wird, und halte dich wegen dieser Z a h l für auf immer glücklich. Übrigens ist die jetzt k o m m e n d e Einhändigung der heiligen Gegenstände^ sogar sehr nötig; überlege doch wenigstens jetzt, d a ß die Kleider der G ö t t i n , welche du in der Provinz erhalten hast, dort im Heiligtum verwahrt werden, und daß du in R o m weder an den Festtagen in ihnen beten n o c h - wenn dies angeordnet werden sollte - mit jenem glücklich machenden M a n t e l e i n g e w e i h t 7 werden kannst. Lasse dich also f r o h e n M u t e s 8 a u f G e h e i ß der g r o ß e n G ö t t e r in die heiligen H a n d l u n g e n einweihen. Es wird für dich günstig und glückbringend und heilbringend 9 sein. S o v e r k ü n d e t e 1 0 die beredte M a j e s t ä t 1 1 des göttlichen T r a u m e s , was nötig s e i . " 1 2 § 5 3 0 Lucius meldet seinen T r a u m sogleich dem Priester und beginnt mit den V o r b e r e i t u n gen zu der dritten Initiation. Er gelobt, diesesmal nicht nur - wie üblich - zehn T a g e enthaltsam zu leben, sondern mehrere D e k a d e n , und besorgt reichlich, was für die W e i h e nötig ist. V o r den Ausgaben scheut er nicht mehr zurück, da er als R e c h t s a n w a l t schon so gut verdient, d a ß die Neider negative Reden über ihn ausstreuen. Bald danach erscheint Osiris ihm nochmals im T r a u m . Er wird als der alleroberste der G ö t t e r bezeichnet; Appuleius folgt seinem Meister Plutarch, für den Osiris mit dem obersten Prinzip, der platonischen Idee des Guten, identisch war:

1

sie instruxit nocturna divinatione clemens (!) imago.

2

nihil est, quod . . . terreare = μή φοβηθηις.

3 laetus capesse gaudium ist etwa εϋθύμει. 4

dignatio = άξίωσις.

5

ter futurus etc.: Es wird auf den Ausruf ώ τρισόλβιοι, angespielt, s. § 510.

6 Die sacra sind hier die heiligen Gegenstände (memoracula), welche zum Zeichen der Initiation übergeben werden, s. § 324. Man sieht, wie das Wort traditio zu der Bedeutung „Weihe" kam. 7

illustrari = φωτίζεσθαι.

8

animo gaudiali = εύιίΚιμεί.

9

Drei Adjektive des Glücks und Heils.

10

pronuntiavit·. Der Traum ist der Sprecher (προφήτης) der Götter.

Mit maiestas wird eine überwältigende Macht, sozusagen der substantivierte Komparativ, bezeichnet, die Macht, der sich jeder ohne Murren zu beugen hat. 11

12 Nihil est, inquit, quod numerosa serie religionis, quasi quiequam sit prius omissum, terreare, quin adsidua numinum ista dignatione laetus capesse gaudium et potius exulta ter futurus, quod alii vel semel ν ix conceditur, teque de isto numero merito praesume semper beatum. ceterum futura tibi sacrorum traditio pernecessaria est, si tecum nunc saltern reputaveris exuvias deae, quas in provincia sumpsisti, in eodem fano depositas perseverare nec te Romae diebus sollemnibus vel supplicare iis vel, cum praeeeptum fuerit, felici ilio amictu illustrari posse, quod felix itaque ac faustum salutareque tibi sit, animo gaudiali rursum sacris initiare deis magnis auetoribus. Hactenus divini somnii suada maiestas, quod usus foret, pronuntiavit.

23 Die Einweihung des Lucius

303

Deus deum magnorum potior et potiorum summus et summorum maximus et maximorum regnator Osiris non in alienam quampiam personam reformatus, sed coram suo ilio venerando me dignatus adfamine per quietem recipere visus est. „ D e r G o t t , der mächtiger ist als die großen G ö t t e r und unter den M ä c h t i g e r e n der O b e r s t e und unter den O b e r s t e n der G r ö ß t e , Osiris, erschien mir, nicht in eine andere Gestalt verwandelt, 1 sondern von Angesicht zu Angesicht mich seiner verehrungswürdigen Anrede würdigend 2 und gab mir im Schlaf A n w e i s u n g . " Hier wird eine Götterhierarchie aufgebaut, die fast neuplatonisch ist. Aber schon in altägyptischen T e x t e n finden sich ähnliche Redefiguren. 3 Lucius soll sich nicht von den Redereien der Neider einschüchtern lassen 4 : Ac ne sacris

gregi cetero permixtus deservirem,

in collegium pastophorum

suis

suorum, immo inter ipsos

decurionum quinquennales adlegit. „Und auf daß ich nicht bei seinen heiligen H a n d l u n g e n den Dienst als einer tun müsse, der unter die gewöhnliche M e n g e gemischt ist, hat er (Osiris) mich a u f g e n o m m e n in das Collegium seiner P a s t o p h o r e n , ja sogar unter diejenigen O b e r b e a m t e n , welche im fünften J a h r gewählt w e r d e n . " Lucius wird in das oberste G r e m i u m , welches die Gemeinde der Isis- und Sarapis-Diener in R o m leitete, a u f g e n o m m e n ; 5 Osiris selbst hat ihn ausgewählt (adlegit)ß Im letzten Satz des R o m a n s wird dann gesagt, daß die Einweihung stattgefunden hat:

Rursus denique quaqua raso capillo collegii vetustissimi et sub Ulis Syllae temporibus conditi munta non obumbrato vel obtecto calvitio, sed quoquo versus obvio, gaudens obibam. „Ich ließ mir also wieder alle H a a r e scheren und vollführte voller Freude die A u f g a b e n in j e n e m ehrwürdig-alten, in der Zeit des S u l l a 7 selbst gegründeten Collegium, wobei ich meine T o n s u r nicht verhüllte oder bedeckte, sondern jedem vorwies, der mir begegnete."

= μεταμορφωθείς.

1

reformatus

2

dignatus = άξιώσας.

3 Beispiele: J. Assmann, Hymnen Nr. 40 (S. 144/5) „Schöpfer der Götter . . . Oberster der Götter . . . der größer ist als die Götter". Nr. 101,15 (S. 235) „Gott der Götter, Höchster der beiden Länder, Einer Erlauchter, der die Götter gebar". Nr. 112,7 (S. 252) „Vater der Väter, Herrscher der Herrscher . . . Herr des Himmels". Nr. 131,27 (S. 309) „Größter der Großen, Gewaltigster der Gewaltigen, Großer, der älter ist als die Götter". 4

nec extimescerem

= μή φοβηθηις.

Die Lateiner benutzen das Wort decurio für jede Art leitender Funktionen, beim Militär, in der Stadtverwaltung, in Vereinen. In den Stadtverwaltungen waren die quinquennales decurionum die wichtigsten unter den Decurionen. Diese Rangordnung ist unter den Isis-Anhängern imitiert worden. - Eine Inschrift aus dem Isistempel von Pompei nennt diese decuriones (Vidman 482 = Dessau 6367). 5

^ adlegit ist ein offizielles Wort des römischen Staates. 7

Unter Sulla wurde der Kult der Isis Capitolina in Rom eingerichtet, s. § 239.

2 4 Kurzer historischer Rückblick: 5 0 0 Jahre ägyptischen Kultes bei Griechen und Römern σέβου τό θείον, ·&ΰε πασι τοις θεοΐς, έφ' εκαστον ιερόν έπιπορεΰου προσκυνών, ήγοϋ μάλιστα τους πατρώους και σέβου Τ Ισιν Σάραπιν τους μέγιστους των θεών σωτήρας αγαθούς ευμενείς εύεργέτας. Verehre das Göttliche, opfere allen Göttern, trete an jedes Heiligtum verehrend heran, halte am höchsten die heimischen und verehre Isis und Sarapis, die größten der Götter, als Retter, Gute, Wohlgesinnte und Wohltäter. Sansnos (E. Bernand, Inscr. métr. 1 6 5 ) " § 5 3 1 Wir haben die Religion von Isis und Sarapis und ihre Zeugnisse in der Literatur bis in die M i t t e des dritten nachchristlichen Jahrhunderts verfolgt und halten hier inne. Die Zeit zwischen 2 3 5 und 2 8 4 n. Chr. bedeutet in der Geschichte des römischen Reiches einen tiefen Einschnitt. 1 Das kluge System der Herrschaft durch Teilung der Befugnisse zwischen dem (stärkeren) „Princeps" und dem Senat, aus dem sich die herrschende Schicht rekrutierte, bricht zusammen. Rauhe Generale, einige von bedeutendem Format, werden Herren des Reiches. Auf ihre Kriege gegeneinander wird ebensoviel Energie verwendet wie auf die Verteidigung der Grenzen. Nicht mehr die Senatoren sind die staatstragende Schicht, sondern die Frontoffiziere. Der Kaiser residiert nicht mehr in R o m , sondern in wechselnden Feldlagern/Städten nahe den gefährdeten Grenzen. Das Geld wird entwertet, man geht über zum Handel mit Naturalien. Nur wenige Menschen haben noch Zeit zum Studium der schönen Künste, der Rhetorik, der Literatur. Es gibt für die Zeit der Soldatenkaiser kaum historische Überlieferung. 2 Z u r Bezahlung von Malern und Bildhauern ist kein Geld mehr da, die künstlerische Tradition bricht ab; später wird ein neuer Kunststil entwickelt, der schon auf das Mittelalter vorausweist. Als * Inschrift aus dem Tempel von Talmis (Kalabscha). Sansnos ist sonst unbekannt. Im J a h r 2 3 5 stürzt Maximinus T h r a x , der erste der Soldatenkaiser, den letzten Herrscher aus der severischen Dynastie (Alexander Severus). Im Jahr 2 8 4 übernimmt Diocletian die Herrschaft. 1

2 Cassius Dio endet mit dem Jahr 2 2 9 , Herodian mit dem T o d des M a x i m i n u s T h r a x ( 2 3 8 ) . Für die weitere Zeit bis 2 8 4 haben wir nur die Historia Augusta, lückenhaft und von beschränktem W e r t , und spätere kurze Zusammenfassungen (Eutrop, Aurelius Victor, Epitome de Caesaribus). N o c h für Diocletian ( 2 8 4 - 3 0 5 ) ist kein zusammenhängendes, erzählendes Geschichtswerk erhalten. - M a n hatte auch kaum Geld, um Inschriften zu bezahlen, so daß uns auch diese Quellen nur in sehr beschränktem Umfang zur Verfügung stehen.

306

2 4 Kurzer historischer Rückblick: 5 0 0 Jahre ägyptischen Kultes

Diocletian ( 2 8 4 - 3 0 5 ) das Imperium R o m a n u m wieder konsolidiert, ist nichts mehr, wie es jahrhundertelang gewesen war. Das gilt auch für die Religionen. Welche Entwicklungen sich von 2 3 5 - 2 8 4 vollzogen haben, ist uns kaum kenntlich. 1 M i t Constantin ( 3 0 6 - 3 3 7 ) beginnt für das antike Heidentum bereits das Ende. Wir resümieren kurz die Entwicklung, welche sich vom Beginn der Ptolemäerherrschaft bis Diocletian vollzogen hat. § 5 3 2 Als die griechischen Siedler in der Zeit Alexanders und des ersten Ptolemaios nach Ägypten kamen, haben sie die Götter des Landes in der ihnen selbstverständlichen Weise von ihren griechischen Vorstellungen her interpretiert, und das ist recht lange so geblieben. Die Selbstoffenbarung der Isis (Kap. 9) ist aus den Vorstellungen zu verstehen, welche die Griechen aus ihrer Heimat mitgebracht hatten. Der T e x t ist das Zeugnis eines frommen, aber nüchternen und praktischen Sinnes. Isis als Bringerin der Kultur und als gütige Mutter hat rasch die Herzen der Griechen gewonnen. Etwas anders steht es mit der neuen Allgottheit, Sarapis. Er war zwar nach dem Bild des griechischen Zeus gestaltet, hat aber auch wichtige Züge des traditionellen ägyptischen Weltgottes in sich aufgenommen, der schon in der Zeit der Ramessiden in Hymnen gepriesen wird. 2 Freilich, seiner Verbreitung in Ägypten stand im Wege, daß er deutlich ein Grieche war; seiner Verbreitung in Griechenland und Kleinasien aber, daß er auch ein politischer Gott war, der Exponent der ptolemäischen Dynastie. M i t dem Sturz der ptolemäischen Dynastie fiel die politische Komponente weg. N u n ist Sarapis als Sonnen- und Allgott im ganzen Mittelmeerraum verehrt worden. Z u dieser Entwicklung dürfte beigetragen haben, daß der Name des Zeus inzwischen dem Planeten verliehen worden war, den auch wir noch Jupiter nennen, und daß dieser „ Z e u s " - der nach festgelegten Regeln die Erde umkreist - nur noch ein Gott von beschränkter Bedeutung und gemindertem Ansehen sein konnte. Sarapis war mehr als Zeus. Der unpolitische Charakter der kaiserzeitlichen Isis- und Sarapis-Religion hat mit sich gebracht, daß die Teilnahme am ägyptischen Kult auf der freien Wahl des einzelnen beruhte, anders als in ägyptischer Zeit. Es hat sich - wie auch beim Christentum - weitgehend um eine Religion von Individualisten gehandelt. Der junge Sonnengott Harpokrates, Sohn der Isis und des Sarapis, ist mit den Griechen Apollon und Eros geglichen worden und zu großer Beliebtheit gelangt. Terrakottafiguren, die ihn darstellen, sind viel häufiger als Figuren von Sarapis und Isis. In den magisch-religiösen Papyri sind viele Hymnen und Gebete erhalten, die in seinem Kult vorgetragen worden sind. § 5 3 3 Für die Ägypter war der griechische Lebensstil zunächst so neu und überlegen, daß sie ihn - soweit sie unter Griechen lebten - anzunehmen versucht haben. Es hat einige Zeit gedauert, bis sie sich selbst aktiv mit den neuen Vorstellungen auseinandersetzten. Im zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr. ist dies dann geschehen. Die ägyptischen Priester haben - Hero-

1 Für den Isiskult ist der ravennatische Sarkophag Abb. 2 2 0 - 2 2 2 zu erwähnen, der von den Kunsthistorikern um 2 7 0 n. Chr. datiert wird und beweist, daß die platonisierende Deutung der Isisreligion noch lebendig war. 2

Dargestellt von J . Assmann, Re und Amun ( 1 9 8 3 ) .

24 Kurzer historischer Rückblick: 500 Jahre ägyptischen Kultes

307

dot folgend - nach und nach fast alle zivilisatorischen Errungenschaften der Griechen und sogar auch ihre Mythologie auf ägyptische Ursprünge zurückgeführt. Dieses Umdeuten der Mythen ist durch Chairemon von Alexandria in größerem M a ß erfolgt. Er war ägyptischer Priester und gleichzeitig stoischer Philosoph und hat die allegorische Deutung griechischer Mythen durch die Stoiker auch auf die ägyptischen Mythen und Riten angewendet. Damit eröffnete sich ein weites Feld für Spekulationen. Auch ein anderes Thema der stoischen Philosophie ist von den Griechen aufgegriffen worden, die in Alexandria lebten: Die Vorstellung, daß unser Weltall ein geordneter Kosmos sei und daß zwischen seinen Teilen „Sympathie" bestehe. M a n hat ferner in Ägypten nach und nach eine Theosophie des Hermes Trismegistos entwickelt, die nur noch teilweise mit dem Kult von Isis und Sarapis zusammenhängt. § 534 Eine andere Entwicklungslinie ging von den Aretalogien aus, den Berichten über die wunderbaren Taten und Krankenheilungen durch Isis und Sarapis. Sie wurden mündlich in den Inkubationsheiligtümern von den Aretalogen weitergegeben, und in den Tempelbibliotheken gab es Bücher mit langen Berichten über diese Mirakel. Nicht selten hat man auch Krankheiten als Strafe für Verfehlungen aufgefaßt; dann wurde berichtet über die Folge von Sünde, Bekenntnis, Buße und unverhoffter Heilung. Wer die Hilfe der Götter erfahren hatte, in einer Krankheit oder einer anderen gefährlichen Lage, bezeugte seine Dankbarkeit, indem er seine Geschichte aufschrieb. Das hat oft bedeutet, daß er seine Sünden gebeichtet hat. Wir werden im zweiten Teil sehen, daß die literarische Gattung des Romans in beträchtlichem M a ß aus den Aretalogien im Dienst des Sarapis und der Isis abzuleiten ist. § 535 In den Einweihungszeremonien des Isis- und Sarapiskultes sind Teile des Göttermythos nachgespielt worden. Alexandria war eine reiche Stadt, gerade auch unter den Römern, und man konnte sich aufwendige Zeremonien leisten. In der Leidener Kosmogonie und der Pariser Unsterblichkeitsliturgie (Kap. 14) sind uns solche Initiationsspiele erhalten. Ähnliche Zeremonien dürfte es auch in anderen Städten gegeben haben. Die bei Appuleius geschilderte Einweihung des Lucius geschah in einer ganzen Folge theatralischer Szenen. § 536 Den kulturellen Höhepunkt der griechisch-ägyptischen Religion bildet die platonisierende Deutung der Mythen und Riten, wie sie von Plutarch vorgeschlagen und von Appuleius durchgeführt worden ist. Von dem nüchternen Geist der „Selbstoffenbarung" ist man allerdings weit entfernt. Der Isiskult weckte tiefe religiöse Emotionen. In den Mythen und Bildern von Isis und Harpokrates waren Liebe und Fürsorge der Mutter und Geborgenheit des Kindes dargestellt. Sexualität war Bestandteil der Isisreligion; Isis war mit der Griechin Aphrodite identisch. Ausgelassene Fröhlichkeit gehörte zum Dienst der Göttin; aber auch in schweren Lagen gewährte sie Trost: Die osirianischen Trauerfeiern endeten mit der Hoffnung auf ein besseres Jenseits. Isis schützte Witwen und Waisen, war Göttin der Gerechtigkeit und stand über dem Fatum. Im Sarapis- und Isiskult fand auch die Lehre Platz, daß es nur EINEN Gott gebe: Sowohl Sarapis als auch Isis sind als Universalgottheiten aufgefaßt worden. Aber zu einem vollen Monotheismus konnte es nicht kommen, solange man die beiden Götter nebeneinander verehrte.

25

Regression

vana gentilium superstitio der leere Aberglaube der Heiden Kaiser Theodosius bei Rufin, Hist, eccles. X I 2 2

Griechisch-ägyptischer Kult und Christentum § 5 3 7 Im zweiten und dritten Jahrhundert n. Chr. war das Christentum auch in den Augen der „Hellenen" zu einer geistigen M a c h t geworden. Clemens von Alexandria (um 2 0 0 ) und Horigenes ( 1 8 3 - 2 5 3 ) , Tertullian (etwa 1 6 0 - 2 2 0 ) und Cyprian von Karthago (etwa 2 0 5 - 2 5 8 ) sind bedeutende Autoren. Ähnliche Köpfe hat es unter den Isis- und Sarapis-Anhängern nicht gegeben. Dabei hätte es nahegelegen, die platonisierende Interpretation des ägyptischen Kultes fortzusetzen und den von Plutarch skizzierten philosophischen Unterbau zu durchdenken und auszugestalten; Clemens und Horigenes haben dies für das Christentum in glänzender Weise geleistet. Aber die feste Anbindung von Isis und Sarapis an ihre Heimat Ägypten hat dies wohl unmöglich gemacht. Für die Christen war es ein Vorteil, daß sie nicht mehr an Judaea, das Herkunftsland ihrer Religion, gebunden waren. Jerusalem war zerstört und von Hadrian als Aelia Capitolina, als nichtjüdische Stadt, wieder aufgebaut. Die Christen, die als jüdische Sekte begonnen hatten, haben das Band durchschnitten, welches ihre Gemeinden früher mit Jerusalem verbunden hatte; sie haben sich als ein „neues V o l k " verstanden. 1 Sie mußten keine Rücksicht mehr nehmen auf die vielen detaillierten Gebote der mosaischen Religion, die nicht in den Rahmen des Imperium R o m a n u m paßten; die christlichen Priester waren in keine Levitenkaste eingebunden. § 5 3 8 Ganz anders die Anhänger der ägyptischen Götter. In Ägypten gab es überall Tempel mit einem Personal, das sich aus den Bauern der Umgebung rekrutierte - Analphabeten, die das späte Ägyptisch sprachen, welches wir „Koptisch" nennen, und über ihnen einige Priester, die Hieroglyphen erlernt hatten und darauf stolz waren. Sie versenkten sich liebevoll in die Feinheiten ihrer Bilderschrift. M i t Hilfe der Hieroglyphen konnte man sinnvolle Aussagen hervorbrin-

1 Dies mag zur Zeit des Vespasian (großer jüdischer Krieg), Trajan und Hadrian (jüdische Aufstände) um des schieren Überlebens willen geschehen sein und einen Abfall von der Tradition der Väter bedeutet haben. Jedenfalls war das Abbrechen des Zusammenhangs mit dem Judentum Voraussetzung für den Erfolg der christlichen Mission unter den „Heiden".

2 5 Regression

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gen, in welchen mehrere Deutungen kombiniert waren. 1 Aber das blieb das Vergnügen einiger Mandarine; diese ägyptischen Priester des zweiten bis vierten nachchristlichen Jahrhunderts haben sich von der Welt, die sie umgab, abgekapselt, und auf die Probleme der zu ihrer Zeit lebenden Menschen konnten sie keine Antworten geben. Wie ganz anders die Christen, die ihre Schriften in die koptische Sprache übersetzten; um ihre heiligen Bücher zu lesen, benötigte man nicht mehr als 2 9 Buchstaben; um hieroglyphische Schrift zu lesen, mußte man tausend Zeichen erlernen! Zwischen den resoluten christlichen Neuerern und den sich in die Hieroglyphen vertiefenden ägyptischen Priestern standen die Anhänger von Isis und Sarapis in Alexandria, Athen und Rom. Aber sie waren nicht in derselben Weise geistig unabhängig von den ägyptischen Traditionen wie die Christen von den jüdischen Uberlieferungen. N o c h im Sarapeum zu R o m hat man heilige Krokodile gefüttert (Abb. 2 0 1 - 2 0 4 ) . Um in der sie umgebenden Welt zu bestehen, hätten die ägyptischen Priester in R o m , Alexandria, Mittel- und Oberägypten griechische Philosophie lernen müssen, wie die Christen das getan haben. Die Ägypter haben sich dagegen gesträubt, und wir besitzen in der Einleitung zu einer Schrift des Hermes Trismegistos ein Dokument der Realitätsverweigerung, wie man es sich kaum krasser vorstellen kann.

Hermes Trismegistos über die Wirkungsmacht der ägyptischen Sprache § 5 3 9 Der Verfasser läßt Hermes zu Asklepios sprechen: „ W e r meine Bücher lesen wird, der wird sehen, daß die Darstellung einfach und klar ist; aber auch ganz das Gegenteil, unklar und so, daß der Sinn versteckt ist, dann nämlich, wenn die Griechen später versuchen werden, unsere (ägyptische) Sprache in die ihre zu übersetzen - was die größte Verdrehung und eine Verdunkelung des Sinns des Geschriebenen bedeuten wird. W e n n meine Rede in unserer, von den Vätern überkommenen Sprache übermittelt wird, dann ist der Sinn der Worte klar. Die charakteristische Art der Aussprache und die M a c h t der ägyptischen Wörter und Namen enthält schon in sich, daß die Rede wirkungsmächtig ist. Darum lasse, soweit dies möglich ist, diese Rede unübersetzt, damit diese (meine) Eröffnungen nicht zu den Griechen gelangen, denn sonst wird die hochmütige Ausdrucksweise der Griechen, die alle Kraft verloren hat und sozusagen geschminkt ist, die Würde und Festigkeit und die wirkende Kraft meiner Wörter und Namen vernichten; denn die Griechen haben nur leere W ö r t e r , die keinen Beweis für ihre Wirkungsmacht erbringen können; die Philosophie der Griechen ist nichts als ein Geräusch von Worten. Wir aber gebrauchen nicht (leere) W o r t e , sondern Stimmen, welche voll von wirkender M a c h t s i n d . " 2 1 Unter den Ägyptologen unserer Generation haben sich Serge Sauneron und Philippe Derchain durch kluge Deutungen später hieroglyphischer Texte ausgezeichnet. 2 Corp. Herrn. X V I 1 - 3 δόξει τοις έντυγχάνουσί μου τοις βιβλίοις απλούστατη είναι ή σύνταξις και σαφής, έκ δέ των εναντίων άσαφής ούσα και κεκρυμμένον τον νουν των λόγων έχουσα, και ετι άσαφεστάτη, των Ε λ λ ή ν ω ν ύστερον βουληθέντων την ήμετέραν διάλεκτον εις την 'ιδίαν μεθερμηνεϋσαι, όπερ εσται των γεγραμμένων μεγίστη διαστροφή τε και άσάφεια. ó δέ λόγος τήι πατρώαι διαλέκτωι έρμηνευόμενος εχει σαφή τον των λόγων v o i ν και γάρ αυτό το της φωνής π ο ώ ν και ή των Αιγυπτίων (δύναμις) ονομάτων έν έαυτήι εχει τήν ένέργειαν των λεγομένων, οσον ούν δυνατόν έστί σοι . . . τον λόγον διατήρησον άνερμήνευτον, ϊνα μήτε εις "Ελληνας ελθηι τοιαύτα μυστήρια μήτε ή των Ε λ λ ή ν ω ν

3 1 0 25 Regression

Aber diese Schrift ist nicht etwa aus dem Ägyptischen übersetzt, sondern von vorneherein in griechischer Sprache abgefaßt. Die nachfolgenden Ausführungen sind voll von Reminiszenzen an die griechische Philosophie, besonders an den „Timaios" und die Stoiker. In ägyptischer Sprache hätte der ganze Traktat niemals abgefaßt werden können. Der Autor dieser Abhandlung muß an der Überlegenheit der griechischen Sprache und Philosophie gelitten haben, und dies hat vermutlich für die meisten Ägypter gegolten.

Vertrauen auf die alten Riten § 540 Statt vorwärts zu denken, haben die Ägypter rückwärts geblickt und gemeint, allein Befolgung der überlieferten, heiligen Rituale könne helfen. Sie haben gehandelt, als ob diese Rituale Handlungen seien, mit denen man einen klaren Zweck erreichen könnte. Aber religiöse Zeremonien dienen vor allem dazu, menschlichen Empfindungen Ausdruck zu verleihen; sie sind nicht zweckgerichtet. Die Ägypter haben sich getäuscht, wenn sie glaubten, die korrekte Durchführung der Zeremonien werde das Heil des ganzen Landes bewirken. Dieses Mißverständnis, was Riten bewirken können, sei aus einem späten hieroglyphischen Papyrus belegt. Dort heißt es:1 „Wenn man die Osiris-Zeremonien vernachlässigt zu ihrer Zeit an diesem Ort . . ., dann wird das Land seiner Gesetze beraubt sein, und der Pöbel wird seine Oberen im Stich lassen, und es gibt keine Befehle für die Menge. Wenn man den Feind nicht köpft, den man vor sich hat, aus Wachs, auf Papyrus oder aus Holz nach den Vorschriften des Rituals, dann werden sich die Fremdländer gegen Ägypten empören und Bürgerkrieg und Revolution im ganzen Land entstehen. Man wird auf den König in seinem Palast nicht hören, und das Land wird seiner Schutzwehr beraubt sein." § 541 Es schien einem in Alexandria lebenden Ägypter um 300 n. Chr., daß in alter Zeit ein ägyptischer Pharao sein Land durch Vollzug magischer Riten mit Wachsfiguren verteidigen konnte. Der Verfasser des griechischen Alexanderromans erzählt über den letzten ägyptischen König: 2 Wenn Nektanebo davon hörte, daß eine Kriegsmacht gegen sein Land ausziehe, bemühte er sich gar nicht erst um ein Heer und seine Ausrüstung mit Waffen und Kriegsmaschinen, sondern ging in seinen Palast, füllte eine Schüssel mit Regenwasser und fertigte aus Wachs kleine Schiffe und Männlein an. Dann kleidete er sich als Priester, nahm den Ebenholzstab in die H a n d und machte die Männlein durch Anrufung der Götter und Dämonen lebendig. Dann versenkte er die υπερήφανος φράσις και έκλελυμένη και ώσπερ κεκαλλωπισμένη έξίτηλον ποιήσηι τό σεμνόν και στιβαρόν και τήν ένεργητικήν των ονομάτων φράσιν. "Ελληνες γαρ . . . λόγους εχουσι κενούς αποδείξεων ενεργητικούς, και αύτη έστίν Ε λ λ ή ν ω ν φιλοσοφία, λόγων -ψόφος- ημείς δέ ού λόγοις χρώμεθα, άλλά φωναΐς μεσταΐς των έργων. 1 Pap. Jumilhac, ed. J. Vandier 129-130; J. Assmann, „Königsdogma und Heilserwartung", in: Η. Hellholm (Herausgeber), Apocalypticism in the Mediterranean World and in the Near East (Tübingen 1983) 3 7 1 - 3 7 2 ; J. Assmann, Ma'at (1990) 1 8 5 - 1 8 6 und 286; Ph. Derchain, Revue de l'histoire des religions 161, 1962, 196. 2 Pseudo-Kallisthenes I 1 (nach der Handschrift A herausgegeben von W. Kroll, 1926; nach der Handschrift L herausgegeben von H. van Thiel, 1974; ich habe in dem obigen Referat beide Fassungen kombiniert).

25 Regression

311

Schiffchen, u n d zur gleichen Zeit ging a u c h die zu See h e r a n f a h r e n d e feindliche M a c h t u n t e r . M i t a n r ü c k e n d e n H e e r e n v e r f u h r er entsprechend. So g e n o ß Ägypten ungestörten Frieden. M a n g a b sich der Illusion hin, die W e l t w e r d e allein d u r c h den Vollzug der R i t e n e r h a l t e n , u n d blieb bei den alten Z e r e m o n i e n , die in die geistige Situation des dritten u n d vierten n a c h christlichen J a h r h u n d e r t s nicht m e h r p a ß t e n .

Porphyrios versucht eine Reform der heidnischen Kulte; Iamblich widerspricht § 5 4 2 P o r p h y r i o s (etwa 2 3 4 - 3 0 5 n. Chr.), der Meisterschüler des n e u p l a t o n i s c h e n Philosop h e n Plotin, h a t einen Versuch u n t e r n o m m e n , die heidnisch-orientalischen Kulte der n e u e n Z e i t anzupassen und Riten auszuscheiden, welche für Griechen und Römer nicht mehr nachvollziehbar waren.1 P o r p h y r i o s ist ein G o t t s u c h e r gewesen. In seiner J u g e n d h a t t e er g e g l a u b t , a u s d e n O r a k e l n der griechischen G ö t t e r u n d a u s ihren S t a t u e n Aufschlüsse d a r ü b e r g e w i n n e n zu k ö n n e n , v o n w e l c h e r A r t die w a h r e Religion sein sollte. D a n n h a t er bei Plotin in R o m gelernt, d a ß der P i a t o n i s m u s die G r u n d l a g e n zu einer vergeistigten Religionsphilosophie d a r b o t . In einer Schrift „ U b e r die R ü c k k e h r der Seele zu G o t t " (de regressu artimae) h a t er einen G r u n d r i ß dieser p h i l o s o p h i s c h e n Religion v e r f a ß t . 2 A u g u s t i n h a t dieses W e r k geliebt u n d zitiert lange P a r t i e n d a r a u s ; d a s n e u p l a t o n i s c h e C h r i s t e n t u m seiner M a i l ä n d e r Z e i t ist tief v o n P o r p h y r i o s beeinflußt. P o r p h y r i o s h a t d a s C h r i s t e n t u m a b g e l e h n t u n d in einer eigenen Schrift bekämpft.·* D i e zu seiner Z e i t lebendigen heidnischen Kulte hielt er f ü r r e f o r m i e r b a r . Er h a t ein S e n d s c h r e i b e n a n d e n e r f u n d e n e n ägyptischen Priester A n e b o gerichtet u n d die ägyptischen u n d syrischen Priester a u f g e f o r d e r t , die S c h w ä c h e n ihrer Kulte zu beseitigen. 4 § 5 4 3 Gegen den V e r s u c h des P o r p h y r i o s , die ägyptische u n d syrische Religion zu vergeistigen, hat sich ein a n d e r e r N e u p l a t o n i k e r , Iamblich (etwa 2 4 0 - 3 2 5 n. Chr.), in einem vollständig e r h a l t e n e n , u m f a n g r e i c h e n W e r k g e w e n d e t . 5 W e n n P o r p h y r i o s a n den fiktiven Priester A n e b o g e s c h r i e b e n h a t t e , a n t w o r t e t I a m b l i c h i h m u n t e r der M a s k e des e r f u n d e n e n Priesters A b a m m o n . 6 Er läßt keinen V o r w u r f des P o r p h y r i o s gegen die traditionellen Riten gelten; alles Ü b e r 1

Grundlegend die Biographie von J. Bidez, Vie de Porphyre, Gent 1913.

2

Die Fragmente von De regressu animae hat J. Bidez im Anhang gesammelt. Jetzt bei Andrew Smith, Porphyrios Fragm. 283T-301F (p. 319-350). - Im ersten Buch des Christen Arnobius (Adversus nationes) wird von einer nordafrikanischen Religionsgemeinschaft, den viri novi, gesprochen, welche den Lehren des Porphyrios gefolgt ist. ^ A. v. Harnack hat die Fragmente gesammelt (Abhandlungen der königlich-preussischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1916, phil.-hist. Klasse Nr. 1): Porphyrios, „Gegen die Christen". Ein neues Fragment bei D. Hagedorn - R. Merkelbach, Vigiliae Christianae 20, 1966, 86-90. 4 5

Rekonstruktion des Werkes durch A. R. Sodano, Porfirio, Lettera ad Anebo, Napoli 1958.

Daß Iamblich der Verfasser war, ergibt sich aus einem Scholion des Psellos, welches E. des Places vor seiner Textedition abgedruckt hat. 6 M a n zitiert das Werk des Iamblich meistens unter dem Titel „De mysteriis Aegyptiorum". Dieser Titel ist modern und inhaltlich falsch: (a) Von Mysterien = Einweihungsriten ist gar nicht die Rede, und (b) die syrische Religion (die chaldäischen Orakel) wird noch ausführlicher behandelt als die ägyptische. Der antike Titel lautet: Ά β ά μ μ ω ν ο ς διδασκάλου προς τήν Πορφυρίου προς 'Ανεβώ έπιστολήν άπόκρισις

312

25 Regression

lieferte ist ihm sakrosankt. E. R. Dodds hat das Buch „ein Manifest des Irrationalismus" genannt. 1 Um die geistige Situation zu verstehen, welche um 300 n. Chr. gegeben war, ist es von Interesse, sich einige der Argumente zu vergegenwärtigen, welche Porphyrios in der Kritik und Iamblich in der Verteidigung der Tradition vorgebracht haben. § 544 Porphyrios hat kritisiert, daß in den Gebeten der ägyptischen und syrischen Religion statt der Götternamen Lautfolgen benutzt wurden, die keinen Sinn habend Einige Beispiele solcher Gebete sind in Kap. 16 zitiert. 3 Iamblich-Abammon: Diese Lautfolgen, welche uns nicht verständlich sind, sind in der Urzeit den Menschen von den Göttern mitgeteilt („herabgesandt") worden. Die Götter verstehen sie 4 , und durch ihren Gebrauch wird eine Kommunion (κοινωνία), ja eine Verbindung (συμπλοκή) 5 zwischen Göttern und Menschen hergestellt. M a n darf an die göttlichen Namen nicht mit menschlicher Logik und Spitzfindigkeit herantreten, sondern muß annehmen, daß die unverständlichen Laute symbolischen Sinn haben; und wenn sie uns unverständlich bleiben, dann ist das gerade das Aller-Ehrwürdigste. 6 Die ägyptische Theologie ist durch und durch symbolisch. Die Ägypter ahmen das Wesen des Weltalls und die Weltschöpfung durch die Götter nach und stellen mittels der Symbole Bilder der mystischen, verborgenen und unsichtbaren Gedanken vor Augen, so wie die Natur selbst den unsichtbaren Sinn in sichtbaren Gestalten mittels der Symbole darstellt und wie die Götter bei der Weltschöpfung die Wahrheit der (jenseitigen) Ideen in sichtbaren Bildern nachgezeichnet haben. Weil die Ägypter wissen, daß die Götter sich freuen, wenn die Nachgeordneten ihnen ähnlich werden wollen, und weil sie den Göttern die Fülle des Guten darbringen wollen, indem sie ihnen - soweit als möglich - nacheifern, 7 darum bringen die Ägypter ihnen die Symbole verehrend dar. 8 Sogar unverständliche, gekritzelte Zeichen (χαρακτήρες) sind heilig und den Göttern willkommen. 9 § 545 Porphyrios: In anderen Gebeten werden die Götter nicht mit ihren griechischen, sondern den ägyptischen oder syrischen oder anderen „barbarischen" Namen angerufen. 1 0 Auch dies ist ärgerlich. Es kommt doch auf den Sinn des Gebets an; dieser ist derselbe, in welcher Sprache auch immer man ihn ausdrückt. Der angerufene Gott ist schließlich nicht von ägyptiκαί των έν αύτήι ά π ο ρ η μ ά τ ω ν λύσεις. Ich zitiere das Werk als „Iamblich-Abammon". 1

The Greeks and the Irrational 2 8 7 = deutsch 154.

2

An Anebo 1,10 (p. 2 2 Sodano) = Eusebios, Praep. ev. V 10,8 (p. 2 4 3 , 1 9 Mras).

3

Ζ. B. in P. G. M. IV 1 6 4 9 = Abrasax I S. 110 (§ 365) Pharakuneth und Suphi; in P. G. M . XlVa 3 = Abrasax II S. 79 (§ 378 ) Nebutosualeth. 4

Iamblich-Abammon I 15 (p. 4 8 , 5 - 8 Parthey; E. des Places hat diese Seitenzahlen am Rand seiner Edition beigegeben). 5

Iamblich-Abammon 1 1 2 (p. 4 2 , 6 - 9 ) ; vgl. III 15 (p. 136,2-8).

6

Iamblich-Abammon VII 4 (p. 2 5 5 , 1 1 - 1 3 ) .

7

Iamblich spielt an auf Piaton, Theätet 176AB. Aber der Gedanke ist bei ihm ganz anders gewendet.

8

VII 1 p. 2 4 9 , 1 4 - 2 5 0 , 1 2 .

9

Ζ. Β. in III 14 p. 134,6.

10 Als Beispiele seien genannt: P. G. M . IV 1 6 4 3 und 1 6 5 6 = Abrasax I S. 1 1 0 (§ 3 6 4 / 5 ) Ψ Ο Ι Φ Ν Ο Υ Θ Ι Ν Ι Ν Θ Η Ρ und Pekranbecheo-Thoth; P. G. M . X X X V I 2 1 9 = Abrasax II S. 5 7 (§ 367) Harponknuphi; P. G. M. XXI 19 = Abrasax I S. 138 (§ 372) „He Ho, Cho Chuch, N u n Nauni, Amun Amunith".

2 5 Regression

313

scher Nationalität; und selbst wenn er dies wäre, würde er nicht in menschlicher, also auch nicht in ägyptischer Sprache sprechen. 1 Iamblich-Abammon: Den heiligen Völkern, wie den Syrern und Ägyptern, haben die Götter auch eine heilige Sprache verliehen. Dies ist die altüberlieferte Art, zu den Göttern zu sprechen; als die Götter unsere Vorfahren die Götternamen lehrten, haben die Vorfahren zu den Göttern in ihrer Sprache gesprochen, und das darf man nicht aufgeben. Wenn du sagst, es komme auf den Sinn an und nicht auf die Worte, so irrst du. Deine Ansicht wäre richtig, wenn die Beziehung zwischen den Wörtern und ihrem Sinn zufällig wäre, aber das ist nicht der Fall; die Lautgestalt der Wörter hängt zusammen mit dem Wesen der Dinge, 2 und die Sprache der heiligen Völker ist besser als die der anderen. Wenn man die Wörter der einen Sprache in eine andere übersetzt, so behalten sie nicht genau denselben Sinn. Bei jedem Volk gibt es besondere Wörter, 3 die man nicht in eine andere Sprache übersetzen kann, und selbst wenn man sie übersetzen könnte, so hätten sie nicht mehr dieselbe wirkende Kraft. Die barbarischen Wörter haben Gewicht und Kürze, weniger Zweideutigkeit und Buntscheckigkeit; die barbarischen Sprachen haben keine solche Menge von Wörtern, und darum passen sie besser für die Götter. 4 M a n darf auch nicht sagen, daß Gott nicht von ägyptischer Nationalität sei; vielmehr sind die Ägypter als erste in Beziehung zu den Göttern getreten, so daß die Götter sich darüber freuen, wenn sie nach dem Brauch der Ägypter angerufen werden. So darf man an den alten Gebeten nichts ändern. Das Unheil der heutigen Zeit kommt daher, daß alles immer wieder geändert wird, wegen der Neuerungssucht und der Regellosigkeit der Griechen; diese zappeln immer, eilen bald hierhin, bald dorthin, haben in sich keinen Ankerstein; was sie anfangen, führen sie nicht zu Ende, und in ihrer Ruhelosigkeit ändern sie ständig alles. Dagegen sind die Barbaren in ihrer Lebensart beständig und bleiben auch in ihrem Sprechen immer bei demselben. Darum sind sie den Göttern lieb, und was sie sprechen, hören die Götter gern. 5 § 546 Porphyrios: Die Ägypter erlauben sich, Drohungen gegen die Götter auszusprechen: 6 Irgendein beliebiger Mensch wendet sich gegen den König Helios oder die Mondgöttin oder einen der Götter im Himmel oder droht damit, den Himmel einstürzen zu lassen, die Geheimnisse der Isis ans Licht zu bringen, das Geheimnis von Abydos aufzudecken, das Schiff des Sonnengottes anzuhalten, die Glieder des Osiris dem Typhon vorzuwerfen. Was für ein Unsinn! Als ob ein Mensch so etwas könnte! 7 Iamblich-Abammon: Wenn solche Drohungen ausgesprochen werden, so richten sie sich in Wirklichkeit nicht gegen die Götter, sondern gegen untergeordnete Dämonen, die in der Luft 1

An Anebo 2 , 1 0 (p. 2 2 Sodano) = Eusebios, Praep. ev. V 10,8 (p. 2 4 3 , 1 9 Mras).

2

Die Frage, ob die N a m e n der Dinge mit ihrem Wesen zusammenhingen, o b sie also „von Natur" (φύσει) gegeben seien, oder ob sie nur durch Übereinkunft, „durch Setzung" (θέσει) in Gebrauch gekommen seien, ist von den antiken Grammatikern seit langem diskutiert worden. 3

P. 2 5 7 , 1 2 ιδιώματα.

4

Dasselbe Argument benutzt Horigenes, Contra Celsum I 24; er verteidigt den Gebrauch hebräischer Wörter (Sabaoth, Adonai) durch die Christen. 5

Iamblich-Abammon VII 4 - 5 .

6

Vgl. § 3 8 4 - 3 8 6 .

7

An Anebo 2,8 (p. 2 0 , 3 Sodano) = Eusebios, Praep. ev. V 10,3 (p. 2 4 3 , 1 Mras).

3 1 4 25 Regression

herumschwirren. Diese erschrecken, wenn sie die Drohungen hören. Der Mensch, welcher so droht, macht ihnen den Eindruck, als gehöre er zu einem ihnen überlegenen göttlichen Geschlecht; und der Drohende selbst meint es auch nicht ernst, sondern will nur den niederen Dämonen zeigen, welche Macht ihm von den Göttern verliehen werden könnte. Jeder Dämon hat im Weltlauf seine kleine, begrenzte Funktion; darum erschrickt er, wenn er von der Möglichkeit hört, daß die Ordnung der Dinge geändert werden könnte; er will, daß alles stabil bleibe, und gehorcht dem Menschen, der mit der Änderung droht. Die Weltordnung besteht nur solange, als Osiris - die das Gute bewirkende Macht - rein und unberührt bleibt; solange die Geheimnisse der Isis - das Leben-Erhaltende, jenseitige Göttliche - nicht aufgedeckt und in die Region der Menschen hinabgezogen werden; solange die Sonne ihren Lauf über den Himmel nimmt; solange die Geheimnisse von Abydos nicht aufgedeckt werden; damit ist gemeint, daß das unaussprechlich erhabene Wesen der Götter niemals in sein Gegenteil verkehrt werde. Weil also die niederen Dämonen die Stabilität der Weltordnung wollen und furchtbar erschrecken, wenn auch nur davon die Rede ist, daß sie umgestürzt werden könnte, darum hat es Sinn, ihnen so zu drohen. Aber natürlich wendet sich der Drohende eben nur gegen diese niederen Dämonen, beileibe nicht gegen die Götter selbst. 1 § 547 Porphyrios: Hat es Sinn, im Gebet den ägyptischen Göttermythos zu rezitieren und den Sonnengott anzurufen, der aus dem Urschlamm emporgetaucht ist, 2 der auf dem Lotos sitzt, 3 der auf einer Barke über den Himmel fährt, 4 der in jeder Stunde 5 und in jedem Zodiacalzeichen 6 seine Gestalt ändert? 7 Iamblich-Abammon: In alledem liegt tiefer symbolischer Sinn. Es handelt sich hier um Bilder, mit denen die Götter den Menschen die jenseitige Wahrheit der göttlichen Ideen anschaulich machen. Mit dem Urschlamm ist die Materie gemeint, in welcher alles Lebendige Gestalt annimmt. Wenn der Gott auf dem Lotos sitzt, so zeigt sich darin, daß er über dem Schlamm erhaben ist und ihn nicht berührt; mit dem Lotos, der ja ganz rund ist, wird angedeutet, daß der Gott sich im Kreis dreht, so daß er sich bewegt, aber doch immer am selben Ort bleibt, sich also nicht verändert, was allein dem Göttlichen angemessen ist; das Sitzen bezeichnet, daß der Gott in sich selbst ruht. Wenn davon gesprochen wird, daß der Gott auf der Barke über den Himmel fährt, so wird damit bezeichnet, daß er den Lauf der Welt wie mit dem Steuerruder lenkt. Auch 1

Iamblich-Abammon VI 5 - 7 .

2

Vgl. P. G. M . XXI 24 = Abrasax I S. 138 (§ 372) Φ Ι Ρ Ι Μ Ν Ο Υ Ν A N O K „ich bin derjenige, der aus dem Urgewässer kam". 3

P. G. M . IV 941 = Abrasax I S. 4 (§ 358/9).

4

Vgl. P. G. M. III 98 = Abrasax I S. 90, erwähnt in § 386.

5

Vgl. P. G. M. IV 1648-1695 = Abrasax I S. 110-115 (§ 365).

6

Die Sonne durchläuft scheinbar innerhalb eines Jahres die zwölf Zodiacalzeichen; diese Sternbilder stellen eine Monatseinteilung für den Himmel dar, s. § 206. Nun hat es neben den auch uns noch geläufigen Zodiacalzeichen (aries, taurus, gemini etc.) eine alternative Reihe gegeben, welche aus zwölf Tieren bestand (Kater, Hund, Schlange usw.). Dieser „Tierkreis" ist auf einigen archäologischen Monumenten, in astrologischen Schriften und „magischen" Papyri erhalten; s. F. Boll, Kl. Sehr. 9 9 - 1 1 4 und Abrasax I 104-122, auch hier § 365. Wie der Sonnengott in den zwölf Stunden immer neue Gestalten annimmt, ist in vielen altägyptischen Texten und Monumenten zu sehen; s. A. Gasse, La litanie des douze noms de ReHorachty (B. I. F. A. O. 84, 1984, 189-227) und Abrasax II 1 - 3 1 . 7

An Anebo 2,9 (p. 21,3-6 Sodano) = Eusebios, Praep. ev. V 10,6 (p. 243,11 Mras).

2 5 Regression

315

daß der Sonnengott seine Gestalt ändert, ist symbolisch zu verstehen: Alles w a s im K o s m o s lebt, ja sogar die Zeit selbst existiert nur durch die Kraft der Sonne, die sich auf die verschiedenste W e i s e allem mitteilt und in sie eingeht. D a s mythische Bild besagt also, daß dem Leben in seinen verschiedensten F o r m e n die Eine Gestalt des obersten Gottes zugrundeliegt, daß m a n den K o s m o s als eine Einheit in der Vielheit verstehen muß. 1 § 548

Porphyrios: Im ägyptischen und syrischen Kult wird verlangt, daß die Priester und

M i n i s t r a n t e n sich der Fleischspeise enthalten; aber gleichzeitig nimmt m a n an, d a ß die G ö t t e r den G e r u c h der O p f e r b r a t e n lieben und d a v o n angelockt werden. Ferner heißt es, d a ß ein Initiand, der G o t t schauen will, keine Berührung mit Stoffen haben dürfe, die v o n toten Tieren s t a m m e n (er m u ß Leinenkleider und Bastschuhe tragen, keine W o l l e oder Leder); aber gleichzeitig werden die Zeremonien durch Tieropfer eingeleitet. W i e paßt das z u s a m m e n ? 2 I a m b l i c h - A b a m m o n : Dieser W i d e r s p r u c h ist nur scheinbar. Erstens sind es nicht dieselben Tiere, deren m a n sich enthalten soll und die m a n opfert; vielmehr soll m a n sich bestimmter Tiere enthalten, aber bestimmte andere opfern. Ferner bringt die Berührung mit Stoffen, die von toten Tieren stammen, einen Menschen in seinem stofflichen Körper Gefahr; aber die D ä m o n e n leben nicht in stofflichen K ö r p e r n , so daß sie von der abgestorbenen M a t e r i e nicht befleckt werden können. 3 § 549

Porphyrios: An den Inkubationsstätten erhalten die M e n s c h e n oft Anweisungen, wie

sie a n d e r e n T r ä u m e senden können, besonders Liebesträume. D a s ist widersinnig; einerseits verlangen die G ö t t e r von den Priestern, daß sie rein sind, und andererseits helfen sie bei unerlaubten Liebschaften. 4 I a m b l i c h - A b a m m o n : Die Gerechtigkeit bei uns und bei den G ö t t e r n ist eine a n d e r e . W i r überblicken nur das eine Leben einer Seele, welches uns bekannt ist. Die G ö t t e r aber kennen a u c h die früheren Leben, und wenn sie - der Bitte von Menschen folgend, welche sich mit ihrem Begehren an sie gewendet haben - eine Seele in schlimme Leidenschaften stürzen, so d a ß sie sich strafbar m a c h t , so geschieht das keineswegs in ungerechter Weise; vielmehr verhängen sie das Unglück zur Strafe für Vergehen, welcher sich die betreffende Seele in einem früheren Leben schuldig g e m a c h t hat. W i r k ö n n e n das nicht übersehen und meinen irrigerweise, die Seele erleide eine ungerechte Behandlung. 5 § 550

Iamblich besteht darauf, daß m a n mit menschlicher Logik nicht an das W e s e n der

G ö t t e r heranreiche. „Bei den Göttern ist alles a n d e r s " ; 6 der Satz v o m W i d e r s p r u c h gilt n i c h t , 7

1 Iamblich-Abammon VII 1 - 3 . 2

An Anebo 2,8 (p. 1 9 , 5 - 2 0 , 2 Sodano) = Eusebios, Praep. ev. V 10,2 (p. 2 4 2 , 1 9 - 2 4 3 , 1 Mras).

3

Iamblich-Abammon VI 1 - 2 .

4

An Anebo 2,8 (p. 19,1 Sodano) = Eusebios, Praep. ev. V 10,1 (p. 2 4 2 , 1 6 - 1 9 Mras).

5

Iamblich-Abammon IV 4.

6

III 2 5 p. 160,2 επί των θείων πάντα τα εργα έξήλλακται.

1 3 p. 10,1 „Du meinst anscheinend, die Erkenntnis über das Göttliche sei von derselben Art wie über die anderen Dinge; bei gegensätzlichen Begriffen liege der Gegensatz fest, wie das in dialektischen Debatten der Fall ist. Aber diese Dinge sind in keiner Weise einander ähnlich, ihre Erkenntnis ist von ganz anderer Art, und hier gibt es keine Antithesen." σύ δ' εοικας ήγεΐσθαι τήν αυτήν είναι των θείων καί των 7

316 25 Regression die Gegensätzlichkeit ist aufgehoben. 1 M a n darf hier nicht mit Spitzfindigkeiten k o m m e n , wie sie fremde Völker (wie die Griechen) lieben. 2 Wir müssen uns damit abfinden, daß vieles uns unverständlich ist und daß allein die Götter den Grund wissen; 3 was aus unserer Sicht unbegreiflich, weil dem Einzelnen schädlich, kann für das Ganze gut sein. 4 D a r u m k o m m t es nicht auf die rationale Erkenntnis an, 5 sondern auf die korrekte Durchführung der überlieferten kultischen Zeremonien. „Weil (mein Gegner, Porphyrios) seine Darlegungen mehr auf philosophische und logische Beweise stützt und nicht auf die wirkende Kraft der priesterlichen Kunst (also der Riten), m u ß ich über diese Dinge mehr in der Weise eines Mannes sprechen, der auf göttliche Weise b e w i r k t . . . Nicht die Erkenntnis bringt die göttlichwirkenden Priester in Z u s a m m e n h a n g mit den Göttern; wenn das so wäre, d a n n k ö n n t e n die theoretischen Philosophen das göttlich-wirkende Einswerden mit den Göttern erleben; aber in Wahrheit ist es ganz anders: N u r die Durchführung der unaussprechlichen, über jede Erkenntnis hinaus in göttlicher Weise wirkenden Riten und die Kraft der unsagbaren, nur den Göttern verständlichen Symbole (und symbolischen Riten) bewirkt das göttlich-bewirkte Einswerden (mit Gott) . . . Auch wenn wir selbst das nicht mit dem Verstand erkennen, bewirken doch die Symbole (und symbolischen Riten) eben das, was sie bewirken sollen, und die unaussprechliche M a c h t der Götter, zu welchen sie emporsteigen, erkennt (in den Symbolen) die Abbilder ihrer selbst . . . W a s den Willen der Götter wirklich in Bewegung setzt, das sind die göttlichen Symbole, und so werden die Götter durch ihr eigenes Wesen (das in den Symbolen liegt) in Tätigkeit gesetzt und empfangen keinen Anstoß zu ihrem Wirken durch die Tätigkeit und K r a f t von Wesen (wie uns), die ihnen unterlegen sind."^ Die Gebete und Zeremonien, welche in den Tempeln gesprochen und verrichtet werden, haben teilweise einen geheimen G r u n d , der höher ist als alle Worte; teilweise sind sie seit unvordenklicher Zeit den Göttern gewidmet; teilweise handelt es sich um Bilder, in welchen der

άλλων όποιωνοϋν γνώσιν, δίδοσθαί τε άπό των αντικειμένων τό ετερον μόριον, ώσπερ ε'ίωθε και έπί των έν ταίς διαλέκτοις προτεινομένων· τό δ' ούκ εστίν ούδαμώς παραπλήσιον- έξήλλακται γάρ αύτών ή εϊδησις, αντιθέσεως τε πάσης κεχώρισται. 1 IV 3 p. 185,11 τό μή δι' έναντιώσεως ή διαφορότητος άποτελεϊσθαι τά των θεών εργα. 2 I 2 p. 6,2 αλλόφυλα ζητήματα. 3 III 19 ρ. 147,14. 4 IV 8 ρ. 192,3. 5 I 2 ρ. 6,7 „Allein durch Worte genaue Kenntnis von Dingen zu erlangen, welche des Beweises durch Fakten bedürfen, ist unmöglich", τά μέν έργων πείρας δεόμενα προς ακριβή κατανόησιν μόνον δια λόγων άδύνατον. 6 II 11 p. 96,7-97,19 διότι φιλοσόφως μάλλον και λογικώς άλλ' ουχί κατά τήν ένεργόν των Ιερέων τέχνην τόν άπολογισμόν ποιείται, δια τούτο οιμαι δειν θεουργικώτερον ειπείν τι περί αυτών . . . ουδέ γάρ ή έννοια συνάπτει τοις θεοΐς τους θεουργούς· έπεί τί έκώλυε τους θεωρητικώς φιλοσοφούντας έ'χειν τήν θεουργικήν ενωσιν προς τους θεούς· τό δ' ούκ έ'χει τό γε άληθές ούτως· άλλ' ή τών έργων των άρρητων και υπέρ πάσαν νόησιν θεοπρεπώς ένεργουμένων τελεσιουργία ή τε τών νοουμένων τοις θεοΐς μόνον συμβόλων άφθέγκτων δύναμις έντίθησι τήν θεουργικήν ενωσιν . . . και γάρ μή νοούντων ημών αυτά τά συνθήματα άφ' εαυτών δρα τό οίκεΐον έργον, καί ή τών θεών, προς ους άνήκει ταύτα, άρρητος δύναμις αυτή άφ' εαυτής έπιγιγνώσκει τάς οικείας εικόνας . . . τά δ' ώς κυρίως έγείροντα τήν θείαν βούλησιν αύτά τά θειά έστι συνθήματα· και ούτω τά τών θεών αύτά ύφ' έαυτών άνακινεΐται, ΰπ' ούδενός τών υποδεεστέρων ένδεχόμενά τινα είς έαυτά άρχήν της οικείας ένεργείας.

25 Regression

317

unsichtbare Sinn Gestalt annimmt. 1 Der Wortlaut der Gebete ist gänzlich unerkennbar und geheim; sie werden nur von demjenigen Gott verstanden, der angerufen wird. 2 Dies sind die Vorstellungen, in welchen die ägyptischen Priester und sogar Philosophen wie Iamblich zur Zeit des Diocletian (284-305) lebten. Sie waren schlecht vorbereitet auf die neue Situation, als Konstantin das Christentum zu der vom Kaiser bevorzugten Religion erhob.

Vergleich der griechisch-ägyptischen mit der christlichen Religion § 551 Das Christentum ist monotheistisch. In der griechisch-ägyptischen Religion hatte man versucht, Sarapis zum Allgott zu erheben; aber neben ihm hat man nicht nur Isis, sondern auch eine Reihe anderer göttlicher Gestalten verehrt. Für den philosophisch Denkenden war das Christentum überzeugend. Aber für einfachere Gemüter war der maskuline Charakter des christlichen Gottes wenig attraktiv. Eine göttliche Mutter gewährt Trost. 3 Hier lag eine Stärke der Religion um Isis. Die Christen haben im Konzil zu Ephesos 431 den Marienkult eingeführt, um diese Lücke zu schließen. Die Christen besaßen im Alten und Neuen Testament sanktionierte heilige Texte. Das Alte Testament lag in griechischer Ubersetzung vor, das Neue Testament war griechisch geschrieben. Beide Testamente eigneten sich zur Mission. Es gab keine ägyptischen Bücher, welche eine ähnliche Funktion hätten erfüllen können, und es hat auch fast keine Übersetzungen aus dem Ägyptischen ins Griechische gegeben. Im Isiskult scheint der einzige standardisierte Text die „Selbstoffenbarung" gewesen zu sein, die von vorneherein griechisch abgefaßt war; man kann sie nicht neben die heiligen Bücher der Juden und Christen stellen. Die Christen haben auf dem Fundament der „Testamente" und philosophischer Gedanken der Griechen ein festes theologisches Gebäude errichtet. Zwar hat Plutarch - selbst kein IsisMyste - vorgeschlagen, die Isisreligion mit dem Piatonismus zu amalgamieren, und Appuleius hat Plutarchs Lehren als Fundament benutzt; es gibt bei ihm auch Ansätze zu einer Gnadentheologie. Aber unter den Isis-Anhängern gab es niemand, der die spekulative Energie des Horigenes besaß. Freilich hat die Fixierung der christlichen Lehre in philosophischen Lehrsätzen (Dogmen) die bekannten Nachteile mit sich gebracht. Das Wort „Orthodoxie" klingt in unseren Ohren nicht gut; und auch das Wort „Häresie" stammt aus dem philosophischen Vokabular der Griechen, wo es allerdings nur die „Wahl" zwischen gleichberechtigten philosophischen Richtungen bezeichnete. Erst im Gebrauch der Christen haben diese philosophischen Wörter ihre gefährliche Bedeutung erhalten. Die Ausbildung einer christlichen Religionsphilosophie ist nicht in jeder Hinsicht ein Gewinn gewesen; aber alles in allem betrachtet war das Christentum dem ägyptischen Kult intellektuell weit überlegen. Die literarische Form des Romans ist für den Isisdienst entwickelt worden. Die Christen haben sie übernommen und weisen im Clemensroman ein gelungenes Werk dieser Gattung auf.

1 2

1 1 1 p. 37,6-12. Ähnlich in I 21 p. 65,6-12.

III 24 p. 157,14-16 άγνωστοι γάρ είσι παντελώς και άπόρρητοι (sc. αί έπικλήσεις), μόνωι δέ τώι θεώι γνωρίμως λέγονται δν επικαλούνται. 3 Die Ausführungen von Α. Dieterich in „Mutter Erde" (1905) 116-121 sind auch heute noch lesenswert.

318

2 5 Regression

W a s die bildende Kunst angeht, so war das jüdische Bilderverbot ein Nachteil. Aber die meisten Christen haben es nicht befolgt. Über die Tatsache, daß die Isis-Anhänger Reste des ägyptischen Ursprungs ihrer Kulte überallhin mitbrachten, ist schon gesprochen worden. 1 Die Christen hatten die Verbindung zum Judentum abgestreift. Das Christentum hatte kein geographisches Zentrum; darum konnte es Weltreligion werden. Das Christentum ruhte auf nachprüfbaren historischen Grundlagen; seine mythologischen Bestandteile waren von minderer Bedeutung. Die Isis- und Sarapisreligion war rein mythologisch. Die anscheinend streng wissenschaftlichen Lehren der Astrologie hatten in der Römerzeit fast allgemeine Anerkennung gefunden. Z u Ende gedacht vernichtete die „ M a t h e m a t i k " (= Astrologie) jede Religion. Die Verehrer der ägyptischen Götter halfen sich damit, daß sie erklärten, ihre Götter stünden über dem astrologischen Fatum; aber dies war doch nur eine Aushilfskonstruktion. Die Christen lösten das Problem, indem sie die Gültigkeit der astrologischen Lehren gänzlich leugneten. Dies hatte den Nachteil, daß man nun auch die wirklich wissenschaftliche Seite (das, was wir „Astronomie" nennen) vernachlässigte; aber sie hatten den Vorteil, daß die Vorstellung vom schrecklichen, unabänderlichen Fatum ihre Gemüter nicht mehr beunruhigte. Schließlich paßte der strenge christliche Monotheismus auch politisch besser zu der absoluten Monarchie, zu welcher das Imperium Romanum sich entwickelt hatte. Alles in allem ist die christliche Religion die modernere gewesen; alle christlichen Autoren sind von ihrer Überlegenheit überzeugt.

1

S. S 235.

26 Untergang

Ipsa Aegyptus . . . quae sancta quondam, divinitatis amantissima . . . sanctitatis et pietatis magistra, erit maximae crudelitatis exemplum. Ägypten selbst, einst heilig und gottesfürcbtig, Lehrerin der Tugend und Frömmigkeit, wird Beispiel der größten Grausamkeit sein. Hermes Trismegistos, Asclepius 25

Unter Konstantin wird das Christentum zur bevorzugten Religion; der Streit um die Nil-Elle § 552 Seitdem Konstantin im Jahr 324 den Mitkaiser Licinius besiegt hatte und Alleinherrscher des Römerreiches war, hat er systematisch die Christen bevorzugt, deren Gott er für den allein wahren ansah. Aber da die Christen innerhalb der Reichsbevölkerung eine Minorität darstellten, hat der Kaiser zunächst die heidnischen Kulte geschont. 1 Das galt besonders für die alte Reichshauptstadt Rom: Die römische Aristokratie beharrte auf ihren heidnischen Traditionen. Auch in Ägypten war der überlieferte Götterkult so fest verwurzelt, daß Konstantin den Kult des Sarapis - des Stadtgottes von Alexandria - und der Isis kaum behelligt hat. Seine einzige Handlung gegen das ägyptische Heidentum betraf die heilige Nilelle. Dies war ein langer Stab, der im Sarapeum zu Alexandria aufbewahrt und zur Zeit der hohen Flut hervorgeholt wurde, um in einem tiefen Schacht abzumessen, wie hoch das Wasser des Nils gestiegen war. Je nach der Höhe der Flut wurde die Getreidesteuer berechnet, welche in dem betreffenden Jahr abzuliefern war. Konstantin ordnete an, daß diese Elle nach der Messung nicht in das Sarapeum zurückgebracht werden solle, sondern in eine christliche Kirche; nach seiner Überzeugung war es nicht Sarapis, der das Nilwasser im Hochsommer anschwellen ließ, sondern der Gott der Christen. 2 Die Alexandriner haben den kaiserlichen Befehl hingenommen. Als Julian versuchte, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und die heidnischen Kulte wieder zu beleben, hat er befohlen, daß die Nilelle wieder in das Sarapeum zurückgebracht werde. 1 Es gab einige Ausnahmen; Konstantin ließ zerstören den Tempel des Asklepios zu Aigeai in Kilikien, die Tempel der Aphrodite zu Aphaka auf dem Libanon und zu Heliopolis in Phönizien; und er hat in vielen heidnischen Tempeln die Edelmetalle konfiszieren lassen. 2

Sokrates, Hist, eccles. 1 1 8 ; Sozomenos, Hist, eccles. I 8,5 (p. 18,1 Bidez - Hansen).

3 Sozomenos, Hist, eccles. V 3,3 (p. 1 9 5 , 1 2 - 1 4 Bidez - Hansen).

320

26 Untergang

N a c h der Zerstörung des Sarapeums im J a h r 3 9 1 ist die Nilelle wieder in eine christliche K i r c h e gebracht w o r d e n . 1

Besetzung des Sarapeums unter Constantius, Restitution unter Julian § 5 5 3 Unter den Bischöfen der christlichen Kirche sind gleich nach ihrem T r i u m p h schwere Zwistigkeiten über die rechte Lehre ausgebrochen und zum großen Teil in Alexandria ausgetragen w o r d e n . Führer der o r t h o d o x e n Partei w a r der streitbare B i s c h o f A t h a n a s i o s ; a u f der anderen Seite standen die Anhänger des Presbyters Areios. Ü b e r eine längere Zeit hin hat es in der Stadt zwei miteinander verfeindete Bischöfe gegeben, den o r t h o d o x e n und den arianischen. In verschiedener Hinsicht w a r die Bevölkerung der Stadt gespalten: Ägypter gegen G r i e c h e n ; Christen gegen Heiden ( „ H e l l e n e n " ) ; Arianer gegen o r t h o d o x e Christen. Die Stadt m u ß zeitweise einem Hexenkessel geglichen haben. Die Christen waren inzwischen stärker geworden. Kaiser Constantius ( 3 3 7 - 3 6 1 ) hat die Arianer begünstigt; Athanasios wurde verbannt. 2 Als im J a h r 3 5 8 der arianische B i s c h o f Georgios den Kaiser um ein Grundstück in der Stadt b a t , um eine weitere Kirche zu errichten, hat C o n stantius den Arianern ein verlassenes Mithrasheiligtum geschenkt. Beim Ausheben der Fundam e n t e f a n d m a n M e n s c h e n s c h ä d e l und S y m b o l e der M y s t e r i e n ; G e o r g i o s ließ diese in Prozession durch die Stadt führen, um die Heiden lächerlich zu m a c h e n . D i e H e i d e n w a r e n wütend, verbündeten sich mit den o r t h o d o x e n C h r i s t e n 3 und griffen die arianischen Christen an. Es k a m zu Straßenschlachten, in welchen die Heiden siegten; Georgios m u ß t e fliehen. D i e kaiserlichen T r u p p e n schritten ein und stellten die O r d n u n g wieder her, w a s den A r i a n e r n O b e r w a s s e r verschaffte. Aber Georgios wagte noch nicht zurückzukehren. I m J a h r 3 6 0 wurde das militärische K o m m a n d o in Ägypten dem General A r t e m i o s übergeben. Er ging wieder gegen Arianer und Heiden vor und ließ das Sarapeum besetzen; bei dieser Gelegenheit wurden K u n s t g e g e n s t ä n d e , W e i h g e s c h e n k e und heiliges G e r ä t g e r a u b t , 4 w o h l wegen des Edelmetalls. Jetzt wagte der Bischof Georgios die R ü c k k e h r in die Stadt. Als er a m Sarapeum v o r b e i k a m , sprach er: „ W i e lange wird dieses G r a b m a l n o c h aufrecht s t e h e n ? " 5 Die

1

Rufin, Hist, eccles. XI 30 (p. 1035,22 Mommsen).

2

Für die folgenden Ereignisse s. O. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt IV 3 3 4 - 3 3 7 .

3 Dies war eine ungewöhnliche Allianz; in der Regel waren die hellenischen Heiden, zu denen die Professoren der Universität gehörten, mit den Arianern verbündet, während die ägyptisch-sprechende Bevölkerung den Orthodoxen näherstand. 4 Julian (Brief 60 Bidez = Sokrates, Hist, eccles. III 3) fragt die Alexandriner, welchen Grund sie zum Haß gegen den Bischof Georgios gehabt hätten, und läßt sie sich so verteidigen: τον μακαριώτατον Κωνστάντιον, έρείτε δηπούθεν δτι κα&' υμών παρώξυνεν είτα είσήγαγεν εις την Ιεράν πόλιν στρατόπεδον· και κατέλαβεν ö στρατηγός της Αιγύπτου τό άγιώτατον τοϋ θεοί (des Stadtgottes Sarapis) τέμενος, άποσυλήσας εικόνας και άναΰήματα και τον έν τοις ίεροΐς κόσμον (Ihr werdet wohl sagen, er habe den seligen (Kaiser) Constantius gegen euch aufgehetzt; „ferner hat er Truppen in die heilige Stadt einrücken lassen; und dann hat der in Ägypten kommandierende General den allerheiligsten Tempelbezirk des Gottes besetzt und Götterstatuen und Weihgeschenke und den Schmuck in den heiligen Räumen geplündert"). 5 Ammianus Marcellinus XXII 11,7 cum transiret per speciosum Genii (des Sarapis) templum, multitudine stipatus ex more, flexis ad aedem ipsam luminibus „quam diu" inquit „sepulcrum hoc stabit?" quo audito velut fulmine multi perculsi metuentesque ne illud quoque temptaret evertere, quidquid poterant in eins perniciem clandestinis insidiis concitabant.

26 Untergang

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Heiden entsetzten sich bei d e m G e d a n k e n , d a ß ihr Tempel zerstört w e r d e n k ö n n t e , u n d rüsteten sich z u m W i d e r s t a n d . Inzwischen w a r Kaiser C o n s t a n t i u s g e s t o r b e n (361), u n d Julian „ d e r A b t r ü n n i g e " , F r e u n d der H e i d e n , w a r H e r r s c h e r im Römerreich. General A r t e m i o s w u r d e a b b e r u f e n , Bischof Georgios in H a f t g e n o m m e n . Bald d a n a c h k a m aus K o n s t a n t i n o p e l die N a c h r i c h t , d a ß Artemios z u m T o d e verurteilt sei. H e i d e n u n d O r t h o d o x e w a r e n begeistert. M a n d r a n g in d a s G e f ä n g n i s ein, schlug G e o r g i o s t o t u n d f ü h r t e die Leiche im T r i u m p h d u r c h die Stadt. So sehr Julian auch die Heiden begünstigen m o c h t e , diese regellose Volksjustiz k o n n t e er nicht h i n n e h m e n . Er hat einen Brief nach Alexandria geschickt, in w e l c h e m er die B e w o h n e r der Stadt scharf tadelt. Aber eine Strafe hat er nicht v e r h ä n g t , u n d w e n n m a n den Brief a u f m e r k s a m liest, sieht m a n , d a ß er mit d e m Resultat der Straßenschlachten zufrieden w a r . 1

Prophezeihungen über den Untergang des Sarapeums § 5 5 4 M i t d e m T o d Julians (363) w a r der Versuch gescheitert, d a s H e i d e n t u m zu restituieren. U n t e r den christlichen K o n f e s s i o n e n g e w a n n e n die O r t h o d o x e n bald O b e r h a n d ü b e r die Arianer. N a c h u n d n a c h sind viele heidnische T e m p e l zerstört o d e r in Kirchen u m g e w a n d e l t w o r d e n ; m a n k o n n t e v o r a u s s e h e n , d a ß dieses Schicksal a u c h d a s S a r a p e u m t r e f f e n w ü r d e . E u n a p i o s von Sardis ( 3 4 5 bis etwa 420) berichtet in seinem W e r k ü b e r d a s Leben der Sophis t e n 2 von d e m f r o m m e n Heiden A n t o n i n o s , d a ß er an der M ü n d u n g des k a n o p i s c h e n N i l a r m s (wenig östlich von A l e x a n d r i a ) eine Art O r d e n f r o m m e r Heiden g r ü n d e t e u n d sich ganz den M e n s c h e n w i d m e t e , die sich d o r t einweihen ließen; „ u n d die Blüte der J u g e n d , s o w e i t sie seelisch g e s u n d w a r u n d die Philosophie zu lernen begehrte, k a m bei ihm z u s a m m e n ; sein Heiligt u m w a r voll von jungen Priestern."· 1 Aber A n t o n i n o s sagte „seinen Schülern voraus, d a ß dieses H e i l i g t u m nach seinem T o d nicht mehr bestehen w e r d e u n d d a ß auch die g r o ß e n u n d heiligen T e m p e l des Sarapis ins D u n k l e u n d Gestaltlose versinken u n d u m g e s t ü r z t w e r d e n , d a ß ein D u n k e l wie in den M y t h e n v o m H a d e s sich tyrannisch über das legen w e r d e , w a s auf der Erde das Schönste sei." 4 An diese P r o p h e z e i h u n g h a b e n sich im fernen H i p p o Regius (in N o r d a f r i k a ) die F r e u n d e A u g u s t i n s e r i n n e r t , als d a s S a r a p e u m t a t s ä c h l i c h z e r s t ö r t w u r d e . Sarapis selbst, a n dessen Existenz Augustin u n d seine Freunde nicht zweifelten, den sie aber f ü r einen bösen D ä m o n u n d

1 2

Vgl. J. Bidez, Julian der Abtrünnige (deutsche Übersetzung 1940) 244-246. Das Wort „Sophist" hat hier keine negative Bedeutung; es heißt „kluger Mann, Philosoph".

Eunapios, Vit. soph. VI 9,15-16 p. 36,1-5 Giangrande ( Ά ν τ ω ν ΐ ν ο ς ) τό Κανωβικόν τοΰ Νείλου καταλαβών στόμα ν.tti tote εκεί τελουμένοις προσθείς ολον έαυτόν . . . και ή νεότης των ύγιαινόντων τάς •ψυχάς και φιλοσοφίας επιθυμούντων έφοίτων προς «ύτόν, και τό ιερόν νεανίσκων ίερέιον μεστόν ήν. 4

VI 9,1 p. 36,6-11 G. αύτός μέν οΰν . . . πάσι τοις όμιληταϊς προϋλεγεν ώς μετ' έκεϊνον ούκέτι τό ιερόν εσοιτο. άλλα και τά μεγάλα και αγία τοΰ Σεράπιδος ιερά προς τό σκοτοειδές και άμορφον χωρήσει καί μεταβληθήσεται. και τό μυθωδες και άειδές σκότος τυραννήσει τά επί γης κάλλιστα. - Mit dem Dunkel wird auf die Mönche angespielt, die dunkle Kutten trugen; bei άειδές hörte man "Αιδης mit. Vgl. auch VI 11,10 p. 40,7 G. (Άντωνίνος) πρός απαντας εφασκεν τά ιερά τάφους γενήσεσθαι.

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nicht für einen Gott hielten - Sarapis selbst habe einem seiner Verehrer diese Prophezeihung eingegeben. 1

Die Zerstörung des Sarapeums nach Rufin (391) § 5 5 5 Unter Kaiser Theodosius ( 3 7 9 - 3 9 5 ) kam es zur Katastrophe des Sarapis- und Isiskultes. W i r besitzen hierüber Berichte sowohl der siegreichen Christen als auch der geschlagenen Heiden. Beide Parteien sollen hier zu W o r t kommen, zunächst die Christen, aus deren Schriften uns mehr erhalten ist. 2 Im J a h r 3 9 1 wollte Theophilos, der Patriarch von Alexandria, eine weitere Kirche für den orthodoxen Gottesdienst erbauen und bat den Kaiser um Zuweisung eines geeigneten Grundstücks innerhalb der Stadt. Es wurde ihm ein Baugelände angewiesen, auf welchem früher eine arianische Kirche gestanden hatte, die aber eingestürzt war. Ursprünglich hatte sich auf dem Grundstück ein Dionysostempel befunden. 3 Bei den Ausschachtungsarbeiten kamen Reste des alten heidnischen Gebäudes zutage; darunter befanden sich Phalloi, dionysisches Symbol des Lebens. Der Patriarch wollte den in Alexandria lebenden Heiden vor Augen führen, wie unsittlich ihr Kult sei, und ließ diese Phalloi in spöttischer Prozession durch die Stadt führen. 4 Schon Bischof Georgios hatte offen mit der Zerstörung des Sarapeums gedroht. Die Heiden waren entschlossen, sich zu verteidigen und Widerstand gegen die Christianisierung zu leisten. Anders als viele andere heidnische Kulte sind die des Sarapis und der Isis wenigstens nicht ruhmlos untergegangen. Seele des Widerstandes war der Philosoph Olympios; Philosophen und Professoren waren noch immer vorwiegend Heiden. Die Heiden besetzten das Sarapeum, das auf einem Hügel der Stadt etrichtet war, und benutzten es als Burg. 5 Es kam wieder zu Straßenschlachten, in denen die Heiden sich als die Stärkeren erwiesen. Der Philosoph Helladios hat sich später gerühmt, neun Christen erschlagen zu haben. 6 Die staatlichen Behörden konnten diese bürgerkriegsähnlichen Zustände nicht dulden. Die Funktionäre wollten in Verhandlungen mit den Besetzern des Sarapeums eintreten und versuch-

1 Augustin, De divinatione daemonum Kap. 1 § 1 (p. 5 9 9 Zycha) cum ergo de divinatione daemonum quaereretur et affirmaretur praedixisse nescio quem eversionem templi Serapis, quae in Alexandria facta est, respondí non esse mirandum, si istam eversionem templis et simulacris suis imminere daemones et scire et praedicere potuerunt sicut alia multa, quantum eis nosse et praenuntiare permittitur. Kap. 6 § 11 (p. 6 1 0 ) quid ergo mirum, si tarn imminente templorum et simulacrorum eversione, quam prophetae dei summi tanto ante praedixerant, Serapis daemon alicui cultorum suorum hoc de proximo prodidit, ut suam quasi-divinitatem recedens vel fugiens commendaret? 2 Für das Folgende sind die christlichen Quellen: Rufin, Hist, eccles. X I 2 2 - 3 0 ; Sokrates, Hist, eccles. V 1 6 - 1 7 ; Sozomenos, Hist, eccles. VII 1 5 ; Theodoret, Hist, eccles. V 2 2 . Es gibt viele moderne Darstellungen; ich nenne: O. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt V 2 3 3 - 2 3 4 ; F. Thelamon, Païens et chrétiens au IV e siècle ( 1 9 8 1 ) 2 4 5 - 2 7 9 ; E. Wipszycka, La christianisation de l'Égypte, Aegyptus 6 8 , 1 9 8 8 , 1 1 7 - 1 6 5 . 3

Kirche der Arianer: Rufin; Dionysostempel: Sozomenos.

4

Sokrates und Sozomenos.

5 Rufin X I 2 2 (p. 1 0 2 5 , 2 4 M o m m s e n ) ad templum quasi ad arcem . . . refugiebant; (p. 1 0 2 6 , 3 ) quo arcem defenderent et tyrannidem tenerent. Sozomenos VII 1 5 , 4 (p. 3 2 0 , 9 Β. - Η.) ώς άπ' άκρας. 6

Sokrates V 1 6 .

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ten, den Heiden klar zu m a c h e n , daß die M a c h t des römischen Reiches überwältigend sei und schwere Strafen folgen würden, aber die Heiden hielten sich verbarrikadiert. Schließlich baten die Beamten den Kaiser um Weisung, wie zu verfahren sei. D e r Kaiser entschied: M a n solle die im Sarapeum Verschanzten straflos ausgehen lassen, 1 w e n n sie den T e m p e l räumten; er verzichte darauf, R a c h e für den T o t s c h l a g so vieler Christen zu n e h m e n . Diese seien den M ä r t y r e r t o d gestorben und hätten ihren L o h n im R u h m , den sie erlangt hätten. Aber künftig dürften solche Unruhen nie wieder entstehen; man müsse das Übel an der Wurzel ausrotten. Die Verteidigung der heidnischen Götterbilder habe diesen Bürgerkrieg verursacht. D a r u m sollten die Götterbilder vernichtet, die Tempel abgerissen werden. § 556

Beide Parteien wurden aufgefordert, vor dem T e m p e l zusammenzutreten und den

Befehl des Kaisers zu vernehmen. W a s nun geschah, erzählt R u f i n in einer christlichen Aretalogie. D e r Brief des Kaisers wird verlesen. Gleich zu Beginn tadelt T h e o d o s i u s den „leeren Aberg l a u b e n " der Heiden. „ D a wird von den Unseren unermeßlicher J u b e l r u f e r h o b e n , w ä h r e n d Entsetzen und Angst die Scharen der Heiden ergreift; jeder einer sucht nach einem Versteck; sie spähen aus nach engen Gassen, um zu fliehen, oder mischen sich verstohlen unter die Unsrigen. Allen A n w e s e n d e n 2 w u r d e klar, d a ß die leibhaftige Anwesenheit G o t t e s seinem V o l k M u t zuteilte und daß der rasende D ä m o n (Sarapis), der sich vorher in jenen (den Heiden) ausgetobt hatte, verjagt w a r . 3 Als der kaiserliche Brief verlesen w a r , w a r die M e n g e der Unsrigen bereit, den U r h e b e r des Irrglaubens (den Sarapis bzw. seine Statue) umzustürzen. A b e r die Heiden hatten verbreitet, d a ß die Erde sich auftun und alles ins C h a o s zurückfallen und der H i m m e l plötzlich einstürzen w e r d e , 4 w e n n eine menschliche H a n d das Götterbild berühre. A u f kurze Z e i t w i c h das V o l k zurück; aber einer der Soldaten, bewaffnet mehr durch G o t t v e r t r a u e n als durch W a f f e n , ergriff ein Beil, h o b es in die H ö h e und hieb mit aller G e w a l t in den Kiefer des a l t e n Betrügers (des Sarapis). Beide Parteien e r h o b e n ihr Geschrei; a b e r weder stürzte der H i m m e l ein, noch sank die Erde in sich zusammen. D e r Soldat wiederholte den H i e b wieder und wieder und schlug den aus faulem Holz gefertigten, rauchgeschwärzten D ä m o n nieder; und als er a m Boden lag, zündete m a n Feuer an, und er verbrannte so leicht wie trockenes Holz. D a s H a u p t wurde v o m Hals gerissen und weggeschleppt, w o b e i der G e t r e i d e k o r b a b g e s c h l a g e n wurde; die Beine und die anderen Glieder wurden abgehackt, an Seilen weggezogen und fortgeschleppt; der alte Schläfer wurde gliederweise an verschiedenen Plätzen verbrannt, w o b e i ganz Alexandria, seine Verehrerin, zusehen mußte. Schließlich wurde der R u m p f , der Übriggeblieben

1 „Dies zeigt, wen er für den Angreifer hielt", kommentiert R. Herzog („Der Kampf um den Kult von Menuthis", in: Pisciculi, Studien zur Religion und Kultur des Altertums Franz Joseph Dölger dargeboten [Münster 1939] 119). 2

Es sind die Zeugen wie in den heidnischen Aretalogien.

XI 2 2 cumque haec scripta venissent et... ad audiendum uterque populas convenisset ad templum, statim ut prima epistulae pagina reserata est, in cuius exordio vana gentilium superstitio culpabatur, clamor a nostris immensus adtollitur, Stupor ac pavor gentilium populos invadit; latebras unusquisque quaerere, angustos fugae calles rimari aut nostris se latenter immergere, ut ab omnibus, qui aderant, nosceretur dei praesentia populo suo audaciam tribuente furorem daemonis, qui in Ulis prius debacchatus fuerat, effugatum. 3

4

Diese Vorstellung ist in Ägypten oft belegt, s. § 386.

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w a r , im Amphitheater verbrannt; und dies war das Ende des leeren Aberglaubens und der alten Irrlehren über S a r a p i s . " 1 Die „ H e l l e n e n " (= die Heiden) waren verzweifelt. Auf die Zerstörung der Statue m u ß t e a u c h die des T e m p e l s folgen. Ihr Anführer Olympios redete ihnen gut zu, sie sollten den überlieferten Gottesdienst nicht aufgeben; die Götterstatuen seien aus vergänglicher M a t e r i e , 2 nur Abbilder des G ö t t l i c h e n , und deshalb k ö n n e v o r k o m m e n , daß sie verschwinden; die göttlichen K r ä f t e , welche v o r h e r in den Statuen W o h n u n g g e n o m m e n h ä t t e n , seien vor der Z e r s t ö r u n g z u m H i m m e l e m p o r fortgeflogen. 3 Bald darauf soll O l y m p i o s , der sich nachts im Sarapeum befand, gehört h a b e n , d a ß j e m a n d einen Psalm sang und „ H a l l e l u j a " rief. Aber die T ü r e n w a r e n verschlossen und er erblickte niemanden, hörte aber immer n o c h den Psalm. D a erkannte er, was dies Vorzeichen bedeutete, und verließ das S a r a p e u m heimlich vor der Z e r s t ö r u n g , bestieg ein Schiff und e n t k a m n a c h Italien. 4 Später hieß es, auch er habe vorausgesagt, Sarapis werde seinen T e m p e l verlassen. 5 D a s S a r a p e u m wurde niedergerissen 6 und alle Gegenstände aus wertvollem M e t a l l konfisziert, G o l d und Silber eingeschmolzen und zu neuem Gerät der christlichen Kirchen verarbeitet, das aus den G ö t t e r b i l d e r n g e w o n n e n e M e t a l l der K i r c h e zur Armenpflege ü b e r l a s s e n . 7 E i n e einzige S t a t u e , G o t t T h o t h in Gestalt eines Affen, wurde a u f g e h o b e n zur E r i n n e r u n g , wie lächerlich der heidnische Gottesdienst gewesen war.*® § 5 5 7 D e r Sturz des Sarapis w a r Signal zur Z e r s t ö r u n g aller heidnischen G ö t t e r b i l d e r in Alexandria. „Als so das H a u p t des Götzendienstes niedergeworfen w a r , erlitten a u f Betreiben

1 X I 23 (p. 1 0 2 8 , 9 - 1 0 2 9 , 1 Mommsen) rescripto recitato parati quidem erant nostrorum populi ad subvertendum erroris auctorem; persuasio tarnen quaedam ab ipsis gentilibus fuerat dispersa quod, si humana manus simulacrum illud contigisset, terra dehiscens ilico solveretur in chaos caelumque repente rueret in praeceps. quae res paululum stuporem quendam populis dabat, cum ecce unus ex militibus fide quam armis magis munitus correptam bipennem insurgens omni nisu maxillae veteratoris inlidit. clamor adtollitur utrorumque populorum, neque tarnen aut caelum ruit aut terra descendit, inde iterum atque iterum repetens putris ligni fumosum genium caedit, quodque deiectum igni adhibito tarn facile quam lignum aridum conflagravit. post hoc revulsum cervicibus et depresso modio trahitur caput, tum pedes aliaque membra caesa securibus et rapta funibus distrahuntur, ac per singula loca membratim in conspectu cultricis Alexandriae senex veternosus exuritur. ad ultimum truncus qui superfuerat in amphitheatro concrematur vanaeque superstitionis et erroris antiqui Serapis hic finis fuit. 2

ΰλη heißt „Materie" und „Holz".

Sozomenos VII 15,6 (p. 320,19 Β. - Η.) 'Ολύμπιος... άθυμοϋντας όρων συνεβούλευε μή έξίστασθαι της θρησκείας, ΐλην φθαρτήν και ινδάλματα λέγων είναι τά άγάλματα, και δια τούτο άφανισμόν ΐιπομένειν- δυνάμεις δέ τινας ενοικήσαι αΰτοΐς και είς οΰρανόν άποπτήναι. 3

4

Sozomenos VII 15,9 (p. 321,7 Β. - Η.).

5

Damaskios, Vita Isidori fr. 97 Zintzen (p. 73).

6 An der Stelle des Sarapistempels wurde eine Kirche erbaut, welche den Namen des Kaisers Arkadios ( 3 9 5 - 4 0 8 ) trug (Sozomenos VII 15,10 [p. 321,20 Β. - Η.]). 7 Sokrates, Hist, eccles. V 16 τά μέν οΰν Ιερά κατεστρέφετο, τά δέ άγάλματα των θεων μετεχωνεύετο εις λεβήτια και εις ετέρας χρείας της Άλεξανδρέων εκκλησίας, τοΰ βασιλέως χαρισαμένου τούς θεούς είς δαπανήματα των πτωχών.

" έπί γέλωτι της Ελλήνων θρησκείας.

I Perseus und Andromeda. Aus Boscotrecase. Vgl. Abb. 69.

II lo, A r g o s u n d H e r m e s . Casa del Citarista. Vgl. A b b . 63.

III Io in Ä g y p t e n . C a s a del D u c a d ' A u m a l e . Vgl. A b b . 6 5 .

IV D a s heilige W a s s e r ist g e f u n d e n . A u s H e r c u l a n u m . Vgl. A b b . 72.

V T a n z v o r einem ä g y p t i s c h e n H e i l i g t u m . Aus H e r c u l a n u m . Vgl. A b b . 73.

VI S a k r a l e L a n d s c h a f t . Aus d e m Iseum zu P o m p e i . Vgl. § 192.

VII Isis-Urania, Harpokrates-Helios, Eros. Aus Pompei. Vgl. Abb. 99.

Vlllb Vorbereitungen zu einer Isisprozession, Stabiae. Vgl. Abb. 149.

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des allerwachsamsten Bischofs 1 in ganz Alexandria sämtliche Götterbilder, die man besser Ungeheuerlichkeiten nennen sollte, öffentlich gleiches Ende und ähnliche Schande." 2 Aus Eunapios wissen wir, daß Theophilos zu diesem Zweck die Mönche aus den Klöstern Oberägyptens in die Stadt gerufen hat, Männer, die nur Ägyptisch sprachen und teilweise einen tiefen H a ß auf alles Griechische hatten. 3 Damals ist auch die große Bibliothek des Sarapeums zerstört worden; Augustins Freund Orosius hat die leeren Bücherschränke gesehen. 4

Auch in Kanopos werden die Tempel zerstört § 558 Wenige Kilometer östlich von Alexandria, fast eine Vorstadt, lag Kanopos mit berühmten Isis- und Sarapiskulten. Auch dort wurden die heidnischen Heiligtümer zerstört. „Wer könnte", ruft Rufin aus, „die abergläubischen Schändlichkeiten von Kanopos alle aufzählen? Dort gab es unter dem Vorwand des Unterrichts in der Priesterschrift (der Hieroglyphen) beinahe eine öffentliche Schule der magischen Kunst. 5 Diesen Ort verehrten die Heiden als Quelle und Ursprung der Dämonen so sehr, daß man sie dort mit noch feierlicheren Zeremonien als in Alexandria umgab . . . Alles wurde verwüstet und zu Boden gerissen. Aber der Platz ist danach nicht etwa in schlimmem Zustand verblieben. Die Hütten der Schande und die kraftlosen Grabstätten 6 wurden niedergerissen, und hohe Kirchen wurden als Tempel des wahren Gottes erbaut. So entstand auf dem Grab des Sarapis, 7 nachdem das unfromme Gebäude eingeebnet worden war, auf der einen Seite eine Kapelle zu Ehren eines Märtyrers und auf der anderen Seite eine Kirche." 8 1

Theophilos.

2

Rufin XI 2 4 (p. 1 0 3 0 M.) post haec capite ipso idolatriae deiecto studiis vigilantissimi quaecumque fuerant per totam Alexandriam portenta potius quam simulacra pari exitu et simili publicantur. 3

sacerdotis dedecore

Eunapios, Vitae sophistarum VI 11,6 p. 39,13 Giangrande (in § 5 6 2 zitiert).

4

Er kommt darauf zu sprechen in seiner Erzählung vom alexandrinischen Krieg Caesars, in welchem die Bibliothek des Museums abgebrannt ist. Es ist ihm unangenehm, sagen zu müssen, daß „unsere Leute" (Christen) die Bibliothek des Sarapeums zerstört haben. So fügt er hinzu, daß die Bibliothek des Sarapeums keineswegs groß gewesen sei; es habe in Alexandria immer nur die eine bedeutende Bibliothek gegeben, die des Museums; diese sei zwar zu Caesars Zeit zerstört, aber später wieder ergänzt worden (Hist. VI 15,32): quamlibet bodieque in templis exstent, quae et nos vidimus, armaria librorum, quibus direptis exinanita ea a nostris hominibus nostris temporibus memorent - quod quidem verum est - tarnen bonestius creditur alios libros fuisse quaesitos, qui prístinas studiorum curas aemularentur, quam aliam ullam tune fuisse bibliothecam. 5 Die ägyptischen Priester rühmten sich selber ihrer „magischen Kunst"; diese Magie war dasselbe wie Gottesdienst, s. Piaton, Alkibiades I p. 122A und Appuleius, Apologie 25. 6

Die altägyptischen Götter wurden vielfach als sterblich gedacht, und man zeigte im ganzen Land ihre Gräber. 7 8

Auf dem Platz des Sarapistempels.

XI 2 6 - 2 7 (p. 1 0 3 2 , 7 - 1 1 und 1 0 3 3 , 1 2 - 1 7 M.) Iam vero Canopi quis enumeret superstitiosa flagitiai ubi praetextu sacerdotalium litterarum - ita etenim appellant antiquas Aegyptiorum litteras - magicae artis erat paene publica schola. quem locum velut fontem quendam atque originem daemonum in tantum venerabantur pagani, ut multo ibi maior celebritas quam apud Alexandriam baberetur. . . vastata sunt omnia atque ad solum deducía, sed nihil gestum est, quod in squalorem verteret locum, flagitiorum

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Zerstörung vieler Tempel in ganz Ägypten § 5 5 9 N i c h t nur in Alexandria, sondern in ganz Ägypten sind damals viele Kultplätze der heidnischen G ö t t e r zerstört w o r d e n . „ W e l c h e Heiligtümer irgendeines anderen D ä m o n s " , berichtet R u f i n , „hätten aufrecht stehen bleiben können nach dem T o d des Sarapis, der doch niemals gelebt hatte? Es wäre zu wenig zu sagen, daß alle Schreine jedweden D ä m o n s , die es in A l e x a n d r i a g a b , jede einzelne Säule stürzten, so daß ihnen keine V e r e h r u n g m e h r erwiesen werden konnte; nein, über alle Städte Ägyptens hin, in den Kastellen, in den D ö r f e r n , über alle Felder, an den Ufern des Flusses, ja sogar in der Wüste, wenn m a n irgendwo Heiligtümer - die m a n richtiger G r ä b e r nennen sollte - finden k o n n t e , wurden sie a u f Betreiben des jeweiligen B i s c h o f s eingerissen und eingeebnet, damit das L a n d wieder dem A c k e r b a u z u r ü c k g e g e b e n werde, welches m a n zu Unrecht den D ä m o n e n vorbehalten hatte. In Alexandria a b e r hat m a n auch alle Büsten des Sarapis, welche sich in privaten Häusern an W ä n d e n , in V o r h a l l e n , an T ü r p f o s t e n und auch an Fenstern befanden, weggerissen und abgeschlagen, so d a ß nirgends irgendeine Spur verblieben ist, auch nicht sein oder irgendeines anderen D ä m o n s N a m e ; nein, statt dessen zeichnete jeder das Zeichen des Kreuzes unseres H e r r n an T ü r p f o s t e n , V o r h a l l e n , Fenster, W ä n d e und S ä u l e n . " 1

Ägyptisches Lebenszeichen (anch) und Kreuz § 5 6 0 Rufin fährt f o r t : 2 M a n c h e Heiden erinnerten sich nun daran, daß es in den Hieroglyphen ein dem Kreuz ähnliches Z e i c h e n gegeben habe, das Z e i c h e n Τ (anch), welches „ L e b e n " bedeutet. 3 Sie sagten, es sei ihnen von den Vorfahren her überliefert, daß der bestehende Kult so lange a u f r e c h t erhalten werden k ö n n e , bis ein Z e i c h e n k o m m e n w e r d e , w e l c h e s „ L e b e n " bedeute. Diese Voraussage sei nun eingetroffen, und so bekehrten sich gerade gelehrte Priester zum Christentum. G o t t schickte n o c h ein weiteres Z e i c h e n , aus dem m a n ersehen k o n n t e , d a ß der G a n g der Dinge ihm gefällig war: „ D a es in Ägypten Sitte war, daß die M e ß l a t t e für die H ö h e der Nilflut in den Sarapistempel g e b r a c h t wurde, weil dieser der Urheber der Wasserfülle und der Ü b e r s c h w e m m u n g sei, sagten alle, d a ß nach dem Sturz und der V e r b r e n n u n g seines Standbildes Sarapis dieses Frevels eingedenk die übliche H o c h f l u t nicht schenken werde. Aber G o t t wollte tabernae ac veternosa busta deiecta sunt, et veri dei templa ecclesiae cehae constructae. nam in Serapis sepulcro, profanis aedibus complanatis, ex uno latere martyrium, ex altero consurgit ecclesia. 1 XI 2 8 - 2 9 (p. 1 0 3 4 , 1 8 - 1 0 3 5 , 3 M.) sed post occasum Serapis, qui numquam vixerat, quae iam alterius daemonis stare delubra potuerunt? parum dixerim, si omnes, quae erant Alexandriae, per singulas paene columnas cuiuscumque daemonis aediculae incultae ceciderunt. sed per cunctas Aegypti urbes per castella per vicos per omne rus per ripas fluminis per eremum quoque si qua fana ν el potius busta repperiri potuerunt, instantia uniuscuiusque episcopi subruta et ad solum deducía sunt, ita ut rus denuo culturae redderetur, quod iniuste fuerat daemonibus deputatum. - sed et illud apud Alexandriam gestum est, quod etiam thoraces Serapis, qui per singulas quasque domos in parietibus in ingressibus et postibus etiam ac fenestris erant, ita abscisi sunt omnes et abrasi, ut ne vestigium quidem usquam vel nominis appellatio aut ipsius aut cuiuslibet alterius daemonis remaneret, sed pro his crucis dominicae signum unusquisque in postibus in ingressibus in fenestris in parietibus columnisque depingeret. 2

XI 29. Dasselbe berichten Sozomenos VII 15 und Sokrates V 16.

3

Vgl. auch die Historia Apollonii regis Tyri Kap. 43 (achtes Rätsel der Tarsia; hier § 692 VIII).

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zeigen, daß es nicht etwa Sarapis ist - der viel unbedeutender ist als der Nil - sondern er selbst, der den Wassern des Flusses zur rechten Zeit den Befehl gibt, sich zu mehren. So war die Flut in diesem und den folgenden Jahren so hoch, wie man es von keiner früheren Zeit erinnerte. Deshalb hat man von jetzt an die Nilelle zu dem Herrn der Wasser in die Kirche gebracht." 1 Die Christen haben den Untergang des Sarapeums als großen Sieg empfunden. In einer bebilderten Weltchronik auf Papyrus ist zum Jahr 3 9 1 der Patriarch Theophilos als Sieger über Sarapis abgebildet (Abb. 2 2 3 ) .

In Menuthis bei Kanopos wird ein Märtyrerkult eingerichtet § 5 6 1 Natürlich war das Heidentum damit nicht vollständig ausgerottet. In Menuthis bei Kanopos 2 war zwar der Tempel der Göttin zerstört; aber das Sanatorium, wohin aus aller Welt Kranke strömten, blieb bestehen. Wer die Hoffnung hegte, daß Isis ihm im Traum einen Weg zur Heilung seiner Krankheit zeigen werde, der ging in ein Privathaus, welches Isis geweiht war, vollführte die üblichen Inkubationszeremonien (Weihrauchopfer und Bitte um ein Traumorakel) und verbrachte dort die Nacht; Isis erschien dem Ratsuchenden und gab Weisung; das sagt der Patriarch Kyrillos selbst. 3 Im Sanatorium hat man dann versucht, den Kranken zu helfen, durch ärztliche Kunst oder auch mit den im Traum empfohlenen Mitteln. Die Christen konnten nicht gut das ganze Sanatorium aufheben. Kyrillos ( 4 1 2 ^ 4 4 4 ) , Nachfolger des Patriarchen Theophilos, fand einen Weg: Er ersetzte den geheimen Inkubationskult der Isis durch einen entsprechenden christlichen Kult. Auszüge aus drei Predigten sind erhalten. „Dieses Gebiet benötigte dringend Ärzte, die mit Gottes Hilfe heilen. Damit also für den Nutzen aller Orte gesorgt sei . . . - denn die Leute gingen, weil sie kein Märtyrergrab hatten, an gewisse andere Plätze, und sündigten, obwohl sie Christen waren - ; deshalb mußte ich notgedrungen Reliquien heiliger Märtyrer suchen." 4

* XI 30 (p. 1035,15-24 M.) Sane quoniam morts erat in Aegypto, ut mensura ascendentis Nili fluminis ad templum Serapis deferretur velut ad incrementi aquarum et inundationis auctorem, subverso eius simulacro ignique consumpto omnes simul negabant Serapin iniuriae memorem aquas ultra et afßuentiam solitam largiturum. sed ut ostenderet deus non Serapin, qui multo erat Nilo posterior, sed se esse, qui aquas fluminis temporibus suis tuberei excrescere, tanta ex eo et deinceps fuit inundatio, quantam fuisse prius aetas nulla meminerat. et ideo ulna ipsa, id est aquae mensura, quam πήχνν vocant, ad aquarum dominum in ecclesiam coepta deferri. 2

S. § 377 Anmerkung.

Migne, P. G. 77,1105. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in dem Buch des Zacharias Scholastikos über das Leben des antiochenischen Bischofs Severus, welches nur in syrischer Übersetzung erhalten ist; französische Übersetzung von M. A. Kugener, Patrologia Orientalis II fase. 1 (No. 6) „Sévère, patriarche d'Antioche 5 1 2 - 5 1 8 . Textes syriaques publiés, traduits et annotés par M.-A. Kugener. Première partie: Vie de Sévère par Zacharie scholastique" (1903) 16-35. Der hier einschlägige Abschnitt ist wiederholt bei A. Bernand, Le delta égyptien d'après les textes grecs I, Les confins libyques (Le Caire 1970) 2 0 7 213. 3

4 Migne, P. G. 77,1101 τά μέρη ταύτα εχρηζεν ιατρών θεραπευόντων διά θεού. ϊνα τοίνυν πάντας ώφελήσωμεν τούς τόπους, και μάλιστα τους περικειμένους τη των άγιων ευαγγελιστών εκκλησία άπήεισαν γάρ οΰκ εχοντες μαρτύριον εις έτερους τινάς τόπους, και Χριστιανοί οντες έσφάλλοντο -, διά τοϋτο άναγκαίως έζητήσαμεν άγιων μαρτύρων λείψανα. Noch der Christ sucht und findet.

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Er entdeckte in der Kirche des heiligen M a r c u s zu Alexandria ein Grab, in welchem die Gebeine zweier Märtyrer ruhten, des Mönchs Kyros und des Soldaten Johannes. Er überführte diese Reliquien in das Mönchskloster von Menuthis und forderte auf, von jetzt ab die Hilfe dieser Heiligen zu suchen: „ K o m m e n sollen also diejenigen, die früher in die Irre gingen; sie sollen zu der wahren Arztpraxis kommen, wo nicht geschachert wird. 1 Bei uns erdichtet niemand Träume; 2 niemand sagt zu denen, die gekommen sind: .Gesprochen hat die Herrin:^ Tue das und das.' . . . Sie sollen niedertreten die Altweibermärchen und die alten Tricks der Zauberer, sollen zu den wahren Ärzten kommen, die ihre Weisung von oben erhalten, denen der allmächtige Gott die Macht gegeben hat, heilen zu können, als er sprach: Heilt die Kranken! Umsonst habt ihr empfangen; so gebt auch umsonst." 4 Kyrillos richtete bei dem Kloster einen Inkubationskult ein. Die christliche Ersatzgründung ist rasch aufgeblüht; 5 immerhin hat sich die Inkubation bei Isis noch etwa zwei Generationen lang erhalten, unter stillschweigender Duldung der Dorfbewohner. Erst unter dem Patriarchen Petros M o n g o s ( 4 8 2 - 4 9 0 ) ist das private Isisheiligtum zerstört worden. 6

Eunapios von Sardis über den Untergang der Sarapistempel § 5 6 2 Wie sich die geschilderten Ereignisse, mit den Augen eines philosophischen Heiden betrachtet, darstellten, lesen wir bei Eunapios von Sardis. Nachdem er erzählt hat, daß der fromme Heide Antoninos die Zerstörung des Sarapeums prophezeit habe, fährt Eunapios fort: „ K a u m hatte jener die Menschen verlassen, als der Gottesdienst in Alexandria und am Sarapeum vernichtet wurde; und zwar nicht allein der Gottesdienst, sondern auch die Gebäude; alles ereignete sich wie in den Mythen der Dichter, indem die Giganten (die Gottesfeinde) siegten. Dasselbe erlitten die Heiligtümer zu K a n o p o s . Kaiser war damals T h e o d o s i o s , 7 Vorsteher der Gottlosen (der Christen) Theophilos, ein Mensch wie Eurymedon, der einstmals (bei Homer) Herrscher der übermütigen Giganten war; Euagrios war

1

dert. 2

Für Ratschläge, welche Kyros und Johannes im T r a u m erteilen, wird kein ärztliches H o n o r a r geforVon Kyros und Johannes gesandte Träume sind wahr.

3 ή κ υ ρ ά . Kyrillos hat für einen seiner Märtyrer den N a m e n „ K y r o s " gewählt, um die „ K y r a " (Herrin) Isis durch seinen Heiligen zu ersetzen. Der Ort heißt noch heute Abukir, nach (Aba) Kyros und letztlich nach der „ H e r r i n " Isis. Derselbe Kyrillos, der die κ υ ρ ά Isis durch den Märtyrer Kyros ersetzt hat, hat an der Spitze der ägyptischen Teilnehmer am Konzil zu Ephesos (431) durchgesetzt, daß M a r i a als „Gottesgebärerin" (θεοτόκος) heilig gesprochen und verehrt wurde. 4 P. 1 1 0 5 ή κ έ τ ω σ α ν τοίνυν οί πάλαι πλανώμενοι· έρχέσθωσαν εις ά λ η θ ι ν ό ν κ α ι ά κ α π ή λ ε υ τ ο ν ίατρεΐον· ουδείς γαρ ή μ ΐ ν όνείρατα πλάττεται· ουδείς λέγει τοις έρχομένοις· ε'ιρηκεν ή κυρά - ,,ποίησον τό και τ ό " . . . πατήσαντες τοίνυν τά γραώδη μυθάρια και τά πάλαι των γσήτων έμπαίγματα έρχέσθωσαν έπί τούς α λ η θ ι ν ο ύ ς κ α ι ά ν ω θ ε ν ιατρούς, οις ό πάντα ισχύων θ ε ό ς του θ ε ρ α π ε ύ ε ι ν δ ύ ν α σ θ α ι τ η ν έξουσίαν έχαρίσατο λέγων· ,,άσθενοϋντας θεραπεύετε- δωρεάν έλάβετε, δωρεάν δ ό τ ε " (Matth. 10,8). 5 Wir besitzen das lange Buch des Sophronios über die Mirakel der Heiligen Kyros und Johannes (ed. N . Fernandez M a r c o s , L o s Thaumata de Sofronio, Madrid 1975). 6 Ausführlich beschrieben in der Vita Severi des Zacharias Scholastikos; vgl. R. Herzog in: Pisciculi F. J. Dölger (s. die Anmerkung zu § 555). 7

Eunapios nennt die N a m e n der Verantwortlichen; die Nachwelt wird urteilen.

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O b e r h a u p t der zivilen Angelegenheiten 1 , Romanos mit dem Befehl über die Soldaten in Ägypten betraut 2 . Diese M ä n n e r schlossen sich zum Kampf gegen .dämonische' Steine dicht aneinander, mit einem M u t von Steinmetzen, und griffen die heiligen Stätten an, o b w o h l niemand irgendetwas von Krieg gehört hatte; sie schändeten das Sarapeum und führten Krieg gegen die Weihgeschenke und siegten einen Sieg, bei dem es keinen Gegner und keinen Kampf gab. Sie k ä m p f t e n so tapfer gegen Statuen und Weihgeschenke, daß sie diese nicht nur besiegten, sondern auch bestahlen; und ihre Kriegsordnung bestand darin, daß jeder Dieb unerkannt bleiben solle. Vom Sarapeum nahmen sie allein die Grundmauern nicht weg, weil die Steine zu schwer waren und sich nicht leicht bewegen ließen. 3 D a n n warfen sie alles übereinander und verwüsteten es, die tapferen Krieger, die Edlen, und streckten ihre H ä n d e aus, nicht blutbefleckt, aber nicht ohne Geldgier, und sagten, sie hätten die Götter besiegt, und rechneten sich den Tempelr a u b und die Gottlosigkeit zum R u h m an. Danach siedelten sie auf dem heiligen Gelände die sogenannten M ö n c h e an, die zwar wie Menschen aussahen, deren Leben aber das von Schweinen war, und die ganz öffentlich unendlich viele schlimme Dinge, die man gar nicht aussprechen darf, erlitten und ausführten. Aber dennoch schien eben dies als f r o m m , das Göttliche zu verachten; denn damals hatte jeder Mensch, der einen schwarzen Kittel trug, die Rechte eines Tyrannen, auch wenn er sich in aller Öffentlichkeit schändlich betrug. Z u einem solchen Gipfel der Tugend ist das Menschengeschlecht fortgeschritten . . . Diese M ö n c h e haben sie auch in Kanopos angesiedelt und das Menschengeschlecht dazu verpflichtet, anstelle der nur im Geist w a h r n e h m b a r e n Götter den Kult von Sklaven zu verrichten. Sie brachten nämlich die Knochen und die Schädel von Menschen zusammen, die wegen vieler Vergehen verurteilt worden waren, welche das staatliche Gericht bestraft hatte, und erhoben sie zu Göttern und wälzten sich vor ihren Grabmälern im Staub und glaubten, bessere Menschen zu werden, wenn sie sich bei den G r ä b e r n schmutzig machten. Diese Leute wurden Märtyrer genannt und D i a k o n e und Gesandte, welche die Gebete zu den Göttern brächten, und dabei w a r e n sie Sklaven, die ihren Dienst schlecht versehen hatten, die auf den Abbildungen von Geißelhieben übersät waren und ihrer Schlechtigkeit entsprechende Wunden an sich trugen; aber gleichviel, die Erde erträgt diese Götter."4

1

Praefectus Augustalis. Comes Aegypti. 3 A. Rowe hat diese Grundmauern aufgefunden. 4 Vit. soph. VI 11,1-10 p. 38,11-40,5 G. ού γαρ εφθανεν έκεϊνος έξ ανθρώπων άπιών, καί ή τε θεραπεία των κατά τήν Άλεξάνδρειαν καί τό Σεραπείον Ιερόν διεσκεδάννυτο· ούχ ή θεραπεία μόνον, άλλα καί τά οικοδομήματα, καί πάντα έγίνετο καθάπερ έν ποιητικοίς μύθοις, των Γιγάντων κεκρατηκότων. καί τά περί τον Κάνωβον ιερά ταύτό τούτο επασχον, Θεοδοσίου μέν τότε βασιλεύοντος, Θεοφίλου δέ προστατοϋντος των έναγών, άνθρωπου τινός Εύρυμέδοντος δς ποθ' ύπερθύμοισι Γιγάντεσσιν βασίλευεν (η 59), Εύαγρίου δέ τήν πολιτικήν άρχήν άρχοντος, 'Ρωμανού δέ τους κατ' Αιγυπτον στρατιώτας πεπιστευμένου· ο'ίτινες, άμα φραξάμενοι κατά [των δαιμονίων (?)] λίθων, καί λιθοξόων (εχοντες) θυμόν, επί ταΰτα βαλλόμενοι, πολέμου δέ μήτε άκοήν υφιστάμενοι, τώι τε Σεραπείωι κατελυμήναντο καί τοις άναθήμασιν έπολέμησαν, άνανταγώνιστον καί άμαχον νίκην νικήσαντες, τοις γοϋν άνδριάσι καί άναθήμασι ές τοσόνδε γενναίως έμαχέσαντο, ώστε ου μόνον ένίκων αυτά, άλλά καί εκλεπτον, καί τάξις ήν αύτοΐς πολεμική τό ύφελόμενον λαθεΐν. του δέ Σεραπείου μόνον τό έδαφος ούχ ύφείλοντο διά βάρος των λίθων, ού γάρ ήσαν εύμετακίνητοι· συγχέαντες δέ απαντα καί ταράξαντες, οί πολεμικώτατοι καί γενναίοι, καί τάς χείρας αναίμακτους μέν, ούκ άφιλοχρημάτους δέ προτείνοντες, τούς τε θεούς εφασαν νενικηκέναι, καί τήν ίεροσυλίαν καί τήν άσέβειαν εις έπαινον σφών αύτών κατελογίζοντο. είτα 2

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Die Götter haben Ägypten verlassen § 563 Thema dieses Buches ist die Religion des alexandrinischen Götterpaars Sarapis und Isis. So verfolgen wir nicht weiter die Zerstörung der heidnischen Tempel und ihre Umwandlung in Kirchen. 1 Der Kult des Sarapis war vernichtet, als seine Tempel in Alexandria und der Umgebung niedergerissen wurden. Er war Stadtgott von Alexandria gewesen; der ägyptischen Bevölkerung war er in seiner gräzisierten Gestalt fremd geblieben. Das Isisheiligtum auf der Insel Philae, welches auch von den Äthiopiern besucht wurde, ist erst unter Justinian aufgehoben worden, 2 zwischen 535 und 537; der Tempel wurde in eine Kirche des heiligen Stephanos umgewandelt. Inschriften, welche dieses Ereignis feiern, haben sich erhalten. 3 Auf den Tempelwänden wurde das Zeichen des Kreuzes angebracht. 4 Für Isis und Sarapis hat sich eine Prophezeihung bewahrheitet, welche Hermes Trismegistos seinem Sohn Asclepius gegeben haben soll: 5 Futurum tempus est, cum adpareat Aegyptios incassum pia mente divinitatem seduta religione servasse, et omnis eorum sancta veneratio in inritum casura frustrabitur. e terris enim et ad caelum recursur a divinitas,linquetur-

Es wird eine Zeit kommen, w o sich zeigen wird, daß die Ägypter vergeblich die Gottheit in frommem Sinn und eifrigem Dienst verehrt haben, und all ihre fromme Verehrung wird sinnlos und ohne Erfolg bleiben. Die Gottheit wird von der Erde zum Himmel zurückkehren, und Ägypten wird verlassen sein, und das Land,

έπεισήγον τοις ίεροΐς τόποις τους καλουμένους μοναχούς, ανθρώπους μέν κατά τό είδος, ό δέ βίος αύτοΐς συώδης, και ές τό εμφανές επασχόν τε και έποίουν μυρία κακά και άφραστα. άλλ' δμως τοϋτο μέν ευσεβές έδόκει, τό καταφρονεΐν του θείου· τυραννικήν γαρ ειχεν έξουσί,αν τότε πας άνθρωπος μέλαιναν φορών έσθήτα, και δημοσίαι βουλόμενος άσχημονεΐν- εις τοσόνδε αρετής ηλασε τό άνθρώπινον . . . τούς δέ μοναχούς τούτους και ε'ις τον Κάνωβον καθίδρυσαν, άντί των νοητών θεών εις άνδραπόδων θεραπείας, και ούδέ χρηστών, καταδήσαντες τό άνθρώπινον. όστέα γαρ και κεφαλάς τών επί πολλοίς άμαρτήμασιν έαλωκότων συναλίζοντες, ους τό πολιτικόν έκόλαζε δικαστήριον, θεούς τε άπεδείκνυσαν και προσεκαλινδοϋνχο τοις όστοΐς και κρείττους ΰπελάμβανον είναι μολυνόμενοι προς τοις τάφοις. μάρτυρες γοϋν έκαλοΰντο και διάκονοι τίνες και πρέσβεις τών αιτήσεων παρά τών θεών, άνδράποδα δεδουλευκότα κακώς και μάστιξι καταδεδαπανημένα, και τάς της μοχθηρίας ώτειλάς έν τοις είδώλοις φέροντα· άλλ' δμως ή γη φέρει τούτους τούς θεούς. 1 Es sei verwiesen auf R. Rémondon, Β. I. F. Α. O. 51, 1952, 63-78; P. Chuvin, Chronique des derniers païens. La disparition du paganisme dans l'empire romain (1991); auch auf die älteren Darstellungen von Ε. v. Lasaulx, Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner Tempelgüter (1854, oft nachgedruckt); J. Geffcken, Der Ausklang des griechisch-römischen Heidentums (1920); V. Schultze, Geschichte des Untergangs des griechisch-römischen Heidentums (1887-1892). 2 Prokop, Bell. Pers. I 19,36; vgl. auch Priskos fr. 27 Blockley (das Heiligtum gemeinsam von Römern und Blemmyern benutzt); Marinos, Vita Prodi 19 zeigt, daß der Tempel um 485 noch benutzt wurde. 3 E. Bernand, Inscr. Philae 200-204; vgl. P. Nautin, Cahiers archéologiques 17, 1967, 1—43 „La conversion du temple de Philae en église chrétienne". 4 Vgl. den Befehl der Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. aus dem Jahr 435: cuncta eorum (sc. paganorum) fana templa delubra . . . destruí conlocationeque venerandae Christianae religionis signi expiari praecipimus (Cod. Theodos. XVI 10, 25). 5 Asclepius 24. Augustin hat diese Prophetie gekannt, s. De civitate dei VIII 23 und 26.

26 Untergang que Aegyptus, terraque, sedes religionum quae fuit, viduata numinum praesentia destituetur. . . quasi de legibus a religione pietate cultuque divino statuetur praescripta poena prohibitio. tunc terra ista sanctissima, sedes delubrorum at que templorum, sepulcrorum erit mortuorumque pienissima, o Aegypte Aegypte, religionum tuarum solae supererunt fabulae eaeque incredibiles posteris tuis solaque supererunt verba lapidibus incisa tua pia facta narrantibus.

welches der Platz der religiösen Riten war, wird die Gegenwart der Götter entbehren und verlassen sein . . . Als ob dies rechtens wäre, wird ein Verbot von Religion, Frömmigkeit und Kult der Götter erlassen und eine Strafe dafür festgesetzt werden. Dann wird dieses allerheiligste Land, Sitz der Heiligtümer und Tempel, voll sein von Gräbern und Toten. O Ägypten, Ägypten, von deinen Religionen werden nur noch Erzählungen übrig sein, und sie werden deinen N a c h k o m m e n unglaublich scheinen; übrig bleiben werden nur in Stein gemeißelte Worte, welche deine frommen Taten erzählen.

Zweiter Teil Die Isisromane

27 Der religiöse Sinn der Romane άείσω ξυνετοΐσι Ich singe für jene, die es verstehen Orpheus fr. 334

Die Romane als Schlüsseltexte § 564 Die im ersten Teil dieses Buches herangezogenen Texte liefern uns viele einzelne Fakten, aber der innere Zusammenhang tritt uns erst in den Romanen entgegen, welche für die Verehrer der ägyptischen Götter geschrieben sind. Vier solche Werke sind erhalten, die Metamorphosen des Appuleius, die Liebes- und Reiseromane des Xenophon von Ephesos und des Achilleus Tatios sowie die Historia Apollonii regis Tyri. In diesen Büchern überblicken wir den geistigen Horizont, in welchem die Verehrer von Isis und Sarapis lebten. Freilich, viele Gelehrte erkennen nicht an, daß die genannten Texte Isis-Romane sind. 1 Zwar ist offenkundig, daß Xenophon einen Missionsroman im Dienst der Isis geschrieben hat, aber man hat kaum Folgerungen daraus gezogen. Zwar wird Lucius, der Held der Metamorphosen, im XI. Buch in den Isiskult eingeweiht; aber bei der Erklärung der ersten zehn Bücher läßt man diese Tatsache beiseite. Die offen zutage liegende Mysterienbedeutung des Mythos von Psyche und Cupido wird nur von wenigen Autoren anerkannt. Der Roman des Achilleus Tatios und die Historia Apollonii werden rein säkular gedeutet. Aber wer die im ersten Teil vorgeführten Tatsachen präsent hat, wird erkennen, daß eine religiöse Deutung der genannten Romane unvermeidlich ist. Eine nähere Betrachtung dieser Texte wird in vieler Hinsicht fruchtbar sein: Wir werden das allgemeine Lebensgefühl und die Vorstellungswelt der Isisdiener kennenlernen; und wir werden den religösen Sinn dieser Texte begreifen. Wer die antiken Romane allein als literarische Werke interpretiert, dem werden sie stereotyp, oberflächlich, banal erscheinen. N u r wenn man die religiöse Dimension einbezieht, wird man diese Texte verstehen.

Oberflächensinn und Hintersinn § 565 Der religiöse Sinn der ersten zehn Bücher des Appuleius, des Achilleus Tatios und der Historia Apollonii liegt nicht an der Oberfläche. Diese Werke sind über weite Strecken hin auf zwei Ebenen zu verstehen, derjenigen der Erzählung und der anderen des Rituals, der Religion.

1

Die Beziehung der R o m a n e auf die Religion hat K. Kerényi 1 9 2 7 entdeckt; ich h a b e seine These 1 9 6 2 a u f g e n o m m e n ( „ R o m a n und M y s t e r i u m " ) .

336 27 Der religiöse Sinn der Romane Freilich haben die Gelehrten des 19. und 20. Jahrhunderts der Annahme skeptisch gegenüber gestanden, daß Literaturwerke auf zwei Ebenen gelesen werden können. Sie meinten, daß damit T ü r und T o r f ü r bodenlose Spekulationen geöffnet werde. Aber die antiken Leser haben mit solchen Darstellungsformen gerechnet. Das ist gut bezeugt. Schon der O r p h e u s - K o m m e n t a t o r des Derveni-Papyrus liest - freilich zu Unrecht - in die Verse einen anderen Sinn hinein als denjenigen, welcher sich auf den ersten Blick ergibt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß es die literarische Technik der zwei Ebenen gegeben hat. Einige antike Zeugnisse über Schriftstellerei auf zwei Sinnesebenen seien vorgeführt. § 566 Iamblich sagt von den Pythagoreern, daß sie ihre Lehren mit Bedacht verschlüsselten: „Die wichtigste Art des Unterrichts war diejenige mit Symbolen. Diese Art wurde bei fast allen Griechen wegen ihrer ehrwürdigen Altertümlichkeit betrieben, aber besonders bei den Ägyptern in der verschiedensten Weise in Ehren gehalten. In derselben Weise verwendete auch Pythagoras große Sorgfalt darauf . . . Die aus seiner Schule Kommenden . . . haben ihre Gespräche und ihre Unterhaltungen miteinander und Merksprüche und Andeutungen und auch ihre Schriften und alles, was veröffentlicht wurde, nicht in der üblichen, volkstümlichen und allen anderen vertrauten Redeweise abgefaßt, auf daß sie gleich beim ersten H ö r e n verständlich seien; haben nicht versucht, ihre Worte so zu setzen, daß man ihnen leicht folgen könne; nein, sie haben die Sache angefaßt gemäß der ihnen von Pythagoras auferlegten V e r s c h w i e g e n h e i t ü b e r d i e g ö t t l i c h e n E i n w e i h u n g s r i t e n u n d dem V e r b o t des n ä h e r e n U m g a n g s mit d en Ν i c h t - E i n g e w e i h t e n und haben ihre Gespräche miteinander und ihre Schriften durch Symbole verdeckt und geschützt. Und w e n n man die symbolischen Reden nicht der Schalen entkleidet und sie entfaltet und in Erklärung ohne Spott begreift, d a n n könnten sie jenen, die zufällig darauf stoßen, wie lächerliches Gerede alter Weiber voller Geschwätz und Geschwafel scheinen; w e n n man sie aber nach dem f ü r diese symbolischen Reden nötigen Verfahren entfaltet und sie statt dunkel für die Menge nun deutlich und einsichtig werden, dann steht es mit ihnen wie mit den Sprüchen und Orakeln des pythischen Gottes: es zeigt sich, daß sie einen wunderbaren Sinn enthalten, und sie erregen in jenen Freunden der Worte, welche sie verstehen, eine göttliche Inspiration." 1

1 De vita Pythagorica 103-105 (p. 59,17-61,4 Deubner): 'Αναγκαιότατος δέ . . . τρόπος διδασκαλίας υπήρχε και ó διά συμβόλων, ó γαρ χαρακτήρ ούτος καΐ παρ' Έλλησι μέν σχεδόν απασιν ατε παλαιότροπος ών έσπουδάζετο, έξαιρέτως δέ παρ' Αίγυπτίοις ποικιλώτατα έπρεσβεύετο. κατά τά αυτά δέ και παρά Πυθαγόραι μεγάλης σπουδής έτύγχανεν . . . και γάρ οί έκ του διδασκαλείου τούτου . . . τάς τε διαλέξεις και τάς προς άλλήλους ομιλίας και τους υπομνηματισμούς τε και υποσημειώσεις και αύτά ήδη τά συγγράμματα και έκδόσεις πάσας . . . οΰ τήι κοινήι και δημώδει και δή και τοις άλλοις απασιν ε'ιωθυίαι λέξει συνετά έποιοϋντο έξ έπιδρομής τοις άκούουσι, πειρώμενοι εύπαρακολούθητα τά φραζόμενα ύπ' αυτών τίθεσθαι, άλλά κατά την νενομοθετημένην αύτοίς ύπό Πυθαγόρου έχεμυθίαν θείων μυστηρίων και προς τους άτελέστους απορρήτων τρόπων ήπτοντο και διά συμβόλων έπέσκεπον τάς προς άλλήλους διαλέξεις ή συγγραφάς. και ε'ι μή τις αύτά τά σύμβολα έγλέψας* διαπτύξειε και άμώκωι έξηγήσει περιλάβοι, γελοία αν και γραώδη δόξειε τοις έντυγχάνουσι τά λεγόμενα, λήρου μεστά καΐ άδολεσχίας. έπειδάν μέντοι κατά τον των συμβόλων τούτων τρόπον διαπτυχθήι και φανά και εύαυγή* * άντί σκοτεινών τοις πολλοίς γένηται, θεοπροπίοις και χρηστοΐς τισι τοΰ Πυθίου άναλογει και θαυμαστήν έκφαίνει διάνοιαν, δαιμονίαν τε έπίπνοιαν έμποιει τοις νενοηκόσι τών φιλολόγων. Textkritische Notiz: (*) έγλέψας (zu έγλέπω herausschälen) Merk., έκλέξας cod. (**) εύαυγή G. Η. Schäfer, εύαγή cod.

27 Der religiöse Sinn der Romane

337

§ 567 In der Anthologie des Stobaios heißt es unter der Überschrift „Pythagoreisches" (Πυθαγορικά): „Und wirklich ist nichts der pythagoreischen Philosophie so eigen wie die symbolische Redeweise, eine Art des Unterrichts, die wie bei einer Initiation a us S p r e c h e n u n d S c h w e i g e n g em i s c h t ist, so daß nicht etwa gesagt wird ,Ich singe für jene, die es verstehen; ihr Profanen, schließt die Türen' (Orph. 334 K.), sondern daß das Gesagte für die Freunde Licht und Sinn aus sich selbst erhält, daß es aber den Unerfahrenen und Fremden dunkel und unverständlich bleibt. Denn so wie der Herr in Delphi nach den Worten Heraklits (Vors. 22 Β 93) weder spricht noch verbirgt, sondern bedeutet, so ist es bei den pythagoreischen Symbolen: Das, was anscheinend gesagt wird, verbirgt, und das, was verborgen ist, wird verstanden." 1 Nach Iamblich teilte Pythagoras seine symbolische Redeweise mit den Ägyptern, eine Redeweise mit zwei Sinn-Ebenen. Porphyrios berichtet, daß Chairemon, der Stoiker und ägyptische Priester (1. Jahrhundert n. Chr.), sich dieser metaphorischen Redeweise bedient habe. 2 § 568 In der pseudo-plutarchischen Schrift über Homer wird vorgeschlagen, auch die homerischen Gedichte allegorisch zu interpretieren: 3 „Wenn die Gedanken durch Rätselreden und mythische Erzählungen mitgeteilt werden, so darf man das nicht für sonderbar halten. Der Grund dafür liegt im Wesen der Poesie und dem Brauch der Alten. Die Lernbegierigen werden durch die Kunst der Musen leichter dazu geführt, nach der Wahrheit zu suchen und sie zu finden, und die Toren können das nicht verachten, was sie nicht verstehen. Denn was d u r c h e i n e n H i n t e r s i n n b e z e i c h n e t wird, lockt an, während das klar Gesagte billig scheint." Für Plutarch ist selbstverständlich, daß die Vorschriften der ägyptischen Religion auf zwei Ebenen zu verstehen sind. In „De Iside" unterscheidet er für die Vorschrift, daß die Priester keine Fische essen dürfen, zwei Gründe: Der eine ist „heilig und subtil" (ιερός και περιττός) und stimmt zu den philosophischen Auslegungen des Mythos von Osiris und Typhon, 4 der andere ist „offenkundig und auf der Hand liegend" (εμφανής και πρόχειρος). 1 Anthol. III 1,199 (p. 150,17-151,9 Hense): Και μήν ούδέν έστιν οϋτω της Πυθαγορικής φιλοσοφίας ίδιον ώς τό συμβολικόν, οιον έν τελετήι μεμιγμένον φωνηι και σιωπήι διδασκαλίας γένος, ώστε μή λέγειν ,,άείσω ξυνετοΐσι, θύρας δ' έπίθεσθε βέβηλοι", άλλ' αύτόθεν εχειν φως και χαρακτήρα τοις συνήθεσι τό φραζόμενον, τυφλό ν δε καί ασημον είναι τοις άπείροις. ώς γάρ ό άναξ ό έν Δελφοΐς οϋτε κρύπτει, άλλα σημαίνει κατά τόν Ήράκλειτον, οϋτω τών Πυθαγορικών συμβόλων και τό φράζεσθαι δοκούν κρυπτόμενόν έστι καί τό κρύπτεσθαι νοούμενον. 2 Eusebios, Hist, eccles. VI 19,8 = Chairemon, Testimonium 9 (p. 4 Van der Horst) = Porphyrios, Κατά Χριστιανών fr. 39 Harnack: Porphyrios warf Horigenes vor, daß er die Bücher des Chairemon und Annaeus Cornutus benutzt, aus ihnen die allegorische Erklärung der griechischen Mysterien erlernt und sie auf die heilige Schrift der Juden angewendet habe (έχρήτο δέ [sc. ό Ώριγένης] καί Χαιρήμονος τού Στωικού Κορνούτου τε ταΐς βίβλοις, παρ' ών τόν μεταληπτικόν τών παρ' "Ελλησιν μυστηρίων γνούς τρόπον ταΐς Ίουδαϊκαΐς προσήψεν γραφαίς). 3 De Homero II 92 (p. 44,952-45,958 Kindstrand): εί δέ δι' αινιγμάτων καί μυθικών λόγων τινών έμφαίνεται τά νοήματα, ού χρή παράδοξον ήγείσθαι· τούτου γάρ αίτιον ή ποιητική καί τό τών αρχαίων ήθος, δπως οί μέν φιλομαθοϋντες μετά τίνος εύμουσίας ψυχαγωγούμενοι ραον ζητώσί τε καί εΰρίσκωσι τήν άλήθειαν, οί δέ άμαθεις μή καταφρονώσι τούτων ών ού δύνανται συνιέναι· καί γάρ έστί πως τό μέν δι' ΰπονοίας σημαινόμενον άγωγόν, τό δέ φανερώς λεγόμενον ευτελές. 4 Kap. 7 (λόγον) συνάδοντα τοις περί Όσίριδος καί Τυφώνος όσίως φιλοσοφουμένοις. Plutarch teilt den „subtilen" Grund nicht mit.

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27 Der religiöse Sinn der Romane

Unter den Autoren, welche eine philosophische Auslegung des ägyptischen Mythos geben, unterscheidet Plutarch die „Simplen" (άπλούστατοι, Kap. 32) und die „Klügeren" (σοφώτεροι, Kap. 33). Beider Deutungen können nebeneinander bestehen. Der Mythos von Isis und Osiris enthält die Andeutung eines tieferen Sinnes, der die Gedanken auf anderes hinlenkt. 1 Dieser hintergründige, allegorische Sinn ist der entscheidende. Wer in die ägyptische Priesterkaste aufgenommen wurde, dem teilte man die philosophischen Lehren mit, die meist unter Mythen und Geschichten verborgen waren, welche die Wahrheit nur schwach andeuteten und durchscheinen ließen. Die Sphingen vor den ägyptischen Tempeln deuteten an, daß die Theologie der Ägypter eine geheimnisvolle Weisheit sei. 2 § 569 Charakteristisch für die Ansicht, daß man bei allem Ägyptischen nach einem tieferen Sinn fragen müsse, ist der Eingang der „Aigyptioi" des Synesios: „Diese Erzählung ist ägyptisch; die Ägypter sind in ihrer Weisheit subtil. Vielleicht deutet diese (meine) Erzählung, die auch ein Mythos ist, auf mehr als den Mythos; denn sie ist ja ägyptisch." 3 Horigenes wirft dem Christengegner Celsus vor, er polemisiere gegen eine Religion, von der er nur den Oberflächensinn verstehe; er befinde sich in derselben Lage wie ein Mann, der durch Ägypten reise und sich nur von den Laien über die Religion des Landes belehren ließe, ohne mit den Priestern zu sprechen und von ihnen die geheimen Lehren zu lernen, wo doch die „Weisen" (die Priester) vieles über ihre Götter „philosophieren", während die Laien nur Mythen hören, deren Sinn sie nicht verstehen. Wenn ein solcher Mann dann meinte, er habe alles über die Religion der Ägypter gelernt, so würde er sich sehr irren. 4 Es besteht also nicht der mindeste Zweifel, daß man in der römischen Kaiserzeit annahm, alles, was über die ägyptische Religion gesagt wird, habe doppelten Sinn. 5 1

Kap. 20 ό μύθος ε ν τ α ύ θ α λόγου τινός εμφαοίς έστιν άνακλώντος έπ' άλλα την διάνοιαν.

2

Kap. 9, zitiert in S 442.

3 ό μΰθος Αιγύπτιος· περιττοί σοφίαν Αιγύπτιοι, ταχ' αν ου ν οδε, και μύθος ών, μ ύ θ ο υ τι πλέον αίνίττοιτο, διότι έστίν Αιγύπτιος. Die ganze Rede des Synesios ist allegorisch auf die Verhältnisse in Konstantinopel zu beziehen, also auf zwei Ebenen geschrieben. Den Hinweis auf diese Stelle verdanke ich L. Koenen. 4

Contra Celsum I 12 (p. 65 Κ.) δοκεΐ δέ μοι (sc. ό Κέλσος) τοιοϋτόν τι πεποιηκέναι ώς ει τις τηι ΑΙγύπτωι έπιδημήσας, ε ν θ α οί μέν Αιγυπτίων σοφοί κατά τά πάτρια γράμματα πολλά φιλοσοφοΰσι περί τ ω ν π α ρ ' αύτοις νενομισμένων θείων, οί δέ ίδιώται μύθους τινάς άκούοντες, ών τ ο υ ς λόγους ούκ έπίστανται, μέγα έπ' αΰτοΐς φρονοϋσιν, ωετο π ά ν τ α τά Αιγυπτίων έγνωκέναι, τοις ίδιώταις α ύ τ ώ ν μαθητεύσας και μηδενί τ ω ν ιερών συμμίξας μηδ' ά π ό τίνος α ύ τ ώ ν τά Αιγυπτίων α π ό ρ ρ η τ α μ α θ ώ ν . Horigenes fährt fort: Dasselbe gelte für die Perser; auch dort gebe es geheime Priesterlehren, von denen das Volk nichts wisse. 5 Ich habe in „Roman und Mysterium" (S. 55-64) ausführlicher über „Doppelsinn, Allegorie und Symbolik" gehandelt und einige charakteristische Beispiele der Allegorese bei christlichen Autoren des Altertums gegeben. Ich verweise für bibliographische Notizen über die Allegorese auf mein Buch von 1962. H. Dörrie hat mehrfach in sehr instruktiver Weise über dieses Thema geschrieben: (a) In: Verbum et Signum, herausgeg. von H. Fromm, W. Harms, U. Ruberg (München 1975) II 9 - 2 4 „Philosophie und Mysterium. Zur Legitimation des Sprechens und Verstehens auf zwei Ebenen durch Piaton". (b) In: Platonica Minora 1 1 2 - 1 2 3 „Spätantike Symbolik und Allegorese". (c) In: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 65, 1974, 1 2 1 - 1 3 8 „ Z u r Methodik antiker Exegese". (d) In: Antike und Abendland 16, 1970, 85-92 „Zum Problem der Ambivalenz in der antiken Literatur".

2 7 Der religiöse Sinn der R o m a n e

339

So kann eine Erzählung neben dem offen daliegenden Erzähl-Sinn auch allegorischen Sinn haben. Wenn ζ. B. von einer Flucht die Rede ist, kann gleichzeitig die „Flucht" des platonischen Philosophen und Isisdieners aus der alltäglichen Welt in das jenseitige Reich des Erkennens gemeint sein. Ferner kann eine Episode, die innerhalb der Erzählung durchaus notwendig ist, doch noch zusätzlich eine Anspielung auf ein Ritual des ägyptischen Kultes enthalten. Wenn Psyche bei Appuleius das Wasser des Lebens aus einer Quelle beim Styxfelsen holt, so kann auf Wallfahrten von Isisdienern zu den Fels-Schluchten des ersten Kataraktes gedeutet sein, bei welchen das heilige Nilwasser „von der Quelle" geholt wurde. Schließlich kann eine Erzählung so geführt werden, daß in ihr der heilige M y t h o s von Isis und Osiris variiert wird. Aber bevor wir uns den R o m a n e n zuwenden, sind noch einige Bemerkungen über die Zusammenhänge der Gattung mit den kleinen Kultspielen bei der Mysterienweihe und mit den Aretalogien nötig.

28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane oi παρόντες είπατε· „εις Ζεύς Σ ά ρ α π ι ς " Die ihr anwesend seid, stimmt ein in den Ruf:„Ein einziger Gott, Zeus-Sarapis" Pap. Oxy. 1382

Kleine sakrale Spiele bei der Mysterienweihe; Imitatio Isidis § 570 Nach Artemidor deuten Träume über Einweihungsspiele (Mysterien) bei Isis und Sarapis voraus auf Verwirrungen und Gefahren, aus welchen diese Götter dann retten, gegen alle Erwartung. 1 Plutarch sagt, Isis habe ihren Weihen Nachahmungen der Aufgaben und Kämpfe beigemischt, welche sie selbst bestanden hatte, Bilder ihrer eigenen Irrfahrten und eigenen klugen und tapferen Taten; dies solle Männer und Frauen trösten, welche ein ähnliches Schicksal erlitten. 2 Bei der Einweihung in die Isismysterien sind Stücke des Isismythos nachgespielt worden. § 571 Auch in den Isisromanen kommen viele Episoden vor, welche den Mythos von Isis und Osiris in immer neuen Variationen umspielen: - Wie Osiris im Mythos ertrunken ist, so ertrinken die Romanfiguren, und wie Osiris werden auch sie wieder erweckt. - Wie des Osiris Ertrinken in der Nilflut Rettung für das Land Ägypten bedeutet, 3 so bringt die Nilflut in den Romanen Rettung für die Helden. - Wie Osiris in einen Sarg gelegt und später wiederbelebt wird, so werden an den Romanhelden Sargrituale vollzogen, welche mit Wiedererweckung enden. - Wie Isis den verschwundenen Gatten sucht und nach langer Mühe findet^, so ist das Liebespaar in den Romanen auf der Suche nacheinander; mit dem glücklichen Wiederfinden endet die Erzählung. 1

II 39, s. § 330.

2

De Iside 27, s. § 331.

3

In einem Epigramm aus Philae heißt es: και Νείλου β α θ ύ χεϋμα, ος Α ϊ γ υ π τ ο ν π ο λ ύ ο λ β ο ν / αίέν ετος σώζει „den tiefen Strom des Nils, der das reichgesegnete Ägypten in jedem Jahr errettet" (E. Bernand, Inscr. Philae II Nr. 158 = M. Totti, Texte Nr. 36). In der Nilflut besiegt Osiris-Wasser den D ä m o n der Dürre, Seth; und wieder besiegt Horos, der Sohn des Osiris, seinen Gegner Seth, wenn zur Zeit der Nilflut die Dämme durchstochen und von der Flut weggeschwemmt werden. Die Wörter ζητεΐν und εύρίσκειν haben in Eleusis und bei Isis religiösen Klang.

28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane

341

- Wie Isis auf ihrer Suche auf See hinausgefahren ist, so reisen die Romanhelden zur See. - Wie Horos und Seth gegeneinander prozessiert haben, wobei Horos gerechtfertigt und in das Erbe seines Vaters eingesetzt wurde, so führen in den Romanen die Guten und Bösen Prozesse, und die Guten siegen. Diese Prozesse spiegeln vermutlich ein Initiationsritual: Der bisherige Lebenswandel des Kandidaten wurde geprüft und gebilligt. Dabei trat ein Myste in der Rolle des Seth als Advocatus diaboli auf. - Hier ist auch zweier Episoden aus den Mythen des Adonis und der Demeter-Kore zu gedenken, über deren Ähnlichkeit zu den Mythen um Osiris und Isis in § 81 und 95/96 gesprochen wurde: Wie nach dem Tod des Adonis, nach dem Verschwinden der Kore alles Leben auf Erden stillsteht, so entsteht in den Romanen Chaos nach dem Verschwinden einer Hauptperson. § 572 Die Beziehungen zwischen den Mythen und den Ereignissen im Roman spiegeln die Beziehung zwischen den Mythen und den Ereignissen des wirklichen Lebens. Dem Leben wurde vom Mythos her Sinn verliehen. Das Verständnis aus dem Mythos wurde in den Weihezeremonien gelehrt, und zwar nicht durch Worte, sondern durch Handlungen, durch kleine gespielte Szenen. In den Szenen wurde wiederholt, was nach dem Mythos die Götter getan hatten. Wenn dann im Leben eine Bedrängnis, eine Versuchung an den Geweihten herantrat, dann hatte er sie im Mysterium schon erlebt, wenn auch nur im Spiel. Er sollte sich verhalten nach dem Vorbild der Götter.

Parallelführung der Schicksale des Liebespaars § 573 In den Liebes- und Reiseromanen erleiden die getrennten Liebenden immer die gleichen Schicksale: Beide werden von Räubern gefangen, ihre Tugend wird in Versuchung geführt, sie werden zum Tod verurteilt usw. 1 Die Romane beziehen sich auf die Initiationsspiele, welche für alle Mysten, Mann und Frau, bei geringer Variation demselben Szenarium folgten.

Aretalogie und Roman; Lebensbeichte bei der Initiation § 574 Bei der Entstehung der neuen literarischen Gattung, des Romans, sind viele Elemente und Ingredienzien zusammengekommen. Einflüsse aus Homer, der Geschichtsschreibung und den Rednern, aus dem Repertoire der Rhetorenschule, aus Tragödie und Komödie sind evident. Neben den schriftlichen Vorbildern gab es auch mündliche Vorstufen. Die wichtigste der mündlichen Wurzeln waren die Artealogien. 2 Wir haben über die Berichte von wunderbaren 1 Vgl. T. Hägg, Narrative Technique in Ancient Greek Romances (1971) 1 5 5 - 1 7 2 . Für die Parallelführung im dionysischen Roman des Longus s. „Die Hirten des Dionysos" 139. 2 Vgl. schon: „Roman und Mysterium" 3 3 3 - 3 4 0 und meinen Beitrag zu J. Tatum, The Search for the Ancient Novel (1994) 2 8 3 - 2 9 5 . Allgemeine Literatur zum griechischen Roman: E. Rohde, Der griechische Roman und seine Vorläufer (3. Auflage 1914) K. Kerényi, Die griechisch-orientalische Romanliteratur (1927) B. E. Perry, The Ancient Romances (1967) Β. Reardon, The Greek Novel, Phoenix 2 3 (1969) 2 9 1 - 3 0 9 Derselbe, Courants littéraires grecs des IIe et IIIe siècles apres J.-C. (1971) 3 0 9 - 4 0 5

342 28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane

Taten der Götter in Kap. 18 gesprochen. Wen Götter von Krankheit geheilt hatten, wer aus Seenot gerettet worden war und wer mit Hilfe der Götter im Prozeß gesiegt hatte, der war verpflichtet, öffentlich Dank abzustatten. Das geschah im Vorhof oder in den Räumen eines Tempels. Dort gab es immer ein Publikum, das durch erstaunliche Berichte unterhalten werden wollte. In den Tempeln lebten Aretalogen; ihre Aufgabe war, vom Wirken der Götter auf Erden Zeugnis abzulegen. Man hat diese Berichte schriftlich in den Tempelbibliotheken niedergelegt. Diese Aufzeichnungen konnten von den Personen abgefaßt sein, denen Isis und Sarapis geholfen hatten, oder von schriftkundigen Männern, die im Tempel lebten, von Priestern oder Aretalogen. Solche Texte wurden vor dem Volk verlesen, wie der in § 399 erwähnte Bericht über das Mirakel, welches dem Steuermann Syrion widerfahren ist. § 575 Diese Niederschriften müssen auch von früheren Verfehlungen gehandelt haben. Insbesondere hat man oft Krankheiten als Strafe für Sünden aufgefaßt. Ein wahrheitsgemäßer Bericht war dann auch Beichte. Man hat es als ein religiöses Wunder angesehen, wenn ein Mensch nach sündigem Lebenswandel zur Verehrung der Götter und zu frommer Lebensführung bekehrt wurde. Dies ist der Fall des Lucius in den Metamorphosen des Appuleius. Er nimmt vor seiner Initiation im Tempelbezirk Wohnung und erzählt dort seinen „Verwandten" (den Isisdienern) seine Sünden, sein früheres Leid und seine jetzige Freude (XI 18, hier § 502). Dies muß auf eine Generalbeichte hinausgekommen sein. In allen anderen Isisromanen kommen ähnliche Szenen vor: Die Helden berichten über ihr gesamtes Leben. Exemplare der Geschichte des Xenophon und der Historia Apollonii werden in den Tempelbibliotheken der Artemis deponiert. Auch die Aretalogie, welche über das Mirakel des Steuermanns Syrion berichtete, ist in der Bibliothek des Mercurtempels zu Alexandria deponiert worden, s. § 399. § 576 In den Romanen finden sich immer wieder Details, welche für die Aretalogien charakteristisch sind: - Das wunderbare Ereignis ist durch Zeugen (οί παρόντες) bewiesen. - Diese Zeugen staunen über das unerwartete Eingreifen der Götter. 1 - In ihrer Überraschung brechen die Anwesenden in rituelle Rufe (Akklamationen) aus. 2

C. W. Müller, Der griechische Roman, bei E. Vogt, Griechische Literatur (Handbuch der Literaturwissenschaft 2, 1981)377-412 G. Anderson, Ancient Fiction (1984) E. L. Bowie, The Greek Novel, in: P. Easterling and B. Knox, The Cambridge History of Classical Literature I (1985) 683-699 mit den Anmerkungen 877-886 Ν. Holzberg, Der antike Roman (1986) T. Hägg, Eros und Tyche, der Roman in der antiken Welt (1987) B. P. Reardon, The Form of Greek Romance (1991) T. Hägg, Orality, Literacy and the „Readership" of the Early Greek Novel, in: RoyEriksen (Herausgeber), Contexts of Pre-Novel Narrative (Approaches to Semiotics 114, Berlin 1994) 47-80. 1 2

Charakteristische Vokabeln sind: θαΰμα, θαυμάζω, θαμβέω. Häufige Wörter: εϋφημέω, άναβοάω, άνολολύζω.

28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane

- Die Kunde von dem Mirakel verbreitet sich mit wunderbarer Geschwindigkeit: Die läuft.1

343

Fama

Typische Elemente der Liebesromane: Wiederkehrende Szenen, Rollen, Symbole und ihr religiöser Sinn § 5 7 7 In den Romanen gibt es ein stereotypes Repertoire von Szenen, welche uns langweilen. Aber mit diesen typischen Szenen 2 ist immer ein religiöser Sinn verbunden, der einen antiken Hörer oder Leser darauf vertrauen ließ, daß die Götter es mit dem Frommen gut meinen und sein Schicksal zu einem glücklichen Ende leiten werden. Viele dieser Szenen wurden bei der Initiation nachgespielt. Die Szenen, in denen der Isismythos wiederholt wurde - Ertrinken, Sargritual, Suche, Prozeß - sind schon in § 571 besprochen worden. (I) Andere typische Szenen in den Romanen: - Seereise: Die Helden der Liebesromane fahren immer zur See. Das Leben gleicht einer gefahrvollen Schiffsreise mit Stürmen und Gefahren. Aber die Götter werden ihre Diener im Leben in den rettenden Hafen und nach dem Tod in ein glückliches Jenseits führen. - Schiffbruch: Der Isispriester begrüßt Lucius bei Appuleius als einen Mann, der von Stürmen der Fortuna hin- und hergetrieben wurde, aber schließlich zum Altar des Erbarmens kam. 3 Mit dem Schiffbruch im Roman korrespondiert im Ritual der Mysterienweihe das Tauchbad und im Leben alles Unglück, das dem Mysten auf der Lebensreise begegnet. 4 - Freiwilliger Tod und Scheintod: Wenn der Isismyste sich zur Weihe meldet, wählt er einen zeremoniellen Tod, um zum wahren Leben zu gelangen. Dem rituellen Tod in der Mysterienweihe folgt ein Erwachen zu neuem Leben. Die Romanhelden sterben oft einen Scheintod. - Brautgemach und Grab (θάλαμος - τάφος): Die Jungfrau stirbt im Brautgemach und beginnt als Frau ein neues Leben. - Gefangennahme durch Räuber: Der Mensch gerät während des Lebens immer wieder in die Gewalt übermächtiger äußerer Umstände. Im Mysterienritual wurde dies in kleinen Szenen durchgespielt, in denen der Myste von Räubern gefangengenommen wurde.·5

1 Vgl. Appuleius, Met. XI 18,1 nec tarnen Fama volucris pigra pinnarum tarditate cessaverat. Vgl. Evang. Matth. 9,26 und 31. 2 Ich gebrauche das Wort in dem Sinn, in welchem Walter Arend von den „typischen Szenen bei Homer" (1933) gesprochen hat.

3 Met. XI 15,1 magnisque Fortunae tempestatibus et maximis actus procellis ad . . . aram Misericordiae, Luci, venisti. 4

Fulgentius, Virgiliana continentia p. 9 1 , 6 Helm erklärt den Schiffbruch bei Vergil allegorisch:

Nau-

fragium posuimus in modum periculosae nativitatis . . . in qua necessitate universaliter humanuni volvitur genus. Spiele im Dionysoskult werden gespiegelt im Mythos von der Gefangennahme des Dionysos durch tyrrhenische Seeräuber im 7. homerischen Hymnus und in den Szenen bei Longus, in welchen Daphnis und Chloe von tyrischen Seeräubern gefangen werden. Vgl. „Die Hirten des Dionysos" 1 0 3 - 1 0 4 und 1 6 1 170.

344

28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane

- Rettung aus Gefahr: Die Helden der Liebesromane werden immer wieder in der überraschendsten Weise gerettet. Der Isis- und Sarapis-Verehrer rechnete darauf, daß seine Götter ihm auch in höchster Gefahr helfen würden. - Rettung durch Gebet: Nicht selten geschieht die unverhoffte Rettung nach einem Gebet: Der angerufene Gott zeigt seine Kraft (αρετή, δύναμις, virtus). (II) Initiationsriten·. Einige der bei den Initiationen üblichen Riten erscheinen in den Romanen in die Erzählung eingeordnet: - Neues Kleid: Wenn die Romanhelden ein neues Kleid erhalten, dann wird angespielt auf das neue Kleid, welches in der Mysterienweihe überreicht wurde. Denselben Sinn hat ein Kleidertausch. - Neue Namen: Mehrfach wird ein Romanheld nach seinem Namen gefragt und gibt einen anderen Namen an. Der neue Name hat immer religiösen Sinn. Dem entspricht auf der Ritualebene der Mystenname (Signum, s. § 320) des Neugeweihten. - Gemeinsame Mahlzeiten stiften eine communio (κοινωνία) unter den Teilnehmern, und wenn in den Isisromanen von gemeinsamem Essen gesprochen wird, so soll an ein Kultmahl gedacht werden. - Orakel: Die Verehrer des Sarapis und der Isis haben sich von den Weisungen leiten lassen, welche die Orakel der Götter erteilten. So sind an Lucius ständig Traumorakel ergangen. Wir dürfen die Orakel in den Romanen nicht nur als bequeme Mittel der Schriftsteller ansehen, um die Handlung weiterzuführen; sie sind auch religiös zu verstehen und bezeichnen das Vertrauen, welches die Menschen auf ihre Götter setzten. (III) Prüfungen: Manche Romanszenen spiegeln unmittelbar Prüfungen, welche der Kandidat bei der Initiation zu bestehen hatte. - Arbeit mit der Hand: Die Romanhelden müssen mit der Hacke arbeiten 1 oder aufräumen und Ordnung schaffen. Vermutlich mußte auch ein Initiand zeigen, daß er bereit war, dort Hand anzulegen, wo es nötig war. - Ohrfeigen, Prügel, Auspeitschen 2 , An-den-Haaren-Reißen: Romanfiguren ebenso wie Kandidaten zur Weihe müssen beweisen, daß sie Demütigung und Schmerzen schweigend ertragen und sich fügen. - Versuchungen zum Treubruch und Beweise ehelicher Treue: Zu einer Ehe im Schutz der Isis gehörte, daß die Gatten einander treu blieben, 3 wie Isis es vorgelebt hatte. Dies ist vermutlich bei den Hochzeitsriten, die ja gleichzeitig Einweihungsriten waren, durch gespielte Szenen symbolisiert worden, in denen die Treue der Gatten auf die Probe gestellt wurde. In den Liebesromanen kommen solche Szenen oft vor. 4 1

Vgl. § 311 mit dem Zitat aus Menander, Dyskolos 7 6 5 - 7 7 0 .

2

Auf dem bekannten Fresko in der Villa dei Misteri zu Pompei peitscht ein geflügeltes Wesen das knieende Mädchen. Vgl. „Die Hirten des Dionysos" 113/4 mit Abb. 4. Beim Fest der Artemis Orthia zu Sparta wurden die mannbaren Knaben ausgepeitscht: Plutarch, Apophthegmata Laconica 4 0 p. 2 3 9 C D (TeubnerEdition II p. 2 1 3 , 5 - 1 1 ) ; Pausanias III 1 6 , 1 0 - 1 1 ; Cicero, Tusculanae disput. II 34. 3

In ihrer Selbstoffenbarung sagt Isis: „Ich habe die Männer gezwungen, die Frauen zu lieben. Ich habe die Eheverträge erfunden" (Zeilen 2 7 und 30). 4 Vermutlich ist die Erzählung von der Versuchung Josephs durch Potiphars Weib ursprünglich kein frei schwebendes Novellenmotiv gewesen, sondern hatte religiösen Sinn und stammte aus dem Kult; daher auch seine weite Verbreitung.

2 8 Einweihungsriten, Aretalogien und R o m a n e

345

- Bordell: Die ärgste Gefahr für die Frau war, als Sklavin in ein Bordell verkauft zu werden. Auch solche Szenen scheinen gespielt worden zu sein; die standhafte Frau bewahrte ihre Tugend. Ähnliche Szenen finden sich in den Romanen. - Homosexuelle Liebe: Mit dem Schutz der Ehe hängt das Verbot homosexueller Verbindungen zusammen. Sie waren den ägyptischen Priestern untersagt.1 Wenn Romanhelden sich auf solche Verbindungen einlassen, ist ihnen ein schlimmes Schicksal beschieden. (IV) Geistige Verfassung und Verhalten des Mysten: Für die Stimmung eines Mysten ist charakteristisch, daß er zwischen Furcht (φόβος) und Hoffnung (έλπίς) schwankt. 2 Diese hochgestimmt-ängstlichen Gefühle kehren bei den Romanhelden wieder. - Passivität: Die Rolle des Initianden war passiv. Dasselbe gilt weitgehend von den Romanhelden. - Sklaverei: Die Romanhelden werden in die Sklaverei verkauft und erdulden dies willig. Indem der Isismyste Sklave seiner Göttin wurde, erlangte er die wahre Freiheit, s. Appuleius XI 15 (S 499). - Silentium mysticum: Während der Initiation hatte der Kandidat zu schweigen. Auch die Romanhelden beobachten dieses Schweigen. Vgl. § 314 und 318. (V) Trost und Mitleid: Wenn die Prüfungen allzu schwer schienen, dann empfanden die begleitenden Personen, ζ. B. die Räuber, Mitleid und sprachen den Initianden Trost zu: 3 - sei getrost (θάρσει) - sei guten Mutes (εύθύμει, θυμό ν εχε αγαθόν, bono animo esto) - habe gute Hoffnung (έλπίδας εχε αγαθός oder χρηστός) 4 - fürchte dich nicht (μή φοβιγθήις). So wie die Mitspielenden Mitleid, ja Erbarmen mit den Prüflingen zeigten (ελεος, έλεώ), sollten auch sie ihrerseits in Not befindlichen Menschen Mitleid entgegenbringen; Isis hatte das Gesetz erlassen, daß man Mitleid mit Menschen haben müsse, die um Hilfe bitten. 5 (VI) Rollen, die bei den Einweihungsspielen von den bereits Eingeweihten übernommen wurden: - Priester und Vater: Bei Appuleius umarmt Lucius den Priester Mithras, den er schon seinen Vater nennt (XI 25,7 amplexus Mithram sacerdotem et meum iam parentem). In entsprechenden priesterlichen Rollen treten in den Romanen wirkliche Väter oder Priester auf, die der Held „Vater" nennt. - Arzt: Oft werden die Romanhelden durch einen klugen Arzt gerettet. Im Mysterienkult fallen Priester und Arzt zusammen, wie bei den ägyptischen Priestern.6 1 Chairemon bei Porphyrios, De abst. IV 7 (p. 2 3 9 , 1 8 N . ) = 1 0 Van der Horst = 6 1 8 F 6 J a c o b y . Im Totenbuch 1 2 5 , 8 6 (S. 2 3 8 Hornung) scheint der Tote zu erklären: „Ich habe nicht gleichgeschlechtlich verkehrt." Für das Orakel des Sarapis gegen Knabenliebe s. § 1 4 9 . Verbot der Knabenliebe in einem Ehekontrakt: Pap. Tebtunis I N r . 1 0 4 , 1 9 = (U. Wilcken - ) L. Mitteis, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde II 2 , N r . 2 8 5 , 1 9 (S. 3 2 0 ) . 2

Vgl. § 3 3 2 mit dem Zitat aus Plutarch, De facie in orbe Lunae 2 8 .

3

Vgl. schon § 3 1 1 / 2 .

4

Vgl. § 1 0 9 .

5

Selbstoffenbarung, Zeile 3 6 . Schopenhauer hat im Mitleid das Fundament der M o r a l gesehen.

346

28 Einweihungsriten, Aretalogien und Romane

- Einem hohen Beamten - dem „Satrapen" von Ägypten oder dem römischen Praefectus Aegypti - entspricht auf der Ritualebene ein Oberpriester. - Ein Fischer ist uns schon in der Prozession der Isisdiener bei Appuleius (XI 8,3) begegnet. Er vertritt in den Romanen ein Mitglied der religiösen Gemeinschaft. Wie der Fischer den Fisch aus dem Meer zieht, so der geistliche Vater seinen „Sohn" aus dem Taufwasser. 1 - Der Soldat in der Prozession bei Appuleius steht in einer religiösen Rolle. Das kann auch für die Soldaten in den Liebesromanen gelten. Auch die Rollen der Bösen sind in den Initiationsspielen von bereits Eingeweihten übernommen worden: - Räuber sind in den Liebesromanen niemals bösartig und beruhigen die Gefangenen immer mit einem tröstenden Wort. - Versucher zur Untreue und homosexuellen Liebe. - Ankläger in einem Prozeß gegen die Romanhelden. - Die Bordellwirte; sie haben Mitleid mit den armen Mädchen. (VII) Der Rahmen, in welchem die Erzählung spielt, enthält oft religiösen Sinn. - Städte: Alexandria, Memphis, Koptos und der Nilkatarakt (Syene, Philae) waren heilige Orte. Auch Pelusion mit dem Kult des Zeus Kasios/Harpokrates gehörte dazu; hier betrat der aus Syrien Kommende zum erstenmal ägyptischen Boden. „Ephesos", die Stadt der Artemis, dient als Chiffre für „Stadt der Isis"; „Rhodos", die Insel des Helios, als Chiffre für Heliosarapis. Bei Sidon und Tyros, den heiligen Städten der Phönizier, wurde an den Zusammenhang von Osiris und Adonis, von Astarte und Isis, auch von Europa-Zeus und Isis-Sarapis gedacht. - Das Meer symbolisiert die Gefahren des Lebens, manchmal auch die „Materie" (ϋλη). - Das Gefängnis kann als Symbol des Körpers verstanden werden, in welchem die Seele gefangen ist. - Der Garten ist eine Stätte der Ordnung und Harmonie. - Tempel: Viele Episoden spielen in Tempeln. Sie haben immer religiösen Sinn. In der folgenden Besprechung der uns erhaltenen Isisromane muß ich vieles wiederholen, was ich schon in „Roman und Mysterium" ausgeführt habe.

^ Für die Vorstellung der Einheit von „Prophet" (Priester), Philosoph, Magier und Arzt s. die in § 4 5 5 angeführte Stelle aus der hermetischen Κόρη κόσμου. 1 Es gab heidnische Gemmen, auf denen ein Fischer abgebildet war. Das Symbol wurde von den Christen übernommen (Clemens Alex., Paedag. III 59,2; p. 270,7-10 St.). Auf dem Filocyrius-Sarkophag Abb. 126 (rechts) zieht ein fischender Eros an der Angel einen Fisch aus dem Meer.

29 Xenophon von Ephesos

ό δέ δήμος ό 'Ροδίων άνευφήμησέ τε κα'ι άνωλόλυξε, μεγάλην θεόν άνακαλοΰντες την Τ Ισιν Die Rhodier jubelten laut auf und riefen: Groß ist die Göttin Isis Xen. Ephes. V 13,3

Die Ephesiaka noch fast eine Aretalogie § 579 Der älteste erhaltene Isisroman ist die Erzählung von Antheia und Habrokomes, 1 die Ephesiaka. Man datiert das Werk meistens in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. 2 James O'Sullivan geht zurück bis in die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr.·* Der Roman des Xenophon besteht durchgehend aus typischen Szenen, deren Beziehung auf die Isis-Sarapis-Religion für einen antiken Hörer und Leser auf der Hand lag. Erzähl- und religiöse Ebene liegen so dicht nebeneinander, daß man noch kaum von Allegorie oder gar von mystischem Sinn sprechen kann. Auf die Mysterien wird laufend Bezug genommen - auf die Mysterien im Sinn von „Einweihungszeremonien", kleinen kultischen Spielen wie der Gefangennahme durch Räuber und überraschende Befreiung. Der Stil, in dem Xenophon erzählt, ist einfach. Seine Sprache ist geradezu formelhaft wie die der homerischen Sänger, 4 allerdings stilistisch auf viel niedrigerem Niveau. Auch mit der Führung der H a n d l u n g hat Xenophon sich wenig M ü h e gegeben; wenn er einen raschen Umschwung benötigt, ist eine Räuberbande zur Stelle. 1 Τ ά κατ' "ΑνΟειαν και Ά β ρ ο κ ό μ η ν Έφεσιακά. Aus der neueren Literatur seien genannt: F. Zimmermann, Würzburger Jahrbücher 4, 1 9 4 9 - 5 0 , 2 5 2 - 2 8 6 ; H. Gärtner, R. Ε. IXA ( 1 9 6 7 ) 2 0 5 5 2 0 9 0 ; R. E. Witt, Isis in the Graeco-Roman World (1971) 2 4 3 - 2 5 4 ; J. G w y n Griffiths, X e n o p h o n of Ephesus on Isis and Alexandria, Hommages à M . J. Vermaseren (EPRO 68, 1978) I 4 0 9 ^ 4 3 7 = Atlantis and Egypt, with other Selected Essays (Cardiff 1991) 6 8 - 9 1 ; T. Hägg, Eros und Tyche (1987) 3 8 ^ 8 . Der Roman des X e n o p h o n ist in der Handschrift, welche uns das Werk erhalten hat, in 5 Bücher eingeteilt. Im Suda-Lexikon steht, daß es ein Werk in 10 Büchern war. So hat man meistens angenommen, daß wir nur eine Epitome des Romans besitzen; auch ich war dieser Ansicht. T. Hägg (Classica et Mediaevalia 2 7 , 1 9 6 6 , 1 1 8 - 1 6 1 ) sagt aber mit guten Gründen, daß man auf die eine Zahl im Suda-Lexikon - ein einziger Buchstabe, der verderbt sein kann - keine Hypothesen gründen sollte; eindeutige Spuren einer Epitomierung des Textes liegen nicht vor. 2

Plutarchs platonische Interpretation der Isisreligion ist Xenophon unbekannt.

3 „Xenophon of Ephesus, his Compositional Technique and the Birth of the Novel" (Berlin 1995). 4

Dies führt J. O'Sullivan aus.

348

29 Xenophon von Ephesos

Xenophon ist noch ein Aretaloge gewesen, der seine Geschichte in Alexandria zur religiösen Erbauung und gleichzeitig zur Unterhaltung des Publikums in einem Tempel vorgetragen und später schriftlich niedergelegt hat. Die charakteristischen Elemente der Aretalogie (das Staunen, die Zeugen, das Laufen der Fama) finden sich oft, und die Helden des Romans erzählen ihr Schicksal als eine Generalbeichte.

Die Götter der Erzählung § 580 Sechs Götter spielen eine Rolle: - Artemis von Ephesos, die heimatliche Stadtgöttin des Liebespaars, von der sich am Ende zeigt, daß sie mit Isis identisch ist; - Hera von Samos, auch sie eine Spielart der Isis; - Isis, auf welche schon kurz nach dem Beginn der Erzählung als auf die Retterin hingewiesen wird; - Eros, der das Paar zu gegenseitiger Liebe entzündet, und - Apollon von Kolophon-Klaros, der die Ehe durch seinen Orakelspruch anordnet; Eros und Apollon fallen zusammen in Harpokrates, dem Sohn der Isis (s. § 156/7); schließlich - Helios von Rhodos, dessen ägyptischer Name „Sarapis" lautet. 1 „Ephesos" ist in diesem Roman Chiffre für jeden Kultplatz der Isis, „Rhodos" für den des Sarapis, und hinter den sechs genannten Göttern steht die griechisch-ägyptische Trias IsisSarapis-Harpokrates.

Antheia und Habrokomes verlieben sich im Tempel der Artemis (11-5) § 581 In Ephesos wuchs ein Jüngling von wunderbarer Schönheit auf, Habrokomes, „der mit dem weichen H a a r " . 2 Alle Ephesier und die Bewohner von Asien·* verehrten ihn, ja sie beteten ihn an wie einen Gott. Habrokomes wurde so stolz, daß er sich für schöner hielt als Eros selbst und den Gott für nichts achtete. Darüber zürnte Eros. Ein Fest der Artemis gab ihm Gelegenheit zur Strafe. Habrokomes war 16 Jahre alt und gehörte schon zu den Epheben. Er zog in der Festprozession mit, bei welcher Jünglinge und Mädchen sich trafen und Ehen geschlossen wurden. An der Spitze des Mädchenzuges ging Antheia. Sie war 14 Jahre alt 4 und die schönste der Jungfrauen. Sie trug ein knielanges, gegürtetes Purpurgewand und ein Rehfell; sie hatte Köcher, 1 In „Roman und Mysterium" hatte ich angenommen, die auf Helios und Rhodos bezüglichen Stellen seien alle bei einer „Helios-Redaktion" zugefügt worden. In einer monotheistischen Religion aufgewachsen, hatte ich mir nicht klar gemacht, daß Isis und Sarapis-Helios ein Ehepaar sind und daß Helios-Re, der Nil, Isis und Osiris die Hauptgötter Ägyptens waren. - Meine Hypothese ist widerlegt worden von H . Gärtner, R. Ε. IXA, 2074-2080. 2 Ά β ρ ο κ ό μ η ς ist ein Epitheton des Eros in dem Epigramm des Artemon Anth. Pal. XII 55,4 = Gow Page, Hellenistic Epigrams, Vers 809. 3 Mit „Asien" ist die römische Provinz Asia gemeint, die sich von der Westküste Kleinasiens aus etwa 300 Kilometer ins Landesinnere erstreckte. 4 Im Alter von 15 Jahren hat eine spätere Isispriesterin zu Megalopolis in Arkadien die Weihen empfangen („die Allherrscherin Isis schmückte sie mit ihrem Kleid"), s. Vidman 4 2 = I. G. V 2, 4 7 2 = Peek, Griech. Vers-Inschr. 1163.

2 9 X e n o p h o n von Ephesos

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Pfeile und Speere, und Hunde folgten ihr. Oft schon hatten die Ephesier sie als Artemis verehrt. So auch diesmal; laute Rufe erschollen, die sie bald als Göttin, bald als T o c h t e r der Göttin bezeichneten; man betete sie an und pries ihre Eltern glücklich. Die Züge der Jünglinge und Mädchen treffen im Artemistempel zusammen. Antheia und Habrokomes erblicken einander und verlieben sich. Artemis-Isis wird dem Paar, dessen Verbindung in ihrem Tempel begann, gnädig sein. Habrokomes, der vorher Eros verachtete, erkennt, daß dieser Gott Herrscher über alle ist. 1 Die beiden jungen Leute hatten eine so heftige Liebe eingesogen, daß sie beim Versuch, sie zu überwinden, fast verschmachteten und den T o d erwarteten. 2

Das Orakel des Apollon von Kolophon-Klaros (I 6) § 5 8 2 Die Eltern der beiden fragen das Orakel von Kolophon um R a t . Apollon ordnet die Hochzeit an: „ W a r u m sucht ihr Anfang und Ende der Krankheit? Die Heilung wird von ihrem Ursprung kommen. Aber ich sehe, daß diesen beiden schlimmes Leid und ausweglose Qual bevorsteht. Beide werden übers Meer fliehen, von Seeräubern verfolgt; sie werden in Ketten arbeiten bei Männern, die auf dem Meer leben; Grab und gewaltiges Feuer werden beider Brautgemach sein. Aber danach wird ihr Los ein besseres sein: An den Ufern des heiligen Flusses (des Nils) werden sie der hehren, rettenden Göttin (Isis) reiche Geschenke weihen." 3 Die Szene zeigt, welche Hochzeitsbräuche im Kreis der Isis-Anhänger üblich waren: Auch wenn das Brautpaar sich einig war und die Eltern der Ehe zustimmten, wurde doch erst noch ein Orakel des Apollon(-Horos) eingeholt und der Ehe eine religiöse Weihe verliehen. „Apollon" ist nur vorläufiger Name des (Eros-)Harpokrates. Die Verheißung eines „besseren Loses" bezieht sich auf die „guten Hoffnungen" der Mysterien (s. § 1 0 9 ) . Die Eheschließung steht hier, wie in der Historia Apollonii und in der Geschichte der Psyche, am Anfang der Erzählung. Dies entspricht dem Mythos von Isis und Osiris, die als Paar vorausgesetzt werden; ihre wechselvollen Schicksale folgen erst später. Griechen und R ö m e r heirateten früh. 4 M i t der Hochzeit beginnt das Leben der Erwachsenen, die Reise durch das Leben. Das 1 2

1 4 , 5 τον πάντων δεσπότην. 1 5 , 9 δσον ούδέπω τεθνηξεσθαι προσδοκώμενοι. Jede Weihe ist ein Tod.

316

Τίπτε ποθείτε μαθεΐν νούσου τέλος ήδέ και άρχήν; άμφοτέρους μία νοΰσος εχει, λύσις ενθεν αμ' εσται. 3 δεινά δ' όρώ τοισδεσσι πάθη και άνήνυτα έργαάμφότεροι φευξονται ύπείρ αλα ληιστοδίωκτοι. δεσμά δέ μοχθήσουσι παρ' άνδράσι μιξοθαλάσσοις, 6 και τάφος άμφοτέροις θάλαμος και πυρ άΐδηλον. 9 άλλ' ετι που μετά πήματ' άρείονα πότμον εχουσι 7 και ποταμού ίεροΰ * παρά ρεύμασι δαίμονι* * σεμνηι 8 σωτείρηι μετόπισθε παρίστασ' * * * δλβια δώρα. ' π ο τ α μ ο ί Νείλου F * "Τσιδι σεμνηι F * * *παραστήις F. Der Nil und Isis sind zweifellos gemeint, können aber nicht wohl in dem Orakel mit N a m e n genannt worden sein. S. „Studien zur Textgeschichte und Textkritik" (Festschrift G. Jachmann, Köln 1 9 5 9 , S. 1 7 9 , auch für die Umstellung des Verses 9). 4 Im C o d e x Iustinianus V 4 , 2 4 wird als frühester Hochzeitstermin das zwölfte Lebensjahr für die Frauen, das vierzehnte für die Männer festgesetzt.

350 29 Xenophon von Ephesos

religiöse Ziel wird Ägypten sein, die Einweihung in die Mysterien der Isis und des Sarapis, welche die Hoffnung auf ein „besseres Geschick" eröffnet. -

Die Hochzeit (I 7-9) § 583 Die Eltern folgen dem Befehl des Apollon. Die Hochzeit findet an einem Nachtfest der Artemis statt. Die Vermählten umarmen einander. Sie sind vor Freude ganz entkräftet. 1 Antheia ist gerührt und vergießt Ströme von Tränen, indem sie den Gatten umarmt, sein Gesicht küßt, ihre Lippen auf seine Lippen preßt, so daß der Lebenshauch im Kuß in den Geliebten hinübergeht. 2 Xenophon variiert das Epigramm Piatons: 3 την ψυχήν ' Α γ ά θ ω ν α φιλών έπί χείλεσιν εσχον ήλθε γάρ ή τλήμων ώς διαβησομένη. „Indem ich Agathon küßte, hatte ich meine Psyche an den Lippen; die Arme, sie kam, als wolle sie hinübergehen." Aber diese Szene hat nicht nur ein platonisches, sie hat auch ein ägyptisches Vorbild. 4 Die Entkräftung der Liebenden, der Tränenstrom verweisen auf den ägyptischen Mythos, auf die Totenhochzeit der Isis und des Osiris: Isis beklagte, belebte und umarmte den todesmatt darniederliegenden Osiris. -

Antheia und Habrokomes reisen zu Schiff (110-12,2) § 584 Die Jungvermählten scheinen glücklich. Aber das Schicksal (τό είμαρμένον) hat die Prophezeihung des Apollon nicht vergessen. Die Eltern beschließen, das Paar auf eine Seereise zu schicken, damit sie andere Länder und andere Städte kennenlernen sollten. 5 Ein Dienerpaar, Leukon und Rhode, fährt mit. M a n opfert Artemis vor der Abreise; das Schiff soll nach Ägypten fahren. - Man hat sich über die äußerliche Motivierung der Romanhandlung des Xenophon gewundert. Das Orakel schickt das Liebespaar auf die Reise - ein billiges Mittel, um die Handlung in Gang zu bringen. 6 Aber man kann die griechischen Liebesromane (mit Ausnahme des Chariton) nicht verstehen, wenn man die religiöse Bedeutung der einzelnen Episoden nicht kennt.

1

1 9,1 ύφ' ήδονής παρειμένοι.

2

I 9,6 τά χείλη τοις χείλεσι φιλούσα συνηρμόκει, και δσα έπενόουν, διά των χειλέων έκ ψυχής εις την θατέρου ψυχήν διά του φιλήματος παρεπέμπετο. 3

Anth. Pal. V 78. Ob Platon wirklich der Autor war, ist in unserem Zusammenhang gleichgültig.

4

Beobachtet von K. Kerényi 42.

5

Reminiszenz an das Prooemium der Odyssee: Die Irrfahrt des Odysseus ist Vorbild der Irrfahrten (πλάναι) der Romanhelden. ^ „Ohne das Orakel wäre das junge Ehepaar einfach daheim geblieben" (E. Rohde 424).

2 9 Xenophon von Ephesos

351

Habrokomes und Antheia sind von Jugend auf dem Dienst der Isis geweiht. Aber Hochzeit und Isisweihe führen den Mysten noch nicht in den Hafen des Heils und der Ruhe. 1 Noch steht ihm die Fahrt über den stürmischen Ozean des Lebens mit all ihren Gefahren bevor. Sie wird nicht ohne Schiffbruch verlaufen. Aber die Göttin wird ihren Dienern in allen Gefahren schützend zur Seite stehen, gute Fahrt (εΰπλοια) geben und sie am Ende in die wahre Heimat geleiten. 2 Isis ist selbst als erste auf das Meer hinausgefahren; 3 die Mysten wiederholen die Seefahrt der Göttin. Die erste Station auf der Reise von Antheia und Habrokomes ist Samos, heilige Insel der Hera. Sie opfern der Göttin. Dann legt das Schiff auf Rhodos an, der Insel des Helios-Sarapis. Die Rhodier feiern die Anwesenheit (έπιδημία) des Paares als Fest. Die beiden weihen im Heliostempel eine goldene Rüstung mit einem Epigramm.

Seeräuber nehmen Antheia und Habrokomes gefangen (112,3-14,6) § 585 Auf der Weiterfahrt sind die Schiffer voll Leichtsinn, trinken und berauschen sich.4 Berauscht zur See zu fahren, berauscht durchs Leben, das kann nicht gutgehen.· 5 Habrokomes erscheint im Traum eine übergroße Frau in phönizischem, purpurnem Gewand, furchtbar anzusehen. Es schien ihm, daß sie das Schiff verbrenne, aber ihn und seine Frau rette. Phönizische Seeräuber folgen und erobern das Schiff. Das junge Paar wird mit einigen Sklaven und der Beute auf das Piratenschiff gebracht. Dann zünden die Seeräuber das Schiff an. Die in Leichtsinn und Rausch lebenden Menschen sind verloren,^ wie die Besatzung des Schiffes. Die Isisdiener aber werden nicht vom Feuer verzehrt. Das mythische Vorbild: Herodot berichtet im ersten Kapitel seiner Historie, daß Io auf ganz andere Weise nach Ägypten gekommen sei, als die Griechen berichten. Die Perser hätten ihm erzählt, daß phönizische Seefahrer mit ihren Waren nach Argos gekommen seien und dort Io geraubt und nach Ägypten gebracht hätten. Wenn hier Antheia geraubt und in der Folge nach

1 Appui. XI 15,1 portwn Quietis (s. § 499). Für das Meer als Symbol der Materie (ΰλη) s. Porphyrios, De antro nympharum 34. Platon, Rep. X p. 611E. Physiologus 3 9 (p. 130,8 Offermanns). F. Cumont, Symbolisme funéraire 6 5 - 6 6 . H. Rahner, Symbole der Kirche (1964) 2 7 2 - 3 0 3 . 2

Isis όρμίστρια Pap. Oxy. 1 3 8 0 (M. Totti, Texte Nr. 20) 15 und 74.

3

Hyginus, Fab. 2 7 7 , s. § 1 1 5 - 1 1 9 . Dort auch über Isis Εΰπλοια.

^ I 12,3 ν α υ τ ώ ν ρ α θ υ μ ί α καί, πότος . . . και μέθη. 5 Allegorische Verwendung des Bildes bei Platon, Staat 4 8 8 B C τ ο υ ς δέ ν α ΰ τ α ς . . . τ ό ν . . . γ ε ν ν α ΐ ο ν ν α ύ κ λ η ρ ο ν μ α ν δ ρ α γ ό ρ α ι η μ έ θ η ι . . . συμποδίσαντας . . . και πίνοντας τε και ε ΰ ω χ ο υ μ έ ν ο υ ς π λ ε ΐ ν ώς τό είκός. Clemens Alex., Paedag. II 2 8 , 3 (p. 173,14 St.) όρατε τοϋ ν α υ α γ ί ο υ τ ό ν κίνδυνον; περικλύζεται μέν ή κ α ρ δ ί α πολυποσίαι, τό δέ π λ ή θ ο ς της οίνοφλυγίας θαλάττης ε'ίκασεν άπειλήι, έν ήι β ε β υ θ ι σ μ έ ν ο ν τό σ ώ μ α ώ σ π ε ρ ν α ΰ ς δ έ δ υ κ ε ν είς β υ θ ό ν άκοσμίας. Kölner Mani-Biographie 2 2 , 14 über die μέθη des Menschen, der in die σ ά ρ ξ gefallen ist.

^ Vgl. Corp. Herrn. I 2 7 ώ λαοί, άνδρες γηγενείς, οί μέθηι και ΰ π ν ω ι ε α υ τ ο ύ ς έκδεδωκότες και τηι ά γ ν ω σ ί α ι τοϋ θ ε ο ΰ , νήψατε, π α ΰ σ α σ θ ε δέ κ ρ α ι π α λ ώ ν τ ε ς . Chaldäisches Orakel fr. 15 des Places ά ταλαεργοί, νήψατε. Corp. Herrn. VII 1 ποΐ φ έ ρ ε σ θ ε , ά ν θ ρ ω π ο ι , μεθΰοντες. Ekphantos bei Stobaios, Anthol. IV 7,65 (p. 2 7 8 , 1 2 Hense) τώς δέ ώσπερ υ π ό μέθας διεφθαρμένως κ α ί . . . ές λ ά θ α ν έμπεσόντας.

3 5 2 29 Xenophon von Ephesos

Ägypten gebracht wird, so wiederholt sich an ihr der Mythos der Io, die ihrerseits eine Verkörperung der Isis war.

Zwei Seeräuber verlieben sich in Antheia und Habrokomes; unverhoffte Rettung (I 14,7-11 2) § 586 Die Räuber bringen ihre Beute zu einem Versteck bei Tyros. 1 Der Kapitän mit dem dionysischen Namen Korymbos verliebt sich in Habrokomes 2 und spricht ihm guten M u t zu (I 15,2 ΰ-αρρεΐν παρεκάλει). Ein anderer Räuber verliebt sich in Antheia. 3 M a n macht den beiden Liebeserklärungen; sie erbitten sich Bedenkzeit. - Mythische Vorbilder: Die Versuchung der Isis und des Horos durch Seth, s. § 35-36. § 587 Antheia und Habrokomes klagen einander ihr Leid und beschließen, eher zu sterben als den Treueid zu brechen. Unvermutet kommt Rettung. Apsyrtos, der Oberste der Piraten, wählt sich aus der Beute das Paar und die Sklaven Leukon und Rhode und führt sie nach Tyros.

Habrokomes verleumdet, gefoltert und eingesperrt (II 3-7) § 588 N u n verliebt sich Manto, Tochter des Räuberhauptmanns, in Habrokomes. Sie bedient sich Leukons und Rhodes als Liebesboten. Habrokomes entrüstet sich: „Ich bin zwar Sklave, aber imstande, mein Versprechen zu halten. Über meinen Leib haben sie Macht, meine Seele ist frei. Mag mir Manto Schwert, Strick und Feuer androhen usw." (II 4,4). Antheia will sich selbst töten, um den Geliebten nicht in Gefahr zu bringen (II 4,6). - Sie ist auf eine voluntaria mors vorbereitet. M a n t o schreibt Habrokomes einen Liebesbrief; falls er sie abweise, werde er es büßen. Habrokomes weigert sich: Er ist bereit, jede Strafe, Mißhandlung, Folter, ja den Tod auf sich zu nehmen (II 5,4). Da verwandelt sich Mantos Liebe in Haß. Wie Potiphars Weib den keuschen Joseph verleumdet sie Habrokomes bei ihrem Vater. 4 Man zerreißt sein Kleid, geißelt und brennt ihn und sperrt ihn in ein dunkles Verließ. Er wünscht den Tod. 5 Antheia besucht ihn im Gefängnis, beklagt ihn und küßt seine Fesseln (II 7,5). 6 Die Torturen beziehen sich auf rituelle Szenen bei der Einweihung: Feuer (Tätowierung, σφραγίδες) und Fesseln. Der Myste muß in der Weihe seine Standhaftigkeit beweisen und im Leben bereit sein, für seine Religion Folter, ja Tod auf sich zu nehmen.

1 Es sind tyrische Seeräuber. Tyrrhenische Piraten entführen im griechischen Mythos den jungen Dionysos. 2

Homosexuelle Liebe; in II 1,3 heißt es την αίσχράν έπι&υμίαν.

3

Parallelführung.

4

Literarische Vorbilder sind Homer Ζ 163-165 und der erste Hippolytos des Euripides.

5

Nun wünscht auch er die voluntaria

mors.

^ Vgl. den Besuch der Melite bei dem gefangenen Kleitophon im V. Buch des Achilleus Tatios, s. § 651.

2 9 Xenophon von Ephesos

353

Der Text klingt an die christlichen Märtyrerakten an. Antheias Besuch im Gefängnis erinnert an Thekla im Gefängnis des Paulus. 1 -

Antheia kommt nach Syrien; Habrokomes frei (II 8-10) § 589 Manto heiratet einen Mann namens Moiris und zieht mit ihm nach Syrien. Antheia, Leukon und Rhode werden ihr als Sklaven mitgegeben. So wird Antheia von ihrem Gatten getrennt. Habrokomes sieht im Traum, wie sein Vater in schwarzem Gewand über die Erde irrt und ihn befreit. Er selbst wird zum Hengst, der eine Stute verfolgt, sie findet 2 und wieder Mensch wird. 3 So ist er beim Erwachen voll guter Hoffnung. 4 Manto kommt mit Antheia, Leukon und Rhode nach Antiocheia. Sie läßt Leukon und Rhode nach Lykien verkaufen und will Antheia mit einem Hirten-Sklaven vermählen. Der Hirt läßt sich erbitten, vollzieht die Ehe nicht 5 und spricht Antheia Trost zu (θαρρεΐν παρεκελεΰετο). Apsyrtos hat den Liebesbrief seiner Tochter an Habrokomes gefunden und erkannt, daß er Habrokomes ungerecht bestraft hat. Er läßt ihn kommen und spricht ihm Trost zu: θ ά ρ ο ε ι , εφη, ώ μειράκιον.^ Er läßt ihn frei und macht ihn zum Verwalter seines Hauses. Habrokomes hofft, Antheia zu finden. 7 Im Traum befreit der Vater, in der Erzählung Apsyrtos. Der Vater im Traum ist eine Chiffre für den Oberpriester im Mysterium, und auch Apsyrtos, oberster Räuber, ist im Einweihungsritual der Oberpriester. -

Antheia fällt in die Hände von Räubern. Sie soll geopfert werden. Befreiung durch eine Landstreife (II 11-14) § 590 Moiris verliebt sich in Antheia. Manto beschließt, die Rivalin zu beseitigen. Der Hirt soll sie töten. Antheia ist damit zufrieden, da sie Habrokomes für tot hält. Aber der Hirt hat Erbarmen 8 mit ihrer Schönheit; Antheia bittet ihre heimische Göttin Artemis, ihm für diese Wohltat gnädig zu sein. Antheia wird verkauft an kilikische Kaufleute, die sogleich abfahren. Ein Sturm bringt das Schiff zum Kentern; wenige retten sich auf Planken, unter ihnen Antheia.

1

Acta Pauli et Theclae 18 (p. 2 4 7 Lipsius). Ich folge einem Hinweis von K. Kerényi 198 Anm. 98; er zieht auch die Legende v o m Besuch der Balbina beim gefangenen Papst Alexander heran (Analecta Bollandiana 17, 1898, 172): ipsa vero puella pergebat saepissime ad carcerem ubi beatus Alexander papa catenis tenebatur ligatus et deosculabatur catenas, quibus ipse sanctus ligatus erat. Vgl. § 2 4 3 . 2

II 8,2 εΰρεϊν.

3

Dies erinnert an die Verwandlung des Lucius in einen Esel und an die Riickverwandlung bei der Isisweihe, bei welcher das Eselsfell abgelegt wird. 4

II 8,2 εΰελπις ήν.

5 Literarisches Vorbild ist Euripides' Elektra. ^ Die Handlung wird wieder parallel geführt. 7 II 10,3 εΰροιμι, 10,4 εύρήσει. Der Beförderung zum „Verwalter" in der Erzählung könnte im Kult ein höherer Mystengrad entsprechen. 8

II 11,6 εις οΐκτον ερχεται.

354

2 9 Xenophon von Ephesos

Alle Geretteten fallen am Strand Kilikiens in die Hand einer Räuberschar unter dem Hauptmann Hippothoos. § 591 Habrokomes erfährt, daß Antheia verkauft ist. Er verläßt Apsyrtos, um Antheia zu suchen. In Syrien findet er den Hirten, bei dem Antheia gelebt hat, und erfährt, daß Antheia nach Kilikien verkauft ist. Dort feiern die Räuber ein Aresfest in einer Höhle. Antheia soll als Opfer geschlachtet werden. 1 Im letzten Augenblick kommt Rettung: Eine Landstreife unter dem Hauptmann 2 Perilaos überfällt die Räuber und befreit Antheia. Perilaos will Antheia heiraten. Antheia bittet um Aufschub der Ehe. Die meisten Räuber sind getötet; nur Hippothoos ist entkommen. Als Habrokomes auf der Suche nach Antheia nach Kilikien kommt, trifft er auf Hippothoos. Beide sind auf einer Irrfahrt (πλάνη). Sie beschließen, zusammen zu reisen.

Räuber Hippothoos erzählt sein Leben (III 1-3,6) § 592 Hippothoos und Habrokomes erzählen sich unterwegs ihre Lebensgeschichten. Hippothoos stammt aus Perinthos am Marmarameer. Er hatte einen Knaben geliebt, und dieser war ihm ergeben. Aber „ein Dämon nahm uns das übel" (δαίμων τις ήμΐν ενεμέσησε). Ein anderer Liebhaber nimmt Hippothoos den Knaben weg, indem er ihn für teures Geld dem Vater abkauft. Hippothoos dringt nachts ins Haus des Rivalen, findet ihn neben dem Knaben und tötet ihn. Dann flieht er mit dem Knaben zu Schiff. Sie geraten in einen Sturm, das Schiff sinkt, der Knabe ertrinkt. Aus Verzweiflung wird Hippothoos Räuber. - Der Dämon, der den beiden Liebenden grollte, war Isis-Nemesis. Der Rivale, der den Knaben gekauft hatte, muß seine Verfehlung mit dem Tode büßen; Hippothoos, der den Knaben entführt, verursacht dessen Tod. Im weiteren Gespräch mit Hippothoos erfährt Habrokomes, daß Antheia bei den Räubern gewesen und befreit worden ist. „Du, Habrokomes, wirst deine Geliebte einst wiedererlangen; aber ich werde meinen Liebling nie wieder sehen können." Habrokomes ist entschlossen: „Wir wollen uns nach Kilikien wenden, wir wollen suchen (ζητήσωμεν)."

Antheia will Gift nehmen (III 3,7-5,10) § 593 Der Hochzeitstag von Antheia und Perilaos naht. Die Hochzeit soll in Tarsos gefeiert werden. Z u m Glück erscheint ein Arzt aus Ephesos. - Der Arzt aus „Ephesos" ist ein Isisdiener. 3 Antheia bittet ihn um Hilfe, unter Berufung auf die heimische Göttin Artemis (= Isis). Der Arzt tröstet sie 4 und schwört, ihr zu helfen. Da verlangt Antheia von ihm Gift, „irgendein

1

Scheintod bei der Initiation.

2 Είρηνάρχης, der Chef des Streifendienstes, welcher für den Frieden auf dem Land und die Bekämpfung der Räuber zuständig war. 3

Vgl. den Priester-Arzt aus Ephesos in der Historia Apollonii und den klugen Arzt bei Appuleius X 2 -

4

III 5,6 θ α ρ ρ ε ΐ ν παρεκάλει.

12.

29 Xenophon von Ephesos

355

Mittel, das mich Unglückliche vom Übel befreit"; 1 denn ihr Gatte sei tot, und sie wolle den Treueid nicht übertreten. Sie gibt dem Arzt 20 Minen Silber und ihre Halsketten. - Von allem Übel befreit die Isisweihe. Wie Lucius vor seiner zweiten Weihe 2 bringt Habrokomes dafür ein Opfer. -

Antheia scheintot begraben (Sargritual; III 5-8) § 594 Der Arzt gibt Antheia statt des Giftes nur ein Schlafmittel. Als die Nacht naht, wird das Brautgemach bereitet und der Hochzeitsgesang angestimmt. Antheia nimmt die Arznei und stürzt wie tot zur Erde. Die Verbindung von τάφος und θάλαμος, von Grab und Brautbett, war in dem Apollon-Orakel am Anfang angekündigt worden. Perilaos findet seine Braut und beklagt sie: „Mein liebes Mädchen, in was für ein Brautgemach werden wir dich führen - in das Grab." Man schmückt Antheia und begräbt sie vor der Stadt. 3 Die begrabene Antheia kommt zu sich. Sie beschließt, durch Hunger zu sterben. Aber nachts erbrechen kilikische Räuber das frische Grab und finden Antheia lebendig. Sie richten sie auf 4 und führen sie zu Schiff nach Alexandria. Sie sprechen ihr M u t zu 5 und zwingen sie, Speise und Trank zu sich zu nehmen. - Auferstehung eines in der Weihe Gestorbenen. Das Fasten der Antheia, die von den Räubern gereichte Speise und der Trank haben kultische Bedeutung. -

Habrokomes und Antheia wieder versklavt (III 9-12) § 595 Hippothoos hat eine neue Räuberbande gesammelt. Habrokomes erfährt von Tod und Bestattung seiner Gattin und dem Raub der Leiche. Die Räuber sprechen ihm Trost zu. 6 Habrokomes entfernt sich und nimmt ein Schiff nach Ägypten. In Alexandria verkaufen die kilikischen Räuber Antheia an Sklavenhändler. Der reiche Inder Psammis kauft sie. Als er sie in sein Bett ziehen will, gibt Antheia vor, sie sei der Isis geweiht, 7 und entgeht seinen Nachstellungen. - Auf der Erzählebene ist dies eine Täuschung. Auf der religiösen Ebene ist es die Wahrheit. Das Schiff des Habrokomes scheitert an der Nilmündung. 8 Der gerettete Habrokomes wird von Räubern gefangen, nach Pelusium geführt und dort verkauft. Ein alter M a n n kauft Habro-

1

III 5,7 φάρμακον . . . , δ κακών με απαλλάξει τήν κακοδαίμονα.

2

Bei Appuleius, Met. XI 28 (er muß seine Kleider verkaufen).

3

Sargritual, s. § 329.

4

III 8,3 άνίστων . . . αύτήν.

5

III 8,5 θαρρεΐν παρεκάλουν.

6

III 10,3 θαρρεϊν . . . παρεκάλουν: Duplizität des Trostes, wie schon vorher in II 9 - 1 0 .

7

III 11,4 ότι αύτήν ό πατήρ γεννώ μένη ν άναθείη τήι Τσιδι. 12,1 Ιερά τής "Ισιδος νομιζομένη. Plutarchs Freundin Klea war von Kind auf Osiris geweiht, s. § 456. 8

Die Schicksale der Liebenden werden parallel geführt; dem Schiffbruch der Antheia in II 11 entspricht der des Habrokomes. Im Ritual muß jeder Myste durch das Tauchbad gehen. Die Handlung des Romans umspielt das Ritual, wie in der Musik Variationen ein Thema.

356

2 9 X e n o p h o n von Ephesos

komes und behandelt ihn wie seinen Sohn. - Im Ritual entspricht der geistliche Vater des neuen Mysten. Die Frau des Alten verliebt sich in Habrokomes und tötet ihren M a n n . Als Habrokomes ihre Anträge ausschlägt, wirft sie ihm den M o r d des Alten vor und übergibt ihn der Behörde. Er wird vor den Praefectus Aegypti geführt. - Eine weitere Variation von Josephs Abenteuer mit Potiphars Frau. -

Habrokomes wird gekreuzigt und stürzt in den Nil (IV 1 - 7 ) § 5 9 6 Die Räuberbande des Hippothoos zieht durch Syrien und Palästina nach Ägypten, kommt durch das heilige Memphis 1 und richtet in der Gegend von Koptos eine Höhle ein, weil von dort aus die Karawanen zum Roten Meer zogen; der Verkehr nach Indien ging über diese Wege, und es war auf reiche Beute zu hoffen. H a b r o k o m e s wird vom Praefectus Aegypti zum Kreuzestod verurteilt. Er ist über all dies Unglück sprachlos 2 und tröstet sich in dem Gedanken, daß auch Antheia tot sei. - Schweigen des Mysten. Er mußte das ihm noch unbekannte Todesritual in der Weihe über sich ergehen lassen und auf die Rettung der Götter vertrauen. Der Praefectus Aegypti spielt die Rolle eines Oberpriesters. Am Ufer des Nils errichtet man das Kreuz und bindet Habrokomes daran. Der Gekreuzigte blickt auf zur Sonne und nieder auf das Nilwasser; er betet: „ O du menschenfreundlichster der Götter, 3 der du Ägypten beherrschst, durch den Land und M e e r für alle Menschen erschienen sind! Wenn ich Unrecht getan habe, dann will ich sterben; wenn ich unschuldig bin, dann möge das Wasser des Nils nicht befleckt werden durch den Leichnam eines unschuldig Hingerichteten, und du (Sonnengott) mögest nicht sehen, daß in deinem Land ein M e n s c h unschuldig getötet wird." Das Gebet richtet sich an Sarapis, den Gott der Nilflut (s. § 1 4 0 ) . Auf das Gebet hin erbarmt 4 sich der Gott. Ein starker Wind erhebt sich, 5 das Kreuz stürzt in den Nil und wird stromabwärts getragen, ohne daß Habrokomes Schaden nimmt: Die Fesseln hindern ihn nicht, kein Tier tut ihm ein Leid an, der Strom geleitet ihn. An der M ü n d u n g fischen Wachen Habrokomes aus dem Wasser.

1 IV 1 , 3 Μέμφιν τήν ίεράν της "Ισιδος. Die geographischen Angaben in diesem Kapitel sind für den W e g von Pelusion durch das Delta bis fast nach Alexandria klar zu verifizieren, aber nicht mehr für den W e g von M e m p h i s nach K o p t o s . Anscheinend hat X e n o p h o n ein p a a r geographische N a m e n als Schmuckstücke beliebig eingefügt. In der Literatur der Griechen und Römer werden geographische N a m e n als poetisch empfunden. 2

I V 2 , 2 αχανής ήν.

IV 2 , 4 ώ θεών φιλανθρωπότατε. Mit denselben W o r t e n betet Antheia zu Memphis den Apis an (V 4 , 1 0 ) , das lebende Abbild des Sarapis. Auch Aelius Aristides nennt in seiner Preisrede auf Sarapis den Gott φιλανθρωπότατος (or. 4 5 , 2 6 p. 3 6 0 , 4 Keil). Für Helios-Sarapis als den Gott Ägyptens und der Welt s. P. G. M . IV 1 6 3 9 = A b r a s a x I S. 1 1 0 ό τήν άρχήν της Αιγύπτου εχων και τήν τελευτήν της όλης οικουμένης. 3

4

IV 2 , 6 οίκτείρει.

Dabei soll an die Nordwinde (die έτησίαι) gedacht werden, die alljährlich zur Zeit der Nilflut wehen und von denen man meinte, sie stauten das Wasser des Flusses zurück und bewirkten die Nilflut. 5

29 Xenophon von Ephesos

357

Habrokomes wiederholt das Geschick des Osiris § 5 9 7 Auch Osiris ist den Nil hinabgeschwommen, ohne unterzugehen; die Tiere des Wassers - Krokodile und Fische - haben ihm keinen Schaden zugefügt. N a c h Plutarch 1 ist der Sarg durch die tanitische N i l m ü n d u n g ins Meer getragen worden. Als Ertrunkener, der nilabwärts schwimmt, trägt Osiris den N a m e n „ H e s i e s " , „ d e r Gesegnet e " ; im W a s s e r der Nilflut werden Fruchtbarkeit und Segen über g a n z Ä g y p t e n verteilt. In einem magisch-religiösen T e x t wird Osiris angerufen: „ K o m m zu mir, der du zu Hesies geworden, der du v o m Fluß dahingetragen w i r s t . " 2 In einem anderen heißt es: „Ihn, der drei T a g e und drei N ä c h t e im Fluß geblieben ist, den Hesies, der v o m Strömen des Flusses in d a s Meer getragen worden i s t . " 3 In ägyptischen magischen Texten werden zum Schutz gegen Krokodile Sprüche rezitiert, welche einst den Osiris schützten: „ O s i r i s befindet sich auf dem Wasser . . . M ö g e der, der sich auf dem Wasser befindet, heil d a v o n k o m m e n ! . . . Ihr, die ihr euch im W a s s e r befindet, 4 erhebt euer Gesicht nicht, wenn Osiris a n euch v o r b e i z i e h t . . . M ö g e euer M u n d versperrt und euer Schlund v e r s t o p f t sein! Z u r ü c k , Feind! Erhebe dein Gesicht nicht gegen den, der sich auf dem Wasser befindet - denn es ist doch Osiris."· 5 Für die Kreuzigung des H a b r o k o m e s gibt es kein Vorbild im Osirismythos. M a n wird sagen, daß jeder g e w a l t s a m und ungerecht Getötete d a s Schicksal des v o n Seth ermordeten Osiris wiederholte. S o konnte der T o d des Mysten in der Initiation auf verschiedene Weise nachgespielt werden.

Habrokomes durch die Nilflut gerettet (IV 2,8-10) ξ 5 9 8 M a n bringt H a b r o k o m e s erneut vor den Präfekten. Dieser befiehlt, einen Scheiterhaufen zu errichten und H a b r o k o m e s zu verbrennen. Der Scheiterhaufen wird a n der N i l m ü n d u n g errichtet. Als d a s Feuer H a b r o k o m e s bereits umzüngelt, betet er wieder u m Rettung; da erhebt sich der Nil zu hohen Wellen, ergießt sich über den Scheiterhaufen und löscht d a s Feuer. Alle Anwesenden s t a u n e n ; 6 m a n führt H a b r o k o m e s wieder vor den Präfekten und berichtet 7 über die Hilfe des N i l s . 8 Der Präfekt staunt^ 1

De Iside 13.

2

P. G. M. IV 876 έλθέ μοι, ό γενόμενος Έ Σ Ι Η Σ καί ποταμοφόρητος.

P. G. M. V 270 τόνδε έν ποταμω μείναντα ήμέρας τρεις, νύκτας τρεις, τόν ΈΣΙΗ, τον ένεχθέντα έν τφ ρεύματι τοϋ ποταμού εις την θάλασσαν. Über Hesies, den Gesegneten, s. § 9. 4 Gemeint sind Nilpferde und Krokodile. 3

^ Metternichstele, Rückseite 38-41; übersetzt von Heike Sternberg-el-Hotabi, in: Otto Kaiser (Herausgeber), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Band II (1988) S. 375. Vgl. auch Totenbuch 134,12-17 (Hornung S. 260): „Alle Gegner, die den Osiris N N angreifen wollen . . ., ob sie auf dem Wasser kommen oder mit den Sternen dahineilen, die wird Thot köpfen." 6

I V 2,9 θαύμα δέ τό γενόμενον τοις παροΰσιν ήν.

διηγούνται. τήν τοϋ Νείλου βοήθειαν. Das Wort βοήθεια ist etymologisch durchsichtig, es bedeutet: auf Hilferuf (βοή) herbeilaufen (θέω). Der Nil hat das Gebet des Habrokomes erhört. ' έθαύμασεν άκουσας τά γενόμενα. 7 8

358 29 Xenophon von Ephesos

und befiehlt, Habrokomes im Gefängnis zu behalten, bis man erfahre, warum er den Göttern so am Herzen liegt. Indem das Nilwasser das vertrocknete Land überflutet, überwindet Osiris den Dämon des Feuers (Scheiterhaufen), Seth. Man darf aus der Romanhandlung einen Schluß auf das zugrundeliegende Initiationsritual ziehen: Wie Habrokomes am Tag der Nilschwelle hingerichtet werden soll und durch die Flut gerettet wird, so erlitt der Myste am Tag der Nilflut einen rituellen Tod und wurde durch Osiris-Sarapis gerettet oder wieder zum Leben erweckt.·'

Der Bericht über die Rettung vom Scheiterhaufen ist eine Aretalogie; heidnische und christliche Parallelen § 599 Die Rettung des Habrokomes vor dem Feuer durch die Nilflut war ein Beweis für die Macht (δύναμις, άρετή) des Sarapis. Die Anwesenden staunen über das Wunder. 2 In ähnlicher Weise wie bei Xenophon besteigen auch die Helden von Heliodors Roman glühende Roste und werden gerettet (VIII 9 und X 9-10). Rettung vom Scheiterhaufen kommt auch in christlichen Texten vor; so wird von Thekla, der Schülerin des Paulus, erzählt, daß sie den Scheiterhaufen bestiegen, Gott aber mit Erdbeben, Regen und Hagel das Feuer gelöscht habe. 3 Dies ist kein historischer Bericht; aber viele der frühen Christen haben ihn als solchen aufgefaßt. Eine Grenze zwischen Fakten und Erzählung kann bei solchen Texten nicht gezogen werden. Bittere Tatsache ist es allerdings gewesen, daß Christen wegen ihres Glaubens durch Feuer hingerichtet worden sind, so Karpos, Papylos und Agathonike in Pergamon. 4 Auch Polykarp von Smyrna ist in den Flammen gestorben, 5 ebenso Agape, Eirene, Chione in Thessalonike, 6 und Fructuosus, Augurius, Eulogius in Tarragona. 7 Bei den Christen hängen die Flammentode in der Literatur von denen in der Wirklichkeit ab; Berichte über wirkliche Martyrien sind Vorbilder für die ausgeschmückten Texte gewesen. Soll man für die heidnischen Texte dasselbe annehmen, soll man annehmen, daß Berichte über 1

Eine entsprechende Rettung der Antheia folgt in IV 5 - 6 .

2

IV 2,10 θαϋμα δέ τό γενόμενον τοις παροΰσιν ήν. Für das Staunen und die Zeugen s. § 576.

3 Acta Pauli et Theclae 2 1 - 2 2 (p. 249-251 Lipsius). Andere Fälle der Rettung vom Scheiterhaufen oder einem glühenden Rost: die drei Knaben im Feuerofen im Buch Daniel Kap. 3; Montanus und Lucius in der Passio Montani et Lucii 3,3 (bei Knopf-Krüger-Ruhbach, Ausgewählte Märtyrerakten S. 74); der Mönch Apollonios in der Historia monachorum 19,8 (p. 117 Festugière); Euphemia von Kalchedon (Passio Euphemiae 8-10) bei F. Halkin, Euphémie de Chalcédoine (Subsidia hagiographica 41, 1965) S. 20-23; der Apostel Matthaeus im Martyrium Matthaei 19 und 21 (Acta apostolorum apocrypha p. 242/3 und 246/7 Bonnet); Justina im Martyrium sanctorum martyrum Cypriani et Justinae Kap. 4 (Acta Sanctorum Sept. VII p. 244); Vita et martyrium sanctorum Cypriani et Justinae 2 6 - 2 7 (Migne, P. G. 115,876). 4

Bei Knopf-Krüger-Ruhbach S. 9, § 3 6 ^ 7 .

5

Martyrium Polycarpi 15/6. Beim Tod des Polykarp haben sich Wunder ereignet: θαϋμα εί'δομεν, οίς ίδειν εδόθη· οι και έτηρήθημεν εις τό άναγγειλαι τοις λοιποΐς τά γενόμενα, τό γαρ πϋρ καμάρας είδος ποίησαν, ώσπερ οθόνη πλοίου υπό πνεύματος πληρουμένη, κύκλωι περιετείχισεν τό σώμα του μάρτυρος. Weil das Feuer Polykarp nicht tötete, mußte ein Gerichtsdiener ihn erstechen; da έξήλθεν πλήθος αίματος, ώστε κατασβέσαι τό πϋρ και θαυμάσαι πάντα τον οχλον. 6

Bei Knopf-Krüger-Ruhbach S. 97-100, Kap. 4 - 5 und 7.

7

Bei Knopf-Krüger-Ruhbach S. 83-85; Prudentius, Peristephanon 6.

2 9 X e n o p h o n von Ephesos

359

wirkliche Hinrichtungen zu Aretalogien umgestaltet und daß für die R o m a n e dann entsprechende aretalogische Szenen ausgedacht worden sind? Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, aber Beweise haben wir nicht. Blutige Verfolgungen der Verehrer der ägyptischen Götter haben vor allem in R o m im ersten vorchristlichen Jahrhundert stattgefunden; daß sich ins einzelne gehende „libelli" über diese Verfolgungen erhalten hätten, ist nicht zu erwarten. Jedenfalls haben solche Erzählungen über Kreuzigung und Feuertod eine religiöse Atmosphäre und zeigen alle Charakteristika von Aretalogien. M a n könnte auch vermuten, daß gespielte Kreuzigungen, gespieltes Besteigen eines Scheiterhaufens zu den Initiationsriten einiger Gruppen von Isisverehrern gehört haben und daß solche Riten das Bewußtsein wecken sollten, man müsse seiner Religion die Treue halten.

Der Praefectus Aegypti verhört Habrokomes und gibt ihn frei (IV 4) § 6 0 0 Der Präfekt läßt H a b r o k o m e s aus dem Gefängnis holen und fragt nach seinem L e b e n s l a u f . 1 Er hört sich alles an, empfindet Mitleid mit solchem Geschick 2 und will ihn nach Ephesos heimsenden. Habrokomes aber will Antheia suchen (ζητήσαι) und fährt zu Schiff nach Italien. Habrokomes erzählt einem der höchsten Beamten des Römerreiches sein Lebensschicksal, d. h. den R o m a n . Der Präfekt in der Erzählebene steht für den Priester im Kult. -

Habrokomes in Sizilien; Geschichte des Fischers; Habrokomes im Steinbruch (V 1 und 8) § 6 0 1 Habrokomes landet in Sizilien bei einem Fischer, der ihn gut aufnimmt und wie einen Sohn pflegt. Der Fischer erzählt seine Geschichte. Er war Spartaner und hatte als junger M a n n seine Frau entführt; sie hatte die Haare geschoren und Jünglingstracht angelegt. Sie lebten lange glücklich zusammen. V o r kurzem war die Frau gestorben. Er hat sie einbalsamiert und lebt mit der Mumie: Er spricht, speist und schläft mit ihr; wenn er müde ist, tröstet sie ihn. Er denkt an ihr früheres Glück, an die Nachtfeste in Sparta und an ihre Treueide. Das Zusammenleben mit Mumien ist ein ägyptischer Brauch, s. § 5 0 . Haaropfer und Verkleidung des Mädchens, Nachtfeste und Treueide spielen auf ein Ritual an. Der „Fischer" in der Erzählebene vertritt einen Priester in der Ritualebene. § 6 0 2 Habrokomes reist aus Syrakus nach Unteritalien; er will nach Ephesos zurückkehren, „wenn er nichts von dem finden sollte, was er s u c h t e " . 3 Leukon und Rhode, die Diener des Liebespaares, die als Sklaven nach Lykien verkauft worden waren (II 1 0 , 4 ) , erleben einen Umschwung zum Guten: Ihre Besitzer sind kinderlos gestorben und haben sie als Erben eingesetzt. Sie fahren aus Lykien nach Rhodos (V 6,3—4).

1 Ich fasse im folgenden die Schicksale des Habrokomes und danach die der Antheia in einem Abschnitt zusammen. Bei X e n o p h o n - der viel ausführlicher ist - wechselt die Erzählung mehrfach zwischen Held und Heldin hin und her. 2

IV 4 , 1 μανθάνει το διήγημα και οίκτείρει, την τύχην.

3

V 6 , 2 εί μηδέν εΰρίσκοι των ζητουμένων.

360

29 Xenophon von Ephesos

Habrokomes kommt nach Nuceria in Campanien, auch dort nach Antheia suchend. 1 Da er sie nicht findet 2 und sich seinen Lebensunterhalt verdienen muß, verdingt er sich in einem Steinbruch. - Zu den Proben eines Mysten gehörten erniedrigende Arbeiten.

Antheia betet in Memphis zu Isis (IV 3) § 603 Inzwischen will Psammis, der Besitzer der Antheia, nachhause reisen. Er nimmt den üblichen Weg nilaufwärts über Memphis nach Koptos und von dort zum Roten Meer. In Memphis bittet Antheia Isis um Hilfe: „Du größte der Göttinnen, 3 bisher bin ich noch keusch geblieben, da ich als die Deine gelte . . . Rette mich und vereine mich mit Habrokomes oder - wenn es uns wirklich beschieden ist, getrennt voneinander zu sterben - hilf mir, dem Toten die Treue zu halten." - Sie will dem toten Gatten treu bleiben, wie Isis dem toten Osiris. Hinter Koptos 4 überfallen die Räuber des Hippothoos die Reisenden, töten Psammis und führen Antheia mit der Beute in die Räuberhöhle. - Isis hat das Gebet der Antheia erhört. 5 Hippothoos, der Antheia nach ihrem Schiffbruch am Strand von Kilikien erbeutet und sie dann dem Ares als Opfer hatte schlachten wollen, erkennt sie nicht, denn sie nennt sich „Memphitis". - Dies ist der Weihename der Mystin. Memphis war eines der Zentren der Isisreligion. 6 „Memphitis" ist in Thessalonike als Kultname der Isis belegt; 7 eine ravennatische Isisdienerin nennt sich Memphiusß

Antheia lebendig begraben (IV 5-6) § 604 Einer der Räuber verliebt sich in Antheia. Er droht ihr, aber sie ist entschlossen, Habrokomes treu zu bleiben, „selbst wenn es scheint, daß er gestorben ist". Als der Räuber sie nachts überwältigen will, ergreift sie ein Schwert und ersticht ihn. - Auch diese Szene spielt auf eine Probe bei der Initiation an. Am anderen Morgen finden die anderen Räuber Antheia mit dem Toten. Um sie zu bestrafen, graben sie eine Grube, werfen das Mädchen mit zwei scharfen Hunden hinein und decken die Grube mit Reisig. - Nachdem Habrokomes beim Sturz des Kreuzes in den Nil durch Luft und Wasser, auf dem Scheiterhaufen durch das Feuer gereist ist, besteht Antheia die Reise unter

1

V 8,1 την "Ανθειαν ζητών.

2

ώς ουδέν ηΰρισκεν.

3

Summa numittum nennt Isis sich selbst bei Appuleius (XI 5,1). - Dieses Gebet der Antheia entspricht dem Gebet des Habrokomes an Sarapis. 4 Psammis ist in Koptos nach Osten in Richtung auf das Rote Meer abgebogen, wohl in Richtung auf Berenike Troglodytike. Er muß durch das Bergland, in welchem die Räuber ihren Stützpunkt haben. 5

Wie Sarapis soeben das Gebet des Habrokomes erhört hat.

6

Im kymäischen Exemplar der Selbstoffenbarung der Isis (I. K. 5, 41) heißt es, daß der Text von einer Stele in Memphis abgeschrieben sei. 7 8

1. G. X 2, fase. 1, 102 'Ίσιδος Μεμφίτιδος.

Vidman 586 = Dessau 9442, s. hier Abb. 2 2 0 - 2 2 2 . Vgl. noch Vidman 424 = Dessau 4411 (Rom) Agrippin(a)e bere (= vere) Memfianae. Vgl. § 320-323 über die „Signa".

29 Xenophon von Ephesos

361

die Erde. Bei Appuleius ist Lucius „durch alle Elemente gefahren" (per omnia vectus elementa, Met. XI 23,7). Als Wächter bleibt der Räuber Amphinomos bei Antheia zurück. Er hatte sich in sie verliebt und erbarmt sich ihrer. 1 Er wirft Brote hinunter, reicht Wasser und spricht Antheia Trost zu (θαρρεΐν παρεκάλει). Da die Hunde Speise haben, werden sie zahm. 2 Antheia klagt: „Grube und Gefängnis - aber ich erleide nur dasselbe Schicksal wie du, Habrokomes; dich ließ ich in Tyros im Gefängnis zurück." 3

Antheia erhält in Memphis ein günstiges Orakel (V 2-4) § 605 Die Räuberschar des Hippothoos zieht nilabwärts. Als seine Gesellen fort sind, befreit Amphinomos Antheia, spricht ihr guten Mut zu (·θαρρεΐν παρεκάλει) und führt sie nach Koptos. Der Praefectus Aegypti schickt Soldaten unter Polyidos gegen die Räuber aus. Hippothoos entkommt und gelangt nach Sizilien. Amphinomos wird festgenommen. So gelangt Antheia in die Gewalt des Polyidos. Sie verschweigt ihren Namen und gibt sich als Ägypterin aus. - Dies bedeutet auf der Ebene des Rituals, daß sie sich als Eingeweihte zu erkennen gibt. Polyidos verliebt sich in Antheia. Sie rettet sich vor seinen Anträgen in den Isistempel zu Memphis und bittet die Göttin um Hilfe. Polyidos schwört im Tempel, sie zu schonen. Nach einigen Tagen geht Antheia auch in das Heiligtum des Apis. Die Knaben, welche vor dem Heiligtum spielen, standen im Ruf der Weissagung. Als Antheia um eine Prophezeiung über Habrokomes gebeten hatte und aus dem Heiligtum herauskommt, rufen die Kinder: „Bald wird Antheia ihren Gatten Habrokomes bekommen." - Für das memphitische Kinderorakel s. § 181.4-

Antheia im Bordell; sie berichtet über ihr Leben (V 5-9) § 606 Polyidos kommt mit Antheia nach Alexandria. Seine Frau ist auf Antheia eifersüchtig, zerreißt ihr Kleid, geißelt sie, schneidet ihr die Haare ab und fesselt sie. 5 Die eifersüchtige Frau läßt Antheia nach Italien verschiffen und in Tarent in ein Bordell verkaufen. - Auch in der Historia Apollonii wird die Heldin (Tarsia) in ein Bordell verkauft. Ähnliche Episoden kommen in christlichen Texten vor, so im Martyrium der Eirene. 6 In 1

I V 6,5 ή λ έ ε ι . . . κ α ι . . . ώικτειρεν. 6,7 έλεει.

2

Vielleicht wird darauf angespielt, daß der Hund Anubis der Isis treuester Diener ist.

3

Für die Bedrohung durch wilde Tiere vgl. das Gewand des Lucius (XI 24,3).

4

P. Courcelle hat das Kinderorakel bei Xenophon mit dem Kinderorakel verglichen, welches Augustin im Garten von Mailand erhielt (Confess. VIII 29; s. Rev. hist, religions 139, 1951, 2 1 6 - 2 3 1 und Les confessions de Saint Augustin dans la tradition littéraire [1963] 137-141). 5 6

Prüfungen, wie sie im Einweihungsritual üblich waren.

Knopf-Krüger-Ruhbach S. 99 (Kap. 5,8 und 6,2). Auch Eirene kann sich rein erhalten. Eine ähnliche Erzählung bei Palladlos, Historia Lausiaca 65. Vgl. noch Johannes Moschos, Pratum spirituale 186 (Migne, P. G. 87,3 p. 3 0 6 1 - 6 4 ) : Eine Frau bietet sich einem Mann an, und sie speisen zusammen. Sie gehen dann ins Schlafzimmer. Dort offenbart die Frau, daß sie sich verkaufen müsse, weil ihr Ehemann im Schuldgefängnis eingesperrt sei. Der Freier bemitleidet sie und gibt ihr das nötige Geld, um ihren Mann auszulösen. Später rettet ihn diese Frau dann ihrerseits.

362 29 Xenophon von Ephesos

Smyrna droht man der Christin Sabina, sie ins Bordell zu schicken, falls sie die üblichen Opfer nicht bringe. 1 § 607 Im Bordell zu Tarent klagt Antheia: „Ist es denn nicht genug mit meinem bisherigen Unglück, mit den Fesseln, dem Aufenthalt bei den Räubern? M u ß ich jetzt noch den Dienst einer Hure tun?" Der Bordellwirt will sie einerseits trösten und andererseits bedroht er sie. 2 Antheia stellt sich, als leide sie an der „heiligen Krankheit" (Epilepsie), und rettet ihre Keuschheit. Der Bordellwirt zeigt Verständnis (V 7,9), beschließt aber dann, die unnütze Sklavin zu verkaufen. Der edle Räuberhauptmann Hippothoos ist nach Tarent gereist. Er trifft Antheia auf dem Sklavenmarkt, erkennt sie als das in Ägypten gefangene Mädchen, wundert sich über ihre unerwartete Rettung, 3 kauft sie und spricht ihr Trost zu (V 9,6 und 9), denn er hat Mitleid mit ihr. 4 Schließlich verliebt auch er sich. Antheia „hält es für edler, alles Geheime auszusprechen", 5 und erzählt ihr Leben. Da erkennt Hippothoos sie als Frau seines Freundes Habrokomes.6 Er spricht ihr guten Mut zu 7 und will nun selbst Habrokomes finden. 8 Was Antheia berichtet, ist die Handlung des Romans und entspricht der Confession, welche Habrokomes vor dem Praefectus Aegypti abgelegt hat. -

Habrokomes und Antheia finden sich in Rhodos (V 10-14) § 608 Habrokomes fährt nach Griechenland. Er landet in Rhodos. Dort geht er in den Tempel des Helios; da kommen Leukon und Rhode vorbei, erkennen ihn und heißen ihn guten Mutes sein. 9 Hippothoos will Antheia nach Ephesos zurückbringen und landet in Rhodos. Dort ist gerade ein großes Heliosfest. Antheia geht in den Tempel, schneidet sich eine Locke für Habrokomes 1 0 ab und legt sie als Weihgeschenk für Helios mit einer Inschrift nieder. So erfahren Leukon und Rhode, daß ihre einstige Herrin hier ist, sagen es Habrokomes, suchen Antheia und finden sie. „Sei getrost (Φάρσει), Herrin, Habrokomes ist gerettet (σώζεται)." Sie eilen zu Habrokomes. 1

Martyrium Pionii 7,6 p. 49,25 Knopf-Krüger-Ruhbach αί γ α ρ μή θΐιουσαι εις πορνεΐον ϊστανται. M a n sehe noch Eusebios, Hist, eccles. Vili 14, besonders 14,16 (p. 784,26 Schw.), sowie M a r t . Palaest. 5,3 (p. 919,12 Schw.). 2

V 7,3 τά μέν δεομένου θαρρεΐν, τά δέ άπειλοϋντος. Der „Bordellwirt" ist ein Figurant, der nur so

tut. 3 4

V 9,5 παράλογος σωτηρία. V 9,11 κατώικτειρεν.

5

V 9,12 κάλλιον νομίζουσα ειπείν αύτώι π ά ν τ α τά άπόρρητα. Eine vollständige Beichte. 6 Sie hatten sich in Kilikien getroffen (II 14) und später wieder getrennt (III 10). 7

V 9,13 εύιΉιμεΐν παρεκάλει.

8

ε'ί που . . . άνευροι.

9

V 10,12 θ α ρ ρ ε ΐ ν παρεκάλουν.

10

V 11,6 ΰπέρ τοϋ άνδρός. Vgl. das Lockenopfer der Isis (s. S 183 über die r Iaiç τριχώματος) und das Lockenopfer der Königin Berenike(-Isis-Dike-Nemesis) für ihren Gatten Ptolemaios III. Euergetes, dem Kallimachos sein berühmtes, von Catull übersetztes Gedicht gewidmet hat. Vgl. auch O. Weinreich, Hermes 55, 1920, 326-328 (= Ausgewählte Schriften I 508-510).

29 Xenophon von Ephesos

363

Dieser hatte schon von dem Finden (εϋρεσις) der Antheia gehört - die Fama war schneller gewesen. Sie begegnen sich vor dem Tempel der Isis. Das Volk jubelt 1 und ruft „Eine große Göttin ist Isis." 2 - Der rituelle Ruf „Groß ist die Herrin Isis", μεγάλη τ Ισις ή κυρία. 3 Wir sind in einer Isis-Aretalogie. Das Sich-Finden, die εΰρεσις des Paares, ereignet sich an einem Fest des Helios-Sarapis und vor dem Tempel der Isis. Antheia und Habrokomes danken Isis für ihre Rettung (σωτηρία).

Die Geschichte des Paars im Artemistempel von Ephesos deponiert (V 15) § 609 Am anderen Tag fahren sie nach Ephesos. Die Kunde von ihrer Rettung (σωτηρία) war schon vorher dort angekommen, 4 und ihr erster Weg war zum Tempel der Artemis. Sie geben Artemis reiche Gaben und deponieren im Tempel „eine Beschreibung all dessen, was sie erlitten und getan haben". 5

1

ό δέ δήμος ό 'Ροδίων άνευφήμησέ τε και άνωλόλυξε.

2

μεγάλην θεόν άνακαλοΰντες την ΤΙσιν.

3

P. G. M. XXIVa; I. G. XIV, 2413,3 Anmerkung. Vgl. § 233, 400 und 496.

4

Wieder die Schnelligkeit der Fama.

5 V 15,2 οσα τε ε π α θ ο ν και δσα έδρασαν = Odyssee tì 490 δσσ' ερξαν τ' ε π α θ ό ν τε και δσσ' εμόγησαν Αχαιοί.

30 Achilleus Tatios

ουκ αίσχΰνομαι τά τοϋ "Ερωτος έξαγορεύουσα μυστήρια Ich schäme mich nicht, offen von den Mysterien des Eros zu sprechen Ach. Tat. V 26,3

Ein Buch auf zwei Ebenen; sein Datum § 610 Bei Xenophon liegt die Beziehung der Erzählung auf Isis und den ägyptischen Kult offen zutage. Anders Achilleus Tatios; 1 er schreibt auf zwei Ebenen, der erzählenden und der religiösen. Die letztere ist lange verkannt geblieben. Sie tritt besonders deutlich hervor im IV. Buch, wo von der Nilflut und dem Erscheinen des Phönix die Rede ist. 2 Mit dem Phönix wird auf den Beginn einer neuen Sothisperiode angespielt. Damit ist der Roman in das Jahr 139 n. Chr. oder kurz danach datiert. In diesem Jahr begann eine neue Sothisperiode, und in Alexandria wurden Münzen mit dem Bild des Phönix geprägt. Vgl. § 2 0 7 - 2 0 9 und Abb. 225/6.

Einleitung: ein Gemälde der Europa auf dem Stier (11-2) § 611 Aus schwerer Seenot in den phönizischen Hafen Sidon gerettet, bringt ein M a n n der Göttin Astarte 3 ein Dankopfer dar. Danach betrachtet er ein Gemälde, auf dem die Entführung

1

Edition von E. Vilborg (1955); derselbe Autor hat einen textkritischen Kommentar geliefert: Achilles Tatius, Leucippe and Clitophon. A Commentary (Studia Graeca et Latina Gothoburgensia 15, 1962). T. Hägg, Eros und Tyche 60-74. Vorzügliches Speziallexikon von J. O'Sullivan (1980). Deutsche Übersetzung von Κ. Plepelits, 1980 (Bibliothek der griechischen Literatur 11), mit sorgfältiger Einleitung und 4 0 Seiten Kommentar. 2 Die gedachte Zeit der Handlung liegt irgendwann in der Vergangenheit; über Ägypten herrscht ein „Satrap" (IV 11,1 und 13,4). 3 Astarte ist die phönizische Form des Namens der Göttin Ischtar, der Geliebten des Thammuz-Adonis. Astarte ist auch einer der vielen Namen der Isis, s. ξ 166 (im Gedicht des Isisdoros von Narmuthis); weiter Pap. Oxy. 1380 = M. Totti, Texte Nr. 20,116; Roussel 194 = I. Délos 2132 = Sylloge 3 1132.

30 Achilleus Tatios

365

der Europa dargestellt ist. Zeus als Stier entführt die Geliebte.1 - Die sidonischen Priester haben Astarte mit Europa gleichgesetzt.2 Der gerettete Seefahrer ruft: „Wie herrscht doch das Eroskind über Himmel, Land und Meer." Neben ihm steht der junge Kleitophon und stimmt lebhaft zu. Der andere fragt: „Was war dein Schicksal? Du siehst aus, als ob du der Weihe (τελετή) des Gottes nicht fern seist." Die folgende Erzählung - der Roman - ist die Antwort des Kleitophon. Der Himmel, Erde und Meer beherrschende Gott ist Eros-Harpokrates; der Zeus-Stier ist identisch mit dem Apis-Stier, mit Sarapis (s. § 428); Achilleus Tatios sagt (II 15,4), daßZeus bei der Entführung der Europa einen ägyptischen Stier nachahmte. Vgl. die Tonlampe Abb. 48 und die Tonform aus Memphis mit dem Zeus-Sarapis-Stier und Europa (Abb. 47) sowie das Fresko aus dem Haus des Octavius Quartio Abb. 46. § 612 Das Gemälde wird ausführlich beschrieben und präfiguriert die Geschichte. Zeus entführt Europa: Ein Liebespaar flieht auf das Meer hinaus, übersteht alle Gefahren und landet am rettenden Ufer. Wer sich dem Gott anvertraut, den führt er sicher über das Meer des Lebens. Nebeneinanderstehende Bäume „umarmen" sich mit den Blättern ihrer Zweige: Liebe regiert die ganze Natur. Auf die geheime Sympathie zwischen den Reichen der Natur werden wir noch zurückkommen. - Seitwärts steht ein Gärtner mit einem Karst in der Hand: Anspielung auf eine der Prüfungen bei der Isis-Initiation.3 Europa „fährt" auf dem Stier „wie auf einem Schiff", ihr Gewand bläht sich „wie ein Segel": Ebenso hält Isis Pelagia das sich blähende Segel (Abb. 100/101 und 227-229). 4 - Die Gespielinnen der Europa sehen zu in „Freude und Furcht" (χαράς και φόβου): Mysterienworte. 5 § 613 Der aus Seesturm Gerettete, der dieses Bild betrachtet und die Geschichte des Kleitophon hört, ist schon in den Hafen des Heils geführt worden. Kleitophon als Aretaloge erzählt ihm seine Geschichte, in verschlüsselter Form auf Mythen und Lehren der Isisreligion anspielend.

1 Das Gemälde ist ein Weihgeschenk, ανάθημα Über Gemälde als religiöse Weihgeschenke s. § 394. Die Entführung der Europa, ihr Bruder Kadmos und Astarte-Aphrodite gehören zu den mythologischen Traditionen Sidons und sind auf den Münzen der Stadt abgebildet. 2 Ps. Lukian, De dea Syria 4 ενι δέ και άλλο ίρόν έν Φοινίκηι μέγα, τό Σιδώνιοι εχουσιν· ώς μέν αυτοί λέγουσιν, Ά σ τ ά ρ τ η ς έστίν· Ά σ τ ά ρ τ η ν δ' έγώ δοκέω Σεληναίην εμμεναι- ώς δέ μοί τις των ίρέων άπηγέετο, Ευρώπης έστί της Κάδμου άδελφεής. 3 S. § 311 Anmerkung mit dem Zitat aus Menanders Dyskolos, ferner § 577 (III) und 602 (Habrokomes im Steinbruch), auch unten S 648 (Leukippe hat mit der Hacke gearbeitet). 4 Europa stammt von Io ab (Io - Epaphos - Libye - Agenor - Europa). So betrachtet konnte man Europa als eine Emanation der Ιο-Isis auffassen. In der „Europa" des Moschos ist auf ihrem Korb der IoMythos dargestellt (Verse 44-62). Mir scheint noch immer, daß in diesem Gedicht auf die Identität der Europa mit Ιο-Isis angespielt wird, s. „Roman und Mysterium" 326-332. 5

Vgl. die in S 332 angeführte Stelle aus Plutarch, De facie in orbe Lunae 28.

366

30 Achilleus Tatios

Kleitophon verliebt sich in Leukippe; sein Traum (I 3 - 6 ) § 6 1 4 K l e i t o p h o n s t a m m t aus T y r o s 1 und sollte im Alter v o n 1 9 J a h r e n mit seiner H a l b schwester Kalligone vermählt werden. I m T r a u m u m a r m t er das M ä d c h e n . A b e r eine F r a u erscheint mit zornigem Gesicht, Schlangen im H a a r , einer Sichel in der R e c h t e n , einer Fackel in der Linken, und trennt die beiden. - Die Frau ist Isis. Die Fackel deutet a u f die M y s t e r i e n , die Sichel (αρπην έκράτει) auf H a r p o k r a t e s . 2 Der T r a u m wird sich zweimal erfüllen: Z u e r s t wird Kleitophon von seiner Halbschwester getrennt, später von seiner Geliebten Leukippe. Die C o u s i n e Leukippe mit ihrer M u t t e r Pantheia k o m m t aus B y z a n t i o n zu B e s u c h n a c h T y r o s . K l e i t o p h o n liebt Leukippe auf den ersten Blick; das M ä d c h e n sieht aus wie ein Bild der Selene auf dem Stier. - Es wird auf das eingangs beschriebenen Bild der E u r o p a verwiesen. M a n soll auch an Io denken, die V o r f a h r i n E u r o p a s . 3 Die Silbe Leuk- ( „ w e i ß " ) soll daran erinnern, d a ß Io in eine weiße K u h verwandelt worden w a r . 4 Leukippe stammt aus B y z a n t i o n . 5 D o r t w a r die Ιο-Kuh über die M e e r e n g e geschwommen, welche nach ihr Bosporos (Furt der Kuh) genannt wurde. Beim Begrüßungsmahl für die Gäste singt ein K n a b e von der Liebe des A p o l l o n zu D a p h n e , und K l e i t o p h o n sagt sich: „Sieh, auch Apollon liebt und schämt sich dessen nicht und verfolgt die Jungfrau; und du zögerst? Willst du stärker sein als der G o t t ? " (I 5 , 7 ) . 6

Vetter Kleinias liebt einen Knaben; sein schlechter Rat (I 7 - 1 4 ) § 6 1 5 Kleitophon verabscheut nun die Ehe mit Kalligone. Aber wie soll er sich dem Willen des V a t e r s widersetzen? D o c h E r o s , die Fackel in der H a n d , droht K l e i t o p h o n wegen seines U n g e h o r s a m s zu verbrennen (I 1 1 , 3 ) . K l e i t o p h o n bittet seinen Vetter Kleinias um R a t , der s c h o n dem Eros geweiht ist, 7 „denn du bist schon länger M y s t e als ich und mit der W e i h e des Gottes mehr vertraut" (I 9 , 7 ) . Kleinias gibt Kleitophon Ratschläge, wie er das M ä d c h e n verführen k ö n n e . D a b e i vergleicht er die Liebesbeziehung einem M y s t e r i u m (einer Einweihungszere-

1 Tyros ist eine Chiffre für Kronosinsel, Insel der Seligen, s. die tyrischen Münzen mit der Legende ΑΜΒΡΟΣΙΕ Π Ε Τ Ρ Ε (= άμβρόσιαι πέτραι, Brit. Mus. Cat. of the Greek Coins of Phoenicia, Tyrus Nr. 4 2 9 / 4 3 0 mit Tafel 33,14/15). Infolge ihres Sündenfalls müssen Kleitophon und Leukippe ihre wahre Heimat verlassen und kommen erst nach langen Irrfahrten dorthin zurück. Der Sündenfall symbolisiert den Sturz in die Materie, die Irrfahrt des Lebens. 2 Vgl. P. G. M. III 707 γράψας . . . Άρποκράτην έχοντα επί στόματος [το δακτύ]λιον, xrj δέ εϋωνύμψ . . . δεδραγμένον . . . αρπην. 3

Μ. Laplace, Bulletin de l'Association Guillaume Budé 1983, 3 1 1 - 3 1 8 .

Juvenal 6,526 candida Io. Ps. Apollodor, Bibl. II 5 εις βοΰν μετεμόρφωσε λευκήν. Ovid, Met. I 743 formae candor. 4

5

den.

Für den Isiskult in Byzantion s. Vidman 129, die Inschrift, in welcher die Πλοιαφέσι,α erwähnt wer-

^ Kleitophon soll dem Vorbild des Gottes (Apollon-Horos-Harpokrates) folgen. 7 I 7,1 Έρωτι τετελεσμένος. Das „Mysterium", die Einweihungszeremonie des Eros, ist hier der sexuelle Umgang. Die Metaphorik der religiösen Mysterien ist auf die Knabenliebe übertragen, die (anders als bei Piaton) für die Isismysten keine religiöse Bedeutung mehr hatte. Die wahre religiöse Weihe werden Kleitophon und Leukippe erst nach langer Enthaltsamkeit erreichen.

3 0 Achilleus Tatios

367

monie): „Schweige wie im Mysterium" ( 1 1 0 , 5 ) . - Kleinias ist kein guter Ratgeber. Er liebt einen Knaben und will seinem Freund nur raschen Genuß verschaffen. Isis aber ist Göttin der Ehe. Die Liebe des Kleinias nimmt kein gutes Ende. Zwar erwidert der Knabe die Liebe, aber sein Vater will ihn verheiraten. Der Knabe verabscheut die Ehe und ihre Riten, Flötenspiel und Fackelgeleit, und reitet auf einem Pferd fort, das ihm Kleinias geschenkt hatte. Kurz darauf meldet ein Bote, der Jüngling sei vom Pferd gestürzt und wie Hippolytos zu T o d e geschleift worden. Sein Vater klagt: „Du bist einen doppelten T o d gestorben, der Seele und des L e i b e s . . . W a n n wirst du heiraten, du ungeweihter Bräutigam?" (I 13). - Das Pferd, welches der verliebte Kleinias dem Knaben schenkte, hat den T o d gebracht. Der Liebhaber hat durch seine unerlaubte Liebe den T o d des Geliebten verschuldet, den leiblichen wie den seelischen. W e n n von der „ W e i h e " der Ehe gesprochen wird, so ist auch die Isisweihe gemeint, die wohl oft mit Eheschließungen verbunden war (s. § 3 1 5 ) . Der Knabe hatte sie meiden wollen; dies bedeutete leiblichen wie seelischen T o d . Vgl. die in § 7 8 besprochene Variante des Adonismythos: Der Eber hat Adonis nicht als Feind, sondern unabsichtlich aus Liebe getötet. -

Kleitophon umwirbt Leukippe; Natursymbolik ( 1 1 5 - 1 1 1 0 ) § 6 1 6 Kleitophon findet die Geliebte im Garten („Paradeisos"). D o r t wachsen schattige Bäume, eine kühle Quelle sprudelt und Blumen blühen. Die Blätter umarmen sich, Efeu und Winde umschlingen Platane und Fichte, Reben blühen. Zikaden und Nachtigallen singen die Liebesmythen der Eos und Prokris. Kleitophon spricht zu seinem Diener Satyros im Beisein der Leukippe über die Liebe der Tiere. - Der Diener Satyros begleitet Kleitophon durch den ganzen R o m a n ; er führt seinen Namen nicht umsonst. Jeder Satyr ist ein Diener des Dionysos-Osiris. Efeu und Fichte sind immergrün, Symbole der Unsterblichkeit. 1 Der radschlagende Pfau und die Palme erinnern an die Sonne und deuten ebenfalls auf Unsterblichkeit 2 und Wiedergeburt. Sie sind Symbole für das Mysterium, zu dem die Liebe führt. Kleitophon spricht von der M a c h t des Eros über Vögel, Reptilien, Pflanzen und Steine. Der Pfau schlägt Rad, um sich dem Weibchen in voller Pracht zu zeigen; der Magnetstein liebt das Eisen. 3 Der Palmbaum (Phönix) wird von der Liebe geplagt; wenn ein Reis des weiblichen Baumes in den männlichen gepflanzt wird, ist dies eine Ehe der Pflanzen (I 1 7 , 3 ) . - In dem wunderbaren Garten 4 weist alles auf die Liebe. Zwischen den Reichen der N a t u r - Steinen,

1

F. Cumont, La stèle du danseur d'Antibes ( 1 9 4 2 ) 13.

Pfau: Koiraniden des Hermes Trismegistos III 4 2 (p. 2 3 0 , 6 Kaimakis) έάν δέ άποθάνηι ό ταών, ουτε σήπετοα ουτε δζει δυσωδώς, άλλα μένει ώς έσμυρνισμένος. - Palme und Sonne: Appuleius X I 2 4 , 4 . Palme = φοίνιξ = Phönix, Vogel der Unsterblichkeit. 2

3 N a c h M a n e t h o ( 6 0 9 F 2 1 J a c o b y ) bei Plutarch, De Iside 6 2 ist der Magnet der Knochen des H o r o s . Dem Physiologus (Kap. 3 8 ) ist er ein Symbol dafür, daß Gott den Menschen zu sich emporzieht. 4 Der Garten ist ein Symbol der Isis-Religion, in welcher der Myste geborgen ist wie der Christ im Garten der Kirche. Der O r t Kanopos bei Alexandria, ein heiliger O r t der Isis und des Sarapis, war eine Art elysischer Liebesgarten, in welchem den Gast alle Arten der Schwelgerei erwarteten : Vgl. Apion 6 1 6 F 11 J a c o b y (aus Eustathios zu Odyssee 4 , 5 6 3 und den Scholien zur Stelle); Ammianus Marcellinus X X I I 1 6 , 1 4 ; Strabon X V I I 1 , 1 6 / 7 p. 8 0 0 / 1 ; Rufin, Hist, eccles. X I 2 6 ; Seneca, Epist. 5 1 , 3 - 4 (diversorium vitiorum etc.). Die antiken Testimonia über Kanopos bei A. Bernand, Le delta égyptien d'après les textes grecs I, Les confins libyques ( 1 9 7 0 ) 1 6 4 - 2 5 7 .

368

30 Achilleus Tatios

Pflanzen, Vögeln, Reptilien, 1 Menschen - walten Sympathie und Antipathie. Wer von der Liebe in der Natur rings umgeben ist, muß nach dem Sympathiegesetz selbst von Liebe erfüllt werdend Der Fluß Alpheios - so fährt Kleitophon fort - fließt von Griechenland durch das Meer nach Sizilien und freit um die Nymphe Arethusa (I 18,1). 3 - Dasselbe tut nach der Lehre der ägyptischen Priester der Nil; er durchquert das Meer und quillt ζ. B. in Delos als Inopos aus der Erde. 4 Aber in jedem Tempel der Isis und des Sarapis ist das zeremoniell geschöpfte Wasser Nilwasser (§ 278). Wenn der Nil Ägypten überflutet, so tut er dies aus Liebe zu seiner Braut, dem fruchtbaren Land. 5 § 617 Auch bei den Reptilien gibt es ein „Mysterium der Liebe" (I 18,3). Die Landnatter geht zum Strand und pfeift ein Zeichen (σύμβολον); der Meeraal versteht das Kennwort (σύνθημα) und kommt aus dem Meer. 6 Leukippe hört diesen Reden gern zu. - Σύμβολον und σύνθημα sind Mysterienworte. Achilleus setzt voraus, daß ein kundiger Erklärer (Exeget) dem Leser die symbolischen Deutungen dieser Episoden und den Mysteriensinn des ganzen Romans erklärt. § 618 Es war gerade das Dionysosfest der Weinlese; nach der tyrischen Sage hatte Dionysos einst einem Hirten die Bereitung des Weines gewiesen. Die Liebenden trinken aus dem heiligen Mischkrug (κρατήρ), und Eros und Dionysos entfachen das Liebesfeuer. - Dionysos ist hier ein anderer Name für Osiris, der nach ägyptisch-griechischer Tradition den Weinbau gelehrt hat (s. § 247). Die tyrische Sage ist, wie Achilleus selbst andeutet, eine Dublette des Mythos von Ikarios und Erigone, welche Eratosthenes behandelt hatte. 7 Der „Hirt" (βουκόλος) ist ein Myste des Dionysos-Osiris. Als Kleitophon fürchtet, ein feiger Kämpfer 8 des Eros zu sein, ermutigt ihn Satyros, Eros sei kriegerisch (II 4,5 τό σχήμα . . . στρατιωτικόν). - Von der sancta militia der Isismysten haben wir bei Appuleius (XI 15,5) gehört. -

1 Es liegt ein System zugrunde, in welchem man die Natur erfassen wollte. Vergleichbar sind die Einteilungen in P. G. M. III 5 0 1 - 5 3 5 (Vierbeiner, Bäume, Steine, Vögel, Reptilien) und im Physiologus (Pflanzen, Vögel, Steine, Fische). Vgl. Abrasax II 2 - 8 , wo auch ein ägyptisches System angeführt wird, welches Zweibeiner, Vierbeiner, Vögel, Lebewesen auf der Erde und unter der Erde umfaßt.

2 Achilleus Tatios lebte „in einer Zeit, in der alle Welt im Ablauf der Naturerscheinungen den ständigen Ausdruck göttlichen Willens und eine Folge an die Menschen gerichteter Weisungen sah, die vor der Ausführung geplanter Vorhaben warnte oder aber sie anbefahl" (J. Bidez, Kaiser Julian [deutsche Übersetzung] 3 3 8 = La vie de l'empereur Julien [1930] 320). 3 4 5

Vgl. Ovid, Met. V 5 0 1 - 3 und 5 7 3 - 6 4 1 . S . § 279. Vgl. Nonnos 6,340; 13,324; 37,172; „Isisfeste" 28, Anm. 86.

Auch Horapollon (II 111) erwähnt diese wunderbare Liebe. Bei ihr legen die gefährlichsten Tiere ihr Gift ab. 6

7 Vgl. meine Beiträge in: Miscellanea di Studi Alessandrini in memoria di Augusto Rostagni (Torino 1 9 6 3 ) 4 6 9 - 5 2 6 und in: Antaios 5, 1963, 3 2 5 - 3 4 3 . 8 II 4 , 4 άθλητής, 5,1 und 10,3 στρατιώτης. Vgl. Appuleius, Met. XI 8,2 {miles). Die christlichen „Athleten" sind Mönche. In II 10,3 steht ΰαρρεΐν, in 7,6 θαρσήσας.

3 0 Achilleus Tatios

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Kallisthenes aus Byzantion entführt Kalligone (II 1 1 - 1 8 ) § 6 1 9 Noch soll Kleitophon seine Halbschwester Kalligone heiraten. Da wird sie von Kallisthenes, einem vornehmen jungen M a n n aus Byzantion, mit Hilfe von Seeräubern entführt. So wird Kleitophon von Kalligone getrennt, wie es der Traum angezeigt hatte. Nun scheint seiner Verbindung mit Leukippe nichts mehr im Wege zu stehen.

Geplänkel zwischen Satyros und Konops, dem Wächter der Leukippe (II 1 9 - 2 2 ) § 6 2 0 Kleitophon will Leukippe nachts besuchen: „Wenn Aphrodite unsere Mystagogin ist, ist keiner stärker" (II 1 9 , 1 ) . Leukippes Sklavin ist Liebchen des Satyros und verspricht, keinen Lärm zu schlagen. Aber da ist noch Sklave Konops, der Leukippe b e w a c h t . 1 Dieser warnt Kleitophon und Satyros mit einer Fabel von Löwe und H a h n , Elefant und Stechfliege (κώνωψ): So stark der Löwe auch ist, hat er doch Angst vor dem Hahn; und so gewaltig der Elefant ist, fürchtet er doch die Stechfliege: er muß sterben, wenn sie in seinen Gehörgang eindringt. Satyros antwortet mit einer anderen Fabel: Die Stechfliege tat sich groß und griff den Löwen an. Aber als sie übermütig um ihn herumflog, um zu stechen, geriet sie in ein Spinnennetz und war verloren. Die Fabeln beziehen sich auf die Lehren über die geheimen Zusammenhänge der Natur. Löwe und Hahn sind Sonnentiere und haben Anteil an den Kräften der Sonne. D a ein Vogel dem jenseitigen Ursprung der Dinge näher steht als ein Säugetier, steht der Hahn in der Sonnenreihe über dem L ö w e n . 2 Solche Abhängigkeiten der Tiere gelten nur innerhalb der jeweiligen Reihe (σειρά); außerhalb der Reihe gelten andere Beziehungen, und so ist die Stechfliege weniger mächtig, als sie denken möchte. -

Kleitophon will Leukippe verführen; Traum der Mutter (II 23) § 6 2 1 Es gelingt Satyros, Konops mit einem Schlaftrunk einzuschläfern, und die Z o f e läßt Kleitophon nachts ins Zimmer der Leukippe. Da stürzt die Mutter hinein; sie hatte einen schrecklichen Traum. Kleitophon entspringt unerkannt. 3 - Die Episode wiederholt den Anfang des Io-Mythos: 4 Zeus und Io werden durch Hera gestört. Io wird durch Argos bewacht und muß dann über Land und Meer fliehen; erst nach langer Irrfahrt wird sie in Ägypten durch Zeus befreit. Isis-Nemesis bestraft an Kleitophon und Leukippe den Versuch einer ungesetzlichen Liebesverbindung. In dem Traum der Mutter hat ein Räuber Leukippe geraubt, sie auf den Rücken gelegt und ihr mit einem Messer den Bauch aufgeschlitzt. - Die Deutung des Traums scheint klar: mit dem Räuber war Kleitophon gemeint. Es scheint, daß der T r a u m sich sogleich erfüllt habe. D o c h

1

Konops ist der griechische N a m e der Stechfliege, welche Io im Auftrag der Hera über Land und Meer

jagt. 2 Proklos, περί της ιερατικής τέχνης, ed. J. Bidez im Catalogue des manuscrits alchimiques gr. VI 150,7. 3

Der Traum des Kleitophon (I 3 , 4 ) erfüllt sich zum zweitenmal.

4 Dies wurde von Marcelle Laplace in dem zu § 6 1 4 angeführten Aufsatz ausgeführt.

370

30 Achilleus Tatios

auch dieser T r a u m verweist auf zwei Ereignisse voraus, wie der des Kleitophon. Eine wörtliche Erfüllung wird er im III. Buch finden. -

Kleinias rät Kleitophon, mit Leukippe zu fliehen (II 2 4 - 2 9 ) § 622 feige. 1

Die M u t t e r p a c k t die pflichtvergessene Z o f e bei den H a a r e n und gibt ihr eine O h r -

Die M u t t e r schilt ihre T o c h t e r . D o c h Leukippe faßt wieder M u t (II 2 5 έθάρσησεν) und versichert der M u t t e r , d a ß sie J u n g f r a u geblieben sei. Die Z o f e entläuft aus F u r c h t vor F o l t e r zu K l e i t o p h o n . V e t t e r Kleinias rät, mit Leukippe zu fliehen. - W i e d e r ist der R a t des Kleinias verhängnisvoll. Am T a g nach der Flucht trifft ein Brief ein, in dem Leukippes V a t e r sie Kleitop h o n als Braut verspricht. Die vielen Prüfungen des Paares wären nicht nötig gewesen. -

Kleitophon und Leukippe schiffen sich nach Alexandria ein; Geschichte des Menelaos (II 3 0 - 3 8 ) § 6 2 3 Leukippe ist zur Flucht bereit. Die M u t t e r wird mit einem Schlaftrank eingeschläfert. D i e Liebenden fliehen nach Berytos und besteigen ein Schiff nach Alexandria. § 6 2 4 A u f dem Schiff treffen sie einen jungen Ägypter, M e n e l a o s . Er f o r d e r t sie a u f , zusammen zu essen.2 M a n deckt den Tisch mit dem, was jeder bei sich hat. M e n e l a o s erzählt sein unglückliches Geschick: Er hatte einen K n a b e n geliebt und w a r mit ihm auf die J a g d gegangen. Als ein Eber den J u n g e n angriff, w a r f M e n e l a o s den Speer a u f den E b e r und traf den K n a b e n zu T o d e . - Variation der herodoteischen Atys-Erzählung (§ 1 0 0 ) . I m Z u s a m m e n h a n g des Achilleus T a t i o s soll sie vor der K n a b e n l i e b e w a r n e n : W e r einen K n a b e n verführt, tötet, ohne es zu wollen, die Seele des Geliebten. Die Erzählung des M e n e l a o s ist eine Beichte. Achilleus läßt eine längere Debatte über K n a b e n - und M ä d c h e n l i e b e folgen. Für die Liebe zu M ä d c h e n wird wieder das Bild von der W e i h e g e b r a u c h t . 3 - Es wird sich unten (in III 2 1 , 6 ) zeigen, daß M e n e l a o s ein M y s t e ist. -

Das Schiff geht im Sturm unter; Rettung durch Gebet (III 1 - 5 ) § 6 2 5 A m dritten T a g der Ü b e r f a h r t erhebt sich ein S t u r m . D i e Besatzung irrt a u f dem Schiff hin und her. 4 M e n e l a o s und Satyros retten sich auf den M a s t b a u m , treiben ans Ufer und

1 Bei Xenophon (V 5,2) zerreißt die Frau des Polyidos Antheias Kleid und prügelt sie. Es ist eine typische Initiationsszene; bei Achilleus vertritt die Dienerin ihre Herrin. 2 II 33,1 το άριστον έκοινωνοϋμεν (κοινωνία = communio). Als Menelaos später von den Räubern den Befehl erhält, Leukippe zu töten, bittet Satyros ihn, das Mädchen zu retten und beruft sich auf das gemeinsame Mahl (III 21,6 κοινής άναμιμνήσκων τραπέζης). Aus dem Rückverweis folgt, daß das Mahl auf dem Schiff kultischen Sinn hat. 3

II 37,5 μεμυημένος.

4

III 1,6 πλάνη.

30 Achilleus Tatios

371

werden von Räubern gefangengenommen; Kleinias wird nicht mehr gesehen. Ein „guter D ä m o n " 1 rettet Kleitophon und Leukippe auf einen Teil des Hecks. Kleitophon fleht den „Herrn Poseidon" um Rettung an, und nach dem Gebet legt sich der Sturm. Sie landen bei Pelusion und preisen die Götter. 2 - Auf der Ritualebene deutet der Schiffbruch auf das Tauchbad. Die Rettung erfolgt durch den Guten Dämon, Agathos Daimon-Horos-Harpokrates, der den Geretteten gleich als Gott von Pelusion entgegentreten wird. -

Doppelbild: Andromeda und Prometheus (III 6-8) § 626 In Pelusion gehen sie in das Heiligtum des Zeus Kasios. Kultbild ist die Statue eines Jünglings, der Apollon gleicht und einen Granatapfel in der Rechten trägt. Der Sinn des Granatapfels ist geheim (μυστικός). - Die Statue ist uns von Münzen (Abb. 237/238) und Gemmen 3 bekannt: Zeus Kasios, der Apollon-Horos gleicht, ist Harpokrates-Eros. Das Paar erbittet ein Zeichen (σΰμβολον) über das Schicksal von Kleinias und Satyros. Da sehen sie im Tempel ein Doppelbild mit der Rettung Andromedas durch Perseus und der Befreiung des gefesselten Prometheus durch Herakles. Die Retter sind Argiver (III 6,4), beide Nachkommen der Io. 4 Andromeda ist dargestellt als Gekreuzigte, 5 in weißem Seidengewand, hochzeitlich geschmückt als Braut des Hades. Sie erwartet den Tod; der Seedrache, ein „unmittelbar bevorstehendes G r a b " , 6 öffnet sein Maul, aber von oben naht Perseus mit Flügelschuhen, Sichel und Gorgonenhaupt als Retter. - Andromeda ist Symbol für Todesgefahr und unerwartete Rettung. Ihr weißes Gewand ist das Festkleid, in welchem der Isismyste bei der Weihezeremonie erscheint; es ist aus Seide gefertigt, nicht aus einem toten Tier. Perseus und Andromeda waren im Sarapeum zu Alexandria (s. § 427) und im Isistempel zu Pompei (Abb. 18-19) abgebildet. Auch die Fresken aus Boscotrecase (Abb. 69 und Farbtafel I) und dem Haus des Priesters Amandus (Abb. 70/71) stammen aus Häusern, in welchen auf die ägyptische Religion angespielt wird. Das von Achilleus beschriebene Gemälde dürfte in Pelusion existiert haben und den campanischen Fresken ähnlich gewesen sein. Auch der Prometheus auf dem Bild ist an den Felsen geschmiedet; der Adler frißt seine Leber, und „wer das Bild sähe, müßte Mitleid empfinden". Aber schon zielt Herakles der Bogenschütze auf den Adler, und Prometheus blickt auf ihn „voll Hoffnung und Furcht". - Das Bild hat denselben Sinn wie das von Perseus und Andromeda; Hoffnung und Furcht sind charakteri-

1 III 5,1 δαίμων αγαθός. - Über den „Schiffbruch und die Planke des Heils" in der Symbolik der antiken Christen s. H. Rahner, Symbole der Kirche (1964) 432-472. 2

III 5,6 τούς θεούς άνευφημοϋμεν, ein aretalogisches Wort.

3

C. Bonner, Hesperia 15 (1946) 51-59; Studies 289 Nr. 217-219A. Weihungen an Zeus Kasios in Delos: Roussel 1 6 - 1 7 = I. Délos 2 1 8 0 - 8 2 . Vgl. noch P. Chuvin - J. Yoyotte, Rev. arch. 1986, 4 1 - 6 3 „Documents relatifs au culte pélusien de Zeus Casios" und Β. I. F. Α. O. 88 (1988) 1 6 7 - 1 8 0 „Le Zeus Casios de Péluse à Tivoli". 4

Nach den Mythographen (Ps. Apollodor, Bibliothek) ist die Genealogie diese: Io - Libye - Belos Dañaos und Aigyptos - Hypermestra und Lynkeus - Abas - Akrisios - Danae - Perseus (mit Andromeda) - Elektryon - Alkmene - Herakles. 5 Bei Xenophon (IV 2) wird Habrokomes gekreuzigt. 6

III 7,2 αυτοσχέδιος τάφος.

372

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stisch für den Mysten bei der Initiation. 1 Die ägyptischen Priester haben behauptet, Prometheus sei Ägypter gewesen, und die Rettung des Prometheus durch Herakles habe zur Zeit des Siriusaufgangs und der Nilflut stattgefunden. 2 -

Kleitophon und Leukippe von Räubern gefangen (III 9 - 1 4 ) § 627 Kleitophon und Leukippe wollen nach Alexandria fahren; ihr Schiff wird von kahlköpfigen Bukolen, den berüchtigten Räubern im Nildelta, überfallen. M a n fesselt sie und sperrt sie in ein Haus. - Die Bukolen sind auf der Ebene der Riten „Hirten" = Mysteriendiener; Achilleus spielt mit dem Doppelsinn des Wortes βουκόλος. Die Räuber tragen Tonsur, wie die Isiaci; Fessel und Gefängnis spielen auf Zeremonien der Weihe an. § 628 Kleitophon spricht im Geiste: 3 „Ihr Götter, was haben wir gesündigt, daß ihr uns ägyptischen Räubern übergeben h a b t ? " 4 und beklagt seine Geliebte: „Das Gefängnis ist dein Brautgemach, die Erde das Bett, Ketten und Halsbänder sind Strick und Schlinge, Brautführer 5 ist ein Räuber, statt des Hochzeitsliedes singt man dir die Totenklage." Er fragt Leukippe, warum sie schweige (III 11,2). Sie antwortet, ihre Stimme sei gestorben. Die Räuber bringen Leukippe über den Fluß und wollen sie als Sühnopfer töten. Kleitophon wird geschlagen und gefesselt abgeführt; doch wird er sofort befreit, da die Räuber von Regierungstruppen überfallen und besiegt werden. Man gibt Kleitophon Waffen und ein Pferd und reiht ihn ein unter die Soldaten. - Er ist ein „Soldat des Liebesgottes" Harpokrates, der aber auch Horos ist, der Herrscher von Ägypten. In dessen Regierungstruppen wird Kleitophon nun eingereiht. Der Traum, der Kleitophon Trennung von der Braut vorhersagte, hat sich zum zweitenmal erfüllt. -

Die Räuber legen Leukippe in einen Sarg (erster Tod; III 15) § 629 Am nächsten Morgen sehen die Soldaten, was am anderen Ufer geschieht. Die Räuber haben einen Lehmaltar erbaut und einen Sarg aufgestellt. M a n weiht Leukippe durch eine Spende zum Opfer, legt sie rücklings auf die Erde und fesselt sie. Einer der Männer schneidet Leukippe den Leib auf, nimmt die Eingeweide heraus und legt sie auf den Altar. Die Räuber essen davon, legen die Leiche in den Sarg, klappen den Deckel darauf 6 und fliehen. - So erfüllt 1

Vgl. Plutarch, De facie in orbe Lunae 28, s. § 332.

2

Diodor 1 1 9 . Die ägyptischen Priester deuten den Prometheus-Mythos so: Prometheus war ein ägyptischer Gaufürst, dessen Gebiet von der Flut überschwemmt wurde; man hat den Fluß damals nicht „Nil" genannt, sondern „Adler", wegen der Schnelligkeit und Gewalt der Flut. Prometheuswar verzweifelt, aber Herakles hat ihn gerettet, indem er den gebrochenen Deich reparierte. Daraus hätten die griechischen Dichter die Fabel gemacht, daß Herakles den Adler getötet habe, der die Leber des Prometheus fraß. 3

Schweigen des Mysten.

4 III 1 0 , 2 π α ρ α δ ε δ ώ κ α τ ε , ein Mysterienwort. 5 6

III 10,5 ν υ μ φ α γ ω γ ό ς . Auf der Ebene der Zeremonien entspricht ihm der μυσταγωγός.

So w i e die Gesellen des Seth den Deckel auf den Sarg geklappt haben, in welchen sich Osiris in scheinbarem Spiel gelegt hatte (Plutarch, De Iside 13, s. § 329).

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sich der Traum von Leukippes Mutter. Hier wird der Verlauf der Mumifizierung nachgespielt, das Aufschneiden des Leibes durch den παρασχίστης, der sofort danach zu entfliehen hatte (Diodor I 91,4, s. § 44), das Entnehmen der Eingeweide, die in den „Kanopen"-Krügen verwahrt wurden, und das Schließen des Sargs. 1 Leukippes Scheintod ist Sühnopfer: Der Tod des Mysten in der Weihe sühnt seine Sünden. -

Das Sargritual war ein Kultspiel (III 1 6 - 2 3 ) § 630 Am Abend setzen die Soldaten über den Fluß. Kleitophon tritt an den Sarg, klagt pathetisch und will sich in sein Schwert stürzen. - Dem Scheintod der Leukippe entspricht der Versuch des Kleitophon, sich zu töten. Zwei Gestalten eilen herzu. Es sind Menelaos und Satyros: „Deine Leukippe wird zum Leben zurückkehren (άναβιώσεται)." Menelaos klopft 2 an den Sarg. M a n hört eine helle Stimme. Kleitophon fürchtet, Menelaos sei ein Zauberer (μάγος); dieser öffnet den Sarg, Leukippe steigt heraus, mit aufgeschnittenem Leib, ohne Eingeweide, und umarmt den Geliebten. - Hier wird die Auferstehung des Osiris zelebriert. 3 Die Liebenden sind ohnmächtig zu Boden gesunken. Als Kleitophon zu sich kommt, verheißt ihm Menelaos: „Leukippe wird auch die Eingeweide wieder erhalten; der Leib wird zusammenwachsen, und du wirst sie unversehrt sehen. Bedecke dein Gesicht, denn ich rufe Hekate 4 zu Hilfe." Menelaos macht Hokuspokus und spricht eine Beschwörung, nimmt den falschen Bauch weg und sagt: „Blick wieder auf". Kleitophon weiß sich vor Staunen und Furcht kaum zu fassen. Leukippe bittet Menelaos: „Nun erschreck ihn nicht weiter, sondern erzähle, wie du die Räuber betrogen hast." - Menelaos spielt die Rolle eines Priester-Magiers. Er beruft sich darauf, daß er von Geburt Ägypter ist. Scherz und Ernst, heilige Handlung und Spiel, Mystik und Farce gehen ineinander über. Es sei an den Sarkophag aus Aricia (Abb. 197) erinnert, auf dem das fröhliche Ende des Sargrituals dargestellt ist: Die Wiederbelebten stehen auf dem Sarg, die anderen Mysten tanzen in konvulsivischen Verrenkungen. § 631 Menelaos war mit Satyros nach dem Schiffbruch ebenfalls an Land getrieben und von Räubern gefangen worden. Einige der Räuber erkennen ihn als Ägypter, befreien ihn von den Fesseln und sprechen ihm guten Mut zu (III 19,2 ·θαρρειν έκέλευον). Sie nehmen ihn in die Bande auf. Da gerade ein Orakel verlangt hatte, ein Mädchen mit einem prächtigen Gewand zu bekleiden und zu opfern, verlangt man von ihm, gleich seinen Mut zu beweisen und das Opfer an Leukippe zu vollziehen. Satyros bittet Menelaos, das Mädchen zu retten. Ein guter Dämon (III 20,2 δαίμων άγαθός) hilft. Menelaos findet in einer „Kiste" ein Theaterschwert. Satyros schlägt vor, die Räuber damit zu täuschen. Er erinnert an das gemeinsame Mahl und den gemeinsamen Schiffbruch;· 5 sie wollen Leukippe einen mit Blut und Eingeweiden gefüllten

1

Kleitophon klagt in III 1 6 , 3 - 4 οτι σου της γ α σ τ ρ ό ς τ ά μυστήρια έ μ έ ρ ι σ α ν . . . ώ τ ρ ο φ ώ ν κ α ι ν ά μυστήρια. Die Räuber wollten die Leber essen (III 19,3). Dies könnte sich auf einen Ritus beziehen. 2

III 1 7 , 5 - 6 κ ρ ο ΰ σ α ς την σ ο ρ ό ν . . ,τρ'ις έπάταξε τήν σορόν. Ein wirksamer Bühneneffekt.

3

Vgl. die Statuette aus Kyrene Abb. 109/110.

4

Für Hekate-Isis s. S 168.

^ Im Ritual das gemeinsame Tauchbad.

374

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Schafsdarm vorbinden und diesen mit dem Theaterschwert aufschneiden. - Solche Theaterdolche wurden also in den Isismysterien verwendet und mit anderen Requisiten in einer heiligen Kiste (κίστη) aufbewahrt. Nur der Geweihte (Menelaos) durfte sie öffnen. M a n darf bei solchen Zeremonien nicht von Tricks sprechen, mit denen man die Menschen täuschte. Durch die Rituale sollten religiöse Einsichten und Empfindungen übermittelt werden. Diese haben ihre Wahrheit unabhängig von den Mitteln, mit welchen sie zum Ausdruck gebracht werden. Überdies wurde dem Mysten nach der Weihe gezeigt, mit welchen Hilfsmitteln man gearbeitet hatte. Ein Betrug war nicht beabsichtigt; auf die Erschütterung bei der Weihe durfte das herzliche Lachen beim Anblick der Requisiten folgen wie auf die Tragödie das Satyrspiel. Dem „Opfer" des Mädchens in der Erzählung entspricht der „Tod" in der Weihe; dem Orakel 1 in der Erzählung die Orakelweisung im Kult, welche der Weihe voranging; dem Prachtgewand, mit dem Leukippe bekleidet wird, das Festkleid des Isismysten. Auch Tyche (d. h. Isis-Tyche) hilft zum Gelingen des Plans. Der Räuberhauptmann verlangt: „Die neuen Mysten (πρωτομΰσται) müssen nach unserem Gesetz das heilige Opfer (Ιερουργία) 2 verrichten; und auch dein Sklave (Satyros) muß mit dir geweiht werden (μυιγ&ήναι). „So zogen wir das Mädchen festlich an, sprachen ihr guten Mut zu (III 22,6 θαρρείν παρεκελευσάμεθα) und führten das Opfer in der schon erzählten Weise aus." Kleitophon dankt Menelaos und verehrt ihn wie einen Gott. 3 Die Rettung der Leukippe wird der Menge bekannt 4 .

Der Phönix (III 24-25) § 632 Die Soldaten erwarten Verstärkung aus Oberägypten. Aber der Marsch dieser Truppe verzögert sich um fünf Tage, weil der heilige Vogel Phönix gesehen worden ist. An diesen fünf Tagen muß Festruhe herrschen. - Es sind die Schalttage nach den 360 Tagen des ägyptischen Jahres. Dann folgt die Nilflut. Es wird darauf angespielt, daß ein „großes J a h r " , eine Sothisperiode, endet. 5 Zu dem großen Jahr von 1461 Sonnenjahren gehört der Mythos vom Vogel

1

In III 21,3 lese ich: π ά ν τ ω ς δέ και ό χρησμός ήμϊν εις το λ α θ ε ΐ ν χρήσιμος· έκ κίστης γ α ρ αυτήν έσταλμένην διά ταύτης άνατμηθηναι μέσην λέγει. Vgl. Rhein. Mus. 110 (1967) 287/8. Der ganze Papyrus, der diese Partie enthält, ist durch W. H. Willis ediert (Greek, Roman and Byzantine Studies 31 [1990] 73-102). 2 So die Handschrift F sowie W am Rand. 3 Menelaos, der am Ende des II. Buches als Liebhaber eines Knaben in ungünstigem Licht erschienen war, spielt im III. Buch die Rolle eines Priesters. Achilleus Tatios und Xenophon legen keinen Wert auf einheitliche Zeichnung von Charakteren. Ihre Personen sind Figuranten in dem heiligen Drama, das die Romanhelden durchleben müssen; sie spielen bald diese, bald jene Rolle. 4 5

III 23,4 το δέ πράγμα ούκ ελαθε τούς πολλούς.

Censorinus, der im Jahr 238 sein Buch De die natali schrieb, sagt über die Jahresrechnung der Ägypter (Kap. 21,9-11): Ab Aegyptiis quidam anni in litteras relati sunt. . . sed borum initia semper a primo die mensis eius sumuntur, cui apud Aegyptios nomen est Tbouth, quique hoc anno (im Jahr 238) fuit ante diem VII Kai. lui., cum abbine annos centum, Imperatore Antonino Pio II Bruttio Praesente consulibus (im Jahr 139) idem dies fuerit ante diem XIII Kal. Aug. (am 19. Juli), quo tempore solet canícula in Aegypto facere exortum. Censorinus sagt über das große Jahr: anni illius magni, qui . . . solaris et canicularis (Sothisjahr) et dei annus vocatur. Strabon spricht an zwei Stellen über die Jahresrechnung der ägyptischen Priester, XVII 1,29 (p. 806 C.) und 1,46 (p. 816 C.). Vgl. „Isisfeste" 61-63.

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Phönix, der auch 1461 Jahre lebt. 1 Am Ende des großen Jahres stirbt der Phönix, und zu Beginn des nächsten wird ein neuer Phönix aus der Asche geboren. Vgl. § 207-209. Die im III. und IV. Buch erzählten Episoden spielen also in einer Periode hoher Festlichkeiten. Der Tag, an welchem der Phönix gesichtet wird, ist die erste έπαγομένη, der erste der fünf Schalttage; er galt als Geburtstag des Osiris 2 und war derselbe Tag, an welchem das Sternbild des Orion(-Horos)3 zum erstenmal wieder ganz am Morgenhimmel zu sehen war. 4 § 633 Achilleus schiebt eine längere Beschreibung des Vogels ein. Er ist ein Tier der Sonne. Seine Federn sind mit Gold und Purpur besetzt; auf seinem Kopf befindet sich ein strahlender Kranz, ein Bild der Sonne; seine Federn glänzen wie Strahlen, und man nennt dies „Aufgang der Federn". Er hat seinen toten Vater in einem Ei aus Myrrhen einbalsamiert 5 und bringt ihn, aus Äthiopien kommend, zur Bestattung nach Heliupolis. Viele Vögel begleiten ihn, wie einen König. In Heliupolis erwartet ihn ein Priester mit einem heiligen Buch, aus welchem er erkennen kann, wie ein Phönix aussieht. Der Vogel weiß im voraus, daß der Priester prüfen wird, ob er ein echter Phönix ist; er zeigt die geheimen Teile seines Körpers vor (er zeigt vor, daß er zweigeschlechtig ist) 6 und weist sich mit dem Ei aus, in welchem der Vater bestattet ist. Danach ist der Vogel „ein Weiser der Bestattung": 7 Er verbrennt sich und steigt neu aus der Asche empor. Die Priester von Heliopulis begraben den toten Vater des Phönix. Für den Phönix auf der Priester-Tunica von Saqqara s. Abb. 206.

Kleitophon und Leukippe üben Enthaltsamkeit (IV 1) § 634 Der Hauptmann der Regierungstruppen im Rang eines „Strategen" weist dem Brautpaar ein gemeinsames Häuschen zu. Kleitophon will Leukippe in Liebe umarmen, aber sie weist ihn ab: Artemis hatte ihr im Traum befohlen, Jungfrau zu bleiben, bis sie von ihr zur Ehe mit Kleitophon geführt werde. Kleitophon hatte einen ähnlichen Traum: Er war zu einem Tempel der Aphrodite gekommen und sah das Bild der Göttin. Aber die Tür wurde geschlossen; eine Frau, welche wie das Standbild der Göttin aussah, verbot ihm, den Tempel zu betreten. Wenn er kurze Zeit warte, werde sie ihm selbst öffnen und zu ihrem Priester machen.

1 Tacitus, Ann. VI 28 De numero annorum varia traduntur. maxime vulgatum sunt qui adseverent mille quadringentos sexaginta unum interici. 2

Plutarch, De Iside 12.

3

Plutarch, De Iside 22.

quingentorum

spatium;

4

Kalender des Antiochos, herausgeg. von F. Boll, Griechische Kalender I (Sitz. Ber. Akad. Heidelberg 1910) 13 Ώ ρ ι ω ν τελείως άνατέλλει αμα ήλίωι και ποιεί ΐ ί δ α τ α και ανέμους (die Nilflut und die „Jahreswinde", die Etesien, von denen man annahm, daß sie die Nilflut bewirken). 5

Wie Horos seinen Vater Osiris, der mit dem Phönix identisch ist.

6

Vgl. Vers 163 in dem Lactanz zugeschriebenen Gedicht De ave Phoenice: Femina seu mas sit seu neutrum seu sit utrumque (die genaue Lesart ist nicht sicher zu ermitteln, der Sinn steht fest). Vgl. J. H u b a u x - M. Leroy, Le mythe du phénix 5 - 6 und R. Van den Broek, The Myth of the Phoenix 357-389. 7

III 25,7 έπιτάφιος σοφιστής.

376

30 Achilleus Ta tíos

Nilpferd und Elefant (IV 2-5) § 635 Der „Stratege" verliebt sich in Leukippe. M a n hatte ein Nilpferd 1 erlegt; alle waren herbeigeeilt. Während die anderen das Tier betrachten, wirft der Stratege seine Blicke auf Leukippe. Dann wird das Nilpferd beschrieben; der Stratege selbst erzählt von dessen Natur (φύσις). - In der Tiersymbolik der Ägypter ist das Nilpferd ein Symbol der Schamlosigkeit (αναίδεια); es ist ein Tier des Seth-Typhon. 2 Es ist ungerecht und undankbar, denn es tötet den Vater und begattet die Mutter. 3 Das Nilpferd deutet auf eine Zudringlichkeit voraus. Der Stratege blickt nicht auf das Tier, sondern auf Leukippe: er hat sich selbst nicht unter Kontrolle und denkt an unerlaubte Liebschaft. 4 § 636 Nach dem Nilpferd kommt die Rede auf den Elefanten. Er ist ein menschenfreundliches Tier. Der Wärter legt seinen Kopf in den Rachen des Tieres. Sein Atem ist aromatisch, ein Heilmittel gegen Kopfschmerzen. - Der Elefant ist Tier des Dionysos. 5 M a n sieht den Gott auf Terrakotten und Sarkophagen auf dem Elefanten reiten. Der Elefant hat tröstliche Vorbedeutung: Das Nilpferd wird nicht siegen. -

Leukippe wird durch einen Liebestrank wahnsinnig (IV 6-10) § 637 Leukippe versucht, den Anträgen des Strategen auszuweichen. 6 Aber plötzlich wird sie wahnsinnig. Als Kleitophon sich um sie bemüht, gibt sie ihm eine Ohrfeige. Ein verliebter ägyptischer Soldat und Giftmischer hat ihr einen Liebestrank geben lassen, der zu stark dosiert war. Die Rasende wird gefesselt und bleibt krank liegen; ein Arzt gibt ihr Arznei. 7

Die „Räuber" durchstechen einen Damm (Nilflut; IV 11-14) § 638 Als die fünf Tage verstrichen sind, ziehen die Soldaten auf Befehl des Satrapen gegen die Bukolen. 8 Eine Abteilung der Regierungstruppen wird vernichtet: Die Bukolen hatten den Nil zurückgestaut und durchstechen den Damm in dem Augenblick, als die Soldaten sich in 1

Das Nilpferd wird auf den Darstellungen des Nils immer wieder abgebildet, vgl. § 189.

2

Plutarch, De Iside 32 und 50.

3

Porphyrios, De abstinentia III 23 (p. 217,17 Nauck); Horapollon I 56. Auch für den Neuplatoniker Heraiskos ist es ungerecht, s. Damaskios, Vita Isidori 98 (p. 140 Zintzen). 4

So erklärt G. Baudy, Adonisgärten 83.

5

Dionysos ist aus Indien siegreich auf einem Elefanten zurückgekommen: Kallixeinos 6 2 7 F 2 (p. 172,27 Jacoby) = Athenaios V 31 p. 200CD (ed. Kaibel 1,444,21). Kallixeinos schildert die große dionysische Prozession, welche zur Zeit des Ptolemaios II. Philadelphos durch Alexandria zog. Nach Horapollon II 84 wittert der Elefant, was nützlich sein wird, und siegt über alle Wechselfälle. Im Physiologus 4 3 bedeutet der Elefant: Adam und Eva, das Gesetz, die zwölf Propheten, Christus (ό νοερός έλέφας). 6

In IV 8,3 wieder ein Vergleich der Liebe mit den Mysterien.

7

M a n könnte Ohrfeige und Trank auf Episoden in einem Initiationsspiel deuten. Bei Xenophon III 5 gibt ein ephesischer Arzt Antheia einen Schlaftrank. Leukippes Wahnsinn erinnert an die Epilepsie, welche Antheia im Bordell fingiert (Xen. V 7). 8

Die in Buch III genannten Räuber im Nildelta.

30 Achilleus Tatios

377

einer Niederung befinden. 1 Stratege und Soldat e r t r i n k e n . 2 - Der Nil hilft der bedrohten Unschuld. Zur Zeit der Nilflut hat man an vielen Stellen D ä m m e errichtet und diese zeremoniell durchstochen, wenn das Wasser genügend hoch zurückgestaut war - ein wohlüberlegtes, künstliches System, durch welches man die Bewässerung der Äcker mittels zahlloser Kanäle ins W e r k setzte. M a n hat es noch im vorigen Jahrhundert benutzt.·' Bevor Achilleus von dem Überschwemmungsmanöver der Bukolen berichtet, beschreibt er die sich in jedem J a h r wiederholende „ A n k u n f t " 4 des Flusses: „Der Ägypter sitzt da und wartet und zählt die T a g e . 5 Und der Nil trügt nicht, 6 sondern ist ein Fluß, der unter Vorankündigung die Zeit einhält und das Wasser zumißt, ein Fluß, der nicht dabei ertappt werden will, daß er einen T a g in Verzug gerät. Da kann man einen Wettkampf um den Sieg zwischen Fluß und Erde sehen. Die beiden wetteifern miteinander; das Wasser will möglichst viel Land in M e e r verwandeln, das Land möglichst viel süßes Meer fassen. Und beide erringen den gleichen Sieg, nirgends kann m a n einen Unterlegenen erblicken; denn das W a s s e r erstreckt sich gleichweit wie die Fruchterde."7

Leukippe vom Wahnsinn befreit; Sieg der Regierungstruppen (IV 1 5 - 1 8 , 2 ) § 639

N a c h zehn Tagen 8 Krankheit wird Leukippe geheilt. Der Soldat Chaireas, Fischer 9

von der Insel Pharos vor Alexandria, kommt als „ R e t t e r " 1 0 und bringt den Diener jenes Solda1 So hat Ptolemaios V. Epiphanes im Jahr 198/7 v. Chr. die aufständische Stadt Lykopolis durch ein Überschwemmungsmanöver eingenommen, s. das Priesterdekret von Rosette (O. G. I. 9 0 , 2 3 - 2 7 ) . Vgl. § 198-200. 2 Leukippe war (scheinbar) mumifiziert worden. Statt des Kleitophon, der sich selbst töten wollte (III 16,2), sterben Stratege und Soldat, indem sie in der Flut ertrinken. Auch bei Xenophon (IV 2, s. § 5 9 6 598) spielt die Nilflut eine entscheidende Rolle. In beiden Romanen spiegeln sich Initiationsspiele, die Teile des Osirismythos wiederholen; sie fallen auf den 19. Juli, den Tag der Flut, den Neujahrstag (1. Thoth) der Ägypter.

3 E. W. Lane, Manners and Customs of the Modern Egyptians (Everyman-Ausgabe S. 4 9 9 - 5 0 4 ) . Vgl. „Isisfeste" 1 9 - 2 2 und D. Bonneau 1 1 4 - 1 1 5 . 4

IV 12,2 επιδημία, das Erscheinen des Gottes auf der Erde, im δήμος.

Er zählt 365 Tage vom Neujahrstag des vorigen bis zu dem des neuen Jahres. - Wenn man die Buchstaben des Wortes Νείλος nach ihrem Zahlwert nimmt und addiert, erhält man als Resultat 365 (Heliodor IX 22). Die Rechnung ist: Ν = 50, E = 5, I = 10, Λ = 30, O = 70, Σ = 200, zusammen 365. - Im ägyptischen Nilhymnus des Dichters Cheti heißt es über den Fluß: „Beständig an Regeln, der kommt zu seiner Zeit" (Vers 43; J. Assmann, Hymnen S. 502). 5

6

Vgl. VII 14,6 ή "Αρτεμις οϋ ψεύδεται.

IV 12,2 εχει γάρ ό ποταμός έπιδημίας. κάθηται δέ αυτόν Αιγύπτιος άναμένων και αριθμών αύτοϋ τάς ημέρας, και ó Νείλος ού ψεύδεται, άλλ' εστι ποταμός μετά προθεσμίας τόν χρόνον τηρών και τό ΰδωρ μέτρων, ποταμός άλώναι μή θέλων υπερήμερος, εστι δέ ίδειν ποταμοί και γης φιλονικίαν· έρίζετον άλλήλοις έκάτερος, τό μέν ΰδωρ τοσαύτην γην πελαγώσαι, ή δέ γη τοσαύτην χωρησαι γλυκεΐαν θάλασσαν, και νικώσι μέν την ϊσην νίκην οί δύο, ούδαμοϋ δέ φαίνεται τό νικώμενον τό γάρ ΰδωρ τήι γηι συνεκτείνεται. 7

8 IV 15,1. Ägyptische Rechnung nach Dekaden, wie mehrfach im XI. Buch des Appuleius (23,2; 28,5; 30,1). 9 10

Also ein Isisdiener. IV 15,2. Freilich raubt er nachher Leukippe, ist aber auf der Ebene des Rituals ein Mysteriendiener.

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ten, welcher Leukippe den überdosierten Liebestrank gegeben hatte. Der Diener war den Räubern entronnen; Tyche(-Isis) hatte ihn gerettet. 1 Er bereitet den Heiltrank. Kleitophon spricht eine feierliche Formel ( σ υ ν θ ή μ α τ α ) ; Leukippe trinkt und gesundet, die Fesseln w e r d e n ihr abgenommen. Inzwischen haben andere Soldaten die Räuberbande vernichtet. Die Stadt der Räuber wird zerstört.

Fröhliche Fahrt auf dem Nil; das Krokodil (IV 18,3-19) § 6 4 0 Der Fluß ist wieder schiffbar; man feiert das Fest der N i l f l u t 2 mehrere Tage lang. D i e Schiffe drängen sich und tanzen Reigen, die Schiffer singen und lärmen. Das Paar fährt in drei Tagen zu Schiff nach Alexandria, die Fahrt der beiden ist ein froher Festzug auf dem Fluß. Hier zum erstenmal trinkt Kleitophon das reine Nilwasser ohne Wein. Er trinkt aus einem Becher; das Wasser ist heller als das Glas, süß und kühl. Die Ägypter trinken es aus der hohlen Hand.·' Das Nilwasser ist Osiris, und das Trinken dieses Wassers an diesem Fest ein feierliches Ritual. Es wird in Beziehung gesetzt zu dem Heiltrank, welchen Leukippe trank: So w i e Leukippe durch Arznei v o m Wahnsinn gesundete, so wird der Isismyste durch das Sakrament des Nilwassers zum Heil geführt. Eine Darstellung der frohen Fahrt auf dem Nil bietet der Filocyrius-Sarkophag (Abb. 126). § 641 Kleitophon sieht ein Krokodil; „es soll so viel Zähne haben w i e das Jahr Tage". Das Krokodil symbolisiert das Wasser 4 und wird auf allen Darstellungen des Nils abgebildet, s. § 189. Der Krokodilsgott Suchos/Sobek ist Gott der N i l f l u t 5 und Sonnengott. 6 Er fährt auf einem Schiff oder auf einem Krokodil über den Himmel und erzeugt die Z e i t . 7

* IV 15,5 εσωσε δέ oràtòv . . . ή Τύχη. 2

Sorgfältig besprochen von S. Morenz, Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann (1951) 2 9 - 3 4 und D. Bonneau 361-420. Das Fest wurde noch im vorigen Jahrhundert glanzvoll gefeiert. 3

IV 18,5. Vgl. § 195 (Nilhymnus des Cheti). 4 Porphyrios, περί άγαλμάτων bei Eusebios, Praep. ev. III 11,48 = J. Bidez, Vie de Porphyre p. 19*,810 = Andrew Smith, Porph. fr. 360 (p. 430,22-23) δ ή λ ο ι . . . ό . . . κροκόδειλος πότιμον ΰ δ ω ρ . Claudius Aelianus, Nat. anim. X 24 είκάζουσι δέ τόν . . . κροκόδειλον . . . ϋδατι. 5 Im Nilhymnus des Cheti heißt es: „Sobek (das Krokodil) lacht, der Sohn der Flut" (Vers 49; bei J. Assmann, Hymnen S. 502). In dem Hymnus auf den Krokodilsgott Sobek-Re (Assmann Nr. 144C,84; S. 341) heißt es: „Der Nil, er ist aus dir hervorgekommen." 6

In P. G. M. III 513 (= Abrasax II S. 12) nimmt der Sonnengott in der fünften Tagesstunde die Gestalt des Krokodils an. Auf dem von H. Brugsch, Zeitschrift für ägyptische Sprache 5, 1867, 2 1 - 2 6 veröffentlichten Sarkophag (s. auch Abrasax II S. 4-5) verwandelt sich der Sonnengott in der vierten Tagesstunde in eine Figur mit Krokodilskopf. - Da die Sonne das Jahr macht, ist Sobek-Re Gott des Jahres und der Zeit, s. den in der vorigen Anmerkung angeführten Hymnus, Verse C 72 „Herr über Zeit und Dauer", C 99-100 „Solange du währst, währt die Zeit, die unendliche Dauer liegt vor deinem Angesicht" (S. 340/1). 7

Clemens Alex., Strom. V 7,41,2-3 Αιγυπτίων oí μεν έπί πλοίου, οί δέ έπί κροκοδείλου τόν "Ηλιον δεικνύουσιν- σημαίνουσι δέ, οτι ό "Ηλιος δι' άέρος γλυκερού καί ΰγροϋ τήν πορείαν ποιούμενος γενναι τ ό ν χ ρ ό ν ο ν , δν αίνίσσεταιό κροκόδειλος. Vgl. weiter Abrasax III 10-11, wo der neungestaltige Gott auf dem Krokodil mit Falkenkopf steht.

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Auf einer T e r r a k o t t a f i g u r in Berlin w i r d Suchos dargestellt als H e l i o s m i t S t r a h l e n k r a n z , in der H a n d ein K r o k o d i l (Abb. 129). Bei d e m N e u p l a t o n i k e r D a m a s k i o s liest m a n , d a ß Suchos gerecht sei. 1

Lichterfest des Sarapis in Alexandria (V 1-5) § 6 4 2 D a s P a a r k o m m t mit C h a i r e a s u n d S a t y r o s n a c h A l e x a n d r i a u n d b e w u n d e r t die S c h ö n h e i t der Stadt. M a n feierte das Fest des Sarapis. A b e n d s w e r d e n so viele Fackeln e n t z ü n det, d a ß es T a g zu sein scheint. 2 N e u e P r ü f u n g e n der Tyche(-Isis) s t a n d e n bevor (eine neue W e i h e ) . Ein Falke v e r f o l g t eine S c h w a l b e u n d streift L e u k i p p e mit d e m Flügel. K l e i t o p h o n bittet Z e u s - S a r a p i s u m ein a n d e r e s Z e i c h e n . Ihr Blick fällt auf ein G e m ä l d e der Geschichte von T e r e u s , P r o k n e u n d P h i l o m e l a , 3 das auf eine G e f a h r hinweist (V 3,4 ύ π η ι ν ί τ τ ε τ ο ) . 4 T e r e u s h a t t e Philomela vergewaltigt, die Schwester seiner G a t t i n P r o k n e ; die Schwestern r ä c h t e n sich, i n d e m sie ihm sein eigenes Kind Itys als Speise v o r s e t z t e n . Philomela w u r d e in eine S c h w a l b e v e r w a n d e l t , P r o k n e in eine N a c h t i g a l l , T e r e u s in einen W i e d e h o p f ; seitdem jagt der W i e d e h o p f n a c h S c h w a l b e u n d N a c h t i g a l l . - Böse V o r z e i c h e n f ü r Leukippe.

Leukippe anscheinend geköpft (zweiter Tod); Kleitophon am Schenkel verwundet (V 6-8,1) § 6 4 3 C h a i r e a s h a t t e sich in Leukippe verliebt. Er lädt das P a a r auf die Insel P h a r o s ein u n d läßt d a s M ä d c h e n v o n S e e r ä u b e r n e n t f ü h r e n . K l e i t o p h o n w e h r t sich, w i r d a m O b e r s c h e n k e l v e r w u n d e t u n d stürzt nieder. Auf sein R u f e n k o m m t der Offizier, der die W a c h e auf der P h a ros-Insel k o m m a n d i e r t . K l e i t o p h o n zeigt ihm die W u n d e . 5 Sie n e h m e n ein Boot u n d verfolgen die R ä u b e r . L e u k i p p e steht gefesselt a m H e c k ; ein R ä u b e r r u f t : „ H i e r ist euer K a m p f p r e i s " , schlägt ihr d e n Kopf a b u n d w i r f t den R u m p f ins M e e r . Aber L e u k i p p e ist n u r s c h e i n b a r getötet.^ Die R ä u b e r h a t t e n eine H a f e n d i r n e auf ihr Schiff gelockt, u m sie als Sklavin zu v e r k a u f e n . Als das verfolgende Schiff sie einzuholen d r o h t , lassen sie L e u k i p p e mit ihr die Kleider t a u s c h e n u n d schlagen der D i r n e den Kopf a b , d e n n L e u k i p p e ist die s c h ö n e r e u n d w i r d b e i m V e r k a u f m e h r Geld bringen. Die Verfolger geben a u f , u m die Leiche a u f z u f i s c h e n . K l e i t o p h o n bestattet sie. - Z u r Z e i t eines Sarapisfestes w i r d die K ö p f u n g der Isis (s. § 3 7 / 3 8 ) nachgespielt. P h a r o s w a r der G ö t t i n heilig; 7 die E n t f ü h r u n g v o n d o r t v e r t r i t t eine W e i h e z e r e m o n i e . S c h e i n t o d ,

1

Damaskios, Vita Isidori 99 (p. 142 Zintzen) ό Σοϋχος δίκαιος - όνομα δέ κροκοδείλου και είδος ό Σοΰχος - ού γαρ αδικεί ζώον ουδέν. 2

Lichterfeste sind für die Isis-Sarapis-Religion bezeugt, s. § 297.

3

„Tereus" hieß eine berühmte Tragödie des Sophokles.

4

Es wird also auf ein αίνιγμα, eine verborgene Bedeutung, hingewiesen.

5 Wunde des Adonis. Das Vorzeigen der Wunde gehört zum Ritual, s. § 663. Der wachhabende Offizier ist Kleitophon bekannt, denn die Teilnehmer an den bei der Initiation inszenierten Zwischenfällen kennen sich. ^ Dies wird später nachgetragen (VIII 16). 7

Für Isis Pharia s. S 117; Tibull I 3,32; Ovid, Amores II 13,8; Met. IX 773.

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Scheinbestattung, Kleidertausch: Leukippe und Kleitophon werden in die zweite Stufe der Isisund Sarapisdiener eingeweiht. 1 § 6 4 4 Chaireas überwirft sich mit den Räubern und wird von ihnen geköpft, sein Leichnam ins Meer geworfen. 2 Die Räuber fahren nach Ephesos und verkaufen dort Leukippe an Sosthenes, den Gutsverwalter der reichen Melite, die in Alexandria lebt. 3 -

Was sich in Sidon ereignet hat (V 8 , 2 - 1 1 , 3 ) § 6 4 5 Auch Freund Kleinias hatte sich damals vom Schiffbruch 4 retten können und war nach Sidon zurückgekehrt. Er hört, daß Kleitophon in Alexandria lebt, und besteigt ein Schiff, um den Freund mit seiner Braut nachhause zu holen. Er trifft Kleitophon und erfährt, daß Leukippe tot sei. Kleitophon klagt über „die Ehe nach dem T o d , das Hochzeitslied nach der T o t e n k l a g e " ; Tyche gibt ihm die T o t e als Braut (V 1 1 , 2 ) . - Diese Worte Kleitophons werden sich erfüllen: Isis-Tyche wird ihm die Braut geben, nachdem sie bei der Mysterienweihe gestorben ist. -

Schein-Ehe mit Melite und Fahrt nach Ephesos (V 1 1 , 4 - 1 6 ) § 6 4 6 In Alexandria verliebt sich Melite in Kleitophon. Auf ihrem ephesischen Landgut ist Leukippe jetzt Sklavin. Melite ist schön wie ein Götterbild. M a n hat gemeldet, ihr M a n n sei ertrunken; erst später stellt sich heraus, daß er lebt. - Melite ist ein „Bild", eine Vertreterin der Isis: Sie ist Ephesierin wie Artemis-Isis, und ihr Gatte ist ertrunken wie Osiris. Die Liebesanträge sind eine Probe, ob Kleitophon seiner Braut treu ist. Im Mysteriensinn sind „Alexandria" und „Ephesos" Chiffren für die Stationen, welche der Isisdiener im Lauf seines Lebens passiert. Satyros redet seinem Herrn zu, Melite zu heiraten: Aphrodite(-Isis) habe ihm ein großes Gut gegeben, das er annehmen solle. Aber Kleitophon hofft, Leukippe werde wieder lebendig werden (V 1 1 , 6 άναβιώσεσΦαι). Er hat geschworen, an dem Ort, wo er Leukippe verloren hat, keine Frau in Liebe zu umfangen. Doch auch Kleinias redet ihm zu; Eros strafe die Stolzen. Da gibt Kleitophon nach: „Führe mich, wohin du willst, wenn auch Kleinias dies für richtig h ä l t " (V 1 2 , 2 ) . Aber er will nur eine Scheinehe eingehen, die nicht vollzogen wird. - Kleitophon ist Leukippe treu und auch gehorsam gegen die Forderungen der Herrin des Schicksals, deren Befehle der Myste aus dem Mund des Mystagogen (Kleinias) empfängt. -

1 Die Geschicke der Leukippe und des Kleitophon werden wieder parallel geführt: Leukippe wird scheinbar geköpft, Kleitophon gefährlich am Schenkel verwundet. 2 Dies wird erst in VIII 16 erzählt. Chaireas stirbt stellvertretend für Kleitophon und wird wie Osiris ins Wasser geworfen. Das Schicksal der beiden Stellvertreter, der Dirne und des Chaireas, ist parallel: Beide werden geköpft und ins Wasser geworfen. - Osiris als άκέφαλος: P. G. M . II 1 6 9 , V 9 8 und 1 4 5 (Abrasax I 3 5 - 6 4 und II 1 5 3 - 1 7 0 ) . 3 Melite spielt im zweiten Teil des Romans bald die mythische Rolle der Isis, bald die der Schwester Nephthys. 4

Erzählt in III 1 - 5 , s. § 6 2 5 .

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Sie verabreden, die Verbindung im Tempel der Isis einzugehen und sich das Versprechen vor der Göttin als Zeugen abzugeben. Trauzeugen waren Menelaos und Kleinias; Kleitophon schwört, seine Frau ohne Falsch zu lieben, Melite, ihn zu ihrem M a n n zu machen und zum Herrn über all ihren Besitz. 1 - So holt Kleitophon mit Melite als der Stellvertreterin seiner Geliebten die religiöse Verbindung nach, die er vorher hatte überspringen wollen. Dann fahren die Vermählten und Kleinias zu Schiff nach Ephesos. Der Wind ist durch die Gabe des guten Glücks (V 15,1 κατά Τύχη ν) günstig. § 647 Auf dem Schiff teilen Kleitophon und Melite eine Kabine. Melite umarmt Kleitophon und spricht über „das mystische Feuer, dessen Fackeln im Geheimen leuchten . . . Liebster, wir wollen uns einweihen in die Mysterien der Aphrodite . . . Um uns sind Symbole der Ehe: Das Schiffsjoch, die Taue um die Segelstange, das Doppelsteuer. 2 Tyche selbst führt das Steuer und bereitet unsere Hochzeit . . . Der Wind bläst das Hochzeitslied. Das Leinensegel ist gebläht wie ein schwangerer Leib."-' Vgl. dazu Abb. 227-229. Auf der als Schiff gebildeten Lampe Abb. 213 steht εΰπλοια, „gute Fahrt". Oft hält Isis-Tyche das Steuerruder, s. Abb. 67, 95, 96, 98, 99 = Farbtafel VII u n d l l 4 . 4 Kleitophon bleibt standhaft und sagt: „Wir wollen uns wie Philosophen betragen" (V 16,7 φιλοσοφήσωμεν), also keusch bleiben. Man kann auch übersetzen: „Wir wollen die Sophia, die Weisheit, lieben", und unter „Sophia" die Lehren der heiligen Religion verstehen. 5 Die Anhänger von Isis und Sarapis sind die wahren Philosophen, für die Christen wird ihre Religion die wahre Philosophie sein. In der korinthischen Isisprozession zieht die Maske eines Philosophen mit (Appui. XI 8,3; § 491). Für die ägyptischen Priester als die wahren Philosophen s. § 436. Kleitophon befindet sich auf dem Meer, also an dem Ort, wo er Leukippe verloren hat, und ist an seinen Treueschwur gebunden. Er sühnt seinen „Fall", den Versuch, die Liebesfreuden vor der Zeit zu genießen. 6

1 V 1 4 , 2 συνέκειτο ή μ ΐ ν εις τό της "Ισιδος Ιερόν ά π α ν τ η σ α ι . . . πιστωσομένοις έπί μάρτυρι τήι θεωι. σ υ μ π α ρ ή σ α ν δέ ή μ ΐ ν δ τε Μ ε ν έ λ α ο ς και ó Κλεινίας, και ώ μ ν ύ ο μ ε ν , έγώ μέν ά γ α π ή σ ε ι ν ά δ ό λ ω ς , ή δε ά ν δ ρ α ποιήσασθαι και π ά ν τ ω ν ά π ο φ ή ν α ι δεσπότην. 2 Das Steuerruder (πηδάλιο - ^ bestand aus zwei seitlich angebrachten Steuerrudern, die durch eine Querstange regiert wurden.

3 In dem sakralen Drama „Der Triumph des Horos" aus Apollonopolis-Edfu wird das Schiff des Horos in ähnlichen Ausdrücken beschrieben: „Das schöne Segel ist aufgebläht, leuchtend an Farbe wie Nunet (die Urmutter im Abgrund), als sie schwanger ging mit den Göttern. Die beiden Segeltaue - die eine ist Isis, die andere ist Nephthys - jedes von ihnen faßt seine Aufgabe auf den Rahen wie Brüder von einer einzigen Mutter usw." (G. Roeder, Mythen 132; H. W. Fairman, J. Ε. A. 30, 1944, 6 - 7 ; M. Alliot II 768/9; H. Kurth 225). 4 In der Schiffahrtssymbolik ist die Isis-Sarapis-Religion der christlichen vorangegangen. Für diese s. H. Rahner, Symbole der Kirche (1964) 3 0 4 - 4 3 1 . Der älteste Beleg scheint Clemens Alex., Paedag. III 5 9 , 2 (p. 2 7 0 , 7 - 1 0 St.). 5 φιλοσοφειν bedeutet hier und in VIII 5 , 7 keusch leben, V 2 3 , 7 Prüfungen schweigend erdulden, V 27,1 als Exeget der Mysterienlehre sprechen. 6

Ähnlich sühnt der Lucius des Appuleius seine Liebschaft mit Photis durch spätere Keuschheit.

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Kleitophon und Melite begegnen der versklavten Leukippe (V 17) § 648 Die Fahrt auf dem Schiff der Melite-Isis-Euploia verläuft glücklich, anders als die „Flucht" aus Sidon und Tyros. Sie kommen in Ephesos an und fahren nach einem Landhaus. Dort fällt ihnen eine Sklavin zu Füßen, in jämmerlichem Aufzug, in Fußfesseln gebunden, eine Hacke 1 in der Hand, die Haare geschoren. „Habe Erbarmen, Herrin, als Frau mit einer Frau. Ich bin frei geboren, aber jetzt eine Sklavin der Tyche." Leukippe ist so entstellt, daß ihr Geliebter sie nicht erkennt. Melite heißt die Sklavin aufstehen und fragt nach Namen und Unglück. Leukippe behauptet, sie sei Thessalierin und heiße „Lakaina". 2 Sie hat sich dem Gutsverwalter Sosthenes verweigert und wurde zur Strafe geschoren, gefesselt, in schlechte Kleider gesteckt, zu schwerer Arbeit gezwungen und gegeißelt. Sie zeigt (δείκνυσι) Melite die Striemen auf dem Rücken. Melite sagt: „Sei getrost" (V 17,7 θάρρει), läßt die Fesseln lösen 3 und verspricht, sie in die Heimat zu senden. Sie wird gebadet und erhält ein neues Kleid. - Alles Rituale bei der Mysterienweihe. -

Leukippe schreibt an Kleitophon einen Brief (V 17-22) § 649 In die Stadt zurückgekehrt, setzen sich Melite und Kleitophon zum Mahl. Der Diener Satyros ruft Kleitophon heraus und übergibt einen Brief der Leukippe. - Während des Mahls mit Melite-Isis erfährt Kleitophon, daß Leukippe lebt. Erliest (V 18,1): Διά σέ τήν μητέρα κατέλυτον „Wegen deiner verließ ich die Mutter και πλάνην είλόμην, und wählte die Irrfahrt, διά σέ πέπον&α ναυαγίαν wegen deiner erlitt ich Schiffbruch και ληστών ήνεσχόμην, und war Gefangene der Räuber, δια σέ ίερεΐον γέγονα wegen deiner war ich Schlachtopfer καΐ καθαρμός und Sühnopfer και τέθνηκα ήδη δεύτερον, und starb schon zweimal, διά σέ πέπραμαι wegen deiner wurde ich verkauft και εδέθην σιδήρωι und in Eisen gefesselt και δίκελλαν έβάστασα und trug die Hacke και έσκαψα γήν und grub die Erde και έμαστιγώθην und wurde gegeißelt, soll ich nun, wo du der Mann einer anderen Frau geworden bist, einen anderen heiraten? Nein. Ich bin standhaft geblieben in solchen Zwängen - und du, der du nicht verkauft und nicht gegeißelt wurdest, heiratest. . . Ich schreibe dir dies als Jungfrau." Sie bittet Kleitophon, dafür zu sorgen, daß sie freigegeben werde. 1 Auf dem ravennatischen Sarkophag Abb. 220 ist unter der sitzenden Iuliane eine Hacke abgebildet. Bei Xenophon muß Habrokomes im Steinbruch arbeiten (V 8). Auf dem Berliner Leichentuch des Dion ist der Verstorbene mit einem Spaten in der Hand abgebildet (S. Morenz, Rei. und Gesch. 242 mit Abb. 8; K. Parlasca, Mumienporträts und verwandte Denkmäler [1966] Tafel 34,2). 2 Der Myste verschweigt seinen „zivilen" und nennt seinen Mystennamen. „Lakaina" könnte man auf die ägyptische Helena beziehen. 3

„Ich löse die Gefesselten", sagt Isis in der Selbstoffenbarung (Zeile 48).

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Leukippe erklärt, d a ß sie alle geforderten Initiationsproben b e s t a n d e n hat. Sie gibt diese E r k l ä r u n g in einem asyndetischen Stil, wie er f ü r die Passierworte (Symbole) in den eleusinischen Mysterien und im Attiskult bezeugt ist. 1 Ungläubig blickt Kleitophon den Diener an: „Bringst du diesen Brief aus d e m H a d e s ? Ist Leukippe zum zweitenmal wiederaufgelebt (V 19,2 π ά λ ι ν ά ν ε β ί ω ) ? " Dieser m a h n t , zu schweigen. - Alles spielt an auf die Weihen. Kleitophon schwört bei dem gegenwärtigen Glück (Tyche), daß er noch nicht wirklich geheiratet habe, und schreibt seiner Geliebten einen Brief. Als a m Abend die Ehe mit Melite vollzogen werden soll, stellt er sich krank. Melite erkennt die Ausflüchte. Sie läßt am anderen Tag die „thessalische Sklavin" Leukippe holen: „ D u weißt, wie menschenfreundlich 2 ich dir gesonnen b i n . " Z u m D a n k soll Leukippe ihr helfen. Alle thessalischen Frauen stehen im G e r u c h der Z a u b e r e i . Leukippe soll Kleitophon durch einen Z a u b e r t r a n k Liebe zu Melite einflößen. So bestätigt Melite, d a ß Kleitophon treu geblieben ist. Leukippe sagt zum Schein, sie wolle helfen, und geht aufs Land, um Zauberkräuter zu sammeln. Dienerinnen der Melite begleiten sie.-*

Thersandros schlägt Kleitophon und sperrt ihn ein (V 23) § 6 5 0 Am nächsten Tag sitzen Melite und Kleitophon beisammen u n d trinken; da stürzt Thersandros ins Z i m m e r , der totgeglaubte Gatte. W ü t e n d beschimpft er Kleitophon als Ehebrecher. - D a s mythische Vorbild f ü r die Person des Thersandros ist Seth-Typhon, u n d Melite ist hier wohl Repräsentantin der Nephthys, bei der Osiris zur Zeit der Nilflut versehentlich gelegen hatte (s. § 8 ) . Kleitophon steht zu Melite in einem ähnlichen Verhältnis wie Osiris zu Nephthys; er ist nicht richtiger Ehemann der Melite, aber f ü r Thersandros sieht es so aus. T h e r s a n d r o s schlägt Kleitophon auf die Schläfe, zerrt ihn an den H a a r e n , w i r f t ihn auf den Boden und prügelt ihn. Kleitophon verhält sich „wie bei einem M y s t e r i u m " (V 23,6); er glaubt, jener sei rasend, und wehrt sich nicht. Als jener zu prügeln a u f h ö r t , fragt er, w a r u m er schlage; da e r g r i m m t T h e r s a n d r o s d a r ü b e r , d a ß er ü b e r h a u p t spricht, ohrfeigt ihn wieder, läßt ihn fesseln und sperrt ihn in einem N e b e n r a u m ein. 4

Melite befreit Kleitophon; die Liebesumarmung (V 24-27) § 6 5 1 Als Kleitophon geschlagen wird, verliert er den Brief der Leukippe. Melite findet ihn u n d erkennt, d a ß ihre Sklavin die totgeglaubte Braut des Kleitophon ist, d a ß sie zu verzichten hat. Sie will aber einmal die Liebe des Kleitophon genießen. Als T h e r s a n d r o s a b e n d s zu einem Freund geht, läßt sie den R a u m öffnen, in dem Kleitophon eingesperrt ist, und setzt zwei Skla1 Beobachtet von K. Kerényi 103. Das eleusinische Symbol lautet: ένήστευσα, ε π ι ο ν τ ό ν κ υ κ ε ώ ν α , ε λ α β ο ν έκ κίστης, έ ρ γ α σ ά μ ε ν ο ς ά π ε θ έ μ η ν εις κ ά λ α θ ο ν , και έκ κ α λ ά θ ο υ εις κίστην Clemens Alex., Protrept. II 2 1 , 2 (p. 16,18 St.). Das Symbolon der Attis-Mysterien lautet: έκ τ υ μ π ά ν ο υ ε φ α γ ο ν , έκ κυμβάλου επιον, έκερνοφόρησα, ΰ π ό τ ό ν π α σ τ ό ν ΐιπέδυν Clemens Alex., Protrept. II 15,3 (p. 1 3 , 1 2 St.). Etwas anders Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum 18,1. 2 V 2 2 , 2 τά μέν έμά ό π ω ς εσχεν, εφη, π ρ ό ς σέ φ ι λ α ν θ ρ ω π ί α ς . Es ist die Menschenfreundlichkeit der Göttin. 3

Das steht in VI 10,1.

4

Die Szene entspricht der Geißelung und Fesselung der Leukippe.

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3 0 Achilleus T a t i o s

ven als Wache davor. In langer und bewegter Rede bittet sie Kleitophon, ihr jetzt, zum erstenund letztenmal, Liebe zu schenken: 1 „Auch du bist Sklave des Eros, fürchtest du nicht seinen Zorn? Ehrst du nicht seine Mysterien? 2 . . . Ich brenne . . . H a b e Mitleid mit mir . . . Eine einzige Umarmung soll genügen. Dieses kleine Heilmittel brauche ich gegen die große Krankheit. Lösche mir ein wenig das Feuer." - Nephthys ist die unfruchtbare Wüstenerde. In der Ehe mit Seth, dem heißen Wüstenwind, liegt sie brennend da und dürstet nach dem Wasser (Osiris). Melite fährt fort: „Ich weiß, daß es als unschicklich gilt, aber ich schäme mich nicht, von den Mysterien des Eros zu sprechen. Ich rede mit einem Mann, der eingeweiht i s t . . . Erinnere dich der Isis und der Eide, die du dort (im Tempel zu Alexandria) geschworen hast . . . D a du Leukippe gefunden hast, 3 kannst du keine andere Frau heiraten . . . Gegen mich werden auch Tote wieder lebendig ( ά ν α β ι ο ΰ σ ι ) . . . Wenn ich dich nicht geliebt, wenn ich dich nicht hierher geführt hätte, wäre Leukippe noch für dich tot. Es gibt auch Geschenke der Tyche. Wer einen Schatz findet, ehrt den Fundplatz . . . Du fandest bei mir einen Schatz des Eros und ehrst nicht deine Wohltäterin. Eros spricht zu dir durch mich: ,Tu den Gefallen mir, deinem Mystagogen, laß Melite nicht ungeweiht.' . . . Du wirst gleich aus den Fesseln gelöst werden . . . Du wirst eine Unterkunft erhalten . . . Morgen wird auch Leukippe zu dir kommen . . . Damit du auch in dieser Hinsicht guten Mutes bist (·θαρρήσηις), Thersandros ist nicht zu Hause . . . Schenk dich mir." So spricht Melite „philosophisch" (φιλοσοφήσασα), als Mystagogin. Sie löst die Fesseln 4 und führt die Hand des Geliebten an ihr Herz: „Siehst du, wie es springt und heftig klopft, voller Furcht und H o f f n u n g ? " 5 Da fürchtet Kleitophon den Zorn des Gottes, und da dies nun keine Ehe mehr war, sondern ein Heilmittel für eine kranke Seele, ertrug er, daß sie ihn umarmte, und widerstrebte nicht, als sie ihn umfing; und so geschah, was Eros wollte, und wenn auch kein Bett im Zimmer war, so kann Eros jeden Platz zum Raum des Mysteriums machen. 6 Die Beziehung der Episode zum ägyptischen Mythos ist klar; nicht aber, wie sie im Kult nachgespielt worden ist. Ich will nur eine Möglichkeit andeuten: Bei Frauen dürfte die Einweihung in die Isis-Mysterien immer mit der Eheschließung zusammengefallen sein; bei Männern sind wohl auch Unverheiratete in die Mysterien eingeweiht worden, und eine Liebesnacht mit einer Isisdienerin gehörte vielleicht zum Ritual. 7 1

Ich verkürze die R e d e der Melite.

W i e d e r sind die „ M y s t e r i e n " d a s j e n i g e , w a s die M e n s c h e n t u n , u n d nicht e t w a eine a b s t r a k t e Geheimlehre. 2

3

V 2 6 , 4 ε ΰ ρ ό ν τ ι σοι.

S o wie im M y t h o s Isis z u s a m m e n m i t N e p h t h y s die Binden löst, in welche O s i r i s g e w i c k e l t w a r . „ I c h löse sie, die in Fesseln s i n d " , sagt Isis in der S e l b s t o f f e n b a r u n g (Zeile 4 8 ) . 4

5

V 2 7 , 1 ό ρ α ι ς π ω ς π η δ ά ι κ α ι π ά λ λ ε ι (sc. ή κ α ρ δ ί α ) π υ κ ν ό ν π α λ μ ό ν α γ ω ν ί α ς γ έ μ ο ν τ α κ α ι ε λ π ί δ ο ς .

M e l i t e ist hier gleichzeitig N e p h t h y s , die in O s i r i s d e n M a n n einer a n d e r e n F r a u u m a r m t , u n d Isis selbst, die den eingewickelten (gefesselten) O s i r i s a u s seinen B a n d e n löst u n d k l a g e n d u m a r m t . D i e R o l l e d e s K l e i t o p h o n ist p a s s i v ; M e l i t e n i m m t die s a k r a l e L i e b e s s t e l l u n g über ihm ein, s. § 2 4 . Eine G ö t t i n IsisN e p h t h y s ( Η Σ Ε Ν Ε Φ Θ Υ Σ , Σ Ε Ν Ε Φ Θ Υ 2 ) k o m m t in d e n g r i e c h i s c h - ä g y p t i s c h e n T e x t e n v o r ; in ihr sind die beiden S c h w e s t e r n vereint wie ähnlich O s i r - A p i s in ( O ) s e r a p i s . Vgl. S u p p l . M a g . 2 7 , c o l . II 2 7 u n d 2 9 , P. G . Μ . X I I 2 3 4 und L X I I 5 , J . Q u a e g e b e u r , „ L e t h é o n y m e S e n e p h t h y s " , O r i e n t a l i a L o v a n i e n s i a Periodica 2 2 ( 1 9 9 1 ) 1 1 1 - 1 2 2 . 6

7 Ich e r k l ä r e jetzt a n d e r s als in „ R o m a n und M y s t e r i u m " 1 4 4 / 5 ; vgl. C h r . R i e d w e g , M y s t e r i e n t e r m i n o l o g i e bei P i a t o n , Philon und K l e m e n s v o n A l e x a n d r i e n ( 1 9 8 7 ) 9 2 - 9 4 .

3 0 Achilleus T a t i o s

385

Kleitophon entweicht in Frauenkleidern; Kleitophon und Leukippe gefangen (VI 1-5) § 652 Melite zu Kleitophon: „Zieh mein Kleid an und verhülle dein Gesicht mit meinem Mantel." Sie küßt ihn und sagt: „Wieviel schöner bist du in diesem Gewand. Mögest du durchkommen (σώζοιο), und heb dieses Gewand zum Andenken auf. Laß mir das deine, daß ich es anziehen und so von dir umarmt sein kann." 1 Die Magd Melantho geleitet ihn hinaus. Melantho erinnert an die schwarzgewandeten (μελανηφόροι) Isismysten in Delos, Eretria und Praeneste, s. § 230. Melantho führt Kleitophon aus dem Verließ; ein Diener, den er vom Schiff her kennt, führt ihn aus dem Garten. - Solche Zeremonien müssen in der Isisweihe gespielt worden sein. 2 Natürlich begegneten dem Mysten immer wieder die gleichen Gesichter. Die Zahl der Akteure im heiligen Drama kann nicht groß gewesen sein. § 653 Tyche verfolgt Kleitophon und Leukippe. Es war ein Fest der Artemis, und die Straßen waren voller Menschen. Nun hatte sich Thersandros entschlossen, doch zuhause zu übernachten, und begegnet auf dem Weg Kleitophon in den Kleidern der Melite. Thersandros schreit, die Menge strömt zusammen, man führt Kleitophon als Ehebrecher ins Gefängnis. Dieser empfindet keine Trauer und ist guten Mutes (VI 5,4 έθάρρουν). All dies ereignet sich während eines Nachtfestes der Artemis. Der Gutsverwalter Sosthenes, den Melite wegen seines Betragens gegen Leukippe hatte zur Rechenschaft ziehen wollen, will sich an Melite und der widerspenstigen Leukippe rächen und sie an den zurückgekehrten Herrn, Thersandros, verkuppeln. Leukippe war mit einigen Dienerinnen der Melite aufs Land gefahren. Sosthenes läßt diese Dienerinnen entfernen, überfällt Leukippe in ihrer Hütte, trägt sie fort und sperrt sie in ein geheimes Gemach. Er sagt, sie solle sich nicht fürchten (VI 4,3 μή . . . φοβηθήις); sie solle die Geliebte des Herrn werden. 3 Leukippe schweigt.

Thersandros versucht vergeblich, Leukippe zu gewinnen; er schlägt sie; Sosthenes schlägt vor, sie zu foltern (VI 6-22) § 654 Thersandros tritt zu Leukippe. Sie liegt auf der Erde, blickt nieder und weint. Thersandros bewundert ihre Schönheit und hat Mitleid mit ihr; er sagt: „Sei guten Mutes, Frau" (VI 7,9 θάρσει) und geht. 4 * D a s Kleid, welches Kleitophon a u f h e b e n soll, ist das Weihekleid (cataclista). Vgl. Appuleius, M e t . XI 9,5 u n d § 3 0 4 - 3 0 6 . Wie Melite von Kleitophon u m a r m t w i r d , w e n n sie sein Kleid anzieht, so der M y s t e von Isis, w e n n er das Kleid der Göttin trägt. 2 In einer N e b e n e p i s o d e bei X e n o p h o n von Ephesos (V 1; s. 5 6 0 1 ) w i r d erzählt, d a ß eine Braut T h e l x i n o e sich als Jüngling verkleidet u n d mit ihrem Bräutigam entflieht. Eine ähnliche Geschichte in der H i s t o r i a Lausiaca des Palladlos, Kap. 65. 3 Seth-Typhon h a t t e nach dem T o d des Osiris versucht, Isis zu gewinnen (§ 36). So versucht jetzt T h e r sandros, Leukippe zu verführen. 4 Alle Figuranten, welche im Mysterienspiel die Rollen der Bösen ü b e r n e h m e n , sind selber Eingeweihte, u n d im Szenarium der kleinen Stücke ist festgelegt, d a ß es niemals zum Äußersten k o m m t .

386 30 Achilleus Tatios K l e i t o p h o n ist im G e f ä n g n i s . M e l i t e h a t t e ihm v e r s p r o c h e n , L e u k i p p e zu schicken, u n d sendet einen Boten, sie zu holen. Melite e r f ä h r t , d a ß das M ä d c h e n v e r s c h w u n d e n ist. Sie will n u n die Suche (VI 8,4 u n d 10,2 ζ ή τ η σ ι ς ) öffentlich d u r c h f ü h r e n . Als ihr M a n n n a c h h a u s e k o m m t , sagt sie, er sei g r u n d l o s eifersüchtig. Er h a b e als e r t r u n k e n gegolten. D a h e r h a b e sie in allen S c h i f f b r ü c h i g e n u n d E r t r u n k e n e n V e r t r e t e r ihres M a n n e s gesehen, viele E r t r u n k e n e b e s t a t t e t , viele S c h i f f b r ü c h i g e gepflegt. So a u c h d e n K l e i t o p h o n : „ I n i h m h a b e ich d a s A b b i l d deines U n g l ü c k s g e e h r t . " - N e p h t h y s u n d Isis h a b e n den e r t r u n k e n e n Osiris a u s d e m W a s s e r gezogen u n d bestattet, s. § 9. Die Eifersucht des T h e r s a n d r o s auf K l e i t o p h o n hat ihr mythisches V o r b i l d in der Eifersucht des Seth auf Osiris. Sosthenes redet L e u k i p p e zu, sie solle i h r e m H e r r n zu Willen sein. L e u k i p p e w e i g e r t sich: „Ich will v o n m e i n e r T y c h e u n d d e m D ä m o n , der ü b e r m i c h h e r r s c h t , z e r m a l m t w e r d e n . Ich w e i ß , ich bin in einer P i r a t e n h ö h l e " (VI 13,1 π ε ι ρ α τ ή ρ ι ο ν , P r ü f u n g s o r t ) . Kleinias b e s u c h t K l e i t o p h o n im G e f ä n g n i s ; dessen Seele s c h w a n k t z w i s c h e n „ F u r c h t u n d H o f f n u n g " (VI 14,2). Sosthenes sagt zu T h e r s a n d r o s , L e u k i p p e wolle sich i h m nicht f ü g e n , weil sie f ü r c h t e , b a l d w i e d e r v e r l a s s e n zu w e r d e n . T h e r s a n d r o s : „ D a r ü b e r soll sie g u t e n M u t e s sein (VI 1 5 , 3 Ό α ρ ρ ε ί τ ω ) ; meine E m p f i n d u n g f ü r sie ist u n s t e r b l i c h . " Sie treten vor die T ü r der L e u k i p p e u n d h ö r e n , wie sie klagt u n d ihren w a h r e n N a m e n n e n n t . § 6 5 5 T h e r s a n d r o s versucht, L e u k i p p e in G ü t e zu g e w i n n e n . Als sie w i d e r s p e n s t i g bleibt, schlägt u n d b e s c h i m p f t er sie: „Ich glaube, d u bist eine H u r e gewesen; d u liebst ja a u c h einen E h e b r e c h e r . " Als sie bei Artemis s c h w ö r t , noch J u n g f r a u zu sein, lacht er sie aus: Ein M ä d c h e n , das mit so vielen Seeräubern genächtigt hat! Sosthenes schlägt vor, L e u k i p p e zu geißeln u n d zu foltern. D a r u f t sie: „ H e r b e i mit d e n Foltern! Er soll das R a d bringen; hier sind meine H ä n d e , er soll sie a u s s p a n n e n . Er soll die Peitsche bringen; hier ist mein R ü c k e n , er soll ihn schlagen. Er soll das Feuer bringen; hier ist m e i n Leib, er soll ihn b r e n n e n . Er soll das Eisen bringen; hier ist mein H a l s , er soll ihn a b s c h l a g e n . Ihr seht einen n e u e n W e t t k a m p f : Ein W e i b k ä m p f t gegen alle Foltern u n d besiegt alle . . . Ich b i n n a c k t , allein, ein W e i b , aber ich h a b e eine W a f f e , die Freiheit, die w e d e r mit Schlägen niedergeschlagen n o c h mit Eisen abgeschnitten noch mit Feuer a u s g e b r a n n t w e r d e n k a n n . " 1 Dies e r i n n e r t a n die B e r e i t s c h a f t des H a b r o k o m e s , alle M a r t e r n auf sich zu n e h m e n ( X e n o p h o n II 4 , 4 ; s. § 5 8 8 ) . Die innere Freiheit k a n n d e m M y s t e n keine ä u ß e r e G e w a l t nehm e n . D e r Isisdiener ist überzeugt, d a ß alle ä u ß e r e n P r ü f u n g e n ihn in den H a f e n des Heils f ü h r e n m ü s s e n . Seine G ö t t i n ist Schicksal u n d V o r s e h u n g in einer P e r s o n , u n d a u c h die Feinde stehen in ihrer H a n d . So ist das Ende n o t w e n d i g gut. W a h r s c h e i n l i c h spielt die Episode a b e r nicht n u r auf die P r ü f u n g e n a n , welche der M y s t e in der Initiation u n d persönlich im Lauf des Lebens bestehen m u ß , s o n d e r n a u c h d a r a u f , d a ß ein Isisdiener allein s c h o n d u r c h seine Religion in G e f a h r k o m m e n k a n n u n d ihr d a n n die T r e u e h a l t e n m u ß . D i e stoischen P h i l o s o p h e n in R o m 2 s t a r b e n f ü r ihr p h i l o s o p h i s c h e s C r e d o , die

1 VI 21,1-2 τάς βασάνους παράστησον. φερέτω τροχόν· Ιδού χείρες, τεινέτω. φερέτω και μάστιγας· ιδού νώτος, τυπτέτω. κομιζέτω πϋρ· 'ιδού σώμα, καιέτω. φερέτω και σίδηρον ιδού δέρη, σφαζέτω κτλ. 2

Ρ. Clodius Thrasea Paetus; C. Helvidius Priscus (Vater und Sohn); Q. Iunius Arulenus Rusticus; Herennius Senecio.

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Christen für ihre Religion; 1 die Abgesandten der Alexandriner traten vor dem Kaisergericht in R o m mutig auf; 2 wahrscheinlich sind Verehrer der Isis und des Sarapis im ersten vorchristlichen Jahrhundert in R o m in ähnlicher Weise vor die Wahl gestellt worden, ihre Religion zu verleugnen oder gefoltert, ja sogar hingerichtet zu werden. 3 M a n kann den Gedanken erwägen, daß die alexandrinischen Märtyrerakten nicht die ersten Texte dieser Art waren, sondern daß es in R o m selbst, im ersten Jahrhundert v. Chr., ähnliche Flugschriften über Martyrien der Sarapis- und Isisdiener gegeben hat. 4 Vgl. § 2 4 3 .

Kleitophon glaubt, Leukippe sei tot (VII 1-6) § 6 5 6 Thersandros versucht vergeblich, den Aufseher des Gefängnisses anzustiften, Kleitop h o n mit Gift zu töten. 5 D a n n schickt er einen Spitzel zu Kleitophon ins Gefängnis, der behauptet, Melite habe Leukippe umbringen lassen. Der Mörder soll Ohrfeigen erhalten haben und gefesselt, aber dann freigelassen w o r d e n sein (VII 3,5). So soll Kleitophon abgehalten werden, nach Leukippe zu suchen (VII 1,5 ζήτησις). 6

1 H. Delehaye, Les passions des martyrs 198-203. Schon Κ. Kerényi 125 hat die christlichen Martyrien verglichen. 2

S. § 262-264.

3

Es seien einige Parallelen angeführt: (a) Heidnisch: Epiktet II 1,35 φέρε θ ά ν α τ ο ν . . . φέρε πόνους, φέρε δεσμωτήριον, φέρε άδοξίαν, φέρε καταδίκην. In IV 13,22 wird das Rad genannt. Philostrat, Vita Apollonii VII 14,2 ιτω μέν πϋρ έπί τόν σοφόν, ΐτω δέ πέλεκυς. Acta Alexandrinorum ed. Musurillo (1961) p. 41, Nr. IX (Acta Pauli et Antonini, col. VII 5 - 8 den Bütteln wird befohlen) tòv] Ά ν τ ω ν ΐ ν ο ν κολάζειν κα[ί κρεμάσασ]θαι ύπό ξύλον και ΰποκα[ίειν πυρί τά α]ύτοϋ όστέα και βασανίσον[τας (?) — . (b) Jüdisch: IV. Buch der Makkabäer 8,13 (in der Edition des griechischen Alten Testaments von Rahlfs I 1169) τροχούς τε και άρθρέμβολα, στρεβλωτήριά τε και τροχαντήρας και καταπέλτας και λέβητας, τήγανά τε και δακτυλήθρας και χείρας σιδηράς και σφήνας και τά ζώπυρα του πυρός. (c) Christlich: Pastor Hermae, Visio III 2,1 μάστιγας φύλακας θλίψεις μεγάλας σταυρούς. Martyrium der Euphemia Kap. 4 βασανιζομένους, 7 έπί των τροχών, 13a μάστιγας, 16 ραβδίζεσθαι (ed. F. Halkin, 1965, S. 1 6 , 1 9 , 26 und 31). Gregor von Nazianz, Or. 4 (Contra Iulianum I) 89; ed. J. Bernardi, Sources chrétiennes 309, p. 224 εϊλκετο διά πλατειών, ώθεΐτο κ α θ ' υπονόμων, τών τριχών είλκετο . . . μετέωρος άντεπέμπετο, γραφίσιν ΰποδεχομένων τό γενναΐον σώμα . . . πιέσμασι τάς κνήμας έθλίβετο μέχρις όστέων αυτών· λίνοις τά ώτα διετέμνετο . . . σαργάνηι προς ΰψος αίρόμενος, μέλιτι και γάρωι διάβροχος, σφηξί και μελίσσαις έξαίνετο κτλ. Justinus martyr, Dialogus cum Tryphone 110,4 κ ε φ α λ ο τ ο μ ο ύ μ ε ν ο ι . . . και σταυρούμενοι και θηρίοις παραβαλλόμενοι και δεσμοΐς και πυρί και πάσαις ταίς αλλαις βασάνοις. Martyrium Polycarpi 2,4 oí είς τά θηρία κατακριθέντες ύπέμειναν δεινός κολάσεις, κήρυκας (Muscheln) μέν ύποστρωννύμενοι και άλλαις ποικίλων βασάνων ίδέαις κολαζόμενοι κτλ. 4 Eine Parallele wären die Flugschriften über den heldenhaften Widerstand der Stoiker gegen kaiserliche Tyrannen, die Bücher über Cato, M. Clodius Thrasea Paetus und Helvidius Priscus. 5

Entspricht dem überdosierten Liebestrank, den Leukippe im IV. Buch getrunken hat.

^ Was in der Erzählung nur vorgetäuscht wird, ist im Ritual Wirklichkeit: Die Mystin (Leukippe) stirbt in der Weihe auf Befehl der Isis-Nephthys (Melite).

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Kleitophon klagt: „Meine Leukippe, wie oft bist du schon gestorben? . . . Deine T o d e verfolgen einander. Bei den früheren hat Tyche nur gespielt, diesmal aber ist es kein Spiel der Tyche mehr . . . Zweimal bist du den Räubern entkommen, aber die Piratenhöhle (VII 5 , 3 πειρατήριov) der Melite hat dich ermordet." - Im Mysteriensinn heißt πειρατήριον „ O r t der Prüfung". Freund Kleinias tröstet Kleitophon im Gefängnis: „ W e r weiß, ob sie nicht wieder lebt? Ist sie nicht oft gestorben? Ist sie nicht oft wieder aufgelebt?" 1 Aber Kleitophon will sterben und sich an Melite, der scheinbaren Mörderin, rächen. Bei der Gerichtsverhandlung wird er sich nicht verteidigen, sondern behaupten, er habe den M o r d begangen; er will zum T o d verurteilt werden. Er will den Ehebruch mit Melite zugeben und behaupten, sie hätten Leukippe umbringen lassen. 2

Prozeß gegen Kleitophon; Todesurteil (dritter Tod; VII 7 - 1 2 ) § 6 5 7 N u n beginnt der Prozeß. Der im Initiationsritual gespielte Prozeß, von dessen Gefahrlosigkeit alle Teilnehmer wußten, muß ein heiteres Spiel gewesen sein,3 und die Anklageund Verteidigungsreden sind Übungen im improvisierten Sprechen gewesen wie sie aus den rhetorischen T e x t e n 4 bekannt sind: Einer der Mysten wurde aufgefordert, eine Anklagerede gegen den neuen Mysten zu improvisieren, die möglichst unterhaltsam sein sollte; der Initiand sollte sehen, wie er sich amüsant verteidigte. Kleitophon sagt vor Gericht gegen sich aus. 5 Die Anwälte des Thersandros jubeln, 6 Melite versucht, sich zu rechtfertigen. Kleinias tritt auf und plädiert für Kleitophon: 7 „Verurteilt nicht übereilt einen M a n n zum T o d , der sterben will . . . Er will nicht mehr leben und hat sich darum lügnerisch des M o r d e s angeklagt; daß er den T o d begehrt, hat er ja auch selbst gesagt."** 1

VII 6,2 άνεβίω.

In der Ritualebene meldet sich der Myste (Kleitophon) zum freiwilligen Tod, zur mors voluntaria (Κ. Kerényi 32). In VII 10,1 heißt es: „Durch die Vorsehung Gottes hat er sich selbst angeklagt." Dies sagen die Advokaten Kleitophons und meinen es ernst. In der Ebene der Mysterien ist mit „Gott" Isis gemeint: Pronoia-Isis hat es gefügt, daß Kleitophon sich zur Weihe meldet. 2

3 Schon der ägyptische Text mit dem Prozeß des Seth gegen Horos ist unernst und oft burlesk, s. § 36. Gerichtsszenen mit einer Klage wegen Ehebruchs gehörten zum üblichen Repertoire der mimischen Darbietungen im Theater. Chorikios von Gaza sagt: ήνίκα μοιχείαν . . . θεωρείς, τότε και δικαστήριον όράις άρχικόν, καΐ κατηγορεί μέν ό της έαλωκυίας άνήρ, κρίνεται δέ μετά της ερωμένης ό τήν μοιχείαν τολμήσας, απειλεί δέ τιμωρίαν άμφοτέροις ό δικαστής· έπε'ι δέ δλον παιδιά τις έστι το χρήμα, τό πέρας αϋτοις εις φδήν τινα καί γέλωτα λήγει. „Wenn man (auf der Bühne) einen Ehebruch sieht, dann sieht man auch ein Gericht der Regierung, und der Mann der ertappten Frau klagt an, geurteilt wird über den Ehebrecher und seine Geliebte, und der Richter droht beiden Strafe an; da aber das Ganze ein Spiel ist, geht es am Ende auf Gesang und Gelächter hinaus" (Chorikios X X X I I = or. 8 υπέρ των έν Διονύσωιτόν βίον είκονιζόντων [apologia mimorum] S 30, p. 3 5 1 , 1 2 - 1 7 Foerster; vgl. H. Wiemken, Der griechische Mimus 1 4 6 148). 4 Vor allem den Deklamationen des älteren Seneca und den längeren und kürzeren Deklamationen, die unter dem Namen des Quintilian überliefert sind. Die Ähnlichkeit der Deklamationen zu den Romanen ist schon immer aufgefallen. Solche Deklamationen sind bei den Initiationszeremonien vorgekommen. 5 VII 7,6 έμαυτοϋ κατειπον. 6 VII 8,1 άνεβόησαν, ein aretalogisches Wort. Vgl. § 576. 7 Er spielt die Rolle des Gottes Thoth, der im Prozeß zwischen Horos und Seth als Anwalt des Horos fungierte.

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Kleinias verlangt, man solle erst klären, was aus Leukippe geworden sei, von der es keine Spur gibt, und dann die Mägde der Melite und den Gutsverwalter Sosthenes unter der Folter vernehmen. Die Anwälte des Thersandros schreien entgegen, man solle den Mörder töten, der sich infolge der Vorsehung Gottes selbst angezeigt habe. 1 Thersandros schickt einen Boten an Sosthenes, er solle sich versteckt halten. Es darf nicht bekannt werden, daß Leukippe lebt. § 658 Thersandros hält eine Anklagerede voller unsinniger Verdächtigungen. Er verlangt sofortige Hinrichtung: „Meint ihr denn, dieser Mann habe sich ohne Veranlassung Gottes selbst angeklagt?" 2 § 659 Die Richter 3 verurteilen Kleitophon zum Tod, da er sich selbst angezeigt habe. Um zu ermitteln, ob auch Melite schuldig sei, soll Kleitophon vorher gefoltert werden. „Schon war ich gefesselt, schon war mein Leib von den Kleidern entblößt, schon war ich an den Stricken in der Luft aufgehängt, und die einen brachten Peitschen, die anderen Feuerbrände und das Rad; Kleinias jammerte und rief die Götter um Hilfe an; da sah man den Priester der Artemis mit Lorbeer bekränzt herbeikommen." 4 Es war eine Gesandtschaft zum Fest der Artemis von Ephesos eingetroffen. Sie kommt aus Byzantion, der Heimat Leukippes. Ihr Vater Sostratos hatte in einem Krieg gegen die Thraker gesiegt; Artemis selbst hatte in die Schlacht eingegriffen. Dann war die Göttin im Traum an sein Lager getreten: In Ephesos werde er beide finden (εύρήσειν), Tochter und Neffen. N u n naht er als Priester und Anführer der Festgesandtschaft, und alle Gerichtssachen müssen ruhen. Das Gebet des Kleinias und das Eingreifen der Artemis retten Kleitophon vor Folter und Tod.

Leukippe entflieht in den Tempel der Artemis; Kleitophon und Leukippe finden einander; Thersandros protestiert (VII 13—VIII 3) § 660 Inzwischen war Sosthenes geflohen; ihm drohte die Folter. Leukippe einzusperren hatte er vergessen, 5 und als die Tür offen ist, faßt sie wieder Mut und Hoffnung sie erinnert sich, früher wider Erwarten gerettet worden zu sein. Sie nimmt die Gelegenheit wahr, welche

8 VII 9,2-4 μή προπετώς καταγνώτε θάνατον άνδρός επιθυμούντος άποθανείν . . .· ζην οϋκέτι θέλει και διά τούτο εαυτοί φόνον κατεψεύσατο· οτι μέν γαρ έπιθυμεΐ θανάτου και αυτός ώμολόγησε κτλ. Eine mors voluntaria. 1

VII 10,1 έπεβόων άνελεϊν τον άνδροφόνον, τον αυτού κατειπόντα θεού προνοίαι. 2 VII 11,8 οϊεσθε χωρίς θεοϋ τούτον έαυτοΰ κατειπεΐν, 3 Sie sind „aus königlichem Geschlecht" (VII 12,1 βασιλικού γένους). Es gab in Ephesos Βασιλείδαι, s. I. Κ. 12, 450; 13, 936c; 1 4 , 1 0 5 1 und 16, 2920. 4 VII 12,2 άρτι δέ μου δεθέντος και της έσθητος του σώματος γεγυμνωμένου μετεώρου τε έκ των βρόχων κρεμαμένου και των μέν μάστιγας κομιζόντων, των δέ πυρ και τροχόν, άνοιμώξαντος δέ του Κλεινίου και έπικαλούντος τους θεούς, ó της 'Αρτέμιδος Ιερεύς δάφνην έστεμμένος προσιών όράται. In VI 2 1 - 2 2 wird Leukippe mit Folter gedroht. 5

Dies steht schon in VII 10,4-5.

6

VII 13,1 θ ά ρ σ ο ς . . . και έλπίς.

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Tyche bietet, und flieht 1 in den nahen Tempel der Artemis. Dieser Tempel durfte nur von Jungfrauen und Männern betreten werden. 2 Wenn ihn Frauen betraten, waren sie des Todes; nur Sklavinnen, die vor Mißhandlungen ihres Herrn flohen, waren von diesem Gesetz ausgenommen. Sie blieben als Sklavinnen der Göttin im Heiligtum. § 661 Als die Gerichtsversammlung auseinandergeht, erkennt Leukippes Vater seinen Neffen Kleitophon und begrüßt ihn; doch als er erfährt, daß Kleitophon wegen Mordes an Leukippe zum Tod verurteilt ist, kratzt er ihm fast die Augen aus. Kleitophon wehrt sich nicht und hält ihm noch das Gesicht hin. Sostratos erzählt, was Artemis ihm im Traum verkündet hatte. Da fällt Kleinias ein: „Sei guten Mutes, Vater; Artemis lügt nicht; 3 deine Leukippe lebt; vertraue den Wahrzeichen. Siehst du nicht, wie sie diesen gerettet hat, der schon zur Folter in den Stricken hing?" Da meldet ein Tempeldiener: Ein fremdes Mädchen, fast so schön wie Artemis selbst, sei ins Heiligtum geflohen; sie heiße Leukippe. Alle hören es. 4 Kleitophon öffnet die Augen, 5 ist wie beflügelt und fängt an, wieder aufzuleben (άναβιοΰν). - Die Wahrsagung der Göttin ist erfüllt, ihre Macht hat sich erwiesen, im Beisein vieler Zeugen. Kleitophon war so gut wie tot; jetzt wird er in der Weihe - es ist die dritte - wiedergeboren. Er springt mitsamt seinen Fesseln hoch in die Luft „und fliegt auf das Heiligtum zu, als ob er von einer Theatermaschine katapultiert wäre". 6 Die Wächter halten Kleitophon. Er wehrt sich nun voll Zuversicht (θαρρών). Kleinias und Sostratos eilen zu Hilfe; sie erklären, das Mädchen lebe und Kleitophon sei zu Unrecht verurteilt. Die umherstehende Menge erfährt die Wahrheit und preist Artemis. 7 Die Wächter wollen den zum Tod Verurteilten nicht freilassen. Aber der Artemispriester selbst greift ein, verbürgt sich für Kleitophon und führt ihn mit sich zum Heiligtum. Das Gerücht (φήμη) war ihnen vorangeeilt, 8 und Leukippe eilt Vater und Bräutigam entgegen.

1 Leukippe wird gleichzeitig mit Kleitophon frei. Vgl. die Metternichstele Zeile 48: „Ich Isis floh aus dem Spinnhaus, in das mein Bruder Seth mich gesteckt hatte" (E. Brunner-Traut, Märchen S. 141, Nr. 14; Heike Sternberg-el-Hotabi bei Otto Kaiser [Herausgeber], Texte aus der Umwelt des Alten Testaments II [1988] 376; J. F. Borghouts S. 59 Nr. 90). 2

Das sagt auch Artemidor von Daldis in seinem Traumbuch IV 4: θ ά ν α τ ο ς γ α ρ ή ζημία τηι είσελθούσηι έκεϊ γυναικί. 3 VII 14,6 θάρρει, πάτερ, ή "Αρτεμις ού ψεύδεται. Vgl. IV 12,2 (§ 638) ό Νείλος ο ύ ψεύδεται. Mit π ά τ ε ρ ist ein religiöser Grad gemeint. 4

VII 15,1 λέγει π ά ν τ ω ν άκουόντων.

5

Möglicherweise Anspielung auf das ägyptische Ritual der Augenöffnung. Kleitophon ist ja so gut wie gestorben und gefesselt wie Osiris. Zu den Vorbereitungen auf das glückliche Jenseits gehört ein Ritus, bei welchem dem mumifizierten (zu Osiris gewordenen) Toten zeremoniell die Augen geöffnet werden. Eine solche Augenöffnung ist auf dem ravennatischen Sarkophag Abb. 2 2 0 - 2 2 2 dargestellt. 6 VII 15,3 έγώ δέ έξάλλομαι μετά των δεσμών εις ά έ ρ α και έπί τό ίερόν ώς ά π ό μηχανης βληθείς έπετόμην. Eine theatralische Szene. Für die bakchischen Mysterien ist bezeugt, daß die Initianden auf eine mechanische Vorrichtung gebunden und weggerissen wurden, s. Livius X X X I X 1 3 , 1 3 raptos a diis homines dici quos machinae illigatos ex conspectu in abditos specus abripiant. Vgl. „Die Hirten des Dionysos" 103. 7

VII 16,1 οί δέ παρόντες τό π ά ν μαθόντες εύφήμουν την "Αρτεμιν.

8

Ähnlich bei Xenophon V 13 und Appuleius XI 18,1.

3 0 Achilleus Tatios

391

§ 662 Thersandros kommt wütend in den Tempel und spricht mit lauter Stimme 1 zum Priester: „Ich erkläre vor diesen Zeugen, daß du einen nach dem Gesetz zum Tod verurteilten Mann aus den Fesseln gelöst und vom Tod gerettet hast. Auch hältst du bei dir eine meiner Sklavinnen; 2 hüte sie wohl." Als Kleitophon der Behauptung widerspricht, Leukippe sei Sklavin, schlägt ihm Thersandros mehrmals heftig ins Gesicht; beim dritten Schlag verletzt er sich selbst an den Zähnen des Kleitophon. Nun erhebt Kleitophon großes Geschrei, als spiele er Tragödie: 3 Er ist im Tempel der Artemis geschlagen worden, die Göttin selbst hat es gesehen. Die Anwesenden laufen zusammen; 4 vor diesen Zeugen rühmt er sich voller Zuversicht (τεϋαρρηκώς), von Artemis selbst gerettet worden zu sein. Er geht aus dem Heiligtum, um sein blutiges Gesicht zu waschen. - Kleitophon erhält im Artemistempel Ohrfeigen wie der Initiand im Isistempel. 5 Thersandros tritt ab, nachdem er Leukippe angedroht hat, „die Syrinx" werde an ihr die Strafe für ihre erlogene Jungfernschaft vollziehen.

Kleitophon berichtet (beichtet) dem Priester sein Leben (VIII 4-5) § 663 Der Artemispriester, Sostratos und das Paar speisen im Tempel zu Abend, und „das ganze Mahl war Scham". Kleitophon erzählt alle seine Erlebnisse und schwört, daß er die Keuschheitsprobe bestanden hat; wie wahr sein Schwur ist, weiß die Göttin (Artemis-Isis-Melite) selbst am besten. Er zeigt die Narbe am Oberschenkel: „Du siehst die Narbe." 6 - Voraussetzung für die höhere Weihe. Schlimmeres hat Leukippe erduldet; Kleitophon berichtet in rhythmisch gebildeten, kurzen Kola (VIII 5,4): 7 πέπραται δεδούλευκε γήν εσκαψε σεσύληται της κεφαλής τό κάλλος· την κουράν όράις.

Sie wurde verkauft, sie ist Sklavin geworden, sie hat Erde gegraben, geraubt ist die Schönheit des Kopfes; du siehst die Tonsur.

„Jede Schändung des Leibes und jeden Frevel hat sie ertragen außer einem", sagt Kleitophon. „Mitten unter den Räubern ist sie Jungfrau geblieben . . . Auch wir, Vater, waren auf der Reise keusch ( έφιλοσοφήσαμεν) . . . Wir sind gegeneinander Brüder geworden. Ich bin ihr gegenüber ein jungfräulicher Mann, denn seit langem sehnte sie sich nach dem Tempel der Artemis. Herrin Aphrodite, zürne uns nicht: Wir sind nicht übermütig gegen dich, wir wollten nur die Ehe nicht

1 VIII 1 μεγάληι tfji φωνήι. Dieselben Worte in dem ägyptischen Priestereid, M . Totti, Texte Nr. 9, II 15 und 10,8. 2

Leukippe. In rituellem Sinn ist jeder Isisdiener ein Sklave der Götter, s. Appuleius, Met. XI 15,5 cum coeperis deae servire. 3

VIII 1,5 έγώ δ έ . . . τραγωδών ένέπλησα βοής τό Ιερόν.

4

VIII 3,1 όχλος συνερρύη των έν τώι ίερώι παρόντων.

5

So schon Κ. Kerényi 127. Auch die Waschung dürfte zum Ritual gehören.

6

VIII 5,1 τό του μηροϋ τραύμα· και εδειξα τήν ουλή ν.

7

Κ. Kerényi 1 0 3 - 1 0 5 hat die „Symbola" der Mysterien verglichen; s. auch hier § 649.

392

30 Achilleus Tatios

ohne den Vater schließen. Nun ist der Vater da, nun komm auch du, sei uns gnädig." - Die Mystin hat alle Proben bestanden; die Tonsur 1 wird dem Priester vorgewiesen als sichtbares Zeugnis, daß sie die Weihen in Demut verdient hat. -

Die Syrinx (VIII 5,9-7) § 664 Kleitophon will wissen, was Thersandros gemeint habe, als er Leukippe mit der Syrinx drohte. Der Priester erklärt, hinter dem Tempel sei ein Gang, der heiße Syrinx; nur Jungfrauen dürften ihn betreten. Kurz hinter dem Eingang sei eine Rohrflöte (Syrinx).^ Syrinx hieß einst ein Mädchen; von Pan verfolgt, verwandelte sie sich in Schilf. Pan schnitt das Schilf ab und fertigte aus ihm eine Flöte; indem er ein Liebeslied blies, küßte er in den Rohrpfeifen die Geliebte. Diese Syrinx hat Pan in der Grotte Artemis geweiht. Das Betreten der Syrinxhöhle ist eine Jungfernprobe. Stellt sich ein Mädchen der Probe, so verschließt man hinter ihr die Tür. Ist sie Jungfrau, so ertönt ein helles Lied der Flöte, die Tür öffnet sich von selbst 3 und das Mädchen tritt heraus, das Haupt mit Fichtengrün bekränzt. Hat sie die Jungfernschaft verloren, so hört man statt der Syrinx einen Klageruf, und das Mädchen kommt nie mehr zum Vorschein. 4 Leukippe ist bereit, diese Prüfung zu bestehen. „Sei guten Mutes, Vater, über mich und glaube meinen Worten. Bei Artemis, wir haben nicht gelogen." 5

Ende des Prozesses; Leukippe und Melite bestehen die Proben (VIII 8-15,2) § 665 Nach zwei Tagen wird der Prozeß wieder eröffnet. Thersandros entrüstet sich, daß der Angeklagte im weißen Gewand erschienen sei, und wirft dem Priester vor, er habe einen zum Tod Verurteilten aus Fesseln befreit und entgegen dem Urteilsspruch gerettet; statt im Gefängnis habe der Verurteilte im Tempel gewohnt. 6 Wenn das alles erlaubt ist, dann, Gerichtspräsident, „steh auf von deinem Platz und tritt ihn dem Priester ab!"'' 1

Vgl. die kurzen Haare der Isispriesterin aus Tauromenion Abb. 163.

^ σύριγξ heißt (a) Rohrflöte, (b) hohler Gang, Höhle, überdeckte Galerie; die unterirdischen Grabkammern der ägyptischen Könige bei Theben hießen σύριγγες. Im Isiskult ist Syrinx-Querflöte vielleicht ein Bild für „unterirdischer Gang, Grab". Eine todbringende Höhle gab es in Hierapolis in Phrygien unter dem Apollontempel; die giftige Luft tötete selbst durchfliegende Vögel. N u r Geweihte konnten sie betreten, ohne Schaden zu nehmen. Die Neuplatoniker Damaskios und Doros sind hinabgestiegen und unversehrt wieder heraufgekommen (Damaskios, Vita Isidori 131, p. 176 Zintzen; Cassius Dio LXVIII 27,3, p. 216 Boissevain; Plinius, Nat. hist. II 208). 3

Türwunder.

4

Vermutlich wird auf Initiationsprüfungen in unterirdischen Gängen bei einem Isistempel angespielt. Ähnliches beschreibt der Gnostiker Bardesanes von Edessa bei Stobaios I 3,56 (Wachsmuth I 6 6 - 7 0 = Porphyrios, περί Στυγός, fr. 376 p. 4 4 7 Andrew Smith). Auch zu dem Styxwasser in Ach. Tat. VIII 12 findet sich dort eine Parallele, vgl. F. Boll, Philol. 66 (1907) 11-15. 5

VIII 7,5 θάρρει, πάτερ, εφη, περί έμοϋ και πίστευε τοις είρημένοις.

6

Die Kandidaten der Weihe, die „Sich-Enthaltenden" ( ά γ ν ε ύ ο ν τ ε ς s. § 308), wohnten in der Vorbereitungszeit in Nebenräumen des Tempelbezirks. 7 Innerhalb der christlichen Gemeinden wurden Rechtsstreitigkeiten von den Bischöfen geschlichtet, nicht von weltlichen Richtern, und nach dem Sieg der Kirche, im vierten Jahrhundert, fungierten Bischöfe als Richter.

30 Achilleus Tatios

393

Thersandros fährt mit unsinnigen Behauptungen fort und kündigt noch eine dritte Klage an, gegen den Artemispriester, der so ehrbar tue und die Rolle eines Vaters spiele (VIII 8,14 τ ό ν σ ε μ ν ό ν τ ο ύ τ ο ν π α τ ρ ό ς ύποκρίτην). - Hier fällt das Wort „Schauspieler"; wir sind in einer Theaterszene, und die Rede des Thersandros ist vergnügtes rhetorisches Spiel. § 6 6 6 Für Kleitophon spricht der Priester der Artemis. 1 Er ist ein vorzüglicher Redner und setzt seinen Ehrgeiz darein, in Wettbewerb mit der Komödie des Aristophanes zu treten. 2 Im ersten Teil seiner Rede greift er „nach Art der Komödie"-^ die ausschweifende Lebensweise des Thersandros an: Schon in seiner Jugend sei er ein Lustknabe gewesen 4 usw. Die Rede ist voller Zweideutigkeiten. 5 D a n n greift der Priester das Verhalten des Thersandros gegen Kleitophon an. Wie in der Rhetorenschule wendet er die Argumente des Thersandros nun gegen ihn selber. D e m Artemispriester antwortet der Advokat des Thersandros: 6 „Wir haben die Komödie des Priesters gehört; er hat seine Rolle frech und schamlos gespielt", 7 und nach der K o m ö d i e habe er sich wie ein Tragödienschauspieler produziert. 8 § 667 schwören, zu haben, w e n n eine

Thersandros fordert Leukippe auf, ihre Jungfernschaft zu beweisen. Melite soll während der Abwesenheit ihres Mannes keinen Liebesverkehr mit Kleitophon gehabt und zur Probe in die Styxquelle einer nahen H ö h l e treten, deren Wasser aufwallt, Meineidige sie betritt. 9 Wenn Melite diese Probe ablehnt, ist offenbar, daß sie und

1

Er steht, wie vorher Kleinias, in der Rolle, welche Thoth im Prozeß des Horos gegen Seth innehatte.

2

VIII 9,1 την 'Αριστοφάνους έζηλωκώς κωμωδίαν.

3 κωμωδικώς. 4

Im ägyptischen Mythos ist Seth homosexuell, s. S 35.

5

E. Rohde 512,1 hat Anstoß genommen; vgl. auch E. Vilborgs Kommentar zu Achilleus Tatios S. 132/3. - Man kann an diesem Kapitel sehen, wie natürlich dem Achilleus Tatios eine doppelsinnige Ausdrucksweise war. 6 In VIII 10,1 müssen die Wörter 'ιερέα und δεσμώτην ihren Platz tauschen: ό γάρ Θέρσανδρος ö είπε, προς τόν (δεσμώτην) μόνον άπετείνατο, ολίγον άψάμενος δσον έπιψαϋσαι και του κατά τόν (ιερέα) μέρους. Man vergleiche die Ankündigung des Thersandros in VIII 8,14, er werde erst später gegen den Priester sprechen. 7 VIII 10,2 της μέν του ιερέως κωμωδίας . . . ήκούσαμεν, πάντα ασελγώς και άναισχύντως ΰποκριναμένου. 8 VIII 10,4 α δέ μετά τήν κωμφδίαν έτραγώδησεν κτλ. 9 Achilleus erzählt auch einen Mythos von der Entstehung der Styxquelle. Er verwendet das Motiv vom Zorn der Aphrodite gegen ihre spröden Verächter, das auch im Psychemythos und bei Xenophon von Ephesos vorkommt. - Von einer Schwurquelle beim Zeus "Ορκιος berichtet Philostrat, Vita Apollonii I 6; von einer Styxquelle zu Bostra in Arabien Damaskios, Vita Isidori 199 (p. 272/4 Zintzen). Plinius, Nat. hist. XXXI 23 schreibt: Amnis Holcas in Bitbyttia Prietium adluit. . . cuius gurgitem periuri negantur pati velut flammam ardentem. - Der Eidschwur beim Styxwasser stammt literarisch aus Hesiods Theogonie (783ff.). Sowohl mit der Grotte als mit der Styx (vgl. Appui., Met. VI 13-15, auch XI 6,6) sind Unterweltsassoziationen verbunden. - In dem Streit zwischen einem Presbyter Bonifacius und seinem Ankläger hat Augustin erwogen, die beiden Gegner zum Grab des seligen Felix nach Nola zu schicken, also aus Africa nach Italien, damit dort durch die Gnade Gottes offenbar werde, wer von den beiden die Wahrheit und wer die Lüge spreche. Er hat diesen Plan aber nicht ausgeführt. S. Augustins Brief 78,3—4 (p. 334,5336,19 Goldbacher).

394 30 Achilleus Tatios Kleitophon Ehebrecher sind. Der Eid, den Melite schwören soll, ist aber so formuliert, daß sie ihn leisten kann. § 668 Leukippe und Melite bestehen ihre Proben. Leukippe ist in das „heilige G e w a n d " gekleidet: „Ein Chiton aus Leinen, in der Mitte gegürtet, fällt bis zu den F ü ß e n . " 1 Auf dem Kopf trägt sie eine Purpurbinde. Als Leukippe aus der Syrinxhöhle tritt, „jubelte das ganze Volk vor Freude auf" . 2 Die Anklage des Thersandros ist zusammengebrochen. Er entflieht. - So endet auch der Prozeß des H o r o s gegen Seth: „Der Verleumder ist geflohen", Isis „hat die Taten des Schreihalses abgewehrt". 3 Die Menge bricht nochmals in Akklamationen für die Sieger aus. 4

Auch Leukippe berichtet über ihr Leben (VIII 15,2-19,1) § 669 Im Artemistempel findet nochmals ein gemeinsames Mahl statt. Leukippe berichtet in Anwesenheit des Vaters ohne Scheu über die wechselvollen Ereignisse ihres Lebens. 5 - Auch sie legt eine Generalbeichte ab, im Tempel und vor zwei Männern priesterlichen Ranges.

Kalligone und Kallisthenes (VIII 17-19,1 und II 11-18) § 670 Sostratos gibt Nachricht über Kalligone, die Halbschwester des Kleitophon. Sie war von Kallisthenes entführt worden (II 11-18). 6 Das Schicksal des Paares entspricht dem von Kleitophon und Leukippe. Es ist nicht nötig, es im Detail zu referieren; nur eine Stelle sei herausgehoben. Als man noch plante, Kalligone mit Kleitophon zu vermählen, wurde ein purpurnes Brautkleid gefertigt, wie das der Aphrodite(-Astarte-Isis). Hier wird ein Exkurs über die Gewinnung der roten Farbe eingeschoben, die „Mysterien der Purpurschnecke". M a n m u ß die Schale zertrümmern, um das Mittel (II 11,7 φ ά ρ μ α κ ο ν ) zu gewinnen. - Das gilt auch für die Erzählung des Achilleus: N u r wer die äußere Schale zerbricht, wird ihren Mysteriensinn finden und damit das Heilmittel, welches zur Isisweihe führt.

Glückliches Ende (VIII 19,2-3) § 671 Sostratos, Kleitophon und Leukippe fahren nach Byzantion. Dort wird die Hochzeit gefeiert. In Tyros feiern sie dann die Hochzeit von Kallisthenes und Kalligone.

1

VIII 13,1 ποδήρης χίτων, wie bei Andromeda in III 7,5. VIII 14,2 πάς . . . ό δήμος έξεβόησεν ύφ' ηδονής. 3 J. Assmann, Hymnen Nr. 213,141 und 84 (S. 448 und 446; Osirishymnus des Louvre). 4 VIII 14,6 υπό πάντων εϋφημοίιμενοι. 5 VIII 15,3 τον πατέρα μηκέτι αΐδουμένη . . . τά συμβάντα μετά ηδονής διηγεΐτο. ^ Kallisthenes nennt sich selbst einen „Schauspieler der Räuberei" (VIII 17,3 ληστείας υποκριτής). 2

3 0 Achilleus T a t i o s

395

Rückblick auf die drei Stufen der Initiation § 672 Im Roman des Achilleus Tatios sind die drei Stufen der Initiation kenntlich, welche bei Appuleius bezeugt sind: (I) Auf die Flucht des Liebespaares folgen Schiffbruch, Gefangennahme durch Räuber, ritueller Tod der Leukippe durch scheinbare Mumifizierung und Selbstmordversuch des Kleitophon sowie Rettung durch die Nilflut. (II) In Alexandria wird Leukippe von Räubern entführt und scheinbar geköpft, während Kleitophon die Schenkelwunde des Adonis empfängt. (III) In Ephesos wird Kleitophon wegen angeblichen Mordes zum Tod verurteilt; Leukippe besteht die Jungfernprobe, bei der ihr der Tod drohte. So bilden die drei Grade der Isis- und Sarapis-Weihen den Grundriß, über welchem die Handlung des Romans konstruiert ist. Die beiden Lebensbeichten, welche Kleitophon und Leukippe bei Mahlzeiten im Tempel in Gegenwart des Priesters ablegen, zeigen, welchen „Sitz im Leben" diese Berichte hatten und wie aus ihnen die literarische Gattung des Romans erwachsen konnte: Der Inhalt der beiden Berichte ist derselbe wie der des Romans.

31

Die Historia Apollonii Regis Tyri

si parabolarum mearum nodos absolveris .. . Wenn du die Knoten meiner Gleichnisreden lösen kannst. . . Historia Apollonii Kap. 41

Datum und Überlieferung des Textes § 673 Die Überlieferung des Apolloniusromans 1 ist kompliziert. Aus vielen kleinen Spuren folgt, daß es einen griechischen Apollonios-Roman gegeben hat. Aber man wird den lateinischen Apollonius-Roman doch als ein neues, eigenes Werk ansehen, ungefähr wie die Metamorphosen des Appuleius. Dieses Buch ist uns nicht im Original erhalten, sondern nur in zwei verkürzten Bearbeitungen. Aus den Namen der Münzen 2 , welche in der Historia Apollonii vorkommen, folgt, daß das originale lateinische Werk in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. abgefaßt wurde. Für die Abfassungszeit ist noch zu berücksichtigen, daß die Rätsel der Tarsia in Kap. 4 2 / 4 3 aus der Rätselsammlung des Symposius genommen sind, ein weiterer Terminus post quem für die lateinische Bearbeitung. Man datiert Symposius meist in das 4. oder 5. Jahrhundert. Ich nehme an, daß er schon in der ersten Hälfte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts gelebt hat 3 und daß die lateinische Fassung des Apollonius kurz danach verfaßt wurde. Sie ist nicht erhalten.

1 Bahnbrechend war das Buch von E. Klebs, Die Erzählung von Apollonius aus T y r u s (Berlin 1 8 9 9 ) . Vgl. weiter B. E. Perry, T h e Ancient R o m a n c e s 2 9 4 - 3 2 4 und T . Hägg, Eros und T y c h e 1 8 3 - 1 8 9 . Literatur-Übersichten in den Editionen von G. A. A. Kortekaas (Groningen 1 9 8 4 ) und G. Schmeling ( 1 9 8 8 , p. XXIV-XXVIII). Es gibt zwei kurze Papyrusfragmente eines griechischen A p o l l o n i o s r o m a n s . Es ist unsicher, o b sie zur Historia Apollonii gehören. Siehe R . Kussl, Papyrusfragmente griechischer R o m a n e ( 1 9 9 1 ) 1 4 3 - 1 5 9 und A. Stramaglia, Z . P. E. 9 2 ( 1 9 9 2 ) 1 4 3 - 1 4 9 (Pap. Soc. It. II 1 5 1 und Pap. M i l . V o g l i a n o V I 2 6 0 ) ; vgl. M . Gronewald, Gött. Gelehrte Anzeigen 2 4 5 ( 1 9 9 3 ) 1 9 7 - 1 9 8 . 2 Besonders aus der unter K o n s t a n t i n außer G e b r a u c h g e k o m m e n e n „ S e s t e r z " . V g l . E. K l e b s , D i e Erzählung 1 9 1 - 1 9 6 und R . Ziegler, J a h r b u c h für Numismatik und Geldgeschichte 2 7 ( 1 9 7 7 ) 5 7 - 6 1 und C h i r o n 14 ( 1 9 8 4 ) 2 1 9 - 2 3 4 . 3 Für relativ frühe Datierung des Symposius spricht seine tadellose M e t r i k und die T a t s a c h e , d a ß sein B u c h d u r c h w e g heidnisch ist. Andererseits ist der N a m e „ S y m p o s i u s " n a c h der Art der „ S i g n a " (Übernamen, s. § 3 2 0 - 3 2 3 ) gebildet, wie sie erst nach 2 0 0 n. Chr. populär werden. Der Dichter hat die Rätsel zum V o r t r a g beim Symposion an den Saturnalien gedichtet, wie er selbst im einleitenden Gedicht sagt. „Symposius" ist also ein Künstlername; der bürgerliche N a m e des Dichters ist uns nicht bekannt.

31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

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Wir besitzen eine verkürzte Fassung (Epitome), welche ein christlicher Bearbeiter hergestellt hat. Wir bezeichnen sie als RB. Bei solchen Verkürzungen werden leicht Teile der Vorlage weggelassen, die dann für das Verständnis fehlen. Dies hat ein zweiter Bearbeiter empfunden. Er hatte vor sich sowohl die gekürzte Fassung RB als auch den kompletten lateinischen Text. Er hat RB an zahlreichen Stellen aus dem ursprünglichen Text erweitert. Auch diese Fassung ist erhalten; wir bezeichnen sie als RA. Da RA Material aus der kompletten Fassung des Romans enthält, aber auch gegenüber RB gekürzt hat, müssen RB und RA nebeneinander benutzt werden. 1 Es fehlen Anhaltspunkte, wann diese beiden Bearbeiter tätig waren.

Apollonius, Oedipus, Adonis § 674 Der Apollonius-Roman ist die Geschichte einer Familie. 2 Die Erzählung zerfällt in zwei anscheinend kaum zusammenhängende Teile, in die Vorgeschichte von der Liebe des Königs Antiochus zu seiner Tochter und dem vergeblichen Versuch des Apollonius, die Hand dieser Tochter zu erlangen, und die eigentliche Geschichte von Apollonius. Aber die Teile schließen sich zu einem Ganzen, wenn man die von G. A. A. Kortekaas und C. W. Müller entwickelte These zugrundelegt, daß Apollonius eine Geburtskonstellation hatte, nach der eine inzestuöse Verbindung drohte. 3 Dann wird die Geschichte des Apollonius über längere Partien eine Wiederholung des Mythos von Oedipus, aber mit glücklichem Ausgang. Die Bedeutung, welche im Oedipusmythos das delphische Orakel hat, fällt in der Geschichte des Apollonios der Geburtskonstellation zu: Wie die Eltern des Oedipus die Erfüllung des Orakels zu vermeiden suchen und damit herbeiführen, was prophezeit worden war, so will Apollonius den Inzest meiden und hätte ihn dadurch beinahe begangen. Aber in seinem Fall ist die Geburtskonstellation nicht übermächtig: Götter, die über dem Fatum stehen, retten ihn. Der erste christliche Bearbeiter hat fast alle Stellen getilgt, welche sich auf die Bedeutung der Geburtskonstellation bezogen; Astrologie war den Christen unannehmbar. Ein zweites mythisches Vorbild des Apolloniusromans war die Geschichte von Adonis und dem Rätsel, welches seine Geburt umgab. Um dies deutlich zu erkennen, müssen wir die griechischen und lateinischen Überlieferungen von der Geburt des Adonis heranziehen. 4

1 Synoptische Editionen von D. Tsitsikli, Königstein 1981, und G. A. A. Kortekaas, Groningen 1 9 8 4 . In der Editio Teubneriana von G. Schmeling (1988) sind die beiden Fassungen (sowie eine dritte, sekundäre) hintereinander abgedruckt. Für RB und RA s. Z. P. E. 108 (1995) 7 - 1 4 . Ich zitiere den Text nach Tsitsikli und Kortekaas; beide haben eine Zeilenzählung verwendet, in welcher die Zeilen innerhalb eines Kapitels durchgezählt werden. Die Zeilenzahlen fallen oft zusammen. Wenn dies nicht der Fall ist, bedeutet eine Notation 12/13, daß Zeile 12 bei Tsitsikli, Zeile 13 bei Kortekaas gemeint ist. 2 Dies gilt auch für den christlichen Clemens-Roman und den pythagoreischen Roman des Antonios Diogenes „Die Wunder jenseits von Thüle". 3 G. G. A. Kortekaas, Z. P. E. 85 (1991) 7 1 - 8 5 ; C. W. Müller, Würzburger Jahrbücher N . F. 17 (1991) 267-279. 4

Die Nachrichten der griechischen und lateinischen Autoren über die Geburt des Adonis sind in § 74 schon kurz berührt worden; ich muß hier etwas weiter ausholen.

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31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

Rätsel um die Geburt des Adonis § 675 Adonis war nach griechischen und lateinischen Autoren das Kind des Königs Kinyras und seiner Tochter Myrrha. 1 Ovid erzählt: Myrrha war sehr schön, und von allen Seiten strömten die Freier zusammen, 2 aber sie liebte ihren Vater und ersann immer neue Ausflüchte, um die Freier abzuweisen. Zunächst erwägt sie, der Heimat zu entfliehen, um kein Verbrechen zu begehen;·* sie macht sich selbst Vorwürfe, an mehr als töchterliche Küsse zu denken: Ultra autem spedare aliquid potes, impia virgo, nec, quot confundas et iura et nomina, sentis? Tune eris et matris paelex et adultera patrist Tune soror nati genetrixque vocabere fratrisi „Kannst du denn, unfrommes Mädchen, auf etwas über die Küsse hinaus ausgehen, und merkst du nicht, wie du alle rechtlichen Verhältnisse und alle Bezeichnungen durcheinanderbringst? Willst du Konkubine neben deiner Mutter und Ehebrecherin mit dem Vater, Schwester des Sohnes und Mutter des Bruders sein?" (345-349). Diese Paradoxien um die Herkunft des Adonis werden auch nach seiner Geburt noch einmal von Ovid erwähnt: ille sorore / natus avoque suo, „er, der ein Sohn seiner Schwester und seines Großvaters war" (Verse 520-521). Die Leidenschaft der Myrrha für ihren Vater ist aber so groß, daß sie mit Hilfe ihrer Amme in das Schlafgemach des Vaters eingeführt wird und das Bett mit ihm teilt. 4 Nachdem dies mehrfach geschehen ist, läßt Kinyras Licht bringen und ist entsetzt, seine Tochter zu erblicken; er zieht das Schwert, um sie zu töten, aber Myrrha entflieht und irrt neun Monate über Land. Schließlich bekennt sie in einem Monolog ihre Schuld: o si qua patetis numina confessis, memi nec triste recuso supplicium! sed ne violem vivosque superstes mortuaque exstinctos, ambobus pellite regnis mutataeque mihi vitamque necemque negate! „Wenn es Götter gibt, welche die Bitten der Beichtenden erhören: Ich habe einen schlimmen Tod verdient. 5 Aber ich will weder die Lebenden verletzen, indem ich weiterlebe, noch als Tote

1 Ausführlich Ovid, Met. X 2 9 8 - 5 5 2 und 705-739; kürzer Antoninus Liberalis 34; Ps. Apollodor, Bibl. III 183-5; Hyginus, Fab. 58; Ps. Plutarch, Parallel, min. 22 p. 310/1 (Teubner-Edition II 2,25). 2 Ovid, Met. X 315-316 undique lecti / te cupiunt proceres. Antoninus Liberalis 34 ταύτην διά κάλλος πλείστοι και έκ πόλεων πλείστων έμνήστευον. 3 Ovid, Met. Χ 3 4 1 - 3 4 2 patriaeque relinquere fines / dum scelus effugiatn. 4

Vers 4 6 5 lautet: accipit obsceno genitor sua viscera lecto (der Vater nimmt in schlimmem Bett das Kind seiner eigenen Lenden auf). 5

Vgl. schon Vers 378 mors placet.

31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

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die Abgelebten; darum vertreibt mich aus beiden Reichen, verwandelt mich und nehmt mir Leben und Tod gleicherweise" (Verse 483—487). Die Götter erhören Myrrha: Sie wird in einen Baum verwandelt, aus dem die Tränen des Myrrhensaftes hervorquellen; der Stamm des Baumes birst, und geboren wird Adonis. So war die Geburt des Adonis im Mythos umgeben von der Vorstellung über Schuld und Sühne und dem Gefühl des Rätsels, welches die Existenz des Menschen umgibt. Rätsel und Orakelsprüche ranken sich um Adonis. In Athen ist rituelles Rätsel-Lösen für das Adonisfest bezeugt, s. $ 75.

Die Liebe des Königs Antiochus zu seiner Tochter (Kap. 1-3) § 676 In Antiochia wohnte König Antiochus mit seiner schönen Tochter, „an der die Natur in nichts gefehlt hatte, außer daß sie sterblich war". Der Vater begehrte die Tochter 1 und tat ihr Gewalt an. Das Mädchen wollte sterben; 2 die Amme hinderte sie. Der Vater setzte das sündige Liebesverhältnis fort. Zwar kamen viele Freier, aber um die Tochter nicht zu verlieren, gab Antiochus ihnen ein Rätsel auf. Wer es löste, sollte die Tochter zur Ehe erhalten; wer die Lösung nicht fand, mußte sterben. Viele Freier verloren ihr Leben. Endlich kam Apollonius von Tyrus. Auch ihm gab Antiochus das Rätsel auf; Apollonius erkannte, daß es sich auf den Liebesbund von Vater und Tochter bezog. Antiochus ergrimmte, leugnete und setzte eine Frist von 30 Tagen, binnen deren Apollonius wiederkommen und eine bessere Lösung vorschlagen solle; wenn er keine finde, werde auch er enthauptet werden. Apollonius flieht aus Phönizien und Kilikien, den Ländern, über die Antiochus herrscht. Das Liebesverhältnis des Antiochus zu seiner Tochter ähnelt dem der Eltern des Adonis. Es fehlt ein Sohn des Antiochus, welcher Adonis entsprechen würde. Dieser Sohn dürfte ursprünglich Apollonius gewesen sein, denn nach dem Tod des Antiochus soll Apollonius ihm als König nachfolgen, und Apollonius nennt selbst das Reich des Antiochus „mein väterliches Reich".-' So wie bei Achilleus Tatios und Xenophon eine Beziehung des Romanhelden zu Eros-HarpokratesHoros besteht, besteht in der Historia Apollonii ein Zusammenhang des Helden mit Adonis; über die engen Beziehungen zwischen Adonis und Osiris s. Kap. 3.

Das Rätsel (Kap. 4) § 677 Die Ähnlichkeit der Geschichte von Antiochus und Apollonius zum Adonismythos ist evident: Weil sie aus dem Inzest geboren sind, hängt über ihrer Geburt ein Rätsel. Das Rätsel, welches Antiochus den Freiern aufgibt, spielt hierauf an. Dieses Rätsel lautet in den zwei Fassungen des Romans verschieden, 4 und es ist unklar, wie der echte Wortlaut war. Ich kann das Problem nicht lösen, aber wir müssen es besprechen. Antiochus sagt zu Apollonius, der um die Hand seiner Tochter anhält:

1 Während im Adonismythos die Tochter der aktive Teil ist. 2

Kap. 2(RA),12/13 mortis remedium

mihi placet, fast dieselben Worte wie bei Ovid Vers 378.

3

Kap. 48(RB),27/34 patrium regnum. Hier ist trotz der Epitomierung und dem Versuch, die Peinlichkeiten möglichst zu eliminieren, die ursprüngliche Fassung stehen geblieben. 4

Die jeweils erstgenannte Variante steht in RA, die in Klammern stehende in RB.

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3 1 Die Historia Apollonii Regis Tyri

So höre mein Rätsel: Audi ergo quaestionem: Ich fahre einher im Frevel, scelere vehor, (a) ich labe mich am Fleisch der Mutter, materna carne vescor, (b) (ich gebrauche . . . ) (Variante utor) ich suche meinen Bruder, quaero fratrem meum, (c) den Mann meiner Mutter, meae matris virum, (d) (den Sohn . . . ) (Variante filium) den Sohn meiner Frau, uxoris meae filium, (den Mann . . . ) (Variante virum) non invenioA und kann ihn nicht finden. Apollonius bedenkt sich und antwortet: Proposuisti mihi quaestionem, Du hast mir ein Rätsel aufgegeben, audi ergo solutionem: so höre die Lösung: (a) quod dixisti: Wenn du sagst: scelere vehor, Ich fahre einher im Frevel, non es mentitus: so lügst du nicht: Te respice. Blick auf dich selbst. (b) Et quod dixisti: Und wenn du sagst: materna carne vescor, Ich labe mich am Fleisch der Mutter, nec et hoc mentitus es: so lügst du auch darin nicht: Filiam tuam intuere. Blick auf deine Tochter. Die Antwort auf die Fragen (c) - (e) fehlt in beiden Fassungen. Zu (a) scelere vehor, „ich fahre einher im Frevel": Dies sagt Antiochus, und auf ihn bezieht Apollonius das Rätsel. Zu (b) materna carne vescor, „ich labe mich am Fleisch der Mutter": Nach Apollonius bezieht sich dies darauf, daß Antiochus sich an der Tochter, dem Fleisch ihrer Mutter, labt. Auch diese Frage wird von Antiochus gestellt. Zu (c) quaero fratrem meum, „ich suche meinen Bruder": So konnte Myrrha sprechen, als Mutter des Adonis, der ja (als Sohn ihres Vaters Kinyras) auch ihr Bruder ist; und ebenso kann die Tochter und Gemahlin des Antiochus sprechen, wenn Apollonius ihr Sohn ist. Um Worte des Antiochus kann es sich nicht handeln; er ist Großvater und Vater des Apollonius, aber nicht Bruder. Zu (d) (quaero) meae matris virum: Diese Frage nach einer männlichen Person, die zur Mutter gehört, kann nur die Tochter des Antiochus stellen. Man würde freilich erwarten, daß nach 1 Eine griechische Fassung des Rätsels aus byzantinischer Zeit hat H . Hepding in einer pergamenischen Inschrift ( A t h e n . M i t t . 3 5 , 1 9 1 0 , 4 8 9 N r . 9 0 c ) gefunden, welche nach H . Maehler (bei Kortekaas 2 4 4 / 5 , Anm. 6 2 3 ) so zu rekonstruieren ist: ά π ώ λ ε ( σ ) ά μου τον άδελφό(ν), [τον α ] ν δ ρ α τις μιτρός μου, [τον υ]1όν τις γυνεκ[ός] [τούτον] ζιτών [ούχ εΰ]ρον. W e n n man in Zeile 3 schreiben dürfte [τον γ α μ β ] ρ ό ν τις γυνεκ[ός], wobei γ α μ β ρ ό ς „Schwiegersohn" bedeuten würde, dann würde die Rätselfrage von der Tochter des Antiochus gestellt: Ihr Bruder wäre Apollonius (Sohn desselben Vaters), der Gatte ihrer Mutter wäre Antiochus, und der Schwiegersohn ihrer Mutter wieder Antiochus (als Gatte der Tochter).

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dem Schwiegersohn (. . . generum) gefragt wird, und die Antwort wäre dann: Ehemann und Schwiegersohn sind derselbe, Antiochus. Zu (e) (quaero) uxoris meae filium: Dies wäre wieder eine Frage des Vaters Antiochus, und die Lösung wäre: Der Sohn meiner Gattin - womit die Tochter gemeint wäre - ist Apollonius. M a n kann erwägen, daß zweierlei Rätselfragen vorliegen: (a-b) und (e) Fragen des Antiochus und (c-d) Fragen der Mutter des Apollonius. In den Fragen des Antiochus würden die drei beteiligten Personen bezeichnet: Die Antwort auf Frage (a) ist Antiochus, auf Frage (b) die Tochter, auf Frage (e) Apollonius. In einer hypothetischen anderen Fassung des Rätsels dürfte die Mutter des Apollonius in ähnlicher Weise Fragen nach den drei Personen gestellt haben. Vermutlich wurden ihre Fragen als Varianten am Rand eines Texts verzeichnet, und zwei von ihnen sind dann in den Text eingeschoben worden.

Apollonius flieht und wird gesucht; er befreit Tarsus von einer Hungersnot (Kap. 5-10) § 678 Apollonius kehrt nach Tyrus zurück und studiert Bücher der Philosophen und Chaldäer; 1 er erkennt, daß seine Lösung des Rätsels richtig ist und daß Antiochus ihn verfolgen und umbringen lassen will. - Mit dem Studium der chaldäischen Bücher m u ß gemeint sein, daß Apollonius seine eigene Geburtskonstellation (genesis) studiert und herausgefunden hat, daß er in Gefahr steht, seine eigene Mutter zu heiraten. Antiochus schickt einen seiner Leute aus, um Apollonius zu verfolgen und zu töten. Dieser ist heimlich abgereist; er hat eine große Ladung Getreide mitgenommen, und auch Gold und Silber. Die Bürger von Tyrus wollen Apollonius begrüßen. Als sie ihn nicht finden, „entsteht Schrecken, gewaltiges Klagen ertönt in der ganzen Stadt; denn die Bürger liebten ihn so sehr, daß die Friseure lange Zeit hindurch nicht mehr arbeiten durften, daß alle Schaustellungen verboten wurden, daß die Bäder geschlossen wurden. (Überall) wird Apollonius gesucht, auf dem flachen Land, in den Bergen, in den Wäldern, überall wird ihm nachgespürt, und er wurde nicht gefunden." 2 Es herrscht Landestrauer; man läßt die Bärte wachsen, es gibt keine Vergnügungen, man darf sich nicht waschen; überall wird der Verschwundene gesucht. 3 - Apollonius wird gesucht und geehrt wie der verschwundene Gott, wie Adonis. § 679 Apollonius landet in Tarsus, wo Hungersnot herrscht, und verteilt das mitgebrachte Getreide. Die Bürger danken ihm mit Akklamationen und errichten ihm wegen seiner Freige1

C h a l d ä e r sind Astrologen. Hier setzen die Studien von Müller u n d K o r t e k a a s an.

2

K a p . 7 , 1 - 5 u n d 7 , 2 2 - 2 4 / 2 4 - 2 6 Alia vero die in civitate sua quaeritur a civibus suis ad salutandum et non inventus est. fit tremor, sonat planctus ingens per totam civitatem. tantus namque amor civium suorum erga eum erat, ut per multa tempora tonsores privarentur a publico, spectacula tollerentur, balnea clauderentur . . . quaeritur Apollonius per terras per montes per silvas per universas indagines, et non inveniebatur. 3

Dieses Suchen ist belegt n a c h dem Verschwinden der Inanna-Ischtar, der Kore-Persephone und des Adonis (s. Kap. 3).

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bigkeit 1 eine Ehrenstatue, welche Apollonius darstellt mit Früchten in der Hand und einem Getreidescheffel 2 unter seinem linken Fuß. Von einer ähnlichen Episode berichtet Diodor I 29: Zur Zeit einer Hungersnot sei der Ägypter Erechtheus mit einer großen Ladung Getreide nach Athen gekommen; zum Dank hätten ihn die Athener als Wohltäter (ευεργέτης) geehrt und zum König gemacht. Erechtheus habe die eleusinischen Mysterien eingeführt. Vgl. § 111 und 414. Apollonius erfährt in Tarsus, daß Antiochus ihn verfolgt und auf seinen Kopf einen hohen Preis ausgesetzt hat. Er entschließt sich, nach Kyrene weiterzufahren.

Schiffbruch und Rettung nach Kyrene; Apollonius heiratet die Königstochter (Kap. 11-23) § 680 Das Schiff geht im Sturm unter. 3 Apollonius rettet sich allein auf einer Planke bei Kyrene ans Ufer. 4 Ein alter Fischer nimmt ihn freundlich auf. Er zerschneidet seinen einfachen Mantel und bekleidet mit der Hälfte den Nackten. 5 § 681 Der Fischer weist Apollonius den Weg in die Stadt. Im Gymnasium spielt gerade der alte König. Apollonius fängt seinen Ball auf und wirft ihn zurück. Der König wirft ihm den Ball immer wieder zu; alle staunen über die Geschicklichkeit des Apollonius beim Spiel. Dann massiert er den König so kundig, daß er wieder zum Jüngling wird. Der König lädt Apollonius zum Mahl. 6 Seine Tochter Archistratis fragt Apollonius nach Namen und Geschick. Apollonius erzählt sein Leben. 7 Dann gibt man ihm ein Prachtgewand. Er betritt den Saal, die Leier in der Hand. N u n glauben die Gäste, nicht Apollonius, sondern Apollon vor sich zu sehen. 8 - Vergleiche mit einem Gott sind uns schon oft begegnet. Apollonius tritt noch als Rezitator berühmter Partien aus Tragödie und Komödie auf, und alle bezeugen, so etwas noch nie gehört oder gesehen zu haben. Er unterrichtet Archistratis in Musik. Sie verliebt sich in den schönen Gast und wählt ihn zur Ehe. Unter freudiger Anteilnahme der Bürger richtet man die Hochzeit aus. Die Gatten lieben sich in wunderbarer Weise. 9 Bald erwartet Archistratis ein Kind.

1

Kap. 10(RB),16

2

Der Getreidescheffel ist Attribut des Sarapis.

3

Dem Schiffbruch entspricht im Ritual das Tauchbad.

liberalitate.

4

In Kyrene sind zwei Isisheiligtümer ausgegraben worden, s. R. A. Wild, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II 17,4 (1984) 1 7 7 0 - 1 7 7 5 ; die Inschriften bei L. Vidman 8 0 3 - 8 0 8 , dazu M . Totti, Texte Nr. 4. Literarisches Vorbild ist die Phäakenepisode der Odyssee. 5

Vgl. die Bekleidung des nackten Lucius bei Appuleius XI 14. Der Fischer ist Isisdiener.

6

Das Mahl kann rituelle Bedeutung haben.

7

Kap. 16(RA),1 Apollonius

. . . universos

casus suos

exposuit.

® Kap. 16(RA),25/26 ut discumbentes non Apollonium, sed Apollinem existimarent. 18(RA),2 credit genus esse deorum. Für den Kranz vgl. Appuleius XI 24,4; Theon von Smyrna p. 15 Hiller = 2 2 Dupuis (in § 5 2 0 zitiert). 9

Kap. 23(RA),15/6 ingens amor fit inter

coniuges.

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Apollonius und seine Gattin fahren zur See; bei der Geburt der Tochter stirbt Archistratis; sie wird in Ephesos durch einen Arzt wiederbelebt (Kap. 24-27) § 6 8 2 König Antiochus u n d seine Tochter sind gestorben. Das Königreich wird f ü r Apollonius b e w a h r t . 1 Apollonius f ä h r t nach Antiochia, um die E r b s c h a f t a n z u t r e t e n . O b w o h l im sechsten M o n a t schwanger, begleitet Archistratis ihn. Widrige Winde hemmen die Fahrt. N a c h einem M o n a t auf hoher See gebiert Archistratis eine Tochter. Aber ihr Atem bleibt stehen; sie sieht aus wie tot.^ Apollonius zerreißt seine Kleider, w i r f t sich über den Leichnam 3 u n d klagt. Der Steuermann des Schiffes f o r d e r t , die Leiche über Bord zu w e r f e n . Apollonius läßt einen Sarg anfertigen u n d sorgfältig abdichten. Er gibt der T o t e n einen letzten Kuß u n d weint; 4 d a n n wird der Sarg aufs Meer herabgelassen. Er treibt auf dem Meer dahin und landet in Ephesos.· 5 § 6 8 3 Ein Arzt findet den Sarg a m Strand bei Ephesos. Er will die Leiche verbrennen und bestatten. Aber sein Schüler, der die Tote mit Ol salben soll, bemerkt, d a ß sie w a r m ist. Er befühlt die Adern, merkt, d a ß die Nase atmet, „probiert die Lippen mit seinen Lippen, f ü h l t einen leisen H a u c h und daß das Leben mit dem Tode k ä m p f t " . 6 Er trägt sie ins H a u s , legt sie auf sein Bett und belebt sie. „Als die Adern geöffnet waren, öffnete sie die Augen, erhielt den Atem wieder, den sie schon fast verloren hatte, und sprach leise und stockend: .Bitte berühre mich nicht anders, als es sich geziemt!'" 7 - An Archistratis wird das Zeremoniell der Augenu n d M u n d ö f f n u n g zelebriert, welches an den T o t e n bei der M u m i f i z i e r u n g v o r g e n o m m e n wurde. Die Augenöffnung ist auf dem Sarkophag von Ravenna abgebildet (Abb. 222). Im M y t h o s sind Osiris nicht nur Augen und M u n d geöffnet, sondern ist a u c h sein Phallos wieder erweckt w o r d e n . Diese mythische Liebesumarmung wird angedeutet. 8 Deutlich sind die W o r t e labia labiis probat („er versucht mit den Lippen die Lippen"), die Szene im Schlafzimmer u n d die Bitte der wieder zu sich g e k o m m e n e n jungen Frau. Die H a n d l u n g des M y t h o s ist in zwei Szenen geteilt: Apollonius beklagt die Tote, wirft sich über ihren Leichnam u n d k ü ß t ihn; der junge Arzt setzt den Ritus fort: Er beugt sich über die Tote wie Apollonius, k ü ß t und belebt sie. Die Rollen von Isis und Osiris sind vertauscht: Archistratis spielt den Part des toten Osiris, ihr Sarg wird ins Meer hinabgelassen, sie ist rituell e r t r u n k e n und wird in Ephesos wiederge1 Kap. 24(RA),15 opes . . . ei regnum eins servantur regi Apollonio. Dies ist nur verständlich, wenn Apollonius Sohn des Antiochus ist. 2 Kap. 25(RB),10/13 defunctae repraesentavit effigiem. 3

Kap. 25(RA),16/17 ìactavit se super corpus. Kap. 25(RA),31/33 dedit postremo osculum funeri, effudit super eam lacrimas. ·* Wieder das Sargritual. Im Mythos treibt der Sarg des Osiris zur Nilmündung und über das Meer nach Byblos, s. § 12. 6 Kap. 26(RB),26/29 per artifices officiosae manus tactus praecordia sensit, temptat tepidum corpus et obstupuit. palpat indicia venarum, rimatur auras narium; labia labiis probat, sentit spiramentum gracile, luctantem vitam cum morte. 7 Kap. 27(RA),6 sanguis vero tile, qui intus a perfrictione coagulatus fuerat, accepto tepore liquefactus est, coepitque spiritus praeclusus per medullas descendere, venis itaque patefactis aperuit puella oculos et recipiens spiritum, quem iam perdiderat, leni et balbutienti sermone ait: „Deprecar itaque, medice, ne me contingas aliter quam oportet contingere. " 4

8

Dies hat schon K. Kerényi 37ff. erkannt. Vgl. § 24.

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funden. Dort wird der Sarg geöffnet und die Tote wiederbelebt. Auch die Frauen wurden nach dem Tod durch die Mumifizierung zu Osiris. Im Sarg der Archistratis war Geld gewesen; der Schüler erhält es als Lohn. - Die Gebühr für die Isisweihe (Appuleius XI 28). Archistratis erhält Speisen, und der alte Arzt adoptiert sie als seine Tochter. 1 Sie wird Priesterin im Tempel der Diana. - Der alte Arzt vertritt den Priester, der junge den Mystagogen. -

Apollonius läßt seine Tochter in Tarsus und reist nach Ägypten (Kap. 28) § 684 Das Schiff des Apollonius landet in Tarsus. Er nennt die neugeborene Tochter Tarsia und läßt sie mit der Amme in der Obhut des Ehepaars Stranguillio und Dionysias, seiner Gastfreunde aus früherer Zeit. Er schwört, Bart, Haare und Nägel nicht vor der Hochzeit seiner Tochter zu scheren, und begibt sich auf eine lange Reise nach Ägypten. Daß Apollonius sein kleines Kind verläßt, wird begreiflich durch die Hypothese, daß die Stellung der Sterne bei der Geburt des Apollonius anzeigte: „Dieser Mensch wird in Gefahr sein, Inzest zu begehen." Im ursprünglichen Roman wird Apollonius seine Abreise mit einem Gebet an die Götter begleitet haben, ihn aus dem Zwang des Schicksals zu befreien, so daß der Inzest vermieden werde. Apollonius läßt Bart, Haare und Nägel wachsen aus Trauer über den Tod seiner Gemahlin; 2 er will die Trauer erst ablegen, wenn er seine Tochter verheiratet hat 3 (womit auch die Inzestgefahr gebannt wäre).

Seeräuber retten Tarsia vor dem Tod (Kap. 29-32) § 685 Tarsia wächst auf und erfährt von der Amme ihre königliche Abkunft. 4 Als die Amme stirbt, errichtet Tarsia ihr ein Grabmal am Meer. Dort opfert sie regelmäßig Totenopfer und ruft die Seelen ihrer Eltern an. Als ihre Pflegemutter Dionysias an einem Festtag mit Tarsia und ihrer eigenen Tochter ausgeht, erscheint Tarsia allen Bürgern wie ein Wunder. Die Tochter der Dionysias beachtet keiner. D a r ü b e r erzürnt Dionysias, und da sie glaubt, Apollonius sei längst auf dem Meer umgekommen, 5 beschließt sie, Tarsia töten zu lassen und sich ihren Schmuck und ihr Vermögen anzueignen. Ein Sklave wird beauftragt, Tarsia zu ermorden. Er versteckt sich beim Grabmal der Amme. Als Tarsia kommt, um das Totenopfer zu bringen, springt er hervor, packt sie bei 1

Kap. 27(RA),22 in filiam suam sibi adoptavit.

Auch die Speise gehört zum Ritual.

2

Ähnliche Trauerriten sind weltweit bezeugt; viele Belege bei K. Meuli, Ges. Sehr. I 3 3 3 - 3 5 1 („Entstehung und Sinn der Trauersitten"). Schon in Kap. 7 der Historia Apollonii hat die ganze Stadt Tyros nach dem Verschwinden (der Flucht) des Apollonius getrauert. 3 Kap. 4 5 ( R B ) , 2 1 votum feci non deposìturum me luctum, nisi filiam meam nuptum tradidero. 46(RA),11 deposito omni squalore luctus. Er betrauert den Tod der Gattin 14 Jahre lang in Ägypten, s. 48(RB),32/41 in Aegypti partibus luxi quattuordeeim annis uxorem. 4 Die Amme spricht als Mystagoge, der dem Initianden seine göttliche oder königliche Abkunft enthüllt. 5

Kap. 31(RA),11 mortuus

est aut in pelago periit, Anspielung auf den Wassertod des Osiris.

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den Haaren, wirft sie zu Boden und will sie erstechen. Das Mädchen bittet, vorher noch „Gott" anrufen zu dürfen. 1 Als Tarsia betet, kommen Seeräuber und verjagen den Sklaven: „Dieses Mädchen ist unsere Beute, nicht dein Opfer." 2 Die Räuber fesseln Tarsia und fahren mit ihr ab; so wird sie aus dem Tod geraubt. 3 - Wer ist der Gott, den Tarsia anruft und dem sie ihre Rettung verdankt? Unser christianisierter Text nennt den Namen nicht. Man denkt an DianaIsis oder Sarapis-Helios. Der Sklave meldet Dionysias, er habe Tarsia getötet. Neben dem Grab der Amme errichtet man einen Gedenkstein mit ihrem Namen. 4

Tarsia im Bordell Geschichtenerzählerin (Kap. 3 3 - 3 6 ) § 6 8 6 Nun kommt eine Folge scherzhafter Szenen. Sie stehen für vergnügte Kultspiele der Isismysten, kleine Komödien, bei denen die Teilnehmer wußten, daß alles gut ausgehen würde. Die Seeräuber bieten Tarsia in Mytilene 5 auf dem Sklavenmarkt an. Der vornehme Athenagoras sieht, daß Tarsia aus gutem Hause stammt, und will sie freikaufen. Aber ein Kuppler will sie für sich. Athenagoras bietet 10 Sesterzen, der Kuppler 20; Athenagoras 30, der Kuppler 4 0 usw. Als Athenagoras bei 90 Sesterzen angekommen ist, bietet der Kuppler 100 und erklärt, er werde auf jeden Fall immer 10 Sesterzen mehr bieten. Athenagoras resigniert und plant, dann die erste Nacht mit dem Mädchen zu kaufen. - Athenagoras wird später Gatte der Tarsia, fällt aber hier mehrmals aus der Rolle, indem er zunächst das Mädchen nicht mehr freikaufen, sondern genießen will, und sich auch nachher wie ein Komödiant benimmt. Der Kuppler führt Tarsia in das Bordell. Tarsia fällt ihm flehend zu Füßen; der Kuppler gebietet: „Steh auf, Unglückliche. Er läßt ein Schild fertigen, auf welchem der Öffentlichkeit mitgeteilt wird: Wer als erster Zutritt zu Tarsia haben wolle, müsse ein halbes Pfund Gold (dimidiam auri librarti) zahlen; für alle späteren Freier sei der Preis eine Goldmünze (aureus). § 6 8 7 Tarsia wird unter Begleitung einer Menge und mit Musik ins Bordell geführt. 7 Athenagoras ist als erster zur Stelle und betritt „verhüllten Hauptes" 8 das Freudenhaus. Tarsia schließt die Tür. 9 Athenagoras setzt sich auf das Bett; sie fällt ihm zu Füßen: „Höre das Un-

1 2

Kap. 31 (RA),39/41 testari dominum-, in (RB),26/36 deum ... testati. Kap. 32(RA),4 haec ettim nostra praeda est et non tua victima.

3

Kap. 32(RA),8 puellam

4

Nach Plutarch, De Iside 18 hat Isis in Ägypten eine ganze Anzahl leerer Osirisgräber errichtet.

raptam a morte. Eine Theaterszene, wie sie im Kult gespielt wurde.

5 In Lesbos gab es - wie in allen Häfen der Aegaeis - einen Kult der Isis, s. Vidman 2 5 8 - 2 6 2 (Mytilene und Methymna); F. Dunant, Le culte d'Isis III 9 7 - 9 9 . - Es gibt eine Münze aus Mytilene mit dem Bild des Sarapis und der Isis-Tyche aus der Zeit des Valerian und Gallienus: Brit. Mus. Cat. of the Greek Coins of Troas, Aeolis and Lesbos (von W . Wroth, London 1894) S. 2 0 3 Nr. 185 mit Tafel 40,9. 6

Kap. 33(RA),24/25 alleva te, misera. - Alles ist gespielt zu denken.

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Kap. 34(RA),1 antecedente turba cum symphoniacis ducitur ad lupanar. Kap. 34(RA),2 velato capite, wie ein Myste. Kap. 34(RB),3 paella ex industria ostium clausit.

8 9

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glück eines unglücklichen M ä d c h e n s und wer meine Eltern s i n d . " 1 Sie erzählt ihr S c h i c k s a l . 2 Erstaunt und voller Mitleid spricht Athenagoras: „Steh a u f . " 3 Er hat eine kleine T o c h t e r und stellt sich vor, daß auch sie in ähnliches Unglück geraten k ö n n t e . 4 Er gibt T a r s i a 4 0 Goldstücke (das halbe Pfund) und verläßt den R a u m . D r a u ß e n erwartet ihn der nächste Freier: „ W i e w a r es mit der N o v i z i n ? " Er a n t w o r t e t : „ E s hätte nicht besser sein k ö n n e n ; es ging bis zu T r ä n e n . " 5 D e r zweite tritt bei T a r s i a ein; sie schließt die T ü r . A t h e n a g o r a s spioniert von a u ß e n . D e r Freier fragt T a r s i a : „ W i e v i e l h a t Athenagoras dir b e z a h l t ? " Sie sagt es. D e r neue Gast entrüstet sich über die Knauserigkeit des A t h e n a g o r a s , der ja so reich sei; „damit du siehst, daß ich besser bin: H i e r hast du ein ganzes Pfund G o l d . " D r a u ß e n k o m m e n t i e r t A t h e n a g o r a s : „ J e mehr du gibst, um so m e h r wirst du nachher k l a g e n . T a r s i a nimmt das Geld, fällt dem Freier zu F ü ß e n und erzählt a u c h ihm ihr Schicksal. 7 Er läßt sich erweichen und verzichtet: „Steh auf, H e r r i n . " 8 Er geht aus dem Z i m mer; der draußen stehende Athenagoras lacht ihn aus. Sie verabreden, niemandem zu erzählen, wie es ihnen ergangen ist, und zuzuschauen, welchen Erfolg die N a c h f o l g e n d e n h a b e n würden. „ W a s soll ich mehr e r z ä h l e n ? " , fragt der Autor; „ w ä h r e n d die beiden durch ein verborgenes L o c h in der W a n d zusahen, gaben alle, die eingetreten waren, ein G o l d s t ü c k und gingen weinend wieder f o r t . " 9 - Hier ist wohl eine Theaterszene in eine Erzählung umgesetzt. Die W e c h selreden der beteiligten Personen werden fast w ö r t l i c h so wiedergegeben, wie sie in einem R o l l e n b u c h für Schauspieler stehen k ö n n t e n . Die A n o r d n u n g der Szene - innen T a r s i a mit einem Freier, außen die spionierenden Z u s c h a u e r mit ihren N e b e n b e m e r k u n g e n - ist von derselben Art, wie sie ein Zuschauer im Theater vor sich h a t . 1 0 T a r s i a liefert ihre E i n n a h m e n dem Kuppler ab. D e r nächste T a g verläuft in gleicher W e i s e ; als sie das Geld abgibt, sagt sie dem Kuppler, daß sie n o c h immer J u n g f r a u ist. Dieser ergrimmt und befiehlt einem Bediensteten, das M ä d c h e n zu entjungfern. D e r führt T a r s i a in sein eigenes Schlafgemach und m ö c h t e wissen, wie sie es angestellt h a b e , so viel Geld zu verdienen und doch n o c h Jungfrau zu sein. Sie antwortet: „ D u r c h meine T r ä n e n ; ich habe ihnen allen mein Schicksal erzählt, und sie haben mich bedauert und hatten E r b a r m e n

1

Kap. 34(RB),6/7 casus infelicissimae virginis audi et natalium meorum

originem.

Kap. 34(RA),7/8 cui cum universos casus suos exposuisset. Ein Lebensbericht, wie er von dem Initianden erwartet wurde. 2

3

Kap. 34(RA),9/10 erige te.

^ Auf der Ebene der Mysterien ist Athenagoras der Pater der Tarsia. 5 Gemeint sind nicht nur die Tränen der Tarsia, sondern auch die des Athenagoras, der sein Geld umsonst ausgegeben hat.

^ Es wird also ohne weiteres vorausgesetzt, dai? der neue Gast die Leistung nicht erhalten wird, für welche er bezahlt hat. Wenn es sich um ein Spiel der Isis-Mysten handelte, dann ist diese Voraussetzung selbstverständlich, anders nicht. 7

Kap. 34(RA),26/29 pueila . . . similiter casus suos exposuit.

8

Kap. 34(RA),28/30 Alleva te, domina.

9 Kap. 35(RA),4 Quid plura? Ulis exspectantibus per occultum aspectum, omnes, quicumque dantes singulos áureos plorantes abscedebant.

inibant

1 0 Das Geld, welches die Mitspielenden der Initiandin ohne Gegenleistung geben, könnte mit dem Beitrag verglichen werden, welchen die Freunde des Lucius ihm vor der Initiation bringen (Appuleius, Met. X I 1 8 , s. § 502).

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und haben meine Jungfernschaft geschont." 1 Sie erzählt auch ihm ihr Schicksal, und auch er bemitleidet sie.2 § 688 Tarsia schlägt dem Kuppler vor, man möge sie nicht als Hure, sondern als Geschichtenerzählerin und Musikantin auftreten lassen: „,Ich kann mir damit helfen, daß ich in den freien Künsten ausgebildet bin: Ich habe eine ausgezeichnete Erziehung genossen. Laß morgen Schemel auf einem volkreichen Platz aufbauen, dann werde ich durch die Beredsamkeit meiner Sprache ein Schauspiel darbieten; danach werde ich die Harfe schlagen und mit dieser Kunst die Einkünfte täglich mehren.' So geschieht es, und ein solcher Beifall des Volkes entstand und eine solche Liebe der Bürger zu ihr, daß Männer und Frauen ihr täglich viel schenkten. Aber Athenagoras, der erste Mann der Stadt, behütete Tarsia, die man wegen ihrer Jungfräulichkeit und ihres edlen Sinnes rühmte, als sei sie seine eigene Tochter." 3 In der zweiten Rezension des Romans wird Tarsia auch als Rätselstellerin und -löserin berühmt: Ingenio quaestiones sibi promebat et solvebat, „in ihrer Klugheit legte sie sich Rätsel vor und löste sie" (Kap. 36[RB],8/9). Tarsia ist zu einer Geschichten-Erzählerin, Sängerin und Rätselfrau geworden, in der antiken Terminologie zu einer Aretalogin.

Apollonius kehrt aus Ägypten zurück. Athenagoras will ihn trösten (Kap. 37-40) § 689 Apollonius kommt nach 14 Jahren aus Ägypten zurück, um seine Tochter in Tarsos abzuholen. „Er enthüllt das Haupt, entfernt den struppigen Bart und macht die Stirn vom Haar frei." 4 Man sagt ihm, daß Tarsia gestorben sei; die Ziehmutter gibt Apollonius den Schmuck zurück, welchen sie seinerzeit empfangen hatte, und behauptet: „Wenn die Geburtskonstellation (genesis) es erlaubt hätte, würden wir dir ebenso auch deine Tochter zurückgeben" (Kap. 38[RA],2). Apollonius tritt an das Grabmal. Aber seine Augen bleiben trocken: „O ihr grausamen Augen, ihr seht die Grabschrift meiner Tochter und könnt keine Tränen vergießen - ich glaube, meine Tochter lebt." 5

1 K a p . 3 5 ( R A ) , 2 0 / 2 1 lacrimis sunt virginitatis meae.

meis, exponens

ad omnes universos

casus meos; et Uli dolentes

miserti

2 K a p . 3 5 ( R A ) , 2 3 / 2 4 cumque ei universos casus suos exposuisset, motus misericordia etc. Mitleid ist eine T u g e n d , welche Isis die M e n s c h e n gelehrt h a t (Selbstoffenbarung Zeile 36 ε γ ώ ί κ έ τ α ς έ λ ε α ν έ ν ο μ ο -

θέτησα). 3 K a p . 36(RA) „Habeo auxilium studiorum liberalium, perfecte erudita sum; similiter et lyrae pulsu modulanter inludo, iube crastina die in frequenti loco poni scamna, et facundia sermonis mei spectaculum praebeo; deinde plectro modulabor et hac arte ampliabo pecunias cotidie. " quod cum fecisset vilicus, tanta populi acclamatio tantusque amor civitatis circa eam excrebuit, ut et viri et feminae cotidie ei multa conferrent. Atbenagora autem princeps memoratam Tarsiam integrae virginitatis et generositatis ita eam custodiebat ac si unicam suam filiam. 4

Kap. 37(RB), 14/16 revelat caput, bispidam

5

Kap. 38(RA),14/15. Vgl. die ähnliche Szene bei Achilleus T a t i o s VII 6,2 (§ 6 5 6 ) .

ab ore removet

barbam et aperit comam

fronte.

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Er begibt sich in den verdeckten Raum im Inneren seines Schiffes, um zu sterben: „Ich will meinen Atem über den Wogen aushauchen, da ich auf der Erde das Licht (= mein Kind) nicht habe sehen können." 1 Das Schiff fährt ab, in Richtung auf Tyros; aber ein Sturm treibt es nach Mytilene. Dort wird ein Fest gefeiert. „Der Steuermann mit allen Matrosen jubelte. Apollonius sprach: ,Was für ein Klang der Freude dringt an meine Ohren?' Der Steuermann antwortet: ,Freue dich, Herr, heute ist das Fest des N e p t u n " < 2 Apollonius erlaubt der Mannschaft mitzufeiern; er selbst bleibt im dunklen Bauch des Schiffes und will das Licht nicht sehen. § 690 Athenagoras bemerkt am Hafen das schöne Schiff und erkundigt sich nach dem Eigner. Die Matrosen antworten: „Er will sterben. Er hat auf dem Meer die Gattin, auf dem Lande seine Tochter verloren. Athenagoras will einen der Matrosen hinunterschicken und ihm sagen lassen: Procede de tenebris ad lucent, „tritt aus dem Dunkel hervor ins Licht". 4 Aber der Matrose weigert sich: Apollonius hatte angedroht, jedem die Beine zu zerbrechen, der ihn in der Trauer stören werde. Athenagoras entschließt sich, selbst zu dem Trauernden hinabzusteigen, 5 und fragt nach dem Schiffsherrn. Als er den Namen Apollonius hört, erinnert er sich, daß auch Tarsias Vater so heißt. Er steigt hinab und sieht Apollonius mit schmutzigem Bart, mit zottigem und dreckigem H a u p t im Dunkeln liegen; er grüßt ihn mit leiser Stimme: „Sei gegrüßt, Apollonius." 6 Der schweigt. 7 Athenagoras fordert: „Tritt hervor aus dem Dunkel ins Licht und speise ein wenig mit uns. 8 Ich hoffe zu Gott, daß er dir nach so großer Trauer größere Freude geben wird." 9 Aber Apollonius schickt ihn weg. Athenagoras überlegt: „Was soll ich tun, um ihn von dem Vorsatz des Sterbens zurückzurufen?" 1 0 Da fällt ihm ein, Tarsia zu dem Trauernden hinabzuschicken: „Komm zu mir, Herrin Tarsia; hier ist ein Fall, wo deine Kunst nötig ist. Du sollst den Herrn dieses Schiffes, der im Dunklen sitzt, trösten, ihn, der um Gattin und Tochter trau1 Kap. 38(RA),16/18 cupio enim in undis efflare spiritum, quem in terris non licuit lumen videre.- Der Aufenthalt im Bauch des Schiffes ist symbolisch ein Aufenthalt in der Unterwelt und bezeichnet den rituellen Tod. 2 Kap. 39(RB),5/4 gubernator cum omnibus plausum dédit. Apollonius ait: „quis sonus hilaritatis (vgl. das Isisfest der „Hilaria", s. S 296) aures meas percussit?" gubernator ait: „gaude, domine, hodie Neptunalia esse." - Für Sarapis-Neptun s. § 137.

3 Kap. 39(RB),26/29 mori destinât: in mari coniugem mors voluntaria des Isismysten angespielt.

perdidit,

in terris filiam amisit. - Es wird auf die

4

Z u m Folgenden vgl. die Tröstung der Demeter-Isis durch lambe oder Baubo, s. § 9 6 - 9 7 .

5

Kap. 39(RA),36 ego . . . ad eum descendo.

Das Verbum ist charakteristisch.

6

Kap. 4 0 ( R A ) , 3 quem cum vidisset squalida barba, capite horrido et sordido in tenebris iacentem, submissa voce salutavit eum: „Ave, Apolloni. " - Der leise Gruß ist wahrscheinlich rituell, vgl. den Bericht des Firmicus Maternus über einen Mysterienkult, den er nicht näher bezeichnet, der aber wohl ein Osiriskult gewesen ist: sacerdos hoc lento murmure susurrât: ΰαρρείτε μνσται (κτλ.; De errore profanarum religionum 22; s. § 312). 7

Kap. 40(RA),7 texit furorem

8

Wenn der Trauernde wieder speist, ist er in die Welt der Lebenden zurückgeführt.

silentio.

9 Kap. 4 0 ( R A ) , 1 6 Procede de tenebris ad lucem et epulare nobiscum quia dabit tibi post hunc tarn ingentem luctum ampliorem laetitiam. 10

Kap. 40(RA),25/24 Quid faciam, ut eum a proposito

mortis

paulisper.

revocemf

spero autem

de

deo,

31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

409

ert, sollst ihn ermahnen, T r o s t anzunehmen, und ihn auffordern, zum Licht hinauszugehen . . . T r i t t zu ihm und sag ihm, er solle ans Licht h e r a u s k o m m e n ; vielleicht will G o t t , d a ß er durch uns l e b t . " 1

Tarsia singt vor Apollonius (Kap. 4 1 ) § 691

T a r s i a steigt zu Apollonius hinab und grüßt ihn mit leiser Stimme: „Sei f r o h . " 2 Sie

singt ihm ein Lied von ihrem Geschick:

Per sordes gradior, sed sordis conscia non sum, sicut rosa in spinis nescit compungi mucrone me pirata rapit. . . vendita lenoni numquam violavi pudorem . . . nulla me melior, pater si nosset, ubi essem. regio sum genere orta. „ D u r c h S c h m u t z schreite ich, doch keines Schmutzes bin ich mir b e w u ß t , so wie die R o s e mitten unter den D o r n e n von keinem Stachel getroffen wird. Ein Pirat hat mich geraubt; einem Kuppler wurde ich verkauft und bin doch keusch geblieben. Keiner w ä r e angesehener als ich, wenn mein Vater wüßte, w o ich lebe: Ich stamme aus königlichem G e s c h l e c h t . " Sie fordert Apollonius auf, die Trauer zu lösen:

Fige modum lacrimis, curas resolve dolorum, redde oculos caelo et ánimos ad sidera tolle. „Setze den T r ä n e n ein M a ß , löse die schmerzlichen Sorgen, erhebe die Augen zum H i m m e l 3 und den Sinn zu den S t e r n e n . " Apollonius lehnt das freundlich a b ; 4 er gibt ihr Geld und s c h i c k t sie f o r t . A t h e n a g o r a s bedauert den M i ß e r f o l g : „ H a b e n wir mit unserem Mitleid nichts erreichen können? H a b e n wir einem M e n s c h e n , der selbst in den T o d gehen will, nicht helfen k ö n n e n ? " 5 Tarsia soll n o c h m a l s

1 Kap. 40(RA),31 Veni hue ad me, Tarsia domina; hic est ars studiorum tuorum necessaria, ut consoleris dominum navis huius . .. sedentem in tenebris, lugentem coniugem et filiam, horteris consolationem recipere, et eum provoces ad lucem exire . . . accede ergo ad eum et suade exire ad lucetn: forsitan per nos deus vult eum vivere. 2 Kap. 40(RA),41/40 submissa voce salutavit eum dicens: Salve, quicumque es, laetare. - Auch Tarsia spricht leise, wie vorher Athenagoras. 3 Der fromme Mensch blickt vertrauensvoll zu Gott empor, der Unfromme blickt zur Erde wie die Vierfüßler. 4 In der Edition von D. Tsitsikli (p. 136) ist eine Zeile ausgefallen; Kap. 4 1 ( R A ) , 1 4 - 1 6 müssen lauten ad haec verba levavit caput Apollonius et vidit puellam, et / ingemuit et ait: „O me miserum! quamdiu contra pietatem luctor?" / erigens se ergo adsedit etc. 5 Kap. 41(RB),25 non potuimus facere misericordiam et subvenire bomini interficienti sei - Wieder die voluntaria mors.

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31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

hinabsteigen (descende) und ihm das Geld zurückgeben: „Rufe ihm zu, daß er ans Licht heraufkommen soll, sag ihm: Nicht dein Geld suche ich, sondern dein Heil." 1 Tarsia steigt erneut hinab (descendens); sie fängt es jetzt klug an: Sein Geldgeschenk könne sie nur annehmen, wenn er mit ihr spreche und die Knoten ihrer Gleichnisreden (parabolarum mearurn nodos) auflöse, sonst müsse sie ihm das Geld zurückgeben. Apollonius will das Geld nicht zurücknehmen, er könnte geizig scheinen; auch reizen ihn die Reden des klugen Mädchens: Ja, er wolle zuhören, um nicht wieder zur Fröhlichkeit ermahnt zu werden,2 damit sie weggehe, dann werde er endlich ungestört trauern können. Es folgen die zehn Rätsel der Tarsia. Dies ist die zentrale Episode des Romans. Wir müssen sie ausführlich besprechen. Diese Rätsel sind parabolae, Gleichnisse; ihre Lösungen haben symbolischen Sinn, sind nochmals Rätsel, die auf das religiöse Heil deuten.3

Tarsias Rätsel (Kap. 4 2 - 4 3 ) § 692

(I)

Est domus in terris clara quae voce résultat, ipsa domus resonat, tacitus sed non sonat hospes. ambo tarnen currunt, hospes simul et domus una.

„Es gibt ein Haus auf der Erde, welches mit heller Stimme widerhallt. Das Haus selbst ertönt, aber der stumme Gast (im Haus) gibt keinen Ton. Aber in Bewegung sind beide, das Haus und der Gast in gleicher Weise." Apollonius löst das Rätsel: piscis in unda, der Fisch in der Woge. Symbolischer Sinn: Die Meereswoge ist ein Bild der Welt, der ΰλη (Materie), der Fisch ein Bild des Menschen. Der Mensch muß darauf hoffen, daß ein „Fischer" ihn mit der Angelrute aus dem Meer emporzieht und so seine Seele rettet. 4 (II)

Dulcis amica dei ripae vicina profundis, suave canens Musis, nigro perfusa colore nuntia sum linguae digitis signata magistri.

„Ich, süße Freundin des Gottes (des Pan), Nachbarin des Ufers in der Tiefe, singe lieblich für die Musen und bin, wenn ich mit schwarzer Farbe (Tinte) Übergossen und von den Fingern des Meisters gezeichnet werde, eine Melderin für die Zunge."

1 Kap. 4 1 ( R A ) , 3 0 provoca eum ad lumen exire dicens ei: Ego non pecuniam, salutem tuam quaero. Für die salus vgl. z. B. Appuleius, Met. X I 1 , 3 spem salutis-, X I 2 1 , 6 - 7 salutis tutelam . . . precariae salutis . . . ad novae reponere rursus salutis curricula. 2 Kap. 4 1 ( R A ) , 3 9 ut hortamento

laetitiae

caream.

Daß die Lösungen der Rätsel symbolischen Sinn haben, betont auch P. Dronke in seinem Buch über das Prosimetrum (Verse with Prose from Petronius to Dante, 1 9 9 4 , S. 7 4 ) . 3

4 An die christliche Fischsymbolik sei nur erinnert; man sehe z. B. J . Engemann, in: Reallexikon für Antike und Christentum unter „Fisch, Fischer, Fischfang" (VII 9 5 9 - 1 0 9 7 ) .

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Lösung: canna oder harundo, das Schilfrohr; „Melderin für die Zunge", weil das Niedergeschriebene beim lauten Lesen von der Zunge gesprochen wird. 1 Symbolischer Sinn: Das Schilfrohr ist Symbol für Oberägypten und seinen König. 2 (III)

Longa feror velox formosae filia silvae, innumera pariter comitum stipata caterva, curro vias multas, vestigia nulla relinquo.

„Ich, die lange schnelle Tochter des schönen Waldes, fahre einher, begleitet von einer zahllosen Schar von Gefährten. Ich laufe über viele Wege, aber ich hinterlasse keine Spuren." Lösung: navis, das aus langen Bäumen gebaute Schiff. 3 Symbolischer Sinn: Wie das Schiff den Menschen sicher über das Meer fährt, so bringt die wahre Religion den Gläubigen über das Meer des Lebens in den Hafen des Heils. 4 (IV)

Per totas aedes innoxius introit ignis; circumdat flammis; hinc inde vallata nec uror. nuda domus est et nudus ibi convenit hospes.

„Durch mein ganzes Haus dringt Feuer, das nicht schadet, und umgibt mich mit Flammen; aber ich bin von doppeltem Wall umgeben und brenne nicht. Nackt ist das Haus, und nackt kommt der Gast dorthin." Lösung: balneum, das Bad. Die antiken Bäder hatten doppelte Böden und doppelte Wandkonstruktionen, zwischen denen die heiße Luft aufstieg. Die Bade- und Schwitzräume waren leer. Symbolischer Sinn: Im Bad des Mysten wird nicht nur der Leib, sondern auch die Seele gereinigt. (V)

Muero mihi geminus ferro coniungitur uno. cum vento luctor, cum gurgite pugno profundo, scrutor aquas medias, imas quoque mordeo terras.

„Ein doppelter Dolch ist in mir durch ein einziges Eisen verbunden. Ich nehme den Streit mit dem Wind auf, ich kämpfe mit dem tiefen Abgrund, ich durchwühle die Mitte des Wassers, ich beiße mich auch in der untersten Erde fest." Lösung: ancora, der Anker. 1

Vermutlich soll auch an die Syrinx gedacht werden, welche Pan aus Schilfrohren gefertigt hat.

2

Plutarch, De Iside 36 θ ρ ύ ω ι βασιλέα και τό νότιον κλίμα τοΰ κ ό σ μ ο υ γ ρ ά φ ο υ σ ι . - Das „Binsengefilde" bedeutet in den ägyptischen Jenseitsvorstellungen etwa dasselbe wie den Griechen das Elysium, s. vor allem Kap. 1 1 0 des Totenbuches (Hornung S. 2 1 0 - 2 1 8 ) , 145 (S. 2 8 1 - 2 9 2 ) und 149 (S. 3 0 1 - 3 1 6 ) . 3 In den ägyptischen Jenseitstexten kommen Verhöre vor, in welchen der Tote geprüft wird, ob er den N a m e n des Schiffes und seiner Bestandteile kennt; man sehe Totenbuch Kap. 9 9 B , 2 6 - 5 9 (Hornung S. 195/6) und 1 2 2 , 6 - 9 (S. 229). Die entsprechenden Partien der Sargtexte sind Spruch 4 0 4 (V 1 8 8 - 1 9 3 , in Faulkners Übersetzung II p. 49), 4 0 5 (V 2 0 3 - 2 0 6 , Faulkner p. 54/5) und 3 9 5 (V 70/1, Faulkner p. 20). Das Schiff als christliches Symbol schon bei Clemens Alex., Paedag. III 5 9 , 2 (p. 2 7 0 , 7 - 1 0 ) und später oft. 4 Vgl. die Schiffssymbolik bei Achilleus Tatios V 16 (hier § 6 4 7 ) und den Sarkophag des Filocyrius, Abb. 126.

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3 1 Die Historia Apollonii Regis Tyri

Symbolischer Sinn: Wie der Anker das Schiff im Meer befestigt, so die wahre Religion den Gläubigen im Meer der Welt. 1 (VI)

Ipsa gravis non sum, lymphae mihi pondus inhaeret. viscera tota tument patulis diffusa cavernis. intus lympha latet, sed non se sponte profundit.

„Ich selbst bin nicht schwer, aber das Gewicht der Flüssigkeit hängt in mir. Meine Eingeweide sind geschwollen, in weit geöffnete Höhlen verteilt. Innen ist die Flüssigkeit verborgen; sie gießt sich nicht von selbst aus." Lösung: spongia, der Schwamm. Symbolischer Sinn: Der Schwamm deutet auf die Reinigung des Mysten im Tauchbad vor der Weihe. (VII)

Non sum cincia comis et non sum compta capillis. intus enim crines mihi sunt, quos non videt ullus. me manibus mittunt, manibusque remittor in auras.

„Ich bin nicht von Haaren umgeben und nicht mit Haaren geschmückt, denn die Haare sind in meinem Inneren, 2 und keiner sieht sie. Man wirft mich mit den Händen, und von den Händen werde ich wieder in die Luft geworfen." Lösung: sphaera, der Ball. Symbolischer Sinn: Der Ball gehört zu dem Spielzeug (crepundia), welches den Mysten als „Erinnerungszeichen" (memoracula, signa) bei der Weihe übergeben wurde; vgl. Appuleius, Apologie 56 und oben § 324. (Vili)

Nulla mihi certa est, nulla est peregrina figura. fulgor inest intus radianti luce coruscus, qui nihil ostendit nisi si quid viderit ante.

„In mir gibt es keine feste Gestalt, und keine Gestalt ist mir fremd. In mir wohnt ein Glanz, der von strahlendem Licht rot leuchtet. Er zeigt nichts, was er nicht selber vor sich sieht." Lösung: speculum, der Spiegel. Symbolischer Sinn: Auch der Spiegel gehört zu den crepundia. Vermutlich soll noch an das hieroglyphische Zeichen für „Spiegel", ΐ (anch), erinnert werden, welches gleichzeitig „Leben" bedeutet.3

1 An der soeben angeführten Stelle aus Clemens Alex., Paedag. III 5 9 , 2 wird auch der Anker als christliches Symbol genannt. 2

Die Bälle waren innen oft mit Haaren gestopft.

Für anch = „Spiegel" s. E. Hornung, Tal der Könige 1 9 4 ; vgl. V. Loret in Sphinx 5, 1 9 0 2 , 1 3 8 - 1 4 7 . Für die Hieroglyphe anch = „Spiegel, L e b e n " s. die Sign List in: Gardiner, Egyptian G r a m m a r „S 3 4 " (S. 5 0 8 ) . - Spiegel in der Isisprozession zu Korinth: Appuleius, Met. X I 9 , 2 ; § 4 9 2 . 3

31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

(IX)

413

Quattuor aequales currunt ex arte sorores sic quasi certantes, cum sit labor omnibus unus. cum prope sint pariter, non se pertingere possunt.

„Vier gleiche Schwestern laufen kunstvoll so, als ob sie miteinander um die Wette liefen, obgleich alle dieselbe Arbeit verrichten. Sie sind gleichweit voneinander entfernt und können sich nicht erreichen." Lösung: rotae, die Räder. Symbolischer Sinn: Das Rad ist das Attribut der Fortuna, also der Isis. (X)

Nos sumus ad caelum quae scandimus alta petentes concordi fabrica quas unus conserit ordo, quicumque alta petunt, per nos comitantur ad auras.

„Wir sind es, die zum Himmel emporsteigen, die Höhe erstrebend; eine und dieselbe Anordnung hält uns in einheitlicher Konstruktion zusammen. Wer immer die Höhe erstrebt, wird von uns in die Luft geleitet." Lösung: gradus scalae, die Stufen der Leiter. Symbolischer Sinn: Die Leiter deutet auf den Aufstieg des Mysten. 1 Apollonius hat die Lösung aller Rätsel gefunden; so wird er nun auch die gesuchte Tochter bald finden. Der Leser soll sich seinerseits in den symbolischen Sinn der Lösungen vertiefen, soll selber Rätsel raten.

Apollonius und Tarsia erkennen sich. Prozeß gegen den Kuppler (Kap. 44-47) § 693 Tarsia umschließt Apollonius fest mit ihren Armen 2 und spricht: „Höre auf meine Stimme . . . Es wäre verbrecherisch, 3 wenn ein so kluger Mann sterben wollte. Wenn du deine Gattin ersehnst - Gott wird sie dir zurückerstatten; wenn die Tochter - du wirst sie heil und unversehrt finden." 4 So hält sie seine Hand und versucht, ihn ans Licht zu ziehen. 5 -

1 Vgl. im Totenbuch Spruch 1 4 9 , 1 8 5 (Hornung S. 312) „Ich habe eine Leiter geknüpft bis zum Himmel, unter die Götter"; 1 5 3 A . 1 0 4 (S. 328) „Osiris N N geht heraus auf der Leiter", 1 6 9 , 2 3 (S. 344) „eine Leiter ist dir geknüpft zur Seite des Re". Die Symbolik der Leiter ist universell, vgl. die Jakobsleiter in der Genesis 2 8 , 1 2 - 1 3 und das mithräische Fußbodenmosaik zu Ostia bei M. J. Vermaseren, Corpus inscriptionum et monumentorum religionis Mithriacae ( 1 9 5 6 ) Nr. 2 9 9 ; mein Buch „Mithras" Abb. 38; M . Clauss, Mithras S. 5 6 Abb. 9 (Mithraeum des Felicissimus). Horigenes, Contra Celsum VI 2 2 (p. 9 2 , 5 Koetschau) sagt über die Mithrasmysterien: τοΐόνδε τό σ ύ μ β ο λ ο ν κλιμαξ έπτάπυλος. 2

Kap. 44(RB)2/1 strictis manibus

3

Es ist nicht erlaubt, sich selbst den Tod zu geben.

complexa.

4 inventes = εΰρήσεις. 5

Kap. 4 4 ( R B ) , 3 / 2 „exaudi vocem meam . . . tantae prudentiae virum mori velie nefarium est. si coniugem desideras, deus restituet; si filiam, salvam et incolumem inventes ..." Et tenens lugubrem eius manum ad lumen conabatur adtrahere.

414

31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

Z u m zweitenmal droht sich die schicksalhafte Konstellation zu erfüllen: Apollonius ist in der Gefahr des Inzests. Apollonius ergrimmt und gibt ihr einen Fußtritt. 1 Tarsia stürzt nieder und weint: „ O schlimme Macht des Himmels, die zuläßt, daß ich Unschuldige vom Beginn an, von meiner Geburtsstunde^ an von solchem Unglück heimgesucht werde!" 3 Sie klagt: Die Mutter hat mich auf dem Meer geboren, ist gestorben und wurde im Sarg ins Meer versenkt. Der Vater hat mich an Zieheltern übergeben, die mich ermorden lassen wollten, Seeräuber haben mich gerettet. Ich wurde dem Hurenwirt verkauft. „Gott, gib mich meinem Vater Apollonius von Tyrus zurück!" 4 Apollonius stürzt in ihre Arme: „Du bist meine Tochter T a r s i a . - In der heidnischen Fassung des Romans muß Diana zu der Erkennung geholfen haben, denn an späterer Stelle sagt Apollonius im Gebet an Diana: „Als ich in neuer Trauer mich wälzte und nach dem Tod der Mutter und der Tochter den Tod ersehnte, hast du mir das Leben wiedergegeben." 6 Hier und im folgenden hat der christliche Bearbeiter vergessen, eine heidnische Spur zu tilgen. Apollonius ergrimmt, daß man seine Tochter in Mytilene im Bordell gehalten hat, und droht, die Stadt zu zerstören. 7 Athenagoras ruft das Volk zusammen, 8 und man stellt den Bordellwirt vor Gericht. Apollonius reinigt sich, schert die Haare, 9 zieht ein königliches Gewand an und präsidiert. Nach einer Anklagerede des Athenagoras akklamiert das Volk: 1 0 „Der Kuppler soll lebendig verbrannt werden." Dies geschieht, seine Sklavinnen werden freigelassen. Tarsia und Athenagoras werden vermählt.

1 Kap. 44(RB),9 calce earn percussit, Erzählung umgesetzt.

2 nativitas

et impulsa

virgo cecidit. Vielleicht ist hier ein Mysterienritual in

= γένεσις, das astrologische Wort für die Stellung der Sterne bei der Geburt.

3

Kap. 44(RB),11/10 O ardua potestas caelorum, quae me pateris innocerttem tantis calamitatibus ab ipsis nativitatis meae exordiis fatigari. - In eben dem Augenblick, w o Tarsia so klagt, zeigt sich, dai? die Macht der Sterne gebrochen wird. 4 Kap. 44(RB), 1 9 / 2 2 Deus, redde Tyrio Apollonio Erzählungen der Amme. - Wieder ein Generalbericht.

Kap. 45(RA),2/1 in amplexu

illius ruens Apollonius

coepit.

6

Kap. 4 8 ( R A ) , 4 3 / 4 4 cum redivivo (besser wäre recidivo) mortem cupienti exitum vitam mihi reddidisti. 7 Kap. 4 5 ( R A ) , 7 et dixit Apollonius: gung, s. 46(RA),5 cum multis armatis.

patri meo. Tarsia w e i ß dies alles aus den .. dicere: Tu es filia mea involverer

luctu, post

Tarsia.

matris

atque

filiae

Pereat haec civitas! - Offenbar stehen ihm Truppen zur Verfü-

® Er ruft laut, Kap. 45(RB),25 clamavit voce magna. Nochmals in 46(RB),4 magna voce. Vgl. die Kultvorschrift im ägyptischen Priestereid bei M. Totti, Texte Nr. 9, II 15 und 10,8 μεγάλη ι φ ω ν ή ι und hier § 662. 9

Kap. 46(RB),11/13 omni squalore deposito Kap. 46(RA),21 omnes una voce

atque tonsus

clamaverunt.

capite.

31 Die Historia Apollonii Regis Tyri

415

Apollonius findet seine Gattin in Ephesos (Kap. 48—49) § 6 9 4 Apollonius will über T a r s o s in seine H e i m a t T y r o s z u r ü c k k e h r e n ; a b e r im T r a u m erscheint „ j e m a n d mit dem Gesicht eines E n g e l s " 1 und befiehlt ihm, n a c h Ephesos zu fahren, mit T o c h t e r und Schwiegersohn in den Tempel der D i a n a zu gehen und dort sein Schicksal der Reihe nach zu erzählen. 2 - Lebensbeichte im Tempel auf Grund eines T r a u m o r a k e l s . Apollonius fährt nach Ephesos. Er läßt das Allerheiligste öffnen, um sein Schicksal angesichts der D i a n a zu erzählen. 3 Die Oberpriesterin Archistratis w a r so schön, daß keine der D i a n a so lieb w a r . 4 Als sie hört, d a ß ein K ö n i g k o m m e n wird, „zieht sie ihr königliches Kleid a n , s c h m ü c k t das H a u p t mit Edelsteinen und k o m m t im Purpurkleid, geleitet von den Scharen der D i e n e r i n n e n . Sie betritt den T e m p e l . . . Ein so großer Glanz ging von ihrer Schönheit aus, daß m a n sie für die G ö t t i n D i a n a selbst h i e l t . " 5 Apollonius erzählt sein Lebensschicksal, und die Gattin stürzt in seine Arme. „In ganz Ephesos t ö n t es: Apollonius von T y r o s hat seine Gattin wiedererkannt, die hier Priesterin w a r ! U n d die ganze Stadt wurde f r o h . "

Prozeß und Strafe der Zieheltern; glückliches Ende (Kap. 5 0 - 5 1 ) § 6 9 5 Die wieder vereinte Familie fährt nach T a r s o s . Apollonius läßt Stranguillio und D i o nysias festnehmen. V o r allem V o l k wird ihnen der Prozeß gemacht. Z u n ä c h s t läßt sich Apollonius bestätigen, d a ß er ein W o h l t ä t e r der ganzen Stadt gewesen ist; die Bürger a n t w o r t e n mit einstimmiger A k k l a m a t i o n . 6 D a n n fordert er Stranguillio auf, die ihm anvertraute T o c h t e r T a r sia zurückzugeben. Dieser behauptet, das sei nicht möglich; „sie hat das ihr v o m F a t u m Gegebene e r f ü l l t " . 7 - Er lügt; aber vermutlich drohte in dem zugrundeliegenden heidnischen R o m a n dem M ä d c h e n wirklich auf Grund seiner Geburtskonstellation ein schlimmes Schicksal. Apollonius hatte seine T o c h t e r mit einem Festgewand bekleidet und hinter dem T r i b u n a l versteckt; nun ruft er sie hervor: „ T a r s i a , liebe T o c h t e r , wenn du bei den T o t e n n o c h etwas Leben hast, so verlaß das H a u s des Tartarus und höre die Stimme deines V a t e r s . " D a s M ä d c h e n k o m m t h e r v o r , in k ö n i g l i c h e m Kleid und verhüllten H a u p t e s ; 8 sie e n t h ü l l t ihr Antlitz: „ D i o n y s i a s , ich, die aus der Unterwelt zurückgerufene, grüße d i c h . " Als das verbrecherische * Kap. 48(RB),3 vidit in somniis quendatn angelico habitu. Es ist Diana. Dies ergibt sich aus 48(RB),27/34 harte filiam meam, quam coram te, magna Diana, praesentare iussisti. In RA steht: hanc filiam parvulam, quam coram te, magna Diana, praesentare in somniis angelo admonente iussisti. 2 Kap. 48(RA),5 ingredere templum Dianae cum filia et genero et omnes casus tuos, quos a iuvenili aetate es passus, expone per ordinem. 3

Kap. 48(RA),15 rogat sibi aperiri sacrarium, ut in conspectu Dianae omnes casus suos

4

Kap. 48(RA),13/14 erat enim effigie satis decora .. ., ut nulla tam grata esset Dianae nisi ipsa.

exponeret.

5 Kap. 48(RA),19 induit se regium habitum, ornavit caput gemmis, et in veste purpurea venit; stipata catervis famularum templum ingreditur . . . tantus enim splendor pulchritudinis eius emanabat, ut ipsam esse putarent deam Dianam. 6

Kap. 50(RA),7 illi una voce clamaverunt.

7

Kap. 50(RA),14 fati munus implevit.

8

Ein Zug aus dem Ritual der Mysterienweihe, s. hier § 754 Anmerkung.

416

3 1 Die Historia Apollonii Regis Tyri

Weib sie sah, erzitterte sie. Die Bürger staunen und freuen sich. 1 Stranguillio und Dionysias werden gesteinigt. - Eine kleine Komödie mit ritueller Totenerweckung und Wiederholung des Prozesses gegen Seth. § 696 Apollonius tritt die ererbte Herrschaft in Antiochia, Tarsus und Kyrene an; in Tyrus herrscht sein Schwiegersohn Athenagoras. Die Guten werden belohnt, die Bösen bestraft. „Apollonius zeichnete die Schicksale seiner selbst und der Seinigen auf und ließ davon zwei Exemplare anfertigen; eines deponierte er im Tempel der Diana zu Ephesos, das andere in seiner Bibliothek." 2 -Vgl. § 396-400, 403, 568 und 609.

Parallele Führung der Schicksale § 697 Die Handlung des Romans ist über einem Gerüst erbaut, in welchem die Stationen der Initiation in die Mysterien nachgebildet werden. Alle drei Hauptpersonen passieren die entscheidenden Stationen der Mysterienweihe, Tod, Lebensbeichte und Auferstehung: Apollonius begibt sich in den dunklen Bauch des Schiffes und will dort sterben. Tarsia führt ihn ans Licht empor. Er erzählt sein Lebensschicksal im Tempel der ephesischen Diana. Tarsia soll auf Befehl des Stranguillio getötet werden und wird von Seeräubern gerettet. Ihre Rückkehr aus dem Tartarus zu den Lebenden wird am Ende des Romans während des Prozesses gegen Stranguillio nochmals nachgespielt. Sie erzählt ihren Lebenslauf in Mytilene im Bauch des Schiffes ihrem Vater. Archistratis stirbt auf hoher See einen Scheintod und wird im Sarg ins Meer versenkt; in Ephesos erweckt der Arzt sie zum Leben. Der Oberpriester der Diana adoptiert sie, als er erfährt, daß sie aus königlichem Geschlecht ist.·' Archistratis hat dem Priester also ebenfalls ihr Leben erzählt.

Der religiöse Wert der Historia § 698 Die Historia Apollonii muß in den Hörern - denn es wird sich mehr um Hörer als um Leser gehandelt haben - starke Emotionen ausgelöst haben. Die Wörter für „Heil, Licht, Aufstieg" dürften mit allen zugehörigen Assoziationen empfunden worden sein, und die Lösung der Rätsel wird auch eine Lösung innerer Spannungen und H o f f n u n g auf Glück zur Folge gehabt haben. Um zu ermessen, was ein solches Werk für die antiken Hörer bedeutet hat, darf man vielleicht unsere Kirchenlieder zum Vergleich heranziehen, die dem frommen Christen innere Sicherheit und Befriedigung, ja ein Glücksgefühl geben können.

1 K a p . 50(RB), 1 5 - 2 1 / 1 5 - 2 2 Apollonius exclamavit: „Domina Tarsia, nata dulcís, si quis tarnen apud inferos sensus est, relinque Tartaream domum et genitoris tuì vocem exaudi. " puella de post tribunal regio habitu circumdata capite velato processif et revelata facte malae tnulieri dixit: „Dionysias, saluto te ego ab inferís revocata. " mulier scelerata ut vidit eam, toto corpore contremuit. mirantur cives et gaudent. 2 Kap. 5 1 ( R B ) , 2 6 - 2 8 / 3 7 - 3 9 casus suos suorumque ipse descripsit in tempio Ephestorum, aliud in bibliotheca sua exposuit. 3

Kap. 27(RA),21.

et duo volumina

fecit: unum

Dianae

32

Appuleius und seine literarische Technik

Platonica familia nihil novimus nisi festum et laetum Wir, die Dienerschaft Piatons, kennen nur Festliches und Fröhliches Appuleius, Apologie 64

Person und Werke des Appuleius § 699 Die Metamorphosen des Appuleius sind Höhepunkt der Literatur im Dienst der Isis. Appuleius 1 dürfte um das J a h r 1 2 5 n. Chr. in Madaura in der Provinz Africa geboren sein. Er hat in der Jugend die Welt durchreist. Er war gewiß in Athen und Ägypten und ist vielleicht wie Lucius in Korinth in die Isismysterien eingeweiht worden. Er war eine Zeitlang als Rechtsanwalt in R o m tätig und ist dann nach Afrika zurückgekehrt. Er hat dort eine reiche Witwe, Aemilia Pudentilla, geheiratet und ist angeklagt worden, er habe die Frau durch Magie für sich gewonnen. Der Prozeß fand im J a h r 1 5 8 / 9 unter dem Proconsul Claudius M a x i m u s statt. Appuleius wurde freigesprochen und hat seine Verteidigungsrede (Apologia) veröffentlicht; sie ist erhalten. Er hat später in Karthago, der Hauptstadt der Provinz, gelebt und war berühmt als Redner; er ist anläßlich der Festspiele der Provinz Africa Oberpriester im Kaiserkult der Provinz gewesen (sacerdos provinciae). Dies bedeutete, daß er für einige Tage bei den Festspielen präsidierte und einen namhaften Beitrag zu den Kosten des Festes leisten mußte. Sein Todesdatum ist nicht überliefert. Appuleius war nicht nur Isismyste, sondern auch platonischer Philosoph. 2 Erhalten sind zwei kleine Traktate, De deo Socratis und De Piatone et eius dogmate, sowie eine lateinische Bearbeitung der ps.-aristotelischen Schrift „Über das Weltall" (De mundo), ferner eine Sammlung von besonders blumenreichen Stellen aus seinen Reden {Florida).

1 Die besten neueren Einleitungen zu Appuleius sind: P. G. Walsh, The R o m a n Novel ( 1 9 7 0 ) und J. T a t u m , Apuleius and the Golden Ass ( 1 9 7 9 ) . Eine elegante Charakteristik bei P. Citati, in: Materiali e discussioni per l'analisi dei testi classici 2 5 , 1 9 9 0 , 1 6 5 - 1 7 7 . 2 Er nennt sich selbst so (Apologie 1 0 ; vgl. 6 4 Platonica familia mit dem Verbum in der 1. Person Plural). Übersicht über die philosophischen Schriften bei B. L. Hijmans jr., in: Aufstieg und Niedergang II 3 6 , 1 ( 1 9 8 7 ) 3 9 5 - 4 7 5 . Über Appuleius als Philosoph s. J. Dillon, The Middle Platonists. A Study of Platonism 8 0 B.C. to A.D. 2 2 0 (London 1 9 7 7 ) 3 0 6 - 3 3 8 . Über „Apuleius and Plutarch" s. P. G. Walsh, in: H. J. Blumenthal - R. Α. Markus, Neoplatonism and Early Christian Thought, Essays in H o n o u r of Α. Η. Armstrong (London 1 9 8 1 ) 2 0 - 3 2 .

418

32 Appuleius

Die Metamorphosen und ihre griechische Vorlage § 700 Der Roman des Appuleius, die Metamorphosen, ist eine freie Bearbeitung, richtiger: Umarbeitung eines griechischen Textes. Dieser griechische Roman ist verloren, wird aber durch den Patriarchen Photios bezeugt, 1 und eine gekürzte Fassung ist im Corpus der lukianischen Schriften erhalten. 2 Dieser griechische Text enthält - wie die Metamorphosen - die Erzählung von der Reise des Lucius nach Thessalien, von seiner Verwandlung in einen Esel, der Entführung des Esels durch Räuber und viele andere Abenteuer, welche er in Tiergestalt erdulden muß. Am Schluß wird Lucius sowohl im griechischen Text als auch bei Appuleius in einen Menschen zurückverwandelt, freilich unter sehr verschiedenen Umständen. Es scheint, daß der griechische Roman eine übermütige Parodie auf die Vorstellungen der Pythagoreer war, wonach die Seele des Menschen in Tierleiber eingehen konnte; daß es sich also um ein religionskritisches Werk gehandelt hat. Ganz anders Appuleius: Sein Buch ist religiös und soll zeigen, daß die Menschen durch der Isis Gnade glücklich werden können. Appuleius hat also das Gesicht des Werkes in eine Richtung gedreht, welche der ursprünglichen Intention entgegengesetzt war. Dies fällt besonders ins Auge am Ende der beiden Werke. In beiden Schriften wird erzählt, daß eine auf sexuelle Freuden begierige Frau den Esel Lucius zu sich bringen läßt; sie hat es auf den großen Phallos des Tieres abgesehen und läßt sich von ihm begatten. Das Ereignis wird bekannt, und man beschließt, anläßlich eines großen öffentlichen Festes einen Coitus des Esels Lucius mit einer Verbrecherin zu inszenieren. Die Aussicht auf diese Schaustellung ist Lucius sowohl im griechischen Text als auch bei Appuleius widerwärtig; gemeinsam ist beiden Fassungen auch noch die fingierte Voraussetzung, daß Lucius die Eselsgestalt wieder ablegen könne, wenn er Rosen frißt. Im übrigen ist die Lösung des Knotens verschieden. In der griechischen Fassung wird Lucius der Esel in die Arena geführt und erblickt einen Rosenstrauß. Er stürzt sich darauf, frißt die Rosen und wird in einen Menschen zurückverwandelt. So ist er von der Schaustellung befreit. Er begeht aber den Fehler, jene Frau aufzusuchen, die an ihm, als er noch ein Esel war, solchen Gefallen gefunden hatte. Sie nimmt ihn zwar freundlich auf und will das Sexualvergnügen wiederholen; aber als sie ihn nackt sieht, mit einem Phallos von Menschenmaß, ist sie bitter enttäuscht, läßt ihn von ihren Bedienten verprügeln und hinauswerfen. So endet die griechische Fassung. Bei Appuleius reicht ein Priester dem Esel Lucius den Rosenkranz; er wird in einen Menschen verwandelt und in die Mysterien der Isis eingeweiht.

Desultoria scientia - die Kunst des Voltigierens (11 ) § 701 Die Metamorphosen sind ein buntscheckiges, aus verschiedenen Ingredienzien zusammengesetztes Werk: Appuleius hat das Buch eines griechischen Autors in lateinischer Sprache umgeschrieben, unter Beibehaltung der gesamten Disposition, hat aber dabei den Sinn so verändert, daß es aus einer Parodie auf die pythagoreische Seelenwanderungslehre zu einem Preis der Isisreligion wurde.

1

Bibliothek, Codex 1 2 9 .

2

Synoptische Edition von H. van Thiel, Der Eselsroman (1971).

32 Appuleius

419

Diese Technik der Umarbeitung griechischer Texte war in Rom verbreitet. Plautus und Terenz haben griechische Komödien in ähnlicher Weise für das lateinische Publikum umgearbeitet. Auch bei mündlichen Geschichtenerzählern ist klar, daß sie Erzählungen ihrer Vorgänger übernehmen und variieren. Appuleius ist den Aretalogen noch recht nahe. § 702 Appuleius hat im ersten Kapitel die Absicht seines Werkes und seine literarische Technik beschrieben. 1 Vorgestellt ist ein Leser, der sich die Zeit vertreiben will, unschlüssig vor seinem Bücherschrank steht und überlegt, nach welcher Buchrolle er greifen soll. Aus den Rollen hängen angeklebte Zettel heraus, auf welchen der Titel des Buches und ein paar nähere Angaben stehen. Auf einem der Zettel steht: At ego tibi sermone isto Milesio varias fabulas conseram auresque tuas benivolas lepido susurro permulceam - modo si papyrum Aegyptiam argutia Nilotici calami inscriptam non spreveris inspicere - figuras fortunasque hominum in alias imagines conversas et in se rursum mutuo nexu refectas ut mireris. „Ich aber (im Gegensatz zu den anderen Büchern) will dir in milesischem Plauderton verschiedene Geschichten aneinanderreihen und deine Ohren, wenn du willig zuhören magst, in lieblichem Zuraunen fröhlich stimmen; 2 du mußt es nur nicht verschmähen, deinen Blick auf den ägyptischen Papyrus zu werfen, der in geistreicher Art mit einer Feder aus Nil-Schilf beschrieben ist; dann wirst du staunen, wie die Gestalten und Schicksale der Menschen in (stets) andere Bilder verwandelt und in wechselnder Verbindung wieder in sich zurückverwandelt werden." Milesische Geschichten waren gepfefferte erotische Erzählungen. Das also wird versprochen, zusammen mit ägyptischer Feinheit. Der Leser holt die Buchrolle aus dem Schrank, öffnet sie und liest laut; der Verfasser des Buches spricht: Exordior. Quis i lief „Ich beginne. Wer bin ich denn?" Paucis accipe. Hymettos Attica et Isthmos Ephyraea et Taenaros Spartiatica, glebae felices aeternum libris felicioribus conditae, mea vetus prosapia est; ibi linguam Atthidem primis pueritiae stipendiis merui. mox in urbe Latía advena studiorum Quiritium indigenam sermonem aerumnabili labore nullo magistro praeeunte aggressus excolui. en ecce praefamur veniam, siquid exoticfi sermonis rudis locutor offenderò, iam baec equidem ipsa vocis immutatio desultoriae scientiae stilo quem accessimus respondet. fabulam Graecanicam incipimus: lector intende laetabere. „Vernimm es in Kürze. Der attische (Honigberg) Hymettos und der ephyräische (= korinthische) Isthmus 4 und das spartanische Tainaron,· 5 fruchtbare Schollen, 6 die für alle Ewigkeit in 1 Aus der neueren Literatur über dieses Kapitel seien genannt: J. Tatum 2 4 - 2 8 ; J. J. Winkler, Auetor et Actor (1985) 1 8 0 - 2 0 3 ; E. J. Kenney im Kommentar zu „Cupid and Psyche" (1990) 6 - 1 0 . 2

M a n hat in der Antike laut gelesen.

3 Im Codex steht exotici ac forensis (Ausgewählte kleine Schriften II 334).

sermonis.

Die Worte ac forensis

wurden von F. Leo gestrichen

4 In Korinth wird Lucius, „der Madaurenser", in die Isismysterien eingeweiht werden. 5 Bei Tainarosgab es einen Eingang zur Unterwelt; s. VI 18 und 2 0 (Psyche steigt dort in den Hades hinab).

420

32 Appuleius

Büchern, die noch fruchtbarer sind, 1 ehrenvoll erwähnt werden, sind die Herkunftsorte meines Geschlechts. 2 Dort habe ich in den ersten Schuljahren der Knabenzeit die attische Sprache erlernt. Dann habe ich als Student in einer lateinischen Stadt 3 in mühevoller Arbeit und ohne Lehrer die ursprüngliche 4 Sprache der Quiriten (= Römer) zu lernen begonnen und ausgebildet. So bitte ich von vorneherein um Nachsicht, wenn ich als unerfahrener Sprecher einer mir fremden Sprache Anstoß erregen sollte. Und wirklich, eben dieser Wechsel der Sprache paßt zu dem Stil des kunstvollen Voltigierens, welchen wir gewählt haben. Wir beginnen eine aus Griechenland stammende Geschichte. Merk auf, Leser: Du wirst Spaß haben." Das Schlüsselwort dieses Prologs ist desultoria scientia. Appuleius kündigt an, daß er wie ein Voltigierer von einem Pferd auf ein anderes hinüber und wieder zurückspringen werde. 5 Er meint: Ich werde so schreiben, daß ich von einer Sinnesebene in eine andere hinüberspringe; der Leser soll aufpassen, welche Ebene gemeint ist; am Entschlüsseln der verschiedenen Bedeutungen wird er Freude haben. Die beiden Sinn-Ebenen sind die Erzähl-Ebene und die religiöse Ebene, in welcher auf Mythen, Riten und platonisierende Lehren der Isisreligion angespielt wird. Lange Partien der Metamorphosen sind allein auf der Erzählebene zu interpretieren. Aber auch in den erzählenden Partien kommt hie und da ein voltigierendes Überwechseln in die religiöse Ebene vor.

^ Das Wort glebae (Schollen) erinnert an Demeter von Eleusis, s. XI 2,1 Ceres alma frugum parens initialis, quae . . . Eleusiniam glebam percolis. Wahrscheinlich wird verdeckt auf die Einweihung in die eleusinischen und die Isismysterien (in Korinth) gedeutet, welche einen gespielten Abstieg in die Unterwelt (Tainaros) enthielten. In der Apologie sagt Appuleius (Kap. 5 5 ) sacrorum pleraque initia in Graecia

participavi. 1

Bei diesen Büchern könnte man an die orphischen Gedichte denken.

Dieses Geschlecht ist wahrscheinlich die Familie der Eingeweihten. Die Christen haben sich als ein neuentstandenes Volk verstanden. 2

3

Es kommen vor allem Korinth (Laus Iulia Corintbus)

und Patrai in Frage.

Mit indigena sermo ist wahrscheinlich das archaische Latein gemeint, bei welchem gebildete Literaten des 2. nachchristlichen Jahrhunderts (und gerade auch Appuleius selbst) Anleihen machten. 4

5 Die Anwendung des Bildes vom Voltigieren auf die Schriftstellern stammt von Varrò, der ein Buch „Desultorius περί του γράφειν" verfaßt hat (Nonius p. 5 3 4 und 5 0 3 ; fr. 8 5 - 8 6 bei Bücheler, Cèbe, Astbury).

33 Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde

Tripertitam animant idem (sc. Plato) dìcìt: primam eius rationabilem esse partem, aliam excandescentiam vel irritabilitatem, tertiam appetitus; eandem cupiditatem possumus nuncupare. Platon sagt, die Seele bestehe aus drei Teilen: Den ersten Teil nennt er Vernunft, den zweiten Zorn oder Reizbarkeit, den dritten Gier; wir können ihn auch Begehren nennen. Appuleius, De Piatone 118

§ 703 Am Anfang des Romans folgt Appuleius zwar im Grundriß dem griechischen Eselsroman, setzt aber viele Episoden zu und spielt dabei auf Isisreligion und platonische Philosophie an. Er illustriert die Seelenlehre des Phaidros. 1 Dort ziehen zwei Pferde das Seelengespann, Begierde (επιθυμία) und Mut (θυμός); gelenkt wird das Gespann vom Verstand (νους). Wie es einem Menschen ergeht, der sich von der Begierde leiten läßt, zeigt der Anfang der Metamorphosen: Er wird in einen Esel verwandelt. Lucius reist nach Thessalien in der Erwartung, dort die Magie der thessalischen Hexen kennenzulernen. Er läßt sich auf die Liebschaft mit der Magd Photis ein und wird zum Esel. An vielen Stellen der Erzählung wiederholt Appuleius, daß Lucius der Begierde folgt. Als der in den Esel verwandelte Lucius von Räubern weggeführt wird, kommt er unter die Herrschaft des θυμός, des reinen Mutes, der Tapferkeit ohne Überlegung. Die Räuber zeigen diese Eigenschaften in hohem Maße. Aber ohne den leitenden Verstand (νους) ist ihr Leben schlimm und unglücklich. Dies illustriert der Abschnitt von der Verwandlung des Lucius in den Esel bis zum Psychemythos. Appuleius hat dem griechischen Abenteuerroman eine allegorische Darstellung der platonischen Seelenlehre unterlegt, welche für ihn auch die Seelenlehre der Isismysterien war.

1 Vgl. den vorzüglichen Beitrag von R. Thibau, Les Métamorphoses d'Apulée et la théorie platonicienne de l'Eros. Studia Philosophica Gandensia 3, 1965, 8 9 - 1 4 4 .

422

33 Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde

Aristomenes und Sokrates (I 5 - 1 9 ) 1 § 704 Auf dem Weg nach Hypata in Thessalien begegnet Lucius dem Reisenden Aristomenes; dieser erzählt ihm von seinen Erlebnissen mit einem Mann namens Sokrates. Die Episode ist von Appuleius zugesetzt und hat eine allegorische Ebene. Außer dem Erzähler Aristomenes kommen vor „Sokrates" sowie zwei thessalische Hexen namens Meroe und Panthea. Meroe wird göttliche Allmacht zugeschrieben. Sie heißt femina divina, ja potens illa et reginap- und ihre Macht ist unermeßlich; sie ist saga . . . et divina, potens caelum deponere, terram suspendere, fontes durare? montes diluere, manes sublimare, déos infimare, sidera extinguere Tartarum ipsum inluminare.

„ . . . Zauberin und göttlich; sie kann den Himmel herabziehen, die Erde in der Luft aufhängen, Quellen fest machen, Berge auflösen, die Totengeister ans Licht führen, die Götter hinabsteigen lassen, die Sterne auslöschen, den Tartaros selbst erleuchten."

Das Erleuchten des Tartaros weist auf Isis, die Lucius verheißt, daß er sie nach seinem Tod in der Unterwelt anbeten werde: me . . . Acherontis tenebris interlucentem Stygiisque penetralibus regnantem . . . adorabis, „wirst du mich anbeten, die ich in der Finsternis des Acheron Licht verbreite und im Innersten der Styx als Königin regiere" (XI 6,6). Zu Isis paßt auch der Name Meroe; Meroe ist die Hauptstadt von Äthiopien, wo Isis und Osiris als die größten Götter verehrt werden (§ 226); die Äthiopier sind zusammen mit den Ägyptern die Einzigen, welche Isis unter ihrem verum nomen als regina Isis verehren (XI 5,5). Als Juvenal davon spricht, daß eine bigotte römische Dame das heilige Nilwasser vom ersten Katarakt bei Philae holt, sagt er: „Sie holt das Wasser aus Meroe." 5 Wenn nun neben Meroe noch eine Schwester namens Panthea (Allgöttin) auftritt, so sind die Beziehungen zu Isis unverkennbar, s. § 168. Die Bezeichnung Zauberin scheint negativ, kann aber im Munde eines Platonikers wie Appuleius auch positiv gemeint sein: Piaton hat Eros im Symposion einen „gewaltigen Zauberer und Hexer" genannt. 6 Ich versuche eine Interpretation der Episode von Isis her. Da aber Meroe und Panthea als widerwärtige alte Weiber geschildert werden, ist eine solche Interpretation nur „gegen den 1 Kommentar zum I. Buch von A. Scobie (Meisenheim 1975). 2

I 8,2-3.

3 In P. G. M . I 120 heißt es von der Statuette eines Schutzgeistes (πάρεδρος): πήξει δέ ποταμούς και θάλασσαν, „er wird Flüsse und Meer fest werden lassen", sicherlich durch Frost. 4 Auch dies ist im Bereich des Möglichen (Wolken). 5

6,527 calìdaque petitas / a Meroe portabit aquas (§ 185). Kult der Isis in Meroe: Diodor III 9,2;

Strabon XVII 2,3 (p. 8 2 2 C ) .

6 2 0 3 D 8 δεινός γόης και φαρμακεύς. Vgl. auch 2 0 3 A 1 , alle Zaubergesänge (έπωιδαί) und Hexerei (γοητεία) der Menschen werden den Göttern durch Vermittlung des Eros überbracht.

3 3 Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde

423

Strich" (à rebours) möglich. Einer solchen Interpretation im Gegensinn haften größere Unsicherheiten an als den anderen in diesem Buch vorgeschlagenen Interpretationen. § 705 Aristomenes aus Aigion in der Peloponnes hat auf einer Geschäftsreise in Hypata seinen Bekannten Sokrates getroffen, der in der Heimatstadt seit langem als vermißt gilt, so daß seine Ehe als geschieden erklärt wurde und die Ehefrau einen anderen Mann heiraten will. Sokrates sitzt in jämmerlichem Aufzug an der Straße und bettelt. „Wahrlich", spricht er zu Aristomenes, „du kennst nicht die schlüpfrigen Umwege der Glücksgöttinnen und ihre unerwarteten Überfälle und das Auf und Ab der Lebensumstände." 1 Er verhüllt sein Haupt mit dem Flickenmantel, 2 der seine einzige Kleidung ist, so daß er seinen nackten Unterleib entblößt. Aristomenes will ihn aufheben; dieser wehrt ab: „Laß, laß, soll doch Fortuna sich noch längere Zeit an dem Siegesmal, welches sie errichtet hat, erfreuen."3 - Im XI. Buch klagt Lucius über den Zusammenbruch seiner Fortuna, 4 und der Isispriester begrüßt ihn als einen Mann, der von großen Stürmen der Fortuna hin- und hergetrieben wurde.·5 Aristomenes zieht eines seiner beiden Gewänder aus und bekleidet Sokrates. - So bekleidet im XI. Buch ein Isismyste den nackt dastehenden Lucius mit einem seiner beiden Gewänder. 6 Aristomenes führt Sokrates in ein Badhaus; er berichtet: . . . ei ilico lavacro trado; quod unctui, quod tersui ipse praeministro, „und übergebe ihn dem Bad; ich selbst besorge, was zum Salben und zum Abtrocknen nötig ist". - Wie der Isispriester Lucius ins nächste Bad geführt und ihn dort abgewaschen hatte, 7 so verfährt Aristomenes mit Sokrates. Dann führt Aristomenes Sokrates in das Gasthaus, in welchem er abgestiegen war. Sie speisen, erzählen sich und scherzen: iam adlubentia proclivis est sertnonis et loci et scitum etiam cavillum, iam dicacitas timida, „schon hatten wir Verlangen nach leichter Unterhaltung, schon gab es Scherze und witzige Neckerei, schon vorsichtige spitze Reden . . . " - Dies erinnert an das fröhliche Mahl und das witzige Trinkgelage, mit welchem die erste Isisweihe Schloß. 8 Aber dann schlägt Sokrates sich vor die Stirn und beginnt mit dem Bericht über sein Leben, den man auch Beichte nennen kann. 9 § 706 Er war nach guten Geschäften in Mazedonien mit vollem Geldbeutel auf der Heimreise, als er hörte, daß in Larisa Gladiatorenkämpfe gegeben werden sollten. 1 0 Er nahm deswegen einen Umweg und wurde von Räubern überfallen und ausgeplündert. In jammervollem 1

1 6 , 4 Ne tu fortunarum

lubricas ambages

et instabiles incursiones

et reciprocas

vicissitudines

ignoras.

R . T h i b a u (S. 1 0 6 ) erinnert daran, daß nach der Erzählung im Phaidon der historische Sokrates sein H a u p t kurz vor dem T o d in gleicher Weise verhüllt hat. 2

3 I 7,1 Sine sine . . . fruatur 4

X I 2 , 4 Fortuna

diutius tropaeo Fortuna

quod fixit ipsa.

conlapsa.

5 X I 1 5 , 1 magnis Fortunae

tempestatibus

. . . actus.

X I 1 4 , 5 Tune e cohorte religionis unus inpigre superiorem Vgl. auch die Historia Apollonii regis Tyri 1 2 , 1 9 (§ 6 8 0 ) . 6

7 X I 2 3 , 1 sacerdos wort) . . . abluit.

. . . me . . . deducit

ad próximas

8

X I 2 4 , 4 suaves epulae et faceta

9

W i e Lucius in X I 1 9 , 1 über sein Leben berichtet.

10

convivía.

Gladiatorenkämpfe werden negativ gewertet.

exutus

balneas et.

tunicam

supertexit

me

. . sueto lavacro traditum

celerrume. (Mysterien-

424

33 Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde

Zustand kam er nach Hypata und kehrte dort bei der Wirtin Meroe ein, einer alten Frau, die aber noch attraktiv war. 1 Er erzählt ihr: eique causas et peregrinationis diuturnae et domuitionis anxiae et spoliationis miserae refero, „die Gründe der langen Reise, 2 des ängstlichen Heimwegs, 3 der jammervollen Beraubung" - nochmals eine Beichte. Die attraktive Alte verfuhr mit ihm „in mehr als menschenfreundlicher Weise" (nimis quam humane), speiste ihn und nahm ihn zu sich ins Bett. Als er mit ihr geschlafen hatte, war er ihr Sklave geworden: „Ich hatte mich in ein jahrelanges, krankheitsbringendes Verhältnis begeben." 4 Er überließ ihr das eine Kleid, welches die Räuber ihm gelassen hatten, und verdiente als Lastträger sein Geld, welches er bei der Alten abgeben mußte. - Im Gegensinn interpretiert: Erst bei Aristomenes und Panthea hat Sokrates seine wahre Bestimmung gefunden, indem er sich von seiner bisherigen Familie abwendet und mit Panthea-Meroe-Isis verbindet. Er hat das alte Kleid (die Religion des Jupiter, Mars und Saturn) abgelegt, hat ein neues Kleid erhalten, ist gebadet (getauft) worden, hat das Mahl der Mysten eingenommen und mit ihnen gescherzt. Meroe ist zwar alt wie die Isisreligion; aber sie ist auch scitula, klug und erfahren. § 707 Aristomenes macht Sokrates Vorwürfe, daß er die Wollust der Venus (voluptas Veneria) seinem bisherigen Hausstand und seiner Familie vorziehe; aber Sokrates legt seinen Finger an den Mund (Geste des Harpokrates) und rühmt die alte Zauberin (femina divina etc.). Übrigens könne sie gefährlich werden: Sie hat Personen, die ihr mißliebig waren, in Tiere verwandelt, in Biber, Frosch, Widder. 5 Als die Bürger der Stadt sie steinigen wollten, habe sie Teile von Leichen aus Gräbern geholt, in eine Grube geworfen 6 und durch die Kraft ihrer Zaubersänge 7 die Türen aller Häuser zwei Tage lang versperrt, so daß niemand aus- und eingehen konnte. Schließlich hätten alle sich gegenseitig ermuntert und einstimmig 8 einen heiligen Eid abgelegt, ihr nichts anzutun. „So wurde sie gnädig gestimmt und hat der ganzen Stadt Absolution erteilt." 9 Beide werden nun ängstlich, ob die Alte nicht „durch die Dienstleistung irgendeiner Gottheit" 1 0 von ihren Gesprächen erfahre. Aristomenes schlägt vor, früh zu Bett zu gehen und noch vor Anbruch der Morgendämmerung zu entfliehen. - In einem platonischen Zusammenhang ist eine Flucht auf jene Stelle des Theaitetos zu beziehen, an der Sokrates sagt: „Deshalb müssen wir versuchen, so schnell wie möglich von hier (der Erde) nach dort (ins Reich der Ideen, des Einen und Guten) zu fliehen. Die Flucht besteht darin, sich so weit wie

1 2

1 7,7 anum sed admodum peregrinano

scitulam.

„Reise, Pilgerschaft". Vgl. S 526 zu XI 28,6.

3

Auch dieses Wort kehrt in XI wieder, 24,6 (nach der Initiation) tardant satis domuitionem

4

annosam et pestilentem

con

comparo.

contraho (nach der Emendation von van der Vliet).

5

Vielleicht wird auf die pythagoreische, angeblich auch ägyptische Lehre von der Seelenwanderung angespielt. M a n hat unter den Piatonikern darüber diskutiert, ob die Menschenseele in Tierleiber eingehe (H. Dörrie, Platonica minora 420-440). 6 7

I 10,3 devotionibus sepulcralibus in scrobem procuratis. 1 10,2 virtutibus cantionum. Die virtutes (άρεταί, δυνάμεις) sind Inhalt der Aretalogien.

® I 10,4 quoad mutua hortatione 9

sie illa propinata

totam civitatem

consone clamitarent, eine Akklamation. absolvit.

I 11,2 ne quo numinis ministerio . . . usa sermones istos nostros anus illa

cognoscat.

3 3 Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde

425

möglich Gott ähnlich zu machen." 1 Daß die Flucht zu Gott auf der Erzählebene eine Flucht vor der Alten ist, also anscheinend eine Flucht weg von Isis, gehört zu den Unstimmigkeiten, welche bei allegorischer Schreibweise, bei einer Schreibweise auf zwei Ebenen, auftreten. Die Erzählung läuft immer nur ein Stück weit mit Mythos und Riten parallel. Appuleius schreibt desultoriae scientiae stilo. Die Flucht wird im Theaitetos endgültig vollzogen, wenn die Seele sich vom Körper trennt und zu den Sternen aufsteigt, also im Tod. Auch bei Appuleius folgt der Bericht über den Tod des Sokrates, mit Anspielungen auf das osirianische Mumifizierungs- und Wiedererweckungsritual. § 708 Die beiden gehen zu Bett, nachdem sie das Zimmer von innen sorgfältig verriegelt haben. Das Bett des Aristomenes steht als weiterer Riegel quer vor der Tür. Um die dritte Nachtstunde schläft er ein. Nun folgt ein Türwunder: 2 „Kaum war ich eingeschlafen, als plötzlich die Riegel der Tür mit größerem Schwung, als daß man an Räuber hätte denken können, zurückgeschoben werden, oder vielmehr, als die Türangeln herausgebrochen und herausgerissen und die Tür zu Boden geworfen wird." 3 Das Bett des Aristomenes wird umgestürzt, er fällt auf den Boden, vom Bett zugedeckt. Trotz allen Schreckens kann er sein Lachen nicht zurückhalten - was hier geschieht, geschieht im Scherz. Meroe und Panthea treten ein. Meroe hält ein großes Messer und einen Schwamm in der Hand, Panthea eine brennende Lampe. 4 Sie stehen um den schlafenden Sokrates. Meroe sagt zu Panthea: „Hier ist mein lieber Endymion, der Tag und Nacht mit meiner blühenden Jugend gespielt hat, der jetzt meine Liebe für nichts hält und mich nicht nur schmäht, sondern auch die Flucht plant (fugam instruit)." Dann zeigt sie auf Aristomenes: „Dies hier ist sein guter Ratgeber, der ihn zur Flucht veranlaßt hat (fugae huius auctor fuit) und jetzt dem Tode nahe auf der Erde unter dem Bett ausgestreckt liegt und sich das alles betrachtet. . . Ich will dafür sorgen, daß er Reue empfindet über seine frühere Geschwätzigkeit und seine jetzige Neugier." 5 Es folgt eine Episode, in welcher fortlaufend auf die Riten bei der Bestattung des Osiris angespielt wird. Panthea schlägt vor, Aristomenes zu zerreißen und die männlichen Teile abzuschneiden. 6 Meroe entscheidet, daß Aristomenes unbeschädigt bleiben und Sokrates begraben solle. Dann schneidet sie mit ihrem langen Messer über dem Schlüsselbein ein Loch in die Kehle des Sokrates, greift mit der Hand tief in den Leib und holt sein Herz heraus. „Dies habe ich mit

1 P. 1 7 6 A - B διό και πει,ράσθαι χρή ένθένδε έκεΐσε φεύγειν ότι τάχιστα, φυγή δέ όμοίωσις θεώι κατά τό δυνατόν. R. Thibau sagt (S. 1 2 5 , unter Verweis auf die Theaitetos-Stelle): „ L a fuite est une image propre aux mystères." 2 Behandelt von O. Weinreich, Religionsgeschichtliche Studien 1 9 6 - 1 9 9 . - Bei Petron 1 6 k o m m t ein ähnliches Türwunder vor. - Das Sich-Öffnen von Tempeltüren ist im Kult inszeniert worden, s. Heron von Alexandria, Pneumatika I 3 8 ^ 0 (ed. Wilhelm Schmidt [ 1 8 9 9 ] I p. 1 7 4 - 1 8 7 ) . Über die Vorrichtungen im Sarapistempel zu Pergamon s. S 2 9 8 - 3 0 0 . 3 I 1 1 , 7 Commodum quieveram, et repente impulsiι maiore quam tur, immo vero fractis et evolsis funditus cardinibus prosternuntur. 4

crederes

ianuae

reseran-

Vgl. die Lampen in der Isisprozession (XI 9 , 4 ) und die Lampe der Psyche (V 2 0 - 2 3 ) .

I 1 2 , 8 faxo eum . . . ut et praecedentis Neugier sind verboten. 5

ut latrones

dicacitatis et instantis curiositatis

paeniteat.

Ausplaudern und

6 Seth-Typhon hat die Leiche des Osiris zerrissen (s. § 1 3 ) und den Phallos abgeschnitten (Plutarch, De Iside 3 6 p. 3 6 5 C ) .

426

33 Thessalische Hexen: Die Herrschaft der Begierde

meinen eigenen Augen g e s e h e n " , 1 behauptet Aristomenes. - V o n dem Aufschneiden des Leibes bei der M u m i f i z i e r u n g , dem Hineinfassen des Obersten der Mumifizierer, der Behandlung der inneren O r g a n e des T o t e n ist in § 4 4 berichtet worden. M e r o e v e r s t o p f t die k l a f f e n d e W u n d e m i t einem S c h w a m m und s p r i c h t : „ A c h t u n g , S c h w a m m , du bist im M e e r geboren, gehe nicht über den F l u ß ! " D a n n heben sie das Bett v o n Aristomenes und hocken sich grätschend über ihm nieder, aber nicht über seinem Leib, sondern über seinem K o p f , und bepinkeln ihn; eine Parodie auf die „heilige H o c h z e i t " . D a n a c h verschwinden beide; die T ü r schließt sich hinter ihnen von selbst. - M e r o e und Panthea haben hier die R o l l e n v o n Isis und N e p h t h y s gespielt, M e r o e gleichzeitig a u c h diejenige des o b e r s t e n Mumifizierers Anubis und Panthea die des Seth, der Osiris zerrissen hat. § 7 0 9 Aristomenes fürchtet, daß m a n ihn des M o r d e s an Sokrates beschuldigen werde, und will das W i r t s h a u s n o c h vor T a g e s a n b r u c h verlassen. Aber der T ü r h ü t e r läßt ihn nicht heraus: „ W o h e r soll ich wissen, o b du nicht deinen Reisegefährten erdrosselt hast und nun dein Heil in der Flucht s u c h s t ? " 2 „ Z u dieser S t u n d e " , sagt Aristomenes, „klaffte die Erde vor mir a u f , und ich sah in den untersten T a r t a r u s und zum H u n d Cerberus hinab, der hungrig nach mir b l i c k t e . " E r geht in das gemietete Z i m m e r zurück und überlegt, wie er rasch sterben k a n n ; denn w e r wird ihm g l a u b e n , d a ß er a m T o d des Z i m m e r g e n o s s e n unschuldig ist? S o will er „eilig in die Unterwelt"-'. - Die Rolle des Initianden ist auf Sokrates und Aristomenes verteilt. W e n n dieser jetzt von sich aus sterben will, so bezieht sich das auf den Willen des Initianden zum freiwilligen Tod.Er knüpft ein Seil zur Schlinge und will sich a m Q u e r b a l k e n des Fensters erhängen. Aber das Seil ist morsch und reißt; er fällt über den wie tot daliegenden Sokrates. Gleichzeitig öffnet der W i r t die T ü r und fragt: „Schläfst du immer n o c h ? " V o n dem doppelten L ä r m erwacht Sokrates und steht a u f ; 4 er sagt: „Dieser Neugierige (curiosus; der W i r t ) mit seinem lauten Gebrüll hat m i c h , den E r m a t t e t e n , aus dem tiefsten Schlaf aufgeweckt."· 5 Aristomenes ist glücklich, d a ß Sokrates lebt, und u m a r m t ihn. Aber dieser stößt ihn zurück: „ G e h weg mit dem G e s t a n k der jämmerlichsten L a t r i n e . " Die Ereignisse der N a c h t waren nicht geträumt.

1

1 13,5 Haec ego meis oculis aspexi: Beteuerung des Zeugen.

I 15,3. Es muß an dieser Stelle ein ganzer Satz umgestellt werden; es ist zu lesen: lanitor pone stabuli ostium humi cubitans etiamnunc semisomnus: „Quid? Tu" inquit „ignoras latronibus infestari vias, qui hoc noctis iter incipis?" {nam etsi tu alicuius facinoris tibi conscius scilicet mori cupis, nos Cucurbitae caput non babemus ut pro te moriamur.j „Non longe" inquam „lux abest, et praeterea quid viatori de summa pauperie latrones auferre possunt? an ignoras, inepte, nudum nec a decern palaestritis despoliari posse?" Ad haec ille marcidus et semisopitus in alterum latus revolutus: „Unde autem" inquit „scio an convectore ilio tuo, cum quo sero devorteras, iugulato fugae mandes praesidium? XI 23,3 Sol curvatus intrahebat vesperam. 6 Vili 10,4 opertas exoptat ultro tenebras. 7 Eine nahe Parallele in dem demotischen Petubastisroman: Ein gewisser Bes verliebt sich in Tentsi, die Geliebte seines Freundes Haryothes. Da Tentsi ihn abweist, ermordet er Haryothes und will Tentsi verführen. Diese willigt zum Schein ein, verlangt aber, daß man zuvor Haryothes begraben solle, und tötet dann sich selbst an seinem Grab. Vgl. J. W. B. Barns und A. Volten in den Akten des VII. internationalen Kongresses für Papyrologie (Wien 1956) 32 bzw. 150; A. Volten, Ägypter und Amazonen. Eine demotische Erzählung des Inaros-Petubastiskreises, Wien 1962. Haryothes = „Horos ist gesund": Spiegelberg, Ägyptische Eigennamen aus Mumienetiketten der römischen Kaiserzeit (1901) S. 45 Nr. A l 7 .

36 Der kluge Arzt und das Parisurteil ( Ό σ ι ρ ι ς και τ Ισις) τό έν α π α σ ι τέλειον των π ρ ο φ η τ ώ ν έτεχνάσαντο, ώς . . . ό μέλλων ·θεοϊς προσάγειν χείρας προφήτης . . . σώζηι. . . ιατρικήι σώμα (Osiris und Isis) haben die ganz und gar vollkommene Gruppe der Propheten geschaffen, auf daß der Prophet, der die Hände zu Gott erhebt, durch die ärztliche Kunst den Körper retten könne. Hermes Trismegistos, Κόρη κόσμου 68

Die Handlung in den Büchern VIII-X § 740 Nachdem Appuleius die Geschichte der Charité zu Ende erzählt hat, folgt er bis zum Beginn des Isisbuches der Handlung seiner griechischen Vorlage; ein Abenteuer folgt auf das andere. 1 Esel Lucius gerät in den Besitz von syrischen Bettelpriestern, einem Müller, einem Gärtner, einem Soldaten und zwei Sklaven und erhält ein Bild, was es auf der Welt alles gibt. Zwei Episoden sind in den Zusammenhang des griechischen Romans eingeschoben, die Geschichte vom klugen Arzt und der Bericht über eine theatralische Darstellung des Parisurteils. Nur diese beiden Episoden haben eine Beziehung auf die Isisreligion.

Der kluge Arzt (X 2-12) § 741 Appuleius weist gleich zu Beginn auf die Bedeutung der Episode hin: „Wisse, bester Leser, daß du nun keine Erzählung liest, sondern eine Tragödie, und daß du von den leichten Schuhen (der Komödie) zum Prunkstiefel (der Tragödie) emporsteigen m u ß t . . . Ach wie d u m m sind doch die Arzte!" 2 M a n erwartet eine Geschichte, in der ein Arzt eine unglückliche Figur abgibt. Es läßt sich auch alles so an; aber am Schluß werden die Guten belohnt und die Bösen bestraft, und dies wird durch einen klugen Arzt herbeigeführt. Appuleius hat mit seinen Eingangsworten eine andere Erwartung erweckt, hat den Leser geradezu auf eine falsche Fährte gelenkt. Warum tut er das? 1 Groninger Kommentar zu Buch VIII von B. J. Hijmans jr., C. Settels, R. Th. van der Paardt, V. Schmidt, R. T. H. Westendorp-Boerma (1983). Kommentar zu X 1 - 2 2 von Maaike Zimmerman-de Graf (Diss. Groningen 1992, holländisch). 2 X 2 , 4 Jam ergo, lector optime, scito te tragoediam ascendere . . . heu medicorum ignarae mentes!

non fabulam

legere et a socco

ad

cothurnum

448

36 Der kluge Arzt und das Parisurteil

Ich erinnere an die in § 5 7 2 / 3 besprochenen Stellen aus Iamblich und Stobaios: W e n n in einem pythagoreischen oder ägyptischen Buch eine Unstimmigkeit vorliegt, so ist das als Hinweis des Autors darauf zu verstehen, daß etwas anderes gemeint ist als das an der Oberfläche Liegende. Der Leser soll aufmerken, dann wird er erkennen, daß in der Geschichte vom klugen Arzt Episoden aus dem ägyptischen Mythos variiert werden. § 7 4 2 Ein Familienvater hatte nach dem T o d seiner Frau, die ihm einen trefflichen Sohn geboren hatte, eine zweite Frau geheiratet. Auch diese gebar ihm einen Sohn. Als ihr Stiefsohn herangewachsen ist, verliebt sie sich in ihn und trägt ihre Liebe an. Als er Ausflüchte m a c h t , schlägt ihre Liebe in H a ß um. Sie läßt durch einen Sklaven Gift holen und mischt dem Stiefsohn den T o d e s t r a n k . 1 Ihr eigener Sohn kommt durstig nachhause, findet den Becher, trinkt ihn in einem Z u g aus 2 und sinkt wie tot zu B o d e n . 3 Die Stiefmutter beschuldigt den Stiefsohn des Giftmordes und des versuchten Ehebruchs. 4 § 7 4 3 Der tote Knabe wird wie eine Mumie gewickelt 5 und begraben, sein älterer Halbbruder vor Gericht gestellt. Als Hauptzeuge gegen ihn tritt jener Sklave auf, welcher das Gift für die Stiefmutter besorgt hatte. Er behauptet, der Bruder habe das Gift gemischt und es eigenhändig dem Jüngeren gegeben. Als die R i c h t e r 6 zur Abstimmung schreiten wollen, erhebt sich ein Arzt und erklärt, der Sklave habe das Gift bei ihm, dem Arzt, gekauft. Der Sklave habe behauptet, das Gift sei für einen M a n n bestimmt, der unheilbar krank sei und zu sterben w ü n s c h e . 7 Er, der A r z t , habe 1 Der Trank ist angeblich bestimmt für einen Kranken, der morbi inextricabilis veterno vehementer implicitus (X 9,1) sterben will. Man könnte allegorisch deuten: Der alte Mensch, der im Schlaf befangen war, stirbt in der Weihe, und er wünscht sich dies. 2 X 5,1 repertum (!) vini poculum Knabe den Trank findet.

. . . continuo

perduxit

haustu. Im Mysteriensinn ist es gut, daß der

3 Vgl. auch den Vergessenstrank, den die Menschen nach dem Pythagoreer Kebes (Pinax 5) beim Eintritt ins Leben trinken. Die mythische Vorstellung vom Lethetrank scheint mit einem Ritual zusammenzuhängen, in dem der Initiand lernte, welchen Weg er nach seinem Tod zu gehen habe, um in ein glückliches Jenseits zu gelangen. - Lethe im Kult dargestellt: Pausanias IX 39,8. 4 Wie Potiphars Weib versucht sie, eine verheiratete Frau, einen jungen Mann zu verführen. Er bewährt sich, indem er die Anträge abweist. Die Episode kann als Lehrstück gespielt worden sein. Ich habe vor 30 Jahren in einer Freimaurer-Broschüre aus dem 18. Jahrhundert gelesen, daß in einer Loge eine entsprechende Prüfung veranstaltet wurde: Dem Kandidaten trat in einem abgelegenen Zimmer eine junge Frau entgegen und bot ihm ihre Gunst an. Nur wer ablehnte, hatte die Prüfung bestanden. Ich habe mir leider den Titel der kleinen Schrift nicht notiert. Die Episode zeigt starke Affinitäten zum Mimus, s. H. Wiemken, Der griechische Mimus (Bremen 1972) 1 3 9 - 1 4 6 und bei G. A. Seeck, Das griechische Drama (Darmstadt 1979) 4 1 8 - 4 2 1 . 5 Dies folgt aus X 12,3. Dort hat der Vater den Sohn aus dem Sarg geholt; „und so wie er war, noch eingebunden und bedeckt mit den Leichenbinden, wird er zum Gerichtsplatz geführt", atque ut erat, adhuc feralibus amiculis instrictus atque obditus, deportatur ad iudicium puer. 6 Sie heißen decuriones. So nannte man im Isiskult die gewählten Vorsteher des religiösen Vereins. Vgl. Appui. XI 30,4 und Vidman 482 = Dessau 6367 aus Pompei. 7 X 9,1 venenum . . . quod aegroto cuidam dicebat necessarium, qui, morbi inextricabilis veterno vehementer implicitus vitae se cruciatui subtrahere gestirei - Auf der Mysterienebene sind diese Worte wahr: Derjenige, für den der Trunk bestimmt ist, wünscht ihn, um in der Weihe zu sterben und neu geboren zu werden. Ein Leben ohne Isis ist ein morbus inextricabilis.

36 Der kluge Arzt und das Parisurteil

449

dem Sklaven einen Trank verkauft und habe den Beutel mit Geld, dem Kaufpreis für den Trank, durch den Sklaven versiegeln lassen; er präsentiert dem Gericht den Beutel. Der Jüngling ist gerettet. Als der Sklave leugnet, eröffnet der Arzt dem Gericht, daß er dem Sklaven kein Gift, sondern einen Schlaftrunk verkauft habe, der mit Mandragora (Alraun) gemischt war. 1 „Wenn der Knabe wirklich den von mir gemischten Trank genommen hat, dann lebt er; er schläft nur und wird die Starre des Schlummers abschütteln und ans Licht des Tages zurückkehren." 2 Man eilt zum Grab des Knaben. Der Vater selbst öffnet den Sarg. Da schüttelt der Knabe den tödlichen Schlaf ab und steht auf aus dem Bereich hinter der Schwelle des Todes (postliminium)? Der Vater umarmt ihn, sprachlos vor Freude, und zeigt ihn der Menge. 4 So war das Verbrechen des Sklaven und der Stiefmutter bewiesen. „Die nackte Wahrheit" 5 tritt mitten unter die Richter, die Stiefmutter wird verbannt, der Sklave gekreuzigt, der Arzt darf das Geld behalten, welches er für das Gift bekommen hatte, als Lohn für den zweckdienlichen Schlaf (opportuni somni pretium), und so endet das Schicksal des alten Vaters so, wie es der göttlichen Vorsehung würdig ist. 6 § 744 Das mythische Vorbild der Erzählung ist der Prozeß zwischen Horos und Seth, in gewissem Maß auch jene Verhandlung vor dem Göttergericht, in welcher der Tote seine Unschuld beteuerte und freigesprochen wurde. Der Sklave spielt die Rolle des Verleumders Seth. 7 Der Arzt im Prozeß spielt die Rolle, welche Thoth, der Arzt unter der Göttern, im Prozeß des Horos gegen Seth gespielt hatte. 8 Im Schluß der Erzählung spiegelt sich das Sargritual. Der Initiand ist gestorben, mit Leichenbinden umwickelt, zu Osiris gemacht und in den Sarg gelegt worden. Nun öffnet der amtierende Priester, der geistige Vater (pater) des neuen Mysten, den Sarg. Er umarmt den Scheintoten und erweckt ihn zu neuem Leben, so wie im ägyptischen Mythos Horos (der Lebende) Osiris (den Toten) umarmt und wiederbelebt. Dann wird der Auferstandene der Gemeinde (populus) vorgestellt.

1 Über die Mandragora-Symbolik hat H. Rahner gehandelt (Griechische Mythen 2 8 4 - 3 5 1 ) . Es gibt mehrere Möglichkeiten allegorischer Deutung: Die Mandragorawurzel gilt als „kopflos" und ist ein Abbild des kopflosen (άκέφαλος) Gottes Osiris. Wie Osiris wacht der Mandragora-Betäubte wieder auf. Der Mandragora-Betäubte ist aus der himmlischen Heimat in den „Schlaf" des Irdischen gesunken, bis ihn der „Vater" wieder erweckt und an die wahre Heimat erinnert. 2

X 11,3 vivit et quiescit et dormit et protinus marcido sopore discusso remeabit ad diem

lucidam.

3 Er hatte sich schon hinter dem limen Proserpinae (XI 23,7) befunden. 4 X 12,2 ecce pater, suis ipse manibus coperculo capulí remoto, commodum discusso mortifero sopore surgentem postliminio mortis deprehendtt filium eumque complexus artissime, verbis impar praesenti gaudio (rituelles Schweigen), producit ad populum, atque ut erat . . . deportatur ad iudicium puer. Die Menge ist Zeuge der wunderbaren Totenerweckung. 5

X 12,4 procedit in medium nuda vertías.

^ X 12,5 illius . . . s en is . . . fortuna providentiae divinae condignum accepit

exitum.

Appuleius nennt ihn cruciarius, verbero, furcifer, latro. Im Pariser Osirishymnus heißt Seth „der Verleumder" (J. Assmann, Hymnen Nr. 2 1 3 , 1 4 1 ; S. 448). 7

8

Horos hat mit Hilfe des Hermes(-Thoth) gesiegt: Plutarch, De Iside 19 und 54.

450 36 Der kluge Arzt und das Parisurteil Vermutlich sollte der eingeweihte Leser die Geschichte vom klugen Arzt als Fortsetzung der Geschichte von Charité und Tiepolemus lesen. Auf der Erzähl-Ebene handelt es sich um zwei verschiedene Erzählungen; auf der rituellen, der Mysterien-Ebene, setzt die Arzt-Geschichte die andere fort: Dort war Tiepolemus mumifiziert und begraben worden; hier wird der Sarg wieder aus dem Grab geholt, und der neuerweckte Myste tritt in den Kreis der Isisverehrer ein.

Das Parisurteil (X 30-34) § 745 Nach verschiedenen Abenteuern soll der Esel mit einer Verbrecherin kopulieren. Als Einleitung wird das Parisurteil mimisch dargestellt: Iuno, Minerva und Venus treten mit ihren Attributen auf, und Paris gibt Venus den Preis. Für den Verehrer der Isis waren die drei Göttinnen verschiedene Erscheinungsformen der einen Herrin; aber ihre wahre Größe konnte man erst erkennen, wenn man Isis regina selbst verehrte. Das Urteil des Paris war ein heiteres Rollenspiel, welches auf die Erscheinung der Isis im XI. Buch vorbereitete. Lucius entflieht. Er gelangt zum Meer, und als die Nacht hereinbricht, geht der Vollmond auf. Er betet zu Luna und entschläft; Isis erscheint im Traum. Wir haben das XI. Buch in Kap. 18 besprochen.

37

Psyche und Cupido Alta illa et divina Platonica Jene hohen

und göttlichen

Lehren

. . . omnibus

Piatons, die allen Außenstehenden

profanis unbekannt

ignota sind

Appuleius, Apologie 1 2

Die Einschaltung der Erzählung in den Eselsroman § 7 4 6 W i r wenden uns abschließend der Erzählung von Psyche und Cupido zu. Sie steht in der Mitte der Metamorphosen. ^ Die Stellen, an welchen Appuleius aus der Eselsgeschichte in die eingeschobene Erzählung von Psyche überwechselt und a m Ende wieder aus der Erzählung von Psyche in den Eselsroman zurückleitet, enthalten beide charakteristische Wendungen, mit denen Appuleius auf die Bedeutung der Psyche-Erzählung hinweist. Die alte Frau, die bei den Räubern in der Höhle lebt, will Charité mit der Geschichte von ihrem Unglück ablenken: Bono animo esto, mi erilis; . . . sed ego te narrationibus lep id is anilibusque fab ulis protinus avocabo, „sei guten M u t e s , 2 Herrin; ich will dich durch eine hübsche Geschichte und durch ein Ammenmärchen weit hinwegführen (und auf andere Gedanken bringen)." 1 Kommentare von L. C. Purser (1907), P. Grimal (1963) und E. J. Kenney (1990). Ausgewählte Aufsätze bei G. Binder - R. Merkelbach, Amor und Psyche (Wege der Forschung 126, 1968). Freudianische Deutung bei F. E. Hoevels, Märchen und Magie in den Metamorphosen des Apuleius von Madaura (1979), Jungianische Deutung bei E. Neumann, Amor und Psyche. Deutung eines Märchens. Ein Beitrag zur seelischen Entwicklung des Weiblichen (1971) und bei M. L. v. Franz, Die Erlösung des Weiblichen im Manne. Der Goldene Esel des Apuleius in tiefenpsychologischer Sicht (1980). Die früher gängige Deutung als Märchen ist schlagend widerlegt von D. Fehling, Amor und Psyche. Die Schöpfung des Apuleius und ihre Einwirkung auf das Märchen, eine Kritik der romantischen Märchentheorie (1977). Das „Märchen" als literarische Gattung ist erst durch die Brüder Grimm geschaffen worden. Natürlich wird der Mythos der Psyche auch von allen Autoren besprochen, welche eine Gesamtdeutung der Metamorphosen geben, so von P. G. Walsh, The Roman Novel (1970); J. Tatum, Apuleius and the Golden Ass (1979); J. J. Winkler, Auetor et Actor (1985); Judith K. Krabbe, The Metamorphoses of Apuleius (1989); Ν. Fick-Michel, Art et mystique dans les Métamorphoses d'Apulée (1991); C. C. Schlam, The Metamorphoses of Apuleius (1992). C. C. Schlam, Cupid and Psyche. Apuleius and the Monuments (1976) ist eine ausgezeichnete Übersicht über die Darstellungen von Eros und Psyche in der bildenden Kunst. Der Autor hat mich überzeugt, daß die bildlichen Darstellungen (so interessant sie an sich sind) für die Erklärung des Appuleius weniger ergeben, als ich 1962 dachte. 2

= θαρρεί

452

3 7 Psyche und Cupido

Appuleius weist auf den ersten Satz seines Werkes: 1 At ego tibi sermone isto Milesio varias fabulas conseram auresque tuas betiivolas lepido susurro permulceam, „ich will dir in milesischer Weise wechselnde Märchen erzählen und deine wohlwollenden Ohren mit hübschem Geflüster fröhlich stimmen." In dem Prolog hat man weiter gelesen, daß der Roman auf ägyptischem Papyrus mit nilotischer Feder geschrieben ist, daß der Erzähler Beziehungen zu Attika 2 und Korinth 3 und Tainaron 4 hat, daß er ein Mann der desultoria scientia, der Kunst des Voltigierens ist. Mit dem Rückverweis auf den Prolog signalisiert Appuleius am Beginn des Psyche-Mythos, daß man die Erzählung vielleicht zunächst für ein Ammenmärchen (añiles fabulae) halten könnte, daß er aber die Sinnesebenen hin- und herspringend wechseln werde; daß seine Worte und seine Erzählung einen Hintersinn haben. Auch Iamblich hat an der in § 566 zitierten Stelle über die doppelsinnige Redeweise der Pythagoreer gesagt, ihre Bücher könnten für den Leser so aussehen, als seien sie lächerliche Ammenmärchen, voll von dummem Geschwätz; zum Verständnis müsse man die Schale ablösen und den Kern herausholen. Denselben Sinn hat der Satz, mit welchem Appuleius am Ende des Mythos von Psyche in die Haupthandlung des Romans zurücklenkt. Lucius, der als Esel in der Räuberhöhle mitangehört hat, was die Alte der Charité zum Trost erzählt, sagt: Sic captivae puellae delira et temulenta illa narrabat anicula; sed astans ego non procul dolebam mehercules, quod pugillares et stilum non habebam qui tarn bellam fabellam praenotarem. „Dies erzählte jene faselnde und trunkene Alte dem gefangenen Mädchen; aber ich stand nicht weit davon weg und bedauerte, daß ich keine Schreibtafel und keinen Griffel hatte, um eine so schöne Geschichte mitzuschreiben." Die abschätzige Bemerkung über die trunkene Alte kontrastiert wunderlich mit der Bezeichnung der Geschichte als bella fabella. Aber wir haben bei Iamblich gelesen, daß in den Ammenmärchen tiefer Sinn versteckt liegen kann. Daß die Geschichte der Psyche das gefangene Mädchen nicht nur augenblicklich tröstet, sondern ihr Rettung verheißt, zeigt sich bald, denn Charités Gatte kommt und befreit sie.

Platonisch interpretierte Isismysterien: Weltseele und Einzelseele: Psyche, Io, Andromeda § 747 Daß es sich um einen Mythos handelt, der auf die Isismysterien Bezug hat und auf die Einweihung des Lucius im XI. Buch vorausverweist, 5 scheint mir offensichtlich. 1

Beobachtet von J. J. Winkler 53 und E. J. Kenney, Komm. S. 13 („the prologue and its reprise at 4 . 2 7 . 3 constitute an implicit challenge to the reader"). 2

und damit zu den eleusinischen Mysterien.

3 dem Schauplatz der Initiation des Lucius. 4

dem Eingang zur Unterwelt.

5 Dies ist schon oft gesagt worden; ich verweise auf die Edition v o n Gustav Friedrich Hildebrand (1842) S. XXXII-XXXVIII. - Ich muß in diesem Kapitel vieles wiederholen, was ich in: Philologus 102, 1958, 1 0 3 - 1 1 6 (= Wege der Forschung 392—407) und in „Roman und Mysterium" 1 - 5 3 ausgeführt habe; auf S. 6 - 7 werden die Autoren genannt, welche eine Mysteriendeutung vertreten haben. V o n den Neueren s. Judith K. Krabbe, The Metamorphoses of Apuleius (1989) 9 3 - 9 6 .

37 Psyche und Cupido

453

Plutarch lehrt, die Weltseele (Psyche) sei Isis (seine Εισις, die Sich-Bewegende). Appuleius beruft sich zweimal auf Plutarch als Vorbild: 1 Auch seine Psyche bezieht sich auf Isis, in dem platonisierenden Sinn, welchen Plutarch der Isisreligion unterlegt hat; Appuleius war Verehrer der Isis und platonischer Philosoph. Ich werde im folgenden auf die vielen Einzelheiten hinweisen, welche auf den Isismythos und auf Piaton zu beziehen sind. § 748 Nach den antiken, vor allem nach den platonischen Vorstellungen gibt es eine große Weltseele, von welcher alle Einzelseelen kleine Teile sind. Nach Plutarch ist Psyche zwischen Osiris (den Guten) und Typhon (den Bösen) gestellt, strebt immer nach dem Guten, ist immer auf dem Weg dorthin. Dies gilt für die Weltseele (Isis) ebenso wie für jede Einzelseele; die Einzelseele wiederholt in ihrem besonderen, konkreten Leben die Bewegungen und das Streben der Weltseele. Die Einzelseele tritt im Mythos des Appuleius unter dem Namen Psyche auf; die Weltseele, Isis, hat in den Göttinnen Wohnung genommen, welche im Psyche-Mythos auftreten, in Venus, Ceres und Iuno. § 749 Die Geschichte der Psyche enthält so viele Motive, welche auch im Mythos der Io vorkommen, dal? der Io-Mythos als Vorbild der Geschichte der Psyche angesehen werden darf; auf die einzelnen Punkte wird im folgenden hingewiesen. Nun war aber Io einer der Namen der Isis (s. § 120), ganz wie auch Psyche einer ihrer Namen war. In der Erzählung von Psyche tritt Isis in zweifacher Gestalt auf, einerseits als die Göttin Isis (und Ceres, Venus, Iuno, Fortuna) und andererseits als die suchende Psyche, welche von Isis-Providentia schließlich zum Heil geleitet wird. Eine ähnliche Verdoppelung sieht man auf den pompeianischen Fresken mit der Ankunft der Io in Ägypten (Abb. 65 = Farbtafel III und Abb. 21), wo Isis als Herrin Ägyptens Io in ihrem Land empfängt. § 750 Eine zweite Reihe von Motiven verbindet Psyche mit dem Mythos von Andromeda und Perseus. Wir haben in § 427 gesehen, daß man Perseus für einen Ägypter gehalten hat. Andromeda ist von dem geflügelten Perseus aus höchster Gefahr gerettet worden. Der PerseusMythos war gemalt im Sarapeum zu Alexandria2 und im Isistempel zu Pompei, im Haus des Sacerdos Amandus, in der Villa der Iulia zu Boscotrecase - alles Gebäude mit vielen Isis-Motiven (s. Abb. 18/19, 69/70 und Farbtafel I). Nach Achilleus Tatios befand sich auch im Tempel des Zeus Kasios zu Pelusion ein Gemälde mit der Rettung der Andromeda, s. § 626.

Beziehungen zu den Riten der Isis-Religion § 751 Auf der Ebene der Rituale zerfällt die Erzählung in drei Teile: (I) Zunächst wird von der heiligen Hochzeit der Psyche und des Cupido und von der Betrachtung des schlafenden Gottes im Licht der Lampe erzählt. Hier bezieht sich die Erzählung

1

In I 2 und II 3.

2

Aphthonios, Progymnasmata 12 (p. 4 0 , 9 Rabe); s. auch die alexandrinische Münze Abb. 2 3 9 .

454

3 7 Psyche und Cupido

wahrscheinlich auf Hochzeitszeremonien, welche in Alexandria in Tempeln der Isis oder des Sarapis für reiche Bürger gefeiert wurden (IV 2 8 - V 24). 1 (II) Als Cupido die Geliebte verlassen hat, begibt sie sich auf die Suche (ζήτησις). Diese Suche wurde im Isiskult in den großen Prozessionen wiederholt, in welchen die Isisanhänger durch die Städte und auf dem Land über die Felder zogen. Dem Umgang der Psyche um die ländlichen Heiligtümer der Ceres, Iuno und Venus entsprachen Umgänge, an denen teilzunehmen Pflicht des in die Mysterien Eingeweihten war (V 25-VI 5). (III) Dann folgen die vier Aufgaben, welche Psyche lösen muß, und ihre Aufnahme unter die Götter. Die vier Aufgaben sind Initiationsproben, welche einer höheren Weihe vorangingen; sie wurden in der Form kleiner kultischer Spiele zelebriert. Wer die Proben bestanden hatte, wurde in einen höheren Grad unter den Mysten aufgenommen (VI 6-24).

Venus eifersüchtig auf Psyches Schönheit (IV 2 8 - 3 1 ) § 752 Ein König und eine Königin hatten drei Töchter. Die Jüngste war so schön, daß die Armut der menschlichen Sprache ihre Schönheit nicht genügend preisen konnte. Die Menschen waren vor Staunen über ihre unnahbare Schönheit 2 so bewegt, daß sie - die Finger der rechten Hand an die Lippen legend3 - Psyche verehrten, als sei sie Venus selbst (ut ipsatn prorsus deam Vener em). Wenn das Mädchen morgens hervortritt, ruft man sie mit dem Namen der Venus an, die doch gar nicht anwesend ist. 4 Die Erwähnung der Matutinae5 lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf den morgendlichen Gottesdienst im Isistempel. Die wahre Venus entrüstet sich über die Opfer, welche man dem Mädchen darbringt (IV 30,1): En rerum naturae prisca parens, en elementorum omnium origo initialis, en orbis totius 6 alma Venus, quae cum mortali puella paritario maiestatis honore tractor. „Was - ich, die altehrwürdige Mutter der Dinge in der Natur, ich, der Ursprung und Anfang aller Sterne, 7 ich, die Herrin des ganzen Erdkreises, die nährende Venus, ich werde so behandelt, daß ich die Ehrung meiner Majestät mit einem Mädchen teilen muß." 8 1 Ich beurteile die heilige Hochzeit also jetzt anders als in „Roman und Mysterium" 1 6 - 1 8 , wo ich allgemein (und ohne „bürgerliche" Hochzeit) an Einweihung in den Geschlechtsverkehr durch einen Priester und nicht durch den Bräutigam gedacht habe. 2

nia.

IV 2 8 , 3 inaccessae formonsitatis admiratione stupidi. Psyche ist fast so unnahbar wie Aphrodite Ura-

3 Die Geste, mit welcher die Alten die Götter grüßten: Minucius Felix 2,5; Appuleius, Apologie 5 6 ; Plinius, Nat. hist. XXVIII 25. 4 5

I V 29,4 itt matutino progressu virginis . .. Veneris absentis nomen

propitiatur.

Vgl. § 2 7 6 .

^ domina suppl. van der Vliet. 7 Für elementa = Sterne s. § 4 8 4 . In der Selbstoffenbarung sagt Isis: „Ich habe den Sternen den Weg gewiesen. Ich habe den Weg des Helios und der Selene geordnet" (Zeilen 1 3 - 1 4 ) .

® Als Isis in XI 5 Lucius ihren wahren Namen offenbart, sagt sie von sich selbst: En adsum . . . rerum naturae parens, elementorum omnium domina, saeculorum progenies initialis. Die Venus in Buch IV ist dieselbe Göttin, welche im XI. Buch, nachdem sie Venus Paphia als einen ihrer Namen genannt hat, ihr verum nomen „Isis" enthüllt.

3 7 Psyche und Cupido

455

Venus ruft ihren Sohn Cupido und trägt ihm auf, Psyche mit seinem Pfeil zu treffen und in Liebe zu einem nichtswürdigen Menschen zu stürzen, dem Fortuna 1 alle Glücksgüter genommen hat. Danach geht sie zum Meer, dessen Wogen sich sofort glätten. Die Nereiden singen und tanzen, die Tritonen begleiten sie. So fährt Venus zum Oceanus. - Es wird die Göttin beschrieben, welche Isis Pelagia und Euploia heißt, s. § 116 und 119. Das Motiv der Eifersucht 2 findet sich sowohl in der Geschichte der Io als auch der Andromeda: Hera ist auf Io eifersüchtig, weil Zeus sie liebt; die Nereiden sind auf Andromedas Mutter Kassiopeia eifersüchtig, weil diese geprahlt hat, sie sei die Schönere. -

Cupido-Eros-Harpokrates-Agathos Daimon § 753 Cupido ist dann, wie Appuleius erst an späterer Stelle erzählt, zur Erde hinabgeflogen. Als er die Schönheit der Psyche sah, staunte er sie an. In Gedanken verloren, stach er sich selbst mit dem Pfeil, den er aus dem Köcher genommen hatte, um Psyche zu treffen. So verliebt er sich selbst in Psyche und führt den Auftrag der Mutter nicht aus. 3 Des Cupido griechischer Name ist Eros, sein ägyptischer Harpokrates. Der beflügelte Gott mit dem Finger am Mund ist in § 156 als Zeichnung 24 abgebildet. Harpokrates ist einer der Namen des Horos, des ägyptischen Sonnengottes, und als solcher ist er mit dem griechischen Sonnengott Apollon gleichgesetzt worden. Als Gott von Alexandria schließlich ist Harpokrates auch mit Agathos Daimon identisch, dem Schlangengott, der gutes Glück zuteilt (s. § 163). In der bei Appuleius beschriebenen Isisprozession wird anstelle des Horos die cista mystica mit der heiligen Schlange getragen (s. § 494), und auf mehreren Monumenten wird neben den Eltern Sarapis und Isis ihr Sohn Harpokrates-Agathos Daimon als Schlange abgebildet, s. Abb. 140, 141 und 1 4 7 . -

Das Orakel des Apollon ruft Psyche zur Hochzeit mit einem Drachen (IV 32-35,2) § 754 Da sich kein Freier um Psyche bewirbt, vermutet ihr Vater den Zorn einer Gottheit und befragt das Orakel des Apollon in Didyma. 4 Apollon antwortet: 5

1

Isis-Tyche.

2

M a n kann in dieser Venus, welche eifersüchtig ist und Psyche dafür strafen will, daß sie das M a ß einer Sterblichen überschreitet, auch Isis-Nemesis, die Göttin des Ausgleichs, sehen; s. § 168. 3

V 24,3—4; Fulgentius, Mythol. III 6.

4

Literarisches Vorbild sind wieder die Mythen der Andromeda und Io: Andromedas Vater Kepheus fragt beim Orakel des A m m o n an (Ps. Apollodor II 43), los Vater Inachos beim Apollonorakel zu Delphi (Aeschylus, Prometheus 658). 5 Der milesische Apollon ist derselbe Gott, den die Ägypter Harpokrates nennen, also auch derselbe Gott wie Eros-Cupido, der sich in Psyche verliebt hat. Er erteilt ein Orakel, welches Psyche zu ihm führen wird - wie im Mysterienkult der Initiand von seiner Gottheit zur Weihe gerufen wird. - Vielleicht sind die Ehen der Isisverehrer auf Grund eines Orakels geschlossen worden. Vgl. das Orakel am Beginn der Ephesiaka, hier § 5 8 2 .

456

3 7 Psyche und Cupido

Montis in excelsi scopeto rex siste puellam ornatam mundo funerei thalami, nec speres generum mortali stirpe creatum, sed saevum atque ferum vipereumque malum, quod pinnis volitans super aethera cuncta fatigat flammaque et ferro singula débilitât, quod tremit ipse Iovis, quo numina terrificantur, fluminaque horrescunt et Stygiae tenebrae. „König, setze deine Tochter aus auf dem Riff eines hohen Felsens; sie soll mit dem Schmuck einer Totenhochzeit geschmückt sein. Aber hoffe nicht auf einen Schwiegersohn, der von menschlicher Abkunft ist, sondern ein schlimmes, wildes, vipernartiges Übel, das mit Flügeln durch die Luft segelt und alles zermürbt, das jeden einzelnen mit Feuer und Schwert schwächt, vor dem sogar jener (Unterwelts-)Zeus sich fürchtet, vor dem die Götter erschrecken, vor dem die Flüsse (der Unterwelt) und die Finsternis der Styx sich fürchten." Die Totenhochzeit (ferales nuptiae) wird vorbereitet, die Braut mit dem Schleier ( f l a m m e u s ) geschmückt. 1 Es wird Landestrauer (iustitium) angesagt. Die Eltern zögern noch, aber Psyche geht freiwillig voran. 2 Auch die Isisweihe ist ein freiwilliger Tod. 3 Zu diesem Tod muß der Myste freiwillig gehen. Der vom Orakel angekündigte Schwiegersohn ist Cupido-Eros-Harpokrates-Agathos Daimon: Er fliegt wie Eros; vor seinen Flammen, vor seinen Wunden haben alle Götter Angst, selbst Pluton, der Herr der Unterwelt, und der Styxfluß; er ist ein Drache wie Agathos Daimon. Vorbilder sind wieder Io, die auf Geheiß des delphischen Orakels zur Hochzeit mit Zeus auf die lernäische Wiese kommen soll, und Andromeda, die auf einem hohen Felsen, dem Seeungeheuer zur Beute, ausgesetzt wird und zu deren Rettung Perseus mit Flügeln durch die Luft schwebend herabkommen wird. -

1 Auch der Initiand der eleusinischen und der dionysischen Mysterien ist mit dem Schleier verhüllt: Lovatellische Urne, M . P. Nilsson, Gesch. der griech. Religion I Tafel 4 3 , 2 = J. Leipoldt, Umwelt des Urchristentums III ( 1 9 6 7 ) N r . 3 1 = Jane Harrison, Prolegomena to the Study of Greek Religion 5 4 7 (Thermenmuseum); Sarkophag von Torre Nova bei J. Leipoldt, Umwelt III Abb. 3 4 . Dionysoskult: Die Braut in der Villa dei misteri; Stuckrelief aus der Villa Farnesina, Cumont, Rei. or. Tafel X V I 1 (neben S. 2 0 2 ) = J. Leipoldt, Umwelt III Abb. 5 1 = Harrison 5 2 0 = „Die Hirten des Dionysos" Abb. 8 4 ; G e m m e des T r y p h o n , J. Leipoldt, Umwelt III Abb. 3 3 = H a r r i s o n 5 3 2 ( E r o s und Psyche); Glasamphora bei C u m o n t , Rei. or. Tafel X V I 2 = L u x perpetua 2 1 1 = M . P. Nilsson, The Dionysiac Mysteries of the Hellenistic and R o m a n Age 8 2 . 2 IV 3 4 , 6 ducite videre. 3

X I 2 1 , 7 ipsamque

me . . . festino traditionem

felices

istas nuptias

ad instar voluntariae

obire,

festino

generosum

mortis . . . celebrari,

ilium maritum

s. § 5 0 9 .

meum

3 7 Psyche und Cupido

457

Der Wind trägt Psyche vom Felsen herab in das Haus des Cupido (IV 3 5 , 3 - V 3) § 755 Die Eltern verlassen Psyche auf dem Felsen; 1 Psyche ist voll Angst und Zittern. 2 Da erhebt sich ein leichter Zephyr und führt das Mädchen vom Felsen herab in ein blühendes grünes Tal. Psyche schläft ein. Als sie erfrischt erwacht, sieht sie vor sich einen Hain und einen hellen Quell. In der Mitte der Anlage erhebt sich ein Haus, das nicht von menschlicher Hand, sondern von göttlicher Kunst erbaut ist, ein himmlischer Palast, geschaffen für den großen Iuppiter, damit er mit den Menschen sprechen könne:·' Die Decken waren aus Elfenbein und Zedernholz, die Säulen golden, die Wände des Eingangs mit silbernen Platten bedeckt, innen aus massivem Gold. Auf dem Fußboden waren Mosaike aus Edelsteinen (V 1,5): Vehementer, iterum ac saepius beatos illos, qui super gemmas et monilia calcant, „einmal, zweimal und öfters glücklich jene, die über Edelsteine und Halsketten schreiten!" - Seligpreisung des Mysten als eines τρισόλβιος, eines Dreimalseligen (§ 510 und 529). Der große Iuppiter ist in diesem Zusammenhang Sarapis, und Juppiters Tempel dürfte das Sarapeum von Alexandria sein. Wie Rufin berichtet, enthielt es vielerlei Räume, die zu den verschiedensten Zwecken genutzt wurden, und es gab dort Wände, die mit Goldplatten verkleidet waren (s. § 272). Psyche betritt das Haus und bewundert seine Pracht. Sie kann sich frei bewegen, kein Wächter hält sie ab. Sie genießt eine Seligkeit, wie sie nur die göttliche Vorsehung verleihen kann. 4 Psyche wird von unsichtbarer Stimme ermahnt, sich auszuruhen und dann zu baden. Dann setzt sie sich zu Tisch. Unsichtbare Diener bringen ein Mahl. Es folgen Sologesang, Zitherspiel und Chorlied; die Musikanten bleiben unsichtbar. - All dies war in einem Tempel leicht zu inszenieren. Für die Möglichkeit, unsichtbare Stimmen sprechen zu lassen, war in den SarapisTempeln Vorsorge getroffen. Die Mahlzeit könnte aus einem Untergeschoß nach oben gehoben worden sein. Daß es bei den eleusinischen Mysterien ähnliche Darbietungen gab, die einen Vorgeschmack auf elysische Freuden geben sollten, ergibt sich aus Plutarchs Dialog „Über die Psyche", s. § 333. Es ist dort die Rede von reinen Orten und Wiesen, von Stimmen und Tänzen, von heiligen Offenbarungen und Erscheinungen. Wenn man dies in Eleusis in Szene setzen konnte, dann konnte man es auch in Alexandria. 5 1

So wie Andromeda auf dem Felsen verlassen wird.

2

IV 3 5 , 4 Psychen . . . paventem

ac trepidant.

Vgl. den Schrecken des Esels Lucius in X I 1 , s. § 3 3 2 .

^ V 1 , 7 Ad conversationem humanam magno lovi fabricatum caeleste palatium. Vielleicht spiegelt sich in der Erzählung eine alexandrinische Hochzeitszeremonie für hochstehende junge Mädchen. Erinnert sei auch an die Fahrt des Mysten durch die Luft in der Pariser Unsterblichkeitsliturgie, s. § 3 4 2 - 3 4 7 . 4

V 3,1 Sensit Psyche divinae providentiae

beatitudinem.

Die Vorsehung, das ist Isis selbst.

M a n hat solche Darbietungen auch spielerisch mit Hilfe von kleinen Tricks imitiert. So steht in P. G. M . I 4 2 - 1 9 5 ein Rezept des ägyptischen Priesters Pnuthis zur Allmacht: M a n kann mit einer HeliorosGemme einen dienstbaren Geist gewinnen, der das „Tischlein-deck-dich" imitieren konnte: I 1 0 6 - 1 1 1 οτε βούλει δεΐπνον ποιήσαι, λέγε· πάν χώρημα ευπρεπές θεωρήσας κέλευε τούτω στρώσαι ταχέως και συντόμως· ευθύς [περι]θήσει χρυσόροφα δώματα, τοίχους τούτοις μαρμαρωθέντας οψτ] - και ταύτα ή γη τα μέν άληθη, τα δε βλέπεσθαι μόνον - οίνον δέ πολυτελή, καθώς πρέπει έξαρτίσαι τό δεΐπνον λαμπρώς. „Wenn du zum Essen einladen willst, sag es ihm. Sieh dich um nach einem schönen R a u m und befiehl ihm, alles rasch und geschwind herzurichten. Er wird sogleich die Decken golden verkleiden, und du wirst 5

458

3 7 Psyche und Cupido

Cupido macht Psyche zu seiner Frau (V 4 , 1 - 5 ) § 7 5 6 D e r Abend bricht herein, und Psyche geht zu Bett. Als die N a c h t schon vorgeschritten ist, erreicht ein freundliches (clemens) G e r ä u s c h ihr O h r . Psyche fürchtet für ihre J u n g f e r n schaft, erschrickt, schaudert und hat A n g s t ; 1 und schon war der unbekannte G a t t e d a , 2 m a c h t e Psyche zu seiner G a t t i n und w a r vor dem S o n n e n a u f g a n g rasch e n t s c h w u n d e n . U n s i c h t b a r e Stimmen trösten Psyche über den Verlust der Jungfernschaft. Psyches G a t t e C u p i d o - H a r p o k r a t e s , der junge Sonnengott, m u ß seine Geliebte vor T a g e s a n bruch verlassen, um seine Reise über den Himmel anzutreten. -

Psyche zum Schweigen verpflichtet; erste Warnung vor den Schwestern (V 4 , 6 - 6 ) § 7 5 7 D i e älteren Schwestern der Psyche, beide längst verheiratet, h a b e n von der T o t e n hochzeit gehört, zu welcher Psyche auf dem Felsen ausgesetzt wurde. Sie eilen zu ihren Eltern, um sie zu trösten. Cupido w e i ß , daß seiner Geliebten von Seiten der Schwestern Gefahr droht: „ D i e wilde F o r t u n a 3 bedroht dich mit einer tödlichen G e f a h r . " 4 W e n n die Schwestern a u f dem Felsen erscheinen und dort klagen sollten, dürfe Psyche ihnen gar nicht a n t w o r t e n . Psyche gelobt es. Sie ist b e k ü m m e r t , d a ß sie mit niemandem sprechen darf, nicht einmal mit den Schwestern. C u p i d o erlaubt ihr schließlich doch, die Schwestern zu sehen, schärft ihr aber ein, „sie solle niemals, beschwatzt von dem verderblichen R a t der Schwestern, nach der Gestalt des G a t t e n fragen und sich nicht durch frevlerische Neugier· 5 von der H ö h e des Glücks hinabstürzen und dann seine U m a r m u n g niemals mehr g e n i e ß e n " . 6 Psyche verspricht es und bittet den Geliebten, er m ö g e die Schwestern durch den Z e p h y r v o m Felsen herab in das wunderbare H a u s hinabführen lassen. Cupido sagt dies zu, und Psyche schmeichelt ihm: „ M e i n H o n i g - S ü ß e r , mein G e m a h l , du süße

sehen, wie sich die Wände in M a r m o r verwandlen - und einiges davon sollst du für wirklich halten, anderes wird nur so aussehen - und du wirst auch teuren Wein sehen, wie man eben ein Festessen prächtig ausrichten m u ß . " Ähnliche Stellen: Celsus bei Horigenes, Contra Celsum I 6 8 (p. 1 2 2 , 1 0 - 1 3 Koetschau); Clemens (Rom.), Homilien I 3 2 , 2 (p. 4 9 , 4 - 7 Rehm); Lukian, Philopseudeis 3 5 (ed. Macleod 2 , 1 9 7 , Ι Ο Ι 1); Demot. Mag. Pap., Col. II 2 8 - I I I 1 (p. 3 0 - 3 3 Griffith-Thompson; bei H . D. Betz als P D M X I V 5 7 5 9 , p. 1 9 8 [Janet Η. Johnson]); Philostrat, Vita Apollonii III 2 7 (ed. Kayser 1 8 7 0 , p. 1 0 5 , 1 0 - 1 3 ) . 1 V 4 , 2 metuens 2

et pavet et horrescit et. . . timet. Vgl. § 3 3 2 .

aderat, Parusie. Vgl. X I 5,1 adsum (§ 4 8 4 ) .

3 Die Vorstellung von der wilden Fortuna wird im XI. Buch mehrfach aufgenommen: X I 2 , 4 si offensum numen inexorabili me saevitia premit-, 1 2 , 1 adluctantem mihi saevissimam Fortunam; (Fortuna) saeviat. 4

V 5 , 2 exitiabile tibi periculum

5

Vgl. X I 1 5 , 1 curiositatis improsperae.

minatur Fortuna

quod 15,2

saevior.

S. § 4 9 9 .

6 V 6 , 6 ne quando sororum pernicioso Consilio suasa de forma mariti quaerat neve se sacrilega ositate de tanto fortunarum suggestu pessum deiciat nec suum postea contingat amplexum.

curi-

37 Psyche und Cupido

459

Seele deiner P s y c h e " . 1 Als das Licht des Tages naht, entschwindet Cupido aus den Armen der Gemahlin. 2 Der Gott, welcher Schweigen verlangt, ist Harpokrates, s. § 1 5 6 und Abb. 9 , 6 6 , 6 8 , 1 2 2 1 2 4 , 1 2 7 und 1 4 3 . Den Initiierten ist verboten, über die Mysterien zu sprechen. Das gilt auch gegenüber den leiblichen Verwandten. Der Myste ist in eine neue Gemeinschaft eingetreten; er hat jetzt geistliche Brüder und Schwestern, und die neue Bindung hat Vorrang vor der Blutsverwandtschaft. -

Erster Besuch der Schwestern; zweite und dritte Warnung (V 7 - 1 3 ) § 7 5 8 Die Schwestern klagen auf dem Felsen; Psyche ruft ihnen tröstend zu und befiehlt dem Zephyr, sie hinabzuführen. Der Wind befolgt den Befehl „in ganz lindem W e h e n " . 3 Psyche zeigt den Schwestern das goldene Haus; sie hören die Stimmen der unsichtbaren Diener, baden und genießen die Speisen an dem nicht-menschlichen Tisch. 4 Die Schwestern werden neidisch; die eine fragt neugierig {curiose), wer denn der Herr dieser himmlischen Dinge, wer ihr Gemahl sei. 5 Psyche ist vorsichtig und behauptet, er sei jung und schön und habe gerade den ersten Flaum der Barthaare. 6 Dann beschenkt sie die Schwestern mit Schmuck und läßt sie durch den Zephyr wegbringen. Zuhause angekommen wüten die Schwestern vor Neid. „Sieh n u r " , sagt die eine, „was für eine einseitige, wilde, ungerechte F o r t u n a ! " 7 Sie hat begriffen, daß Psyche einen G o t t zum Gemahl hat; 8 „am Ende wird dieser sie vielleicht auch zur Göttin erheben^ ja wirklich, sie gibt sich auch bereits, als sei sie eine G ö t t i n " . ^ Ebenso neidisch ist die andere Schwester. § 7 5 9 Cupido warnt erneut: „ N o c h droht Fortuna nur aus der F e r n e . " 1 1 Die Schwestern werden Psyche schurkische Fallen 1 2 stellen und ihr raten, das Gesicht des Gatten zu sehen; aber wenn sie es einmal gesehen habe, dann werde sie es nie wieder sehen dürfen. Psyche sei schon schwanger. „Wenn du unser Geheimnis mit Schweigen bedeckst, wird das Kind göttlich, wenn du es den Nicht-Geweihten preisgibst, sterblich s e i n . " 1 3 1 mi mellite, mi marite, tuae Psychae dulcis anima. - Man könnte dies ins Griechische übersetzen mit Ψυχής ψυχή, vgl. V 13,4 Psychae animam. Dies könnte als Indizium dafür gewertet werden, daß Appuleius eine griechische Fassung des Psyche-Mythos gekannt hat. 2

luce proxumante

3

V 7,5 clementissimis

de manibus uxoris

evanuit.

4

inhumanae

5

quis illarutn caelestium rerum dominus, quisve ν el qualis ipsius sit maritus.

6

V 8,4 esse iuvenem quendam et speciosum,

7

en orba et saeva et iniqua

flatibus.

mensae. commodum

lanoso barbitio genas

inumbrantem.

Fortuna!

de o marito potita. 9 dea m quoque illam deus maritus 8

deam spirat

efficiet.

mulier.

11

V 11,3 velitatur Fortuna

12

eminus.

nefarias insidias. Vgl. XI 15,3 nefariae

Fortunae.

V 11,6 infantem . . . si texeris nostra secreta silentio, divinum, si profanaveris, 11,3 magno silentio tegendae religionis, XI 21,7 magna religionis . . . silentio. 13

mortalem.

Vgl. XI

460

3 7 Psyche u n d C u p i d o

Als die Schwestern sich zu einem neuen Besuch auf den Weg machen, warnt Cupido zum drittenmal: „ H a b Mitleid mit dir und mit uns." 1 Psyche soll in frommer Enthaltsamkeit 2 die Schwestern nicht wieder empfangen, die sie wegen ihres bösartigen Hasses nicht mehr „Schwestern" nennen darf. 3 Aber Psyche bettelt: Sie habe Treue und Wortkargheit 4 bewiesen; „wenn ich schon dein allerheiligstes Bild nicht sehen darf, laß mich wenigstens die Schwestern sehen". 5 „Ich frage schon nicht weiter nach deinem Antlitz, die dunkle Nacht stört mich schon nicht mehr; 6 teneo te, meum lumen, ich halte dich, mein Licht". Der Gatte gibt nach und verschwindet vor Sonnenaufgang: Praevertit... lumen nascentis diet, „er kommt dem Licht des entstehenden Tages zuvor".

Zweiter Besuch der Schwestern (V 14-16) § 760 Die Schwestern eilen auf den Felsen und springen „in frecher Kühnheit" 7 herab; der Zephyr erinnert sich an den Befehl des „Königs", 8 sie zu tragen, und bringt sie heil hinab. Ohne zu zögern dringen sie sofort in das Haus ein, 9 sie, „die nur noch lügnerisch vorgeben, Schwestern zu sein". 1 0 Sie zeigen sich hocherfreut über Psyches Schwangerschaft: „Wie glücklich werden wir sein, wenn wir uns über das Nähren eines goldenen Kindes freuen werden! Wenn er, wie es sich gehört, so schön wie seine Eltern sein wird, wird wirklich ein Eros geboren werden." 1 1 Sie fragen Psyche nach ihrem Mann: Wie er aussehe, aus welchem Haus er komme? Psyche hat vergessen, daß sie schon einmal eine erfundene Beschreibung des Gatten gegeben hat, und sagt: Er sei ein Kaufmann aus der benachbarten Provinz, schon mittleren Alters mit graumelierten Haaren: iam medium cursum12 aetatis agere interspersum rara canitie. Dann schickt sie die Schwestern fort.

1

V 12,5 tut nostrique

2

religiosa

miserere.

continentia.

3

quas tibi..

4

V 13,1 fidei atque

parciloquio.

5

in vicem denegatae

sacrosanctae

6

V 13,5 nec quicquam

. sorores appellare

amplius

non licet. imaginis tuae redde saltem conspectum in tuo vultu require,

iam nil officiunt

sororum. mihi nec ipsae nocturnae

tene-

brae. 7 licentiosa cum temeritate. Sie sind in X I 21,6, w ü r d e es wagen, ungerufen numero tarn perditae mentis ν el immo temerarium (!) atque sacrilegum audeat

der T y p o s des Ungeweihten. Keiner der Isismysten, sagt der Priester ins Innere des Tempels zu gehen: nec tarnen esse quemquam de suo destinatae mortis, qui, non sibi quoque seorsum iubente domina, ministerium subire noxamque letalem contrahere.

8

V 1 4 , 2 regalis edicti Die Benennung „ K ö n i g " h a t n u r auf der religiösen Ebene Sinn; H o r o s - H a r p o krates ist der König Ägyptens. 9 10

domum

penetrant

sorores nomine

- w a s sie nie g e d u r f t hätten. mentientes.

11

O nos beatas, quas infantis aurei nutrimenta respondent, prorsus Cupido nascetur. 12

D a s W o r t soll a n den Lauf der Sonne erinnern.

laetabunt!

qui si parentum,

ut oportet,

pulchritudini

37 Psyche und Cupido

461

Als diese wieder allein sind, beraten sie darüber, daß Psyche so widersprüchliche A n g a b e n über ihren Gatten gemacht hat (V 1 6 , 1 ) :

Quid, soror, dicimus ... ? tunc adolescens modo fiorenti lanugine barbarti instruens, nunc aetate media candenti canitie lucidus. Quis ille, quem temporis modici spatium repentina senecta reformavit? „ S c h w e s t e r , was sollen wir dazu sagen . . . ? D a m a l s w a r er ein Jüngling, dem mit aufblühendem F l a u m gerade der B a r t zu wachsen begann; jetzt ist er mittleren Alters, leuchtend (!) mit glänzendem (!) w e i ß e m H a a r ? W e r k a n n er sein, den ein so kurzer Z e i t r a u m zu plötzlichem Alter verwandelt 1 h a t ? " Die Schwester deutet zunächst auf das erste und zweite Stadium, a u f den Jüngling und den M a n n mittleren Alters, spricht aber auch s c h o n v o m dritten Stadium, dem r a s c h e n Greisenalter.2 Eine A n t w o r t a u f die Fragen wird nicht gegeben. Sie sind a n den Leser gerichtet, ein R ä t s e l , welches er lösen wird: der Sonnengott. D a ß dieser Cupido nicht nur E r o s ist, sondern a u c h H e l i o s , ist klar aus den vielen Anspielungen a u f das glänzende Licht und aus seinem regelmäßigen Verschwinden vor Sonnenaufgang. Eros und Helios verbunden in einer Person ist H a r p o k r a t e s , G o t t der Liebe, der Sonne und des Schweigens. Aus den widersprüchlichen Auskünften der Psyche schließen die S c h w e s t e r n , d a ß sie das Gesicht ihres M a n n e s nicht kennt, daß sie also wirklich mit einem G o t t verheiratet ist und ein göttliches Kind gebären wird. Dies wollen sie verhindern.

Dritter Besuch der Schwestern; sie warnen vor dem Drachen (V 1 7 - 2 1 , 2 ) § 7 6 1 Beim nächsten Besuch warnen sie Psyche vor dem Schlangendrachen, der sie auffressen werde: „ D i e W a h r h e i t ist, wie wir erfahren haben, daß eine riesige Schlange, die in vielen K n o t e n und W i n d u n g e n einher kriecht, im Verborgenen bei dir r u h t . " 3 D a s O r a k e l des Apollon hatte ja angekündigt, daß Psyche v o m Schicksal ausersehen sei zur H o c h z e i t mit einer trotzigen B e s t i e . 4 W e n n der D r a c h e Psyche ausreichend gemästet habe, werde er sie fressen. Psyche erschrickt furchtbar. Sie verliert die E r i n n e r u n g 5 an die E r m a h n u n g e n des G a t t e n , an ihre eigenen Versprechungen und bestätigt den Schwestern, daß sie den G e m a h l n o c h nie gese-

1

V 16,2 reformavit

= μετεμόρφωσεν.

2 Vgl. § 158/9 und § 366 (Gebet an den Sonnengott): „Der du abends als Greis untergehst", P. G. M. IV 1695 = Abrasax I 114 δύς όψέ γέρων. I 33 ό πρωίας νεαρός και όψέ πρεσβύτης sowie Abrasax I 29 und 31 und 79. 3 V 17,3 pro vero namque comperimus tecum noctibus latenter adquiescere.

. . . immanent

colubrum

multinodis

voluminibus

serpentent

.. .

4 trux bestia. Die Schwestern bezeichnen den Gatten der Psyche auch noch als saevissima bestia (ganz wilde Bestie) und als venenatus serpens (giftige Schlange). - Cupido-Harpokrates ist der Schlangengott Agathos Daimon. - Schon Sappho hatte Eros als eine bittersüße Schlange bezeichnet (fr. 130 Lobel-Page). 5 memoriam effudit. Erinnern und Vergessen (μνήμη und λήθη) sind zentrale Begriffe bei den Orphikern und bei Piaton; sie hängen mit der Lehre von der Seelenwanderung zusammen. In der Partie des Phaidros, welche wir in § 765 zur Erklärung von V 2 2 - 2 4 heranziehen werden, kommt das Vergessen vor (p. 248C8).

462

3 7 Psyche und Cupido

hen hat: Er flieht vor dem Licht 1 und droht ihr mit großem Unglück, wenn sie Neugier nach seinem Gesicht habe. 2 Psyche bittet die Schwestern um Rat; eine von ihnen antwortet: „Wir werden dir den Weg zeigen, auf dem du zum Heil kommen kannst."-* Die Absicht der Schwester ist böse. Aber Psyche wird dennoch auf diesem Weg zum Heil gelangen. Im XI. Buch sagt der Isispriester in seiner ersten Predigt zu Lucius: „Die blinde Fortuna hat dich, während sie dich mit den schlimmsten Gefahren quält, in ihrer Bosheit und ohne die Zukunft vorauszusehen zu dieser religiösen Glückseligkeit geführt." 4 Dasselbe gilt hier für den bösen Rat der Schwestern. Psyche soll ein Messer bereitlegen: dann „nimm eine geeignete Lampe, 5 fülle sie mit Öl, laß sie mit hellem Licht nach vorne scheinen und stelle sie unter ein schützendes T o n g e f ä ß " / Wenn der Gatte eingeschlafen ist, soll Psyche „die Lampe aus der Gefangenschaft im dunklen Versteck befreien und die Gelegenheit zu ruhmvoller Tat ergreifen, zu welcher das Licht r ä t " ; 7 sie soll der neben ihr ruhenden Schlange den Kopf abschneiden. Auf der Erzählebene sagt die Schwester, Psyche solle ihren Gatten töten. Aber sie soll auch nach dem Rat handeln, welchen das aus der Dunkelheit befreite Licht ihr gibt. Das Licht wird nicht zum Mord raten, sondern zum Heil. -

Psyche erblickt Cupido; die curiositas (V 21,3-24) § 762 Psyche bereitet Messer und Lampe vor. Als der Gatte eingeschlafen ist, holt sie die Lampe und sieht voll Erstaunen seine Schönheit; beim Anblick des Gottes wird das Licht der Lampe fröhlich und leuchtet hell auf, 8 sogar die frevlerische Klinge erglänzt. 9 Zunächst erschrickt Psyche; 10 aber bald faßt sie wieder Mut. Sie sieht die schönen Haare des goldenen Hauptes. 1 1 Diese glänzen in so übermäßig blitzendem Glanz, daß das Licht der Lampe fast verlischt. Die Federn der Flügel glänzen hell, 12 der Körper ist glatt und leuchtend. 1 ·' 1 V 1 9 , 2 luctifuga. Im Gegenteil: Cupido ist mit Helios identisch. Um der ganzen Welt im Aufgehen zu leuchten, muß er von Psyche weggehen. 2

V 19,3 malumque

grande de vultus curiositate

praeminatur.

^ V 2 0 , 1 viam qua sola deducit iter ad salutem . . . monstrabimus 4

XI 1 5 , 2 Fortunae caecitas, impróvida produxit malitia.

dum te pessimis

periculis

tibi.

discruciat,

ad religiosam

istam

beatitudinem

5 Solche Windlampen - Tongehäuse zum Schutz kleiner Öllampen - sind erhalten. M a n sehe z. B. F. D u n a n d , Catalogue des terres-cuites gréco-romaines d'Égypte (Musée du Louvre, Département des antiquités égyptiennes, Paris 1990) Nr. 9 5 0 - 9 6 4 . Nr. 9 5 7 zeigt Eros und Psyche, sich umarmend.

^ V 2 0 , 2 lucernam aululae tegmine. 7

concinnem

V 2 0 , 4 caecae tenebrae Consilio mutuare. 8 9

V 2 2 , 2 Cupidinem

completam

custodia

liberata

oleo claro lumine praemicantem lucerna praeclari

tut facinoris

. . ., cuius aspectu lucernae . . . lumen hilaratum

subde

aliquo

opportunitatem

increbruit.

acuminis sacrilegi novacula praenitebat. V o m Sonnengott stammt alles Licht. 10 Die Stelle wird unten im Wortlaut zitiert (§ 765). 11 capitis aurei. 12 candicant. luculentum.

claudentis de

luminis

3 7 Psyche und Cupido

463

Neben dem Bett hat er Köcher, Bogen und Pfeile abgelegt, des großen Gottes gnädige Geschosse. 1 Psyche, die ohnehin recht neugierig (curiosa) ist, betrachtet und untersucht sie, nimmt einen Pfeil aus dem Köcher, befühlt die Spitze und sticht sich. So fällt sie in Liebe zum Liebesgott. 2 Sie küßt den Schlafenden. Ein Tropfen des heißen Öls fällt auf den Gott. Hem, audax . . . lucerna . . . , ipsum ignis totius dominum3 admis, „Was, freche Lampe, du verbrennst ihn, der Herr des gesamten Feuers ist! " Cupido erwacht und entfliegt. § 763 Auf der Erzählebene ist die curiositas4 der Psyche schuld an ihrem nachfolgenden Unglück, dem Verlust des Gatten. Cupido hatte sie mehrfach vor der frevlerischen Neugier (V 6,6 sacrilega curiositate) gewarnt; und an vielen Stellen in den Metamorphosen wird die curiositas als schlimme Sünde beurteilt.5 Auf der Ebene der Mysterien ist der Sinn ein anderer. Die Folge der curiositas ist, daß Psyche sich mit einem der Liebespfeile in den Finger sticht und in Liebe zu Amor-Cupido fällt. Diese Liebe kann nichts Böses sein. Auch hat das Wort curiosus in den Metamorphosen mehrfach positiven Sinn, so wenn Psyche im Demetertempel das durcheinanderliegende Erntegerät sorgfältig (curiosius) ordnet (VI 1,5) oder wenn Cupido von der ohnmächtig daliegenden Psyche den Schlaf sorgfältig (VI 21,3 curiose) abwischt. 6 Freilich, im Zusammenhang mit magischen Operationen bedeutet curiositas oft auch soviel wie „frevlerische Wißbegier". 7 Die Neugier nach der Magie der thessalischen Hexen ist es, welche Lucius zu einem Esel werden läßt und ins Unglück stürzt. Aber die rechte Magie, welche Zoroastres und Horomasdes bei den Persern eingerichtet haben, ist nach Piaton 8 eine Kunst, welche den Göttern willkommen ist. 9 In diesem Sinn waren Orpheus, Pythagoras, Empedokles, Sokrates und Piaton „Magier", „Männer, welche in neugieriger Weise die Vorsehung im Kosmos erforschen und die Götter mit größter Hingabe ehren". 1 0 1

magni dei propitia tela.

2 in Amoris incidit amorem. Der Gott wird hier Amor genannt, nicht Cupido. - Ganz in derselben Weise hatte Cupido sich mit seiner eigenen Waffe verletzt, als er auf Befehl der Venus Psyche in Liebe zu einem unwürdigen Menschen stürzen sollte (V 24,4 praeclarus ille sagittarius ipse me telo meo percussi). Hier werden die Geschicke der Psyche und des Cupido parallel geführt; s. weiter unten § 773 zu V 30. ^ dominum

ist überliefert (nicht deum).

4 Die curiositas ist oft besprochen worden. Man sehe (allgemein) H. J. Mette, Festschrift B. Snell (1956) 2 2 7 - 2 3 5 und A. Labhardt, Mus. Helv. 17, 1 9 6 0 , 2 0 6 - 2 2 4 , und speziell für Appuleius S. Lancel, Rev. Hist. Rei. 1 6 0 , 1 9 6 1 , 2 5 ^ 6 = Wege der Forschung 4 0 8 ^ 3 2 ; A. Wlosok, Philol. 113, 1 9 6 9 , 6 8 - 8 4 . 5

VI 2 0 , 5 und XI 2 3 , 5 temeraria curiositas.

6

Man sehe auch IX 12,2 familiaris curiositas, 13,3 ingenita curiositas, 15,3 genuina

7

Dasselbe gilt für das äquivalente griechische Wort περιεργία

8

Alkibiades I p. 122A, zitiert von Appuleius in der Apologie 25.

9 Apologie 2 6 Auditisne magian . . . artem esse dis immortalibus acceptam, pergnaram, piam scilicet et divini scientem . . . nobilem, caelitum antistitam.

curiositas.

colendi eos ac

venerandi

Apologie 2 7 Verum haec ferme communi quodam errore imperitorum philosophis obiectantur, ut . . . partim (sc. pbilosophorum) autem, qui providentiam mundi cur io si us vestigant et impensius deos celebrant, eos vero vulgo magos nominent, quasi facere etiam sciant, quae sciant fieri. Für die negative Wertung der griechischen „Neugier" (περιεργία) bei Hermes Trismegistos s. § 4 5 4 .

464

3 7 Psyche und Cupido

§ 764 Die curiositas der Psyche hat also zwei Seiten: Auf der Erzähl-Ebene hat Psyche das Gebot übertreten und wird bestraft. Aber ihre Verfehlung ist eine felix culpa: Sie hat nicht nur gefehlt, sie hat auch recht getan. Die Erzählung umspielt das Mysterium der Ehe, der Zeugung, des Lebens selbst. Psyches Tat ist einerseits sündig und andererseits, auf der rituellen Ebene, ein Abbild der sakramentalen Gottesschau. Ich vermute, daß diese Episode eine rituelle H a n d l u n g bei der Eheschließung der Isis- und Sarapisdiener umspielt. Wir können sie natürlich nicht rekonstruieren. Aber wir wissen aus dem XI. Buch, daß die L a m p e ein heiliger Gegenstand in den Isismysterien gewesen ist. Ihre Beschreibung hier (V 20,2 lucernam claro lumine praemicantem) kehrt bei der Isisprozession wörtlich wieder (XI 10,3). Wenn die Schwestern sagen, sie wollten Psyche den Weg zeigen, auf welchem sie zum Heil gelangen könne, so ist dies in der Erzählung betrügerisch und im Ritual w a h r : Der Weg zum Heil f ü h r t über die Isisweihe (zu welcher auch die Hochzeitsriten gehörten), über die Betrachtung des Gottes oder seines Bildes. 1 Die Vorschrift, Psyche solle dem Rat des Lichtes folgen (V 20,4 facinoris opportunitatem de luminis Consilio mutuare), hat nur auf der Ritual-Ebene Sinn: Der Rat des Lichtes wird immer sein: Betrachte den Gott, richte dein Leben nach ihm.

Die Beziehungen des Psyche-Mythos zu Piatons Phaidros § 765 Die Episode, in welcher Psyche ihren Geliebten Cupido-Eros betrachtet, bezieht sich in vielen Einzelheiten auf den Phaidros. 2 Piatons Schilderung vom Geschick der Psyche und von ihrer Liebe zum Schönen war eine der berühmtesten Stellen der antiken Literatur. Piaton beginnt mit dem Nachweis, daß die Seele unsterblich ist, weil sie sich selbst bewegt. 3 Es folgt das Bild, mit dem er ihr Wesen verständlich macht: Sie gleicht einem geflügelten Zweigespann mit seinem Wagenlenker, in welchem die drei Bestandteile ein einziges Ganzes bilden. Die Gespanne der Götter fahren zum Himmelsfirmament empor und darüber hinaus; im Jenseitigen erblicken sie das Ewige und Schöne. Für die Gespanne der Menschen ist es nicht leicht, sich so hoch zu erheben. N u r mit M ü h e gelingt es manchen, im Geist zum Anblick des Schönen emporzusteigen. Aber eben dies ist die Aufgabe, denn durch den Anblick des Schönen wachsen die Fittiche, mit deren Hilfe der Aufstieg möglich ist. Nicht mit Unrecht stehe in einem Vers der Homer i den 4 , Eros heiße eigentlich „Pteros": τόν δ' ήτοι ·θ"νητοί μέν Έ ρ ω τ α καλοϋσι ποτει,νόν, α θ ά ν α τ ο ι δέ Π τ ε ρ ω τ ά διά π τ ε ρ ο φ ύ τ ο ρ ' ά ν ά γ κ η ν „ihn nennen die Menschen den fliegenden Eros, aber die Götter Pteros (Flügel-Eros), weil er die Flügel mit Notwendigkeit wachsen läßt".

1 D a ß ein ekstatisches Betrachten des Gottesbildes zum Ritual der Isis-Religion gehörte, ergibt sich aus XI 24,5; dort „genießt (Lucius) die unaussprechliche Freude an der göttlichen Statue durch und durch", inexplicabili voluptate simulacri divini perfruebar. 2 Klar dargelegt von R. Foerster, Philologus 75, 1919, 1 3 4 - 1 3 6 ; vgl. weiter P. Grimal, Introduction zur kommentierten Edition (Apulée, Métamorphoses IV,28-VI,24, Paris 1963) 1 2 - 1 4 = Wege der Forschung 6 - 7 ; R. Thibau, Les Métamorphoses d'Apulée et la théorie platonicienne de l'Eros; P. G. Walsh 2 0 6 ; J. Tatum, Apuleius 57. 3

Phaidros p. 2 4 5 - 2 5 2 .

^ Der Nachkommen Homers.

37 Psyche und Cupido

465

Der Anblick des Schönen bedeutet Glück und einen Vorgeschmack der Unsterblichkeit. Dies gilt auch für Psyche, wenn sie das Schöne in Gestalt des Cupido sieht: „Sie erblickt ihn selbst, Cupido, den schönen Gott, wie er schön ruht." 1 Im Phaidros wird beschrieben, wie ein Mensch, dessen Seele einst das jenseitige Schöne gesehen hat, beim Anblick der irdischen Schönheit an jenes höhere Schöne erinnert wird: „Wenn der voll Eingeweihte, der in der Vergangenheit viel erblickt hat, ein gottähnliches Gesicht sieht, in welchem die (jenseitige) Schönheit gut nachgebildet ist, oder die Gestalt eines schönen Körpers, dann erschaudert er zunächst. . ., dann aber verehrt er ihn wie einen G o t t . . . Und wenn er ihn gesehen hat, dann ergreift ihn sozusagen ein Umschlag aus der Eiseskälte zu Schweiß und ungewohnter Hitze; denn indem die Emanation der Schönheit durch die Augen in ihn eingedrungen ist, wird er heiß." 2 Auf diese Stelle bezieht sich Appuleius: „Aber Psyche war von diesem Anblick erschreckt und fassungslos; von auszehrender Schwäche ergriffen und zitternd ging sie in die Knie . . . Aber indem sie länger die Schönheit des göttlichen Gesichtes betrachtet, faßt sie wieder M u t . " 3 Bei Piaton heißt es, daß der Anblick des Geliebten „blitzt", 4 daß die Schönheit „leuchtet" 5 und „aufs hellste glänzt". 6 Dem entspricht bei Appuleius, daß Cupidos Haare „von übergroßem Glanz blitzen". 7 Piaton sagt, daß die Seele nicht freiwillig aufhört, die Schönheit zu betrachten. 8 Ebenso betrachtet Psyche den Geliebten unersättlich (V 2 3 , 1 insatiabili animo). -

Cupido entfliegt; Psyche versucht, ihm zu folgen § 766

Als Cupido erwacht und wegfliegt, versucht Psyche, ihm zu folgen (V 2 4 , 1 ) : At Psy-

che statim resurgentis eius crure dextero manibus ambabus adrepto sublimis evectionis adpendix miseranda et per nubilas plagas penduli comitatus extrema consequia tandem fessa delabitur solo. „Aber als er aufstand, ergriff Psyche sogleich mit beiden Händen sein rechtes Bein und war ein jammervolles Anhängsel seines Flugs nach oben; hängend begleitet sie ihn bis zu den hohen Wolken, aber schließlich gleitet sie ermattet zur Erde nieder." -

1 V 22,2 videt . . . ipsum illum Cupidinem formosum deum formose cubantem. Man hat schon oft das Gebet an Eros in P. G. M. XII 40 (Abrasax I S. 68) verglichen: επικαλούμαι σέ, τον έν ττ) καλή κοίττ), τον έν τψ ποθεινω οίκω „ich rufe dich an, du auf dem lieblichen Lager, du in dem lieblichen Haus". 2 251A ό δ' άρτιτελής, ό των τότε πολυθεάμων, οταν θεοειδές πρόσωπον ι'δηι, κάλλος εΰ μεμιμημένον, τ^ τινα σώματος ίδέαν, πρώτον μέν εφριξε . . : είτα προσορών ώς θεόν σέβεται . . . ίδόντα δε αυτόν οιον έκ της φρίκης μεταβολή τε και ίδρώς και ϋερμότης άή-θης λαμβάνει· δεξάμενος γαρ τοΰ κάλλους τήν άπορροήν διά των ομμάτων έθερμάνθη. 3 V 22,3 At vero Psyche tanto aspectu deterrita et impos animi marcido pallore defeda tremensque desedtt in imos poplites. . . . iamque . . . dum saepius divini vultus intuetur pulchritudinem, recreatur animi. 4 254B5 την όψιν... άστράπτουσαν. 5

250D1 ελαμπεν (sc. τό κάλλος).

6

250D3 στίλβον έναργέστατα.

7

V 22,5 splendore nimio

8

252Α1 έκοΰσα είναι ουκ απολείπεται.

fulgurante.

466 37 Psyche und Cupido Vom Phaidros her, d. h. nach dem Mysteriensinn interpretiert, erweckt dieser Satz Hoffnungen: Psyche hat ihren Gemahl ein Stück weit bei seinem Flug nach oben begleitet. Sie hat ihren Weg zusammen mit Gott genommen, 1 dem Gott folgend ( c o n s e q u i a ) , 2 immerhin bis hoch in die Wolken, und ist erst dann wieder hinabgeglitten. 3 Die Schau des Cupido-Harpokrates eröffnet ihr die Hoffnung, wieder mit ihm vereint zu werden. Eine mögliche Interpretation ist: Psyche hat die erste Weihe erhalten; im Leben der Isismysten: Das Mädchen hat geheiratet. Sie muß nun wieder zurück in das Leben auf der Erde; so wie auch Isis selbst bei Plutarch in ewiger Bewegung ist und nie zur Ruhe im Einen, in Osiris, kommt. Die Isismysterien sind zu einem guten Teil aus den eleusinischen abgeleitet. Auch Piaton spielt oft auf diese Mysterien an. Als im Phaidros davon die Rede ist, daß die Seelen vor der Geburt durch die Schau des jenseitigen Schönen geweiht wurden, heißt es: „Wir wurden eingeweiht, wobei wir Erscheinungen sahen, die zur Gesundheit führen und von der Art des Einen (= des Guten) sind und keine Furcht einflößen und glücklich machen; in Anschauen erhielten wir die Weihe, in reinem Licht und als Reine." 4 Der Isis-Myste Appuleius hat den Wörtern Piatons wieder den ursprünglichen Mysteriensinn verliehen. -

Cupido nimmt Abschied; Pan tröstet Psyche (V 2 4 , 2 - 2 6 , 1 ) § 7 6 7 „Aber der liebende Gott verließ die auf dem Boden Liegende nicht"; 5 er flog auf eine nahe Zypresse. Er macht der „dummen Psyche" 6 Vorwürfe und kündigt Rache an den bösen Schwestern an. Das verzweifelte Mädchen stürzt sich in den nahen Fluß; aber der „ m i l d e " 7 Fluß läßt sie nicht ertrinken, sondern setzt sie am Ufer auf einer grünen Wiese aus. 8 - Literarisches Vorbild ist der Mythos der Io, die sich, in Ägypten angekommen, in den Nil stürzte; sie wurde aus der Kuh in das Mädchen zurückverwandelt und vom Nilgott selbst auf den Schultern zur rettenden Landesgöttin (Isis) gebracht. Vgl. Abb. 21 und Abb. 6 5 = Farbtafel III. Neben dem Fluß saß der Hirtengott Pan. Das Unglück der Psyche ist ihm bekannt. Er sagt ihr, daß sie nie wieder versuchen solle, sich selbst zu töten, 9 und tröstet sie (V 2 5 , 6 ) : „Höre auf 1 249C3 συμπορευθεΐσα θεώι. 248C3 θεώι ξυνοπαδός γενομένη. 249D6 δταν ó τήιδέ τις όρων κάλλος . . . πτερώται, άναπτερούμενός τε και προθυμούμενος άναπτέσθαι, άδυνατών δέ κτλ. 2 Dies erinnert an den pythagoreischen Spruch „Folge dem Gott", έπου -θεώι, auf den Piaton oft anspielt und den auch Appuleius zitiert (De Platone II 23). 3 Im Phaidros ist die Rede von der Psyche, welche ihre Federn verliert und dahintreibt, bis sie auf Festes trifft (246C2): ή δέ πτερορρυήσασα φέρεται εως αν στερεοϋ τίνος άντιλάβηται. Piatons φέρεται entspricht dem delabitur bei Appuleius V 24,1. 4 250C3 ολόκληρα δέ και άπλα καί άτρεμη και εύδαίμονα φάσματα μυούμενοί τε και εποπτεύοντες έν αύγηι καθαραι καθαροί δντες. 5 6

V 24,2 nec deus amator humi ¡acentem V 24,3 simplicissima Psyche.

deserens.

7

V 25,2 mitis (!) fluvius.

8

Dieses Sich-ins-Wasser-Stürzen ist eine neue Variante der voluntaria mors. Den Piatonikern war der Tod von eigener Hand verboten, s. Phaidon 62C und Appuleius, De Piatone

9

3 7 Psyche und Cupido

467

zu trauern und laß den Kummer. Verehre vielmehr den Eros als den höchsten der Götter mit Bittgebeten und verdiene ihn dir durch freundlichen Gehorsam." 1

Die Schwestern gestraft (V 26-27) § 768 N u n sucht Psyche auf hin- und herirrendem Weg 2 den Geliebten. Sie kommt durch die Städte, in welchen ihre Schwestern wohnen. Als diese hören, daß Cupido der unsichtbare Gatte gewesen ist, eilen sie zu dem Fels, um vom Wind ins Tal hinabgetragen zu werden; sie wollen nun selbst Gemahlinnen des Gottes werden. Aber diesmal trägt sie kein Zephyr. Sie springen in den Tod. Dies ist die Strafe, welche die Nicht-Geweihten ereilt, wenn sie sich zu den Mysterien drängen. Vgl. den Sturz des Icarus (§ 430 mit Abb. 59 und 71). -

Psyche auf der Suche, Cupido versengt: Chaos auf der Erde (V 28,1-5) § 769 Psyche quaesitiotti Cupidinis intenta populos circumibat „Psyche, auf der Suche nach Eros, ging durch die Lande": Es beginnt die „Suche" (ζήτησις) der Psyche nach dem vermißten Gatten. - Sie wiederholt die Suche der Demeter nach Persephone, der Astarte-Aphrodite nach Adonis, der Isis nach Osiris, der Io nach Epaphos. Diese Suche wurde in allen Isisprozessionen nachvollzogen. Platonisches Vorbild ist wieder der Phaidros, wo es von der liebenden Psyche heißt: „Sie läuft in ihrer sehnsüchtigen Liebe dorthin, wo sie hofft, ihn zu erblicken, der die Schönheit besitzt." 3 Venus schwimmt im Ozean; eine Möve 4 meldet, daß ihr Sohn mit Verbrennungen krank darniederliege; da Cupido abwesend und sie, Venus, am Ozean sei, habe auf der Erde alle Liebe aufgehört: . . . ac per hoc non voluptas ulla, non gratia, non lepos, sed incompta et agrestia et hórrida cuncta sint, non nuptiae coniugales, non amicitiae sociales, non liberum caritates, sed enormis colluvies et squalentium foederum insuave fastidium. und darum gibt es keine Wonne, keine Gunsterweisung, keinen fröhlichen Scherz, vielmehr sei alles ohne Schmuck, bäuerisch, struppig; es gebe keine Eheschließungen, kein SichTreffen mit Freunden, keine Liebe zu den Kindern, sondern alles sei regelloses Durcheinander und bittere Verachtung der schmutzigen Verbindungen(P)." 5 Auf der Erde herrscht Chaos, s. § 68, 81 und 93. II 2 3 etsi in eius (sc. sapientis) manu est mortis facultas, quamvis sciât se terrenis esse meliora, accerset sibi tarnen earn. Für die Isismysten gilt dasselbe.

relictis

consecuturum

1

V 2 5 , 6 Luctum desine et pone maerorem precibusque potius Cupidinem deorum maximum percole et . . . blandís obsequiis promerere. Parallelen zu den letzten drei Wörtern mehrfach in Buch XI, s. § 4 8 9 zu XI 6,7. 2

V 2 6 , 1 pererrasset.

3

2 5 1 E θεΐ δέ π ο θ ο ύ σ α ό π ο υ αν ο'ιηται ο ψ ε σ θ α ι τ ο ν έχοντα τό κάλλος.

Vgl. Plutarch, De Iside 2 7 und 54 (hier § 468) über die π λ ά ν α ι der Isis.

4 Im M y t h o s der Ιο meldet ein Habicht dem Zeus, daß Hera die in eine Kuh verwandelte Io durch Argos bewachen lasse. Die letzten Worte sind schwerlich richtig überliefert. Sinnvoll wäre etwa: et squalen*/.**... H



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A b b . 3 Frontalansicht und Grundriß des Iseums zu Pompei O b e n : Über sieben Stufen führt eine Treppe zum Podium des Tempels empor, dessen D a c h von sechs Säulen getragen wird. An den beiden Seiten je eine Aedicula mit Platz für eine Statue. W e n n die breite Tempeltür geöffnet wurde, blickte m a n ins Innere der Cella. Unten der G r u n d r i ß mit den sechs Säulen des Podiums, den beiden seitlichen Aediculae und der Cella. M a n beachte, wie klein die Cella ist. Die M o s a i k e n sind heute zerstört. Nach Alla ricerca S. 8 und 84 Nr. 7.10. Zeichner: Francesco La Vega, noch im 18. Jahrhundert.

489

Abb. 3a Zum Vergleich ein Podiumstempel ähnlich dem zu Pompei: der Isistempel von Ras-elSoda südöstlich von Alexandria. Vgl. § 301. G. Grimm in „Götter Pharaonen" S. 32.

Abb. 3b Gemme: Thronende Isis mit Füllhorn und Steuerruder, darunter άλκή „Kraft". Philipp N r . 60 Ägyptisches Museum Berlin.

490 Abb. 4 Schematischer Plan des Iseums zu Pompei D a s Heiligtum grenzt nach Süden und Osten an die hohen Stützmauern des Theaters. M a n betrat das Heiligtum durch ein Tor an der nördlichen Ecke des Grundstücks (auf dem Plan rechts unten) und erreichte eine Säulenhalle (I), welche rings um den Hof des Tempels (II) lief. Der H o f (schraffiert) befand sich unter freiem Himmel. Es gab darin Altäre (hier nicht eingezeichnet); in der linken Ecke befand sich das Gebäude mit einer Zisterne, welche im Kult die Nilquelle repräsentierte (III). Hinter dem Tempel befanden sich zwei reich ausgemalte Räume, rechts das Zimmer mit den Ιο-Bildern (IV) und links jenes mit dem navigium Isidis (V). Die übrigen kleinen Zimmer, in welchen wohl Priester und Personal wohnten, werden hier übergangen. Der Tempel selbst (II) besteht aus zwei Teilen, der relativ kleinen Cella und dem Podium, dem von sechs Säulen umgebenen, erhabenen Platz vor der Cella, welcher als Bühne für die sakralen Schauspiele diente. Die Verehrer der Isis sind nicht in den Tempel eingetreten, sondern standen im Hof (oder in der Säulenhalle) und sahen dem Schauspiel auf dem Podium zu. Die priesterlichen Schauspieler konnten ungesehen links hinten über eine Treppe ins Tempelinnere gelangen und durch das Portal auftreten. Die eigentliche Cella wird durch eine quer geführte Mauer nochmals in zwei Teile geteilt. Auf der Mauer dürften sich tragbare Figuren der ägyptischen Götter befunden haben, die zur Verehrung durch die Isisdiener aus dem geschlossenen R a u m auf die offene Bühne zwischen den Frontsäulen gebracht werden konnten, wie man dies auf der Zeichnung des verlorenen Frescos im H a u s Josephs des II. sieht (Abb. 5). Der Platz vor der Mauer ist eng, fast nur ein Gang, die Mauer und der Platz darüber verhältnismäßig breit. Rechts und links von der Tempelfront je eine Nische für eine Statue. In einer Nische an der Hinterfront des Tempels befand sich eine Statue des Dionysos. Vgl. § 2 3 7 und 301. Planskizzen des Heiligtums bei V. Tran Tarn Tinh, Pompéi pl. I 1 und in Alla ricerca tav. I (S. 86).

491

492

ν .

• ι-

Abb. 5 Präsentation der Götterbilder (Pompei, Iseum) Zeichnung eines zerstörten Frescos in der Casa di Giuseppe II in Pompei (Haus VIII 2,38-9). Dargestellt ist ein Podiumstempel, der dem Isistempel zu Pompei sehr ähnlich ist. Vor den Säulen der Tempelfront sind vier Statuen aufgestellt, die vermutlich für diese Zeremonie aus dem Inneren hervorgeholt worden sind. Links sitzt Sarapis; er steckt seine rechte Hand aus, die vermutlich eine Schale gehalten hat; dann Harpokrates mit dem Finger am Mund auf einem hohen Postament; daneben Isis. Rechts von ihrer Schulter ist gerade noch der Hundskopf des Anubis kenntlich; der Rest der Gemäldes war schon abgebrochen, als die Zeichnung angefertigt wurde. Vor dem Tempel stehen drei Personen. Die erste hält in der Rechten wahrscheinlich ein Sistrum, in der Linken eine Räucherpfanne oder eine Situla. Die zweite Figur ist an einem Altar beschäftigt. Der Oberteil der dritten ist zerstört. Vgl. § 292, 301 und 501. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 133/4 Nr. 25 und in: Aufstieg und Niedergang II 17,3 1731 mit Tafel XIV Nr. 22 neben S. 1723. Zeichnung im Besitz des D. Α. I. Rom.

493

Abb. 6 Pompei, Iseum. In der rechten hinteren Ecke der Säulenhalle befand sich diese Statue der Isis in ägyptischer Tracht. Kunstvolle Frisur mit fünf Rosenblättern; zwei Schlangen bilden den Gürtel. In der linken, gesenkten Hand das Lebenszeichen (anch); die rechte Hand hielt ein Sistrum hoch. Inschrift: L. Caecilius Phoebus posuit. L(ocus) d(atus) d(ecreto) d(ecurionum). „Lucius Caecilius Phoebus hat (die Statue) errichtet. Der Platz wurde errichtet auf Beschluß des Collegiums der Zehnmänner." Vidman 485. Vgl. § 168 und 501. V. Tran Tam Tinh, Pompéi S. 156 Nr. 81 und L. I. M. C. Isis Nr. 62. Alla ricerca S. 68 Nr. 3.2. Neapel, Nationalmuseum. Photo Anderson.

Abb. 7 In der linken hinteren Ecke der Säulenhalle befand sich diese Statue der Venus, die aus dem Bad gestiegen ist und ihre Haare auswringt oder aus dem Meer aufgetaucht oder aus dem Meer entstanden ist. Vgl. § 167 Anm. Alla ricerca S. 7 0 Nr. 3.8. Neapel, Nationalmuseum.

494

A b b . 8 P o m p e i , Iseum. In der M i t t e der n o r d ö s t l i c h e n W a n d der Säulenhalle, g e n a u g e g e n ü b e r der z u m T e m p e l e m p o r f ü h r e n d e n T r e p p e u n d des T e m p e l t o r s , b e f a n d sich ein Fresco: Ein Priester h a t vor einer H a r p o k r a t e s s t a t u e einen Z w e i g niedergelegt u n d t r ä g t in den H ä n d e n zwei Leuchter. Im H i n t e r g r u n d T e m p e l l a n d s c h a f t . Vgl. § 156. V. Tran Tam Tinh, Pompci S. 135 Nr. 29 und L. I. M. C. Harpokrates Nr. 222. Nach O. Elia S. 7 fig. 7. Alla ricerca S. 41 Nr. 1.5 mit Farbaufnahme S. 116.

495

Abb. 9 Pompei, Iseum. Die Wände der Säulenhalle sind ringsum mit Fresken geschmückt, welche sich sozusagen über zwei Etagen erstrecken, jeweils mit einem Fries als Sockel und verschiedenartigen Darstellungen darüber. Als Beispiel hier die Zeichnung der Nordost-Wand rechts neben der Anbetung des Harpokrates (Abb. 8). Unten ein Fries mit phantastischen Meerestieren; darüber abwechselnd Isispriester und Landschaftsvignetten. Die Priester (und eine Priesterin) bewegen sich in Prozession auf das Harpokratesheiligtum zu (Abb. 10-15). Die Figur des linken Priesters ist identisch mit der in Abb. 11 gezeigten, die des rechten mit der in Abb. 12 wiedergegebenen. Priester und Landschaftsvignetten sind durch Streifen mit pfeilerartigen Architekturen getrennt. Unter den Pfeilern - ebenfalls abwechselnd - kleine Abbildungen mit Stilleben und Kriegsschiffen. Darüber ein breites Band, als Spiralornament gebildet. Es ist der Sockel für die obere Etage; darin in Kreisen verschiedenartige Tiere. Diese Etage ist vorwiegend mit Ornamenten verziert; es sind nur wenige Teile davon erhalten. Nach F. M. Avellino, Tempio d'Iside (Napoli 1851) tav. VII 2. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi pl. II 2. Alla ricerca S. 2 3 - 3 4 Nr. 1.1-1.52 mit genauem Nachweis der heute noch im Museum zu Neapel erhaltenen Teile. O. Elia tav. VII.

Einzelabbildungen aus der Priesterprozession von den Wandfresken (Abb. 1 0 - 1 5 ) Auf den Wänden der Säulenhalle zieht eine Prozession. Vgl. § 2 8 7 .

Abb. 1 0 Anubis mit Hundskopf-Maske Vgl. § 1 7 5 und 2 8 7 .

Abb. 11 Priester mit Palmzweig. Über ihm zwei Vögel.

V . T r a n Tarn T i n h , Pompéi S. 1 3 6 N r . 3 1 mit pl. V 3. Alla ricerca S. 4 9 N r . 1 . 3 6 und tav. VII (S. 9 2 , Farbaufnahme). L. I. M . C. Anubis N r . 4 3 (J. Leclant). Aus O . Elia S. 1 6 fig. 1 9 .

V. T r a n Tarn T i n h , Pompéi S. 1 3 6 N r . 3 2 mit pl. IV 2. Alla ricerca S. 4 1 - 4 2 N r . 1.6. Aus O . Elia S. 1 5 fig. 1 6 .

497

(Fortsetzung der Prozession)

A b b . 12 Priester mit heiliger S c h l a n g e (Symbol des Agathos D a i m o n - Harpokrates)

A b b . 13 Priesterin mit e r h o b e n e m Sistrum und Fruchtschale

In seiner H a n d ein R o s e n k r a n z . Hinter ihm eine Palme, über ihm ein Sphinx (oder eine Löwin?).

Sie spielt die Rolle der Isis. Vgl. § 211.

V. T r a n Tarn T i n h , Pompéi S. 1 3 7 N r . 34 mit pl. IV 1. Alla ricerca S. 4 2 N r . 1.8 mit tav. VII (auf S. 92, Farbaufnahme). Aus O . Elia S. 15 fig. 17.

V. T r a m Tarn Tinh, Pompéi S. 1 3 7 N r . 36 mit pl. IV 4. Alla ricerca S. 4 5 N r . 1.21. Aus O . Elia S. 17 fig. 21.

498

(Fortsetzung der Prozession)

Abb. 14 Schreiber-Priester (ίερογραμματεύς, πτεροφόρος)

Abb. 15 Junger Priester mit Situla. Er trägt keine Tonsur.

Er trägt eine Kappe mit Flügeln, steht also in der Rolle des Thoth-Hermes. Vgl. § 2 8 5 . Die π τ ε ρ ο φ ό ρ ο ι werden erwähnt bei Diodor I 87,8 und Hesych π 4 2 0 6 s. ν. πτεροφόροι. Vgl. auch Clemens Alex., Strom. VI 4,36 (p. 4 4 9 , 7 St.) und hier Abb. 145.

V . T r a n Tarn T i n h , P o m p é i S. 1 3 7 N r . 3 5 mit pl. IV 3. A l l a r i c e r c a S. 4 7 N r . 2 . 1 6 mit tav. VII ( F a r b aufnahme). A u s O . Elia S. 1 7 fig. 2 0 .

V . T r a n T a r n T i n h , P o m p é i S. 1 3 6 N r . 3 0 mit pl. V 2. Alla ricerca S. 5 2 N r . 1 . 4 6 . A u s O . Elia S. 1 6 fig. 1 8 .

499

Das Gebäude mit der Zisterne (Abb. 1 6 - 1 9 ) In der linken vorderen E c k e des Hofes befand sich ein Gebäude, das von außen den Eindruck eines kleinen T e m p e l s machte, aber in Wirklichkeit nicht überdacht war; s. die Z e i c h n u n g von Ph. H a k k e r t , A b b . 2 . D a s Innere des Gebäudes befand sich unter freiem H i m m e l , und darin w a r eine Z i s t e r n e , zu welcher eine T r e p p e hinunterführte. Das W a s s e r in der Z i s t e r n e hat gewiß als Nilwasser gegolten, und die Treppe erinnert daran, daß auch viele der N i l o m e t e r in Ägypten als T r e p p e gestaltet waren. M a n wird sich vorstellen dürfen, d a ß das heilige W a s s e r z u m G e b r a u c h beim Gottesdienst hier „ g e f u n d e n " und geschöpft wurde. - D i e m o d e r n e n G e l e h r t e n n e n n e n das G e b ä u d e m a n c h m a l „ P u r g a t o r i u m " oder „ M e g a r o n " o d e r besser „Nilometer". Kurze Beschreibung bei V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 3 4 - 3 5 .

A b b . 1 6 S t u c k v e r z i e r u n g a m linken T e i l der V o r d e r f r o n t des Gebäudes mit der Zisterne. Auf der W a n d links neben der T ü r die Stuckfigur einer Isis oder Isis-Priesterin. Nach Fr. Mazois, Les ruines de Pompéi IV (1838) pl. X I (nach S. 24). H. Mielsch, Römische Stuckreliefs (1975) S. 146, Κ 55.

A b b . 1 7 D e r heutige Stuckfigur der Isis

Zustand

der

V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 35 mit pl. I 2 und L. I. M. C. Isis Nr. 1. Photo D. Α. I. Rom.

500 Abb. 18 und 19 Figuren des Perseus und der Andromeda aus Stuck an der linken Seitenwand des Zisternengebäudes

Abb. 18 Perseus mit der unsichtbar machenden Hades-Kappe und den Flügelschuhen faßt Andromeda um den Leib und hebt sie in die Luft. Links und rechts davon zwei fliegende Eroten; der linke trägt ein Kästchen. Vgl. § 427, 626 und 750. Photo D. Α. I. Rom.

Abb. 19 Perseus und Andromeda (Zeichnung) Nach Fr. Mazois, Les ruines de Pompéi IV (1838) pl. Χ (nach S. 24). L. I. M. C. Andromeda I Nr. 101 (Κ. Schauenburg). H. Mielsch, Römische Stuckreliefs (1975) S. 146, Κ 55. Alla ricerca S. 83 Nr. 7.5.

501

Raum mit den Ιο-Bildern (Abb. 20-25) Der erste hinter dem Tempel befindliche Raum war an seinen drei fensterlosen Seiten mit je drei Bildern ausgemalt. Zwei der Mittelbilder behandeln den Mythos der Io, das dritte ist zerstört. Die seitlich angeordneten Bilder zeigen sakrale Landschaften. In der gelehrten Literatur benennt man diesen Raum mit dem willkürlich gewählten Ausdruck „Ekklesiasterion".

Abb. 20 Io, Hermes und der Wächter Argos Links Io mit schon sprossenden Hörnern, neben ihr die Kuh, in welche sie verwandelt worden ist. In der Mitte Hermes mit Flügelschuhen und Heroldsstab; er überreicht dem Wächter Argos die Syrinx. Vgl. § 120. Vgl. Abb. 64 aus der „Casa di Livia" auf dem Palatin in Rom. P. H e r r m a n n - R. B r u c k m a n n T a f e l 5 7 . N a c h O . Elia t a v . 2. V. T r a n Tarn T i n h , P o m p é i S. 36 (Parallelen). Alla ricerca S. 57/58 N r . 1.69 mit tav. XIV. L. I. M . C. Io N r . 36 (Ν. Yalouris). Neapel, Nationalmuseum.

502

Abb. 21 Io in Ägypten Als die Ιο-Kuh, von der Stechfliege verfolgt, nach Ägypten gekommen w a r , hatte sie sich verzweifelt in die Fluten des Nils gestürzt. Aber der Nilgott rettete sie, und Zeus verwandelte sie wieder in eine Frau. Auf dem Bild trägt der Nilgott die Io (mit K u h h ö r n e r n ) zu Isis. Diese begrüßt Io mit Handschlag. Isis trägt die Königskrone und in der H a n d eine Königsschlange (Aspis); sie setzt ihren Fuß auf ein Krokodil. Hinter ihr ein iVtann mit Sistrum, Situla u n d H e r o l d s s t a b in den H ä n d e n , wegen des Heroldsstabes wohl als Anubis zu deuten; d a n e b e n eine Frau mit Sistrum, Stab und Krone, vermutlich Nephthys. Rechts unten H a r p o k r a t e s mit Krone, den Finger a m M u n d , über einer Wasserkanne. Links unten ein Sphinx auf einem Postament. Vgl § 120, 749 und 767. Vgl. Abb. 65 aus der Casa del Duca d'Aumale. P. H e r r m a n n - R. B r u c k m a n n Tafel 56. N a c h O . Elia tav. 3. V. T r a n Tarn Tinh, Pompéi S. 1 3 8 - 1 4 0 N r . 4 0 und L. I. M . C. Isis N r . 2 6 5 . Alla ricerca S. 55/56 N r . 163 mit tav. XIV und XVI. L. I. M . C. Io N r . 6 5 (Ν. Yalouris). Neapel, N a t i o n a l m u s e u m .

503

A b b . 2 2 Kleiner T e m p e l in sakraler L a n d s c h a f t a m Flui? ( R a u m mit den Ιο-Bildern). H e u t e verloren. Vgl. § 1 9 2 . Nach O. Elia tav. 7. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 138, Nr. 39. Vgl. Alla ricerca S. 80 und S. 85 (Nr. 7.16) und S. 101 tav. XVI (links oben).

504

Abb. 2 3 Kleiner Tempel am Fluß, in dessen Tür eine Wasserkanne (Hydria) steht (Raum mit den Ιο-Bildern). Heute verloren. Vgl. § 192. N a c h O. Elia S. 35 fig. 31. V. Tran Tarn Pinh, Pompéi S. 140, Nr. 41. Vgl. Alla ricerca S. 85 (Nr. 7.16) und S. 101 tav. XVI (rechts oben).

505

A b b . 2 4 O p f e r vor einem Osiris-Heiligtum ( R a u m mit d e n Io-Bildern) In der M i t t e steht eine Osiris-Barke aufgerichtet zwischen zwei Pfeilern, die v o n einem Archit r a v v e r b u n d e n sind. Die Pfeiler sind sargartig gebildet; sie sind zu verstehen als die a u s e i n a n d e r g e n o m m e n e n Teile des Osirissarges. I n n e r h a l b b e f a n d sich die O s i r i s b a r k e , w e l c h e n u n zwischen den Pfeilern aufgerichtet ist. Auf der Barke sitzt ein Vogel, w o h l der P h ö n i x , das Tier der E r n e u e r u n g u n d der N i l f l u t . Z u der Barke f ü h r t eine steile T r e p p e e m p o r . D a v o r steht ein d u n k e l h ä u t i g e r Priester u n d bringt auf einem Altar ein O p f e r d a r . Links angelt ein Fischer in d e m F l u ß hinter d e m Osirisheiligtum. Im H i n t e r g r u n d Berge u n d sakrale G e b ä u d e . Vgl. § 192. O. Elia S. 33-34 mit tav. C (Farbaufnahme). V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 142/3 Nr. 45. Alla ricerca S. 57 Nr. 1.68 mit tav. XIII (S. 98, Farbaufnahme). Κ. Parlasca, Rom. Mitt. 95, 1988, 178-179. M. Malaise, Inventaire p. 280/1. Neapel, Nationalmuseum.

Durchgang von der Säulenhalle zum Raum mit den Ιο-Bildern (Abb. 25)

Abb. 25 Gemalter Kandelaber mit Isispriesterin Von der Säulenhalle aus gelangte man durch fünf Bogentüren in den Raum mit den Io-Bildern. An den Einfassungen der Eingänge waren Isispriesterinnen gemalt, die auf Kandelabern standen. Vgl. die ähnliche Priesterin aus der „Casa di Livia" in Rom Abb. 76/77 und § 211. O. Elia S. 23 fig. 27. Alla ricerca S. 54 Nr. 1.59. Neapel, Nationalmuseum.

507

Raum mit dem Navigium Isidis (Abb. 26-27) N e b e n d e m R a u m mit den Ιο-Bildern, in der linken hinteren Ecke der Säulenhalle, b e f a n d sich ein w e i t e r e r , m i t F r e s k e n a u s g e m a l t e r R a u m , d e m die m o d e r n e n G e l e h r t e n d e n N a m e n „ S a c r a r i u m " gegeben h a b e n .

A b b . 2 6 N a v i g i u m Isidis D e r o b e r e Streifen w i r d d u r c h die Büsten zweier W a s s e r g ö t t e r eingefaßt, w o h l Nil u n d O k e a nos. In der M i t t e zwei Barken aus Schilf. Isis steht in einer Schilfbarke u n d zieht a n einem T a u eine zweite B a r k e hinter sich her; d a r i n ein K a s t e n , auf w e l c h e m ein Falke (Sokar-Osiris, s. B o n n e t , Reallex. 7 2 3 - 7 2 7 ) a u f g e m a l t ist. Der Bauch des Tieres w a r hell; jetzt verblichen. In d e m K a s t e n k ö n n t e ein K r u g mit d e m Osiris-Wasser sein; m a n k ö n n t e a u c h a n eine Darstellung der R ü c k f a h r t der Isis aus Byblos nach Ägypten d e n k e n , welche v o n der Version Plutarchs a b w i c h . Vgl. § 114/5. Im u n t e r e n Streifen eine Cista mystica mit H a l b m o n d zwischen zwei g r o ß e n Schlangen; verm u t l i c h Isis u n d Sarapis. In der Cista mystica soll m a n sich w o h l die H a r p o k r a t e s - S c h l a n g e vorstellen. O. Elia S. 21-22 fig. 26. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 143/4 Nr. 47 und L. I. M. C. Isis Nr. 77. M. Malaise, Inventaire S. 279-280. Alla ricerca S. 60 Nr. 1.74. L. I. M. C. Agathodaimon Nr. 7 (F. Dunant). Neapel, Nationalmuseum.

508

Abb. 2 7 Isis und Sarapis thronen (Pompei, Iseum) Rechts und links von Sarapis zwei Schlangen, rechts ein Baum, um welchen sich eine Schlange windet. Links von Isis ein liegender Löwe und ein Skarabäus. D a r ü b e r zwei Schlangen und ein Kranz. Vgl. § 151. Nach O. Elia S. 21 fig. 25. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 145 Nr. 51 mit pl. Vili 1 und L. I. M. C. Isis Nr. 130. Alla ricerca S. 59 Nr. 1.71. Neapel, Nationalmuseum.

509

A b b . 2 8 N a r z i ß betrachtet sein Spiegelbild. A u s einem N e b e n r a u m . Er wird ertrinken u n d zu Osiris werden. Vgl. § 4 2 4 und 7 1 2 Anmerkung. N a c h M u s e o Borbonico XII tav. 7. Alla ricerca S. 62 N r 1.83 mit Abb. auf S. 61 oben rechts. Vgl. Abb. 50, Narziß beim Brunnenhaus des Octavius Q u a r t i o , 84 in der C a s a dell'Efebo und 85 in der C a s a dell'Ara massima. Neapel, Nationalmuseum.

510

Abb. 30

511

Abb. 3 1 - 3 2 Situla, Fortsetzung.

Abb. 2 9 - 3 2 Situla aus dem Iseum Die Zeichnung zeigt abgerollt, was auf der Kanne dargestellt ist. Von links: Leuchtturm (Pharos); Isispriesterin mit Geierhaube, ein Henkelkreuz (anch) umgehängt, hält einen Altar hoch, auf dem ein kleines Krokodil steht. Vor ihr Säule mit Schlange, davor Fackel. In der Mitte ein Bock (von Mendes) auf hohem Postament, dann ein brennender Altar, eine weitere Priesterin in Isistracht mit erhobenem Sistrum und hängender Situla, schließlich Affe (Thoth) auf Postament. Vgl. § 168. F. de Clarac, Fouille faite à Pompéi en présence de sa Majesté la reine des deux Siciles le 18 mars 1 8 1 3 , pl. 13. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 174 Nr. 142. München, Museum antiker Kleinkunst.

Abb. 32a Gemme: Isis mit Situla und Sistrum. Philipp Nr. 65. Ägyptisches Museum Berlin.

Abb. 32b Gemme: Isis stillt das Harpokrateskind. Philipp Nr. 63. Ägyptisches Museum Berlin.

Nillandschaft im Garten des Octavius Quartio (Abb. 33-50) In diesem Haus (II 2,5) wurde ein Bronzesiegel mit dem Namen des Octavius Quartio gefunden, und so nennen wir das Haus nach ihm. Früher hat man das Anwesen „Haus des Loreius Tiburtinus" genannt. Die Rückfront des Gebäudes und der Garten waren als eine Miniatur-Nillandschaft angelegt und mit ägyptisierenden Statuen und Fresken geschmückt (s. § 424). Ich beziehe mich auf die Rekonstruktionszeichnung bei V. Spinazzola und die dazugehörige erläuternde Skizze. Diese zeigt die Anlage von hinten; der Eingang zu dem Haus befindet sich oben hinter dem Gebäude. Im Vordergrund der Skizze, d. h. hinter dem Haus, befindet sich ein großer Garten, in dessen Mitte ein gemauerter Kanal, ein Nil en miniature, Wasser führte; er ist 25 m lang (Abb. 36). Beiderseits des „Flusses" befanden sich Laubengänge, Büsche und Bäume. Rechts oben die Hinterfront des Hauses, die als offene Laube gestaltet ist. Von hier aus blickte man auf den Garten. In dieser Laube verläuft nochmals ein kleinerer Kanal, der 10 m lang ist. Er ist quer zu dem Kanal im Garten angeordnet (Abb. 35), so daß die beiden Kanäle ein großes Τ bilden.

513

Abb. 33 Der Garten hinter dem Haus des Octavius Quartio Rekonstruktionszeichnung bei V. Spinazzola I S. 418 fig. 481.

Der Kanal unter der Laube liegt zwei Meter höher als der Kanal im Garten. Wo die beiden Kanäle zusammentreffen, befindet sich ein Tempelchen, das nur aus vier Säulen besteht und von einem Giebeldach bekrönt ist („Viersäulen-Aedicula"; auf der Planskizze mit dem Buchstaben D bezeichnet). Im Giebel befand sich eine Statuette der Artemis. Den Blick von der Laube am Haus durch die Viersäulen-Aedicula auf den Garten zeigt Abb. 36. Vom oberen Kanal aus konnte das Wasser über den Höhenunterschied von zwei Metern in den längeren unteren Kanal geleitet werden; wohl eine Miniatur-Abbildung der Wasserfälle des ersten Kataraktes bei Syene, in welche der aus Äthiopien kommende Nil nach Ägypten herabstürzte. Im unteren Geschoß des Tempelchens mit den vier Säulen, an derjenigen Stelle, wo der längere Kanal begann, ein Götterkopf (wohl der Nil) und ein zweiteiliges Fresco, auf welchem Aktaion die badende Diana sieht (Abb. 49). Neben dem kleinen „Nil" in der Laube, also gleich am Hause, hat man zwölf Statuetten gefunden. Eine von ihnen (Abb. 42) stellt den Nil dar, eine andere den Heraklesknaben, der eine Schlange erwürgt (Abb. 41). Ferner gab es einen Kopf des Dionysos-Sarapis (Abb. 38), einen Sphinx (Abb. 37) und zwei Löwen. Der Löwe spielt auf Afrika an, erinnert aber auch daran, daß die Nilflut eintritt, wenn die Sonne im Zodiacalzeichen des Löwen steht. Vgl. § 206. Vgl. P. Zanker, Jahrbuch des deutschen archäologischen Instituts 94, 1979, 4 7 0 - 4 8 0 und H. Mielsch, Die römische Villa (1987) 104.

514 Schematischer Octavius

Grundriss

Isisheiligtum mit Artemis . und Aktaion

A

des G a r t e n s hinter dem H a u s

des

Quartio o b e r e r Nil

Brunnenhans mit . N a r z i s s und P y r a m u s und Τh i sbe

Isisheiligtum

Β Vorbau;

beiderseits

d e r Tür A r t e m i s und

C B r u n n e n h a u s m i t N a r z i s s und P y r a m u s und D V i e r s ä u l e n t e m p e l c h e n , Ü b e r g a n g vom " W a s s e r f a l l " ; A r t e m i s und A k t a i o n

Aktaion Thisbe

oberen

zum u n t e r e n

E B r ü c k e über den U n t e r e n N i l , ä h n l i c h dem U n t e r b a u

Nil;

einer

Pyramide

Abb. 34 Skizze des Gartens hinter dem Haus des Octavius Quartio Die Laube über dem „oberen Nil" und die Statuetten und Basen neben ihm sind auf dieser Skizze nicht eingezeichnet. - Im Inneren des mit A bezeichneten Zimmers befindet sich ein Isisheiligtum. Beiderseits der Tür zu diesem Raum (B) sind die Fresken mit Artemis im Bad und dem von den Hunden angegriffenen Aktaion (s. Abb. 4 3 - 4 5 ) . An der Innenseite der Einfassungsmauer rechts (C) ist das Brunnenhaus mit Narziß, Pyramus und Thisbe (Abb. 50). Der Buchstabe D bezeichnet die Viersäulen-Aedicula, welche den Übergang vom oberen zum unteren Nil mit Wasserfall herstellt. Etwa in der Mitte des „unteren Nils" befindet sich eine Überbrückung des Wasserlaufs, welche wie der Unterbau einer Miniatur-Pyramide aussieht (E).

515

¡¡/iiì-;-

A b b . 3 5 H a u s des O c t a v i u s Q u a r t i o . Blick a u s d e r T ü r des Isisheiligtums (Planskizze A) auf d e n o b e r e n Nil. R e c h t s n e b e n d e m Nil die kleinen S t a t u e t t e n ( H e r a k l i s k o s , S p h i n x u n d a n d e re). A m h i n t e r e n E n d e des K a n a l s d e r N i l g o t t . D a s B r u n n e n h a u s (Planskizze D m i t N a r z i ß , P y r a m u s u n d Thisbe) liegt g a n z h i n t e n im Schatten. Fototeca Unione, American Academy in Rome.

516

Abb. 36 Blick aus der Laube hinter dem H a u s des Octavius Q u a r t i o durch die ViersäulenAedicula (Planskizze D) auf den unteren Nil. Der obere Nil verläuft unmittelbar h i n t e r dem S t a n d p u n k t des Betrachters. N a c h V. Spinazzola S. 4 0 6 fig. 463. Schöne F a r b a u f n a h m e mit demselben Blick bei La Rocca - de Vos Abb. 21 vor S. 353.

517

A b b . 3 6 a Blick auf den G a r t e n des O c t a v i u s Q u a r t i o mit d e m „ u n t e r e n N i l " , der d u r c h m o d e r n e H o l z s t ü t z e n eingefaßt ist. D a v o r die Statue einer M u s e , einer Begleiterin des D i o n y sos-Osiris (s. § 1 2 6 A n m e r k u n g ) . Links d a v o n die Viersäulen-Aedicula. Die B e t o n s t ü t z e n im V o r d e r g r u n d sind m o d e r n , a b e r d a ß der hier befindliche Teil auch im A l t e r t u m als L a u b e ausgestaltet w a r , steht a u ß e r Z w e i f e l . G a n z v o r n lief quer der „ o b e r e N i l " ; d a n e b e n rechts v o r n die in A b b . 3 7 wiedergegebene Sphinx-Statuette. Fototeca Unione.

518

A b b . 3 7 S p h i n x im H a u s Octavius Q u a r t i o

des

Nach V. Spinazzola I S. 398 fig. 454 (3).

A b b . 38 D i o n y s o s - S a r a p i s H a u s des Octavius Q u a r t i o

im

Nach V. Spinazzola I S. 398 Fig. 454 (1).

519

Abb. 39 Isisheiligtum des Octavius Q u a r t i o , auf der Planskizze Abb. 34 mit „ A " bezeichnet, rechte Seitenwand: Der Priester Amplus alumnus (?) Tiburs (?) (Vidman 490). Vgl. § 4 2 4 . P h o t o Alinari.

520

Abb. 41 Herakliskos

Abb. 40 Derselbe Priester, Detailaufnahme N a c h V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 124/5 Nr. 5 mit pl. VII 4. Pompei, Pitture e Mosaici III S. 7 5 - 7 7 (M. de Vos).

Statuette neben dem „oberen Nil": Der kleine Herakles erwürgt eine Schlange, welche die Stiefmutter ausgesandt hatte, um ihn zu töten. Dieser griechische H-E-Rakles ist allgemein mit dem ägyptischen Gott H-ORos bzw. H-A-Rpokrates geglichen worden, der auf vielen „Horosstelen" schlangenwürgend dargestellt wurde. Auch des Theokrit Gedicht „Herakliskos" ist in diesem Sinn doppelt zu interpretieren, griechisch und ägyptisch. Vgl. § 155 und 426 Anmerkung. N a c h V. Spinazzola S. 4 0 0 fig. 4 5 6 (1) (links oben).

521

Abb. 42 H a u s des Octavius Quartio, Laube Der Nilgott, der sich am Ende des oberen Nils befindet. Vgl. den Blick aus dem Isisheiligtum auf den oberen Nil in Abb. 35, w o man den Nilgott ganz am Ende erblickt. Vgl. § 192. N a c h V. Spinazzola S. 4 0 0 fig. 4 5 6 (3).

522 A b b . 4 3 - 4 5 H a u s des Octavius Q u a r t i o . A u ß e n t ü r zum kleinen Isisheiligtum: Artemis und A k t a i o n (Planskizze B) A k t a i o n , J a g d g e f ä h r t e und Freund der jungfräulichen A r t e m i s - D i a n a , hat versehentlich die G ö t t i n n a c k t im Bade erblickt. Dies bedeutete seinen T o d . Z w a r erhebt A k t a i o n die H a n d , um den Blick zu verdecken - aber schon sprießen ihm die Hirschhörner, schon fallen ihn die eigenen H u n d e an. Die Darstellung w a r n t Uneingeweihte, das Innere des Isisheiligtums zu betreten, zu sehen, was sie nicht sehen dürfen. Vgl. § 4 2 9 und 7 1 3 . V. Spinazzola S. 384 fig. 4 3 4 und 392/3 fig. 446/7. Kurz erwähnt bei V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 83. Pompei, Pitture e Mosaici III S. 100/1 fig. 87/88 (M. de Vos). L. I. M. C. Aktaion Nr. 98 (L. Guimond).

A b b . 4 3 Rekonstruktionszeichnung nach V . Spinazzola

523

A b b . 4 4 Artemis

Abb. 4 5 Aktaion

524

Abb. 45a Gemme: Isis pelagia, mit Kuhhörnern (cornua Lunae) und Sonnenscheibe auf dem Kopf, hält mit beiden Händen das Segel. Vgl. Abb. 100-102, 227-229 und 2 4 0 241. Philipp N r . 73. Ägyptisches Museum Berlin.

(Haus des Octavius Quartio)

Abb. 46 Der Zeus-Stier entführt Europa aus Phönizien über das Meer nach Kreta In einem der Schlafzimmer. Vgl. § 428 und 611. Nach V. Spinazzola S. 376 fig. 423.

525

A b b . 4 7 Z u m Vergleich: G i p s a b g u ß einer T o n f o r m aus M e m p h i s D e r Z e u s - S t i e r e n t f ü h r t E u r o p a aus P h ö n i z i e n ü b e r das M e e r n a c h Kreta. Ihr G e w a n d b a u s c h t sich wie ein Segel; sie hält es mit der r e c h t e n H a n d e m p o r . Ein Eros v o r a u s , ein zweiter schiebt. Vgl. § 4 2 8 u n d 6 1 1 . Diese T o n f o r m w u r d e von W . Pelizaeus im J a h r 1 9 1 2 in M e m p h i s ( M i t r a h i n e ) g e k a u f t u n d s t a m m t fast sicher aus diesem O r t . Im A l t e r t u m b e f a n d sich hier d e r K u l t o r t d e s Apis-Stiers, u n d d e r K u l t des O s e r - A p i s (Serapis) ist hier b e g a n g e n w o r d e n . D e r M y t h o s d e r E u r o p a ist also auf Z e u s - S e r a p i s v o n M e m p h i s bezogen w o r d e n . W . B ü h l e r , E u r o p a ( M ü n c h e n 1 9 6 8 ) S. 5 9 u n d 7 5 ( N r . 6). Roemer-Pelizaeus-Museum, Hildesheim. P h o t o des M u s e u m s .

526

Abb. 48 Z u m Vergleich: Lampe mit Sarapis und Europa auf dem Stier Sarapis-Zeus (mit dem Erntekorb auf dem Haupt) blickt herab auf den Stier, der E u r o p a über das M e e r f ü h r t . In diesen Stier hatte eben Zeus selbst sich verwandelt. Ihr G e w a n d bauscht sich wie ein Segel auf. Sar-apis ist aus (O)sir(is) und dem Apis(-Stier) zusammengesetzt. Vgl. § 4 2 8 und 611. W. Bühler, Europa (München 1968) S. 59 und 75 (Nr. 8). Vgl. W. Hornbostel Tafel CCXVII Abb. 369 (paralleles Stück). Badisches Landesmuseum, Karlsruhe. Photo des Museums.

527

(Haus des Octavius Quartio)

Abb. 49 Untergeschoß der Viersäulen-Aedicula (Planskizze D), Übergang vom oberen zum unteren Nil. M a n konnte hier Wasser vom oberen zum unteren Kanal fallen lassen. Links die badende Artemis, rechts Aktaion, schon von seinen Hunden angegriffen. In der großen Nische Kopf des Nilgottes, daneben eine heilige Schlange, davor Eros-Harpokrates. Vgl. § 429. Nach V. Spinazzola S. 410 fig. 468. Pompei, Pitture e Mosaici III S. 107 fig. 98 (M. de Vos). L. I. M . C. Aktaion N r . 98 (L. Guimond).

528 Abb. 50 Brunnenhaus am Ende der Laube (Planskizze C); Narziß; Pyramus und Thisbe Am Ende des oberen Nils, genau gegenüber dem Isisheiligtum, liegt ein Brunnenhaus. Ein knieender Satyr hält eine Schale über dem Kopf, aus welcher das Wasser in den Kanal floss. Links und rechts sieht man Fresken, welche Ertrunkene darstellen. Narziß erblickt im Wasser sein Spiegelbild. Sein Tod im Wasser wurde dem Tod des Osiris geglichen. Vgl. § 424 und 712 Anmerkung und Abb. 28, 84 und 85. Pyramus und Thisbe, erzählt Ovid (Metam. IV), hatten verabredet, sich bei einem Maulbeerbaum zu treffen, neben welchem eine Quelle war. Thisbe war zuerst gekommen. Gleich danach kam eine Löwin, um aus der Quelle zu trinken. Thisbe floh in eine nahe Höhle und ließ in der Eile ihren Mantel zurück. Die Löwin trank und zerriß im Weglaufen den Mantel. Nun traf Pyramus ein, sah den zerrissenen Mantel und die Fußspuren der Löwin, glaubte die Geliebte getötet und erstach sich selbst. Als Thisbe aus der Höhle zurückkam, fand sie den Geliebten tot und tötete sich nun ebenfalls. Bei Ovid spielt die Geschichte in Babylon, aber bei den anderen antiken Gewährsmännern in Kilikien. Pyramus verwandelte sich in den Fluß dieses Namens, aus Thisbe entsprang eine Quelle. Die Erzählung wurde als Parallele zum Tod des Osiris in der Nilflut gedeutet, s. § 425 und 712 Anmerkung. Der Löwe im Hintergrund, der bei Ovid vorkommt, dürfte im Zusammenhang mit der ägyptischen Landschaft im Garten des Octavius Quartio darauf hinweisen, daß die Nilflut (das Ertrinken des Osiris) eintritt, wenn die Sonne im Zodiacalzeichen des Löwen steht, s. § 206; vgl. auch, daß neben dem „oberen Nil" dieses Hauses eine Löwenstatuette gefunden wurde. Rechts und links sind vor dem Brunnenhaus zwei schräge Lagerstätten aufgemauert, ein Biclinium. An der im rechten Winkel anschließenden Wand steht die Signatur des Malers: Lucius pinxit. V. Spinazzola I 402/5 mit fig. 458/9. L. I. M. C. Narkissos Nr. 3 (Brigitte Rafn). Pompei, Pitture e Mosaici III S. 103 fig. 92 (M. de Vos). Photo Alinari.

Abb. 50a Gemme: Harpokrates-Eros mit Flügeln, Füllhorn und Agathos Daimon-Schlange, zu seinen Füßen ein Widder. Philipp Nr. 90. Ägyptisches Museum Berlin.

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Abb. 50 Brunnenhaus des Octavius Quartio mit Narziß, Pyramus und Thisbe

Abb. 50b Gemme: Harpokrates mit Füllhorn und ägyptischer Königskrone Philipp Nr. 89. Ägyptisches Museum Berlin.

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Casa del Frutteto (Abb. 5 1 - 5 9 ) Z u den Fresken aus diesem Haus (I 9 , 5 ) vgl. § 4 2 3 und 4 2 9 .

Abb. 5 1 Aus dem „schwarzen Schlafzimmer" Dieses Z i m m e r wird bei L a R o c c a - de Vos S. 2 9 0 so beschrieben (Zitat leicht gekürzt): „Im schwarzen Cubiculum sind im Fries über dem Sockel Gefäße des Isiskultes dargestellt. In den Nischen des (gemalten) Gartenzauns stehen Becken mit Rosengirlanden, auf der linken W a n d steht darauf eine situla, auf der Rückwand ein hydreion. Beide Gefäße sind aus Gold und reich mit Edelsteinen geschmückt. Der Henkel des hydreion hat die F o r m eines uraeus (Kobra). In diesem (gemalten) Obstgarten, den man mit einem H e r b a r i u m verglichen hat, wurden Birnen, Pflaumen, Pfirsiche, Vogelbeeren, Kirschen und Zitronen angebaut." Unser Bild zeigt die Wasserkanne ( h y d r e i o n ) in der Nische des Gartenzauns. Sie hat die charakteristische F o r m einer Schnabelkanne, wie sie sich auf mehreren pompeianischen Fresken findet. U m den Fuß des Gefäßes ein Rosenkranz. Rechts und links oben sieht m a n n o c h in W e i ß die Umrisse von weiteren Gefäßen des Isiskultes. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 1 9 9 - 2 0 0 Nr. 4 t e r . M. de Vos, L'egittomania S. 1 5 - 2 1 Nr. 9, besonders S. 19; auf der tav. XVIII die ganze Wand. Pompei, Pitture e Mosaici II S. 115 und 1 2 1 - 3 , fig. 141, 148b (Farbaufnahme), 1 4 9 - 1 5 0 und 151 (Farbaufnahme) (M. de Vos). Photo D. Α. I. Rom.

Abb. 5 1 a Gemme: Heilige Familie. Sarapis mit Erntekorb und Strahlenkranz, auf ein Szepter gestützt; Harpokrates mit Königskrone und Füllhorn; Isis mit Sistrum und Situla. Philipp Nr. 76. Ägyptisches Museum Berlin.

531

A b b . 5 1 Fresco: S c h n a b e l k a n n e im G a r t e n

A b b . 5 1 b G e m m e : H e i l i g e F a m i l i e . H a r p o k r a t e s mit K ö n i g s k r o n e u n d F ü l l h o r n z w i s c h e n d e n Büsten seiner Eltern; Sarapis mit E r n t e k o r b ; Isis mit der S o n n e n s c h e i b e zwischen K u h h ö r n e r n (cornua Lunae). Philipp Nr. 77. Ägyptisches Museum Berlin.

532 Abb. 5 2 - 5 7 Aus einem zweiten Schlafzimmer. La R o c c a - de Vos: „Der Betrachter hat den Eindruck, mitten in einer weißen Pergola zu stehen, die in einem Garten mit Bäumen aufgebaut wurde: mit Oleander, L o r b e e r , M y r t e n , Palmen und einigen O b s t b ä u m e n wie Z i t r o n e n - , Kirsch- und M e e r k i r s c h b ä u m e n . In den mittleren W a n d a b s c h n i t t e n zieren kleine Bilder {pinakes) mit dionysischen Szenen den Garten, in den seitlichen sitzende und stehende Statuen auf Sockeln in der typischen strengen ägyptischen Haltung, mit einer aufgerichteten Schlange (uraeus) im Diadem. Die zahlreichen Tauben, Elstern, Schwalben und Amseln sollen wohl an die Ba-Vögel, die ägyptischen Symbole für die unsterbliche Seele, erinnern. Auf dem Gerüst der Pergola, die von überschlanken Vasen (auf den Seitenwänden) getragen wird, Begräbnis-Urnen und zwei pinakes, auf denen Apis dargestellt ist, der heilige Stier aus Memphis mit dem Lebenszeichen a m Halsband und der Sonnenscheibe zwischen den H ö r n e r n . Z w e i weitere pinakes zeigen ägyptische Opferszenen. V o m Stuckgesims hängen zwischen M a s k e n und oscilla - runden Scheiben, die sich im Wind bewegten, um den bösen Blick zu verjagen - Girlanden herab. Das Ganze ist ein schönes Beispiel für den ägyptisch-hellenistischen religiösen Synkretismus alexandrinischer Prägung. Bacchus, der Gott des W a c h s t u m s , der immer wieder neu geboren wird und der bisweilen auch als Stier erscheint, ist an Osiris angeglichen, einen anderen Auferstehungs- und Mysteriengott."

Abb. 5 2 Einer der beiden Apis-Stiere; der Apis ist das Tier des Ser-Apis (Oser-Apis) Auf dem R a h m e n des Bildes sitzt rechts oben ein Vogel; zwei weitere Vögel rechts und links, und dann zwei heilige Kannen. Links oben hängt eine Schüssel zwischen Girlanden. Unten eine Blumenlandschaft, innerhalb deren sich ein Bild befindet: Links spielt ein stehender Musiker auf einer großen Trommel, rechts sitzt ein Harfenspieler. Ganz links unten ein P h a r a o in ägyptischer Tracht. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 198 unter Nr. 4bis als Ziffern A und D. M. de Vos, L'egittomania S. 15 Nr. 9 mit tav. XII (beide Stiere). A. J. F. Kater-Sibbes - M. J. Vermaseren, Apis II (EPRO 48, 1975) S. 2 2 / 3 Nr. 301 mit Tafel LVIII (Farbaufnahme). Pompei, Pitture e Mosaici II S. 1 6 - 1 9 fig. 2 4 - 2 9 (27-29 farbig) (M. de Vos). Photo D. Α. I. Rom.

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Abb. 52 Aus der Casa del Frutteto

Abb. 5 2 a Gemme: Isis mit Krone, Sistrum und Situla, Sarapis mit Erntekorb und Szepter. Philipp N r . 75. Ägyptisches M u s e u m Berlin.

534

ÜwAVV,' ; SSS

1ÄI

mmm A b b . 5 3 C a s a del F r u t t e t o . Dieselbe W a n d wie a u f der vorigen A b b i l d u n g ; der P h a r a o links unten und die beiden M u s i k a n t e n a u f dem Bild in der M i t t e sind hier besser zu sehen Vgl zu Abb. 5 2 - 5 7 . Photo D. Α. I. Rom.

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A b b . 5 4 C a s a del F r u t t e t o . A n d e r e W a n d im selben S c h l a f z i m m e r D a s l i n k e Bild zeigt einen P h a r a o in ä g y p t i s c h e r K l e i d u n g und H a l t u n g , a u f d e m r e c h t e n n ä h e r t sich D i o n y s o s der s c h l a f e n d e n A r i a d n e . D a h i n t e r eine P a r k l a n d s c h a f t m i t V ö g e l n . Ü b e r d e m o b e r e n Q u e r b a l k e n der P e r g o l a ein V o g e l , ä g y p t i s c h e G e f ä ß e u n d (in der M i t t e o b e n ) die B e i n e eines A p i s - S t i e r s . M . de Vos, L'egittomania S. 1 5 - 2 1 Nr. 9, besonders S. 17. V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 1 9 8 unter Nr. 4bis als Ziffern A und E. Farbaufnahmen bei Cerulli Irelli Tafeln 2 5 (die ganze Wand), 2 6 (Detail, Obstbaum) und 2 7 (der Pharao). Pompei, Pitture e Mosaici II S. 2 6 fig. 3 8 ; vgl. S. 2 7 - 3 1 fig. 3 9 (Farbaufnahme), 4 0 , 4 1 (Farbaufnahme), 4 2 (Farbaufnahme) ( M . de Vos). Photo D. Α. I. Rom.

536

C a s a del Frutteto

A b b . 5 5 Oberer Teil der in A b b . 5 4 gezeigten W a n d Unten M i t t e D i o n y s o s und Ariadne, unten links ein P h a r a o ; oben Mitte ein Apis-Stier, rechts und links d a v o n Vögel und ägyptische Gefäße. Photo D. Α. I. Rom.

537

A b b . 56 Detail: der sitzende Pharao Hier erkennt man das Lebenszeichen (anch) in seiner rechten Hand. Photo D. Α. I. Rom.

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Abb. 57 Dritte Wand im selben Schlafzimmer (Casa del Fruttetto) Vor einer Parklandschaft ein Bild mit liegendem Dionysos, vor dem ein Satyr steht. Links und rechts davon stehen zwei Personen in ägyptischer Tracht und Haltung, die rechte nur halb sichtbar. Im Oberteil zwei Bilder mit ägyptischen Opferszenen, dazwischen Vögel. Oben hängt eine M a s k e zwischen Girlanden. V. Tran Tarn Tinh, Pompei S. 198 unter N r . 4bis als Ziffer Β und C. M . de Vos, L'egittomania S. 1 5 - 2 1 N r . 9, besonders S. 17 (mit tav. XIII-XIV). Pompei, Pitture e Mosaici II S. 15 fig. 23 und 1 6 - 1 7 fig. 2 5 2 7 (27 Farbaufnahme) und 2 4 - 2 6 fig. 3 5 - 3 7 (35/36 Farbaufnahme) die beiden ägyptischen Bilder (M. de Vos). Farbaufnahme bei Cerulli Irelli Tafel 23. Photo D. Α. I. Rom.

539 Abb. 5 8 - 5 9 Anderes Zimmer. Es ist nicht mehr mit eindeutig ägyptischen Darstellungen ausgemalt. Es enthält zwei Bilder, auf denen die Strafe mythischer Personen dargestellt wird, die sich vergangen haben: Aktaion und Ikaros. Im Zusammenhang mit den ägyptischen Bildern in den beiden anderen Zimmern sind diese Darstellungen als Warnungen an die Nicht-Eingeweihten zu verstehen. Vgl. § 4 2 9 - 4 3 0 .

Abb. 58 Aktaion und Artemis (Casa del Fruttetto) Links im Vordergrund badet Artemis unter einem Wasserfall; gleich rechts neben ihr anscheinend eine dienende Nymphe. Rechts darüber: Aktaion erspäht die Göttin; er hält die H a n d vor die Augen. Dann etwas tiefer und weiter rechts nochmals Aktaion; er wird von seinen eigenen Hunden angefallen. Rechts unten neben dem Baum das Standbild einer Göttin; etwas weiter nach unten und links von dieser Figur zum drittenmal Aktaion (auf der Flucht, beschädigt). Links unten vor dem weißen H a u s eine weitere Figur, eine Dienerin oder ein Standbild. D a s Bild warnt vor unerlaubter Neugier. Vgl. § 4 2 9 und 713. Ρ. Η. v. Blanckenhagen, Rom. Mitt. 75, 1968, 128. Pompei, Pitture e Mosaici II 4 6 fig. 68; 5 2 - 5 8 fig. 7 4 - 8 0 (75 und 7 8 - 8 0 farbig) (M. de Vos). L. I. M . C. Aktaion N r . 9 5 (L. Guimond). Photo D. Α. I. R o m .

540

Abb. 59 Daedalus und Icarus (Casa del Fruttetto) Das Oberteil ist zerstört. Es muß dort Icarus abgebildet gewesen sein, der dem Wagen des Helios zu nahe kommt und abstürzt. Oben ein Schiff; etwas rechts darüber der fliegende Daedalus. Unten von links: Eine sitzende Frau; ein Mann von hinten; eine sitzende Frau von hinten, neben einem Altar; eine weißgekleidete, stehende Frau, ebenfalls von hinten; dann etwas höher eine Statue des Poseidon. - Das Bild warnt vor Vorwitz. Vgl. § 430 und 769. Ρ. Η . v. Blankenhagen, Rom. Mitt. 75, 1968, 112 Nr. 8 und S. 128. L. I. M. C. Daidalos Nr. 40 (J. E. Nyenhuis). Farbaufnahme bei Cerulli Irelli Tafel 28. "Pompei, Pitture e Mosaici II S. 48 fig. 70a; 88-92 fig. 112-116 (davon 113-116 farbig) (M. de Vos). Photo D. Α. I. Rom.

Casa degli Amorini Dorati (Abb. 60-62) Dieses Haus (VI 16,7) wurde auch Haus des Poppaeus Habitus genannt. Monographie von F. Seiler, Casa degli Amorini Dorati. Häuser in Pompeji Band 5, München 1992. Ein weiteres Fresco aus diesem Haus in Abb. 148.

541 Hier hat man wieder eine ganze Reihe von Darstellungen gefunden, welche sich auf die ägyptische Religion beziehen: die Isis-Symbole Abb. 60, die Isis-Prozession Abb. 148, die Statuette des Horos mit Falkenkopf Abb. 62, ferner eine Lampe mit Isis, Harpokrates und Anubis (bei V. T r a n Tarn Tinh, Pompéi S. 170/1 N r . 132), die der als Abb. 150 wiedergegebenen Londoner Lampe ähnlich ist, eine thronende Isis-Fortuna (V. Tran Tarn Tinh, Pompéi S. 155 Nr. 77) und einen Isis-Krug (F. Seiler Abb. 470). In diesem Kontext wird man auch das Fresco mit Artemis und Aktaion (Abb. 61) religiös deuten, als Warnung vor unerlaubter Neugier. Vgl. § 423 und 713.

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Versuch einer Herstellung: [άστρων ουρανί]ων λιγυρόν μέλος, ών ποτε Έ ρ μ η ς εύρε χελώνης μέτρον έγώ δέ ψάλλουσ' άδω προς ζόφον ήερόεντα χελιδόνι εϊκελον α ΰ δ ή ν άλλά με μοϊρ' όλοή κατέχει και γ[α]ΐα μέλαινα, ώς μέν μοι λή-θην πάρεχεν και άφείλατο φωνήν — „Hellklingend ist das Lied der Sterne am Himmel, an denen einst Hermes die Maß-Verhältnisse der Schildkröten-Leier gefunden hat. (Im Vergleich dazu) spiele und singe ich nur wie eine Schwalbe, zum dunstigen Sonnenuntergang gewendet. Aber die verderbende Schicksalsgöttin und die schwarze Erde halten mich. So haben sie mir den Vergessenstrank gereicht und die Stimme genommen." Fortsetzung des Gedichtes (über der Lesenden; Eggers Lesung):

t i 1 ir Lo N'A E DID AX ΊΟ

AS'AEODIMA'GRAWAAT/

I C A E R E C / ^ L I I IIANE5-AEPOE'5V.PLERO PHORVP/VCHI? C-O

V

680 Versuch einer Herstellung:

[ώς με] φιλών έδίδαξας άοίδιμα γράμματα φωνεϊν. „χαίρε καλλιφανής" εϊποι σοιπληροφορού(σχι) ψυχή. „ S o hast du, der du mich liebtest, mich gelehrt, die geschriebenen Melodien vorzutragen. M ö g e (der Jenseitsrichter) zu deiner Seele, die alle Pflichten erfüllt hat, sagen: .Willkommen du schöne Gestalt'." Es wird auf eine mythische Erzählung angespielt, welche der hellenistische Dichter und Gelehrte Eratosthenes in einem Kleinepos „ H e r m e s " behandelt hat und welche mit der Vorstellung von der Sphärenharmonie spielt. Hermes hatte, so stand es bei Eratosthenes, gleich nach seiner Geburt aus einer Schildkröte eine Leier mit acht Saiten gemacht und ist dann durch die Sphären der Planeten zum Fixsternhimmel emporgestiegen. Voller Staunen stellte er fest, daß Sonne und Planeten melodische Töne erklingen ließen und daß dies genau dieselben T ö n e der Octave waren, welche er an der Leier zum Klingen gebracht hatte. Die T ö n e der M u s i k beruhten auf festen Zahlenverhältnissen, und diese Zahlen und ihre Musik regierten den Kosmos. Z u m Gedenken daran befestigte Hermes seine Leier a m Firmament, und man kann sie noch heute dort im Sternbild der Lyra bewundernd So schön wie einst Hermes kann Tetratia Isias nicht auf ihrer Leier spielen; ihre Töne sind nur die einer Schwalbe; aber sie darf doch hoffen, mit ihrer Musik zu den Sternen emporzusteigen.

1 Theon von Smyrna, De astronomia p. 1 4 2 Hiller = 2 3 2 Dupuis; Chalcidius, C o m m . in Plat. Tim. 73 p. 120/1 Waszink; Eratosthenes fr. 13 Powell (Collectanea Alexandrina 1 9 2 5 , S. 61). Vgl. auch Cicero, Somnium Scipionis 18-19. Literatur zu Abb. 2 2 0 - 2 2 2 : F. Cumont, Recherches sur le symbolisme funéraire des Romains (1942) 2 9 8 - 3 0 0 . R. Egger, Mitteilungen des deutschen archäologischen Instituts 4, 1951, 3 5 - 6 4 = Römische Antike und frühes Christentum II 9 8 - 1 3 4 (vorzüglicher Beitrag) A. J. Festugière, M o n u m e n t s Piot 5 3 , 1 9 6 3 , 1 3 5 - 1 4 6 = Hermétisme et mystique païenne ( 1 9 6 7 ) 3 2 2 333. W. Peek, Griechische Vers-Inschriften N r . 1951. L. Vidman, Sylloge Nr. 5 8 6 und Isis und Sarapis 1 3 2 - 7 . L. Moretti, Rivista di Filologia 9 3 , 1 9 6 5 , 1 7 9 - 1 8 5 . R . Merkelbach, Ζ . Ρ. E. 6 , 1 9 7 0 , 2 7 7 - 8 . M . Malaise, Inventaire S. 2 9 - 3 1 Nr. 1. M.-Chr. Budischovski, M e r adriatique (EPRO 61, 1977) S. 7 8 - 8 0 Nr. XVIII 3. H . G a b e l m a n n , Die Werkstattgruppen der oberitalienischen Sarkophage (1973) 1 4 6 - 1 5 6 und 2 2 0 N r . 83. Die antiken Sarkophagreliefs V 3, Die Musensarkophage, bearbeitet von M . Wegner (1966) S. 4 1 N r . 83. Die antiken Sarkophagreliefs VIII 2, Die Sarkophage der westlichen Gebiete des Imperium R o m a n u m , II. Teil, Die ravennatischen Sarkophage bearbeitet von J. Kollwitz und H. Herdejürgen (1979) S. 36/7 A 35.

681

Abb. 2 2 1 Rechte Seite des Sarkophags der Tetratia Isias und der Sosia Iuliane Tetratia Isias sitzt nachdenklich auf einem Lehnstuhl. Über ihr steht der Vokativ: Mempbi. M e m p h i u s (maskulin) war das Signum, der Mystenname der Tetratia Isias. Vgl. § 320/1.

682

Abb. 222 Linke Seite des Sarkophags der Tetratia Isias und der Sosia Iuliane Links sitzt Tetratia Isias - durch die Inschrift (im Vokativ) mit dem „Signum" als Memphi angeredet - auf einem Stuhl. Rechts steht ihr Gatte - G. Sosius Iulianus, durch die Inschrift mit dem Signum G'legori (also Gregorius) angeredet - und faßt mit einer Hand an die Augen der Frau; in der anderen hält er ein Kästchen, in dem sich vermutlich eine Augensalbe (collyrium) befunden hat, mit welcher er die Augen der Gattin salbt. Rechts und links hängen vielleicht Schröpfköpfe an der Wand, welche von den Augenärzten benützt wurden. Die Salbung der Augen hat vermutlich mystischen Sinn: Der Gatte eröffnet der Tetratia Isias den geistigen Blick auf die unaussprechlichen Sinnbilder und Geheimnisse der Isisreligion. Dies die Interpretation von R. Egger. Vgl. § 320/1 und 683.

683

A b b . 2 2 3 Der Patriarch Theophilos von Alexandria (385—412) als Sieger über Sarapis Zeichnung in der alexandrinischen Weltchronik Pap. Golenischeff. Theophilos steht mit erhobener rechter Hand, in der linken die Bibel, auf dem Sarapistempel, in welchem noch der Kopf des heidnischen Gottes mit dem Fruchtkorb zu erkennen ist. Vgl. § 560. A. Bauer und J. Strzygowski, Eine alexandrinische W e l t c h r o n i k , D e n k s c h r i f t e n der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien 1906, 5 1 , 2 Tafel VI. F. Thelamon S. 2 5 7 und 4 7 5 .

684

Münzen aus Alexandria (Abb. 224-239)

Abb. 2 2 4 Hadrian, im Jahr 134/5 Apis-Stier vor Altar, auf dem Leib Mondsichel, zwischen den Hörnern Sonnenscheibe Vgl. § 235. L (= έτους) έν/νεακ(αι)δ(εκάτου). Geißen 1161.

Abb. 2 2 5 Antoninus Pius, im Jahr 138/9 Phönix mit Strahlenkranz um den Kopf. Α ι ώ ν (Ewigkeit, Leben) Vgl. § 208. (έτους) β. Geißen 1290.

Abb. 2 2 6 Antoninus Pius, im Jahr 138/9 Vorderseite: Phönix mit Palmzweig. Rückseite: Apis-Stier; (έτους) β. Vgl. § 208. Geißen - Weiser 3444.

Abb. 2 2 7 Hadrian, im Jahr 133/4 Isis Pelagia Pharia mit Stirnkrone als Mastbaum auf dem Schiff. Sie hält mit beiden Händen und dem vorgesetzten Fuß das Segel fest; die linke Hand hält zusätzlich den Wasserkrug. Das Schiff fährt in den Hafen von Alexandria ein. Rechts der Pharos mit den Fenstern für das Leuchtfeuer, darauf eine Götterstatue mit Szepter in der erhobenen linken Hand und einem undeutlichen Gegenstand in der rechten. Die kleinen Figuren auf dem Turm, beiderseits der Statue, stellen Tritonen dar; sie begrüßen das einfahrende Schiff mit Posaunen. Vgl. § 115, 117, 612 und 647. (έτους) ιη. Geißen 1121.

Abb. 228 Hadrian, im Jahr 133/4 Ähnlich wie Abb. 227; über der rechten Hand der Isis ein Sistrum. Vgl. § 115, 117, 612 und 647. Geißen 1124.

Abb. 229 Hadrian, im Jahr 133/1 Isis Pelagia (ohne Pharos, auf hoher See). Vgl. § 115, 612 und 647. (έτους) ιη. Geißen 1117.

Abb. 230 Hadrian, im Jahr 132/3 Isis-Tyche mit Stirnschmuck (oder Fruchtkorb) hält in der Rechten das Steuerruder und in der Linken das Füllhorn. Vgl. § 116 und Abb. 67, 95/96 und 98/99. (έτους) ιζ. Geißen 1088.

Abb. 231/232. „Semasia" = Meldung, daß die Nilflut die erforderliche Höhe erreicht hat; diese Meldung wurde von den stromaufwärts liegenden Orten als Vorankündigung der hohen Flut stromabwärts bis nach Alexandria weitergereicht. Vgl. § 204. Abb. 231 Marc Aurel, im Jahr 165/6 „Semasia" galoppiert mit wehendem Mantel und einem Palmzweig (griechisch „phoinix") in der erhobenen rechten Hand; der „Phönix" symbolisiert die Nilflut. Am Kopf tragt die Melderin den Elefantenrüssel, das Wahrzeichen von Alexandria. Vgl. § 204. (έτους) ς, Σημασία. Sammlung Walter Niggeler, Auktion in Basel, 21./22. 10. 1966; vgl. Geißen 2049.

Abb. 232 Marc Aurel, im Jahr 165/6 Ähnlich wie Abb. 231. Geißen 2052.

Abb. 233 Antoninus Pius, im Jahr 157/8 Isis-Sothis mit Stirnschmuck, in der rechten Hand ein Füllhorn, in der linken ein Szepter, sitzt auf einem Hund, der nach rechts läuft, aber den Kopf zurückwendet. Der Hund stellt das Sternbild Canícula dar, dessen hellster Stern, der Sirius, am 19. Juli in der Morgenfrühe aufgeht, zu eben der Zeit, zu welcher die Nilflut einsetzt. Die Flut bringt Ägypten die Fülle. Der ägyptische Name des Sirius ist Sothis. Vgl. § 205. (έτους) κα. G. Dattari, Monete Imperiali Greche, Numi Augg. Alexandrini (1901) Nr. 2681; vgl. Geißen 1884.

Abb. 234 Antoninus Pius, im Jahr 144/5 „Sol in Leone", ein anderes Bild für die Zeit der Nilflut. Über einem nach rechts laufenden Löwen ein Stern und ein Brustbild des Helios mit Strahlenkrone. Wenn die Sonne im Zeichen des Löwen steht, geht der Sirius (die Sothis) auf und führt die Nilflut herauf. Vgl. § 206. (έτους) η. Geißen 1495.

Abb. 235 Hadrian, im Jahr 132/3 Nach dem eleusinischen Mythos ist der Heros Triptolemos auf einem von zwei geflügelten Schlangen gezogenen Wagen über den Erdkreis gefahren und hat die Menschen den Ackerbau gelehrt. Der Mythos ist nach Ägypten übertragen worden (eine Vorstadt von Alexandria hieß Eleusis). Auf dieser Münze trägt Triptolemos eine Kappe mit Elefantenrüssel (einem Symbol von Alexandria), und die beiden geflügelten Schlangen tragen ägyptische Königskronen, sind also als „Agathoi Daimones" vorgestellt. Triptomelos hält mit der Linken sein Gewand hoch, in welchem sich die Saatkörner befinden; aus der erhobenen Rechten streut er die Samen aus. Vgl. § 112 und 411. (έτους) ιζ. Geißen 1087.

Abb. 236 Antoninus Pius, im Jahr 150/1 Dieselbe Darstellung wie Abb. 235. Geißen - Weiser 3478.

Abb. 2 3 7 Gallienus, im Jahr 267/8 Apollon-Harpokrates von Pelusion mit ägyptischer Krone (Hem-Hem-Krone) hält in der Linken einen Granatapfel und in der Rechten einen Zweig. Neben ihm ein kleiner Knabe mit erhobener Rechten (Harpokrates?). Die Statue wird bei Achilleus Tatios (III 6) erwähnt; der Granatapfel hat „mystischen Sinn". Im Feld rechts ein Palmzweig. Vgl. § 2 6 7 und 626. (έτους) ιε. Geißen 2948.

Abb. 238 Claudius II. Gothicus, im Jahr 269/70 Dieselbe Darstellung wie Abb. 237, nur ohne Palmzweig. Vgl. § 2 6 7 und 626. (έτους) β. Geißen - Weiser 3036.

Abb. 239 Antoninus Pius, im Jahr 160/1 Perseus hat Andromeda gerettet. Er trägt die persische M ü t z e und hinter der Schulter seine charakteristische Waffe, die Harpe, in welcher Lanze und Sense kombiniert sind. Z u seinen Füßen der Kopf des getöteten Meeresdrachens. Andromeda war an den hinter ihr sichtbaren Fels gekettet; Perseus hilft ihr beim Heruntersteigen. Der Mythos war bei Pelusion lokalisiert, etwas nordöstlich des heutigen Suezkanals. Vgl. § 427 und 751 Anmerkung, (έτους) [κ]δ. Geißen 1856. L. I. M. C. Andromeda Nr. 79 (K. Schauenburg).

Münzen aus Kyme in Kleinasien (2.-3. Jh. n. Chr.; Abb. 240-242)

Abb. 2 4 0 Isis Pelagia hält das Segel έπ(ί) Έ λ π ι δ η φ ό ρ ο υ ν(εωτέρου)· Κυμαί(ων). Elpidephoros w a r Prytanis (etwa Bürgermeister) in demjenigen J a h r , in welchem die Münze geprägt wurde. Vgl. § 115. R. Salditt-Trappmann S. 39 Nr. 2. Brit. Mus. Cat. Aeolis 116. Sylloge Nummorum Graecorum, v. Aulock 1647.

Abb. 2 4 1 Isis Pelagia, ähnlich wie Abb. 240 [ Ί ε ρ ] ώ ν υ μ ο ς ά ν έ θ η κ ε Κυμέ( ) = Κυμαιοις. (Der Prytanis) H i e r o n y m o s hat diese M ü n z - E m i s s i o n gestiftet. Vgl. § 115. R. Salditt-Trappmann S. 40 Nr. 5.

Abb. 2 4 2 Vorderseite: Sarapis mit E r n t e k o r b auf dem Kopf Rückseite: Bug eines Schiffes. Κυμαίων. Die M ü n z e bezieht sich vielleicht auf Getreidelieferungen aus Alexandria. Vgl. § 141. R. Salditt-Trappmann S. 42 Nr. 14. Brit. Mus. Cat. Aeolis 125.

Münzen aus Magnesia am Mäander (2.-3. Jh. n. Chr.; Abb. 243-244)

Abb. 243 Isis mit Stirnschmuck, Sistrum und Situla Ύ λ λ ο ι τ Μαγνητών. M . Aur. Hyllos war der in dem Jahr der Miinz-Emission amtierende oberste städtische Beamte (der γραμματεύς). Zeit des Caracalla (198-217). Vgl. § 168 Anmerkung. R. Salditt-Trappmann S. 43 Nr. 3. Brit. Mus. Cat. Ionia 58.

Abb. 244. Vorderseite: Büste des Sarapis mit Fruchtkorb. Vgl. § 141/142. Σέραπις. Rückseite: Isis mit Sistrum und Situla. Vgl. § 168 Anmerkung. Μαγνήτων. R. Salditt-Trappmann S. 41 Nr. 1. Sylloge N u m m o r u m Graecorum, v. Aulock 2046.

Münze Hadrians (Abb. 245)

Abb. 245 Rückseite einer Goldmünze Hadrians Isis mit Lotoskrone gelagert. Sie hält in der rechten Hand das Sistrum und stützt sich mit dem linken Arm auf die Cista mystica, aus der die heilige Schlange herauskommt. Vor ihr auf einer Basis ein Ibis, Vogel des Thoth. Im Feld: AEGYPTOS. Vgl. $ 168 und 267. Rheinisches Landesmuseum Trier, geprägt in Rom. G. Grimm, Die Zeugnisse ägyptischer Religion und Kunstelemente im römischen Deutschland (EPRO 12, 1969) S. 75 und Tafel 66,3. H . Mattingly, Coins of the Roman Empire in the British Museum III, Nerva to Hadrian (1966) S. 341 Nr. 793 mit pl. 62,15.

Münzen der gallischen Sonderkaiser (Abb. 246-247)

Abb. 246 Doppeldenar des gallorömischen Kaisers Postumus (259-268), geprägt in Köln (263), Rückseite vergrößert. Stehender Sarapis mit Fruchtkorb auf dem Haupt, die rechte Hand zum Gruß erhoben, ein Szepter in der Linken; vor den Füßen ein Schiff; alexandrinische Kornfiotte. Vgl. § 142 Anmerkung und 267. Inschrift: Serapi corniti Aug(usti). G. Grimm, Die Zeugnisse ägyptischer Religion S. 191/2 Kat. Nr. 96. G. Elmer, Die Münzprägungen der gallischen Kaiser in Köln, Trier und Mailand. Bonner Jahrbücher 146, 1941, 4 9 Nr. 382. Kunsthistorisches Museum, Wien.

Abb. 2 4 7 Goldmünze des gallo-römischen Kaisers Victorinus (269-271 ), geprägt in Köln. Isis mit Stirnkrone hält im linken Arm das Harpokrateskind. Sie setzt den linken Fuß auf den Bug (prora) eines Schiffes, hinter ihr Heck mit Steuerruder. Vgl. § 31 und 267. Im Feld: Saeculi felicitas. G. Grimm, Die Zeugnisse ägyptischer Religion S. 191/2 Kat. Nr. 96. B. Schulte, Die Goldprägung der gallischen Kaiser von Postumus bis Tetricus (1983), 55/6 und 135 Nr. 21b, Tafel 18. Photo W. Weiser.

Ein einziger Gott: Zeus-Sarapis

Abb. 248 Gemme: Zeus-Serapis mit Getreidekorb Um den Kopf: εις Ζευς Σέραπις, „Einer, Zeus-Serapis". Philipp Nr. 55. Ägyptisches Museum Berlin.

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Drei Gemmen

Abb. 249 Isis mit Stirnschmuck, Sistrum und Situla, links neben ihr der kleine Harpokrates mit Füllhorn, hinter ihr ein Palmzweig (φοίνιξ). Philipp Nr. 67. Ägyptisches Museum Berlin.

Abb. 250 Harpokrates-Re auf der Lotosblüte, in der Rechten ein Lotosstengel (Nelumbium), auf dem Kopf eine kleine Sonnenscheibe; daneben steht ΦΡΗ „Sonne". Um die Figur ein Lorbeerkranz, Attribut des Apollon. Philipp Nr. 92. Ägyptisches Museum Berlin.

Abb. 251 Büste des Helios-Re im Strahlenkranz über einem kleinen Globus, der auf einer Basis ruht; dahinter ΦΡΗ „Sonne". Links davon ein Hahn; er begrüßt an jedem Morgen den Helios schon vor dem Aufgang. Darunter der Löwe; wenn die Sonne in seinem Zodiacalzeichen steht, kommt die Nilflut. Am Rand die Buchstaben AIPΒ Α Α Ι Δ Ι und N, ungedeutet. Der Hahn steht als Vogel über dem Löwen, dem Vierbeiner; s. oben § 620 über Achilleus Tatios II 21. Philipp Nr. 32. Ägyptisches Museum Berlin.

692

Abb. 2 5 2 Isis-Statuette. Abb. 90.

Vgl.

L. I. M. C. Isis Nr. 15d (V. Tran Tarn Tinh). Paris, Louvre. Photo Alinari.

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Stichwörter Ägyptisches Antike Autoren Inschriften Papyri Texte in den Sammlungen von L. Vidman und M. Totti Lateinische Wörter Griechische Wörter Koptische Wörter Fundorte und jetzige Standorte der abgebildeten Monumente

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Stichwörter

Abammon 163; 2 3 2 ; 2 4 4 ; 311; 312; 314 Abba Kyros 127; 200; 328 Abrasax 85 Absolution 2 8 2 ; 2 9 1 ; 4 2 4 Absurdität 4 7 4 Abukir 2 0 0 ; 328 Abydos 14; 2 0 4 ; 234; 313; 314; 4 3 1 acherusischer See 2 3 3 Adonisgärten 50 Aemilius Paulus 132 Agathe Tyche 9 7 Agathos Daimon 76; 77; 80; 92; 93; 102; 103; 154; 176; 177; 179; 189; 192; 278; 371; 4 5 5 ; 456 Agoranomos 4 2 7 Agrippa 133; 134; 136; 1 3 7 Agrippa Postumus 135; 137 Aigyptos 68 Ainos 122 Aion 50; 77; 78; 148; 167; 175; 178; 179; 184; 198; 2 2 8 ; 2 2 9 ; 249; 2 6 7 Akanthon Polis 233; 4 8 0 Akklamation 81; 98; 2 1 7 ; 2 8 4 ; 4 1 5 ; 4 2 4 Aktaion 2 3 6 ; 2 4 0 ; 4 2 8 ; 4 2 9 Alchimie 2 4 6 Alexander der Große 59; 61; 75; 76; 77; 122; 147; 184 Alexanderroman siehe Ps. Kallisthenes Alexandros von Abonuteichos 2 4 6 Allegorie 78; 2 3 5 ; 244; 2 4 7 ; 2 5 9 ; 267; 307; 337; 338; 343; 4 2 1 ; 4 2 2 ; 4 4 1 ; 4 4 2 ; 4 4 3 ; 4 4 8 ; 4 4 9 ; 469 Alpheios 152; 368 Alphokrates 88 Alypius 169 Amathus 50 Ammenmärchen 4 5 1 ; 4 5 2 Ammon 75; 121; 180; 2 0 8 ; 2 2 6 ; 238; 4 5 5 Amphion und Zethos 2 4 0 ; 4 4 2 Amphora 2 7 8 Amulett 192; 193; 196; 1 9 7 Anahita, Anaitis 95 Andromeda 2 3 1 ; 2 3 8 ; 239; 371; 394; 453; 4 5 6 ; 457 Andros 66; 113; 123 Anebo 3 1 1 Angelrute 2 7 6 ; 4 1 0 Angst 174; 2 8 2 ; 2 8 7 ; 2 8 9 ; 4 3 6 ; 4 5 7 ; 4 5 8 Anker 4 1 1 ; 4 1 2 Ankläger 3 4 6 Antinoos, Antinoupolis 145; 146; 2 2 5 Antiope 2 4 0 ; 4 4 2

Antoninos 321; 328 Antoninus Pius 112 Anyte 1 2 7 Aphrodite Pandemos 4 3 0 Aphrodite von Knidos 95; 4 3 1 Apisorakel 4 2 8 Apis-Stier 68; 72; 127; 154; 2 1 0 ; 2 3 2 ; 3 6 5 Apollonios von Tyana 2 4 6 Apollonopolis (Edfu) 10; 69; 1 0 9 ; 151; 3 8 1 ; 4 2 8 Apollos 2 3 4 Appian der Gymnasiarch 142 Aquileia 146 Arbeit 344; 382 Areios 320 Ares 46; 83; 360; 4 4 6 Aretalogen 73; 2 1 0 ; 2 1 4 ; 2 1 6 ; 2 2 0 ; 307; 3 4 2 ; 419 Aretalogie 113; 126; 145; 2 0 1 ; 2 0 2 ; 2 1 6 ; 2 1 7 ; 219; 2 2 0 ; 2 2 2 ; 2 2 3 ; 2 8 0 ; 2 8 5 ; 3 0 7 ; 3 4 0 ; 3 4 1 ; 342; 347; 348; 358; 3 5 9 ; 4 2 4 ; 4 4 2 ; 4 4 6 Arethusa 152; 368 Argos 68; 135 Arion 4 4 2 Aristoteles 2 6 5 Arkadios 324 Artemios 3 2 0 ; 3 2 1 Artemis 96 Artemis Orthia 344 Artemon von Milet 214 Arzt 78; 101; 2 0 2 ; 345; 346; 3 5 4 ; 3 5 5 ; 3 7 6 ; 403; 404; 416; 447; 448; 449; 450 Asklepios 78; 114; 127; 2 0 1 Astarte 37; 4 0 ; 4 3 ; 95; 97; 3 4 6 ; 3 6 4 ; 3 6 5 ; 394 Astrologen, Astrologie 83; 2 4 8 ; 2 4 9 ; 3 1 8 ; 3 9 7 Astronomie und Astrologie 2 4 8 Athanasios 3 2 0 Athena 96; 2 1 9 ; 2 4 7 ; 2 6 1 ; 2 7 1 ; 4 0 9 Äthiopien 104; 121; 189 Athribis 194 Attis 53; 54; 383 Atys 54; 370; 4 4 6 Augenöffnung 390; 4 0 3 Augenzeugen 145 Augustin 113; 2 7 3 ; 311; 321; 3 6 1 ; 3 9 3 Auspeitschen 344 Baal 2 3 8 Bad 163; 291; 2 9 3 ; 4 1 1 ; 4 2 3 ; 4 3 5 Bakchisch 161 Ball 4 1 2 Bär, großer und kleiner 180; 181 Barlaam und Joasaph 2 2 3

Register Basileides 141 Basilisk 197 Bastschuhe 189; 315 Baubo 53; 408 Beamte 323; 346 Becher 188; 276; 481; 484 Beichte 212; 213; 285; 342; 348; 362; 370; 394; 423; 424 Bellerophontes 276 Belos 238 Benevent 130; 141 Beschneidung 124 Bibliothek des Mercur 217 Bibliothek des Sarapeums 325 Binse 233; 411; 476; 477 Blitz 265 Bock 128 Bolos Demokritos 245 Bordell 345; 361; 362; 405; 414 Bordellwirt 346; 362; 414 Boscotrecase 135; 136; 137; 236; 239 Böse 257; 258; 259; 346 Brautgemach 343; 349; 355; 372; 445 Brimo, Brimos 227; 228 Brot 141; 155; 475; 476; 480; 481 Bryaxis 81 Bubastis, Bubastos 108; 116; 119; 154 Byblos 8; 9; 15; 40; 44; 45; 48; 49; 64; 65; 69;

121

Byzanz 296 Caecilius Metellus, P. 130 Caesar 102 Caesarea Troketta 246 Caligula 140; 141; 142 Capitol 124; 131 Cassian 213 Cato 387 Cestius, C. 134 Chairemon 242; 296; 307; 337 Chaldäer 257 Chalkis auf Euböa 224 Chaos 323; 341; 468 Charmosyna 157 Charon 203; 233; 479; 480; 481 Chemmis 238; 239 Christen 25; 29; 124; 140; 145; 146; 185; 194; 200; 213; 228; 235; 267; 269; 272; 273; 288; 291; 299; 308; 309; 313; 317; 318; 319; 320; 322; 323; 325; 327; 328; 346; 358; 371; 381; 387; 397; 420 Chronos 167 Cista mystica 93; 278; 284 Claudius Aelianus 214; 245

695

Claudius Gothicus 146 Claudius Maximus 417; 483 Claudius Ptolemaeus 93 Clemens von Alexandria 253; 308 Clodius Thrasea Paetus 386; 387 Commodus 142; 143; 144; 156 Constantius 320; 321 Corinna 138 Cornelius Gallus 110 Cornutus 38; 242; 337 Cynthia 137; 138; 170 Cyprian von Karthago 308 Daidalos 232 Damm 69; 109; 376 Dämon, Dämonen 147; 156; 177; 196; 254; 262; 314; 315; 321; 323; 325; 326 Danaiden 68; 233; 481 Dañaos 59; 68 Decius Mundus 167 Deiche 109 Dekaden 291; 303; 377 Delia 137; 138; 139; 140; 170; 430 Délos 122; 123; 125; 126; 128; 137; 151; 152; 162; 211; 214; 368; 385 Demetrios von Phaleron 72; 214 Demetrios, heiliger 201 Demokrit 232 Demokritos Bolos 245 Devotionalien 170; 288 Diana 96; 271; 404; 405; 414; 415; 416; 428; 429 Dikaiarcheia 128 Dikaiosyne 96 Dionysia von Megalopolis 235 Dionysoskult 343 Dioskur 67; 83 Dirke 240; 442 Domitian 141 Donner 119; 179 Doppelsinn 246; 372 Doppelträume 272 Drache 191; 456; 461 Drakon 93; 189 Dreifuß 194; 195 Drohungen 139; 207; 313; 314; 4 3 7 Dumuzi 39; 40; 41; 43; 45 Eber 9; 19; 37; 40; 45; 46; 54; 300; 370; 444; 445; 446 Edfu 10; 69; 109; 151; 381; 428 Efeu 71; 299; 367 Ehe 166; 344; 345; 348; 349; 353; 380; 381 Eid 117; 170; 171; 352

696

Register

Eisis 2 5 2 ; 2 6 0 Ekliptik 1 1 6 ; 1 1 8 ; 1 9 6 ; 2 3 2 Ekregma 9 4 Elefanten 3 7 6 Elemente 1 5 1 ; 1 7 8 ; 1 7 9 ; 2 9 2 ; 2 9 3 ; 2 9 8 ; 3 4 3 ; 432; 436 Elephantine 3 6 ; 1 0 4 ; 2 1 2 ; 4 7 8 Eleusis 3 8 ; 4 1 ; 5 1 ; 5 2 ; 5 3 ; 6 1 ; 6 4 ; 1 6 8 ; 2 2 7 ; 228; 269; 283; 420; 457; 471; 480; 481; 482 Eleuthera 9 4 ; 9 5 Elle 1 4 1 ; 1 5 5 ; 2 2 9 ; 2 3 0 ; 2 7 7 ; 3 1 9 Elysium 2 3 3 ; 2 3 4 ; 2 7 4 ; 2 9 4 ; 4 1 1 Emanation 2 5 0 ; 2 6 4 ; 2 6 5 ; 4 6 5 Enkatochoi 73; 2 1 0 ; 2 1 1 Epaphos 1 7 ; 4 9 ; 6 8 ; 6 9 ; 3 6 5 Epikureer 2 4 2 Epona 4 3 8 Erbarmen 2 2 1 ; 2 8 2 ; 3 4 3 ; 3 4 5 ; 3 5 6 ; 3 6 1 ; 3 8 2 ; 406; 471 Erdbeben 1 7 8 ; 1 8 0 ; 1 9 5 ; 2 2 1 ; 3 5 8 Erechtheus 6 3 ; 2 3 2 ; 4 0 2 Ereschigal 3 7 ; 4 0 ; 4 1 ; 4 2 ; 4 3 ; 4 8 1 Eretria 1 2 3 ; 1 2 5 ; 1 5 2 ; 1 6 2 ; 3 8 5 Erigone 3 6 8 Erinnern 4 6 1 E r n t e k o r b 81 Ertrinken 6 ; 1 5 ; 8 0 ; 1 4 5 ; 1 8 2 ; 2 3 7 ; 3 8 0 ; 3 8 6 ; 403; 427; 442 Erwachen 1 2 6 ; 2 8 7 ; 3 4 3 ; 3 5 3 Erysichthon 2 1 9 Etesien 1 1 7 ; 3 7 5 Etymologie 2 4 7 ; 2 6 0 Euagrios 3 2 8 Eudoxos 72; 2 3 2 Eugamius 1 6 9 Eumolpiden 6 3 Euphemia 2 1 3 Euploia 6 7 Europa 2 3 9 ; 2 4 0 ; 3 4 6 ; 3 6 5 ; 3 6 6 ; 4 4 2 Euthenia 9 8 Fährmann 2 3 3 ; 4 7 9 ; 4 8 0 Falke 8 8 ; 1 2 8 ; 1 9 1 ; 2 0 6 Fama 64; 2 1 0 ; 2 8 5 ; 343; 348; 363; 4 4 4 Fatum 8 4 ; 9 9 ; 1 1 8 ; 1 7 7 ; 2 4 9 ; 2 6 8 ; 2 7 5 ; 2 7 9 ; 294; 307; 318; 397; 415 Fee 2 7 9 Fesselung 3 8 3 Feuer 6 4 ; 6 5 ; 1 5 1 ; 1 5 8 ; 1 8 8 ; 1 8 9 ; 1 9 0 ; 2 2 6 ; 227; 349; 351; 352; 357; 358; 360; 384; 386; 411 Filocalus 1 0 1 ; 1 5 7 ; 1 5 8 Filocyrius 3 4 6 ; 3 7 8 ; 4 1 1 Fisch 9 ; 2 4 8 ; 3 3 7 ; 3 4 6 ; 3 5 7 ; 4 1 0 ; 4 2 7 ; 4 2 8

Fische (Sternzeichen) 1 7 5 Fischer 2 7 6 ; 3 4 6 ; 3 5 9 ; 3 7 7 ; 4 0 2 ; 4 1 0 Fixsternhimmel 2 5 5 Flavia Solva 1 5 2 Flötenbläser 2 7 7 Flucht 3 7 0 ; 3 8 2 ; 4 2 4 ; 4 2 5 ; 4 2 6 ; 4 4 2 ; 4 4 3 Flußpferde 1 0 6 Folter 3 5 2 ; 3 8 9 ; 3 9 0 Fortuna Primigenia 1 3 0 ; 2 7 7 Freude 9 9 ; 1 0 7 ; 1 0 8 ; 1 6 7 ; 1 7 4 ; 1 9 9 ; 2 6 9 ; 2 7 5 ; 279; 282; 285; 298; 304; 342; 350; 365; 408; 449; 464; 484 Furcht 1 6 4 ; 1 6 8 ; 2 6 7 ; 2 7 2 ; 2 7 5 ; 2 7 9 ; 2 8 7 ; 3 4 5 ; 365; 371; 373; 466; 473 Furcht und Hoffnung 1 7 4 ; 2 6 8 ; 2 8 7 ; 3 8 4 ; 3 8 6 Gabinius 1 3 1 Gaia 9 6 Gallienus 1 4 6 ; 4 0 5 Ganymed 2 7 6 ; 4 7 8 ; 4 8 4 Garten 7 1 ; 2 4 0 ; 3 4 6 ; 3 6 7 ; 3 8 5 Ge 9 6 Gebet 1 9 1 ; 1 9 3 ; 1 9 4 ; 1 9 5 ; 2 0 2 ; 2 6 8 ; 3 4 4 ; 3 5 6 ; 357; 360; 371 Gebetsweinen 2 2 1 ; 2 9 7 ; 4 7 1 Geburtskonstellation 1 7 7 ; 1 7 8 ; 1 7 9 ; 1 8 0 ; 1 8 1 ; 218; 249; 290; 397; 401; 407; 4 1 5 Gefängnis 3 4 6 ; 3 5 2 ; 3 5 3 ; 3 5 8 ; 3 5 9 ; 3 6 1 ; 3 7 2 ; 385; 386; 387; 388; 392 Gegensatzpaare 1 7 1 ; 2 4 4 Geheimname 7 6 Geierhaube 9 8 Geißelung 3 8 3 Gemälde 2 1 3 ; 3 6 4 ; 3 6 5 ; 3 7 1 ; 3 7 9 Geminus von T y r o s 2 1 4 Georgios, Bischof von Alexandria 3 2 0 ; 3 2 1 ; 3 2 2 Gerücht 6 4 ; 2 1 0 ; 3 9 0 ; 4 4 4 Gesetze 6 1 ; 6 2 ; 1 1 5 ; 1 1 8 Getreideschwinge 2 7 7 Gnade 2 1 3 ; 2 7 0 ; 2 7 2 ; 2 7 5 ; 2 7 8 ; 2 7 9 ; 2 9 0 ; 3 0 3 Gnosis 2 4 8 Gortyn 1 5 1 G o t t über dem Feuer, über dem W a s s e r 1 7 6 Götterbilder 1 1 6 ; 1 4 7 ; 1 5 7 ; 2 8 4 Grab 3 4 3 ; 3 4 9 ; 3 5 5 ; 4 4 3 Grammateus 2 8 4 Granatapfel 3 7 1 Gute Hoffnung 6 2 ; 2 2 3 ; 2 5 0 ; 2 8 9 ; 3 4 9 Guter D ä m o n 1 9 2 ; 1 9 6 Haare-Reißen 3 4 4 Hacke 164; 344; 365; 3 8 2 Hades 3 8 ; 4 1 ; 5 1 ; 7 2 ; 7 7 ; 8 3 ; 2 2 7 ; 2 3 2 ; 4 8 0 Hadrian 9 8 ; 1 4 5 ; 1 4 6 ; 2 1 7 ; 2 2 5

Register H a f e n 62; 67; 217; 282; 343; 351; 364; 365 H a h n 86; 369 H a r n u p h i s 146 H e b a m m e 98 Heilung 199; 200; 202; 212; 213; 215; 218; 307; 349 H e k a t e 96; 271; 373 Helena 129; 382 Heliodor 110; 247; 300 Heliosarapis 79; 149; 346 Heliupolis 112; 2 3 3 ; 3 7 5 Helladios 322 Helle 4 4 2 Helvidius Priscus 386 Hera 68; 69; 95; 96; 271; 348; 3 5 1 Heraiskos 162; 376 Herakleopolis 89 Herakles 89; 238; 371; 372 Herakliskos 89; 238 Herennius Senecio 386 Hermaiskos 144; 145 H e r m e s der Luft 146 H e r m e s Trismegistos 245; 249; 307; 309; 330 Hermupolis 94; 2 3 7 Heroen 203 H e r o n von Alexandria 181; 4 2 5 Herophilos 250 Heros 203 Herz 23; 26; 32; 34; 36; 202; 4 2 5 Hesiod 68; 72 Heuresius 169 Hieroglyphen 112; 115; 119; 244; 246; 247; 308; 309; 325; 326 Hilaria 156; 157; 158; 4 0 8 ; 4 3 5 H i m melsäq u ato r 116; 2 5 5 H i n k e n 300 H o f f n u n g 174; 199; 268; 287; 307; 345; 353; 371; 384; 386; 389; 438; 439; 4 7 0 ; 472; 4 7 3 H o f f n u n g , gute 62; 223; 250; 289; 349 H ö h l e 255; 354; 392; 393; 438; 4 3 9 ; 441; 4 4 2 ; 443 Homosexualität 46; 54; 393 Horapollon 244; 246 Horigenes 44; 253; 308; 317; 3 3 7 Horoslocke 4 6 9 Horosstelen 89; 238 H u n d 100; 110; 116; 128; 135; 248 Hydria 278 Hygieia 97 Hylas 2 3 6 ; 237; 238; 428 Iao 176; 177 Ibis 127; 2 0 2 ; 207; 2 3 6 Ikarios 368

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Ikaros 239; 240; 2 4 1 Inachos 152 Inanna 39; 40; 41; 43; 4 0 1 ; 4 8 1 Inkubation 76; 200; 328 Inopos 152; 368 los 113 Iphis 154; 220; 2 2 1 Isarion 129 Ischtar 39; 40; 42; 43; 364; 4 0 1 ; 4 8 1 Isidora 237; 238 Isidoros, Bürger von Alexandria 143 Isis Campensis 299 Isis Capitolina 129; 304 Isis Euploia 66 Isis Giminiana 129 Isis-Tyche 66; 98; 99; 130; 135; 2 4 5 ; 3 8 1 Isis-Tyche-Protogeneia 130 Isium Metellinum 130 Isopharia 129 Itys 379 Iunius Arulenus Rusticus 386 Iuno 96; 271; 4 7 0 ; 4 7 2 Jahreswinde 117; 3 7 5 Jahwe 78; 86; 142; 176 Johannes siehe Abba Kyros Joseph 344; 352; 356 Juden 22; 78; 86; 124; 141; 142; 144; 145; 147; 185; 249; 267; 308; 317; 3 3 7 Juli, 19. 4; 50; 101; 111; 183; 374 Julia 135; 136; 137; 2 3 6 Julian der Theurg 146 Julian, Kaiser 83; 108; 319; 320; 3 2 1 Justinian 330 Kairos 176 Kalathos 81 Kalliope 72 Kandidat 164; 178; 2 7 5 ; 344; 3 4 5 Kanopos 200; 2 0 1 ; 214; 325; 327; 328; 329; 367 Karpokrates 50; 88; 223; 224 Kasios 239; 371 Kassion 239 Kassiopeia 238; 2 3 9 Katarakt 36; 104; 189; 190; 4 7 8 Katoptromantie 188 Kepheus 238; 239; 4 5 5 Kerberos 77; 232; 4 7 9 ; 4 8 0 Kerkeosiris 2 0 1 Kikellia 185; 302 Kind und Korn 278 Kinderorakel 9; 103; 361 Kinyras 44; 45; 140; 398; 4 0 0

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Register

Klea 253; 254; 355 Kleanthes 83 Kleid 42; 162; 223; 272; 273; 277; 280; 281; 295; 300; 301; 302; 344; 348; 352; 361; 382; 385; 415; 424; 474 Kleidertausch 344; 380 Knabenliebe 85; 345; 366; 370 Knidos 94 Köder 276 Koiraniden 244; 245; 246 Kokytos 233; 477 Konfessionen 212 Konstantin 319 Kontemplation 296 Kopflose, der 2 0 7 Koptos 68; 104; 220; 346; 356; 360; 361; 432 Kore 38; 51; 52; 64; 76; 96; 184; 227; 228; 341; 401 Korinth 266 Kosmas und Damianos 127 Kosmos 229; 253; 255; 257; 263; 315; 463 Krankheit 18; 89; 199; 200; 201; 202; 212; 213; 214; 218; 307; 342; 349; 377 Kranz 295; 296 Kreuz 326; 356 Krokodil 106; 109; 127; 191; 248; 309; 357; 378; 379 Kronia 302 Kronos 4; 5; 115; 118; 167; 197; 226; 227 Kuchen 194; 479; 480 Kuh 21; 68; 88; 153; 278; 366; 439 Kulttopographie 94 Kuß des Sonnengottes 150 Kybele 53; 54; 271 Kykeon 475; 481 Kyme 113 Kynthos auf Delos 137 Kyrene 172; 402; 416 Kyrillos 50; 98; 200; 327; 328 Kyros und Johannes 127; 200; 328 Labyrinth 103 Lakaina 382 Lampe 157; 188; 189; 190; 276; 277; 381; 425; 429; 437; 462; 463; 464 Lampenfeste 158 Lampenorakel 188; 189; 190; 429 Lebena 78 Leimrute 276 Leinen 63; 248; 394; 4 3 0 Leinengewand 94; 141; 161; 189; 248; 273; 292; 315; 431; 432 Leiter 413 Lekanomantie 188

Lesbos 405 Lethe 233; 234; 448 Leto 94; 95 Leuchtturm 66; 188; 213 Ligyrios 170 Livia 135 Locke 104; 163; 220; 362 Logos 253; 254; 256; 257; 265 Longus 341; 343 Lotos 92; 93; 184; 189; 190; 191; 193; 314 Löwe 111; 189; 369 Lykopolis 109; 234; 377 Lykurg 232 Magnet 150; 194; 367 Mahlzeit 165; 344 Maia 95 Makedon 71 Mandragora 449 Mandulis-Aion 148 Manilius 112 Mantel 172; 270; 292; 295; 303; 385; 402 Marc Aurel 143; 146 Maria 127; 269; 328 Marionetten 178; 180; 181 Markomannen 146 Maron 71 Maroneia 61; 63; 71; 79; 122; 223 Marsfeld 127; 140; 141; 299 Märtyrer 132; 327; 328; 329 Märtyrerakten 142; 353; 387 Maschinen 178 Masken 275 Mast 65; 370 Materie 256; 263; 265; 314; 315; 324; 346; 351; 410 Mechanik 178; 181; 390 Melampus 59; 60; 232 Memnon 104 Memphis 6; 9; 17; 59; 72; 73; 74; 103; 104; 124; 140; 169; 170; 201; 210; 233; 239; 346; 356; 360; 361; 365; 428; 432 Memphitis 360 Memphius 169; 170; 360 Menuthis 98; 200; 201; 327; 328 Mercurtempel 342 Meroe 104; 105; 121; 422; 424; 425; 426; 4 2 7 Mesomedes 225; 227; 228 Messalla Corvinus 72; 133; 138 Metellus Pius 130 Mirakel 127; 201; 216; 217; 219; 342; 343; 433; 442 Mischtrank 475; 481 Mithras 178; 180; 290; 298

Register Mitleid 1 1 7 ; 1 1 8 ; 2 1 5 ; 2 2 2 ; 2 2 9 ; 2 3 9 ; 2 7 2 ; 2 8 2 ; 345; 346; 359; 362; 371; 384; 385; 406; 407; 409; 432; 442; 460; 475 Mohn 52; 61; 4 7 4 Moira 218 Mönche 321; 368 Mond 79; 83; 101; 118; 182; 196; 2 0 2 ; 203; 267; 268 Mumifizierung 9; 2 2 ; 2 3 ; 2 5 ; 3 4 ; 3 7 3 ; 4 0 4 ; 4 2 6 Mundöffnung 148; 4 0 3 Musaios 2 3 2 Musen 71; 169; 197; 2 0 6 Mut 264; 352; 355; 361; 362; 370; 373; 374; 389; 421; 440; 441; 462; 465; 473 Myra 94; 95 Myrrha 44; 45; 141; 398; 399; 4 0 0 M ystag o g e 1 6 4 ; 2 5 3 ; 2 9 0 ; 3 0 0 ; 3 8 4 ; 4 0 4 Mystenname 3 8 2 Mysterion 1 6 2 Mytilene 4 0 5 ; 4 0 8 ; 4 1 4 Narziß 2 3 6 ; 2 3 7 ; 2 3 8 ; 4 2 8 Naukratis 9 4 Navigium Isidis 1 5 7 ; 1 7 5 ; 1 8 5 ; 3 0 1 • Neapel 2 8 4 Nechepso 2 4 8 Nekromantie 4 3 1 Nektanebo 310 Nemesis 9 6 ; 1 3 7 ; 2 2 9 ; 2 3 0 ; 2 7 1 ; 3 5 4 ; 3 6 2 Neptun 7 8 ; 1 3 3 ; 4 0 8 Neugier 2 6 7 ; 2 8 2 ; 2 9 1 ; 2 9 2 ; 4 2 5 ; 4 3 0 ; 4 5 8 ; 462; 463; 464; 482 Nikokreon 74; 84; 196 Nikomedeia 1 5 0 Nilelle 3 1 9 ; 3 2 0 ; 3 2 7 Nilkatarakt 3 4 6 Nillandschaften 1 0 6 ; 1 2 7 Nilmosaik 2 4 5 Nilometer 1 5 1 Nilpferd 1 2 7 ; 3 7 6 Nilprozession 1 0 6 Notwendigkeit 8 3 ; 8 4 ; 1 7 8 ; 1 7 9 ; 4 6 5 Novizen 1 6 7 ; 2 7 5 Nysa 7 1 Obelisk 7 6 ; 1 8 6 Oberschenkel 4 6 ; 3 7 9 ; 3 9 1 ; 4 4 4 ; 4 4 6 Octavius Q u a r t i o 7 1 ; 1 0 7 ; 2 3 6 ; 2 4 0 ; 4 2 9 Ohrfeigen 3 4 4 ; 3 8 7 ; 3 9 1 Oinopides 2 3 2 Okeanos 196; 233 Oknos 233; 276; 479; 481 Öl 2 0 8 ; 4 6 2 Olympiodor 2 3 2

699

Olympios 3 2 2 ; 3 2 4 Opus (Stadt) 1 2 6 ; 1 2 7 Orakel 9; 7 4 ; 8 4 ; 8 5 ; 1 0 3 ; 1 4 1 ; 1 4 5 ; 1 4 6 ; 1 5 9 ; 177; 181; 188; 190; 194; 195; 196; 201; 205; 206; 226; 238; 270; 312; 344; 345; 348; 349; 350; 351; 355; 361; 373; 374; 397; 428; 431; 455; 456; 461 Orakeltraum 1 4 1 Orpheus 5 3 ; 6 0 ; 7 2 ; 1 4 9 ; 1 6 1 ; 2 3 1 ; 2 3 2 ; 2 3 4 ; 235; 432 Orphiker 6 0 ; 1 6 1 ; 4 6 1 Oserapis 7 2 Osirisbetten 1 5 ; 1 6 Osterfest 1 5 7 ; 1 6 2 ; 1 8 5 ; 2 6 7 ; 2 7 4 Päan 1 9 4 ; 1 9 5 ; 2 1 3 Pachrates 2 1 7 Palestrina 1 0 6 ; 1 3 0 Palme 1 9 4 ; 2 9 5 ; 3 6 7 Panspermie 4 7 5 Panthea 9 7 ; 4 2 2 ; 4 2 4 ; 4 2 5 ; 4 2 6 Parallelität 3 4 1 ; 3 5 2 ; 3 5 5 ; 3 8 0 ; 4 6 3 ; 4 7 6 Parusie 2 7 0 ; 2 7 1 ; 2 9 0 ; 2 9 1 ; 4 5 4 ; 4 5 8 ; 4 7 3 Passivität 3 4 5 ; 4 7 4 Pastophoren 6 3 ; 1 2 3 ; 1 2 4 ; 1 4 8 ; 3 0 4 Pastophorion 7 3 ; 1 2 3 Pater 1 6 8 ; 4 0 6 Paulina 1 6 7 Pavian 1 2 8 ; 1 7 6 ; 2 0 2 Pegasos 2 7 6 Peitsche 4 7 4 Pelusion 9 4 ; 2 3 9 ; 3 4 6 ; 3 5 6 ; 3 7 1 Penia 2 6 2 ; 2 6 3 Pergamon 1 5 2 ; 1 5 9 ; 1 6 7 Periode der Frau 8 3 Persephone-Ereschigal 3 7 ; 4 0 ; 4 1 ; 4 2 ; 4 3 ; 4 8 1 Perseus 2 3 1 ; 2 3 8 ; 2 3 9 ; 2 4 1 ; 3 7 1 ; 4 5 3 ; 4 5 6 Petosiris 2 4 8 Petros M o n g o s 3 2 8 Pfau 6 8 ; 3 6 7 Pferd 9 1 ; 2 1 5 ; 2 6 4 ; 2 8 7 ; 2 8 8 Phallos 9; 11; 1 3 ; 14; 5 9 ; 7 0 ; 2 4 8 ; 3 2 2 ; 4 2 5 Pharai 1 0 3 Pharos 6 6 ; 6 7 ; 7 5 ; 1 8 8 ; 2 1 7 ; 3 7 7 ; 3 7 9 ; 4 3 2 Pheidias 7 4 ; 8 3 Phialomantie 1 8 8 Philae 10; 15; 1 0 4 ; 1 0 5 ; 1 2 1 ; 3 3 0 ; 3 4 6 ; 4 7 9 Philomela 3 7 9 Philon von Alexandria 2 5 3 Philosoph 2 7 6 ; 3 4 6 ; 3 8 1 Phönix 1 1 1 ; 1 1 2 ; 1 9 1 ; 1 9 4 ; 1 9 7 ; 3 6 4 ; 3 6 7 ; 3 7 4 ; 375 Photis 4 3 0 Phrixos 4 4 2

700

Register

Physiologus 244; 245; 246; 351; 368 Physis 228; 263 Pierius 169 Pilger 102; 104; 105; 300; 301 Pindar 72 Planeten 84; 99; 178; 179; 196; 255; 257; 306 Planke 371; 402 Platane 264; 367; 427; 476; 477 Plotin 246; 311 Plotina 144; 145 Pluton 38; 64; 72; 75; 77; 78; 227; 456; 481 Podiumstempel 157; 160 Poros 262; 263 Poseidon 78 Postumus 135; 137 Potiphars Weib 344; 352; 356 Praefectus Aegypti 69; 220; 356; 361; 362 Praeneste 106; 130; 245; 385 Praxiteles 95; 431 Predigt 224; 281; 288 Prima Porta 135 Primigenia 130; 277 Prodikos 119; 242 Prokne 379 Prometheus 371; 372 Pronoia 99; 388 Properz 137; 138 Prophet 155; 251; 346 Protagoras 72; 119; 242 Proteus 75; 188; 189 Protogeneia 130 Providentia 99; 279; 285; 453; 468; 478; 480 Prozeß 5; 20; 22; 101; 126; 144; 172; 341; 342; 343; 346; 388; 392; 393; 394; 413; 415; 435; 449 Prozessionsweg 192; 196 Prüfungen 164; 344; 345; 365 Prügel 344; 383 Ptolemaios I. Soter 72; 73; 185 V. Epiphanes 73; 377 Ptolemaios der Astronom 93 Ptolemaios der Klausner 73; 211 Ptolemaios Herrscher 122 Purpurschnecke 394 Puteoli 67; 74; 128 Pygmäen 106 Pyramus 236; 2 3 7 Pythagoras 161; 228; 231; 232; 268; 336; 337 Pythagoreer 59; 161; 168; 171; 174; 244; 257; 336; 337; 418; 448; 4 5 2 pythische Schlange 194 Rad 413

Retter 78; 173; 218; 250; 305 Retterin 66; 67; 94; 98; 298; 348; 472 Rhea 53; 95; 226; 227; 228; 229 Rhodos 128; 346; 348; 351; 359; 362 Riegel 34; 292; 293; 425; 436 Ring 192; 196; 197; 218 Rollen 343; 345; 346; 403 Romanos 329 Rosen 266; 267; 272; 274; 279; 418; 430; 437; 438; 439; 475; 476 Sabratha 152 Sais 247 Samos 351 Samothrake 122 Sanatorien 200; 201; 210 Sargritual 172; 340; 343; 355; 373; 403; 449 Satelliten 193; 197 Satrapen 346 Saturn 167 Saturnalia 302 Scarabäus 188 Scheintod 343 Scheiterhaufen 357; 358; 360 Schiff 65; 129; 284 Schiffbruch 67; 343; 351; 355; 360; 371; 373; 380; 382; 402; 473 Schilf 392; 411; 419 Scholle 419; 420 Schranksärge 29 Schrecken 22; 174; 267; 425; 4 5 7 Schreinträger 123 Schwamm 412; 425; 426; 4 2 7 Schwarzgewandeter 123; 162 Schweigegebot 91 Schweiß 174; 465 Schwelle 33; 290; 292; 293; 432; 449; 479; 480; 481 Seelenwanderung 60; 235; 268; 461 Seenot 78; 98; 213; 342; 364 Seereise 343; 350 Selbsterzeuger 191; 205 Selene 79; 96; 98; 116; 209; 366 Seleukeia 201 Seligpreisung 283; 290; 4 5 7 Seneca 102; 105; 388 Septimius Severus 102 Serapeum 141; 148 Sidon 346; 364; 380; 382 Signum 169; 170; 288; 344; 360; 396; 4 1 2 Silentium mysticum 345 Sirius 4; 14; 50; 110; 111; 116; 134; 183 Skarabäus 195 Sklave 84; 283; 287; 352; 384; 391; 424; 431

Register

701

Sklaverei 2 8 3 Sklavin 282; 345; 362; 382; 383; 391; 441; 470; 474 Smyrna 44; 45; 46 Soldat 2 7 5 ; 2 7 6 ; 346; 372 Solon 2 3 2 Sonnenkäfer 91; 188; 190; 192; 195 Sonnenuhren 186 Sophia 2 6 0 Sophist 321 Sothis 4; 14; 102; 110; 111; 116; 140; 183 Spaten 164; 3 8 2 Speisebetten 165 Sphärenharmonie 196 Sphinx 88; 135; 246; 338 Spiegel 188; 270; 276; 4 1 2 Staunen 126; 145; 149; 168; 174; 217; 280; 342; 348; 357; 373; 4 0 2 ; 4 1 6 ; 4 1 9 Stechfliege 369 Steinbruch 360; 365; 382 Sternenzwang 1 7 7 Stoa 2 4 2 Stoiker 83; 119; 235; 242; 243; 2 4 4 ; 249; 250; 2 5 6 ; 259; 307; 310; 386; 3 8 7 Strafwunder 2 1 9 Strahlenkranz 79; 190 Stufen 395; 4 1 3 Stürme 67; 282; 2 9 8 ; 343; 354; 370; 371; 402; 408; 423 Styx 105; 274; 294; 393; 422; 4 3 3 ; 4 5 6 ; 477; 478 Sulla 124; 129; 130; 304 Syene 36; 104; 105; 189; 346; 478 Symbole 244; 253; 312; 316; 336; 343; 381 Sympathie 3 6 5 Syrinx 391; 3 9 2 Syrion 2 1 6 ; 3 4 2

Thekla 201; 358 Theodoros von Sykeon 2 1 9 Theodosius 308; 322; 323; 328; 3 3 0 Theophilos 127; 322; 325; 327; 328 Thermutarion 135 Thessalonike 113; 126; 201; 2 1 6 Thisbe 236; 237; 428 Thraseas 116; 169 T h r a s o n 218; 2 1 9 Thyrsosstäbe 2 9 9 Tibur 146 Tierkult 17; 127; 245; 248 Timotheos 61 Tischlein-deck-dich 4 5 7 Titanen 19; 69 Tithorea 219; 2 8 9 Titus 141 Tonsur 161; 304; 372; 391; 3 9 2 Totengericht 23; 24; 101; 141; 4 7 9 Totenwache 10; 25; 4 3 1 T r a j a n 144; 145 T r ä n e n 70; 176; 221; 268; 2 9 7 ; 4 0 9 ; 4 7 1 ; 4 7 2 Traumdeuter 73; 2 0 0 ; 2 0 4 ; 210; 2 1 1 Traumsendungen 199; 208 Treue, eheliche 3 4 4 Triptolemos 52; 63; 64; 71; 2 2 1 ; 227; 2 2 8 ; 4 7 1 Trost 301; 307; 345; 353; 355; 361; 362; 4 0 9 ; 452 T ü r w u n d e r 392; 4 2 5 Tyrannus 167 Tyros 346; 352; 361; 366; 382; 3 9 4

Tainaron 419; 420; 479 T a m m u z 39; 4 0 ; 43; 4 9 Tantalos 2 3 3 Tarsus 4 0 1 ; 4 0 2 ; 4 0 4 ; 4 1 6 T a u f e 85; 162; 163; 184; 267; 268; 273; 274; 2 8 2 ; 291; 2 9 9 ; 343; 355; 371; 373; 4 0 2 Teiresias 2 1 9 Telethusa 154; 220; 2 2 1 Tellus 96 Tempelbibliothek 216; 307; 342 Tempelschlaf 76 Tentyra 8; 10; 14; 16; 2 0 1 Tereus 379 Thaies 72; 2 3 2 Thammuz-Adonis 364 Theben 104; 268; 392

Valerius Messalla Corvinus 72; 133; 138 Vergessen 4 6 1 Verhör 4 1 1 Versuchung 341; 344; 3 4 6 Vespasian 141; 2 1 1 Victorinus 17 Villa H a d r i a n e 145; 146 Vogelfänger 2 7 6 Voltigieren 4 2 0 Volusius 132 Votivbild 67; 213; 2 1 4 ; 4 4 2 Votivgabe 221; 4 7 2

Unschuldserklärung 23; 27; 31; 2 9 3 Urania 97 Urgewässer 92; 179; 189; 192; 193; 196; 197; 233; 4 7 7 Urgott 189; 190; 191; 2 0 5

Wachsfiguren 3 1 0 Wasser, kühles 23; 34; 36; 4 7 7 Wasserschüssel 188

702

Register

Wecklied 91; 287 Weinen 268; 272 Weltseele 255; 256; 453 Widder 185; 197; 207; 267; 476; 477 Wiedergeburt 112; 164; 280 Wind 197; 356; 381; 457 Woge 410 Wollkleider 161 Wunder 108; 113; 126; 141; 145; 154; 217; 280; 342; 358; 429 Xenainetos von Opus 126; 216 Zacharias Scholastikos 328 Zarathustra 198 Zerreißen 208; 425

2

Zerteilen 259 Zethos 240; 442 Zeugen 113; 126; 154; 217; 280; 323; 342; 348; 381; 390; 391; 426; 432; 436 Zeugnis 63; 138; 342; 472 Zeus Kasios 371 Zittern 174 Zodiacus 111; 255 Zoilos von Aspendos 211; 212 Zoroastres 257 Zufall 99; 256; 282 Zuteiler 81; 92; 176; 177; 179 Zwang 178; 179; 473 Zwangsmittel 207; 436 Zypern 40; 44; 50; 74

Ägyptisches

Amenophis Sohn des Hapu 201 Amenotes 201 Ammon 75; 121; 180; 208; 226; 238; 455 Amun 4; 75; 79; 91; 196; 197; 206; 246; 247; 250; 306; 476 Amun und Amaunet 196 anch 184; 326; 412 Apis 17; 68; 69; 72; 83; 103; 127; 154; 198; 210; 211; 232; 236; 239; 356; 361; 365 Apopis 247 Atum 91

Hu und Hauchet 196; 197 Hymnus auf Sobek-Re 378

Buch vom Tage 153 Buch von der Nacht 153

M a ' a t 23; 24; 96; 118; 230 Metternichstele 18; 19; 357; 390 Mundöffnung 148; 403

Chepri 91 Cheti 107; 108; 377; 378 Codex gnosticus VI 6 - 7 249 Djed 11; 12; 65 Geb 4; 5; 33; 115; 118; 197; 293 Harwêris 88 Haryothes 446 Hermuthis 61; 95 Hesiês 6; 145; 357; 427 Hieroglyphen 112; 115; 119; 244; 246; 247; 308; 309; 325; 326 Himmelskuh, Buch von der 69 Horos 69 Horossöhne 25

Imuthes 114; 201 Käfer 190 Klagelieder 10 Kuk und Kauchet 196; 197 Leidener Amunhymnus 22 List der Isis 22; 91

Neith 261 Nephthys 4; 5; 6; 7; 9; 10; 11; 13; 28; 34; 165; 187; 198; 248; 249; 380; 381; 383; 384; 386; 387; 426; 433 Nilhymnus 107; 377; 378 Nun 196; 197; 233 Nut 4; 5; 33; 34; 36; 197; 293; 473 Osirishymnus, Pariser 7; 16; 21; 394; 449 Pap. Pap. Pap. Pap. Pap.

Bremner-Rhind 10 Chester Beatty I 16; 20; 21; 22 Dem. Mag. 32; 201; 458 Dodgson 212 Jumilhac 310

Register Pap. Rhind 24; 25; 26; 27; 28; 29; 30; 31; 114; 293; 294; 426; 432; 479 Pap. Sallier IV 21 Petubastisroman 446 Pharao 236 Pschai 92; 176; 177; 179; 192; 249 Pyramidentexte 13; 112 Raphiadekret 109; 158 Re 4; 19; 22; 75; 79; 91; 109; 116; 117; 119; 150; 180; 181; 197; 206; 207; 306; 348; 378; 413; 428; 476 Renenutet-Terenuthis 61 Sargtexte 10; 19; 433; 480 Sarusis 193 Schu 33; 34; 146; 197 Selbsterzeuger 189; 205 Setom-Chamwese 233

3

Si-Osire 233 Sobek 34; 378 Stundenwachen 10; 34; 98 Suchos/Sobek 378 Tefnut 33; 34; 197 Thermuthis 80; 97; 135 Thoeris 165 Totenbuch 26; 31; 34; 35; 36; 294 Totenbuch des Ani 293 Kap. 125 23; 30; 31; 32; 139; 172; 292; 293; 294; 345 Totengericht 23; 24; 101; 141; 479 Totenklagen 165 Unschuldserklärung 23; 27; 31; 293 Wecklied 91; 287

Antike Autoren

Acta Alexandrinorum 387 Acta Pauli et Theclae 18 353 2 1 - 2 2 358 Aelian XI 31 215 Aelius Aristides Heilige Reden 200 Or. 45 80; 128; 165; 216; 223; 301; 356 Or. 48 272 Altes Testament 1. Moses (Genesis) 28,12 413 2. Moses (Exodus) 20,7 22 3. Moses (Leviticus) 24,16 22 5. Moses (Deuteronomium) 5,11 22 Jesaias 18,2 49; 50 Hesekiel 8,13-14 44 Hesekiel 8,14 40; 49 Daniel 3 358 Makkabäer IV 8,13 387 Ammianus Marcellinus XIX 1,11 44 XIX 12 431 XXII 11,7 320 XXII 11,9 163 XXII 16,3 149 XXII 16,12 148 XXII 16,14 367 Annaeus Cornutus 28 44; 269 Anth. Pal. V 78 Piaton 350

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Anth. Pal. VI 231 Philippos von Thessalonike 94; 98 Anth. Pal. XII 55 Artemon 348 Anth. Pal. XIV 31 4 5 Anthol. Lat. 3 Shackleton-Bailey 67 Antiochos, Kalender des 375 Antoninus Liberalis 34 45; 398 Aphthonios, Progymnasma 12 149 Apion 616 F 11 367 Apollonios Sophistes p. 56,14 Bekker 92 Appian, Bell. civ. IV 200 132 Appuleius Apologie 10 4 1 7 Apologie 25 325; 463 Apologie 26 187; 4 6 3 Apologie 27 463 Apologie 34 290 Apologie 55/56 161; 170; 288; 412; 420; 436; 454 Apologie 64 4 1 7 De deo Socratis 3 295 De deo Socratis 5 439 De deo Socratis 14 168 De deo Socratis 19 4 2 7 De Piatone 1 3 232 De Piatone 1 18 421; 438 De Platone II 3 484 De Platone II 6 440 De Platone II 12 484

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Register

De Platone II 23 466; 4 6 7 Arat, Prooemium 216 Aristainetos 623 F 1 108 Aristeides der Apologet, 11,3 4 7 Aristophanes, Frösche 3 8 2 - 3 51 Aristoteles, Metaphysik A 5 171 Arnobius I 311 III 15 244 V 1 9 170 Artemidor II 39 173 II 44 214 IV 4 390 Artemios, Mirakel des A. 17 219 Artemon Anth. Pal. XII 55,4 348 Athanasios, Vita Antonii 90/1 29 Athenagoras, Supplicatio 22 17; 228 Athenaios V 31 376 X 74 45 X 83 4 5 X I 9 7 107 XIII 35 272 Augustin Confess. VII 21 268 Confess. Vili 29 361 De civitate dei VII 35 188 De civitate dei XV 20 273 De civitate dei XXI 6 150 De civitate dei XXII 8 113 De consensu evangelistarum II 4,13 273 De cura pro mortuis gerenda 12,15 219 De divinatione daemonum 1 322 Sermo 216,11 273 Bardesanes bei Stobaios I 3,56 392 Bion von Smyrna, Klage um Adonis 4 7 Carmen contra paganos 19-20 51 Casiodorus, Variae V 17,4 65 Cassius Dio 4 0 , 4 7 , 5 - 8 132 4 2 . 2 6 . 2 132 47, 15,4 132 5 3 , 2 , 4 133 5 4 , 6 , 6 133 65, 8 141 6 6 . 9 . 3 141 6 8 . 2 7 . 3 392 69, 11 145 7 1 . 8 . 4 146 75, 13,2 102 79, 10,1 110

Cat. codd. astrol. Gr. VIII 4,148,22 und 166,11 213 VIII 4,252 148 Catull 10,26 132 74 91; 132 Censorinus, De die natali 21 374 Chairemon fr. 10 244; 296; 345 Test. 9 337 Chaldäisches Orakel fr. 15 351 Chares von Mytilene 125 F 5 272 Chorikios von Gaza 186 158 XXXII 388 Cicero Brief an den Bruder Quintus III 7,7 236 De divinatione 1 132 211 De legibus II 2 236 De legibus II 36 62 Tusc.I 98 228 Tuse. 1 108 29 Tusc. II 34 344 Claudius Aelianus De natura animalium X 24 378 De natura animalium X 46 8 De natura animalium XI 10 103 De natura animalium XI 31 215 Claudius Ptolemaeus, Geogr. IV 5,39 93 Clemens (Rom.), Homilien I 32,2 458 Clemens Alex. Protrept. 15,3 383 18.1 170 21.2 383 Paedag. II 28,3 351 Paedag. III 2,4,3-4 128 59,2 346; 381; 411 Strom. V 7 , 4 1 - 2 245; 378 Strom. VI 4,35,2-37,1 155; 242; 278 Cod. Iustinianus V 4,24 349 Codex gnosticus VI 6 - 7 249 Cyprian, Carmen IV (contra paganos) 3 5 - 3 8 212 Damaskios Vita Isidori 9 7 - 1 0 2 245; 324 Vita Isidori 99 248 Vita Isidori 107 91; 162 Vita Isidori 131 392 Vita Isidori 174 50 Vita Isidori 199 393 Demetrios von Phaleron Fr. 99 214

Register Diodor 114 61 117,4 134 118.4 134 1 19 372 1 2 3 232 1 2 5 19; 65; 199 1 2 7 113 127.5 224 1 2 9 63; 402 1 3 6 108 1 6 9 244 187,3 100 I 91-93 24; 26; 28; 29; 373; 432 I 9 6 - 9 7 232; 244; 276; 479; 480 I 98 60; 244; 268 1119,2 422 III 5 8 - 5 9 54 IV 25 232 Diogenes Laertios III 6 232 V 76 213 Dion Chrysostomos 12,33 478 Rede an Alexandriner or. 15 u. 32 103 Diphilos fr. 49 45 Epiktet II 1,35 387 IV 13,22 387 Epiphanios Panarion 51,22 184; 185; 228; 302 Panarion 51,30,3 151 Etym. Magn. unter Koptos 104 Eudoxos von Knidos fr. 298 72 Eunapios Vit. soph. VI 9,16 321 Vit. soph. VI 1 1 , 1 - 1 0 321; 325; 329 Euripides Bakchen 903 282 Troerinnen 887-8 248 Eusebios Hist, eccles. V 25 267 Hist, eccles. VI 19,8 337 Hist, eccles. VIII 14 362 Mart. Palaest. 5,3 362 Praep. ev. II 1,28 67 Praep.ev. 111 11,47 285 Praep. ev. 111 11,48 378 Praep. ev. 11111,50 17; 243 Praep. ev. 11111,51 8 Praep. ev. V 10 312; 313; 315 Praep. ev. X 9,20 67 Praep. ev. X 12,21-22 67

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Praep. ev. XI 36 219 Eustathios zu Odyssee 4,563 367 Odyssee 11,590 50 Evangelium Nicodemi 42 Firmicus Maternus De errore 2 17; 154 De errore 3 53 De errore 9 46 De errore 22 165; 408 De errore 27 16 Mathesis VIII 13,1 214 Flavius Josephus Ant. lud. 1 1 , 3 1 7 - 3 4 5 272 1 8 , 7 2 167 1 9 , 9 4 141 Bellum VII 1 2 3 ^ 141 Fulgentius Mythologiae III 6 476 Virgiliana continentia p. 91,6 343 Georgios von Sykeon, Vita des Theodoros von Sykeon 90 219 Gregor von Nazianz, Or. 4 (Contra Iulianum I) 89 387 Gregor von Tours, In gloria martyrum 45 223 Gregorius Magnus, Dial. IV 37,6 219 Hedylos 107 Hekataios von Abdera 264 F 4 247 Heliodor 3 , 1 3 , 2 - 3 285 5, 22 300 8 , 9 358 9 , 2 2 377 1 0 , 9 - 1 0 358 Hephaistion von Theben III 7,13 148 Hermes Trismegistos Asclepius 24 148 Corp. Herrn. I 27 351 Corp. Herrn. VII 1 - 2 282; 351 Corp. Herrn. XVI 1 - 3 309 Exzerpt XXIII 200; 249 Liber Hermetis ed. Gundel p.90 214 Pupille der Welt 346 Hermesianax 54 Herodot I I 351 II 29 121 II 37 161; 248 II 41 59; 68 II 42 71 1159,2 51

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Register

II 81 60; 161; 239; 244; 268 II 86 22; 29 II 90 6; 236 II 97 108 II 123 268 II 132 153 11170,1 22 Heron, Pneumatika I 3 8 ^ 0 425 Hieronymus in Hiezechielem 8,14 40; 44; 49 Hieronymus, Epist. 64,19 273 Himerios IX 11 237 XLVIII 8 - 9 108 Hippolytos Elenchos IV 2 8 - 4 2 181; 195 Elenchos V 8,39-41 52; 227; 269 Elenchos V 9,8 54 Historia Augusta Hadrianus 26,5 146 Sept. Sev. 17 102 Pescennius Niger 6,8-9 156 Caracalla 9,10-11 156 Triginta tyranni 25 130 Historia monachorum in Aegypto VIII 25 156 VIII 3 3 - 3 4 272 X 3 25 X I X 8 358 Homer Demeterhymnus 4 7 - 5 0 52 Demeterhymnus 94 52 Demeterhymnus 184-211 41; 53; 475; 480 Demeterhymnus 3 7 1 - 4 41 Demeterhymnus 480 283 Dionysoshymnus 343 Ilias 1,528-530 271 Odyssee 4,563-569 234 Odyssee 24,1-2, 11-14 232 Horapollon 1 3 4 112 144 428 1 5 6 376 1157 112 II 84 376 H i l l 368 Horigenes Contra Celsum I 9 292 Contra Celsum I 12 338 Contra Celsum I 24 313 Contra Celsum I 68 458 Contra Celsum III 17 128 Contra Celsum III 51 285 Contra Celsum VI 22 413 zu Hesekiel 8,13 49

zu Hesekiel 8,13-14 40 Hygin Astronom. II 7 38 Fab. 58 398 Fab. 150 69 Fab. 277 65; 351 Hypereides 3 445 Iamblich De vita Pythag. 12-20 232 De vita Pythag. 82-86 174 De vita Pythag. 103-5 336 De vita Pythag. 149 161 im Scholion zu Piaton, Sophistes 216A 244 Iamblich-Abammon I I 232 1 3 315 1 1 2 312 115 312 113 285 l i l i 316 III 2 163 III 25 315 III 27 244 IV 4 315 VI 1 - 7 3 1 4 ; 3 1 5 VII 1 - 5 312; 313; 315 Isidoros von Narmuthis, Hymnen 61; 62; 95; 96; 97; 98; 99; 123; 199 Isishymnus von Andros 66 Isokrates, Paneg. 28 62 Johannes Lydus, De mensibus IV 45 157 Johannes Moschos, Pratum spirituale 186 361 Julian, Or. 4, p. 136A 83 Justinus martyr, Dialogus cum Tryphone 110 387 Juvenal 6,527 422 Kallimachos Ankunft der Io 68 Epigr. 57 67 Hymnus 5 219 Hymnus auf Delos 2 0 6 - 8 152 Hymnus auf Demeter 18 52; 219 Locke der Berenike 362 Kallixeinos 627 F 2 376 Kebes, Pinax 5 448 Kleanthes, Hymnus 83 Koiraniden 121,98-110 206 III 42 367 Kosmas und Damianos 127 Kyrillos von Alexandria

Register Migne, Patrol. Gr. 77,1105 98; 327 zu Jesaias 18,2 49; 50 Lactantius Placidus zu Statius, Thebais I 264/5 104 Lactanz De ave Phoenice 163 375 Div. institut. 111,21 157 Leon von Pella 659 F 8 61 Leontios von Neapolis, Leben des hl. Johannes 46 127 Libanios or. 1,243-250 208 or. 11,114 272 Lukian Adversus indoctum 14 104 Navigium 5 und 14 129 Philopseudeis 25 219 Philopseudeis 35 458 Lygdamus 4 , 1 3 - 1 6 139 5,1-14 138 Lykophron 5 7 4 - 6 152 Macrobius Saturnalia 118,10 186 Saturnalia I 18,18 83 Saturnalia I 20,15 78 Saturnalia I 20,17 74 Saturnalia II 5,2 136 Saturnalia II 5,4 136 Manetho 609 F 21 367 Manethon (der Astrologe) IV 445ff 214 Marinos Vita Prodi 30 163 Martyrium Cypriani et Justinae 4 358 Euphemiae 4 387 Euphemiae 8 - 1 0 358 Irenae 358; 361 Matthaei 19 und 21 358 Pionii 7,6 362 Polycarpi 2,4 387 Polycarpi 15/6 358 Menander, Dyskolos 765-770 164; 344 Mesomedes 225 Minucius Felix 2,5 454 21,1 67 22 9; 65; 131; 146 Moschos, Europa 365 Neues Testament Johannes 6,27 288

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Johannes 18,5 114 Apostelgeschichte 9,10 272 Paulus 1. Korintherbrief 7,22 283 1. Korintherbrief 15,36 243 2. Korintherbrief 3,17 283 Nigidius Figulus in den Scholien zu den Aratea des Germanicus p. 88,12 und 157,9 103 Orosius VI 15,32 149; 325 Orpheus fr. 31 170 fr. 52 53 fr. 239 83 fr. 334 436 hymn. 42,9 123 hymn. 56 44 Ovid Amores II 13,7-18 138 Epist. ex Ponto I 1,51-54 212 Met. I 5 8 3 - 7 5 0 68 Met. I 743 366 Met. IV 5 5 - 1 6 6 2 3 7 Met. V 5 0 1 - 3 und 5 7 3 - 6 4 1 368 Met. IX 6 6 6 - 7 9 7 91; 153; 154; 220 Met. X 2 9 8 - 5 5 2 45; 398 Met. X 705-739 45; 46; 398 Palladlos Historia Lausiaca 65 361; 385 Passio Montani et Lucii 3,3 358 Pastor Hermae, Visio III 2,1 387 Pausanias 7 , 1 7 , 9 - 1 0 54 7, 22,2-4 103 9 , 3 9 , 8 448 1 0 , 3 2 , 9 - 1 0 220 1 0 , 3 2 , 1 3 289 1 0 , 3 2 , 1 8 70 1 0 , 3 8 , 1 3 127 Petron 16 4 2 5 Phanokles 46 Philon, Adversus Flaccum u. Legatio ad Gaium 142 Philostrat Imagines 1 5 106 Vita Apollonii I 6 393 Vita Apollonii 1 1 5 168 Vita Apollonii VII 14,2 387 Photios, Bibl. cod. 129 418 Physiologus 38 367 43 376 Pindar fr. 137 283

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Register

Platon 2. Brief p. 312E 85; 258 7. Brief p. 344B6 265 Alkibiades 1121E 463 Alkibiades 1122A 325 Apologie 41A 228 Gesetze 896E 2 5 7 Phaidon 62C 4 6 7 Phaidon 69C 439; 480 Phaidon 81A 144 Phaidros 229A8, 230B6 427 Phaidros 2 4 5 - 2 5 2 464 Phaidros 246AB 288 Phaidros 246D 482 Phaidros 247A7 482 Phaidros 248A-B5 438 Phaidros 251B 264 Phaidros 252A 470; 474 Phaidros 253C - 254B 265; 288 Rep. 488BC 351 Rep. 611E 351 Sympos. 203B-204A 263 Sympos. 210E 295 Theaitetos 176AB 424 Timaios 30B8 255 Timaios 4 3 CD 262 Timaios 47E 255 Timaios 48A 260 Timaios 68A 265 Timaios 69D 276 Piaton, der Komiker, Adonis fr. 3 45; 46 Plinius, Nat. hist. II 208 392 II 229 152 V 50 103 V 57 69 Vili 185 103 Χ 5 112 XXVIII 25 454 XXXI 23 393 X X X V I 1 8 9 130 Plutarch Alkibiades 22 269 Amatorius 17 252 Amatorius 19 92; 263 De facie in orbe Lunae 28 345; 365; 372 De garrulitate 8 168 De Iside 2 254; 258; 259; 261 De Iside 3-4 161 De Iside 4 248 De Iside 7 248; 428 De Iside 8 9 De Iside 9 338 De Iside 10 232; 244

De Iside 11 248; 254 De Iside 12 375 De Iside 13 7; 172; 372 De Iside 14 6; 9; 103; 104; 243 De Iside 1 5 - 1 7 15; 49; 64; 446 De Iside 18 248; 405 De Iside 1 9 - 2 0 21; 338; 446; 449 De Iside 20 253 De Iside 22 375 De Iside 25-26 254 De Iside 27 173; 254; 260 De Iside 28 61 De Iside 29 144; 158; 233 De Iside 30 244 De Iside 32 8; 243; 247; 376; 428 De Iside 33 243; 244 De Iside 35 253 De Iside 36 14; 26; 70; 243; 411; 425; 476 De Iside 38 14; 26; 70; 243; 263 De Iside 39 153; 216; 247; 278 De Iside 4 0 247 De Iside 4 2 244 De Iside 4 5 256; 257; 259 De Iside 4 6 ^ 7 257; 259; 281 De Iside 48 257; 260 De Iside 50 376 De Iside 51 162; 243; 431 De Iside 52 278 De Iside 53 256; 258; 264 De Iside 54 258; 259; 260; 263; 4 4 9 De Iside 5 5 - 5 6 256; 263; 288 De Iside 57 263 De Iside 58 254; 256; 258; 260; 2 6 5 De Iside 59 243 De Iside 60 259; 260; 261 De Iside 61 247; 260 De Iside 62 367 De Iside 63 262 De Iside 64 72 De Iside 65 17; 186; 243 De Iside 66 152; 243 De Iside 67 253 De Iside 68 91; 253; 254 De Iside 70 243 De Iside 7 2 - 7 6 244; 245; 248; 263; 265 De Iside 77 162; 171; 258; 265; 270; 431 De Iside 78 72; 258 De liberis educandis 14 168 De profectibus in virtute 10 168 fr. 176 Sandbach 219 fr. 178 Sandbach 174 fr. 212 Sandbach 232 Polybios V 34, 8 122

Register

Porphyrios An A n e b o 1,10 3 1 2 An A n e b o 2 , 8 3 1 3 ; 3 1 5 An A n e b o 2,9 3 1 4 An A n e b o 2 , 1 0 3 1 3 De abstinentia III 2 3 3 7 6 De abstinentia IV 6 - 8 244; 2 7 8 ; 2 9 6 ; 3 4 5 De abstinentia IV 9 151; 2 0 6 De a n t r o n y m p h a r u m 34 2 7 6 ; 3 5 1 Proklos im Catal. des manuscrits alchimiques gì. VI 1 5 0 , 7 3 6 9 P r o p e r z II 3 3 , 1 - 4 u n d 17 138 Prudentius Peristephanon 9 2 1 3 Ps. Apollodor Bibl. 115 3 6 6 Bibl. II 8 - 9 51; 6 9 Bibl. II 4 3 2 3 9 ; 4 5 5 Bibl. III 1 8 3 - 5 4 5 ; 398 Ps. Kallisthenes I I 310 I 5 - 6 208 I 3 0 - 3 3 74; 75; 77; 81; 83; 93; 149; 184; 226; 271 Ps. Lukian D e dea Syria 4 3 6 5 D e dea Syria 6 - 7 4 8 ; 4 9 Ps. Plutarch De H o m e r o II 9 2 3 3 7 Parallel, min. 2 2 3 9 8 Quodvultdeus De s y m b o l o l 1,4-5 2 7 3 Liber p r o m i s s i o n u m et p r a e d i c t o r u m dei III 4 2 150 R u f i n , Hist, eccles. XI 2 2 - 3 0 81; 149; 150; 163; 167; 320; 322; 325; 326; 367; 4 3 6 Rutilius N a m a t i a n u s , I 3 7 3 - 6 156; 158 Satyros 61 Scholion zu Juvenal 8 , 2 9 154 zu N i k a n d r o s , A l e x i p h a r m a k o n 8 54 zu T h e o k r i t 1 , 1 0 9 a 4 5 zu T h e o k r i t 3 , 4 8 d 3 8 Seneca Apocolocyntosis 13 154 bei Servius zu Aeneis VI 154 4 7 8 Epist. 5 1 , 3 - 4 3 6 7 N a t . quaest. IVa 2 108 Servius auctus zu Aeneis 9 1 1 5 54 Servius a u c t u s zu eclog. 10,18 4 6

709

Servius zu Aeneis 2 , 1 1 6 152 4 , 5 1 2 152; 4 7 5 8 , 6 9 8 131 Sokrates Hist, eccles. 1 1 8 3 1 9 Hist, eccles. III 3 3 2 0 Hist, eccles. V 1 6 - 1 7 322; 3 2 4 ; 3 2 6 Sophokles Antigone 3 3 2 - 3 7 5 2 5 0 Fr. 8 3 7 R a d t 2 8 3 Sophronios, M i r a c u l a s a n c t o r u m Cyri et I o h a n n i s 5,4-5 127 51,10 219 Sozomenos 18,5 319 V 3,3 319 VII 15 322; 3 2 4 ; 3 2 6 Statius, Silvae III 2 , 1 0 1 - 2 6 7 Stephanos von Byzanz, unter A m a t h u s 5 0 Stobaios 1 3,56 3 9 2 149,44 249 III 1 , 1 9 9 3 3 7 IV 7 , 6 5 3 5 1 IV 5 2 , 4 9 174 Strabon VI 2,4 152 XII 2,4 2 3 7 XVII 1,16/7 2 1 4 ; 3 6 7 XVII 1,31 1 0 3 XVII 1,46 3 7 4 XVII 1,50 4 7 9 XVII 2 , 3 4 2 2 S u d a - L e x i k o n unter Iulianos 1 4 6 Sueton Caligula 57,4 141 Nero 20,3 284 Vespas. 7 141; 2 1 1 D o m i t i a n u s 1,2 141 Symposius 112; 188; 3 9 6 Synesios Aigyptioi I 2 - 4 3 3 8 ; 4 4 4 De insomniis I p. 1 3 0 A 4 6 8 Tacitus Ann. 1185,4 1 3 3 Ann. VI 2 8 3 7 5 Hist. III 74 141 Hist. IV 8 1 - 8 2 141 Hist. IV 83,2 61 Tertullian Ad nationes 1 1 0 , 1 7 - 1 8 Ad nationes II 8 130

131

710

Register

Apologeticum 6,8 131 De baptismo 5 163 De pudicitia 13 274 Themistios XI 237 Theodoret, Hist, eccles. V 22 322 Theokrit 1,110 46 7,157 52 13 Hylas 238 15,100-3 48 15,132 50 24 Herakliskos 238 Theon von Smyrna p. 15 296; 402 Tibull 1 2 , 8 1 - 8 4 140 I 3,13 und 91 430 1 3,23-32 137; 138 13,51-52 139 I 7,21—48 134

4

Valerius Maximus 13,4 132 VII 3,8 132 Varrò, Menipp. fr. 85-86 420 fr. 128 201 fr. 152 201 Vergil Aeneis VI 154 105 Aeneis VI 3 2 2 - 3 3 0 204 Aeneis VIII 6 9 6 - 7 0 0 132 Vita Aesopi 4 - 8 62; 222 Vita des hl. Pachom 3 156 Vitruv VIII praef. 154 Vorsokr. 1 Β 23 (Orpheus) 170 24 A 3 (Alkmaion) 171 58 Β 5 (Pythagoreer) 171 Zacharias Scholastikos, Leben des Severus 327 Zenobios 149 50

Inschriften

A. E. 1934 245 146 Athen. Mit't. 35, 1910, 489 Nr. 90c 400 Audollent, A. 270 208 B. C. H. 70, 1946, 254-259 Nr. 8 253 Bernand, A. und E. Les inscriptions grecques et latines du Colosse de Memnon 104 Bernand, E. Inscr. grecques et latines d'Akôris 2 9 - 3 9 158 Inscr. métr. 73 234 74 234 87 237 107 88 112 210 165 305 166 148; 284 Inscr. Philae II 128 110 158 67; 340 2 0 0 - 2 0 4 330 C. I. L. I l 2 , p.260 157 11 2 , p.276 158 II 5665 78 V I 4 1 6 9 135

VI 10117 170 VI 11271 170 VIII12493 78 X 1 7 8 1 128 X 3615 und 3640 129 X 6219 170 X I 3 8 2 2 170 XIV 2867 130 XIV 4254 170 Carmina epigraphica 2050 137 Corp. Inscr. Graec. 7045 91 Dessau 917 134 1398 2 1 7 1529 140 2824 157 2901 129 3687 277 3689 130 4362 98; 271 4390 78 4395 129 4401 75 4405 130 4411 170 4420 123 5187 170

Register 5190 170 5191 170 5192 170 5317 128 6340 169 6367 304; 448 8090 169 8757 208 9442 169; 360 Filocalus 101; 157; 158 Hesperia 1 3 , 1 9 4 4 , 34 77 I. Cret. I p . 173 78 I. Délos 2038 96 2060 97 2072/73 130; 214; 277 2079 96 2085/86 123 2101 97 2124 123 2132 92; 364 2153 67 2180/1 161 I. G. II 2 3411 151 3639 151 4771 211 I. G. IV 4,1306 123 I. G. IV 2 1.121 223 1.122 272 I. G. V 2,472 235; 348 I. G. VII 3198/9 84 3201/4 84 I. G. Χ 2, fase. 1 58 165 102 360 108 158 220 169 254 113 255 126 I. G. XI 4 1223 165 1253 248 1263 214 1299 125; 217 1307,21 277 I. G. XI 9 1308,2 277 I. G. XII 2 , 1 1 4 78 I. G. XII 5, 739 113 I. G. XII Suppl.

711

565 83 571 123 S. 98 Nr. 14 113 I. G. XIV 719 91 2413,3 74; 98; 363 I. G. urbis Romae 77 168 101 140 129 54 160 168 192 81 193 169 194a 79 I. K .

5,41 73; 113; 115; 360 12,450 389 2 4 , 7 2 5 73 2 8 , 2 4 1 66 3 4 , 1 3 7 165 4 0 , 1 0 2 8 62 4 1 , 1 6 7 152 I. Pergamon 336 83 I. Priene 195 73; 124 Inscr. Graecae ad res Romanas pertinentes IV 1498 246 Inscriptiones Italiae XIII 2 258/9 101 Inscriptiones Italiae, Portus 9 67; 200 18 200 Isidoros von Narmuthis 61; 62; 95; 96; 97; 98; 99; 123; 199 Journ. Hell. Stud. 6 5 , 1 9 4 5 , 62 77 Marshall, Catalogue of the Jewellery 3156 78 O. G. I. 54 122 56 110; 183; 302 90 103; 109; 377 97 82 672 93 706 200 Peek, W. Der Isishymnus von Andros 66; 113 Griechische Vers-Inschriften 1163 235 1951 siehe Abb. 2 2 0 - 2 2 2 Raphiadekret 109 Roussel, P., Délos 1 125; 211; 268 16 161; 371 20 151; 165 36 151 45 151

712

Register

82 97 117 96 119/20 130; 214; 277 124 97 138-140 96 194 92; 364 S. E. G. I , 1 5 9 253 8 , 4 6 7 109 I I , 820 78 1 5 , 6 1 9 77 2 0 , 3 2 5 84

5

26, 821 61; 64; 71; 79; 113; 122; 223; 298 26, 1139 161 Sansnos 305 Schwyzer, E. Dialectorum Graec. exempla 792

161

Sylloge^ 502 122 1125 228 1129 248 1132 67; 92; 364 1168 223 1169 272

Papyri

Acta Alexandrinorum 142; 387 Beri. gr. Urk. 116 161 II 362 88 II 423 78 VI 1210 124; 161; 277 VI 1216 96; 278 Corp. Pap. lud. 159 142 Edgar, C.C. - Hunt, A.S. Select Papyri II Nr. 411 278 Gnomon des Idios Logos 124; 161; 277 Mitteis, L. Grundzüge und Chrestomathie 345 P. G. M. I 1 - 4 2 206 33 461 42-195 457 98 209 106-111 457 120 422 232 207 315-325 und 341-2 204 P. G. M. II 1 - 1 8 3 191 17 und 40 207 43 207 88-98 205 169-173 380 169-173 207 P. G. M. III 1-164 191 98 207; 314 165-262 194; 195 191 213 424 207 467 207 499-535 245; 368; 378

537 207 707 366 P. G. M . IV 102 6 154-285 188 436-61 204 438 226 475-824 178 502 und 524 473 523 477 534 473 539 179 876 357 930-1114 188 939-950 189 941 314 942 105 1596-1716 192 1639 356 1648-1695 3 1 4 ; 4 6 1 1715 74; 78 1928-2140 188 1957-89 204 2441 209 2448 217 2 8 9 6 , 2 9 0 1 207 2903 48 2915 207 3209-3254 188 P. G. M. V 98 380 105 und 112 17 175 233 268 208 270 357 273 208

Register 282/3 207; 208 283 207 370-445 202 488 209 P. G. M . VII 495 110 618 233 645 32 668-680 202 P. G. M . Vili 7 4 - 8 1 204 P. G. M . XII 14-75 206 14-95 191; 206 2 0 1 - 2 6 9 196 230 22 2 3 2 - 2 3 5 197 234 384 235 8 237 und 240 22 2 4 4 - 2 5 2 198 319 148; 284 845 22 P. G. M . XIII 77; 175; 177; 246; 267 153 233 582, 620, 640 77 639 81; 92 732-1056 22; 196 993 246 P. G. M . XVIIb 202 P. G. M. XXI 196 2 4 - 8 314 P. G. M . XXIVa 98; 363 P. G. M . XXXVI 2 1 1 - 2 3 0 193 P. G. M . XL 72 P. G. M . LVII 207; 208; 314 P. G. M . LXI 1 - 3 437 P. G. M . LXII5 6 P. G. M . Ρ 4, 5b, 5c, 9, 1 7 , 1 9 , 22, 23 194 Page, D. L., Select Papyri 96 III 217 Pap. Antinoopolis 18 64; 221 Pap. Bruxelles E 7535 158

6

Pap. Cairo Zenon I 59034 211 59320 129 Pap. Derveni 149; 336 Pap. Golenischeff siehe Abb. 223 Pap. Gurob 1 170 Pap. Köln I Nr. 57 165 Pap. Michigan VIII 502 104 511 121; 166 Pap. Milano 121 77; 148 VI 260 396 Pap. Oslo 2 171 Pap. Oxy. 1070 62 1380 94; 96; 99; 200; 201; 292; 351; 364 1381 201; 272 1382 74; 78; 216; 342 1484 165 2415 129 2465 61 2476 239 Pap. Petrie III 142 48 Pap. Soc. It. 151 396 1048 129 1162 und 1290 170 Pap. Tebtunis 44 201 104 345 292 124 Papyri Washington University Collection, St. Louis 71 171 Suppl. Mag. 7 81 Töpferorakel 103 Wilcken, U. Chrestomathie 118 201 Urkunden der Ptolemäerzeit Nr. 1 72; 124 Nr. 2 - 1 0 5 73

Texte in den Sammlungen von L. Vidman und M . Totti

Totti, M. Texte Nr. 1 73; 113; 115 l b 224 2 66; 113 3 200; 249 4 402

6 50; 83; 88; 224 8 170 9 und 10 171; 391; 414 11 125; 211; 217; 268; 280 12 217 13 78; 216

713

714

Register

14 126 15 201; 272 1 6 - 1 7 201 18 222 19 61; 64; 71; 79; 96; 113; 122; 223; 298 20 94; 96; 99; 200; 292; 351; 364 36-39 105; 340 48 165 49 166 6 1 - 6 2 84 65 64; 221; 228 66 77; 148 67 104 69 201 71 211 72 158 74 6; 237 78 181; 195 79 124; 161; 277 80/81 249 dman Nr. 1 122 5 211 16 153; 211 42 97; 235; 348 55-56, 60, 64, 67, 6 9 - 7 1 84 75 123 80-82 157 8 0 - 8 2 83 82 83 88 50; 88; 170; 224 107 98 109 165 110 169 116 91 129 366 130 157 161 78 171 129 179 67 254 88 2 5 8 - 2 6 2 66; 78; 405 265 165 274 66 275 165 291 73; 124 302 157

306 73 313 83 324 158 325 97 327 157 328 157 331 79 363-4 74 369 84 377 130 3 8 2 - 7 140; 168 389 79 390 62; 292 396 66 400 156 403 67; 200; 201 406 169; 277 424 170; 360 425 170 4 2 6 - 7 123 438/9 168 458 81 482 3 0 4 ; 4 4 8 495 152 496 91 4 9 7 128 501 169 502 98; 266; 271 528 130 556a 200 586 169; 360 591 277 613 146 670 78 698 168 704 158 709 157 718-721 98 724 62 727 156 753 75 764 66 769 78 770 78 777 78 803-808 402

Register 7

715

Lateinische Wörter

absolutus 282 adesse 270; 271; 292; 454; 458 adlegere 304 advenire 290 adventus 473 ambages 281; 423 ancora 411 anxius 287; 289 augustus 283; 290 auxilia 220; 277 balneum 291; 423; 435 beatus 274; 283 bona fiducia 439 bono animo esto 164; 345 canna 411 castimonia 286; 469; 475 cataclista 277; 385 ciborium 189; 190 cilicium 272; 273 cinaedus 41 cista 134; 153; 278; 455; 479 claustra 289; 292; 293 clemens 272; 275; 289; 299; 303; 431; 458; 459 siehe auch inclemens cline 126; 165; 166; 167; 289; 300; 435 cohors 280; 291 commeatus 284 communio 344; 370 continentia 291; 343; 460 crede 292 crepitaculum 270 crepundia 170; 288; 412 cultores 288; 290 curiositas 250; 267; 281; 282; 291; 292; 425; 426; 428; 430; 458; 459; 462; 463; 464; 471; 482 cymbium 270; 277 decurio 304; 448 demonstrare 289 desultoria scientia 267; 420; 452 dignari 270; 290; 304 dignado 167; 290; 303 domina 98; 270; 289; 454; 460 elementum 270; 292; 293; 297; 361; 436; 454; 483 elicere 289; 290; 293 fama 64; 210; 285; 343; 348; 363; 444

fatum 84; 99; 118; 177; 249; 268; 275; 279; 294; 307; 318; 397; 415 felix 283; 303; 464 fides 221; 283; 300; 302; 460 fiducia 292; 301; 439; 440 formido 286; 436 formonsitas 479 fortuna 99; 130; 229; 230; 245; 269; 277; 279; 282; 285; 298; 343; 423; 442; 449; 453; 455; 458; 459; 462; 468; 473 frugifer 62 fulgurare 465 gaudium 280; 303 genesis 401; 407 gleba 269; 419; 420; 471 gradus scalae 413 harundo 411; 476 hilaris 156; 158; 435 illustrari 303 immobilis 482 imperium 286 inclemens 279 inlustratus 301 inquisitio 473 instinctu 298 invictus 98; 275 iugum 274; 282; 469; 475 lanterna 188 limen 289; 292; 293; 449; 479; 480 magnificentia 280 maiestas 281; 303 matutinae 454 melanephori 123; 162 memoraculum 170; 288; 299; 303; 412 mensa 165 miles 368 militia 275; 281; 291; 368 minister 479 ministerium 274; 286; 288; 290; 460; 475; 479 ministrare 289; 300; 479 miraculum 113; 141; 220; 280 mirari 280; 416 miserari 272; 475 misericordia 222; 343; 407; 409; 471 monitu 280; 437 monstrare 269

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Register

nativitas 414 navis 411 numen 275; 283; 289; 290; 475 obsequium 274; 286; 301; 467; 473; 475 oraculum 270 pausarli 156 peregrinado 300; 301; 424 piscis 410 populus 279; 296; 445; 449 portus quietis 281; 351 postliminium 432; 449 potentia 280 praesentia 275 promereri 274; 475 Providentia 268; 271; 272; 277; 279; 282; 285; 289; 300; 478 pyxis 479

rota 413 sacramentum 282 salus 410; 471 scala 413 sedulus 274; 288; 290; 471; 475 sermo 224 signum 169; 170; 288; 412 sobrius 289; 290; 468; 469; 470 sospita 472 sospitatrix 98; 296; 298 speculum 412 spes melior 62; 289; 472 sphaera 412 spongia 412 telete 291; 299 testari 280 tradere 170; 291; 423; 477 traditio 289; 294; 302; 303; 456

quaesitio 467

unda 410

reformare 283; 437; 461 reformatio 280; 300 reformatus 304 renatus 280; 283; 289; 293 repertus 269; 279; 471 repperire 473

vannus 277 verum nomen 83; 422 vidi 221; 292; 293; 295 virtus 344; 424 voluntaria mors 288; 292; 352; 409; 466; 473 voluptas 296; 464

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Griechische Wörter

αβατον § 187 άβροκόμης § 581 άγαθα'ι ελπίδες § 109 508 'Αγαθός Δαίμων § 132 163 625 631 άγγελος § 335 άγνεία § 503 άγνεύοντες § 272 308 501 503 665 773 άγνοια § 467 αδελφός § 663 αθανασίας φάομακον § 33 αθλητής § 618 άθλος § 331 αίνιγμα § 436 450 568 642 αίνιγματώδης § 442 αίνίττομαι § 436 569 vgl. ύπαινίττομαι Αιών § 132 136 341 412 ακέφαλος S 644 744 άκίνητος § 469 789 άκουσμα ξ 333 άμφιελίσσω § 381 410

άναβιόω S 630 646 649 651 656 661 άναβοάω § 657 ανάθημα § 611 άνακτόριον, άνάκτορον § 44 411 ανευρίσκω § 607 άνευφημέω § 608 625 άνολολύζω § 608 άξιόω § 4 8 3 5 1 0 5 3 0 vgl. καταξιόω άξίωσις § 317 509 529 άπαθανατισμός § 341 άποθαυμάζω § 264 απορροή § 44 476 765 άπόρροια § 454 456 άρεταλόγος, άρεταλογία § 395 αρετή § 233 264 378 393 395 400 408 496 577(1) 599 707 αρχάγγελος § 378 αστραπή § 476 άστράπτω § 476 765 αυτοκίνητος § 459 470

Register άωρος § 380 421 βαρις § 417 787 βασιλεύς § 147 466 βίαιοι, βιαιοθάνατοι, βιοθάνατοι § 380 βοήθεια §598 βουκόλος § 618 627 638 βωμισκάριον, βωμίσκος, βωμός § 493 γένεσις § 339 341 343 451 453 678 689 693 γέννα § 336 Γη § 11 γνώρισμα § 324 506 γνωσις § 450 470 γραμματεύς § 501 δαίμων § 163 592 δαίμων αγαθός § 132 163 625 631 δείκνυμι § 271 277 318 406 455 482 509 663 vgl. έπιδείκνυμι δεύτεροι 'ιερείς § 326 δεχόμενη § 325 460 473 διήγημα § 600 διηγούμαι § 598 669 δράκων § 163 358 359 368 761 δύναμις § 264 378 393 496 577(1) 599 707 έγείρω § 276 έγκάτοχος § 129 έγκοίμησις § 378 έγώ είμι § 211 εΐδησις § 470 είμαρμένον § 212 584 είσειμι § 471 Είσεΐον § 471 εις Ζεύς Σάραπις § 130 138 366 399 εις θεός Σάραπις § 138 Είσις, Είσις § 468 469 έκβοάω § 668 εκπεμψις § 268 έκφαίνω § 112 ελεος § 577(V) ελεώ § 212 406 577(V) 604 έλίσσω § 410 vgl. άμφιελίσσω έλπίδες άγαθαί § 109 577(V) έλπίδες καλαί § 454 έλπίδες χρησταί § 406 577(V) έλπίς § 577(IV) 660 έξαγορευτής, έξαγορεύω § 392 εξηγούμαι § 398 458 έξηγητής § 106 έπάναγκος § 384 723 έπήκοος § 143 έπαγομένη § 632

έπιδείκνυμι §411482 έπιδημία § 584 638 επιθυμία § 475 502 703 έποπτεία § 520 έποτεύω §411482 έποπτικός § 411 459 476 έπου θεώι § 766 ετερον § 451 έτησίαι § 597 632 638 εύελπις § 589 ευεργέτης § 679 εύθυμέω § 82 109 312 529 577(V) 607 εύπλοια § 119 524 584 647 εΰρεσις § 13 608 ευρίσκω § 212 569 602 651 659 693 vgl. άνευρίσκω εύφημέω § 661 668 εύψυχέω § 56 Ζεύς "Ηλιος μέγας Σάραπις § 138 ζητέω § 455 561 568 592 600 602 ζήτησις § 13 457 467 654 769 780 ηδονή § 792 θάλαμος § 577(1) 582 594 θάλασσα § 491 θαμβέω §400 496 608 θάμβος §233 318 400 496 θάρρει § 312 586 und oft θάρσει § 321 577(V) und oft θάρσος § 660 θάτερον § 451 θαύμα § 484 598 599 θαυμάζω § 598 vgl. άποθαυμάζω θεολογία § 498 θεολόγος § 407 θεραπευτής § 230 503 509 θεσμοφορία § 104 θεσμοφόρος § 94 108 212 217 θυμόν έχε άγαθόν § 312 577(V) θυμός § 475 507 703 Ιδιώτης §439 450 Ιερεύς § 326 ίερογραμματεύς § 286 432 711 Ιεροναύται § 291 ίεροφόρος § 405 Ιερουργία § 631 ίλαρία, ίλάρια § 296 Ιλύς § 446 καταξιόω § 340 κατακλειστή § 492 652

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Register

κατοικτείρω § 607 κεφαλή βυβλίνη § 83 κίναιδος § 67 κίνησις § 472 κίστη § 283 631 κλΐμαξ § 692(Χ) κλίνη, κλισία § 313 κλύδων § 491 κοινωνέω § 624 κοινωνία § 238 313 544 577(11) 624 κουρά § 663 κρατήρ § 618 κυρά, κυρία § 170 212 406 509 561 κυριακή § 354 κύριος S 313 κωμωδία, κωμψδικός § 666 κώνωψ § 120620

όλβιος § 500 vgl. τρισόλβιος οϊκτείρω § 397 412 597 600 604 vgl. κατοικτείρω οίκτος S 590 ομιλία § 407 δν § 459 466 468 όνειροκρίτης § 390 δργια S 411 όρμίστρια S 584 ούρανία § 168 715

μάγος § 437 μαστίον, μαστός § 493 μέθη § 585 μελανηφόρος § 230 305 652 μελλοκούρια § 313 μεριστής § 163 339 μεταμόρφωσις § 500 525 μεταμορφούμαι § 500 530 723 760 μή φοβηθηις § 312 529 530 577(V) 653 μνήμη § 379 761 μνημονεύω § 384 μνημονική § 384 490 μνημοσύνη § 421 μυέω ξ 624 631 μυριώνυμος § 168 406 481 μυσταγωγός § 457 620 651 μυστηριάζω S 326 μυστήριον § 303 615 628 637 647 650 651 μύστης S 303 312 615 690 μυστικός § 303 626

παίγνια § 324 506 παιδιά § 329 πανδεχής § 460 πάνδημος § 715 πανήγυρις § 104 παραδίδωμι S 324 628 παράδοσις § 509 518 529 παρασχίστης § 44 629 πάρεδρος ξ 704 πάρειμι § 484 παρόντες § 399 598 661 παρουσία S 117 490 παστοφόρος § 231 πατήρ § 661 πειρατήριον § 654 656 πελαγία S 116 περιεργία § 499 763 περίεργος S 454 πήχυς § 286 πιστεύω § 664 πίστις § 473 513 527 529 πλανάω S 468 πλάνη § 331 458 468 584 591 625 πλάσμα § 455 πλοιαφέσια § 291 480 501 πλούτος § 132 πνεύμα § 341 343 444 454 455 πόντος § 491 ποππύζω § 344 πραύς ξ 485 πρόκυψις § 520 πρόνοια § 172 495 πρωτομύστης § 631 πρωτοστολιστής § 326

ναύαρχος § 291 ναυβατέω § 291 νέα ίλύς ξ 446 νεκροτάφος § 44 νεμεσάω § 592 νοέω νους S 459 475 703 νυμφαγωγός § 628

σειρά § 620 σεΐστρον § 472 σείω § 4 6 0 472 σημασία § 204 σιγή § 344 σιγητής § 318 σιωπή § 318 411 σιωπητικός ξ 314 318

λάρναξ § 76 297 λήθη § 421 585 761 λιμήν S 110 499 λοχία § 170 λυχνάπτης, λυχναπτρία § 281 λυχνομαντεία § 357 714

Register σκάφιον § 482 493 σπονδεΐον § 386 στοιχεΐον § 484 515 στολιστής § 286 στρατιώτης, στρατιωτικός § 618 σύμβολον § 457 550 566 567 626 649 692(ΙΧ) συμπλοκή § 544 συμποσιάρχης § 314 συναστρία § 402 510 σύνθεμα § 194 σύνθημα § 617 639 συρίζω § 344 504 σύριγξ § 604 σφραγίς § 353 504 588 663 σώζουσα § 169 σώζω § 312 608 639 652 σώτειρα § 117 170 495 522 582 σωτήρ § 330 401 σωτηρία § 312 499 607 608 609 τάγαθόν § 459 473 476 ταύτόν § 459 466 474 476 τάφος § 577(1) 582 594 626 ταών § 616 τελετή § 315 333 510 524 529 611 τελευτή § 500 τελευτώ § 333 τελέω § 615 τέλος § 411 476 500 519 520 τιθήνη § 460 τραγωδέω § 662 666 τράπεζα § 313 τρισόλβιος § 500 529 755 τρίχωμα § 183 608 τροφεύς § 141 τροφός § 460

9

τύχη § 171 495 600 639 646 Τύχη ή άγαθή § 168 171 ύδρεΐον § 286 ίίλη § 325 461 468 473 577(VII) 584 692(1) υλικός § 491 ύπαινίττομαι § 642 ύπερουράνιος τόπος § 790 υποδοχή § 460 υποκρίνομαι § 668 υποκριτής § 665 670 υπόνοια § 568 φαίνω § 276 482 vgl. έκφαίνω φάρμακον § 33 593 670 φήμη § 114 651 661 φιλανθρωπία § 649 φιλοσοφέω § 568 569 647 663 φιλοσοφία § 442 φιλόσοφος § 450 φόβος S 577(IV) 612 φοβούμαι § 312 φοίνιξ § 208 209 616 φύλαξ § 4 5 0 φύσις § 437 472 635 φωτίζω § 525 526 529 χαρά § 612 χαρακτήρες § 544 ψυχή § 33 ψυχρόν ϋδωρ § 47 55 56 785 φδός § 286 ώρολόγιον § 286 ωροσκόπος § 286

Koptische W ö r t e r

AMOUNI Her zu mir (und Amun) §443 Ά Ρ Π Ο Ν Κ Ν Ο Υ Φ Ι Harpokrates-Chnubis § 367 BENOY Phönix § 372 Έ Σ Ι Η Σ der Gesegnete § 9 265 597 ΗΣΕΝΕΦΘΥΣ Isis-Nephthys § 651 ΘΙΟΥΙΣ die Eine § 166 ΝΕΒΟΥΤΟΣΟΥΑΛΗΘ Name der Mondgöttin § 378 ΝΟΥΣΙ Gott § 372 ΟΥΣΙΡΈΝ[ΘΕΧΘΑ] Osiris, Oberster von Athribis § 368 ΠΕΚΡΑΝΒΕΧΕΟ-ΘΩΥΘ dein Name ist die große Schlange-Thoth § 365 PENNMHT nomen verum § 484 PIME Träne § 336

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Ρ Ω Μ Ε Mensch § 336 Σ Ε Ν Ε Φ Θ Υ Σ Isis-Nephthys § 651 ΣΙΕΘΩ Basilisk § 3 7 2 ΦΙΡΙΜΝΟΥΝ Ich bin derjenige, der aus dem Urgewässer kam § 372 547 ΦΝΟΥΘΙΝΙΝΘΗΡ Gott der Götter S 364

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Fundorte und jetzige Standorte der abgebildeten archäologischen Monumente

Aachen, Dom Abb. 102 Abella in Campanien Abb. 151 Abydos in Ägypten Abb. 193; Zeichn. 7 - 8 (§ 22) Ann Arbor, Michigan, Museum of Archaeology Zeichn. 25 (§ 162) Alexandria (Münzen) Abb. 200, 2 2 4 - 2 3 9 Alexandria, Museum Abb. 4 , 8 6 , 1 0 6 , 1 1 8 - 1 1 9 , 135, 209 Arausio (Orange) Zeichn. 34 (§ 288) Aricia Abb. 197 Asphynis in Ägypten Abb. 104 Athen (Agora) Ább. 136, (Nationalmuseum) 1 5 8 - 1 5 9 , aus Athen 157 Baltimore, Walters Art Gallery Abb. 2 1 0 Benevent, Museo del Sannio Abb. 211, 214 Berlin, Ägyptisches Museum Abb. 9 0 - 9 2 , 96, 105, 120, 124, 129, 134, 191, 2 1 6 - 2 1 7 , Zeichn. 17 (§ 49), 2 2 (§ 139), 30 (§ 205) und viele Gemmen Berlin, Münzkabinett Abb. 111 Boscotrecase Abb. 69 (Farbtafel I), 78 Boston, Museum of Fine Arts Abb. 157 Brüssel, Musée royal Zeichn. 26 (§ 167) Budapest, Nationalmuseum Abb. 112, 147, 218 Cerveteri Abb. 113 Carinola in Campanien Abb. 105 Delos Abb. 1 0 0 - 1 0 1 , 140 Egyed in Ungarn Abb. 218 Florenz, Archäologisches Museum Abb. 123 Frankfurt am Main, Liebieghaus Abb. 168 Gortyn Abb. 115 Hannover, Kestner-Museum Abb. 1 1 4 , 2 1 5 Heraklion auf Kreta, Museum, Abb. 115 Herculanum Abb. 7 2 - 7 3 (Farbtafeln IV und V), 9 5 , 1 0 3 , Zeichn. 24 (§ 156) Hermupolis in Ägypten Abb. 91 Hildesheim, Römer-Pelizaeus-Museum Abb. 47, 156 Istanbul, Archäologisches Museum Abb. 97, 160 Kairo, Ägyptisches Museum Abb. 88, 2 0 5 - 2 0 8 Karlsruhe, Badisches Landesmuseum Abb. 48, 130, 165 Klein-Glienicke Abb. 146 Köln (Münzen) Abb. 2 4 6 - 2 4 7 Köln, Römisch-germanisches Museum Abb. 107 Köln, Universität, Institut für Altertumskunde Abb. 102a, 121, 1 9 8 , 1 9 8 a , 2 2 4 - 2 3 9 Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptothek Abb. 190 Kyme in Kleinasien (Münzen) Abb. 2 4 0 - 2 4 2 Kyrene, Museum Abb. 1 0 9 - 1 1 0 Kyzikos Abb. 97 Liverpool, Merseyside County Museum Abb. 141

Register

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London, Britisches Museum Abb. 89, 117, 131-132, 139, 150, 151, 192, 213, Zeichn. 31 (§ 211) Magnesia am Mäander (Münzen) Abb. 243-244 Mainz, Römisch-germanisches Zentralmuseum Abb. 128 Memphis Abb. 47, 219 München, Museum antiker Kleinkunst Abb. 2 9 - 3 2 , 1 0 4 Neapel, Nationalmuseum Abb. 6 - 1 5 , 2 0 - 2 1 (Farbtafeln II-III), 24-28, 62, 63, 65, 7 2 - 7 3 (Farbtafeln IVV), 95, 99 (Farbtafel VII), 116, 149 (Farbtafel Vlllb), 161-162; Farbtafel VI; Zeichnungen 24 (§ 156) und 2 7 (§ 168) N e w York, Metropolitan Museum Abb. 69 (Farbtafel I), 78, Zeichn. 34 (§ 288) Ostia (Museum) Abb. 125 und 212, aus Ostia Abb. 126 Palermo, Archäologisches Museum Abb. 163 Palestrina s. Praeneste Pap. Berlin 3008 (Klagelieder) Zeichn. 4 (§ 19) Pap. Golenischeff (Weltchronik) Abb. 223 Pap. Rhind Zeichn. 13-16 (§ 43-48) Paris, Louvre Abb. 87, 1 0 8 , 1 1 1 , 127, 137, 193, 195-196, 252, Zeichn. 1 (§ 9), 21 (§ 138), 23 (§ 142) Pergamon Abb. 184-188, Zeichn. 3 5 - 3 7 (§ 298-300) Philae Abb. 182-183, Zeichn. 3 (§ 18), 10 (§ 26), 11 (§ 31) Pompei I 4,5/25 Casa del Citarista Abb. 63 - I 7,7 Haus des Sacerdos Amandus Abb. 7 0 - 7 1 - I 7,11 Casa dell'Efebo Abb. 82-84 - II 9,5 Haus des Octavius Quartio Abb. 33-46, 4 9 - 5 0 - VI 2,14 Casa delle Amazoni Abb. 66 (Farbtafel Villa) - VI 9,1 Casa del Duca d'Aumale Abb. 65 - VI 16,7 Casa degli Amorini dorati Abb. 60-62 - V I 16,15 Casa dell'ara massima Abb. 85, 148 - VIII 5,4 Haus des Acceptus und der Euhodia Abb. 98 - VIII 8,26 Isisheiligtum Abb. 1 - 3 , 5-32, Farbtafeln II-III, VI - 1X10-12 Bäckerei Abb. 67 - IX 3,15 Privathaus Abb. 99 (Farbtafel VII) - Villa dei Misteri Abb. 80-81 - Antiquarium Abb. 68 - aus Pompei Zeichn. 24 (§ 156) Praeneste Abb. 179-180 Puteoli Abb. 116, 149, (aus Puteoli) Abb. 213 Ras-el-Soda (Ägypten) Abb. 4, 86 Ravenna Abb. 2 2 0 - 2 2 2 Rhodos Abb. 139 Rom, „Haus des Augustus" Abb. 74 - „Haus der Livia" Abb. 64, 7 6 - 7 7 - Villa Farnesina Abb. 75 - Kapitolinisches Museum Abb. 93, 1 2 2 , 1 3 8 , 142-144 - T h e r m e n m u s e u m Abb. 113, 181, 197 - Vatican Abb. 94, 145, 1 6 4 , 1 6 6 - 1 6 7 , 201-204, Zeichn. 29 (§ 189) und 32 ($ 238) - Lateran (Grab der Haterii) Abb. 189 - Prima Porta Zeichn. 33 (§ 255) - Columbarium Abb. 79 - Cestiuspyramide Abb. 194 - ( M ü n z e ) Abb. 245 - aus Rom Abb. 8 9 , 1 3 3 , 1 4 6 , 1 6 1 - 1 6 2 , 1 6 8 , 1 9 5 - 1 9 6 - Sabratha in Africa Abb. 155 Saqqara Abb. 205-206, 219 Savaria Abb. 112, 147 Stabiae Abb. 149 (Farbtafel Vlllb)

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Register

Tauromenion Abb. 163 Tentyra Zeichn. 2 (§ 12), 5 (§ 21), 9 (S 24), 28 (§ 173) Theadelphia in Ägypten Abb. 88 Theben (in Ägypten) Zeichn. 38 (§ 310) Thuburbo Maius in Africa Abb 137 Tripolis, Museum Abb. 155 Totenbuch, Vignette zu Kap. 59 Zeichn. 20 (§ 55) - Vignette zu Kap. 62 Zeichn. 19 (§ 55) - Vignette zu Kap. 125 Zeichn. 12 (§ 41) Totenbuch des Ani (Pap. London) Zeichn. 6 (§ 22) Tübingen, Archäologisches Institut der Universität Abb. 199 Venedig, Archäologisches Museum Abb. 152-154