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German Pages 731 [732] Year 2010
Härting Internetrecht
Internetrecht von
Niko Härting Rechtsanwalt in Berlin
4. Auflage
2010
Vorwort Zwei Jahre nach der Vorauflage ist es schon wieder so weit: Um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, war eine erneute komplette Überarbeitung fällig. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Datenschutz und der Schutz der Persönlichkeitsrechte ein eigenes neues Kapitel verdienen. Das Internetrecht befindet sich in ständigem Wandel. Gegenüber der Vorauflage gibt es in allen Kapiteln zahlreiche Veränderungen. Im Kollisionsrecht und im Fernabsatzrecht war der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber aktiv. Und insbesondere im Wettbewerbsrecht sowie bei der Störerhaftung gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen des BGH und des EuGH, die in den letzten beiden Jahren ergangen sind. Von Google Street View über Facebook bis zum Beschäftigtendatenschutz und den nicht enden wollenden – tatsächlichen oder auch vermeintlichen – „Datenpannen“: Diskussionen um Persönlichkeits- und Datenschutzrechte im Internet sind derzeit allgegenwärtig. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung und zur Vorratsdatenspeicherung haben Bewegung gebracht. Trotz deutlicher Vorgaben der Verfassungsrichter lassen die Diskussionen jedoch vielfach einen Blick auf die Ursprünge der Rechtsmaterien vermissen. Bis der Karlsruher Impetus in die täglichen Diskussionen des Datenschutzrechts vordringt, vergehen wahrscheinlich noch Jahre. Bis dahin dürften sich ewige Debatten wie die Diskussion um die Personenbezogenheit von IP-Adressen oder um die Abgrenzung zwischen „privaten“ und „dienstlichen“ E-Mails am Arbeitsplatz fortsetzen. Insgesamt bleibt es im „Internetrecht“ dabei, dass die Schwerpunkte in den Bereichen zu finden sind, die den Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen bildeten oder bei denen die Notwendigkeit einer gerichtlichen Klärung zumindest absehbar ist. Die Rechtsprechung der letzten 12 Jahre – von den Amts- und Landgerichten bis zum Europäischen Gerichtshof – ist die Arbeitsgrundlage des Buchs. Wie bereits in der Vorauflage habe ich die im Anhang befindliche Rechtsprechungsübersicht auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte beschränkt und um einige Urteile des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts ergänzt. Eine Ausnahme gilt für das Domainrecht und das Datenschutzrecht, bei denen die Oberlandesgerichte aus Platzgründen fehlen. Zu Dank verpflichtet bin ich den studentischen Mitarbeitern Michael Strubel, Lars Thiess und Michael Servatius, die mich insbesondere bei der Sichtung des umfangreichen Materials unterstützt haben, sowie
V
Vorwort
Philipp Prause für das akribische Korrekturlesen. Mein ganz besonderer Dank gilt dem koordinativen Engagement von Daniel Schätzle, ohne dessen langjährige Begleitung und Unterstützung die Neuauflage nicht fertig geworden wäre. Berlin, im August 2010
VI
Niko Härting
Inhaltsübersicht Seitea
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Rz. Seitea
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
I. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3
II. „Computer-Grundrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
17
III. Telekommunikationsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
26
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
44
B. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246
63
I. Elektronische Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247
64
II. Zustandekommen von Online-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . .
299
76
III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen . .
314
79
IV. Zustandekommen von Verträgen bei DownloadPlattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
84
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
338
85
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426 105
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
474 115
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474 115
II. Webdesignverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476 116
III. Providerverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
523 128
IV. Domainverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
565 139
V. Werbeverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587 143
VI. Plattformverträge und Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . . . .
596 145
D. Fernabsatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
599 147
I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
600 147
II. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
649 160
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB) . . . . . . . . . . . . .
752 185
E. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
844 209
I. Schutz von Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
848 210 VII
Inhaltsübersicht Rz. Seitea
II. Schutz von Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
894 223
III. Schutz des „Multimediawerkes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
899 224
IV. Urheberrechtsschutz im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
910 227
V. Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1020 255 VI. Ansprüche des Rechteinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050 263 F. Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1077 271 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1077 272 II. § 3 Abs. 1 UWG – die Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1082 273 III. § 3 Abs. 2 UWG – die Auffangklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087 275 IV. § 3 Abs. 3 UWG – Schwarze Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1088 275 V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs . . . . . . 1099 278 VI. Online-Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1267 321 G. Domainrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1380 353 I. Domainnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1382 354 II. Domainvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1391 355 III. Rechtsnatur der Domain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1401 357 IV. Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1412 360 V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1602 412 H. Haftung im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1632 421 I. Tele- und Mediendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1635 422 II. Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1642 424 III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1646 426 IV. Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1692 440 J. Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1789 472 I. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1797 474 II. Außervertragliches Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1842 485 III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte . . . . . . . . . 1885 497 Rechtsprechungsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709
VIII
Abkürzungsverzeichnis ABl. AcP Admin-C a.E. AfP AG AGB AGBG Alt. Anh. Anm. AnwBl. BAG BAnwBl. BB BGB BGH BGH-R BGHZ BORA BRAK-Mitt. BRAO BT-Drucks. BVerfG BVerwG CISG
Amtsblatt Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) administrativer Kontakt am Ende Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alternative Anhang Anmerkung Anwaltsblatt (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Berliner Anwaltsblatt (Zeitschrift) Betriebsberater (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof BGH-Report (Zeitschrift) Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen Berufsordnung für Rechtsanwälte Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer (Zeitschrift) Bundesrechtsanwaltsordnung Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht
CML Rev. CR
United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Common Market Law Review (Zeitschrift) Computer und Recht (Zeitschrift)
DB DNotZ DNS DPMA DRM Drucks. DStR DuD
Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsche Notar-Zeitschrift Domainname-System Deutsches Patent- und Markenamt Digital Rights Management Drucksache Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift)
e.G. ECRL
eingetragene Genossenschaft E-Commerce-Richtlinie IX
Abkürzungsverzeichnis
EGBGB Einl. EIPR EuGH EuGVÜ EuGVVO EUREDIA EuZW EWiR EWR EWS FAQ FARL FARLFDL FernAbsG Fn. FS GewArch GewO GRUR GRUR Int. GRUR-Prax gTLD GVBl
Einführungsgesetz zum BGB Einleitung European Intellectual Property Review (Zeitschrift) Europäischer Gerichtshof Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen European Banking & Financial Law Journal Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Frequently Asked Questions Fernabsatzrichtlinie Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher Fernabsatzgesetz Fußnote Festschrift Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterial- und Wettbewerbsrecht (Zeitschrift) generic-Top-Level-Domain Gesetzes- und Verordnungsblatt
Hrsg. HTML HWiG
Herausgeber Hypertext Markup Language Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften
ICANN
Internet Corporation for Assigned Names and Numbers Internationalized Domain Names Internet Protocol Adresse Internationales Privatrecht
IDN IP-Adresse IPR
X
Abkürzungsverzeichnis
IPRax IPRB ITRB IuKDG i.V.m. JCP Jura JurPC
Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) IP-Rechtsberater (Zeitschrift) IT-Rechtsberater (Zeitschrift) Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz in Verbindung mit
JuS JZ
Journal of Consumer Policy Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Internetzeitschrift für Rechtsinformatik, abrufbar unter www.jurpc.de Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung
K&R KG KK krit.
Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kammergericht Konnektivitätskoordination kritisch
LAG Ls.
Landesarbeitsgericht Leitsatz
MDR MDStV MMR m.w.N.
Monatsschrift für Deutsches Recht Mediendienstestaatsvertrag Multimedia und Recht (Zeitschrift) mit weiteren Nachweisen
NIC NJ NJW NJW-CoR NJW-RR NZM
Network Information Center Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift - Computerreport Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport Zivilrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht
ÖJZ OLGR OVG
Österreichische Juristenzeitung OLG-Report Oberverwaltungsgericht
PAngV PGP PHi PresseG
Preisangabenverordnung Pretty Good Privacy Haftpflicht International (Zeitschrift) Pressegesetz
RabattG RabelsZ
Rabattgesetz Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht XI
Abkürzungsverzeichnis
RBÜ Ref-E RegE RIW RUDRP
Revidierte Berner Übereinkunft Referentenentwurf Regierungsentwurf Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy
SigG SigV Slg. StGB str. StuB
Signaturgesetz Signaturverordnung Sammlung Strafgesetzbuch streitig Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)
TDG tech-c TKG TLD TMG TRIPS
Teledienstegesetz technischer Kontakt Telekommunikationsgesetz Top-Level-Domain Telemediengesetz trade-related aspects of intellectual property rights
UBE UCE UDRP UFITA UKlaG UrhG URL UStG UWG
Unsolicited Bulk E-Mail Unsolicited Commercial E-Mail Uniform Dispute Resolution Policy Archiv für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift, ehemals Archiv für Urheber-, Film, Funk und Theaterrecht) Unterlassungsklagengesetz Urheberrechtsgesetz Uniform Resource Locator Umsatzsteuergesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VerbrKrG VersR VerstVO VerwArch VGH VuR VVG
Verbraucherkreditgesetz Versicherungsrecht (Zeitschrift) Versteigerungsverordnung Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtshof Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Versicherungsvertragsgesetz
WCT WiB WIPO WM WRP WUA
WIPO-Urheberrechtsvertrag Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) World Intellectual Property Organisation Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Welturheberrechtsabkommen
XII
Abkürzungsverzeichnis
z.B. ZBB ZEuP ZIP ZPO ZRP ZUM ZVglRWiss
zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
XIII
Abkürzungsverzeichnis
XIII
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
I. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . 1. Personenbezogene Daten . . . . a) E-Mail-Adressen und Pseudonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmbarkeit der Person c) Werturteile . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzungsdaten und Bestandsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwilligung und Datenschutzbestimmungen . . . . . . . 4. Datenverarbeitung ohne Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Computer-Grundrecht“ . . . . 1. Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung . . . . 2. Nutzungsprofile . . . . . . . . . . . . 3. „Gläserner Nutzer“ . . . . . . . . . 4. Cookies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. IP-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Tracking Tools . . . . . . . . . . . . .
Rz. 7 20 26 38 40 42 50 63 70 70 77 82 84 89 97
III. Telekommunikationsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Verfassungsrecht, Telekommunikationsrecht, Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. E-Mails und Internet am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
a) Datenschutz . . . . . . . . . . . . . b) E-Mails . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privatnutzung . . . . . . . bb) Ausspähen von Daten . cc) Archivierte Mails . . . . dd) Dienstliche Nutzung . c) Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unerlaubte Privatnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kontrollbefugnisse des Arbeitgebers . . . . . . . . . (1) Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Datenschutzrecht . . . . (3) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . 3. Auskünfte über IP-Adressen . IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsäußerungen . . . . . . . 2. Recht am eigenen Bild . . . . . . . 3. Online-Publikationen und Offline-Publikationen . . . . . . . . . 4. Datenschutzrecht und Medienprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Briefe und E-Mails . . . . . . . . . . 6. Informationsinteresse . . . . . . .
Rz. 122 126 132 141 145 147 152 152 158 160 163 167 173 179 190 199 207 219 228 237
Eine der größten Herausforderungen des Internet für das geltende Recht ist der wirksame rechtliche Schutz der Privatsphäre – der Datenschutz im weitesten Sinne. Das Web 2.0 wirft immer wieder neue Fragen des Datenschutzes auf.
1
Das Surfen im Netz hinterlässt eine Vielzahl von Datenspuren, die gegen Missbrauch gesichert werden müssen. User Generated Content – Texte, Bilder, Videos – kann den Schutz der Privatsphäre in Frage stellen, indem Inhalte einen tiefen Einblick in die Persönlichkeit von Internetnutzern gewähren. Immer neue Anwendungen – in jüngerer Zeit beispielsweise Google Street View1 – werfen ständig neue Fragen des Persönlichkeitsschutzes auf. Dies gilt umso mehr, als man von einer „Gratiskultur“ im Netz spricht: Inhalte werden zur kostenlosen Nutzung angeboten. Der Nutzer gibt als Gegenleistung persönliche Daten preis. Diese Daten stel-
2
1 Vgl. Lindner, ZUM 2010, 292; Noske, ZRP 2010, 104.
1
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
len ein Wirtschaftsgut dar, das sich für immer weiter verfeinerte Werbemethoden nutzen lässt. 3
Das Recht ist den Herausforderungen, die sich seit der Verbreitung von Social Networks und anderen Web 2.0-Angeboten vervielfacht haben, nicht immer gewachsen. Internetspezifische Regelungen zum Persönlichkeitsschutz sind rar. Die Diskussion fokussiert sich stark auf das herkömmlich Datenschutzrecht, das in den §§ 11 bis 15 a TMG immerhin einige Fragen des Internet-Datenschutzes regelt. Das Datenschutzrecht beschränkt sich indes auf den Schutz personenbezogener Daten und kann schon aus diesem Grund nur einen Ausschnitt der Privatsphäre schützen. Im TMG verengt sich zudem der Blick auf Bestands- und Nutzungsdaten, die nur einen kleinen Teil der Daten darstellen, bei denen sich Schutzfragen stellen.
4
Seit den Entscheidungen des BVerfG zur Online-Durchsuchung und zur Vorratsdatenspeicherung sind auf verfassungsrechtlicher Ebene wichtige Grundlagen des Schutzes der Privatsphäre im Netz gelegt worden. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das dem geltenden Datenschutzrecht zugrunde liegt, ist dabei nur eine von mehreren Komponenten des Schutzes und wird durch das „Computer-Grundrecht“ sowie durch das Fernmeldegeheimnis und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht flankiert.
5
So wichtig der Schutz der Privatsphäre ist: Es geht nicht ausschließlich um die Abwehr von Bedrohungen der Privatheit. Wenn Internetnutzer freigiebig persönliche Informationen im Netz verbreiten, so stellt dies eine Grundrechtsausübung dar, die Schutz gegen staatliche Bevormundung verdient. Die exhibitionistische Selbstinszenierung bei Facebook und YouTube mag vielen unvernünftig oder gar geschmacklos erscheinen. Dennoch gehört zu einem selbstbestimmten Handeln und zu einer freien Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht, ein Verhalten an den Tag zu legen, das nicht den Konventionen und Anschauungen der Mehrheit entspricht.
6
Man braucht nur nach China und in den Iran blicken, um festzustellen, dass das Internet in einer vernetzten Gesellschaft zu einem kardinalen Medium im freien Meinungsaustausch und bei der Verbreitung und Beschaffung von Informationen geworden ist. Dabei kommt es immer wieder zu Konflikten mit dem Schutz der Privatsphäre. Informationen, die der Betroffene als Eingriff in die Privatsphäre empfindet, stehen oft zugleich unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Bei allen Spannungen zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit gilt es, zu abgewogenen Ergebnissen zu kommen, die allen Grundrechtsbelangen gerecht werden.
2
I. Datenschutzrecht
I. Datenschutzrecht Das heutige Datenschutzrecht stammt dem Ursprung nach aus den 70erund 80er-Jahren1. Es ist von den politischen und gesellschaftlichen Anschauungen jener Zeit geprägt. Wer den zeithistorischen Kontext nicht kennt oder ausblendet, versteht das Datenschutzrecht nicht. Datenschutzrechtliche Normen sind oft schwerfällig formuliert; die Lektüre bereitet kein Vergnügen, und in den Wortlaut der Normen lässt sich viel hineininterpretieren. Lebendig und praxistauglich werden die Normen erst, wenn man den Kontext kennt, aus dem heraus sie entstanden sind.
7
Als das Datenschutzrecht aus der Taufe gehoben wurde, ging es nicht um personalisierte Werbung, Nutzerprofile, Social Networks und Google Street View. „Big Brother Is Watching You“: Nachdem die elektronische Datenverarbeitung aus den Kinderschuhen heraus war und die Erfassung, Speicherung und Weiterleitung großer Datenbestände möglich war, wollte man verhindern, dass die neue Technik dazu genutzt wird, „gläserne Bürger“ zu schaffen, über die Staat und Wirtschaft mehr wissen, als dem Bürger recht sein kann.
8
Wer sich an die 70er Jahre noch erinnern kann, weiß, dass der Bürger in der Vorstellungwelt der damaligen Zeit ein homo politicus war. Er demonstrierte, besetzte Häuser, war Mitglied von Bürgerinitiativen und Gewerkschaften und unterschrieb Protestbriefe gegen die „Isolationsfolter“ im RAF-Gefängnis Stammheim.
9
Die 70er Jahre waren auf der anderen Seite auch die Zeit der Berufsverbote, der „Gewissensprüfung“, der „Rosa Listen“, der Rasterfahndung und des Kampfes gegen – tatsächliche oder vermeintliche – „Sympathisanten“ der „Baader-Meinhof-Bande“. Staatliche Stellen machten bereitwillig Gebrauch von den neuen Möglichkeiten, die die elektronische Datenverarbeitung bot, um Informationen über Bürger zu sammeln.
10
Dem frühen Datenschutzrecht ging es darum, dem datensammelnden Staat Grenzen zu setzen. Datensammlungen wurden dabei nicht nur deshalb als Gefahr angesehen, weil sie zu falschen Schlüssen und Verdächtigungen führen konnten. Es ging vielmehr auch darum, eine Einschüchterung der Bürger zu verhindern. Der Bürger, der weiß, dass Bilder einer Demonstration in einer Polizeidatei erfasst werden, wird sich zweimal überlegen, ob er an der Demonstration teilnimmt.
11
In Beispielen aus dem datenschutzrechtlichen Schrifttum der 70er Jahre findet man plastische Szenarien2: „Ein Beamtenanwärter, der einer radikalen Gruppe angehört und bei Demonstrationen an Ausschreitungen beteiligt war, wird seine Aktivitäten und seine lange Gruppenzugehörigkeit
12
1 Vgl. Begründung Gesetzentwurf zum BDSG, BT-Drucks. 7/1027, S. 14 ff. 2 Löchner in Löchner/Steinmüller, Datenschutz und Datensicherung, S. 5.
3
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
vielleicht im Kreise seiner Gesinnungsfreunde rühmen, seiner Einstellungsbehörde aber geheim zu halten versuchen.“ 13
In seinem Volkszählungsurteil1 hat das BVerfG das Grundanliegen des Datenschutzes durch die Schaffung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich untermauert und zugleich präzisiert. Das BVerfG betonte den Gedanken der Selbstbestimmung und der daraus folgenden Befugnisse des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Sachverhalte offenbart werden2. Das Selbstbestimmungsrecht war nach Auffassung des BVerfG durch die automatische Datenverarbeitung gefährdet wegen der unbegrenzbaren Speicherung von Daten und deren jederzeitigen Abrufbarkeit sowie der Möglichkeit, einzelne Daten mit anderen Daten zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammenzuführen3. Im Hinblick auf die fehlende Kontrolle der Betroffenen über die Verwendung von Daten in der automatischen Datenverarbeitung sah das BVerfG die Gefahr, dass Bürger auf gesellschaftspolitisches Engagement verzichteten, weil sie befürchten müssen, dass ihr Engagement bei staatlichen Stellen erfasst wird und hieraus staatliche Maßnahmen abgeleitet werden. Es gehe darum, dem Bürger die Furcht vor staatlichen Sanktionen zu nehmen, die aus einem bürgerschaftlichen Engagement (und dessen Erfassung in elektronischen Datenverarbeitungsanlagen) resultieren4: „Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte ... verzichten.“
14
Um Bedrohungen des Bürgers durch Akteure aus der Wirtschaft ging es in der Frühphase des Datenschutzrechts nur am Rande. Im Mittelpunkt stand dabei der Diskriminierungsschutz. Der Bürger sollte davor geschützt werden, dass Unternehmen ihn benachteiligen, weil er einer bestimmten Partei oder Gewerkschaft angehört oder eine bestimmte Krankheit hat. Unternehmen sollten Grenzen bei der Sammlung persönlicher Daten gesetzt werden, um jedweder Diskriminierung entgegenzuwirken.
15
Im Datenschutzrecht geht es nicht um den Schutz von Daten, sondern um den Schutz vor Daten. Daten sind nicht mehr und nicht weniger als Mittel zum Zweck. Statt um den Schutz von Daten geht es dem Datenschutzrecht um den Schutz der Bürger- und Persönlichkeitsrechte vor Daten, die Staat und Wirtschaft sammeln.
1 2 3 4
4
BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1 ff. – Volkszählung. BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung. BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung. BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung.
I. Datenschutzrecht
Datenschutz ist nicht „l’Art pour l’Art“. Es geht nicht darum, Daten um ihrer selbst willen zu schützen, oder gar um eigentumsähnliche Rechte an „meinen Daten“. Der von einer Politikerin (und Juristin) unlängst proklamierte Satz „Meine Daten gehören mir“1 ist ebenso anschaulich wie falsch. Wenn Daten rechtlich geschützt sind, dann sind nicht die Daten selbst das Schutzobjekt. Es geht vielmehr um Persönlichkeitsrechte, die durch eine Verarbeitung der Daten gefährdet werden können.
16
Auch wenn der „Schutz von Daten“ nicht das eigentliche Anliegen des Datenschutzes ist, kann es erforderlich sein, Daten im Interesse von Persönlichkeitsrechten zu schützen. Dies ist das zentrale Anliegen des technischen Datenschutzes. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung erstmals die verfassungsrechtliche Dimension technischer Schutzmaßnahmen betont2. Dies ist insoweit konsequent, als die „anlasslose“ Sammlung umfangreicher Datenbestände nicht per se als grundrechtswidrig angesehen wurde. Je größer die Datenbestände sind, die gesammelt werden, desto größer wird die Bedeutung von technischen Schutzmaßnahmen gegen einen unberechtigten, missbräuchlichen Zugriff. Dem Gefühl „diffuser Bedrohlichkeit“3 ist entgegenzuwirken durch technischen Schutz. Nur ein hoher Standard an Datensicherheit schafft das Vertrauen, das die Netzinfrastruktur benötigt zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben des Informationsflusses und -austauschs4.
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Datenschutz heißt Schutz gegen Menschen, nicht jedoch Schutz gegen Rechner. Hierauf hat das BVerfG in seiner Entscheidung zum Abgleich von Kreditkartendaten zu Recht hingewiesen, als es einen Grundrechtseingriff verneinte, solange der (millionenfache) Eingriff computergesteuert und ohne positives Ergebnis verlief. Ein Grundrechtseingriff sei nur in den wenigen „Verdachtsfällen“ zu bejahen, in denen der Abgleich positiv endete mit der Folge, dass die Ermittler Kenntnis von den Daten der einzelnen Kreditkartenabrechnungen erhielten. Dies ist alles andere als technikfeindlich; die Bedrohung von Grundrechten geht nach der Sichtweise des BVerfG nicht von der Technik aus, sondern von Menschen, die mittels Technik Kenntnis von Daten erhalten können5.
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Das Datenschutzrecht soll primär verhindern, dass der Staat zügellos Informationen über seine Bürger sammelt – Informationen, die das Datenschutzrecht mit dem Begriff der „personenbezogenen Daten“ belegt. Daher bedarf die elektronische Verarbeitung der Daten grundsätzlich der vorherigen Zustimmung (Einwilligungsprinzip).
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1 2 3 4 5
Künast, ZRP 2008, 201 ff. BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 840 – Vorratsdatenspeicherung. BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 843 – Vorratsdatenspeicherung. BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 840 – Vorratsdatenspeicherung. Vgl. BVerfG vom 17.2.2009, NJW 2009, 1405, 1407 – Kreditkartendaten.
5
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
1. Personenbezogene Daten
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Nach § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Art. 2 lit. a der EG-Datenschutzrichtlinie1 konkretisiert die Definition dahingehend, dass alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person personenbezogene Daten sind, wobei als bestimmbar eine Person angesehen wird, die direkt oder indirekt, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen identifiziert werden kann, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind.
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Das Datenschutzrecht gilt nur für Informationen über natürliche Personen, nicht jedoch für Daten juristischer Personen2. Dies ist aufgrund der Historie des Gesetzes verständlich: GmbHs werden nicht Gewerkschaftsmitglied und gehen nicht demonstrieren.
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Unternehmensdaten sind nicht durch das Datenschutzrecht, wohl aber durch andere Rechtsnormen geschützt. Zu erwähnen ist der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch § 17 UWG und der Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie der Schutz des Unternehmerpersönlichkeitsrechts3 durch § 823 Abs. 1 BGB.
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Name, Anschrift, Beruf, Staatsangehörigkeit, Interessen: Wer beispielsweise mit Klarnamen in einem Social Network agiert, hinterlässt dort eine Vielzahl von personenbezogenen Daten, für die das Datenschutzrecht ohne Weiteres gilt.
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Einer der meist zitierten Sätze aus dem Volkszählungsurteil des BVerfG ist die Feststellung, dass es im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung keine „belanglosen“ personenbezogenen Daten gebe4. Dies leuchtet ein: Eine Information über einen Bürger, die der Staat gespeichert hält, mag heute „harmlos“ erscheinen. Im Zusammenwirken mit anderen Daten kann sich dies jedoch jederzeit ändern.
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Werden tatsächliche Informationen über eine Person im Internet veröffentlicht, so handelt es sich datenschutzrechtlich um eine Speicherung personenbezogener Daten5.
1 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281 S. 31. 2 Vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, § 3 Rdnr. 11. 3 Vgl. BGH vom 8.2.2004, NJW 1994, 1281. 4 BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 45 – Volkszählung. 5 Vgl. EuGH vom 6.11.2003, MMR 2004, 95 ff.
6
I. Datenschutzrecht
a) E-Mail-Adressen und Pseudonyme
Wie schwierig die Anwendung des § 3 Abs. 1 BDSG sein kann, zeigt sich an dem vergleichsweise einfachen Beispiel von E-Mail-Adressen. Schon die Frage, ob die Adresse [email protected] ein personenbezogenes Datum ist, bedarf differenzierter Erwägungen:
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Ist die Adresse [email protected] auf der Profilseite eines Social Networks (z.B. studivz.de oder facebook.de) zusammen mit dem Namen, der Anschrift und Fotos des Accountinhabers abrufbar, lässt sich eindeutig sagen, dass die Adresse zu einer bestimmten natürlichen Person gehört. Für alle Stellen, bei denen die Social Network-Profilseite gespeichert ist, sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BDSG erfüllt. Die Zuordnung der Adresse zu einem Namen ergibt, dass es sich bei der Adresse um ein personenbezogenes Datum handelt.
27
Wird die E-Mail-Adresse im Internet veröffentlicht, ohne dass zugleich der Name des Accountinhabers genannt wird, stellt sich die Frage, ob der Accountinhaber „bestimmbar“ ist. Mit der Bestimmbarkeit der Person, die hinter der Fantasie-Adresse steht, steht und fällt die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts1.
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Die Auslegung des Begriffs der Bestimmbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 BDSG ist streitig. Vielfach wird für eine „relative“ Betrachtungsweise plädiert2. Ein und dieselbe E-Mail-Adresse kann nach dieser Auffassung bei der einen verantwortlichen Stelle (vgl. § 3 Abs. 7 BDSG) ein personenbezogenes Datum sein und bei der anderen Stelle nicht3. Die Gegenauffassung4 lehnt – meist unter pauschalem Hinweis auf den Grundrechtsschutz der Betroffenen5 – jegliche Relativierung ab und lässt es ausreichen, dass (theoretisch-abstrakt) Möglichkeiten denkbar sind, die das Datum mit einer natürlichen Person in Verbindung bringen6.
29
Hinter der Kontroverse um die Relativität des Begriffs der Bestimmbarkeit steht der Gesichtspunkt des „Zusatzwissens“7. Der Empfänger einer E-Mail mit der Absenderangabe [email protected] benötigt derartiges „Zusatzwissen“, um die E-Mail-Adresse mit der natürlichen Person in Verbindung zu bringen, die Inhaber des Mail-Accounts ist.
30
Wer jegliche Relativierung der Bestimmbarkeit ablehnt, lässt es ausreichen, dass eine Verknüpfung der E-Mail-Adresse mit einer natürlichen Person in irgendeiner Form (objektiv) möglich ist8. Es kommt nicht da-
31
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Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rdnr. 62. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rdnr. 10. Vgl. bzgl. Personenbezug Eckhardt, K&R 2007, 602, 603. Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, § 3 Rdnr. 3. Schaar, Datenschutz im Internet, Rdnr. 174. Pahlen-Brandt, K&R 2008, 288, 288. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rdnr. 29. Vgl. Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, § 3 Rdnr. 3.
7
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
rauf an, wer über das zur Verknüpfung notwendige „Zusatzwissen“ verfügt. Vielmehr reicht es aus, dass dieses „Zusatzwissen“ objektiv vorhanden ist. Schon wenn irgendwo im Internet Seiten abrufbar sind, die die E-Mail-Adresse mit dem Accountinhaber in Verbindung bringen, genügt dies für eine „absolute“ Bestimmbarkeit1. Selbst wenn ausschließlich der Provider, bei dem der E-Mail-Account geführt wird, Kenntnis von der Identität des Accountinhabers hat, reicht dies für eine „absolute“ Bestimmbarkeit aus. Für die Anhänger eines absoluten Begriffs der Bestimmbarkeit spielt es keine Rolle, ob unverhältnismäßiger Aufwand oder gar kriminelle Energie erforderlich sind, um die E-Mail-Adresse zu deanonymisieren2. 32
Vom Standpunkt eines relativen Begriffs der Bestimmbarkeit lässt sich keine generelle Aussage darüber treffen, ob die E-Mail-Adresse ein personenbezogenes Datum ist. Einerseits können Dritte, die Kenntnis von einer Mail-Adresse erlangen, den Schleier des Fantasienamens im Normalfall nicht ohne erheblichen Aufwand lüften mit der Folge, dass es an einer Personenbezogenheit der Adresse fehlt3. Andererseits kann der Provider des Mail-Accounts ohne größeren Aufwand feststellen, welche Person den Account nutzt. Die Mail-Adresse ist daher für den Provider ein personenbezogenes Datum, wenn der Provider über Datenbestände verfügt, aus denen sich die Identität des Accountinhabers ergibt4. Solche Datenbestände entstehen insbesondere, wenn es einer namentlichen Identifizierung bedarf, um den Account zu nutzen.
33
Noch vielschichtiger wird das Bild, wenn man die Pseudonymisierung mit berücksichtigt. Nach § 3 Abs. 6 a BDSG ist die Pseudonymisierung das Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren. Wer statt [email protected] die E-Mail-Adresse [email protected] wählt, ersetzt den eigenen Namen durch eine Fantasiebezeichnung. Die Mail-Adresse erfüllt somit die Voraussetzungen eines Pseudonyms nach § 3 Abs. 6 a BDSG. Zugleich ist das Pseudonym ein personenbezogenes Datum für jede Stelle, die über „Zusatzwissen“ verfügt, welches eine Zuordnung des Pseudonyms zu einer (namentlich identifizierbaren) natürlichen Person ermöglicht5.
34
Begreift man die personenbezogenen Daten als Objekt und die zugehörige natürliche Person als Subjekt des Datenschutzrechts, ist unklar, ob das Pseudonym im Datenschutzrecht lediglich Objekt oder auch Subjekt sein kann. § 15 Abs. 3 TMG erlaubt dem Anbieter eines Telemediums 1 2 3 4 5
8
Vgl. Schaar, Datenschutz im Internet, Rdnr. 153. Vgl. Pahlen-Brandt, K&R 2008, 288, 290. Vgl. Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis, § 1 TDDSG Rdnr. 29. Vgl. Gola/Schumerus, § 3 Rdnr. 10. Vgl. Dammann in Simitis, § 3 Rdnr. 29 ff.
I. Datenschutzrecht
die Anlegung von Nutzungsprofilen bei Verwendung von Pseudonymen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht. Hieraus wird teilweise geschlossen, dass der Gesetzgeber auch pseudonyme Daten als personenbezogene Daten betrachtet1. Es bedarf für die Anwendung des Datenschutzrechts nach dieser Auffassung nicht der Zuordnung von Daten zu einer (namentlich) benennbaren Person2. Vielmehr reicht die Zuordnung zu einem Pseudonym aus. Folge: Jede Sammlung von Daten, die dem Pseudonym [email protected] zuzuordnen ist, unterfällt dem Datenschutzrecht3. Ob und inwieweit sich das Pseudonym einer (namentlich) identifizierbaren Person zuordnen lässt, ist unerheblich4. Der Begriff des Pseudonyms hat sich erst durch das Internet im Datenschutzrecht eingebürgert5. Die Pseudonymisierung dient dazu, die Identität der Person zu verschleiern, deren Daten gespeichert sind6.
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Die Diskussion um den Schutz des Pseudonyms ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie zweckfrei das Datenschutzrecht vielfach diskutiert wird. Dabei gerät in Vergessenheit, dass die Gefahrenszenarien, die dem Datenschutzrecht zugrunde liegen, eine namentliche Identifizierbarkeit des Bürgers zwingend voraussetzen. Wenn der Staat Daten über die „Gesinnung“ eines Bürgers, die Teilnahme an Versammlungen, die Mitgliedschaft in Parteien und Organisationen oder auch über die Religionszugehörigkeit oder geschlechtliche Orientierung sammelt, braucht der Bürger Maßnahmen und Sanktionen nur dann zu befürchten, wenn ihn staatliche Stellen namentlich identifizieren können. Bleiben die Datenbestände dagegen anonym (oder pseudonym) und besteht keine realistische Möglichkeit der Deanonymisierung, fehlt es an der Risikolage, die dem Datenschutzrecht zugrunde liegt.
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Dementsprechend bestand im Datenschutzrecht bis vor geraumer Zeit zu Recht Einigkeit darüber, dass die Personenbezogenheit von Daten durch eine Anonymisierung beseitigt werden kann. Anonymisierte Daten galten nicht als personenbezogen und unterfielen damit auch nicht dem Datenschutzrecht7. Niemand wäre auf die Idee gekommen, es für die Personenbezogenheit von Daten ausreichen zu lassen, dass Datenbestände einem Phantasienamen zugeordnet sind. Solange der Phantasiename im Zusammenhang mit den gespeicherten Daten nicht ohne größeren Aufwand die Deanonymisierung ermöglicht, ist die Anonymisierung erfolgreich, und es fehlt an einer Personenbezogenheit des Datenbestandes8.
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1 Schaar, Datenschutz im Internet, Rdnr. 162; Hillenbrand-Beck/Greß, DuD 2001, 389, 391. 2 Schaar, Datenschutz im Internet, Rdnr. 162. 3 Vgl. Hillenbrand-Beck/Greß, DuD 2001, 389, 391. 4 Vgl. Bizer in Simitis, BDSG, § 3 Rdnr. 217. 5 Vgl. Bizer in Simitis, BDSG, § 3 Rdnr. 212 f. 6 Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis, § 4 TDDSG Rdnr. 44. 7 Dammann in Simitis, BDSG 1981, § 2 Rdnr. 38. 8 Gola/Schumerus, § 3 Rdnr. 44.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
b) Bestimmbarkeit der Person
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Eine Verabsolutierung des Begriffs der Bestimmbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 BDSG führt in letzter Konsequenz dazu, dass man kaum noch Daten finden wird, die nicht personenbezogen sind. Je größer die Datenflut in vernetzten Systemen wird, desto seltener werden Fälle, in denen es tatsächlich (objektiv) unmöglich ist, ein bestimmtes Datum mit einer bestimmten Person in Verbindung zu bringen.
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Nimmt man das im Volkszählungsurteil formulierte Anliegen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ernst, so geht es – nach heutigen Begriffen – um den Schutz des Bürgers vor diskriminierenden Maßnahmen von Staat und Wirtschaft1. Der Bürger soll sich in politischer, gesellschaftlicher und persönlicher Hinsicht frei entfalten können, ohne befürchten zu müssen, dass seine Persönlichkeitsäußerungen (von der Parteizugehörigkeit bis zu „Lastern“ wie Nikotin und Alkohol) protokolliert und zum Anknüpfungspunkt von Diskriminierungsmaßnahmen gemacht werden2. Der Diskriminierungsschutz, auf den sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Kern zurückführen lässt, setzt indes ein persönlich fassbares Individuum voraus. Wer den Datenschutz stetig verbessern und weiterentwickeln möchte, ohne sein Kernkonzept zu verwerfen, muss daher daran festhalten, dass nur solche Daten als personenbezogene Daten gemäß § 3 Abs. 1 BDSG gelten, die von der verantwortlichen Stelle ohne übermäßigen Aufwand auf eine namentlich identifizierbare Person zurückgeführt werden können3. Dies spricht gegen eine Verabsolutierung des Merkmals der Bestimmbarkeit nach § 3 Abs. 1 BDSG. c) Werturteile
40
Gemeinhin wird vertreten, dass Werturteile der Darstellung persönlicher und sachlicher Verhältnisse einer Person dienten und daher gemäß § 3 Abs. 1 BDSG zu den personenbezogenen Daten gehören4. Eine Ausnahme soll allenfalls gelten bei einem „vollständigen Mangel an Informationswert“5.
41
Eine pauschale und undifferenzierte Einbeziehung von Werturteilen über eine Person in den Anwendungsbereich des Datenschutzrechts ist problematisch, da Art. 5 Abs. 1 GG dabei unberücksichtigt bliebe. Zwar ist es unverkennbar, dass Aussagen wie „schlechter Schuldner“ und „schwierig im Umgang“ oder „Frauenheld“6 zu tatsächlichen Schlussfolgerungen über die jeweilige Person führen können. Bei Internet-Veröffentlichungen 1 2 3 4 5 6
Vgl. BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 43 f. – Volkszählung. BVerfG vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1, 41 f. – Volkszählung. Vgl. Gola//Schumerus, § 3 Rdnr. 10. Gola/Schomerus, § 3 Rdnr. 6. Gola/Schomerus, § 3 Rdnr. 6. Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rdnr. 12.
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I. Datenschutzrecht
entsteht durch die Datenverarbeitung jedoch keine Gefährdung von Persönlichkeitsrechten, die über ein etwaiges Äußerungsdelikt hinausgeht. Daher erscheint es bei Internet-Veröffentlichungen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK gerechtfertigt, wenn nicht gar notwendig, § 3 Abs. 1 BDSG auf Werturteile nicht anzuwenden1. 2. Nutzungsdaten und Bestandsdaten
Das Telemediengesetz enthält in den §§ 11 bis 15 a TMG Sonderregelungen für die Nutzungs- und Bestandsdaten, die bei der Nutzung von Telemedien erhoben werden. Soweit es um Daten geht, die im Zusammenhang mit Telemedien anfallen, gilt das BDSG nur, soweit den §§ 11 bis 15 a TMG keine spezifischen Regelungen zu entnehmen sind. Nutzer im Sinne der §§ 11 bis 15 a TMG ist jede natürliche Person, die Telemedien nutzt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen. Auch das TMG regelt somit nicht, wie mit Daten juristischer Personen zu verfahren ist2.
42
§ 12 Abs. 1 TMG kodifiziert für den Bereich der Telemedien das Einwilligungsprinzip, trifft jedoch keine Regelung, die sich vom BDSG unterscheidet und ist daher bei Lichte betrachtet überflüssig. Die Verarbeitung personenbezogener Daten setzt hiernach eine gesetzliche Gestattung oder eine Einwilligung voraus. Eine gesetzliche Gestattung kann sich aus den §§ 14 und 15 TMG oder aber auch aus dem BDSG (insbesondere aus § 28 BDSG) ergeben.
43
Auch § 12 Abs. 2 TMG ist inhaltsarm. Der Grundsatz der Zweckbindung wird für den Geltungsbereich des TMG bekräftigt und leicht verschärft. Der Diensteanbieter darf danach personenbezogene Daten, die er für die Bereitstellung von Telemedien erhoben hat, für andere Zwecke nur verwenden, wenn das TMG oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Der „ausdrückliche“ Bezug auf Telemedien ist die einzige Besonderheit, die sich nicht ohnehin aus dem BDSG ergibt.
44
Nach § 13 Abs. 6 TMG hat der Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen und den Nutzer hierüber zu unterrichten. Dies gilt indes nur, soweit eine anonyme bzw. pseudonyme Nutzung und Bezahlung technisch möglich und zumutbar ist.
45
§ 14 Abs. 1 TMG erlaubt dem Dienstenbieter die Erhebung von Bestandsdaten. Hierbei handelt es sich um Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen
46
1 Härting, CR 2009, 21, 26. 2 Siehe Rz. 21.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind. 47
§ 14 Abs. 1 TMG setzt ein Vertragsverhältnis zwischen Diensteanbieter und Nutzer voraus. Wenn es an einem solchen Vertragsverhältnis fehlt1, kann § 14 Abs. 1 TMG die Verarbeitung von Daten nicht legitimieren. Unabhängig davon, ob es sich um einen entgeltlichen oder einen unentgeltlichen Vertrag handelt, wird man allerdings bei jedem Vertrag zwischen Diensteanbieter und Nutzer ein legitimes Interesse des Diensteanbieters an der Speicherung und Nutzung von Daten bejahen, die dem Diensteanbieter die Identifizierung seines Vertragspartners ermöglichen.
48
Wenn für die Nutzung eines Internetdienstes eine Vergütung vereinbart wird, die von der Häufigkeit, Dauer oder Intensität der Nutzung abhängt, muss das Nutzerverhalten zu Abrechnungszwecken nachgehalten und erfasst werden. Es geht dann gemäß § 15 Abs. 1 TMG um Nutzungsdaten, die verarbeitet werden dürfen und zu denen insbesondere die Identität des Nutzers, der Beginn, das Ende sowie der Umfangs einer Nutzung und die Art der in Anspruch genommenen Telemedien zählen.
49
Sofern während und durch die konkrete Nutzung von Telemedien Daten entstehen, die notwendigerweise für die Inanspruchnahme erfasst werden, handelt es sich um Nutzungsdaten gemäß § 15 Abs. 1 TMG. Denkbar sind Daten über die Nutzungsdauer oder die Anzahl von Downloads, aber auch der Benutzername und das Passwort. Dabei kann es zu Überschneidungen mit Bestandsdaten nach § 14 Abs. 1 TMG kommen, wenn es etwa um Daten geht, die eine Identifizierung des Nutzers ermöglichen2. 3. Einwilligung und Datenschutzbestimmungen
50
Die Datenflut prägt die Netzkommunikation. Und im Zeichen dieser Datenflut wird jedes Postulat, der Nutzer möge selbst über die Preisgabe von Daten bestimmen, leicht zu einer Fiktion. Dies ist das Kernproblem des Einwilligungsprinzips bei Internet-Sachverhalten. Richtigerweise muss das Augenmerk auf Transparenz und nicht auf Autonomie gelegt werden.
51
Transparenz führt nicht nur zu einer Verstärkung der Selbstbestimmung auf Seiten des Nutzers. Vielmehr wird zugleich das Vertrauen in Kommunikationsdienste und damit in eine Infrastruktur gestärkt, die für den freien Informationsaustausch und die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Informationsgesellschaft einen hohen Stellenwert hat. Es geht nicht nur um die individuelle Grundrechtsausübung, sondern auch um eine Stärkung der Verlässlichkeit und Durchschaubarkeit von Kommuni1 Siehe Rz. 596 ff. 2 Vgl. Spindler/Nink in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 15 TMG Rdnr. 2.
12
I. Datenschutzrecht
kationsinfrastruktur1. Vorbild sollte nicht der Politiker sein, der – wie die Bundesministerin für Verbraucherschutz2 - vor der Bezahlung mit der Kreditkarte im Internet warnt, sondern Politikerinnen und Politiker, die hohe Sicherheitsstandards für die Verarbeitung von Kreditkartendaten im Netz fordern. Das Einwilligungsprinzip überzeugt nicht mehr, da es mit der freien Entscheidung des Nutzers steht und fällt, auf Netzkommunikation ganz oder doch weitgehend zu verzichten. Ein solcher Verzicht ist in der Informationsgesellschaft eine Option, die weder realistisch erscheint noch wünschenswert ist im Hinblick darauf, dass das Internet mehr und mehr zur Lebensader des demokratischen Meinungs- und Informationsaustauschs wird3.
52
Zur Schaffung von Transparenz eignen sich Datenschutzbestimmungen, die sich in der Praxis als gut eingeführtes Informationsmittel bereits bewährt haben. Kein Internetdienst ohne Datenschutzbestimmungen: Dies sollte zum Prinzip werden, das einer gesetzlichen Untermauerung bedarf. Dabei sollten strenge Anforderungen gelten für die Auffindbarkeit der Datenschutzbestimmungen und für die sprachliche Verständlichkeit. Hierbei lässt sich an Erfahrungen anknüpfen, die bei der Formulierung und Durchsetzung der gesetzlichen Impressumspflicht in den letzten Jahren gewonnen werden konnten4.
53
Der einzige gesetzliche Anknüpfungspunkt für eine umfassende Transparenz ist bislang § 13 Abs. 1 TMG, der einige Informationspflichten des Diensteanbieters regelt. Diesen Pflichten können Dienstanbieter dadurch nachkommen, dass sie Datenschutzbestimmungen auf ihre Website aufnehmen. In diesen Bestimmungen müssen die Nutzer über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form unterrichtet werden. Die Datenschutzbestimmungen sind für den Nutzer jederzeit abrufbar zu halten.
54
Wenn die Betreiber von Websites Datenschutzbestimmungen verwenden, so nutzen sie dies meist auch dazu, die Einwilligung von Nutzern in Datenverarbeitungsprozesse zu dokumentieren, soweit eine solche Einwilligung erforderlich ist. So beginnt jeder einzelne Abschnitt der Datenschutzbestimmungen des Social Networks StudiVZ mit den Worten „Ich willige ein, dass...“5.
55
1 Vgl. Hoffmann-Riem, AöR 2009, 513, 527. 2 http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Interview/2010/03/ 2010-03-15-aigner-ts.html. 3 Vgl. Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009, 1010; Hoffmann-Riem AöR 2009, 513, 519 ff. 4 Ott, MMR 2007, 354 ff. 5 http://www.studivz.net/l/policy/declaration.
13
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
56
Gemäß § 4 a Abs. 1 Satz 1 und 2 BDSG wird die Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht, wobei der Betroffene auf den vorgesehenen Zweck der Datenverarbeitung hinzuweisen ist. An der Möglichkeit einer freien Entscheidung kann es fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe seiner Daten verleitet wird1.
57
In seinen Entscheidungen zu „Payback“2 und HappyDigits3 hat der BGH betont, dass es zulässig ist, die Einwilligungserklärung gemäß § 4 a Abs. 1 BDSG in Allgemeine Geschäftsbedingungen aufzunehmen, ohne dass es eines gesonderten Anklickfeldes bedarf, das die Einwilligungserklärung enthält („Opt In“). Es sei nicht erkennbar, dass die Notwendigkeit, zur Versagung der Einwilligung in die Zusendung von Werbung das dafür vorbereitete Kästchen anzukreuzen („Opt Out“), eine ins Gewicht fallende Hemmschwelle darstellt, die den Verbraucher davon abhalten könnte, von seiner Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch zu machen4.
58
Aus § 4 a BDSG ergibt sich nicht, dass die Einwilligung nur dann wirksam sein soll, wenn der Nutzer eine gesonderte Einwilligungserklärung unterzeichnen oder ein für die Erteilung der Einwilligung vorzusehendes Kästchen ankreuzen muss. Vielmehr ergibt sich aus § 4 a Abs. 1 Satz 4 BDSG, dass die Einwilligung auch zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werden kann, sofern sie in diesem Fall besonders hervorgehoben wird. Durch dieses Erfordernis soll verhindert werden, dass die Einwilligung bei Formularverträgen im so genannten Kleingedruckten versteckt wird und der Betroffene sie durch seine Unterschrift erteilt, ohne sich ihrer und ihres Bezugsgegenstands bewusst zu sein, weil er sie übersieht. Diesen Anforderungen kann auch eine zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilte Einwilligung genügen, sofern sie besonders hervorgehoben wird5.
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Die vorformulierte Einwilligung ist so zu gestalten, dass dem Nutzer Umfang und Inhalt der Einwilligungserteilung nicht verborgen bleiben können, sodass sich die Einwilligungserklärung als sein bewusster und autonomer Willensakt darstellt. Die Einwilligungsklausel sollte daher so platziert und drucktechnisch so gestaltet sein, dass der Betroffene geradezu auf die mit der Unterschriftsleistung verbundene Einwilligungserklärung und ein Ankreuzkästchen mit einer Abwahlmöglichkeit gesto1 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback; BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits. 2 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback. 3 BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits. 4 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback; BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits. 5 BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback; BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits.
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I. Datenschutzrecht
ßen wird1. Statt eines solchen Ankreuzkästchens reicht es nach Auffassung des BGH auch aus, wenn fettgedruckt auf die Möglichkeit der Streichung der Einwilligungsklausel hingewiesen wird2. § 13 Abs. 2 TMG ermöglicht eine elektronische Einwilligungserklärung des Nutzers. Zur Wirksamkeit einer solchen Erklärung muss der Diensteanbieter dafür Sorge tragen, dass der Nutzer seine Einwilligung bewusst und eindeutig erteilt hat, die Einwilligung protokolliert wird, der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen und widerrufen kann.
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Den Anforderungen des § 13 Abs. 1 TMG genügt es, wenn die Einwilligung durch ein Anklickfeld erteilt wird und in unmittelbarer Nähe des Anklickfelds klar und deutlich auf die Datenschutzbestimmungen verwiesen wird, die dann über einen Hyperlink abrufbar sind. Im Hinblick auf § 4 a Abs. 1 Satz 4 BDSG genügt es auch, wenn auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen wird, die eine – hervorgehobene – Einwilligungserklärung enthalten.
61
Es verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) wenn eine Einwilligungserklärung an versteckter Stelle mitten in einem vorformulierten Text untergebracht ist3. Dasselbe gilt, wenn die Klausel als Bevollmächtigung zur Weitergabe von Daten an Dritte „zur Formulierung von bedarfsgerechten Angeboten und Informationen“ formuliert ist, da diese Formulierung dazu führen kann, dass der Verwender die Daten nach Gutdünken weitergibt4.
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4. Datenverarbeitung ohne Einwilligung
Während die §§ 14 und 15 TMG die Voraussetzungen regeln, unter denen eine Verarbeitung von Bestands- und Nutzungsdaten ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig ist, gelten für alle anderen personenbezogenen Daten die §§ 28 und 29 BDSG.
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Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, wenn es für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist. Dasselbe gilt nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG für die Verarbeitung von Daten, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.
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1 2 3 4
Vgl. BGH vom 16.7.2008, BGHZ 177, 253 ff. – Payback. Vgl. BGH vom 11.11.2009, CR 2010, 87 ff. – HappyDigits. LG Bonn vom 31.10.2006, CR 2007, 237 f. LG Dortmund vom 23.2.2007, Az. 8 O 194/06; vgl. auch OLG Köln vom 23.11.2007, WRP 2008, 1130 ff.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG erlaubt schließlich die Verarbeitung von Daten, wenn die Daten allgemein zugänglich sind oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle offensichtlich überwiegt. Dabei gilt nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BGB der Grundsatz der Zweckbindung. Daten dürfen nur im Rahmen eines gesetzlich bestimmten Zweckes verarbeitet werden; entfällt der Zweck, wird die Verarbeitung unzulässig. So dürfen Kundendaten nicht auf Vorrat gesammelt werden. Gibt der Kunde seine Daten für ein Gewinnspiel ab, so dürfen die Daten nicht für eine Werbeaktion verwendet werden. 65
Nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. ist § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG einschränkend auszulegen, wenn Minderjährige beteiligt sind. Die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG getroffene Regelung finde ihre Rechtfertigung darin, dass der Betroffene eine autonome Entscheidung für einen Vertragsabschluss getroffen habe. Sei der Betroffene beschränkt geschäftsfähig, ohne bereits über die in Belangen des Datenschutzes erforderliche Einsichtsfähigkeit zu verfügen, könne § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG jedenfalls dann keine uneingeschränkte Anwendung finden, wenn es um eine Vereinbarung gehe, mit der die Daten erhebende Stelle (auch) Werbezwecke verfolgt. In einem solchen Fall bedürfe es einer Interessenabwägung, die die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen und den Vertragszweck einbeziehe1.
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§ 29 BDSG enthält eine Reihe von zusätzlichen Anforderungen, die erfüllt sein müssen, wenn die Datenverarbeitung geschäftsmäßig zum Zwecke der Übermittlung erfolgt, wie dies insbesondere bei Adresshändlern und Auskunfteien, aber auch bei Informations-„Übermittlern“ im Internet der Fall ist. Da die Betreiber des Portals geschäftsmäßig Daten übermitteln, hat der BGH in seiner „spickmich.de“-Entscheidung die Anwendbarkeit des § 29 BDSG bejaht2.
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Eine geschäftsmäßige Erhebung im Sinne des § 29 BDSG liegt vor, wenn die Tätigkeit auf Wiederholung gerichtet und auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Eine Gewerbsmäßigkeit im Sinne einer Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich3.
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Die Speicherung der Bewertungen ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG zulässig, wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und -speicherung nicht gegeben ist. Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des „schutzwürdigen Interesses“ verlangt eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung 1 OLG Frankfurt a.M. vom 30.6.2005, CR 2005, 830 ff. 2 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de 3 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de
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II. „Computer-Grundrecht“
der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte. Dabei sind Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten an den Aufgaben und Zwecken zu messen, denen die Datenerhebung und -speicherung dient. Bietet die am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Abwägung keinen Grund zu der Annahme, dass die Speicherung der in Frage stehenden Daten zu dem damit verfolgten Zweck schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt, ist die Speicherung zulässig1. In seiner Entscheidung zu „spickmich.de“ hat der BGH eine Abwägung zwischen dem Recht der betroffenen Lehrerin auf informationelle Selbstbestimmung und der Meinungsfreiheit vorgenommen, auf die sich der Portalbetreiber berief. Diese Abwägung fiel im Ergebnis zugunsten des Portals aus mit der Folge, dass die Veröffentlichung der Bewertungsdaten durch § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG legitimiert war2.
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II. „Computer-Grundrecht“ 1. Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung
In dem Urteil zur Online-Durchsuchung hat das BVerfG ein neues Grundrecht geschaffen: das „Computer-Grundrecht“ (Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme)3. Dass es eines solchen „neuen“ Grundrechts bedarf, hat das BVerfG unter anderem damit begründet, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Schutzlücken aufweist.4 Das Gefahrenpotential, gegen das das „Computer-Grundrecht“ schützt, liegt nach dem BVerfG darin, dass ein Dritter sich durch Zugriff auf ein informationstechnisches System einen potentiell äußerst großen und aussagekräftigen Datenbestand verschaffen kann, ohne noch auf weitere Datenerhebungs- und Datenverarbeitungsmaßnahmen angewiesen zu sein5. Der heimliche Blick auf die Computerfestplatte lässt sich mit dem althergebrachten Blick durch das Schlüsselloch vergleichen. Unbemerkt gelangt ein „Eindringling“ in die Privatsphäre.
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Das unbemerkte Eindringen in die auf der Computerfestplatte gespeicherten Daten unterscheidet sich von der Datenerfassung und -verarbeitung insbesondere dadurch, dass es über den Einblick hinaus keiner weiteren Maßnahmen bedarf, um tief in die Privatsphäre des Bürgers zu ge-
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1 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de. 2 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; vgl. auch LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198, 201 f.; LG Köln vom 17.3.2010, MMR 2010, 369 ff. mit Anm. Vierkötter. 3 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 ff. – Online-Durchsuchung. 4 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 824 – Online-Durchsuchung. 5 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 826 – Online-Durchsuchung.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
langen1. Wer Kenntnis vom Innenleben einer Computerfestplatte oder einer Handy-Speicherkarte erlangt hat, ist damit weit in die Privatsphäre vorgedrungen, auch wenn es zu keiner Speicherung, Weitergabe oder Zusammenführung von Daten kommt. 72
Der Blick durch das „informationstechnische Schlüsselloch“ unterscheidet sich von den herkömmlichen Gefahrenszenarien des Datenschutzrechts zudem dadurch, dass es für den Betroffenen keinen nennenswerten Unterschied macht, ob der Eindringling Kenntnis von seiner Identität hat. Die heimliche Ausspähung wird auch dann als Eingriff in die Privatsphäre empfunden, wenn sie gänzlich anonym erfolgt. Der „Spanner“ wird auch dann als Eindringling in den Privatbereich empfunden, wenn er nicht weiß, welche Person er heimlich beobachtet. In einer sehr gelungenen, bildhaften Formulierung des BVerfG heißt es, die auf dem Endgerät gespeicherten Informationen ermöglichten es, „Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person zu gewinnen oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit zu erhalten“2.
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In der Heimlichkeit der Beobachtung liegt eine Parallele zwischen der Onlinedurchsuchung einerseits und der unbegrenzten und unkontrollierbaren Anlegung von Nutzungsprofilen im Internet andererseits: Die umfangreiche Speicherung von Daten bei Google stellt nach dem Empfinden vieler Nutzer einen Eingriff in die Privatsphäre dar. Dieser Eingriff wird nicht dadurch nennenswert abgemildert, dass die Betreiber von Google keine Kenntnis von der Identität der Person erlangen können, die hinter dem Nutzungsprofil stehen. Die Vorstellung, dass ein Internetanbieter über eine genaue Protokollierung besuchter Seiten die Möglichkeit hat, Interessen, Eigenheiten und Vorlieben des Nutzers sehr präzise zu analysieren, ist vielen Internetnutzern unangenehm. Die heimliche und unkontrollierte Protokollierung und Auswertung der Nutzergewohnheiten stellt ein „Ausspähen“ des Bürgers dar, das sich von der gezielten OnlineDurchsuchung einer Computerfestplatte allenfalls graduell unterscheidet.
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Auch bei der Vorratsdatenspeicherung geht es um Spuren der Kommunikation. Die Nutzung des Internet oder auch des Mobiltelefons ist nicht rückstandsfrei. Zahlreiche Spuren entstehen auf den Rechnern der Telekommunikationsunternehmen. Diese Spuren umfassen Telefonnummern, E-Mail- und IP-Adressen und Funkzellendaten. Sie ermöglichen ein detailliertes Bild über das Kommunikationsverhalten, die Kommunikationspartner und über Aufenthaltsorte3. Auch für diese Spuren gelingt es dem BVerfG (in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung), die Gefahrenlage prägnant und plastisch zu beschreiben. Das BVerfG erkennt die „diffuse Bedrohlichkeit“, die durch staatliche Zugriffsrechte entsteht: 1 Vgl. BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 626 – Online-Durchsuchung. 2 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 827 – Online-Durchsuchung. 3 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 838 – Vorratsdatenspeicherung.
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II. „Computer-Grundrecht“
„Der Einzelne weiß nicht, was welche staatliche Behörde über ihn weiß, weiß aber, dass die Behörden vieles, auch Höchstpersönliches über ihn wissen können.“1 Ersetzt man „Behörde“ durch „Google“, ergibt dies einen Satz, der die vielfach empfundene „diffuse Bedrohlichkeit“ der Aktivitäten des amerikanischen Unternehmens im Kern trifft. Bereits bei dem Urteil zur Online-Durchsuchung war erkennbar, dass das BVerfG privatwirtschaftliche Gefahrenlagen fest im Blick hatte. Die Furcht vor dem heimlichen Blick durch virtuelle Schlüssellöcher und die „diffuse Bedrohlichkeit“ durch unkontrollierte Datenbestände können eine freie Kommunikation im Netz bremsen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchtigen, wenn der Gesetzgeber keine Transparenz schafft durch klare Regeln für die Sammlung und Nutzung von Datenbeständen2.
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Obwohl Einigkeit darüber besteht, dass das in der Online-Durchsuchung geschaffene „Computer-Grundrecht“ Drittwirkung hat und den Gesetzgeber zu schützenden Maßnahmen im Bereich der Privatwirtschaft aufruft, ist die Diskussion um gesetzgeberische Konsequenzen3 bislang in ersten Anfängen stecken geblieben. Die Grundrechtsgefahren durch Spuren vernetzter Kommunikation erfordern indes eine umfassende Anpassung des Persönlichkeits- und Datenschutzrechts an die Gegebenheiten der Informationsgesellschaft4.
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2. Nutzungsprofile
Die einzige Norm, die das Anlegen von Nutzungsprofilen regelt, ist § 15 Abs. 3 TMG, der zum einen eine Pseudonymisierung verlangt und dem Nutzer zum anderen ein Informations- und Widerspruchsrecht gewährt. Dies ist ein Regulierungsmodell, das langfristig zu befriedigenden Regelungen führen kann: Durch die Information des Nutzers, die Pseudoynmisierung und die Möglichkeit des Widerspruchs gegen eine Profilanlegung wird eine gänzlich unbemerkte „Ausspähung“ verhindert5.
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§ 15 Abs. 3 TMG gilt beispielsweise für Social Networks, die sich zum größten Teil durch Werbung finanzieren. User lassen sich durch die Communities dazu verleiten, hemmungslos persönliche Angaben preiszugeben. Diese Daten und die Daten über die besuchten Network-Seiten möchten die Betreiber für personalisierte Werbung nutzen. Sofern der Betreiber das Surfverhalten eines Nutzers erfasst, handelt es sich um Nutzungsprofile gem. § 15 Abs. 3 TMG.
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1 2 3 4 5
BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 843 – Vorratsdatenspeicherung. Vgl. Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009, 1010 f. Vgl. Bartsch, CR 2008, 613 ff.; Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, 3534 ff. Vgl. Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009, 1010. Vgl. Spindler/Schuster, § 15 TMG Rdnr. 8.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
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Personalisierte Werbung ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für den Betrieb eines Social Networks dienlich, für die Teilnahme und die Funktionstüchtigkeit aber keineswegs erforderlich. Die Verwendung von Daten für personalisierte Werbung ist damit durch §§ 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1 TMG (Bestands- und Nutzungsdaten) nicht legitimiert. Soweit sich die Nutzung der Profildaten nach dem BDSG bestimmt („Inhaltsdaten“), bedarf eine solche Nutzung der Einwilligung gemäß § 4 a Abs. 1 BDSG (vgl auch § 28 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 3 a BDSG)
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Sofern Nutzungsprofile allerdings erstellt werden, sind diese zulässig, wenn sie zu Zwecken der Werbung, der Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien unter Verwendung von Pseudonymen erstellt werden. Dem Nutzer muss eine Widerspruchsmöglichkeit geboten werden, auf welche er hinzuweisen ist (§ 15 Abs. 3 Satz 2 TMG). Zudem gilt das Verbot der Zusammenführung mit Daten über den Träger des Pseudonyms (§ 15 Abs. 3 Satz 3 TMG).
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Angesichts des Umstands, dass etwa Facebook und StudiVZ grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Profil unter dem vollständigen bürgerlichen Namen angelegt wird, fehlt es an einer Pseudonymisierung. Damit unterliegt jegliche Erstellung von Nutzungsprofilen und jede Verwendung von personenbezogenen Daten zur personalisierten Werbung den Einwilligungserfordernissen des § 12 Abs. 1 TMG und des § 4 a BDSG. 3. „Gläserner Nutzer“
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Im Datenschutzrecht wird man sich daran gewöhnen müssen, zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem „ComputerGrundrecht“ zu differenzieren. Möchte man die Grenzen nicht vollständig verwässern und das Datenschutzrecht nicht in ein allgemeines Verbraucher- und Bürgerschutzrecht umfunktionieren, führt kein Weg daran vorbei, das Erfordernis eines Personenbezuges gemäß § 3 Abs. 1 BDSG ernst zu nehmen und Daten nur dann als personenbezogen zu schützen, wenn ein Bezug zu einer konkret und namentlich bestimmbaren natürlichen Person ohne übermäßigen Aufwand herstellbar ist1. Neben den Schutz des Bürgers vor einer unkontrollierbaren Verarbeitung personenbezogener Daten tritt der Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre, die in einem unbemerkten und unkontrollierten „Ausspähen“ der Computernutzung liegen2. Wer in einem anonymen Chat ausgespäht wird, fühlt sich auch dann peinlich berührt und in seiner Intimsphäre verletzt, wenn der Gegenüber keine erdenkliche Möglichkeit hat, die Identität des „Opfers“ in Erfahrung zu bringen. Die Kenntnis der Identität würde den Eingriff in Persönlichkeitsrechte zwar vertiefen, nicht jedoch qualitativ ändern. 1 Vgl. Dammann in Simitis, BDSG, § 3 Rdnr. 31. 2 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822, 824 – Online-Durchsuchung.
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II. „Computer-Grundrecht“
Diskriminierungsschutz oder „informationstechnisches Schlüsselloch“: Die Anforderungen an den Datenschutz im Internet müssen sich daran ausrichten, welcher Grundrechtsbereich jeweils betroffen ist. Geht es um den Schutz vor einer unbemerkten „Ausspähung“, ist allein § 15 Abs. 3 TMG anwendbar. Wenn dagegen Daten gesammelt werden, die sich einer konkreten, namentlich identifizierbaren natürlichen Person zuordnen lassen, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BDSG vor mit der Folge einer uneingeschränkten Anwendung des Datenschutzrechts1.
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4. Cookies
Cookies sind kleine Dateien, die von einem Internetanbieter auf dem Rechner des Nutzers – zumeist ohne dessen Kenntnis2 – abgelegt werden3, um Informationen über den Nutzer zu sammeln4. Auf einem Cookie wird regelmäßig eine Identifikationsnummer (Kennung) gespeichert, die bei wiederholten Nutzungsvorgängen (unbemerkt) an den Anbieter übertragen und von diesem ausgewertet wird5.
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Die Diskussion um die datenschutzrechtliche Beurteilung von Cookies ist so alt wie das Internet6. Eine klare Beurteilung ist nur in dem seltenen Fall möglich, dass der Cookie den Namen7 oder andere Informationen enthält (z.B. E-Mail-Adresse [email protected])8, die eine eindeutige Bestimmung der natürlichen Person erlauben, die den Rechner nutzt, auf dem der Cookie gespeichert ist. Auch in einem solchen Fall ist es zwar falsch zu behaupten, der Cookie sei ein personenbezogenes Datum, da es sich um eine Datei handelt, die nicht selbst personenbezogenes Datum sein kann, sondern – wie andere Dateien auch – lediglich als Träger von Daten in Betracht kommt. Da jedoch die Versendung des Cookies bei jedem Aufruf der Seiten des jeweiligen Anbieters zu einer Übertragung personenbezogener Daten führt, sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BDSG erfüllt.
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In aller Regel sind Cookies „anonym“, da mit dem Cookie keine Daten übertragen werden, die Personenbezug aufweisen9. Die Übertragung beschränkt sich auf eine Kennung, die für den Internetanbieter die Funktion erfüllt, den Nutzer zu identifizieren, ohne dass dem Internetanbieter eine Deanonymisierung möglich ist10.
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Gola/Schumerus, § 3 Rdnr. 3. Hillenbrand-Beck/Greß, DuD 2001, 389, 390. Meyer, WRP 2002, 1028, 1029. Vgl. Schaar, Datenschutz im Internet, Rdnr. 178. Lapp, ITRB 2001, 113, 113. Vgl. Bizer, DuD 1998, 277 ff. Vgl. Meyer, WRP 2002, 1028, 1030. Vgl. Eichler, K&R 1999, 76, 78. Vgl. Lapp, ITRB 2001, 113, 113. Vgl. Hoeren, DuD 1998, 455, 455.
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Um „anonyme Cookies“ unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 1 BDSG zu beurteilen, bedarf es weniger eines Blicks auf den einzelnen Cookie als einer Betrachtung der Ergebnisse, zu denen die Verwendung von Cookies führen: Durch den Cookie entsteht bei dem Internetanbieter, der die Cookies setzt, ein Nutzungsprofil1. Die natürliche Person, die hinter dem Nutzungsprofil steht, ist allenfalls theoretisch bestimmbar. Über das „Zusatzwissen“, das die Kennung mit einem konkreten Nutzer in Verbindung bringt, verfügt nur der Nutzer selbst. Dieses „Zusatzwissen“ reicht allenfalls dann für eine Personenbezogenheit der Profildaten aus, wenn man den Begriff der Bestimmbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 BDSG absolut versteht. Dies allerdings ist verfehlt2.
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Cookies dienen in aller Regel zur Anlegung von Nutzungsprofilen bei einem Internetanbieter3. Für diese Nutzungsprofile gilt ausschließlich § 15 Abs. 3 TMG. 5. IP-Adressen
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Eine IP-Adresse ist eine Ziffernfolge, die bei einer Internetnutzung entsteht. Die Nummer gibt Auskunft darüber von welchem Internet-Anschluss in einem bestimmten Zeitraum das Internet genutzt wurde4.
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Zu unterscheiden ist zwischen statischen und dynamischen Adressen5: Statische IP-Adressen sind einem bestimmten Anschluss bei der Einwahl in das Internet fest zugeordnet. Dynamische IP-Adressen sind Adressen, die vom jeweiligen Access-Provider bei jeder Einwahl neu vergeben werden. Die Nutzung dynamischer IP-Adressen ist heute der Normalfall.
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Sowohl bei statischen als auch bei dynamischen IP-Adressen stellt sich die Frage, ob die Adressen personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG darstellen. Für statische IP-Adressen wird dies nahezu einhellig bejaht, während die Personenbezogenheit bei dynamischen IPAdressen streitig ist6.
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IP-Adressen – egal ob statisch oder dynamisch – werden im Internet an vielen Stellen erhoben und gespeichert. Insbesondere nehmen zahlreiche Website-Betreiber eine Speicherung der IP-Adressen aller Nutzer vor, die die jeweilige Website besuchen. Wenn es sich bei IP-Adressen um personenbezogene Daten handelt, darf der Website-Betreiber die Daten nach § 15 Abs. 1 TMG nur erheben oder verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die Bereitstellung des Dienstes zu ermöglichen und abzurechnen. Da diese Voraussetzungen in aller Regel nicht vorliegen, würde es regel1 2 3 4 5 6
Schaar, DuD 2000, 275, 275. Siehe Rz. 38 f. Schaar, DuD 2000, 275, 275. Siehe Rz. 1380 ff. Vgl. Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis, § 1 TDDSG Rdnr. 26 f. Vgl. Härting, CR 2008, 743, 745 f.
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II. „Computer-Grundrecht“
mäßig der Einwilligung eines jeden Internetnutzers in die Erhebung und Speicherung der IP-Adressen bedürfen1. Ob statische oder dynamische IP-Adresse: Geht man von einem absoluten Begriff der Bestimmbarkeit2 aus, so ist jede IP-Adresse ein personenbezogenes Datum gemäß § 3 Abs. 1 BDSG3. Dies ist darauf zurückzuführen, dass jeder Access Provider, der eine IP-Adresse vergibt, Kenntnis von der Identität des Anschlussinhabers hat. Dies reicht für eine „absolute“ Bestimmbarkeit aus. Für die Anhänger eines absoluten Begriffs der Bestimmbarkeit spielt es keine Rolle, ob unverhältnismäßiger Aufwand oder gar kriminelle Energie erforderlich ist, um die IP-Adresse zu deanonymisieren4.
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Die gebotene „relative“ Auslegung der Personenbezogenheit5 führt dazu, dass IP-Adressen nur dann als personenbezogene Daten gemäß § 3 Abs. 1 BDSG anzusehen sind, wenn es um einen Access Provider als verantwortliche Stelle gemäß § 3 Abs. 7 BDSG geht, da der Access Provider die Möglichkeit hat, eine IP-Adresse einem bestimmten Nutzer zuzuordnen6. Bei Dritten – insbesondere bei Website-Betreibern – liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BDSG in aller Regel nicht vor7. Dies gilt grundsätzlich sowohl für statische als auch für dynamische IP-Adressen, da es für einen Website-Betreiber im Normalfall nicht erkennbar ist, ob eine bei ihm abgespeicherte IP-Adresse statisch oder dynamisch ist.
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Wenn man die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf IP-Adressen weitgehend verneint, so bedeutet dies nicht, dass keine rechtlichen Schranken für die Erhebung, Speicherung und Nutzung von IP-Adressen gelten. Auf einfachrechtlicher Ebene wird sich vielfach die Frage stellen, ob die IP-Adressen zur Erstellung von Nutzungsprofilen verwendet werden mit der Folge, dass nach § 15 Abs. 3 TMG der Nutzer unterrichtet werden muss und ihm die Möglichkeit eines Widerspruchs einzuräumen ist.
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Auf verfassungsrechtlicher Ebene bedeutet eine Verneinung des Personenbezuges von IP-Adressen, dass kein Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung vorliegt. Dann allerdings stellt sich die Frage, ob der (potentiell) tiefe Einblick in das Nutzerverhalten, den die Profilbildung ermöglicht, als Eingriff in das vom BVerfG geschaffene
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1 Vgl. LG Berlin vom 6.9.2007, K&R 2007, 601, 602; AG Berlin-Mitte vom 27.3.2007, K&R 2007, 600, 601. 2 Siehe Rdnr. 31. 3 Vgl. LG Berlin vom 6.9.2007, K&R 2007, 601, 602; AG Berlin-Mitte vom 27.3.2007, K&R 2007, 600, 601. 4 Vgl. Pahlen-Brandt, K&R 2008, 288, 290. 5 Vgl. Eckhardt, K&R 2007, 602, 603; Sankol, K&R 2008, 469, 470; siehe Rz. 38 f. 6 Vgl. Schramm, DuD 2006, 785, 787. 7 AG München vom 30.9.2008, MIR-Dok. 300-2008, mit Anm. Rössel, ITRB 2008, 244, 245.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
„Computer-Grundrecht“1 anzusehen ist. Ähnlich wie bei der OnlineDurchsuchung zeichnet die Profilbildung ein vom Internetnutzer nicht beeinflussbares und kontrollierbares Bild von der Persönlichkeit. Dies spricht dafür, einen Eingriff in das „Computer-Grundrecht“ zu bejahen2. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung werden im Laufe der kommenden Jahre Maßgaben zu entwickeln haben, die das „Computer-Grundrecht“ im Verhältnis zu privaten Internetanbietern über § 15 Abs. 3 TMG hinaus schützen. 6. Tracking Tools
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Viele Website-Betreiber nutzen Google Analytics und andere Tracking Tools. Doch nur ein Bruchteil der Betreiber bekennt sich dazu.
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Mithilfe des Trackings werden Nutzerbewegungen im Internet verfolgt. Google Analytics ermöglicht einem Websitebetreiber die Analyse der Besucher der Website durch statistisch aufbereitete Auswertungsergebnisse. Durch Google Analytics lässt sich erfassen, wie Besucher auf die Website gekommen sind, welche Seiten sie aufrufen, an welcher Stelle sie die Website verlassen und wie lange sie sich auf der Website aufhalten. Darüber hinaus gibt Google Analytics darüber Aufschluss, aus welchen Ländern und Regionen die Besucher stammen. Google Analytics ermöglicht damit dem Betreiber einer Website, die Besucher und deren Gewohnheiten kennenzulernen und sich auf diese Gewohnheiten einzustellen. Das Tracking dient der Erfolgskontrolle im Online-Marketing und ist beispielsweise für Betreiber von Webshops von erheblicher Bedeutung.
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Google Analytics nutzt die Spuren, die ein Internetnutzer beim Surfen im Netz hinterlässt. Diese Spuren bestehen im Wesentlichen aus Cookies und IP-Adressen und rufen immer wieder den Datenschutz auf den Plan3. Einerseits ist eine Auswertung des Nutzerverhaltens geradezu unerlässlich zur Verbesserung von Internetangeboten – beispielsweise für eine automatische Wahl der Muttersprache des Nutzers. Auch ermöglicht das Tracking eine zielgerechte Lieferung von Informationen und Werbung, abgestimmt auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten des Nutzers. Andererseits entsteht eine Big Brother-Situation. Auf Google-Servern werden zahlreiche Daten gespeichert, ohne dass der Nutzer einen genauen Überblick über die gespeicherten Daten und deren Verwendung hat. Dies mag nicht so sehr stören, wenn es um Daten geht aus einer Suchabfrage zum nächsten Urlaubsziel. Anders jedoch bei dem diskreten Besuch von Chat-Foren oder dem Abruf erotischer Internetangebote.
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Die potentiellen Folgen einer Personenbezogenheit der gespeicherten Daten sind gravierend. Bei Google Analytics sind die Voraussetzungen des 1 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 ff. – Online-Durchsuchung. 2 Härting, CR 2008, 743, 747 f. 3 Vgl. Gabriel/Cornels, MMR 11/2008, XIV ff.; Ott, K&R 2009, 308 ff.; Steidle/Pordesch, DuD 2008, 324 ff.
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II. „Computer-Grundrecht“
§ 15 Abs. 1 TMG nicht erfüllt, da die Daten zu Abrechnungszwecken nicht benötigt werden. Eine Verpflichtung des Website-Betreibers zur Einholung der Einwilligung aller Nutzer für die Erfassung von Daten per Google Analytics wäre somit zu bejahen. Da die Einholung einer solchen Einwilligung aller Nutzer praktisch kaum durchführbar ist, führt eine solche Auslegung dazu, dass das deutsche Datenschutzrecht die Nutzung von Google Analytics hierzulande unmöglich macht1. Bei der Diskussion um die Personenbezogenheit geht es im Wesentlichen darum, ob die Gefahr besteht, dass die anfallenden Datenspuren einem Nutzer zugeordnet werden, der Google namentlich bekannt ist. Wie groß diese Gefahr ist, ist letztlich eine Glaubensfrage. Wer an das Gute im Menschen glaubt, hält es für sehr fernliegend, dass man sich bei Google die Mühe macht, aus Milliarden Daten herauszufiltern, welche konkreten, namentlich bekannten Personen welche Internetseiten genutzt haben. Wer dagegen ein eher skeptisches Menschenbild hat, glaubt, dass aus theoretischen Möglichkeiten praktische Taten werden.
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Am Webtracking beunruhigt nicht die Vorstellung, dass sich ein Mitarbeiter von Google bei einem Nutzer per E-Mail meldet und ihn mit peinlichen Einzelheiten aus den letzten Internetsitzungen konfrontiert. Nicht die Sorge vor der Deanonymisierung ist es, die ein ungutes Gefühl bereitet, sondern der heimliche Blick durch das virtuelle Schlüsselloch. Wie beim Blick durch das Schlüsselloch liegt das Unbehagen nicht darin, dass der Eindringling weiß, wer ich bin. Der Internetnutzer nimmt es vielmehr als freiheitsbeschränkend wahr, dass er sich – anonym – beobachtet fühlt, ohne genau abschätzen zu können, mit welcher Genauigkeit die Beobachtung erfolgt. Bei der Diskussion um Cookies und IP-Adressen geht es letztlich darum, dass ein „potentiell äußerst großer und aussagekräftiger Datenbestand“ entsteht, der den tiefen Einblick in die Persönlichkeit ermöglicht, aus dem das BVerfG das „Computer-Grundrecht“ abgeleitet hat2. Google Analytics ruft das „Computer-Grundrecht“ auf den Plan und nicht die informationelle Selbstbestimmung.
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Um das „Computer-Grundrecht“ mit Leben zu erfüllen, bedarf es klarer rechtlicher Regelungen zu der Frage, wie der Nutzer über die Sammlung von Spuren im Netz zu informieren ist. Nur bei einer hinreichenden Information hat der Nutzer die Möglichkeit, frei und autonom zu entscheiden, ob er Dienste nutzt, bei denen ein Webtracking erfolgt. Mit § 15 Abs. 3 TMG gibt es für Nutzerprofile bislang nur eine Rumpfnorm, die einer Anpassung an die heutigen Internet-Verhältnisse bedarf. Allerdings stellt bereits die Umsetzung des Widerrufsrechts, das sich aus § 15 Abs. 3 TMG ergibt, eine Herausforderung für Website-Betreiber dar3. Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 TMG ist der Nutzer über sein Widerrufsrecht in den Daten-
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1 Vgl. Steidle/Pordesch, DuD 2008, 324, 326 ff. 2 BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 ff. – Online-Durchsuchung. 3 Vgl. Steidle/Pordesch, DuD 2008, 324, 328.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
schutzbestimmungen (§ 13 Abs. 1 TMG) zu informieren. Macht der Nutzer von diesem Recht Gebrauch, steht der Betreiber der Website vor der – schwer lösbaren – Aufgabe, eine Erfassung der „Datenspuren“ dieses Nutzers auszuschließen.
III. Telekommunikationsgeheimnis 1. Verfassungsrecht, Telekommunikationsrecht, Strafprozessrecht
104
Das Telekommunikationsgeheimnis ist verfassungsrechtlich in Art. 10 GG und auf einfachrechtlicher Ebene in § 88 TKG verankert. Verfassungsrechtlich ist das Fernmeldegeheimnis eine „spezielle Garantie“, die Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verdrängt1.
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Nach § 88 Abs. 1 TKG gilt das - vom Gesetz als „Fernmeldegeheimnis“ bezeichnete - Telekommunikationsgeheimnis nicht nur für den Inhalt der Telekommunikation, sondern auch für die bloße Beteiligung an einem „Telekommunikationsvorgang“ und für alle anderen „näheren Umstände“ der Telekommunikation. Zur Wahrung des Geheimnisses ist nach § 88 Abs. 2 TKG jeder „Diensteanbieter“ verpflichtet, wobei die Pflicht zur Geheimhaltung auch nach dem Ende der Tätigkeit des Diensteanbieters fort gilt. § 88 Abs. 3 TKG gestaltet das Telekommunikationsgeheimnis näher aus und untersagt es dem Diensteanbieter, sich oder anderen Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Eine Ausnahme gilt nur, soweit es um Maßnahmen geht, die zum Schutz der „technischen Systeme“ des Diensteanbieters erforderlich sind.
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Auch wenn das „Fernmeldegeheimnis“ seinen Ursprung in einer Zeit weit vor dem Internet hat, ist § 88 TKG auf E-Mails anwendbar. Gemäß § 3 Nr. 22 TKG gilt als „Telekommunikation“ jedes Aussenden, Übermitteln und Empfangen von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen. Der Gesetzgeber, der bei der Regelung des Fernmeldegeheimnisse in § 88 TKG erkennbar von dem Telefondienst als dem klassischen Telekommunikationsmittel ausging, hat allerdings von einer enumerativen Abgrenzung des Schutzbereichs des Fernmeldegeheimnisses bewusst abgesehen. Im Einzelfall sei auf das schutzwürdige Vertrauen der Beteiligten abzustellen2. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Kommunikationspartner auf Geheimhaltung besteht auch bei E-Mails, sodass E-Mails dem Telekommunikationsgeheimnis unterliegen3.
107
Gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 TKG ist jeder „Diensteanbieter“ zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet. Nach § 3 Nr. 6 TKG gilt als 1 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 836 – Vorratsdatenspeicherung, vgl. auch Löwer in v. Münch/Kunig, Art. 10 Rdnr. 55. 2 BT-Drucks. 13/3609 vom 30.1.1996, S. 53. 3 Härting, ITRB 2007, 242; vgl. bereits Büchner in Beck’scher TKG-Kommentar, § 85 Rdnr. 2.
26
III. Telekommunikationsgeheimnis
„Diensteanbieter“, wer geschäftsmäßig „Telekommunikationsdienste“ erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Als „Telekommunikationsdienste“ gelten nach § 3 Nr. 24 TKG Dienste, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden und in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Über die sachliche und zeitliche Reichweite des Telekommunikationsgeheimnisses hatte das BVerfG in dem „Handydaten-Fall“ zu entscheiden, als es um die Beschlagnahme des Mobiltelefons einer Richterin und um die Frage ging, ob das Telekommunikationsgeheimnis die Befugnisse von Ermittlungsbehörden bei der Einsichtnahme in Kommunikationsverbindungsdaten einschränkt, die auf dem Mobiltelefon abgespeichert sind1. Das BVerfG hat dies mit der Begründung verneint, dass das Fernmeldegeheimnis nur den eigentlichen Telekommunikationsvorgang erfasst, nicht jedoch die Daten, die aufgrund eines Telekommunikationsvorgangs entstanden sind. Dass die beschlagnahmende Ermittlungsbehörde Einsicht in Verbindungsdaten nehmen könne, stelle nicht die Verwirklichung einer spezifischen Gefahr der Telekommunikation dar, sondern beruhe darauf, dass es die betroffene Richterin unterlassen habe, die Nachrichten nach deren Eingang unverzüglich zu löschen oder auf andere Weise gegen eine Einsichtnahme durch Dritte zu sichern. Inhalte und Verbindungsdaten seien mit Zugang bei dem Empfänger nicht mehr den erleichterten und unbemerkten Zugriffsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten ließen sich nicht von Daten unterscheiden, die der Nutzer selbst angelegt hat2. Auch in seiner Entscheidung zur Online-Durchsuchung hat das BVerfG die Grenzen des Fernmeldegeheimnisses für elektronische Nachrichten eng gefasst und betont, dass das Fernmeldegeheimnis nur vor der Überwachung eines „laufenden Kommunikationsvorgangs“ schützt3.
108
Um E-Mail-Daten, die sich nicht auf einem Endgerät des Nutzers befanden, ging es in der jüngsten Entscheidung des BVerfG zu E-Mails und dem Telekommunikationsgeheimnis. Das BVerfG hatte zu entscheiden, ob und inwieweit E-Mails beim Provider als Beweismittel sichergestellt und beschlagnahmt werden dürfen4. Dies war seit vielen Jahren streitig5. Überwiegend wurde gefordert, die Sicherstellung und Beschlagnahme am Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) zu messen6. Die Gegenauffassung lehnte dies ab, da es bei dem Zugriff auf E-Mails, die bei einem Pro-
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BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten. BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383, 386 – Handydaten. BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 – Online-Durchsuchung. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431 ff. Vgl. Palm/Roy, NJW 1996, 1791 ff. Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, § 100 a, Rdnr. 14; Schäfer in Löwe/ Rosenberg, StPO, § 100 a Rdnr. 58; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
vider gespeichert sind, nicht um einen Eingriff in einen „laufenden Kommunikationsvorgang“ gehe1. 110
Auf einfachgesetzlicher Ebene standen sich sogar drei Auffassungen gegenüber: Überwiegend wurde gefordert, die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails an § 100 a StPO zu messen2. Da E-Mails beim Provider durch das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) geschützt seien, müssten die gleichen Maßgaben gelten wie für die in § 100 a StPO geregelte Überwachung der Telekommunikation3. Wie das Abhören eines Telefonats sei auch die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails beim Provider nur bei schweren Straftaten zulässig4.
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Vereinzelt wurde die Auffassung vertreten, dass es sich bei einer Beschlagnahme von E-Mails um eine Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO handelt5. § 99 StPO enthält im Unterschied zu § 100 a StPO keine Beschränkung auf schwere Straftaten, engt jedoch die zu beschlagnahmenden Beweismittel erheblich ein und gestattet lediglich die Beschlagnahme von „Postsendungen“, die sich an einen Beschuldigten richten oder die von einem Beschuldigten herrühren und verfahrensrelevant sind.
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Eine weitere Auffassung lehnte die Parallele zur Postbeschlagnahme ab und verneinte auch einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis, da es bei dem Zugriff auf E-Mails, die bei einem Provider gespeichert sind, nicht um einen Eingriff in einen „laufenden Kommunikationsvorgang“ gehe6. Demzufolge sei § 100 a StPO nicht anwendbar, und es reichten für eine Sicherstellung und Beschlagnahme die allgemeinen Voraussetzungen des § 94 StPO aus7.
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Die drei verschiedenen Positionen zur Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails beim Provider sind ein deutlicher Beleg dafür, dass sich die E-Mail in einem rechtlichen Niemandsland zwischen Telekommunikation, Datensatz und elektronischer Post bewegt. Wer den tele1 Nack in Karlsruher Kommentar, StPO, § 100 a Rdnr. 22; Palm/Roy, NJW 1996, 1791, 1793 ff.; LG Ravensburg vom 9.12.2002, CR 2003, 933. 2 Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, § 100 a Rdnr. 58; Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, Rdnr. 14; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175, 175. 3 Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, § 100 a Rdnr. 58; Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, § 100 Rdnr. 14; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175, 175. 4 Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO, § 100 a Rdnr. 58; Gercke in Heidelberger Kommentar, StPO, Rdnr. 14; Zöller, GA 2000, 573; LG Hamburg vom 8.1.2008, CR 2008, 322; LG Hanau vom 23.9.1999, MMR 2000, 175, 175. 5 Bär, MMR 2008, 215, 218; Bär, MMR 2000, 176, 177. 6 Nack in Karlsruher Kommentar, StPO, § 100 a Rdnr. 22; Palm/Roy, NJW 1996, 1791, 1793 ff.; LG Ravensburg vom 9.12.2002, CR 2003, 933, 933 f. 7 Nack in Karlsruher Kommentar, StPO, § 100 a Rdnr. 22; Palm/Roy, NJW 1996, 1791, 1793 ff.; LG Ravensburg vom 9.12.2002, CR 2003, 933, 933.
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III. Telekommunikationsgeheimnis
kommunikativen Charakter der E-Mail betont, landet bei § 100 a StPO. Die Parallele zur herkömmlichen Briefpost führt zu § 99 StPO. Die Bewertung der E-Mail als (beliebigen) Datensatz bedeutet, dass über § 94 StPO hinaus keine weiteren strafprozessualen Anforderungen für die Beschlagnahme gelten. Der BGH1 hat sich in einer sehr kurzen Entscheidung für die Parallele zur Briefpost entschieden und die Auffassung vertreten, dass § 99 StPO anwendbar sei, da es bei gespeicherten E-Mails an einem „Telekommunikationsvorgang“ fehle. Berücksichtige man das heutige Kommunikationsverhalten, so seien E-Mails in jeder Hinsicht vergleichbar mit Postsendungen und Telegrammen, so dass die Beschlagnahme von E-Mails als Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO anzusehen sei.
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Das BVerfG hat die Geltung des Telekommunikationsgeheimnisses beim Provider bejaht und dies mit Schutzwürdigkeitsargumenten begründet: Da sich der E-Mail-Server des Providers dem unmittelbaren Zugriff des E-Mail-Nutzers entziehe, seien die dort gespeicherten Nachrichten Gefahren ausgesetzt, die der Gefahrensituation bei „laufender Kommunikation“ vergleichbar seien. Der Nutzer habe keine technische Möglichkeit, die Weitergabe von E-Mails durch den Provider zu verhindern. Dieser technisch bedingte Mangel an Beherrschbarkeit begründe die besondere Schutzbedürftigkeit durch das Fernmeldegeheimnis. Art. 10 Abs. 1 GG müsse daher auch für E-Mails gelten, die sich im Herrschaftsbereich des Providers befinden2. Dabei sei es ohne Belang, ob E-Mails nur zwischenoder schon endgespeichert wurden3. Selbst für endgespeicherte E-Mails gelte das Schutzbedürfnis, das Art. 10 Abs. 1 GG zugrunde liege4.
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Bei der Auslegung des § 88 TKG kann man zu einer abweichenden Beurteilung gelangen, wenn man einen anderen Maßstab ansetzt als für Art. 10 Abs. 1 GG. Das BVerfG lässt ausdrücklich offen, wie die beim Provider gespeicherten E-Mails telekommunikationsrechtlich zu bewerten sind. § 3 Nr. 22 TKG definiere Telekommunikation zwar als technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangen von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen und beziehe sich somit nicht ausdrücklich auch auf „statische Zustände“. Der Begriff des Fernmeldegeheimnisses gemäß Art. 10 GG sei indes autonom – losgelöst vom TKG – auszulegen5. Wie E-Mails beim Provider nach dem TKG zu bewerten sind, ist durch die neue Entscheidung des BVerfG somit nicht entschieden.
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Recht überraschend möchte das BVerfG keine Parallele zum Abhören ziehen. Die Beschlagnahme beim Provider sei zwar ein Eingriff in Art. 10
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BGH vom 31.3.2009, CR 2009, 446. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2432. A.A. Stöhring, CR 2009, 475 ff. Vgl. Härting, CR 2009, 581, 582 f. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2432; vgl. Behling, BB 2010, 892, 894.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
Abs. 1 GG. Dieser Eingriff sei jedoch in seiner Intensität nicht mit dem Abhören vergleichbar. Für die Beschlagnahme von E-Mails auf dem Providerserver bedürfe es daher nicht – wie in § 100 a StPO – einer Beschränkung auf schwere Straftaten. Es reiche für eine Beschlagnahme von E-Mails vielmehr aus, dass die Voraussetzungen des § 94 StPO gegeben sind. 118
Letztlich ordnet das BVerfG die E-Mail beim Provider zwar der Telekommunikation zu. Bei den Eingriffsvoraussetzungen wird die Mail dann jedoch wie jeder beliebige andere Datensatz behandelt, für deren Sicherstellung und Beschlagnahme die niedrigschwelligen Anforderungen des § 94 StPO ausreichen.
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BGH und BVerfG sind sich letztlich in einem Punkt einig: Die Beschlagnahme von Mails, die beim Provider gespeichert sind, stellt keinen Eingriff in einen „laufenden Kommunikationsvorgang“ dar. Nichts desto trotz behandelt das BVerfG die Beschlagnahme aufgrund von Schutzerwägungen wie einen solchen Eingriff. Dieser argumentative Spagat war unvermeidlich, um von den Entscheidungen zu „Handydaten“1 und zur Online-Durchsuchung2 nicht abrücken zu müssen.
120
Das BVerfG setzt eine Linie fort, die beispielsweise auch bei der Entscheidung zur Online-Durchsuchung 3 deutlich zutage getreten ist4: Einerseits werden durch feinsinnige, ausdifferenzierte Schutzbereichserwägungen „filigrane“5 Grundrechtsabgrenzungen getroffen. Andererseits werden moderate Anforderungen an Eingriffsnormen aufgestellt, die dem Gesetzgeber weitgehende Eingriffsbefugnisse belassen. Als einzige materielle Schranke bleibt – grundrechtsübergreifend – der auch in der neuen Entscheidung der BVerfG betonte „Kernbereich privater Lebensführung“6. Doch auch Intimitäten sind nur insoweit grundrechtsfest, als Ermittlungsbehörden, die von solchen Intimitäten Kenntnis erlangen, angefallene Daten unverzüglich löschen bzw. vernichten müssen7. Liest man die Entscheidungen des BVerfG zum „Großen Lauschangriff“8, zur OnlineDurchsuchung9 und zur Beschlagnahme von E-Mails beim Provider10, so fragt man sich, weshalb es überhaupt noch darauf ankommen soll, welches Grundrecht betroffen ist, wenn doch die Eingriffsvoraussetzungen –
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30
BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten. BVerfG vom 27.2.2008, CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung. BVerfG vom 27.2.2008, CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung. Vgl. Bartsch, CR 2008, 613, 617; Kutscha, NJW 2008, 1042, 1044; Sachs/Krings, JuS 2008, 481, 486. Gurlit, RDV 2006, 43, 49. Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2436 f. Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2436 f. BVerfG vom 3.3.2004, CR 2004, 343. BVerfG vom 27.2.2008, CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431.
III. Telekommunikationsgeheimnis
im Wesentlichen die Verhältnismäßigkeit und der absolute Schutz des „Kernbereichs persönlicher Lebensgestaltung“ – jeweils identisch sind. 2. E-Mails und Internet am Arbeitsplatz
Der Datenschutz am Arbeitsplatz ist gesetzlich nach wie vor nur rudimentär geregelt. Seit kurzem gilt zwar die Sondernorm des § 32 BDSG. Dort fehlen jedoch spezifische Regelungen zur Nutzung von E-Mail-Accounts und Internet durch Arbeitnehmer.
121
a) Datenschutz
§ 32 BDSG wurde mit Wirkung zum 1.9.2009 neu eingeführt1 und schafft keine völlig neue Rechtslage für den Arbeitnehmerdatenschutz. Neu ist lediglich die ausdrückliche Regelung des Umgangs mit Daten aus einem Beschäftigungsverhältnis2. Die Vorschrift ist unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte (als Reaktion auf Datenskandale) und der Grundnorm des § 28 BDSG auszulegen3.
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Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten verarbeitet werden, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dürfen Arbeitnehmerdaten zur Aufdeckung von Straftaten nur verwendet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht der Begehung einer Straftat begründen4. Des Weiteren dürfen bei der Aufdeckung von Straftaten schutzwürdige Interessen des Beschäftigten nicht überwiegen, insbesondere dürfen die Art und das Ausmaß der Datenverarbeitung im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sein.
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E-Mails enthalten im Normalfall jedenfalls die Namen der Kommunikationsteilnehmer und somit personenbezogene Daten5. Dasselbe gilt für alle „Datenspuren“ die beim Surfen im Netz entstehen. Auf E-Mails und Daten über die Internetnutzung ist daher § 32 BDSG anwendbar. Aus den Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ergibt sich daher beispielsweise, dass die Durchsicht von E-Mails der Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten allenfalls in Ausnahmefällen erlaubt ist, selbst wenn die private E-Mail-Nutzung ausdrücklich untersagt ist6.
124
Ob und inwieweit § 28 Abs. 1 BDSG neben § 32 BDSG anwendbar bleibt und eine Datenverarbeitung legitimieren kann, die die Voraussetzungen
125
1 BT-Drucks. 16/13657, S. 34 ff. 2 Bierekoven, CR 2010, 203, 203; Hoppe/Braun, MMR 2010, 80, 80 f.; Salvenmoser/Hauschka, NJW 2010, 331, 333; Schmidt, DuD 2010, 207, 208. 3 Schmidt, DuD 2010, 207 ff.; Thüsing, NZA 2009, 865, 866 f. 4 Vgl. Bierekoven, CR 2010, 203, 205. 5 Vgl. Behling, BB 2010, 892, 895; Wolf/Mulert, BB 2008, 442, 446. 6 Vgl. Wybitul, BB 2009, 1582, 1584.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
des § 32 BDSG nicht erfüllt, ist streitig1. Streitig ist auch, ob eine verdachtsunabhängige Aufklärung von Straftaten zulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG erfüllt sind, da der Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG eine gegenteilige Auslegung nahe legt. Gegen ein Verbot der Datenverarbeitung zur Aufklärung von Straftaten ohne konkreten Verdacht spricht, dass die Grenzen zwischen einer präventiven und einer repressiven Datenkontrolle fließend sind2. b) E-Mails
126
Welche Personen in einem Unternehmen dürfen Einblick in E-Mails nehmen, die nicht an sie gerichtet sind? Sind Arbeitgeber und Dienstherren zu besonderen Vorkehrungen dagegen verpflichtet, dass unbefugte Dritte in E-Mails Einblick nehmen? Auf all diese Fragen gibt es bislang keine befriedigenden Antworten.
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Zur Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses ist nach § 88 Abs. 2 TKG jeder „Diensteanbieter“ verpflichtet. Nach § 3 Nr. 6 TKG ist „Diensteanbieter“ jedes Unternehmen, das geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt. Fraglich ist daher, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern „geschäftsmäßig“ als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen gegenüber tritt.
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Ein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten liegt gemäß § 3 Nr. 10 TKG vor, wenn Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht nachhaltig angeboten wird. Hierbei kommt es weder auf ein gewerbliches Handeln noch auf ein Erbringen von Telekommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit an. Der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses wird schon durch jedes auf Dauer angelegtes Angebot von Telekommunikationsdiensten eröffnet3.
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Die Geltung des Telekommunikationsgeheimnisses am Arbeitsplatz steht und fällt mit der Privatnutzung von E-Mails. Solange E-Mail-Accounts ausschließlich zu dienstlichen Zwecken genutzt werden, handelt es sich um „eigene“ Zwecke des Arbeitgebers und somit nicht um die Nutzung von Telekommunikationsdiensten durch „Dritte“4. Sobald das Unternehmen seinen Mitarbeitern gestattet, E-Mail-Accounts (auch) zu privaten Zwecken zu nutzen, werden die Mitarbeiter schon nach den Gesetzesmaterialien zum TKG zu „Dritten“ mit der Folge, dass das Fernmeldegeheimnis zu beachten ist5. 1 Vgl. Bierekoven, CR 2010, 203, 205 f.; Heinson/Yannikos/Franke/Winter/Schneider, DuD 2010, 75, 78; Schmidt, DuD 2010, 207, 208 f.; Thüsing, NZA 2009, 865, 869; Zikesch/Reimer, DuD 2010, 96, 97 f. 2 Vgl. Schmidt, DuD 2010, 207, 210 ff. 3 BT-Drucks. 13/3609, S. 53. 4 Vgl. Elschner in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Kap. 22.1 Rdnr. 76 ff. 5 BT-Drucks. 13/3609, S. 53.
32
III. Telekommunikationsgeheimnis
Die uneingeschränkte Anwendung des § 88 TKG auf die betriebsinterne private Nutzung von E-Mails wird gelegentlich kritisiert1. Gegen die Einstufung eines Arbeitgebers als Anbieter von Telekommunikationsdiensten spreche der Zweck des TKG, der darin liege, durch eine technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und auf diese Weise flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten (§ 1 TKG)2. Es sei nicht ersichtlich, wie ein Arbeitgeber, der Mitarbeitern E-Mail-Accounts zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt, im Telekommunikationsmarkt in einen Wettbewerb zu anderen Anbietern treten könne. Die Einbeziehung des Arbeitgebers in den Adressatenkreis des § 88 TKG sei - gerade im Hinblick auf die strafrechtlichen Konsequenzen des § 206 StGB - nicht ausreichend bedacht worden3.
130
Ungeachtet dieser Einwände entspricht es sowohl dem gesetzgeberischen Willen als auch der überwiegend vertretenen Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 10 TKG erfüllt sind, wenn das Unternehmen seinen Beschäftigten die private Nutzung von E-Mail-Accounts erlaubt4. Der Arbeitgeber ist bei erlaubter Privatnutzung von E-Mails als „geschäftsmäßiger“ Betreiber von Telekommunikationsanlagen anzusehen und unterliegt dem Telekommunikationsgeheimnis 5. Dies wiederum bedeutet, dass das Einverständnis sowohl des Arbeitnehmers als auch des jeweiligen Kommunikationspartners erforderlich ist, wenn Dritte private E-Mails mitlesen können6.
131
aa) Privatnutzung
Ein Anspruch auf eine private Nutzung von E-Mails durch die Beschäftigten besteht nicht. Darüber hinaus ist § 88 TKG keine Verpflichtung des Arbeitgebers zu entnehmen, die E-Mail-Verwaltung so einzurichten, dass private E-Mails ohne Zugriffsmöglichkeiten Dritter versandt und empfangen werden können. Dies ergibt sich daraus, dass § 88 TKG in Unternehmen nicht per se anwendbar ist, sondern nur dann, wenn der Arbeit1 Barton, CR 2003, 839, 843; Gundermann, K&R 1998, 48, 51; Schimmelpfennig/ Wenning, DB 2006, 2290, 2292 f.; Wuermeling/Felixberger, CR 1997, 230, 231 ff. 2 Vgl. Barton, CR 2003, 839, 843; Schimmelpfennig/Wenning, DB 2006, 2290, 2292 f. 3 Vgl. Barton, CR 2003, 843. 4 Vgl. Elschner in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Kap. 22.1 Rdnr. 81; Heidrich/Tschoepe, MMR 2004, 75, 76; Rath/Karner, K&R 2007, 446, 450 f.; Schuster, ZIS 2010, 68, 70 f.; Weißnicht, MMR 2003, 448, 449; Wolf/Mulert, BB 2008, 442, 446; OLG Karlsruhe vom 10.1.2005, CR 2005, 288. 5 Altenburg/Reinersdorf/Leister, MMR 2005, 135, 136 f.; Lejeune, CR 2005, 290 f.; Nägele/Meyer, K&R 2004, 312, 312 ff. 6 Vgl. BVerfG vom 25.3.1992, CR 1992, 431; Klesczewski in Berliner Kommentar, TKG, § 88 Rdnr. 33; Balsmeier/Weißnicht, K&R 2005, 537, 540; Hannebeck/ Neunhoeffer, K&R 2006,112, 113 f.; Schimmelpfennig/Wenning, DB 2006, 2290, 2292.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
geber die private E-Mail-Kommunikation gestattet. Hängt die Anwendbarkeit des § 88 TKG jedoch von einer solchen (einseitigen) Erlaubnis ab, kann es dem Arbeitgeber nicht verwehrt sein, die Modalitäten der E-Mail-Verwaltung einseitig festzulegen und damit den Rahmen für die Gestattung der Privatnutzung auszugestalten1. 133
Wenn ein Mitarbeiter weiß, dass er private E-Mails versendet und empfängt, die von Dritten mitgelesen werden können, so nutzt er bewusst ein Kommunikationsmittel ohne Geheimnisschutz. Würde er einwenden, mit der Offenheit der E-Mail-Verwaltung nicht einverstanden zu sein, wäre dies als unbeachtliche protestatio facto contraria zu werten. Wer im Zug sein Mobiltelefon benutzt, gibt den Geheimnisschutz ebenso freiwillig auf wie der Arbeitnehmer, der offen private E-Mails versendet und empfängt. Wer als Arbeitnehmer ein offenes Postfach für private E-Mails nutzt, erklärt sich mit dem Mitlesen durch Dritte (konkludent) einverstanden2.
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Das Fernmeldegeheimnis erfordert bei (gestatteten) Privatmails, die Dritte mitlesen können, nicht nur das Einverständnis des Arbeitnehmers, sondern auch das Einverständnis des Kommunikationspartners. Auch für dieses Einverständnis gibt es keine Formerfordernisse. Insbesondere ist ein konkludentes Einverständnis ausreichend.
135
Der Versender einer E-Mail kann nicht auf Geheimnisschutz vertrauen, wenn er eine E-Mail mit privatem Inhalt an eine betriebliche E-MailAdresse richtet (z.B. [email protected]). Der Versender wird nicht immer wissen, ob der private E-Mail-Verkehr in dem konkreten Betrieb überhaupt gestattet ist. Zudem entzieht es sich regelmäßig seiner Kenntnis, wie die E-Mail-Verwaltung erfolgt, ob in Form eines zentralen Posteingangs oder durch separate Mail-Accounts. Schließlich ist es bei betrieblichen E-Mail-Adressen keineswegs unüblich, dass „Mitlesemöglichkeiten“ durch den Vorgesetzten und andere Mitarbeiter bestehen. Wer über eine betriebliche E-Mail-Adresse kommuniziert, nimmt das Mitlesen in Kauf und erklärt sich hiermit (konkludent) einverstanden, sodass er kein schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit seiner E-Mail besitzt3.
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Der Schutz von E-Mail-Zugriffsrechten in einem Unternehmen, das den privaten E-Mail-Verkehr gestattet, ist von Relevanz, wenn den Mitarbeitern eigene, gegen den Zugriff Dritter gesicherte Mail-Accounts zugewiesen werden. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer von der Vertraulichkeit des privaten E-Mail-Verkehrs ausgehen. Dies schließt es aus, bei der Privatnutzung von einem konkludenten Einverständnis mit dem Mitlesen durch Dritte auszugehen4. 1 2 3 4
Vgl. Däubler, K&R 2000, 323, 325. Vgl. Ernst, NZA 2002, 585, 589. Vgl. Balsmeier/Weißnicht, K&R 2005, 541; Jofer/Wegerich, K&R 2002, 235, 237. Vgl. Ernst, NZA 2002, 589.
34
III. Telekommunikationsgeheimnis
Das Fernmeldegeheimnis schützt den Empfänger einer E-Mail dagegen, dass die Mail im Bereich des Empfängerbetriebs „abgefangen“ wird, bevor der Empfänger sie zur Kenntnis nehmen kann. Wird daher die an [email protected] gerichtete E-Mail durch eine entsprechende Einstellung des E-Mail-Programms in einen Account weitergeleitet, zu dem Dritte Zugriff haben, so ist das Fernmeldegeheimnis in dem Augenblick verletzt, in dem Dritte oder der Arbeitgeber die E-Mail lesen.
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Fraglich ist, ob sich der Arbeitnehmer dagegen wehren kann, wenn das Passwort seines Mail-Accounts „geknackt“ wird, weil er krankheitsbedingt abwesend ist und der Vorgesetzte meint, Einblick in das geschützte Postfach nehmen zu müssen. Ebenso stellt sich die Frage, welche Zugriffsrechte der Arbeitgeber nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters aus dem Unternehmen hat, wenn der Mail-Account noch besteht.
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Ist die E-Mail einmal in dem Account des Arbeitnehmers eingegangen, so stellt sie einen Datensatz dar, der sich substantiell nicht von anderen Daten unterscheidet, die auf dem Empfängerserver gespeichert sind. Es fehlt an einem „laufenden Telekommunikationsvorgang“ mit der Folge, dass sich die Maßstäbe des BVerfG aus den Fällen „Handydaten“1 und „Online-Durchsuchung“2 anlegen lassen, nach denen ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis zu verneinen ist3.
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Je nach der Art der E-Mail-Verwaltung im Unternehmen sind Sachverhalte denkbar, die Parallelen zu der Beschlagnahme beim Provider4 aufweisen. So ist es üblich, dass auf einem zentralen Server eine Zwischenspeicherung von Mails erfolgt. Nach den Maßgaben des BVerfG stellt der Zugriff auf Mails, die auf einem zentralen Server zwischengespeichert sind, einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis dar. Letztlich richtet sich damit die Rechtsnatur der E-Mail nach dem Zugriffsort: Die beim Provider (oder beim Arbeitgeber auf einem zentralen E-Mail-Server) zwischen- oder endgespeicherten Mails unterliegen dem Fernmeldegeheimnis; dieselben E-Mails, die sich auf dem Endgerät des Arbeitnehmers befinden, stammen aus einem abgeschlossenen Kommunikationsvorgang und unterfallen daher dem Telekommunikationsgeheimnis nicht mehr. Eine solche Differenzierung mag auf verfassungsrechtlicher Ebene geboten sein. Bei der Auslegung des Telekommunikationsrechts scheint es jedoch angezeigt, im Interesse praktikabler Regelungen § 3 Nr. 22 TKG beim Wort zu nehmen und § 88 TKG nicht anzuwenden, wenn sich eine Mail – sei es auch auf dem zentralen Server des Unternehmens – in einem „statischen Zustand“ befindet5.
140
1 2 3 4 5
BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten. BVerfG vom 27.2.2008, NJW 2008, 822 – Online-Durchsuchung. Siehe Rz. 108. Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431. Vgl. BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431, 2432; Behling, BB 2010, 892, 894; siehe Rdnr. 116.
35
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
bb) Ausspähen von Daten
141
Wenn die an [email protected] gerichtete Mail im Account des Empfängers eintrifft und dort aber von Dritten unter Umgehung des Passworts des Empfängers gelesen wird, fehlt es demnach an einem Eingriff in einen „laufenden Telekommunikationsvorgang“. Wenn man aus diesem Grund eine Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses verneint, stellt dies den Betroffenen keineswegs schutzlos. Strafrechtlich findet statt § 206 Abs. 2 StGB der Tatbestand des § 202 a StGB (Ausspähen von Daten) Anwendung.
142
Eine Strafbarkeit nach § 202 a StGB setzt voraus, dass die gespeicherte E-Mail im Postfach des Arbeitnehmers gegen den unberechtigten Zugang besonders gesichert ist. Eine besondere Sicherung ist anzunehmen, wenn diese geeignet erscheint, einen wirksamen, wenn auch nicht absoluten Schutz zu erreichen und namentlich auch das Interesse an der Geheimhaltung deutlich zu dokumentieren1. Bei durch passwortgeschützten E-Mail-Postfächern ist dies zu bejahen2.
143
Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen eine „Befugnis“ des Arbeitgebers sowie des Systemadministrators eine Strafbarkeit ausschließen kann. Der Systemadministrator hat kraft seiner Aufgaben Zugriff auf den Arbeitnehmer-Account. Die Einrichtung eines passwortgeschützten E-Mail-Postfachs durch den Arbeitgeber erfolgt zudem in der Regel mit der Zielrichtung, die E-Mail-Kommunikation gegen den Zugriff betriebsfremder Personen sowie nicht autorisierter Mitarbeiter zu schützen und dient nicht dazu, den Arbeitgeber – über den Systemadministrator – vom Zugriff auszuschließen3. Der Systemadministrator wird sich daher vielfach auf eine „Befugnis“ zum Zugriff auf den Account berufen können.
144
Soweit es nicht um den Systemadministrator oder andere vom Arbeitgeber zum Zugriff autorisierte Personen geht, kommt es nach § 202 a StGB darauf an, ob der betroffene Arbeitnehmer – tatsächlich oder auch nur mutmaßlich – mit dem Zugriff einverstanden ist und es aus diesem Grund an einem „unbefugten“ Ausspähen fehlt4. Liegt kein – zumindest mutmaßliches – Einverständnis vor, kann eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht (rechtfertigender Notstand) kommen – wie etwa bei der drohenden Schädigung des Eigentums des Arbeitgebers durch Viren oder wenn ein Vermögensschaden abzuwenden ist, der eintreten würde, wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von bestimmten (dienstlichen) E-Mails erlangt, die sich in dem passwortgeschützten Bereich befinden.
1 Kühl, § 202 a Rdnr. 4. 2 Lenckner in Schönke/Schröder, § 202 a Rdnr. 8; Schünemann in LK-StGB, § 202 a Rdnr. 16. 3 Vgl. Barton, CR 2003, 839, 842; Jofer/Wegerich, K&R 2002, 235, 239; LAG Hamm vom 4.2.2004, DuD 2004, 633 ff. 4 Kühl, § 202 a Rdnr. 7; Schünemann in LK-StGB, § 202 a Rdnr. 11.
36
III. Telekommunikationsgeheimnis
cc) Archivierte Mails
Welche Auswirkungen die vom BVerfG vertretene Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses auf „laufende Kommunikationsvorgänge“ hat, zeigt sich an einer Entscheidung des VGH Kassel zu archivierten E-Mails1. Der VGH Kassel hat in dieser Entscheidung bestätigt, dass ein Unternehmen auf Anforderung der BaFin archivierte E-Mails herauszugeben hat und sich nicht auf das Fernmeldegeheimnis berufen kann. Zur Begründung hat der VGH Kassel im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es sich bei archivierten E-Mails nicht um Mails aus einem „laufenden Kommunikationsvorgang“ handelt.
145
Eine archivierte Mail befindet sich nicht mehr auf dem Weg vom Absender zum Empfänger. Daher ist es auch im Lichte der BVerfG-Entscheidung zur Beschlagnahme beim Provider2 richtig, dass der VGH Kassel einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis verneint hat. Das Urteil zur Beschlagnahme beim Provider ist nicht dahingehend zu verstehen, dass alle E-Mails, die nicht auf einem Endgerät des Nutzers gespeichert sind, als Mails aus einem „laufenden Kommunikationsvorgang“ gelten.
146
dd) Dienstliche Nutzung
Einigkeit besteht darüber, dass das Fernmeldegeheimnis gemäß § 88 TKG nicht gilt, wenn der Dienstherr bzw. Arbeitgeber die private E-MailKommunikation weder erlaubt noch duldet. Wenn das Fernmeldegeheimnis nicht einschlägig ist, kann der Arbeitgeber bzw. Dienstherr grundsätzlich frei entscheiden, wem es gestattet ist, E-Mails zu lesen, die an Mitarbeiter gerichtet sind bzw. von Mitarbeitern versandt werden.
147
Fraglich ist, ob sich Einschränkungen der Einsichtsrechte in dienstliche E-Mails aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG) ergeben können. Das heimliche Abhören eines dienstlichen Telefongesprächs hat das BVerfG als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gesehen, denn die Befugnis des Sprechenden, den Kreis seiner Adressaten selbst zu bestimmen, werde durch den dienstlichen Charakter des Gesprächs nicht beseitigt3.
148
Inwiefern diese für das Telefonat entwickelten Grundsätze auf die E-Mail übertragbar sind, ist fraglich. Das Telefonat ist charakterisiert durch die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes und die jederzeit mögliche Korrektur desselben. Der Telefonierende hat seinen Gesprächspartner in einem besonders hohen Maß individualisiert und vertraut darauf, nur mit ihm
149
1 VGH Kassel vom 19.5.2009, Az. 6 A 2672/08.Z. 2 BVerfG vom 16.6.2009, NJW 2009, 2431. 3 BVerfG vom 19.12.1991, DB 1992, 786 ff.
37
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
zu kommunizieren1. Die E-Mail hingegen ist aufgrund ihrer Übertragungsart verdinglicht. 150
Die richtige Parallele ist die Dienstpost und nicht das dienstliche Telefonat. Der Arbeitgeber verfügt über ein Direktionsrecht2, in dessen Rahmen es ihm freisteht anzuordnen, dass sämtlicher dienstlicher Schriftverkehr zu seiner Kenntnis gereicht wird. Nichts anderes kann für die Einsichtsnahme in die dienstlichen E-Mail-Postfächer der Arbeitnehmer gelten3.
151
Bei einer heimlichen Kontrolle dienstlicher E-Mails können sich aus § 32 BDSG4 und aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht5 Einschränkungen ergeben. c) Internet aa) Unerlaubte Privatnutzung
152
Immer wieder müssen sich Gerichte mit der Frage befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die unerlaubte private Nutzung des Internet am Arbeitsplatz einen außerordentlichen Kündigungsgrund (§ 626 BGB) darstellen kann. Das BAG legt strenge Maßstäbe an und betont, dass der Arbeitnehmer bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit grundsätzlich seine (Hauptleistungs-)Pflicht zur Arbeit verletzt. Die private Nutzung des Internet dürfe die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiege umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internet seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt6.
153
Ein außerordentliches Kündigungsrecht hat das BAG7 bei einem Arbeitnehmer bejaht, der an zumindest zwei Tagen nicht nur kurzfristig und unerheblich, sondern stundenlang seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist, indem er während der Arbeitszeit privat im Internet surfte. Die Arbeitspflichtverletzung werde nicht dadurch relativiert, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die private Nutzung des Internet – nach den Angaben des Arbeitnehmers – gestattet bzw. diese geduldet hätte. Eine Gestattung oder Duldung – ohne weitere Erklärungen – würde sich nach Ansicht des BAG allenfalls auf eine Nutzung im normalen bzw. angemessenen zeitlichen Umfang erstrecken. 1 2 3 4 5 6 7
Jofer/Wegerich, K&R 2002, 235, 237. Weißnicht, MMR 2003, 448. Vgl. Gola, MMR 1999, 322, 326. Siehe Rz. 121 ff. Siehe Rz. 167 ff. BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff.; BAG vom 27.4.2006, NJW 2006, 2939 ff. BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff.; vgl. auch BAG vom 27.4.2006, NJW 2006, 2939 ff.
38
III. Telekommunikationsgeheimnis
Nur eine „exzessive“ Nutzung des Internet während der Arbeitszeit berechtigt den Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis ohne vorherige Abmahnung zu kündigen. Hieran fehlt es, wenn dem Arbeitnehmer nur eine „minutenweise“ unerlaubte Privatnutzung nachgewiesen werden kann1.
154
Neben der Verletzung der Arbeitspflicht ist es für eine außerordentliche Kündigung auch von Gewicht, wenn eine erhebliche Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme heruntergeladen werden und hiermit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des – betrieblichen – Betriebssystems verbunden sein kann oder andererseits Daten auf das System gelangen, bei deren Rückverfolgung es zu einer Rufschädigung des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden2. Bei (nur) „erotischen“ Inhalten, die auf das Betriebssystem geladen werden, kann es an der Gefahr einer Rufschädigung fehlen3.
155
Auch die Belastung des Arbeitgebers mit Kosten kann ein Gesichtspunkt sein, der bei einer unerlaubten Privatnutzung des Internet für ein außerordentliches Kündigungsrecht des Arbeitgebers sprechen kann4.
156
Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf private Internetnutzung. Vielmehr ist der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts berechtigt, dem Arbeitnehmer das Surfen am Arbeitsplatz vollständig zu untersagen. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird dem Arbeitgeber allgemein empfohlen, klare Richtlinien für die private Internetnutzung am Arbeitsplatz aufzustellen5.
157
bb) Kontrollbefugnisse des Arbeitgebers
Ob und in welcher Weise Arbeitgeber berechtigt sind, die Nutzung des Internets durch Mitarbeiter zu kontrollieren, ist bislang weitgehend ungeklärt. Es stellt sich die Frage, welche Grenzen den Kontrollbefugnissen des Arbeitgebers durch das Telekommunikations- und Datenschutzrecht sowie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gesetzt werden.
158
Die Internetnutzung erfolgt per Telekommunikation. Auf den am Arbeitsplatz genutzten Rechnern hinterlässt das Surfen Datenspuren, auf die der Arbeitgeber zugreifen kann. Somit stellt sich sowohl die Frage nach telekommunikationsrechtlichen Schranken als auch nach datenschutzrechtlichen Vorgaben für Kontrollmaßnahmen. Darüber hinaus kann die Überwachung des Arbeitnehmers dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht berühren.
159
1 2 3 4 5
BAG vom 31.5.2007, NJW 2007, 2653 ff. BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff.; BAG vom 27.4.2006, NJW 2006, 2939 ff. BAG vom 31.5.2007, NJW 2007, 2653 ff. BAG vom 7.7.2005, NJW 2006, 530 ff. Härting, ITRB 2008, 88, 88.
39
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
(1) Telekommunikationsrecht
160
Erlaubt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nicht nur die private E-MailKommunikation, sondern auch das privat motivierte Surfen im Internet, stellt sich die Frage, ob § 88 TKG einer Überwachung des Surfverhaltens grundsätzlich entgegensteht1.
161
Gute Gründe sprechen dagegen, das Fernmeldegeheimnis gem. § 88 TKG auf das Internetsurfen zu erstrecken. In seiner Handydaten-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont, dass Verbindungsdaten, die beim Empfänger anfallen, nicht Art. 10 GG unterliegen und somit – jedenfalls grundrechtlich – nicht durch das Telekommunikationsgeheimnis geschützt sind2. Die Datenspuren, die das Surfen auf den betrieblichen Rechnern hinterlässt, sind mit den Verbindungsdaten, die auf Mobiltelefonen gespeichert werden, ohne Weiteres vergleichbar. Beim Surfen ist die Telekommunikation zudem − anders als bei der E-Mail − kein Mittel der individuellen Kommunikation, sondern ein Mittel zur Nutzung eines Tele- oder Mediendienstes. Die Übersendung von E-Mails ist daher der Internetnutzung nicht gleichzusetzen.
162
Wer das Internetsurfen − mit der Folge des Schutzes durch § 88 TKG und Art. 10 GG − bereits als Telekommunikation ansieht, lässt den Zweck des Fernmeldegeheimnisses außer Acht: Das Fernmeldegeheimnis schützt das flüchtige Wort; bei der Internetnutzung gibt es kein vergleichbares Schutzinteresse. Warum letztlich das Fernsehen per Internet beispielsweise den strengen Schutzvoraussetzungen des § 88 TKG unterliegen soll, nicht jedoch das terrestrische Fernsehen, ist in keiner Weise ersichtlich. (2) Datenschutzrecht
163
Die Spuren, die die Internetnutzung auf den betrieblichen Rechnern hinterlässt, lassen in aller Regel Rückschlüsse auf den Mitarbeiter zu, der die betreffenden Seiten besucht hat. Bei der Aufzeichnung der besuchten Internetseiten handelt es sich somit um eine Speicherung personenbezogener Daten gemäß § 3 Abs. 1 BDSG.
164
Ebenso wie es dem Arbeitgeber gestattet ist, Telefonverbindungen zum Zwecke der betriebsinternen Kontrolle zu speichern, besteht die Befugnis zur Speicherung der besuchten Internetseiten. Dies ergibt sich aus § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG bzw. (nach früherem Recht) aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG3.
1 Vgl. Rath/Karner, K&R 2007, 446, 450 f. 2 BVerfG vom 2.3.2006, CR 2006, 383 – Handydaten. 3 Vgl. Gola/Schomerus, § 13 Rdnr. 6.
40
III. Telekommunikationsgeheimnis
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten verarbeitet werden, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
165
Unabhängig von dem genauen Umfang einer Erlaubnis zur privaten Internetnutzung lässt sich die Erforderlichkeit der Datenspeicherung gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG jedenfalls daraus ableiten, dass der Arbeitgeber nur durch eine Aufzeichnung und Speicherung der Nutzungsdaten die Voraussetzungen dafür schaffen kann, dass nachvollziehbar ist, wann und von welcher Stelle aus rechtswidrige Seiten besucht wurden, sollten von behördlicher oder anderer dritter Seite Vorwürfe erhoben werden.
166
(3) Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Anders als aus dem Telekommunikationsgeheimnis und dem Datenschutzrecht lassen sich aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters Grenzen der Kontrollbefugnisse ableiten. Der Arbeitnehmer, der sich einer ständigen Überwachung seines Internetverhaltens ausgesetzt sieht, verliert die Möglichkeit, unbefangen im Internet zu recherchieren. Insoweit ist eine deutliche Parallele erkennbar zur dauerhaften Videoüberwachung, zu der der Arbeitgeber – im Normalfall – nicht berechtigt ist. Grundlage für das grundsätzliche Verbot des „gläsernen Mitarbeiters“ ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das ein ständiges routinemäßiges Ausspähen des Arbeitnehmers verbietet1.
167
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen. Durch eine solche Kontrolle wird nicht lediglich eine Aufsichtsperson ersetzt. Vielmehr wird der Arbeitnehmer, der davon ausgehen muss, dass der Arbeitgeber bei bestimmten Gelegenheiten zum Mittel der heimlichen Videoaufzeichnung greift, einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, dem er sich während seiner Tätigkeit nicht entziehen kann2.
168
Ähnlich verhält sich dies bei der Internetnutzung: Der Arbeitnehmer, der sich einer ständigen Überwachung seiner Internetnutzung ausgesetzt sieht, verliert die Möglichkeit, sich unbefangen im Internet zu bewegen, um seine beruflichen Aufgaben zu erledigen oder auch – im Falle der erlaubten Privatnutzung – privaten Interessen nachzugehen.
169
Das Persönlichkeitsrecht wird allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des
170
1 Vgl. BAG vom 27.3.2003, NJW 2003, 3436, 3437. 2 Vgl. BAG vom 27.3.2003, NJW 2003, 3436, 3437.
41
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist somit durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient1. 171
Was die Internetnutzung betrifft, erscheint es verhältnismäßig, wenn der Arbeitgeber stichprobenartige Kontrollen durchführt, um die Einhaltung von Richtlinien bei der Internetnutzung am Arbeitsplatz zu überwachen. Dies gilt insbesondere für den Fall eines generellen oder partiellen Verbots der privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz. Des Weiteren ist der Arbeitgeber zu Überprüfungen befugt, wenn der Verdacht einer Nutzung rechtswidriger Inhalte am Arbeitsplatz besteht. Eine solche Befugnis besteht zu guter Letzt auch, wenn sonstige betriebliche Interessen eine Überwachung rechtfertigen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Arbeitsabläufe im Betrieb zu optimieren sind.
172
Ohne Legitimation durch ein benennbares Interesse an den aus einer Überwachung zu gewinnenden Erkenntnissen besteht kein Kontrollrecht. Neugier oder gar Schikane sind keine gewichtigen Gründe, die eine Überwachung des Surfverhaltens als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters rechtfertigen. 3. Auskünfte über IP-Adressen
173
Über die IP-Adressen lassen sich nicht nur Straftäter im Internet ermitteln. Die IP-Adressen dienen auch den Inhabern von Urheberrechten zur Verfolgung von Verstößen gegen das UrhG auf der Grundlage der Auskunftspflicht der Access Provider, die sich aus § 101 Abs. 9 UrhG ergibt2.
174
Bis zur Einführung der gesetzlichen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung (§§ 113 a und 113 b TKG) war streitig, wie lange die Access Provider zur Speicherung von IP-Adressen berechtigt waren3. § 113 a TKG kehrte diese Fragestellung um und führte eine Verpflichtung der Access Provider zur Speicherung von IP-Adressen ein.
175
Nachdem das BVerfG die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung (§§ 113 a und 113 b TKG) für nichtig erklärt hat4, ist bei der Durchsetzung der Auskunftsansprüche ein Vakuum entstanden, da die Access Provider zur Speicherung der IP-Adressen „auf Vorrat“ nicht mehr berechtigt sind. Die Access Provider löschen daher jetzt die IP-Adressen meist innerhalb von sieben Tagen5, sodass der Auskunftsanspruch gemäß § 101 Abs. 9 UrhG vielfach ins Leere geht. Es bleibt abzuwarten, welche 1 Vgl. BAG vom 27.3.2003, NJW 2003, 3436, 3437. 2 Siehe Rz. 1073. 3 Vgl. Sankol, K&R 2008, 749, 750; LG Darmstadt vom 6.6.2007, CR 2007, 574 ff.; AG Bonn vom 5.7.2007, CR 2007, 640 ff. 4 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833 – Vorratsdatenspeicherung. 5 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 16.6.2010, Az. 13 U 105/07.
42
III. Telekommunikationsgeheimnis
neuen Regelungen der Gesetzgeber schafft, um die Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie der EU1 umzusetzen. IP-Adressen unterliegen laut dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung dem Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG. Die IP-Adressen, die beim Access Provider gespeichert sind, geben Auskunft darüber, ob, wann, wo und wie oft zwischen welchen Telekommunikationseinrichtungen Verbindungen aufgenommen oder aufzunehmen versucht wurden. Zwar ermögliche der Internetzugang nicht nur die Aufnahme von Individualkommunikation, die dem Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses unterfällt, sondern auch die Teilnahme an Massenkommunikation. Da jedoch eine Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation ohne eine der Schutzfunktion des Grundrechts zuwiderlaufende Anknüpfung an den Inhalt der jeweils übermittelten Information nicht möglich sei, sei bereits in der Speicherung der den Internetzugang als solchen betreffenden Daten ein Eingriff zu sehen, auch wenn sie Angaben über die aufgerufenen Internetseiten nicht enthalten2.
176
Das BVerfG hat auch darin einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis gesehen, dass IP-Adressen verwendet werden, um Auskünfte zu erlangen über die Bestands- und Kundendaten (§ 113 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 95 und 111 TKG) von den Personen, die die IP-Adresse genutzt haben. In der entsprechenden Verwendung der IP-Adressen liege eine Nutzung von Daten, die durch einen Eingriff in Art. 10 GG gewonnen wurden. Jede Folgeverwendung von Daten, die einmal in Form eines Eingriffs in Art. 10 GG erhoben worden seien, müssten stets an diesem Grundrecht gemessen werden3.
177
Bei der Ausgestaltung von Auskunftsrechten und -pflichten hat das BVerfG dem Gesetzgeber viel Freiraum gelassen, da in der Identifizierung des Nutzers einer IP-Adresse nur eine „mittelbare Verwendung“ von Daten liege, die durch Art. 10 GG geschützt sind. Die Aussagekraft dieser Daten (IP-Adressen) sei eng begrenzt, da ihre Verwendung allein zu der Auskunft führe, welcher Anschlussinhaber unter einer bereits bekannten IP-Adresse im Internet angemeldet war. Eine solche Auskunft habe ihrer formalen Struktur nach eine gewisse Ähnlichkeit mit der Abfrage des Inhabers einer Telefonnummer. Ihr Erkenntniswert bleibe punktuell4.
178
1 Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, ABl. EU Nr. L 105 S. 54. 2 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 836 – Vorratsdatenspeicherung. 3 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 836 – Vorratsdatenspeicherung. 4 BVerfG vom 2.3.2010, NJW 2010, 833, 845 – Vorratsdatenspeicherung.
43
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 179
Das Internet im Zeitalter von Web 2.0: Immer leichter wird es, Inhalte im Netz zu verbreiten. Ob Musik, Fotos, Videos oder auch Texte: Immer mehr Content birgt in verstärktem Maße die Gefahr der Verletzung von Rechten Dritter. Dies gilt nicht nur für das Urheberrecht, sondern auch für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das Persönlichkeitsrecht kann durch Schmähungen in Social Networks und Internetforen in Gefahr geraten oder auch durch die Veröffentlichung von Briefen und Mails, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Rechtsverletzungen finden im Internet ebenso statt wie in der realen Welt. Die Anonymität des Netzes kann leicht dazu verleiten, Persönlichkeitsrechte zu missachten
180
So ist es verständlich, dass die jeweils Betroffenen versucht haben, sich dagegen zu wehren, dass sie im Internet als „Neger-Kalle“1 oder als „Hassprediger“2 bezeichnet wurden. Ähnliches gilt für den dunkelhäutigen Fußball-Nationalspieler, dessen Trikotnummer auf der Homepage einer rechten Partei mit dem Schriftzug „Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft“ abgebildet war3, und für den Chefredakteur einer Zeitung aus dem rechten Spektrum, der im Internet als „Vordenker und Rädelsführer der rechten Szene“ und als „Drahtzieher im Hintergrund“ bezeichnet wurde, der seinen Anhängern „als Deckmantel für Gewalt eine krude politische Ideologie liefert“4.
181
Der immer größer werdende Meinungsmarkt im Internet birgt Chancen und Risiken. Dabei steht der Schutz von Persönlichkeitsrechten den Vorzügen gegenüber, die ein freier Meinungsmarkt für den demokratischen, globalen Informationsaustausch eröffnet5.
182
Ob Bewertungsportale, Online-Archive6 oder auch Google Street View7: Keine Diskussion über Persönlichkeitsrechte und Datenschutz im Internet kommt an einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit vorbei8. Hugo Chavez, Präsident von Venezuela, ist nur ein Beispiel für einen Regenten, der regierungskritische Netzinhalte mit Kontroll- und Zensurmaßnahmen bekämpfen möchte9. Beispiele aus China, Vietnam, dem Iran und zahlreichen anderen autoritär regierten
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. LG Hamburg vom 25.5.2007, Az. 324 O 468/06. Vgl. OLG Brandenburg vom 23.4.2007, NJW-RR 2007, 1641 ff. Vgl. LG Berlin vom 18.5.2006, AfP 2006, 386 ff. Vgl. OLG Braunschweig vom 18.9.2000, 2 W 211/00, MMR 2001, 163 ff. Vgl. Ballhausen/Roggenkamp, K&R 2008, 403 ff.; Greve/Schärdel, MMR 2008, 644 ff.; Plog, CR 2007, 668 ff. Vgl. BGH vom 15.12.2009, Az. VI ZR 228/08 – dradio.de. Vgl. Jahn/Striezel, K&R 2009, 753 ff. Vgl. Härting, CR 2009, 21 ff. heise.de/newsticker/meldung/Chavez-fordert-Kontrolle-fuer-Internetinhalte-954521.html.
44
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Staaten zeigen, wie wichtig das Internet für den freien Meinungsaustausch und die Förderung von Aufklärung und Demokratie sein kann1. Der freie Informationsfluss ist zwangsläufig mit Gefährdungen für Persönlichkeitsrechte verbunden. Wer frei seine Meinung über einen Lehrer äußert2, hat dadurch auch die Möglichkeit der Beleidigung und Herabwürdigung. Wer einen Ebay-Verkäufer beurteilen darf, hat die Gelegenheit zur Fehlinformation interessierter Leser3. Und wer Fotos ins Internet einstellen darf, kann peinliche Partybilder von Personen veröffentlichen mit potenziell unangenehmen Folgen für die Betroffenen4.
183
Nicht jeder Lehrer und Professor ist ein guter Didakt. Wenn Schüler und Studenten ihre Lehrer und Professoren beurteilen, kann dies das (selbst)kritische Bewusstsein der Lehrenden fördern und zu einer Verbesserung des Unterrichts an Schulen und Hochschulen beitragen. Für Bewertungsportale wie spickmich.de und meinprof.de gilt unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und Informationsvielfalt nichts anderes als beispielsweise für Ebay-Bewertungen5.
184
Das Bewertungssystem bei Ebay trägt dazu bei, dem Käufer Sicherheit zu geben bei der Auswahl eines zuverlässigen Vertragspartners. Zugleich motiviert das Bewertungssystem Verkäufer zu einem Service, der den Kunden zufrieden stellt. Nichts anderes gilt für die Bewertung der Leistungen von Professoren: Dem Studenten eröffnet eine solche Bewertung die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen zu besuchen, die sich durch eine besonders hohe Qualität des Dozenten auszeichnen. Zugleich kann eine Bewertung dazu beitragen, dass sich Hochschullehrer verstärkt darum bemühen, ihren Studenten ertragreiche Lehrveranstaltungen zu bieten. Misst man somit die Bewertung allein an den Kriterien der Informationsvielfalt und des Stellenwertes eines freien Informationsaustausches für einen transparenten Leistungsvergleich, so leisten Portale wie meinprof.de und spickmich.de wertvolle Beiträge für die gesellschaftlichen Bereiche, für die sie geschaffen worden sind.
185
Bei allen Vorzügen eines freien Meinungsmarktes gilt für ihn dasselbe wie für den Finanzmarkt: Der „Faktor Mensch“ schafft Unsicherheit und kann die Funktionstüchtigkeit beeinträchtigen. Denn es liegt in dem Wesen einer Meinungsäußerung, dass sie nicht immer fair, gerecht und sachlich-objektiv ausfällt. Und so kann es bei den Bewertungsportalen für Lehrer und Professoren nicht überraschen, dass sich die Lehrenden
186
1 heise.de/newsticker/meldung/Welttag-gegen-Internetzensur-Der-Kampf-um-Online-Kontrolle-953175.html. 2 Vgl. BGH vom 23.6.2009, BGHZ 181, 328 ff. – spickmich.de. 3 Vgl. Dörre/Kochmann, ZUM 2007, 30 ff. 4 Vgl. AG Ingolstadt vom 3.2.2009, Az. 10 C 2700/08. 5 Vgl. Hoeren, CR 2005, 498 ff.; LG Hannover vom 13.5.2009, MMR 2009, 870; LG Köln vom 10.6.2009, ITRB 2009, 250 (Engels); AG Brühl vom 11.2.2008, ITRB 2008, 201 f. (Schwartmann).
45
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
durch ihre Schüler und Studenten gelegentlich ungerecht beurteilt fühlen. Wird ein – vermeintlich oder tatsächlich – tüchtiger Lehrer in einem Bewertungsportal mit „4,3“1 beurteilt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit das Persönlichkeitsrecht den Lehrer vor der Verbreitung einer solchen (rufschädigenden) Bewertung schützt. 187
Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit vor Störungen durch das Eindringen der Öffentlichkeit gilt nicht unbeschränkt. Es findet seine Grenzen, wenn die Interessen der Öffentlichkeit oder andere schutzwürdige Interessen überwiegen. Um die Schutzbedürftigkeit des Persönlichkeitsrechts im konkreten Fall ermitteln zu können, wurden in der Rechtsprechung und Literatur bestimmte Lebensbereiche herausgearbeitet, in welchen sich die Persönlichkeit unterschiedlich stark verwirklicht. Anerkannt sind die Intimsphäre, die Privatsphäre und die Sozial- bzw. Individualsphäre2. Der Schutz dieser Sphären wird abgestuft gewährt. Vorgänge aus dem Intimbereich verdienen den stärksten Schutz vor Indiskretion, wohingegen der Schutz für Vorgänge aus dem Sozialbereich schwach ausfällt3.
188
Mit der Einordnung in eine bestimmte Persönlichkeitssphäre ist keine Vorentscheidung über die Rechtswidrigkeit des Eingriffs verbunden; die „Sphärentheorie“ wird aus diesem Grund zu Recht kritisiert4. Die Eingriffsintensität bedarf stets einer Abwägung mit dem Gewicht des Interesses, das mit der Veröffentlichung verfolgt wird. Je gewichtiger dieses Interesse ist, desto schwächer wird der Persönlichkeitsschutz. Insbesondere die Pressefreiheit kann erhebliche Eingriffe in den Persönlichkeitsschutz legitimieren5.
189
Die Intimsphäre umfasst den Bereich menschlichen Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll6. Der Schutz der Intimsphäre umfasst insbesondere das Recht, Aufzeichnungen geheim zu halten, von denen niemand oder nur eine Person, auf deren Verschwiegenheit man vertrauen könne, Kenntnis nehmen soll7. Eine ungenehmigte Veröffentlichung privater Briefe stellt daher zumeist einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar8. Allerdings 1 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672 ff. 2 BVerfG vom 15.1.1970, NJW 1970, 122 – Scheidungsakten; BVerfG vom 8.3.1972, NJW 1972, 1123 – Ärztekartei; BVerfG vom 3.6.1980, NJW 1980, 2070 – Eppler-Zitat; BVerfG vom 15.12.1999, NJW 2000, 1021 – Caroline von Monaco II; vgl. auch Sprau in Palandt, § 823 Rdnr. 87 – unterscheidet nur zwischen Individual-, Privat- und Intimsphäre. 3 Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rdnr. 39. 4 Ehmann in Erman, Anh § 12 Rdnr. 7. 5 BVerfG vom 3.6.1980, NJW 1980, 2070 – Eppler-Zitat. 6 Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rdnr. 40. 7 BVerfG vom 15.1.1970, NJW 1970, 122 – Scheidungsakten. 8 BGH vom 25.5.1954, BGHZ 13, 334 – Leserbrief; BGH vom 2.4.1957, NJW 1957, 1146 – Krankenpapiere.
46
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
hängt die Zulässigkeit der Veröffentlichung maßgeblich davon ab, ob sich aus dem Inhalt ein erkennbares persönliches Geheimhaltungsinteresse ergibt1. Der schlichte Geburtstagsgruß ist anders zu bewerten als der von Intimitäten durchzogene Liebesbrief. 1. Meinungsäußerungen
Bei einer Äußerung ist zunächst zu prüfen, ob Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. Dies hängt davon ab, ob die Äußerung – jedenfalls im Kern – dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist2. Bei Tatsachenbehauptungen gilt die Wahrheitspflicht.
190
Für die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen kann sich der Äußernde nie auf Art. 5 GG berufen3. Werden daher im Internet falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt, kann der Betroffene hiergegen zivilrechtlich vorgehen. Die Rechte des Betroffenen beschränken sich dabei nicht auf Ansprüche gegen den Äußernden. Nach der Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung kann vielmehr auch der Betreiber einer Plattform auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn – beispielsweise in einem Diskussionsforum – wahrheitswidrige Tatsachen verbreitet werden4.
191
Die Verbreitung von wahren Tatsachen ist im Normalfall durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG legitimiert5. Eine Ausnahme gilt allerdings für den Fall, dass Tatsachen aus der Privat- oder Intimsphäre verbreitet werden, für die kein hinreichendes öffentliches Informationsinteresse besteht6. Eine wahre Darstellung kann zudem das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen7.
192
1 Nipperdey, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Ufita 30, 15 m.w.N.; vgl. auch OLG Hamburg vom 23.2.2010, MMR 2010, 494, 494. 2 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rdnr. 62 f.; Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rdnr. 9. 3 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rdnr. 63; Bethge in Sachs, Art. 5 Rdnr. 28. 4 Vgl. BGH vom 27.3.2007, NJW 2007, 2558 ff.; siehe Rz. 1732. 5 Bethge in Sachs, Art. 5 Rdnr. 27. 6 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rdnr. 61 f.; Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rdnr. 84. 7 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff.
47
A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
193
Der „Hassprediger“1 und der „Vordenker der rechten Szene“2 sind Beispiele für Werturteile, die keinem Wahrheitsbeweis zugänglich sind. Bei Werturteilen hat Art. 5 Abs. 1 GG ein besonders hohes Gewicht. Es gilt zwar das Verbot der herabsetzenden Schmähkritik3. Solange aber die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten wird, kann ein Werturteil nur untersagt werden, wenn ein besonders schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (etwa in die Intimsphäre) vorliegt und kein legitimierendes Informationsinteresse feststellbar ist4.
194
Im Hinblick auf Art. 5 GG macht selbst eine überzogene, unmäßige oder ausfällige Kritik eine Äußerung noch nicht zur unzulässigen Schmähung. Vielmehr ist der Begriff der Schmähkritik wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng auszulegen. Eine unzulässige Schmähung liegt erst dann vor, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der betroffenen Person im Vordergrund steht, wenn sich also die Äußerung jenseits polemischer oder überspitzter Kritik in der Herabsetzung der angegriffenen Person erschöpft. Schmähkritik kann daher bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und ist im Wesentlichen auf die „Privatfehde“ beschränkt5.
195
Die als „Hassprediger“ und als „Vordenker der rechten Szene“ im Internet angeprangerten Personen mussten sich von den angerufenen Gerichten entgegenhalten lassen, dass es sich jeweils um Werturteile handelte, die durch ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit legitimiert waren6. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Hürden für Verbote und Beschränkungen von Meinungsäußerungen im Internet hoch sind, solange man (lediglich) die Maßstäbe anlegt, die für OfflinePublikationen gelten. In einem freiheitlichen Rechtsstaat, zu dessen Grundlagen die Meinungs- und Informationsfreiheit gehören, kann dies nicht überraschen.
196
Wenn Schüler und Studenten die Leistungen von Lehrern und Professoren beurteilen, geht es um Werturteile und nicht um Tatsachenbehauptungen7. Ob ein Lehrer „gut vorbereitet“ ist, lässt sich ebenso wenig anhand der Kriterien von „wahr“ und „unwahr“ beurteilen wie die Schul1 OLG Brandenburg vom 23.4.2007, NJW-RR 2007, 1641 ff. 2 OLG Brandenburg vom 18.9.2000, MMR 2001, 163 ff. 3 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rdnr. 65 f.; Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rdnr. 14 a; OLG Nürnberg vom 2.2.2010, Az. 3 U 2135/09. 4 Vgl. Wendt in v. Münch/Kunig, Art. 5 Rdnr. 14 a. 5 OLG Karlsruhe vom 23.4.2003, NJW 2003, 2029 ff. 6 Vgl. OLG Brandenburg vom 23.4.2007, NJW-RR 2007, 1641 ff. sowie OLG Braunschweig vom 18.9.2000, MMR 2001, 163 ff. 7 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101, 103; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672, 673; LG Berlin vom 31.5.2007, MMR 2007, 668, 668; LG Duisburg vom 18.4.2008, MMR 2008, 691, 692; LG Köln vom 30.1.2008, K&R 2008, 188, 189.
48
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
note 4,3. Da ein schlechtes Zeugnis auch keine Schmähkritik darstellt, müssen die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Informationsinteressen mit der Schwere abgewogen werden, mit der in das Persönlichkeitsrecht der Lehrenden eingegriffen wird1. Schüler, Studenten, aber auch Eltern und Vorgesetzte haben ein gesteigertes Interesse an Informationen darüber, wie (andere) Lernende die Leistungen der Lehrenden einschätzen2. Sämtliche Gerichte, die mit Bewertungsportalen für Lehrer und Hochschullehrer bislang befasst waren, haben ein überwiegendes Informationsinteresse festgestellt, zumal der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Lehrer und Professoren sich im Wesentlichen auf die Sozialsphäre und allenfalls in geringem Umfang auf die Privatsphäre bezog3. Bei der beruflichen Betätigung reicht der Persönlichkeitsschutz weniger weit als der Schutz des privaten Bereichs4. Das Wirken des Menschen im Berufs- und Erwerbsleben vollzieht sich im Allgemeinen nicht im Geheimen. Vielmehr bringt es die Entfaltung der Persönlichkeit im Wirtschaftsleben mit sich, dass die Person sich der öffentlichen Kritik stellen muss. Wer aktiv handelnd im Wirtschaftsleben steht, setzt sich in einem demokratischen Gemeinwesen auch der Kritik seiner Betätigung aus, der er nicht unter Berufung auf einen persönlichen Geheimbereich ausweichen kann5. Ein subjektives Geheimhaltungsinteresse allein kann jedenfalls nicht ausreichen, um Sachverhalte der Intimsphäre zuzuordnen6.
197
Die Sozialsphäre umfasst den Bereich menschlichen Lebens, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann und eventuell sogar Kenntnis nehmen soll. Es ist die Sphäre, die der Öffentlichkeit zugekehrt ist. In diesem Bereich besteht kein persönlichkeitsrechtlicher Schutz vor Indiskretion. Aus diesem Grund ist es für den Persönlichkeitsschutz im Sozialbereich auch regelmäßig ohne Belang, ob der Vorgang absichtlich oder unabsichtlich in den Bereich der Öffentlichkeit gelangt ist7.
198
2. Recht am eigenen Bild
In Social Networks werden dem virtuellen Freundeskreis gerne die Fotos von der letzten Party oder anderen Veranstaltungen zur Verfügung ge1 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888, 2889 – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101, 103; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672, 673. 2 Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101, 103; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672, 673. 3 BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 ff. – spickmich.de; OLG Köln vom 27.11.2007, MMR 2008, 101 ff.; OLG Köln vom 3.7.2008, MMR 2008, 672 ff.; LG Duisburg vom 18.4.2008, MMR 2008, 691, 692; LG Köln vom 30.1.2008, K&R 2008, 188 ff. 4 BGH vom 24.10.1961, NJW 1962, 32 – Waffenhandel. 5 BGH vom 24.10.1961, NJW 1962, 32 – Waffenhandel. 6 OLG Hamburg vom 11.7.1960, MDR 1960, 1008 m.w.N. 7 Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rdnr. 71.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
stellt. Nicht jeder Abgebildete ist damit einverstanden, besonders, wenn eine Namensnennung erfolgt. 200
Nach § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) dürfen Fotos nur mit Einwilligung des Betroffenen veröffentlicht werden1. Eine Ausnahme gilt etwa dann, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) oder Aufnahmen von Großereignissen handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG). Um sich im Streitfall nicht mit der Frage eines konkludenten oder mutmaßlichen Einverständnisses befassen zu müssen, empfiehlt es sich, den abgebildeten Partygast um seine Einwilligung zu bitten.
201
Das Recht am eigenen Bild steht zur Disposition des Abgebildeten. Daher kann sich bei der Veröffentlichung eines Bildes, die der Abgebildete selbst veranlasst, die Frage nach einem Eingriff in das durch § 22 KUG geschützte Recht nicht stellen. Die Reichweite der Einwilligung in die Veröffentlichung auf einer bestimmten Plattform richtet sich indes nach der Kenntnis des Abgebildeten von dem Veröffentlichungskontext2. Wer Bilder auf die Profilseite eines Social Networks einstellt, stimmt ausschließlich der Abrufbarkeit der Bilder innerhalb des jeweiligen Social Network zu. Hierin liegt noch keine – stillschweigende – Einwilligung in die weitergehende Verbreitung des Bildes – beispielsweise auf der Eingangsseite der Network-Plattform oder auch nur eine Einwilligung in die Abrufbarkeit der Fotos durch Internetnutzer, die sich nicht in dem Social Network registriert haben. Bei jeder gesonderten Art der Verbreitung ist zu fragen, ob der Abgebildete mit einer solchen Verbreitung rechnen musste und ob der Plattformbetreiber daher redlicherweise von einer Einwilligung ausgehen konnte3.
202
In Parallele zu den Vorschaubildern4, kann eine Veröffentlichung von einer schlichten Einwilligung gedeckt sein. Hat ein Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt, dass ein Foto von ihm auf der Unternehmenswebseite veröffentlicht wird und ist diese Webseite für Suchmaschinen optimiert worden, so kann davon ausgegangen werden, dass die betreffende Person mit der Abbildung des Fotos in einer Personensuchmaschine einverstanden ist5.
203
Ein Widerruf der Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildes kann – entsprechend § 42 UrhG – erfolgen, bei von außen feststellbaren veränderten Umständen, die auf einer gewandelten inneren Einstellung basieren, so dass es dem Betroffenen nicht mehr zumutbar ist, an der ein1 Vgl. AG Menden vom 3.2.2010, NJW 2010, 1614. 2 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rdnr. 76; OLG Karlsruhe vom 26.5.2006, MMR 2006, 752 f.; LG Berlin vom 18.9.2008, MMR 2008, 758; LG Bielefeld vom 18.9.2007, NJW-RR 2008, 715 ff. 3 Vgl. Seitz in Götting/Schertz/Seitz, § 60 Rdnr. 76. 4 Siehe Rz. 979 ff. 5 LG Hamburg vom 16.6.2010, Az. 325 O 448/09.
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IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
mal gegebenen Einwilligung noch festgehalten zu werden1. Darüber hinaus kann sich der Betroffene auch bei Erteilung der Einwilligung ein weitergehendes (freies) Widerrufsrecht vorbehalten. Zu guter Letzt kann es auch ohne Widerruf zu einem Erlöschen der Einwilligung kommen, wenn die Einwilligung entweder befristet oder gegenständlich so eingeschränkt erteilt wurde, dass sich aus dem Zeitablauf oder der Veränderung von Umständen ein Erlöschen der Einwilligung ergibt2. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zieht nicht zwangsläufig das Erlöschen einer Einwilligung zu einem Foto am Arbeitsplatz auf der Unternehmenswebseite nach sich. Anders könne es sich dann verhalten, wenn der Arbeitgeber mit dem Foto des Arbeitnehmers bewusst dessen individuelle Persönlichkeit für sich werbend einsetzt3. Bei Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte ist eine Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn der Veröffentlichung kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht (§ 23 Abs. 2 KUG)4.
204
Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert bei einer medialen Veröffentlichung eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zu Grunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend berücksichtigt Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt5.
205
Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Mei-
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1 2 3 4
Vgl. Fricke in Wandtke/Bullinger, KunstUrhG § 22, Rdnr. 19 f. Vgl. Fricke in Wandtke/Bullinger, KunstUrhG § 22, Rdnr. 17 a.E. LAG Köln vom 10.7.2009, ITRB 2010, 155 f. (Aghamiri). Vgl. OLG Dresden vom 16.4.2010, Az. 4 U 127/10; OLG Düsseldorf vom 8.3.2010, K&R 2010, 423 ff. mit Anm. Hild/Khöber. 5 Vgl. BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
nung beitragen oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser befriedigen1. 3. Online-Publikationen und Offline-Publikationen
207
Online-Publikationen sind nicht in jeder Hinsicht mit Offline-Publikationen vergleichbar. Vielmehr gibt es beispielsweise bei der Veröffentlichung eines kritischen Artikels in der Printausgabe des „Spiegel“ und auf den Seiten von spiegel-online.de aus Sicht des von der Kritik Betroffenen Unterschiede, die möglicherweise Differenzierungen erlauben oder sogar notwendig machen. Als Anknüpfungspunkte für Differenzierungen werden immer wieder die unkontrollierbare, weltweite Verbreitung von Internet-Informationen, die Anonymität von Äußerungen, die „Prangerwirkung“ des Internet und die leichte Auffindbarkeit über Suchmaschinen sowie die Dauerhaftigkeit der Online-Veröffentlichung genannt2. Darüber hinaus wird die Frage gestellt, ob sich aus dem Datenschutzrecht und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung selbständige Schranken ableiten lassen3.
208
Die Größe des Leser- bzw. Adressatenkreises („weltweite Abrufbarkeit“) kann für sich allein kein Grund sein, bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und der Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet andere Maßstäbe anzulegen als bei Offline-Publikationen. Die Meinungsund Informationsfreiheit gilt für Medien mit einem hohen Verbreitungsgrad genauso wie für Medien mit beschränktem Adressatenkreis. Die Persönlichkeitsrechte setzen dem Betreiber eines kleinen lokalen Fernsehsenders dieselben Grenzen, die auch für die großen privaten und öffentlich-rechtlichen Sender gelten. Ebenso gelten bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit für überregionale Tageszeitungen keine anderen Maßgaben als für eine Stadtteilzeitung mit geringer Auflage. Kann die Auflagenhöhe kein Bezugspunkt für gesteigerte Anforderungen an Eingriffe in Persönlichkeitsrechte sein, so bedeutet dies für Online-Publikationen, dass sich allein aus der größeren Reichweite einer solchen Publikation nicht schließen lässt, dass den Persönlichkeitsrechten ein stärkeres Gewicht zukommt als bei Offline-Publikationen.
209
Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Anonymität: Zwar ist es durchaus typisch für Online-Publikationen, dass der Verfasser einer Äußerung anonym oder zumindest schwer erkennbar ist. Dies mag die Rechtsverfolgung aus Sicht des in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen erschweren und die Frage nach einer Störerhaftung Dritter aufwerfen. Keineswegs lässt sich jedoch begründen, dass eine anonyme Äußerung unter 1 Vgl. BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff. 2 Ballhausen/Roggenkamp, K&R 2008, 403, 404. 3 Ballhausen/Roggenkamp, K&R 2008, 403, 404.
52
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
einem geringeren Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG steht als eine Äußerung, die unter Namensnennung erfolgt. Hinter einer anonymen Meinungsäußerung steht oft ein legitimes Bedürfnis nach Geheimhaltung. Der Schüler, der seinen Lehrer kritisieren möchte, wird Sanktionen befürchten, wenn er seinen Namen nennt. Die Möglichkeit der anonymen Bewertung trägt somit dazu bei, dass dem Schüler die Ausübung der Meinungsfreiheit erleichtert wird. Dies schließt es aus, die Meinungsfreiheit bei anonymen Äußerungen stärker einzuschränken, als dies bei Äußerungen unter Namensnennung der Fall ist1.
210
Bereits im Jahre 2001 hat das BVerfG auf die Problematik der „Prangerwirkung“ von Internet-Publikationen hingewiesen2. Es ging um einen „Schuldnerspiegel“ – eine Sammlung von Berichten über die Abwicklung von Zahlungsverhältnissen, geordnet nach den Namen der Schuldner. Der beschwerdeführende Betreiber des „Schuldnerspiegels“ hatte nach einem einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem ihm bestimmte Äußerungen untersagt worden waren, Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung ab, dass der Rechtsweg noch nicht erschöpft sei. Dabei verwies das BVerfG darauf, dass die Problematik der „Prangerwirkung“ schwierige rechtliche Fragen aufwerfe, die noch nicht höchstrichterlich entschieden seien3.
211
Die „Prangerwirkung“ lag nach Auffassung des BVerfG darin, dass der „Schuldnerspiegel“ für eine unkontrollierbare und unbegrenzte Öffentlichkeit verfügbar war und die Nutzbarkeit durch eine Vielzahl von Suchdiensten erleichtert wurde, die ein systematisches Auffinden von Informationen aus großen Datenmassen ermöglichten und es zum Beispiel erlaubten, das Internet nach bestimmten Informationstypen oder konkreten Informationen durchzusehen und in kurzer Zeit die jeweils interessierende Information zu finden. Diese Besonderheiten des Internets führten dazu, dass eine Information schnell für alle verfügbar ist, die an ihr interessiert sind, und dass die Information mit anderen relevanten Informationen leicht kombiniert werden kann4.
212
Ein weiterer Unterschied zwischen Online- und Offline-Publikationen liegt in dem Zeitmoment. Die Schülerzeitung mit den Lehrerbeurteilungen wird in der Regel nur so lange verbreitet, bis die nächste Ausgabe erscheint. Bewertungen bei spickmich.de sind dagegen – jedenfalls theoretisch – unendlich lang abrufbar5.
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Vgl. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 – spickmich.de. BVerfG vom 9.10.2001, NJW 2002, 741 ff. BVerfG vom 9.10.2001, NJW 2002, 741 ff. BVerfG vom 9.10.2001, NJW 2002, 741, 742. Vgl. Greve/Schärdel, MMR 2008, 644, 648.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
214
Der Zeitfaktor kann sich auf das Informationsinteresse auswirken, das einer Veröffentlichung zu Grunde liegt. Naturgemäß lässt sich ein derartiges Informationsinteresse bei der Beurteilung von Lehrenden nur so lange bejahen, wie die Lehrer und Hochschullehrer tatsächlich im Dienst sind. Für die fortdauernde Veröffentlichung von Bewertungen über pensionierte Lehrer gibt es kein Publikationsinteresse, das den mit einer Veröffentlichung einhergehenden Eingriff in Persönlichkeitsrechte legitimieren kann.
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Mehrfach hatten sich Gerichte mit der Frage zu befassen, ob verurteilte Straftäter von Zeitungsverlagen verlangen können, dass ihr Name anonymisiert wird in Beiträgen, die in Online-Archive eingestellt worden sind1. Die jeweiligen Kläger beriefen sich auf das Lebach-Urteil des BVerfG2, nach der eine Berichterstattung über Straftäter unter Namensnennung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn sie dazu geeignet ist, eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken und insbesondere seine Wiedereingliederung in der zivilisierten Gesellschaft zu gefährden.
216
Das OLG Frankfurt a.M. hat in mehreren Entscheidungen den Standpunkt vertreten, dass die Einstellung eines Beitrags in ein Online-Archiv zu keiner erheblichen neuen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts eines Straftäters führt. Durch die Bereithaltung eines zu einem früheren Zeitpunkt erschienenen, zulässigen Artikels in einem Archiv, werde der Betroffene nicht erneut „an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt“, da sich der Äußerungsgehalt in einem Hinweis auf eine in der Vergangenheit zulässige Berichterstattung erschöpfe3. Im Übrigen stehe ein (Online-)Pressearchiv unter dem besonderen Schutz der Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG. Das Archiv sei eine durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Quelle, die nicht dadurch verändert werden dürfe, dass ein ursprünglich zulässiger Bericht nachträglich gelöscht wird. Eine Löschung würde zu einer „Verfälschung der historischen Abbildung“ führen, die der besonderen Bedeutung von Archiven nicht gerecht werde4.
1 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff.; KG vom 19.10.2001, AfP 2006, 561 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 12.7.2007, ZUM 2007, 915 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 20.9.2006, AfP 2006, 568 f.; OLG Frankfurt a.M. vom 22.5.2007, MMR 2008, 182 ff.; OLG Hamburg vom 18.12.2007, AfP 2008, 95 ff.; OLG Köln vom 14.11.2005, AfP 2007, 126 f.; LG Hamburg vom 18.1.2008, AfP 2008, 226 ff. 2 BVerfG vom 5.6.1973, BVerfGE 35, 202 ff. („Lebach I“) und BVerfG vom 25.11.1999, NJW 2000, 1859 („Lebach II“); vgl. auch BVerfG vom 10.6.2009, MMR 2009, 683 ff. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 12.7.2007, ZUM 2007, 915 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 22.5.2007, MMR 2008, 182 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 20.9.2006, AfP 2006, 568 f.; vgl. auch KG vom 19.10.2001, AfP 2006, 561. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 12.7.2007, ZUM 2007, 915 ff.; a.A. LG Hamburg vom 18.1.2008, AfP 2008, 226 ff.
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IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Der BGH hat sich dieser Sichtweise in mehreren Entscheidungen angeschlossen und darauf verwiesen, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht schwer wiegt, wenn sich ein Beitrag nur auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten eines Online-Nachrichtendienstes befindet. Bei einem solchen Dienst bestehe zudem ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit an der Möglichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit bzw. ein Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in Onlinearchiven würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde1.
217
Ausschlaggebend dürfte für den BGH eine weitere Überlegung gewesen sein, die sofort einleuchtet: Es sei zu beachten, dass ein Anonymisierungsanspruch einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Pressefreiheit hätte. Ein Medienorgan könnte seinen verfassungsrechtlichen Auftrag, in Wahrnehmung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren, nicht effektiv wahrnehmen, wenn es ihm verwehrt wäre, dem interessierten Publikum den Zugriff auf frühere – zulässige – Beiträge uneingeschränkt zu ermöglichen. Wäre der Anbieter verpflichtet, sämtliche archivierten Beiträge von sich aus immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt. Angesichts des mit einer derartigen Kontrolle verbundenen Aufwands bestünde die erhebliche Gefahr, dass der Anbieter entweder ganz von einer Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen Sendung die Umstände ausklammern würde, die das weitere Vorhalten des Beitrags später rechtswidrig werden lassen könnten, an deren Zugänglichkeit die Öffentlichkeit aber ein schützenswertes Interesse hat2.
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4. Datenschutzrecht und Medienprivileg
Wenn im Internet personenbezogene Daten veröffentlicht werden, gelten das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Datenschutzrecht. Der EuGH hat bereits im Jahre 2003 die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf Internet-Veröffentlichungen bejaht, wobei das Gericht zugleich auf die Notwendigkeit hinwies, ein angemessenes Gleichgewicht zu schaffen mit den Rechten und Freiheiten, die sich aus Art. 10 EMRK (Recht der freien Meinungsäußerung) ergeben3.
219
In einer weiteren Entscheidung des EuGH ging es um einen finnischen Informationsdienst, der den Abruf öffentlich publizierter Steuerdaten ein-
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1 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff. 2 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff. 3 EuGH vom 6.11.2003, MMR 2004, 95 ff.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
zelner Staatsbürger per SMS ermöglichte. Für diesen Dienst hat der EuGH die Anwendbarkeit des in Art. 9 der EU-Datenschutzrichtlinie1 geregelten Medienprivilegs bejaht. Es handele sich um einen Dienst, der allein zu journalistischen Zwecken erfolge und daher dem Datenschutzrecht nicht uneingeschränkt unterliege. Journalistische Tätigkeiten seien nicht Medienunternehmen vorbehalten und könnten legitimerweise mit der Absicht verbunden werden, Gewinn zu erzielen2. 221
Nach dem Medienprivileg, das durch § 41 BDSG und Art. 57 RStV sowie durch die Datenschutzgesetze der Bundesländer in deutsches Recht umgesetzt worden ist, werden Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse von den Bestimmungen des Datenschutzrechts weitgehend freigestellt, soweit sie personenbezogene Daten ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erheben, verarbeiten oder nutzen.
222
Der BGH hat in seinen Entscheidungen zu Online-Archiven eine Anwendbarkeit des Datenschutzrechts verneint und dies gleichfalls auf das Medienprivileg gestützt3.
223
Das Medienprivileg ist Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Presse- und Rundfunkfreiheit. Ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich; Presse und Rundfunk könnten ihre in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht wahrnehmen4.
224
Daten werden dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet, wenn die Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht. Es muss die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben sein. Alle Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen, werden vom Medienprivileg erfasst. Hiezu zählt insbesondere die publizistische Verwertung personenbezogener Daten im Rahmen einer in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK fallenden Veröffentlichung5.
1 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281 S. 31. 2 EuGH vom 16.12.2008, CR 2009, 229. 3 BGH vom 15.12.2009, NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. = WRP 2010, 906 ff. 4 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff.; vgl. auch BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 – spickmich.de. 5 BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff.
56
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Sowohl das Einstellen von journalistisch-redaktionellen Inhalten ins Internet als auch ihr (dauerhaftes) Bereithalten zum Abruf ist Teil des in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK fallenden Publikationsvorgangs. Damit gilt für sämtlich dieser Inhalte das Medienprivileg, das insbesondere eine Anwendung des § 4 Abs. 1 BDSG (Einwilligungsprinzip) ausschließt1.
225
Nicht unter das Medienprivileg fällt die reine Übermittlung von erhobenen Daten an Nutzer, da die bloße automatische Auflistung von redaktionellen Beiträgen noch keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung darstellt. Erst wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur schmückendes Beiwerk ist, kann von einer solchen Gestaltung gesprochen werden. Bei spickmich.de sind diese Voraussetzungen nach Auffassung des BGH nicht erfüllt, sodass das Bewertungsportal nicht unter das Medienprivileg fällt2.
226
Das LG Köln hat in seiner Entscheidung zu „bilderbuch-koeln.de“ das Medienprivileg3 gelten lassen mit der Folge einer weitgehenden Freistellung vom Datenschutzrecht4. „Bilderbuch-koeln.de“ ähnelt Google Street View. Es handelt sich allerdings nach der Auffassung des LG Köln um ein Portal, das funktional Aufgaben der Presse bzw. des Rundfunks wahrnimmt5. Anders als spickmich.de (und Google Street View) enthält das Portal redaktionell aufbereitete Inhalte in Form von Informationen zur Stadtgeschichte und zur Architektur sowie zu Fotografen der Stadt6.
227
5. Briefe und E-Mails
Gelegentlich werden Briefe und E-Mails im Internet veröffentlicht, und es stellt sich die Frage, ob dies gegen den Willen des Verfassers zulässig ist.
228
Die Erbin von Friedrich Nietzsche sah sich der Veröffentlichung eines freundschaftlichen Briefwechsels ihres Bruders, der „mit Intimität und schrankenloser Offenheit“ geschrieben worden war, außerhalb des Urheber-Persönlichkeitsrechts noch schutzlos ausgeliefert7. Mit Anerkennung eines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist seit langem jedoch anerkannt, dass der Persönlichkeit ein Schutz zusteht vor unbefugter, insbesondere öffentlicher Preisgabe von Intimitäten. Ausdruck des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Menschenwürde ist das Recht, ein Leben führen zu können, ohne durch die öffentliche Darstel-
229
1 2 3 4 5 6 7
BGH vom 15.12.2009; NJW 2010, 757 ff.; BGH vom 9.2.2010, WRP 2010, 642 ff. BGH vom 23.6.2009, NJW 2009, 2888 – spickmich.de. Vgl. Eberle, MMR 2008, 508 ff. LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198 ff. LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198, 200. LG Köln vom 13.1.2010, CR 2010, 198, 200. RG vom 7.11.1908, RGZ 69, 401.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
lung persönlicher Verhältnisse behelligt zu werden1. Da jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhaltes Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers ist, hat der Verfasser ein Bestimmungsrecht darüber, ob und in welcher Form seine sprachliche Gedankenfeststellung in der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Dieses Bestimmungsrecht gilt unabhängig davon, ob der Festlegungsform eine Urheberschutzfähigkeit zugebilligt werden kann oder nicht2. 230
Das Postgeheimnis beantwortet die Frage einer Veröffentlichungsbefugnis nur partiell, da es den Versender (und den Empfänger) nur gegen das heimlich-unbefugte Öffnen einer Postsendung schützt3. Der Empfänger eines Schreibens kann das Postgeheimnis nicht verletzen4. Gibt er den Inhalt eines Briefs gegen den Willen des Absenders Dritten preis, kann es nur um eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Briefverfassers gehen.
231
Da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ein offener Tatbestand ist5, verbieten sich pauschale Antworten auf die Frage, ob Briefe Dritten zur Kenntnis gegeben oder gar veröffentlicht werden dürfen. Es bedarf vielmehr in jedem Einzelfall einer abwägenden Bewertung der Intensität der Rechtsverletzung einerseits und eines Preisgabe- bzw. Veröffentlichungsinteresses andererseits.
232
Umgekehrt liegt es in der Natur der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung, dass die Rechtswidrigkeit einer Veröffentlichung von dem Interesse abhängt, das mit der Veröffentlichung verfolgt wird. Die Veröffentlichung erotischer Briefe eines Popmusikers in der Boulevardpresse ist daher anders zu bewerten als Liebesgrüße eines Politikers an eine wegen terroristischer Delikte verurteilte Straftäterin. Nur im letztgenannten Fall besteht ein überragendes öffentliches Interesse, das unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) den Eingriff in die Intimsphäre rechtfertigt.
233
Das Geheimhaltungsinteresse des Verfassers wird in der Regel hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten müssen, wenn der veröffentlichte Brief politisch brisante Angelegenheiten betrifft oder einen sonstigen Beitrag zum „geistigen Meinungskampf“6 leistet. Ein „Alter Herr“ konnte die Publikation eines Briefes an die Mitglieder einer Burschenschaft nicht verhindern, in welchem er den Ausschluss eines Studenten aus der Verbindung aufgrund eines Artikels zum Nationalsozialismus kritisiert hatte. Der Artikel und der Ausschluss waren zuvor 1 2 3 4 5 6
Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rdnr. 35. BGH vom 25.5.1954, BGHZ 13, 334 – Leserbrief. Löwer in v. Münch/Kunig, Art. 10 Rdnr. 16. Löwer in v. Münch/Kunig, Art. 10 Rdnr. 20. Sprau in Palandt, § 823 Rdnr. 95. BVerfG vom 15.1.1958, NJW 1958, 257 – Lüth-Urteil; BGH vom 24.10.1961, NJW 1962, 32 – Waffenhandel.
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IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
in der Öffentlichkeit diskutiert worden1. Dem „Alten Herren“ ging es daher nicht besser als dem Inhaber einer Bank, der die Veröffentlichung von Geschäftsbriefen in einem Bericht über die Beteiligung seines Bankhauses an einem kontroversen Waffenhandel dulden musste2. Gelangt ein Schreiben rechtswidrig in die Öffentlichkeit, weil der Brief unter Verletzung des Briefgeheimnisses abgefangen wurde, ist den Medien die Publikation nicht von vornherein verwehrt. Würde der Presse ein absolutes Publikationsverbot bezüglich Informationen auferlegt werden, die rechtswidrig erlangt wurden, so würde die Kontrollaufgabe der Presse übermäßig beeinträchtigt3. Erforderlich ist in einem solchen Fall ein besonders stark ausgeprägtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, um einen Eingriff zu rechtfertigen. Ein Interesse fehlte im Falle der Veröffentlichung eines unter Verletzung des Fernmeldegeheimnisses angefertigten Transkripts eines Gesprächs zwischen Helmut Kohl und Kurt Biedenkopf über die bevorstehende Kanzlerkandidatur4.
234
Nach Auffassung des LG Köln kann die Veröffentlichung von vertraulichen geschäftlichen E-Mails im Internet das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Absenders, namentlich „die Geheimsphäre“ verletzen5. Die E-Mail bleibe dieser „Geheimsphäre“ zugehörig, auch wenn sie über das Internet versandt werde. Anders sei dies allenfalls bei Mails, die an einen nicht abgegrenzten Personenkreis – quasi massenhaft – verschickt werden. Richte sich eine E-Mail (nur) an eine konkrete Person, so sei die E-Mail in jeder Hinsicht vergleichbar mit einem verschlossenen Brief, bei dem der Absender - anders als etwa im Falle einer offen versandten Postkarte - nicht damit rechnen müsse, dass Dritte von dem Inhalt Kenntnis nehmen.
235
Die Gleichsetzung von E-Mails und Briefen überzeugt nur insoweit, als nicht zu leugnen ist, dass der Verfasser einer Mail ähnliche Geheimhaltungsinteressen geltend machen kann wie der Versender eines herkömmlichen Briefs. Wer indes Mitteilungen per E-Mail versendet, weiß, dass Mails nicht in gleicher Weise gegen den Zugriff Dritter geschützt sind wie die Briefpost. Nicht selten haben – insbesondere bei geschäftlichen Mailadressen – mehrere Personen Einblick in den Mail-Account; Einzelheiten sind dem Absender typischerweise nicht genau bekannt. Darüber hinaus liegt es in der Natur einer Mail, dass der Empfänger sie auf vergleichsweise einfache Weise Dritten zur Kenntnis geben (insbesondere weiterleiten) kann. Wer daher die Mail als Kommunikationsweg wählt, beschreitet bewusst einen Weg, der weniger Gewähr für Vertraulichkeit bietet als der Brief. Dies spricht keineswegs gegen einen Vertraulichkeits-
236
1 BGH vom 22.12.1959, BGHZ 31, 308 – Alte Herren. 2 BGH vom 24.10.1961, BGHZ 36, 77 – Waffenhandel. 3 BVerfG vom 24.1.1984, DVBl 1984, 389; BGH vom 10.3.1987, NJW-RR 1987, 1433 – BND-Interna. 4 BGH vom 19.12.1978, NJW 1979, 647 – Telefongespräch. 5 LG Köln vom 6.9.2006, MMR 2006, 758.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
schutz von Mails, wohl aber dafür, auf der „ersten Waagschale“ schwächer zu gewichten als bei der herkömmlichen Briefpost. 6. Informationsinteresse
237
Trotz aller Risikoszenarien ist die öffentliche Verbreitung von Informationen in einer freien Gesellschaft eine Grundrechtsausübung. Jedwede Einschränkung muss sich an Art. 5 GG messen lassen. Dies gilt in ganz besonderem Maße für journalistische Publikationen im Hinblick auf die Funktion der Medien als „Vierte Gewalt“ in einem demokratischen Rechtsstaat.
238
Wegen der Freiheitsvermutung, die für Publikationsrechte spricht, ist es falsch, für Veröffentlichungen einseitig ein „Informationsinteresse“ der Öffentlichkeit zu fordern1. Journalismus ist auch dann durch Art. 5 GG geschützt, wenn Beiträge über eine Person mit fragwürdiger journalistischer Qualität veröffentlicht werden, für die sich kein „Informationsinteresse“ konkret begründen lässt. Und für die Veröffentlichung von Fotos einzelner Personen als „Beiwerk“ einer Landschaft oder Sehenswürdigkeit gilt die Erlaubnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG2 auch dann, wenn es sich um ein schlechtes Foto handelt ohne informativen Nutzwert. Im Hinblick auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ist das „Informationsinteresse“ zwar ein gewichtiges Kriterium bei der Abwägung, wenn es zu einer Kollision mit Art. 5 GG kommt. Dies ändert indes nichts daran, dass es sich um eine Abwägung handelt, bei der weder für das eine noch für das andere Grundrecht eine Vorrangsvermutung streitet3.
239
Nicht selten ist der Verfasser eines Schreibens, das im Internet veröffentlicht wird, ein Rechtsanwalt. Ob Abmahnschreiben oder Klageschrift: Gerne dokumentieren die Empfänger von Anwaltspost ihre Empörung durch die vollständige oder auszugsweise Bekanntgabe des Inhalts im Netz. Gelegentlich werden auch Schreiben des eigenen Anwalts im Internet veröffentlicht, um die Stärke der eigenen Position in einer Auseinandersetzung zu dokumentieren. Dabei stellt sich jeweils die Frage, ob der Umstand, dass ein Anwalt ein Schreiben in Ausübung seines Berufs verfasst hat, den Vertraulichkeitsschutz tendenziell mindert oder erhöht. Weitergehend mag man die Frage stellen, ob es einen Sonderschutz der anwaltlichen Berufsausübung gibt, der neben den Schutz des Persönlichkeitsrechts tritt.
240
Der Anwalt arbeitet typischerweise nicht im Verborgenen, er streitet in aller Öffentlichkeit für das Recht (vgl. § 169 GVG). Daher kann ein Anwalt typischerweise gegen eine Verbreitung seiner Korrespondenz oder 1 Eberle, MMR 2008, 508 ff. 2 Vgl. Jahn/Striezel, K&R 2009, 753, 757. 3 A.A. LG Hamburg vom 15.1.2010, Az. 325 O 200/09; LG München I vom 19.11.2009, CR 2010, 270 f.
60
IV. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
deren Veröffentlichung ein allenfalls schwaches Geheimhaltungsinteresse geltend machen. Zitate aus anwaltlichen Schreiben, auch wenn diese nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sind, entstammen nicht der Privatsphäre des Verfassers, sondern der Sozialsphäre1. Auch eine Identifizierung und Namensnennung kann ein Rechtsanwalt in aller Regel nicht verhindern. Zwar folgt ein Recht auf Anonymität aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Nennung des Namens einer Person (ohne deren Einwilligung) ist zulässig, wenn für die Mitteilung über die Person ein Interesse besteht2. Ein Anwalt, der in einer öffentlichen Verhandlung auftritt, hat daher grundsätzlich keinen Anspruch auf Unterlassung der Nennung seines Namens3. Er kann sich insbesondere nicht darauf berufen, in Folge einer solchen Berichterstattung mit der Person des Angeklagten oder dessen Straftat geistig und moralisch in Verbindung gebracht zu werden oder in den Verdacht der Publizitätssucht zu kommen4.
241
Für Anwaltspost gilt kein Sonderrecht. Insbesondere ergibt sich auch aus Art. 12 Abs. 1 GG kein gesteigerter Vertraulichkeitsschutz5. Im Gegenteil: Der Anwalt handelt bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit typischerweise in der persönlichkeitsrechtlich am schwächsten geschützten Sozialsphäre, sodass es regelmäßig keines besonders gewichtigen Informationsinteresses bedarf, um eine Verbreitung und Veröffentlichung von anwaltlicher Korrespondenz im Internet zu rechtfertigen6.
242
Das BVerfG hat die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben als unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) angesehen. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vermittle keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es dem Betroffenen selbst genehm ist. Daher begegne bereits die Annahme, dass die Veröffentlichung des Zitats das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Anwalts beeinträchtige, erheblichen Bedenken7.
243
Verfassungsrechtlich zu beanstanden seien im Übrigen die Erwägungen, auf die die Gerichte ihre Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit gestützt hätten. Die Gerichte hätten wesentlich darauf abgehoben, dass das öffentliche Infor-
244
1 KG vom 3.3.2006, Az. 9 U 117/05; KG vom 31.10.2006, Az. 9 W 152/06; KG vom 12.1.2007, K&R 2007, 317; KG vom 20.2.2009, MMR 2009, 478 f.; KG vom 18.3.2010, Az. 10 U 139/09; LG Berlin vom 21.1.2010, Az. 27 O 938/09. 2 KG vom 16.3.2007, Az. 9 U 88/06; vgl. auch AG Charlottenburg vom 1.7.2010, Az. 239/09. 3 Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, 5. Kapitel, Rdnr. 72. 4 LG Berlin vom 18.4.1996, AfP 1997, 938. 5 A.A. KG vom 30.1.2007, K&R 2007, 317. 6 A.A. KG vom 30.1.2007, K&R 2007, 535 f. 7 BVerfG vom 18.2.2010, GRUR 2010, 544, 545.
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A. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
mationsinteresse an der streitgegenständlichen Äußerung gering sei. Diese Erwägung ließen befürchten, dass die Gerichte den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG grundlegend verkannt haben. Zwar handele es sich bei dem öffentlichen Informationsinteresse um einen wesentlichen Abwägungsfaktor in Fällen einer Kollision der grundrechtlich geschützten Äußerungsinteressen einerseits und der Persönlichkeitsbelange des von der Äußerung Betroffenen andererseits. Dies bedeute aber nicht, dass die Meinungsfreiheit nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt wäre. Vielmehr gewährleiste das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden könne1. 245
Ob die Veröffentlichung eines rechtskräftigen Urteils im Internet unter voller Namensnennung der Parteien zulässig ist, ist im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen festzustellen2. Enthält das veröffentlichte Urteil keine für die Öffentlichkeit erheblichen Informationen, sondern dient es allein dem privaten Konflikt der Parteien untereinander, so überwiegt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.
1 BVerfG vom 18.2.2010, GRUR 2010, 544, 545 f. 2 Vgl. BVerfG vom 12.12.2007, NJW 2008, 352 f.; BGH vom 21.11.2006, NJW-RR 2007, 619 ff.; KG vom 30.1.2007, K&R 2007, 535 f.; OLG Hamburg vom 16.2.2010, ITRB 2010, 154 (Maisch); OLG Hamburg vom 9.7.2007, ZUM 2008, 66; OLG Hamm vom 11.12.2007, MMR 2008, 547 f.; OLG Hamm vom 7.2.2008, MMR 2008, 750 ff.; OLG München vom 16.10.2007, NJW 2008, 768 ff.; LG Hamburg vom 31.7.2009, MMR 2010, 60 (Ls.); vgl. auch LG Berlin vom 17.9.2009, ITRB 2010, 58 f. (Intveen).
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B. Vertragsrecht Rz. I. Elektronische Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiver Tatbestand . . . . . . . a) Elektronisch übermittelte Willenserklärungen . . . . . . b) Elektronisch erzeugte Willenserklärungen . . . . . . . . . . 2. Subjektiver Tatbestand . . . . . . 3. Wirksamkeit elektronischer Willenserklärungen . . . . . . . . . a) Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erklärung unter Anwesenden . . . . . . . . . . . bb) Erklärung unter Abwesenden . . . . . . . . . . . . . . cc) Zugangsbeweis . . . . . . .
247 247 249 250 251 264 264 274 277 279 294
II. Zustandekommen von Online-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 2. Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kaufverträge . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nutzungsbedingungen . . . . . .
314 314 323 329
IV. Zustandekommen von Verträgen bei Download-Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 V. Wirksamkeit von Online-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 1. Formerfordernisse . . . . . . . . . . 339 a) Elektronische Form . . . . . . 342
aa) Elektronische Signatur bb) Fortgeschrittene elektronische Signatur . . . . cc) Qualifizierte elektronische Signatur . . . . . . b) Textform . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarte Form . . . . . . . . 2. Anfechtung von Verträgen . . . a) Erklärungsirrtum . . . . . . . . aa) Irrtum des Bestellers . . bb) Irrtum des Anbieters . . b) Übermittlungsfehler . . . . . . c) Andere Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung bei Internetauktionen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . 4. Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . a) Handeln unter fremdem Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsscheinshaftung . . . . aa) Duldungs- und Anscheinsvollmacht . . . . bb) Parallele zur Telefonie cc) Passwortschutz . . . . . . VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung in den Vertrag . a) Ausdrücklicher Hinweis . . b) Möglichkeit der Kenntnisnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einverständnis . . . . . . . . . . . d) Überraschende Klauseln . . 2. Transparenzgebot . . . . . . . . . . . 3. Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . .
Rz. 346 347 349 354 356 362 363 364 368 378 383 385 391 394 395 405 405 414 420 426 431 434 440 451 456 461 473
Millionenfach werden Tag für Tag im Internet Waren und Dienstleistungen bestellt. Die Verträge, die auf diese Weise geschlossen werden, lassen sich als Online-Verträge bezeichnen. Für den Online-Vertragsschluss gelten die allgemeinen Regeln des BGB-Vertragsrechts. Offline wie online bedarf es zum Zustandekommen eines Vertrages übereinstimmender Willenserklärungen der Vertragspartner1. 1 Vgl. Ellenberger in Palandt, Einf v § 145 Rdnr. 1.
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246
B. Vertragsrecht
I. Elektronische Willenserklärungen 1. Objektiver Tatbestand
247
Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf die Herbeiführung eines Rechtserfolges gerichteten Willens. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung ist bei jeder menschlichen Äußerung erfüllt, die einen Rechtsfolgewillen nach außen erkennen lässt1.
248
Willenserklärungen, die online abgegeben werden, lassen sich als „digitale“ oder „elektronische“ Willenserklärungen bezeichnen. Unterscheiden lassen sich dabei Willenserklärungen, die (lediglich) digital übermittelt werden, und Erklärungen, die darüber hinaus auch elektronisch erzeugt werden2. a) Elektronisch übermittelte Willenserklärungen
249
Ob Warenbestellung per Mausklick im Internetshop oder Anfrage nach anwaltlicher Beratung per E-Mail: Der Weg zum Vertrag führt über Willenserklärungen, die elektronisch übermittelt werden. Derartige Willenserklärungen unterscheiden sich lediglich hinsichtlich des Übermittlungsweges von anderen rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Äußerung eines Rechtsfolgewillens vorliegt, die den objektiven Tatbestand einer „echten“ Willenserklärung erfüllt3. b) Elektronisch erzeugte Willenserklärungen
250
Rechtsgeschäftliche Erklärungen können in der Weise „erzeugt“ werden, dass sie auf Grund der Programmierung von Software automatisch entstehen. Sowohl der Inhalt als auch der Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung kann sehr weitgehend einem automatisierten Vorgang überlassen werden. Am Ende einer Kette von Programmierschritten, die zur Erzeugung einer derartigen Erklärung notwendig sind, steht allerdings immer eine Person, die Urheber der „elektronischen Willenserklärung“
1 Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rdnr. 1; Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rdnr. 2; Larenz/Wolf, AT, § 22 Rdnr. 3. 2 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 58. 3 Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rdnr. 1; Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 80 f.; Fritzsche/Malzer, DNotZ 1995, 3, 8 ff.; Krüger/Bütter, WM 2001, 221, 223; Mehrings, MMR 1998, 30, 31; BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364; OLG Hamm vom 14.12.2000, NJW 2001, 1142; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558, 558 f.; AG Kassel vom 16.11.1990, CR 1992, 94, 95 f.
64
I. Elektronische Willenserklärungen
ist. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung ist somit auch bei der „automatisierten“ Willenserklärung gegeben1. 2. Subjektiver Tatbestand
Zu einer „echten“ Willenserklärung gehört nach herrschender Meinung nicht nur der objektive Tatbestand einer Willensäußerung. Es bedarf vielmehr noch – subjektiv – eines korrespondierenden Rechtsfolgewillens. Der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung setzt sich zusammen aus einem Handlungswillen, dem Erklärungsbewusstsein und dem Geschäftswillen2.
251
Wird eine Erklärung ohne Handlungswillen, beispielsweise auf Grund einer Reflexbewegung abgegeben, so ist die Lehre nahezu einhellig der Auffassung, dass weder eine „echte“ noch eine „fehlerhafte“ Willenserklärung vorliegt, sondern es an einer Willenserklärung gänzlich fehlt3. Wer somit vor dem Rechner einschläft und auf die Tastatur oder Maus sinkt und dadurch einen Übermittlungsvorgang auslöst, der dem Empfänger den Eindruck einer Willenserklärung vermittelt, gibt nach herrschender Meinung keine rechtsgeschäftliche Erklärung ab4. Das Vertrauen des Empfängers auf eine (vermeintliche) Bestellung, soll keinen Schutz verdienen.
252
Die Frage nach dem Handlungswillen könnte sich stellen, wenn der Nutzer einen Internet-Dialer betätigte, ohne dies zu bemerken. Derartige Dialer wurden bis vor einigen Jahren eingesetzt zur Abrechnung von Internet-Dienstleistungen über die Telefonrechnung5. Dialer-Software ermöglichte es, per einfachem Mausklick die Verbindung ins Netz kurz zu unterbrechen, während gleichzeitig sekundenschnell eine Mehrwertnummer (0900-Nummer) angewählt wurde, über die die Abrechnung erfolgte.
253
1 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 14; Fritzsche/Malzer, DNotZ 1995, 3, 4 und 7 ff.; Heun, CR 1994, 595, 595 f.; Köhler, AcP 182 (1982), 126, 133; Mehrings, MMR 1998, 30, 31; Melullis, MDR 1994, 109; Redeker, NJW 1984, 2390, 2391; BVerfG vom 8.12.1992, NJW 1994, 570, 571; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; OLG Hamm vom 12.1.2004, NJW 2004, 2601; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558; LG Köln vom 16.4.2003, CR 2003, 613. 2 Brox, AT, Rdnr. 84 f.; Flume, AT II, S. 47; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rdnr. 1; Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rdnr. 4 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rdnr. 3 ff.; BGH vom 22.6.1956, BGHZ 21, 102, 106. 3 Kramer in MünchKomm-BGB, vor § 116 Rdnr. 8; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rdnr. 16; Flume, AT II, S. 46; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rdnr. 3; Medicus, AT, Rdnr. 606. 4 Kitz in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 18. 5 Vgl. Härting, Recht der Mehrwertdienste, Rdnr. 14 ff.; Klees, CR 2003, 331 ff.; Koos, K&R 2002, 617 ff.; Leonti, ITRB 2002, 242.
65
B. Vertragsrecht
254
Immer wieder gaben Internetnutzer an, unbemerkt Dialer-Software heruntergeladen und einen Dialer betätigt zu haben1. War dies tatsächlich der Fall, hatte der Nutzer eine Erklärung ohne Handlungswillen abgegeben2. Mangels Handlungswillen erfüllte diese Erklärung nicht den subjektiven Tatbestand einer Willenserklärung3, sodass es nach herrschender Meinung an einer Willenserklärung fehlte.
255
Ein Fall fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt z.B. vor, wenn der Erklärende per Mausklick Informationsmaterial über eine bestimmte Ware abrufen möchte, nach der Gestaltung der aufgerufenen Internetseite durch den Mausklick jedoch bereits die Ware bestellt. Der Internetnutzer führt in einem solchen Fall die Handlung bewusst aus, aber nicht mit dem Willen, eine rechtsgeschäftlich relevante Äußerung abzugeben4.
256
Auch für fehlendes Erklärungsbewusststein lieferten die Internet-Dialer Anschauungsmaterial: Klickte der Nutzer einen Dialer (bewusst) an in dem Glauben, er rufe mit dem Mausklick lediglich – ohne jegliche Kostenfolge – eine bestimmte Internetseite auf, so fehlte ihm nicht der Handlungswille, wohl aber das Erklärungsbewusstsein5.
257
Die herrschende Meinung nimmt in den Fällen fehlenden Erklärungsbewusstseins eine differenzierende Wertung vor. Danach ist das Verhalten des Erklärenden als Willenserklärung anzusehen, wenn ihm zwar die Vorstellung von einer rechtsgeschäftlichen Handlung fehlt, er jedoch beim Erklärungsempfänger fahrlässig das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt hervorgerufen hat6.
258
Die Grenze der Zurechnung von Willenserklärungen, die ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben werden, ist erreicht, wenn der Empfänger durch die Gestaltung seiner Internetseite den Irrtum des Erklärenden selbst hervorgerufen hat. Ist die Internetseite – bewusst oder unbewusst – missverständlich gestaltet, so ist für den Empfänger erkennbar, dass sich der Erklärende möglicherweise im Irrtum befand. Er darf in einem solchen Fall die Erklärung nicht als Ausdruck eines Rechtsfolgewillens verstehen7. Schon aus der Lehre vom normativen Empfängerhorizont lässt sich in einem solchen Fall herleiten, dass es an einer Äußerung fehlt, die als rechtsgeschäftliche Erklärung zu werten ist. 1 2 3 4
Koos, K&R 2002, 617, 620 ff.; Leonti, ITRB 2002, 242. Härting, Recht der Mehrwertdienste, Rdnr. 53. Kramer in MünchKomm-BGB, vor § 116 Rdnr. 8. Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 20; vgl. auch Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 67. 5 Härting, Recht der Mehrwertdienste, Rdnr. 51. 6 Brox, AT, Rdnr. 85; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rdnr. 17; Larenz/Wolf, AT, § 28 Rdnr. 13; Medicus, AT, Rdnr. 607; BGH vom 7.6.1984, NJW 1984, 2279; BGH vom 2.11.1989, BGHZ 109, 171, 177; OLG Köln vom 8.12.2006, CR 2007, 598, 599; a.A. Canaris, NJW 1984, 2281. 7 Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 23.
66
I. Elektronische Willenserklärungen
Entgegen der herrschenden Meinung1 kommt es bei fehlendem Erklärungsbewusstsein auf die – dem Recht der Willenserklärung wesensfremde – Frage, ob der Erklärende seinen Irrtum verschuldet hat, nicht an. Vielmehr muss das entscheidende Kriterium die objektiv zu beurteilende Frage sein, wie der Erklärungsempfänger den Erklärenden verstehen durfte. Hat der Internetanbieter seine Website missverständlich gestaltet, sodass es zu einer Erklärung mit fehlendem Erklärungsbewusstsein kommt, scheitert die Zurechnung der Willenserklärung nicht am fehlenden Verschulden auf Seiten des Erklärenden, sondern – nach der Lehre vom normativen Empfängerhorizont – an der Erkennbarkeit des Irrtums für den Erklärungsempfänger.
259
Die Frage, wie der Empfänger redlicherweise das verstehen darf, was er auf seinem Computerbildschirm vorfindet, ist bei vernünftiger, interessengerechter Wertung auch in den Fällen fehlenden Handlungswillens zu stellen2. Im Zeitalter moderner Kommunikationstechnik kann das Risiko versehentlichen Handelns nicht einschränkungslos dem Empfänger einer Willensäußerung aufgebürdet werden, da der Empfänger üblicherweise keine Möglichkeit hat, sich von dem Handlungswillen des Erklärenden zu überzeugen. Nur wenn aus Sicht des Empfängers begründeter Anlass besteht, am Handlungswillen zu zweifeln, kommt eine abweichende Wertung in Betracht. Die für einen sachgerechten Interessenausgleich zu befürwortende Grenzziehung lässt sich ohne weiteres durch die Anwendung der Lehre vom normativen Empfängerhorizont erreichen.
260
Wird per E-Mail eine Erklärung abgegeben, die aus der Sicht des Empfängers als Äußerung eines Rechtsfolgewillens verstanden werden darf, so ist der Tatbestand einer Willenserklärung erfüllt. Bei fehlendem Handlungswillen bzw. fehlendem Erklärungsbewusstsein schaffen die Vorschriften des Anfechtungsrechts (§§ 119 ff. BGB) einen angemessenen Ausgleich zwischen den Schutzinteressen des Absenders und denjenigen des Empfängers.
261
Die Beurteilung nach dem normativen Empfängerhorizont ermöglichte auch in den Dialer-Fällen interessengerechte Lösungen. Wurde der Internetnutzer durch eine trickreiche Ausgestaltung der Eingabefenster zur unbemerkten oder doch ungewollten Betätigung des Dialers veranlasst, so war der Irrtum für den Betreiber der Website erkennbar. Daher fehlte es an einer Willenserklärung des Nutzers, sodass kein Vertrag mit dem Internetanbieter zustande kam und keine Zahlungsverpflichtung des Nutzers bestand3.
262
1 Brox, AT, Rdnr. 85; Larenz/Wolf, AT, § 28 Rdnr. 13; Medicus, AT, Rdnr. 607; BGH vom 7.6.1984, NJW 1984, 2279. 2 A.A. Kramer in MünchKomm-BGB, vor § 116 Rdnr. 8; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rdnr. 3; Medicus, AT, Rdnr. 606. 3 Härting, Recht der Mehrwertdienste, Rdnr. 52.
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B. Vertragsrecht
263
Keine Schwierigkeiten bereitet das dritte subjektive Merkmal einer „idealtypischen“ Willenserklärung – der Geschäftswille. Hierunter versteht man den auf ein bestimmtes Geschäft gerichteten Willen. Fehlt es am Geschäftswillen, so liegt dennoch eine Willenserklärung vor, die nach Maßgabe der §§ 119 ff. BGB angefochten werden kann1. 3. Wirksamkeit elektronischer Willenserklärungen a) Abgabe
264
Die Abgabe ist die erste Voraussetzung für das Wirksamwerden einer Willenserklärung. Hierzu ist nach der gängigen Definition notwendig, dass der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist2. Mit anderen Worten: Die Erklärung muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein3.
265
Auf den Zeitpunkt der Abgabe von Willenserklärungen kann es beispielsweise ankommen, wenn der Erklärende zwischen der Abgabe und dem Zugang seiner Erklärung stirbt oder geschäftsunfähig wird (§ 130 Abs. 2 BGB). Des Weiteren ist der Abgabezeitpunkt maßgeblich für die Frage, ob Widerrufs- oder Rückgaberechte fristgerecht ausgeübt worden sind (§ 355 Abs. 1 Satz 2 und § 356 Abs. 2 Satz 2 BGB).
266
Wird eine Willenserklärung per E-Mail abgegeben, so ist der Abgabezeitpunkt ohne weiteres bestimmbar. Letzter Schritt bei der Erstellung und Versendung einer E-Mail ist das „Abschicken“ der Nachricht per Mausklick. Wird die Nachricht abgeschickt, so wird die Nachricht damit in den Verkehr gebracht4.
267
Ohne größere Schwierigkeiten lässt sich der Abgabezeitpunkt auch bei anderen elektronisch übermittelten Willenserklärungen bestimmen. Bei der Übermittlung eines ausgefüllten Web-Formulars oder beim Chat bedarf es zur Versendung der jeweiligen Daten stets eines (letzten) Mausklicks bzw. Tastendrucks. Durch diesen Klick erfolgt die Abgabe der Erklärung.
268
Bei digital erzeugten Erklärungen legt der Erklärende mit der Programmierung der Software zugleich den Abgabezeitpunkt fest. Ebenso wie die Programmierung den Inhalt der Erklärung vorab bestimmt, erfolgt auch 1 Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rdnr. 6; Kramer in MünchKomm-BGB, vor § 116 Rdnr. 15; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rdnr. 40. 2 Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rdnr. 13; Ellenberger in Palandt, § 130 Rdnr. 4; Flume, AT II, S. 225 f. 3 Brox, AT, Rdnr. 143; Köhler, AT, § 6 Rdnr. 12; BGH vom 30.5.1975, BGHZ 65, 13, 14; BGH vom 11.5.1979, NJW 1979, 2032. 4 Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 222 f.; Fritzsche/Malzer, DNotZ 1995, 3, 11; Heermann, K&R 1999, 6, 8.
68
I. Elektronische Willenserklärungen
vorab eine Definition des Zeitpunkts der Abgabe, die in der endgültigen Freigabe der Erklärung liegt1. Probleme können bei der Abgabe von Willenserklärungen entstehen, wenn die Erklärung ohne Zutun des Erklärenden in den Rechtsverkehr gelangt. Schickt beispielsweise ein Mitarbeiter eine E-Mail ab, die sein Chef – nach dem Eindruck des Mitarbeiters versehentlich – im „Entwürfe“-Postfach „vergessen“ hat, so erreicht die Erklärung den Empfänger, ohne dass auf Seiten des Erklärenden ein willentlicher Entäußerungsakt feststellbar ist2.
269
An einem willentlichen Entäußerungsakt fehlt es auch, wenn das Versehen dem Erklärenden selbst unterläuft. Nicht selten werden E-MailAdressen falsch eingegeben oder übernommen oder Absende-Buttons versehentlich angeklickt. Bei Programmierfehlern können zudem auch elektronisch erzeugte Erklärungen in den Verkehr gelangen, ohne dass der Erklärende eine Erklärungshandlung gegenüber dem Empfänger vornehmen wollte.
270
Die herrschende Meinung befürwortet eine Lösung des Lehrbuchfalls einer versehentlich abgegebenen Willenserklärung durch dieselben Kriterien, die nach überwiegender Auffassung für die Fälle fehlenden Erklärungsbewusstseins gelten3. Nicht willentlich abgegebene Willenserklärungen sollen demnach den willentlich abgegebenen Willenserklärungen gleichzustellen sein, wenn der Erklärende das „In-Verkehr-Bringen“ zu vertreten hat4.
271
Interessengerechter und dogmatisch überzeugender erscheint es, auch die Rechtsfolgen versehentlich abgegebener Willenserklärungen ausschließlich nach den anerkannten Auslegungskriterien für Willenserklärungen – objektiv – zu beurteilen und den normativen Empfängerhorizont für maßgebend zu erachten. Darf der Empfänger einer Erklärung redlicherweise davon ausgehen, dass ihn die Erklärung mit dem Willen des Erklärenden erreicht hat, so verdient sein Vertrauen auf das Vorliegen einer wirksamen Willenserklärung Schutz. Dem Erklärenden bleibt dann die Möglichkeit, von den nicht gewollten Folgen seiner Erklärung durch Anfechtung Abstand zu nehmen, wobei § 122 BGB den Empfänger ausrei-
272
1 Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 147. 2 Ellenberger in Palandt, § 130 Rdnr. 4; Spindler/Wiebe in Spindler/Schuster, § 130 Rdnr. 5 3 Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 33; Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rdnr. 14; Ellenberger in Palandt, § 130 Rdnr. 4; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rdnr. 36 ff.; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 840. 4 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 130 Rdnr. 4; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rdnr. 33 ff.; Medicus, AT, Rdnr. 605
69
B. Vertragsrecht
chend vor Schäden schützt, die auf Grund seines Vertrauens auf das Vorliegen einer wirksamen Willenserklärung entstanden sind1. 273
Die elektronische Übermittlung von Erklärungen ist ein Massenphänomen. Für den Empfänger einer elektronisch übermittelten Erklärung ist die Motivationslage des Erklärenden in aller Regel nicht erkennbar. Nur wenn der Empfänger – etwa durch eine bewusst unübersichtliche Ausgestaltung eines Bestellformulars – selbst den Irrtum des Erklärenden (mit)verursacht, wird man sagen können, dass er nicht auf einen Abgabewillen vertrauen durfte. b) Zugang
274
Für die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB deren Zugang erforderlich, wenn die Willenserklärung in Abwesenheit des Empfängers abgegeben wird.
275
Nicht als Erklärungen unter Abwesenden, sondern als Erklärungen gegenüber Anwesenden gelten Willenserklärungen, die mittels Fernsprecher oder einer sonstigen technischen Einrichtung abgegeben werden (§ 147 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Erweiterung des § 147 Abs. 1 Satz 2 BGB auf „sonstige technische Einrichtungen“ wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Geschäftsverkehr vom 13.7.20012 eingeführt und dient der Erfassung elektronischer Techniken, die eine unmittelbare Kommunikation von Person zu Person ermöglichen3.
276
§ 147 Abs. 1 Satz 2 BGB findet nur auf die Formen elektronischer Kommunikation Anwendung, die unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit mit dem Telefonat vergleichbar sind. Der Chat ist demnach als Kommunikation unter Anwesenden anzusehen, nicht jedoch die Übermittlung von E-Mails4. aa) Erklärung unter Anwesenden
277
Da § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Willenserklärungen unter Anwesenden keine Anwendung findet, ist deren Zugang für das Wirksamwerden nicht erforderlich. Allerdings gilt die „Vernehmungstheorie“, die für das Wirksamwerden einer Willenserklärung unter Anwesenden grundsätzlich ver1 Koch, Internet-Recht, S. 121; Vehslage, AnwBl. 2002, 86; vgl. auch Jauernig in Jauernig, § 130 Rdnr. 1. 2 BGBl. I 2001, S. 1542. 3 Ellenberger in Palandt, § 147 Rdnr. 5; Spindler/Wiebe in Spindler/Schuster, § 147 Rdnr. 2. 4 Spindler/Wiebe in Spindler/Schuster, § 147 Rdnr. 2; Vehslage, AnwBl. 2002, 86, 88.
70
I. Elektronische Willenserklärungen
langt, dass der Empfänger die Erklärung tatsächlich wahrnimmt1. Nicht oder falsch verstandene Erklärungen werden nur wirksam, wenn der Erklärende nach den für ihn erkennbaren Umständen davon ausgehen darf, dass der Empfänger die Erklärung richtig und vollständig verstanden hat2. Wird eine Willenserklärung per Chat abgegeben, so wird sie wirksam, sobald sie den Empfänger erreicht. Verständnisfehler gehen zu Lasten des Empfängers, wenn der Erklärende redlicherweise davon ausgehen durfte, vollständig und richtig verstanden zu werden.
278
bb) Erklärung unter Abwesenden
Übersicht
279
Zugang elektronischer Willenserklärungen – Zugang bei Unternehmern: Zugang mit Eingang der E-Mail bei dem Provider, bei dem der Unternehmer E-Mail-Accounts unterhält. Sofern kein „Service rund um die Uhr“ angeboten wird, tritt Zugang nur während der üblichen Geschäftszeiten ein. – Zugang bei Verbrauchern: Vom Verbraucher kann kein sofortiger Abruf von E-Mails erwartet werden. Sicher ist der Zugang erst bei tatsächlicher Kenntnisnahme3. – Störungen im Verantwortungsbereich des Empfangsproviders: Zugang tritt dennoch ein, da der Provider Empfangsbote ist. – Störungen außerhalb des Bereichs des Empfangsproviders: Zugang scheitert an der fehlenden Möglichkeit des Empfängers, die E-Mail zur Kenntnis zu nehmen. – Störungen wegen Inkompatibilität von Software: Zugang tritt dennoch ein, wenn der Absender nicht mit der Inkompatibilität rechnen musste. – Störungen wegen überfüllter Mailbox: Wird der Absender von dem Fehlschlag der Übermittlung benachrichtigt und unternimmt er nach Erhalt der Benachrichtigung unverzüglich einen weiteren (erfolgreichen) Übermittlungsversuch, so kann sich der Empfänger nicht auf den Fehlschlag der (rechtzeitigen, ersten) Übermittlung berufen. Erhält der Absender keine Nachricht von dem Fehlschlag, so kann er redlicherweise mit der Kenntnisnahme rechnen, sodass Zugang eintritt, ohne dass es eines weiteren Übermittlungsversuchs bedarf. 1 Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rdnr. 28; Ellenberger in Palandt, § 130 Rdnr. 14; Flume, AT II, S. 240; Larenz/Wolf, AT, § 26 Rdnr. 34; Medicus, AT, Rdnr. 289. 2 Ellenberger in Palandt, § 130 Rdnr. 14; Larenz/Wolf, AT, § 26 Rdnr. 35; Medicus, AT, Rdnr. 289. 3 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 864; Ultsch, NJW 1997, 3008, 3009.
71
B. Vertragsrecht
280
Nach der gängigen Definition sind empfangsbedürftige Willenserklärungen unter Abwesenden i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen1.
281
Die Zugangsdefinition wird allgemein so verstanden, dass sie auf zwei gleichrangige Merkmale abstellt, nämlich zum Einen auf die Ankunft im sogenannten „Machtbereich“ des Empfängers und zum Anderen auf dessen Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Erklärung2. Elektronisch übermittelte Willenserklärungen liefern demgegenüber ein anschauliches Beispiel dafür, dass der „Machtbereich“ des Empfängers letztlich nur eine Hilfskonstruktion ist zur Beantwortung der allein entscheidenden Frage, ob und wann der Erklärende damit rechnen darf, dass der Empfänger die Erklärung zur Kenntnis nimmt.
282
Wird eine E-Mail versandt, so gelangt sie zunächst auf den Server des Providers, bei dem der Empfänger einen Mail-Account eingerichtet hat. Dass die Nachricht bereits damit den Machtbereich des Empfängers erreicht, dessen Computer sich unter Umständen auf einem anderen Kontinent befindet, lässt sich zwar vertreten, hierzu bedarf es jedoch einer Argumentation, die den Begriff des „Machtbereichs“ weit über dessen natürlichen Wortsinn hinaus strapaziert. Demgegenüber lässt sich die Möglichkeit der Kenntnisnahme ohne weiteres bejahen, wenn der Empfänger jederzeit durch eine Datenabfrage bei dem Provider Zugriff auf die E-Mail nehmen kann3.
283
An einer Möglichkeit der Kenntnisnahme fehlt es, wenn die Übermittlung fehlschlägt, beispielsweise wegen technischer Fehler oder einer falschen Adressierung. Eine E-Mail an den Empfänger X, die mit [email protected] anstatt [email protected] adressiert wird und deshalb nicht übermittelt werden kann, geht X nicht zu.
284
Anders sieht es aus, wenn der Empfänger die E-Mail nicht zur Kenntnis nimmt, weil ein automatischer Mailfilter, der Viren- und Spam-Mails ausfiltern soll, eine rechtserhebliche E-Mail gelöscht hat. Unabhängig davon, ob die Mail schon bei dem E-Mail-Provider des Empfängers oder erst auf dem Computer des Nutzers gefiltert wird, ist jedenfalls für den Erklä1 Brox, AT, Rdnr. 149; Flume, AT II, S. 230; BGH vom 3.11.1976, BGHZ 67, 271, 275; BGH vom 13.2.1980, NJW 1980, 990, 991; BGH vom 27.10.1982, NJW 1983, 929, 930. 2 Ellenberger in Palandt, § 130 Rdnr. 5; Flume, AT II, S. 230; Larenz/Wolf, AT, § 26 Rdnr. 21. 3 Ernst, NJW-CoR 1997, 165, 166; Godefroid, BAnwBl. 2000, 374, 375; Herwig, MMR 2001, 145, 146; Mehrings, MMR 1998, 30, 33; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841; Ultsch, NJW 1997, 3007, 3007 f.; LG Nürnberg-Fürth vom 7.5.2002, NJW-RR 2002, 1721, 1722; AG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008, MMR 2009, 507 (Ls.).
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I. Elektronische Willenserklärungen
renden die fehlende Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht erkennbar. Daher ist der Zugang trotz des Spam-Filters zu bejahen. Scheitert der rechtzeitige Zugang einer Willenserklärung an dem Fehlen geeigneter Empfangsvorkehrungen, so kann sich der Empfänger auf den verspäteten Zugang nicht berufen. Dieser allgemein anerkannte Grundsatz gilt auch für digitale Willenserklärungen1 und leitet sich aus § 242 BGB ab2 bzw. daraus, dass der Absender, der vom Fehlen geeigneter Vorrichtungen nichts weiß, mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger rechnen kann. Wer beispielsweise seinen Mail-Account stilllegt oder Mails nicht zur Kenntnis nimmt3, muss für eine anderweitige Erreichbarkeit sorgen, wenn er mit dem Zugang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen muss. Darüber hinaus hat er seine Geschäfts- bzw. Vertragspartner, von denen die Übersendung digitaler Willenserklärungen zu erwarten ist, unverzüglich über das Zugangshindernis zu informieren. Verletzt er diese Obliegenheiten, ist ihm der Einwand des verspäteten Zugangs verwehrt.
285
Zugangsstörungen können vielfältige Ursachen und Erscheinungsformen haben. So kann der Zugang einer E-Mail beispielsweise daran scheitern, dass die Nachricht den Mail-Server des Empfängers auf Grund von Netzstörungen nicht erreicht. Dies geht zu Lasten des Absenders, da der Empfänger keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hat und keine Verantwortung für die Störung trägt4.
286
Anders zu beurteilen sind Störungen im Bereich des Providers, bei dem der Empfänger seinen Mail-Account eingerichtet hat. Der Inhaber des Accounts bedient sich des Providers, um elektronische Erklärungen entgegenzunehmen. Dies spricht dafür, den Provider als Empfangsboten anzusehen.
287
Kommt es auf Grund von technischen Störungen bei dem Provider des Empfängers dazu, dass Nachrichten verspätet, falsch oder überhaupt nicht übermittelt werden, geht dies zu Lasten des Empfängers5. Kann eine beim Provider gespeicherte E-Mail daher wegen eines Computerabsturzes nicht abgerufen werden, so kann sich der Empfänger der E-Mail
288
1 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 53; Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 172; Spindler/Wiebe in Spindler/Schuster, § 130 BGB Rdnr. 15. 2 Brox, AT, Rdnr. 159; Einsele in MünchKomm-BGB, § 130 Rdnr. 35 f.; Köhler, AT, § 6 Rdnr. 18; Larenz/Wolf, AT, § 26 Rdnr. 46; Medicus, AT, Rdnr. 278 f. 3 Vgl. OLG Düsseldorf vom 26.3.2009, ITRB 2010,129 f. (Intveen). 4 Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 63 f.; Spindler/Wiebe in Spindler/ Schuster, § 130 Rdnr. 15. 5 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 45; Strömer, Online-Recht, S. 315; a.A. Nowak, MDR 2001, 841, 842; differenzierend: Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 63 f.
73
B. Vertragsrecht
nicht darauf berufen, die Nachricht nicht oder erst verspätet erhalten zu haben. 289
Gelegentlich scheitert die elektronische Übermittlung von Daten an der Inkompatibilität der Software, die die Parteien verwenden. Auch in einem solchen Fall ist die Absendersicht maßgebend1. Kann der Absender redlicherweise erwarten, dass seine Nachricht lesbar ist, so geht die Nachricht trotz fehlender Lesbarkeit zu. Anderenfalls scheitert der Zugang an der fehlenden Kompatibilität.
290
Die Übermittlung einer E-Mail kann auch daran scheitern, dass die Kapazitätsgrenze des Mail-Accounts des Empfängers erreicht ist und der Account daher wegen Überfüllung keine weiteren Nachrichten aufnehmen kann. Zumeist wird der Absender von dem Fehlschlag der Übermittlung benachrichtigt („Bounce-Mail“), sodass er nicht von einer Kenntnisnahme durch den Empfänger ausgehen kann. Unternimmt der Absender in einem solchen Fall einen weiteren, erfolgreichen Übermittlungsversuch, so kann sich der Empfänger gemäß § 242 BGB auf den verspäteten Zugang nicht berufen, da er die Verantwortung für den Fehlschlag der ersten Übermittlung trägt2.
291
Erlangt der Absender keine Kenntnis von der Überfüllung des Mail-Accounts, so kann er redlicherweise die Kenntnisnahme durch den Empfänger erwarten3. Der Zugang der Erklärung tritt somit ein, ohne dass ein zweiter Übermittlungsversuch notwendig ist.
292
Kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs einer Willenserklärung an, so ist auf ähnliche Kriterien abzustellen wie bei postalisch oder per Telefax übermittelten Willenserklärungen. Wer geschäftlich seine E-MailAdresse benutzt, muss damit rechnen, dass ihm während der üblichen Geschäftszeiten Nachrichten und Erklärungen per E-Mail zugehen4. E-Mails, die während dieser Zeiten eingehen, gehen daher noch am selben Tag zu. Bei einer Versendung außerhalb der üblichen Geschäftszeiten, d.h. insbesondere nachts oder am Wochenende, tritt der Zugang am nächsten Geschäftstag ein5. Von einem Verbraucher wird man keinen ständigen Abruf von E-Mails erwarten können, sodass zeitkritische, ins1 Vgl. Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 265. 2 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 53; Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 170; Spindler/Wiebe in Spindler/Schuster, § 130 Rdnr. 15. 3 Vgl. Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 53; Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 63 f.; Spindler/Wiebe in Spindler/Schuster, § 130 Rdnr. 15; 4 Koch, Internet-Recht, S. 107 f.; Ernst, NJW-CoR 1997, 165, 166; Dietrich, K&R 2002, 138, 142; Heun, CR 1994, 595, 598; Mehrings, MMR 1998, 30, 33; Paefgen, JuS 1988, 592, 594; Ultsch, NJW 1997, 3007, 3007 f.; OLG Köln vom 1.12.1989, NJW 1990, 1608, 1609 für Btx; LG Nürnberg-Fürth vom 7.5.2002, NJW-RR 2002, 1721. 5 Ultsch, NJW 1997, 3007, 3007 f.
74
I. Elektronische Willenserklärungen
besondere fristwahrende Erklärungen an Verbraucher möglichst nicht per E-Mail übermittelt werden sollten1. Das Internet kennt keinen Ladenschluss. Dementsprechend gehört es zu den Vorzügen von Internetangeboten, dass rund um die Uhr Bestellungen entgegengenommen und bearbeitet werden. Werden daher elektronische Willenserklärungen an den Betreiber eines Internetshops übermittelt, gehen die Erklärungen sofort bei Eingang in den Mail-Account zu, da der Absender stets mit der sofortigen Kenntnisnahme rechnen darf.
293
cc) Zugangsbeweis
Ist der Zugang einer E-Mail streitig, so trägt der Absender nach allgemeinen Grundsätzen das Beweisrisiko.
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Der Zugangsbeweis lässt sich weder allein mit dem Ausdruck einer E-Mail noch mit dem Datensatz führen, den die E-Mail verkörpert. Auch eine Verschlüsselung und elektronische Signaturen geben für den Zugangsbeweis nichts her2. Geführt werden kann der Zugangsbeweis allerdings mit einer Eingangsbestätigung des Empfängers3.
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Vereinzelt geblieben ist bislang die Auffassung, dass ein Anscheinsbeweis für den Zugang einer Mail gelte, wenn keine „Bounce-Mail“ zurückkommt, das heißt eine Mail, in der der Versender über die fehlgeschlagene Zustellung unterrichtet wird4. Die Annahme eines solchen Anscheinsbeweises dürfte (noch) zu weit gehen, da es jedenfalls keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich auf eine erfolgreiche Übermittlung schließen lässt, wenn keine „Bounce-Mail“ beim Versender eingeht.
296
Die praktische Tragweite des Beweisrisikos beim Zugang von E-Mails wird vielfach überschätzt. In unzähligen Prozessen werden E-Mail-Ausdrucke zu Beweiszwecken verwendet, ohne dass der Zugangsbeweis Schwierigkeiten bereitet. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich der Zugang einer E-Mail oft bereits daraus ergibt, dass der Empfänger die E-Mail beantwortet hat.
297
➲ Praxistipp: Um Schwierigkeiten bei dem Zugangsbeweis zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Empfänger der Mail um eine Eingangsbestätigung zu bitten. Wenn die Eingangsbestätigung verweigert wird, ist eine anderweitige Zustellung – etwa postalisch per Einschreiben mit Rückschein – zu erwägen.
298
1 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 864. 2 Vgl. Heermann, K&R 1999, 6, 9. 3 Koch in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 71; Mankowski, NJW 2004, 1901, 1906. 4 AG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008, MMR 2009, 507 (Ls.).
75
B. Vertragsrecht
II. Zustandekommen von Online-Verträgen 299
300
Nach dem Modell der §§ 145 ff. BGB kommt ein Vertrag durch die Annahme eines Antrages zustande. Auch bei Internetverträgen stellt sich daher die Frage, welche Anforderungen an einen Antrag i.S.d. § 145 BGB zu stellen sind. Des Weiteren ist zu überlegen, welche Besonderheiten es im elektronischen Geschäftsverkehr für die Annahme eines Antrages gibt.
Übersicht Vertragsschluss im Netz – Website mit Bestellformular: In aller Regel bloße invitatio ad offerendum; – Bestellung per Formular: Antrag gemäß § 145 BGB; – Eingangsbestätigung: Unverzügliche Übersendung erforderlich im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB); Eingangsbestätigung kann, muss jedoch nicht zugleich Annahmeerklärung sein; – Annahmeerklärung: Vertragsschluss durch ausdrückliche Annahmeerklärung oder Warenversand; im elektronischen Geschäftsverkehr keine Entbehrlichkeit des Zugangs kraft Verkehrssitte (§ 151 Satz 1 BGB). 1. Antrag
301
Wer auf einer Website Waren oder Dienstleistungen zur sofortigen Bestellung anbietet, begibt sich damit in das Stadium der Vertragsanbahnung. Für den Nutzer einer solchen Website stellt sich die Frage, ob er im Falle einer Bestellung damit rechnen kann, dass eine vertragliche Bindung entsteht.
302
Für die Frage, ob eine Waren- bzw. Dienstleistungspräsentation im Internet bereits als Antrag zum Vertragsschluss i.S.d. §§ 145 ff. BGB oder als bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum) zu werten ist, ist ausschließlich der Verständnishorizont des Internetnutzers ausschlaggebend1.
303
Für den Nutzer einer Website ist erkennbar, dass die Website von einer unbegrenzten Vielzahl von Personen aufgerufen werden kann und somit für den Anbieter eine Situation besteht, in der die Bestellungen die vorhandenen Kapazitäten bei weitem übersteigen können. Der Wille desjenigen, der vertragliche Leistungen im Internet anbietet, ist erkennbar da1 Vgl. Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 87; BGH vom 12.3.1992, NJW 1992, 1446, 1447; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558.
76
II. Zustandekommen von Online-Verträgen
rauf gerichtet, zunächst Bestellungen entgegenzunehmen und sodann selbst zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er auf Grund dieser Bestellungen vertragliche Bindungen eingehen möchte. Das Leistungsangebot im Internet ist daher im Normalfall nicht als Antrag zum Abschluss von Verträgen gemäß §§ 145 ff. BGB, sondern als bloße invitatio ad offerendum zu werten1. Der Mausklick des Internetnutzers, durch den das ausgefüllte Bestellformular abgeschickt wird, ist sodann als Antrag zu qualifizieren. Der erkennbare Wille des Internetanbieters, durch die Warenpräsentation noch keine Bindung einzugehen, ergibt sich auch daraus, dass der Anbieter anderenfalls keine Möglichkeit hätte, vor Vertragsschluss die Bonität seiner Kunden zu prüfen. Der Internethändler hat ein schutzwürdiges Interesse, bereits vor einer vertraglichen Bindung das Risiko eines Forderungsausfalls infolge Zahlungsunfähigkeit des Kunden so gering wie möglich zu halten und zahlungsunwillige sowie querulatorische Kunden abzulehnen2.
304
Eine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich für den Nutzer der Website – ausnahmsweise – kein Interesse des Anbieters erkennen lässt, sich die Annahme eines Antrags vorzubehalten. Dies kann etwa der Fall sein bei kostenpflichtigen Online-Datenbanken, bei denen der Anbieter ein erkennbares Interesse an der möglichst häufigen Nutzung der Datenbank hat, ohne dass sich Kapazitätsprobleme stellen. Will der Anbieter auch in diesen Fällen erst nach einer Prüfung der Identität des Kunden kontrahieren, muss er dies auf der Website deutlich machen.
305
Wenn Waren oder Dienstleistungen nicht auf einer eigenen Website, sondern auf einem Portal wie mobile.de angeboten werden, gelten keine Besonderheiten. Auch dort ist das Interesse des Anbieters offenkundig, von nicht erfüllbaren vertraglichen Verpflichtungen (Doppelverkauf) freigehalten zu werden. Daher stellen auch derartige Präsentationen keinen Antrag gemäß § 145 BGB dar3.
306
2. Annahme
Geht bei dem Leistungsanbieter eine Bestellung ein, so hat er die Möglichkeit, den Vertrag durch eine Annahmeerklärung zustande zu bringen. 1 Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 186; Koch, Internet-Recht, S. 103 f.; Kuhn, Rechtshandlungen mittels EDV und Telekommunikation, S. 112 für Btx; Härting, ITRB 2004, 61; Lauktien/Varadinek, ZUM 2000, 466, 467; Kaiser/Voigt, K&R 1999, 445, 446; Waldenberger, BB 1996, 2365; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; OLG Nürnberg vom 10.6.2009, MMR 2010, 31; AG Butzbach vom 14.6.2002, NJW-RR 2003, 54, 55; AG Hamburg-Barmbek vom 21.11.2003, NJW-RR 2004, 1284; AG Westerburg vom 14.3.2003, CR 2003, 699; a.A. Mehrings, MMR 1998, 30, 32. 2 OLG Nürnberg vom 10.6.2009, MMR 2010, 31. 3 OLG Stuttgart vom 12.7.2006, MMR 2006, 819.
77
307
B. Vertragsrecht
Hierbei hat er die Annahmefristen zu berücksichtigen, die sich aus den §§ 147 ff. BGB ergeben. Hat der Besteller keine Annahmefrist bestimmt (§ 148 BGB), so kommt es gemäß § 147 Abs. 2 BGB für die Reaktionszeit auf den Zeitraum an, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dieser Zeitraum wird im Normalfall kürzer zu bemessen sein als bei postalischer Übermittlung1, da der Besteller nach dem Grundsatz der Korrespondenz der Beförderungsmittel2 mit einer beschleunigten Annahme per E-Mail rechnen kann. 308
§ 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB verpflichtet den Unternehmer, der über das Internet Bestellungen entgegennimmt, zur unverzüglichen Bestätigung des Bestellungseingangs. Der Unternehmer kann diese Eingangsbestätigung mit einer Annahmeerklärung verbinden. Möchte er sich – wie zumeist – die Entscheidung über den Vertragsschluss noch vorbehalten, so sollte er sich um eine Formulierung bemühen, die dies klar zum Ausdruck bringt3.
309
Um der Verpflichtung zu einer Eingangsbestätigung gemäß § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB nachzukommen, haben viele Anbieter den Bestellvorgang so eingerichtet, dass der Besteller automatisch eine Bestätigungsmail erhält. Geht aus dem Inhalt einer solchen Mail nicht hervor, dass sich der Anbieter die Entscheidung über den Vertragsschluss noch offen halten möchte, so ist die Mail als Annahmeerklärung zu werten4. Ein Vertrag ist dann auf Grund einer digital erzeugten Willenserklärung des Anbieters zustande gekommen. Hierfür reicht allerdings die bloße Bestätigung der „Aufnahme“ einer Bestellung nicht aus5.
310
➲ Praxistipp: Internetanbieter sollten bei der Formulierung von Eingangsbestätigungen gemäß § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB darauf achten, dass die Bestätigung nicht als Annahmeerklärung missverstanden werden kann: „Ihre Bestellung vom xx.yy.20zz ist bei uns eingegangen und wird umgehend bearbeitet. Eine Entscheidung über die Annahme Ihrer Bestellung behalten wir uns vor. Sie erhalten von uns hierüber gesondert Nachricht.“
1 LG Hamburg vom 9.7.2004, NJW-RR 2004, 1568, 1569. 2 Kramer in MünchKomm-BGB, § 147 Rdnr. 7; Wolf in Soergel, § 147 Rdnr. 8. 3 Vgl. Härting, ITRB 2004, 61, 65; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, NJW 2003, 367; OLG Nürnberg vom 10.6.2009 MMR 2010, 31 f.; AG Butzbach vom 14.6.2002, MMR 2002, 765. 4 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; LG Köln vom 16.4.2003, CR 2003, 613; LG Wiesbaden vom 20.11.2002, Az. 6 O 188/01; AG Butzbach vom 14.6.2002, NJW-RR 2003, 54, 55; AG Wolfenbüttel vom 14.3.2003, MMR 2003, 492. 5 LG Hamburg vom 15.11.2004, MMR 2005, 121 mit Anm. Lindhorst; LG Hamburg vom 9.7.2004, NJW-RR 2004, 1568.
78
III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen
Im herkömmlichen Versandhandel gilt der Zugang einer Annahmeerklärung kraft Verkehrssitte als entbehrlich1 mit der Folge, dass ein Vertrag gemäß § 151 Satz 1 BGB auch ohne Zugang einer Annahmeerklärung geschlossen wird. Der Vertrag kommt zustande, sobald der Versandhändler die bestellte Ware aussondert und absendet2. In der Aussonderung und Absendung der Ware ist die Annahmeerklärung zu sehen, die keines Zugangs bedarf.
311
Ob sich diese Grundsätze ohne weiteres auf den elektronischen Versandhandel übertragen lassen, ist fraglich. Mit der E-Mail steht dem Unternehmer ein einfaches und kostengünstiges Mittel zur Übermittlung einer Annahmeerklärung zur Verfügung, das sich auch im Massenverkehr ohne übermäßigen Aufwand einsetzen lässt und für Erklärungen über die Annahme von Bestellungen vielfach genutzt wird.
312
In seltenen Fällen kann man aus dem bloßen Schweigen des Empfängers einer Bestellung auf eine Annahmeerklärung schließen. Das Schweigen des Empfängers erfüllt nur dann den Tatbestand einer vertraglichen Willenserklärung, wenn die Parteien dies – etwa im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung – ausdrücklich vereinbart haben oder wenn der Schweigende ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden Willen zu äußern3.
313
III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen 1. Grundlagen
Auktionsplattformen gehören zu den am häufigsten frequentierten Websites im Netz. Sowohl weltweit als auch in Deutschland ist Ebay mit großem Abstand Marktführer.
314
Das Grundmodell ist bei allen Auktionsplattformen gleich: Private Verkäufer und Händler präsentieren Waren und Dienstleistungen und haben die Möglichkeit, Angebote umfangreich zu beschreiben und zu bebildern. Der Mindestpreis ist in der Regel beliebig wählbar. Ein wertvolles Kraftfahrzeug kann somit beispielsweise zu einem Mindestpreis von 1,00 Euro angeboten werden.
315
Innerhalb eines festgelegten Zeitraums von zumeist mehreren Tagen haben Interessenten die Gelegenheit, Gebote abzugeben. Der Ablauf bei den Geboten entspricht dem Ablauf einer typischen Offline-Auktion: Es muss jeweils das aktuelle Höchstgebot überboten werden, um die anderen Interessenten – zumindest zeitweise – aus dem Rennen zu werfen.
316
1 Kramer in MünchKomm-BGB, § 151 Rdnr. 54; Ellenberger in Palandt, § 151 Rdnr. 4; Larenz/Wolf, AT, § 30 Rdnr. 5; Medicus, AT, Rdnr. 384 f. 2 Vgl. Kaiser/Voigt, K&R 1999, 445, 447. 3 Jauernig in Jauernig, vor § 116 Rdnr. 9; Ellenberger in Palandt, Einf v § 116 Rdnr. 8; Brox, AT, Rdnr. 91; Larenz/Wolf, AT, § 28 Rdnr. 70 ff.
79
B. Vertragsrecht
317
Für das Ende der Auktion wird vorab ein bestimmter Zeitpunkt festgelegt. Wer zu diesem Zeitpunkt das höchste Gebot abgegeben hat, hat die Ware bzw. Dienstleistung ersteigert und ist Vertragspartner des Anbieters geworden.
318
Die genaue Funktionsweise der Auktionen und deren Ablauf werden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers geregelt. Die Teilnahme an einer Auktion setzt zumeist eine vorherige Registrierung unter Anerkennung der Nutzungsbedingungen voraus. Dies gilt sowohl für die Verkäufer als auch für die Käufer.
319
Nicht zu Unrecht bezeichnen die Plattformbetreiber ihre Angebote als Marktplätze. Die Funktion der Plattformen liegt darin, Anbieter und Nachfrager von Waren und Dienstleistungen zusammenzubringen und die Bestimmung des Preises dem Ablauf der Auktion zu überlassen. An den Geschäften, die auf den Plattformen getätigt werden, sind die Betreiber der Plattformen nicht unmittelbar beteiligt.
320
Die Plattformbetreiber verdienen an den Versteigerungen mit. Zahlen muss regelmäßig (nur) der Verkäufer. Üblich sind Angebotsgebühren, die auch dann fällig werden, wenn sich kein Käufer findet, und Verkaufsprovisionen, deren Höhe von dem Erlös abhängt, den der Verkäufer erzielt.
321
Verkäufer und Käufer bleiben bei den Auktionen vielfach anonym. Der Ersteigerer weiß oft nicht, wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt, das der Anbieter verwendet. Umgekehrt erfährt auch der Anbieter vom Ersteigerer meist nicht mehr als dessen Pseudonym.
322
Um die Anonymität der Beteiligten zu durchbrechen, haben Ebay und andere Anbieter Bewertungssysteme eingeführt. Diese Bewertungssysteme ermöglichen es den Beteiligten, nach Vollzug einer Transaktion zu bekunden, ob und inwieweit sie zufrieden mit den Leistungen des Partners waren. Die Bewertungen sind für alle Plattformnutzer sichtbar, sodass sich die Nutzer ein Bild davon verschaffen können, wie erfahren und zuverlässig die einzelnen Anbieter und Bieter sind1. Nach den Nutzungsbedingungen der Plattformbetreiber kann eine Vielzahl von negativen Be1 Zum Rechtsschutz gegen Ebay-Bewertungen: Petershagen, NJW 2008, 953 ff.; OLG Oldenburg vom 3.4.2006, CR 2006, 694 f.; LG Bad Kreuznach vom 13.7.2006, MMR 2006, 823; LG Düsseldorf vom 18.2.2004, CR 2004, 623 f. = MMR 2004, 496 f.; LG Konstanz vom 28.7.2004, NJW-RR 2004, 1635, 1636 = MMR 2005, 54; AG Dannenberg vom 13.12.2005, MMR 2006, 567 ff.; AG Detmold vom 10.11.2006, MMR 2007, 472 f.; AG Eggenfelden vom 16.8.2004, CR 2004, 858 f.; AG Erlangen vom 26.5.2004, CR 2004, 780 f. = MMR 2004, 635; AG Hamburg-Wandsbeck vom 22.12.2005, CR 2006, 424 ff.; AG Koblenz vom 21.6.2006, NJW-RR 2006, 1643, 1644 f.; AG Koblenz vom 2.4.2004, Az. 142 C 330/04, JurPC Web-Dok. 217/2004 = MMR 2004, 638 f.; AG Peine vom 15.9.2004, NJW-RR 2005, 275 f.; AG Schönebeck vom 28.11.2005, Az. 4 C 525/05, JurPC Web-Dok. 117/2006.
80
III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen
wertungen zu einem Kündigungsrecht des Betreibers bzw. zu dem Recht führen, das betreffende Mitgliedskonto zu sperren1. 2. Kaufverträge
An einem Vertrag, der über eine Versteigerungsplattform geschlossen wird, sind drei Parteien beteiligt: der Verkäufer, der Bieter und der Plattformbetreiber. Der Kaufvertrag kommt zwischen dem Bieter und dem Verkäufer zustande. Welche Rolle der Plattformbetreiber bei dem Vertragsschluss einnimmt, hängt von der Ausgestaltung der einzelnen Versteigerungen ab.
323
Denkbar ist, dass der Plattformbetreiber als Versteigerer i.S.d. § 156 BGB auftritt. In diesem Fall kommt der Vertrag mit dem Zuschlag durch den Auktionator zustande (vgl. § 156 Satz 1 BGB)2. Dies setzt jedoch voraus, dass tatsächlich ein Zuschlag erfolgt. Dies ist lediglich bei „Live-Auktionen“ auf Chatbasis der Fall3.
324
Bei den typischen Online-Versteigerungen entscheidet nicht der Hammerschlag des Auktionators, sondern der Zeitablauf darüber, welcher Bieter den Zuschlag erhält. Es handelt sich nicht um einen Vertragsschluss durch Zuschlag gemäß § 156 Satz 1 BGB, sondern um einen „normalen“ Vertragsschluss durch Antrag und Annahme in der Variante eines Verkaufs gegen Höchstgebot4. Mit der Einstellung seiner Ware auf die Auktionsplattform bietet der Verkäufer gemäß § 145 BGB an, an denjenigen zu verkaufen, der innerhalb der Bietfrist das höchste Gebot abgegeben hat5. Jeder Bieter erklärt daraufhin mit der Abgabe seines Gebotes die Annahme des Angebots für den Fall, dass er bei Ablauf der Bietzeit das höchste Angebot abgegeben haben sollte6.
325
Anders als bei der Einstellung von Waren in einen Internetshop entspricht es nicht dem Willen und den Interessen der Parteien, in dem Einstellen der Ware auf Versteigerungsplattformen lediglich eine invitatio ad
326
1 Vgl. KG vom 5.8.2005, NJW-RR 2005, 1630 ff.; OLG Brandenburg vom 17.6.2009, K&R 2009, 592 f.; OLG Brandenburg vom 15.1.2009, MMR 2009, 262 f.; OLG Brandenburg vom 18.5.2005, MMR 2005, 698 f. 2 Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 309. 3 V. Samson-Himmelstjerna/Rücker in Bräutigam/Leupold, Online-Handel, S. 793; Hartung/Hartmann, MMR 2001, 278, 279. 4 V. Samson-Himmelstjerna/Rücker in Bräutigam/Leupold, Online-Handel, S. 793; Günther, ITRB 2002, 93; Mehrings, BB 2002, 469; BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364; LG Berlin vom 16.3.2004, NJW-RR 2004, 1061, 1062; LG Berlin vom 20.7.2004, NJW 2004, 2831, 2832; AG Kehl vom 19.4.2003, CR 2004, 60. 5 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364. 6 Spindler, ZIP 2001, 809, 810; BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364.
81
B. Vertragsrecht
offerendum zu sehen1. Unabhängig von der Person des Käufers und dem letztlich erzielten Höchstpreis soll vielmehr zu den per Versteigerung ermittelten Konditionen kontrahiert werden. 327
Neben den typischen Versteigerungen bieten Versteigerungsplattformen auch einen so genannten Sofortkauf an. Dabei bestimmt der Verkäufer einen Preis, zu dem er – ohne weitere Versteigerung – bereit ist, die Ware abzugeben. Nutzt ein Bieter die Sofortkauf-Option, ist die „Auktion“ beendet, der Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande2.
328
Das Angebot einer Ware zum Sofortkauf auf einer Internetplattform stellt keine bloße invitatio ad offerendum dar, sondern ein verbindliches Angebot an denjenigen, der sich durch das Anklicken der „Sofort-Kaufen“-Option zu dem Vertragsschluss unter den im Angebot genannten Bedingungen bereit erklärt3. Die Erklärung eines Verkäufers, der eine Ware zum Sofortkauf anbietet, ist nicht mit der Erklärung eines Verkäufers vergleichbar, der seine Ware in einem gewöhnlichen Onlineshop anbietet. Jedenfalls bei Ebay steht die „Sofort-Kaufen“-Option nur so lange zur Verfügung, wie der oder die zu diesen Bedingungen angebotenen Artikel überhaupt verfügbar sind. Ist der oder sind die zum Sofortkauf angebotenen Artikel bereits gekauft worden, ist die Wahl der „Sofort-Kaufen“-Option nicht mehr möglich. Da der Verkäufer in Hinblick auf seine Vorratshaltung nicht weiter schutzbedürftig ist, ist seine Willenserklärung als ein verbindliches Angebot anzusehen, das der Käufer durch Anklicken der „Sofort-Kaufen“-Option annehmen kann4. 3. Nutzungsbedingungen
329
Neben den Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer treten die Verträge, die der Betreiber der Versteigerungsplattform mit den einzelnen Nutzern schließt. Diese Verträge sind die Grundlage für die Gebühren- und Provisionsansprüche des Plattformbetreibers gegen die Nutzer bzw. Verkäufer. Darüber hinaus regeln die Nutzungsverträge beispielsweise die Voraussetzungen, unter denen der Plattformbetreiber den Nutzungsvertrag kündigen oder einen Account – vorläufig oder endgültig – sperren kann5. 1 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, S. 271; BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363, 364; OLG Hamm vom 14.12.2000, CR 2001, 117; AG Menden vom 10.11.2003, NJW 2004, 1329. 2 LG Memmingen vom 23.6.2004, NJW 2004, 2389, 2390; LG Saarbrücken vom 7.1.2004, MMR 2004, 556 f.; AG Moers vom 11.2.2004, NJW 2004, 1330. 3 OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008 (Ls.); a.A. Hoffmann, MMR 2006, 676, 677. 4 Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 3171; OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008 (Ls.); LG Memmingen, NJW 2004, 2389, 2390. 5 Vgl. OLG Brandenburg vom 17.6.2009, K&R 2009, 592 f.; OLG Brandenburg vom 15.1.2009, MMR 2009, 262 f.; OLG Brandenburg vom 12.11.2008, MDR 2008, 526 f.
82
III. Zustandekommen von Verträgen bei Internetauktionen
Die Nutzungsbedingungen der Plattformbetreiber haben eine Doppelfunktion: Zum einen gestalten sie das Vertragsverhältnis zwischen dem Betreiber und dem Nutzer der Plattform aus. Zum anderen regeln sie die Funktionsweise und den Ablauf der einzelnen Versteigerungen und somit den Abschluss der einzelnen Kaufverträge1. Der Plattformnutzer darf davon ausgehen, dass sich die anderen Nutzer an die Nutzungsbedingungen halten. Daher gelten die Pflichten der Nutzer, die sich aus den Nutzungsbedingungen ergeben, auch für die einzelnen Kaufverträge, sofern sich nicht aus den individuellen Vereinbarungen der Nutzer etwas anderes ergibt.
330
Die lückenfüllende Funktion der Nutzungsbedingungen bei der Auslegung der einzelnen Verträge, die über die Plattform geschlossen werden, entspricht dem Parteiwillen. Daher ist es weder sachgerecht noch erforderlich, umständliche rechtliche Konstruktionen zu entwickeln2, um eine „Drittwirkung“ der Nutzungsbedingungen zu begründen.
331
Der lückenfüllende Gehalt der Nutzungsbedingungen wird deutlich, wenn Verkäufer ihre Angebote mit Zusätzen versehen, die den Nutzungsbedingungen widersprechen. Dies ist beispielsweise bei gelegentlichen Versuchen der Fall, Auktionsangebote als unverbindlich zu bezeichnen mit dem Zweck, je nach Höhe des Höchstgebots noch entscheiden zu können, ob ein Verkauf tatsächlich erfolgt. Dies verstößt zwar in aller Regel gegen die Nutzungsbedingungen der Plattform, doch hat dies keine Auswirkungen auf das Verhältnis zum Bieter. Wird in einem „Angebot“ eindeutig gesagt, dass es sich lediglich um eine Preisumfrage handelt3 oder der ermittelte Preis lediglich Verhandlungsbasis sei4, so fehlt es bei dem Verkäufer am Rechtsbindungswillen, und ein Vertrag kommt nicht zustande. Die individuellen Angaben des Versteigerers haben bei der Vertragsauslegung Vorrang vor den Nutzungsbedingungen der Plattform5.
332
Aus den Nutzungsbedingungen ergibt sich im Normalfall, dass die „Stornierung“ eines Angebots bzw. der Abbruch einer Internetauktion nur in seltenen Ausnahmefällen erlaubt ist6. Dies entspricht der Regel des § 145 BGB: Der Antrag ist bindend, wenn die Gebundenheit nicht ausgeschlossen ist.
333
Wenn es zu einem Abbruch kommt, ohne dass die in den Nutzungsbedingungen genannten Voraussetzungen vorliegen und ohne dass sich
334
1 2 3 4 5
Vgl. Koch, CR 2005, 502 ff. Vgl. Koch, CR 2005, 501, 504 ff. LG Darmstadt vom 24.1.2002, CR 2003, 295 = NJW-RR 2002, 1139. AG Kerpen vom 25.5.2001, MMR 2001, 711. Vgl. OLG Saarbrücken vom 18.4.2008, OLGR Saarbrücken2008, 621; LG Osnabrück vom 5.10.2004, MMR 2005, 125, 126; AG Meppen vom 26.7.2004, CR 2005, 147 f. 6 Vgl. LG Berlin vom 20.7.2004, NJW 2004, 2831, 2832; LG Coburg vom 1.6.2004, K&R 2004, 543, 546 f.; AG Bad Kissingen vom 28.9.2006, K&R 2007, 176 (Ls.).
83
B. Vertragsrecht
der Versteigerer eine vorzeitige Beendigung der Versteigerung ausdrücklich (individuell) vorbehalten hat, ist der Abbruch unwirksam. Der Antrag bleibt gemäß § 145 BGB bindend mit der Folge eines Vertragsschlusses mit dem Bieter, der zum Zeitpunkt des Abbruchs der Versteigerung das höchste Gebot abgegeben hatte1.
IV. Zustandekommen von Verträgen bei Download-Plattformen 335
Regelmäßig muss sich derjenige, der eine Download-Plattform nutzen möchte, bei dem Anbieter der Plattform registrieren lassen. Neben den Einzelverträgen, die bei dem jeweiligen Download zustande kommen, wird dann auch ein Plattformnutzungsvertrag abgeschlossen. Dieser regelt die vertraglichen Grundlagen für die Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Kunde2.
336
Besonders verbreitet sind Plattformen zum kostenpflichtigen MusikDownload. Bei einem solchen Download kommt der Einzelvertrag über das heruntergeladene Musikstück mit dem Anklicken eines Kaufen-Buttons zustande. Die Interessenlage ist bei Download-Plattformen anders als beim herkömmlichen Online-Shopping. Durch die vorhergehende Registrierung hat der Betreiber der Plattform schon zu erkennen gegeben, dass er mit dem potenziellen Interessenten in Zukunft Verträge abschließen möchte. Auf Grund der Registrierung sind außerdem die wesentlichen persönlichen Daten bekannt. Der Plattformbetreiber hat keine Kapazitätsprobleme, da er lediglich Kopien vertreibt und nur ein Original für eine beliebig große Anzahl von Kunden erforderlich ist. Ein schutzwürdiges Interesse für einen Vorbehalt der Annahme seitens des Plattformbetreibers besteht nicht3.
337
Mit Abschluss des Downloadvertrages ist der Kunde berechtigt, sich eine oder mehrere Musikdateien auf seinen Rechner zu laden und diese entsprechend der vereinbarten Bedingungen zu nutzen. Dieser Vertrag ist ein Kaufvertrag nach den §§ 433 und 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Die Musikdatei ist zwar keine Sache i.S.d. § 90 BGB, schuldrechtlich jedoch – ähnlich wie Software4 – als eine Sache zu behandeln5. Ob die Musikdatei als Immaterialgut auf einem festen Medium oder auf unkörperliche Wege ausgetauscht wird, ist für die Bewertung des Austauschverhältnisses unerheblich6.
1 Vgl. KG vom 25.1.2005, NJW 2005, 1053, 1054; OLG Oldenburg vom 28.7.2005, MMR 2006, 766, 767 f.; LG Berlin vom 15.5.2007, MMR 2007, 802, 803. 2 Vgl. Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186, 186; siehe auch Rz. 598. 3 Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186, 186. 4 Siehe Rz. 480. 5 Hoenike/Hülsdunk, MMR 2004, 59, 65. 6 Vgl. Bettinger/Heide in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.11 Rn. 21; Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186, 187.
84
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen Die Frage der Wirksamkeit eines online geschlossenen Vertrages kann sich bei rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Formerfordernissen oder bei einer Anfechtung des Vertrages stellen. Auch die Beteiligung von Minderjährigen und Stellvertretern kann Wirksamkeitsfragen aufwerfen.
338
1. Formerfordernisse
Die gesetzlichen Formvorschriften erfüllen durchweg den Zweck, den Erklärenden vor übereilten Bindungen zu schützen (Warnfunktion)1 und klarzustellen, ob und mit welchem Inhalt das Rechtsgeschäft zustande gekommen ist (Beweisfunktion)2. Notarielle Beurkundungsvorschriften dienen zudem der Sicherstellung sachkundiger Beratung und Belehrung der Beteiligten (Beratungsfunktion)3; einzelne Formgebote sollen darüber hinaus eine wirksame behördliche Überwachung ermöglichen (Kontrollfunktion)4.
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Die §§ 126 bis 129 BGB regeln diverse Formanforderungen. Die strengste Form ist die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB). Ist eine solche Beurkundung notwendig, ist ein formgerechter Online-Vertragsschluss unmöglich. Ein per E-Mail geschlossener Grundstückskaufvertrag ist gemäß §§ 311 b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB nichtig. Online nicht erfüllbar ist auch die Form der öffentlichen Beglaubigung (§ 129 BGB).
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Übersicht
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Form – Elektronische Form (§ 126 a BGB): Nur erfüllt bei Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 2 Nr. 3 SigG. – Textform (§ 126 b BGB): Übermittlung per Telefax oder E-Mail genügt, sofern der Erklärende seinen Namen nennt und den Abschluss der Erklärung erkennbar macht. – Telekommunikative Übermittlung (§ 127 Abs. 2 Satz 1 BGB): Jede Übermittlung per Telefax oder E-Mail, auch ohne Namensnennung und ohne Kennzeichnung des Abschlusses der Erklärung. 1 Jauernig in Jauernig, § 125 Rdnr. 3; Einsele in MünchKomm-BGB, § 125 Rdnr. 8; Ellenberger in Palandt, § 125 Rdnr. 2; Köhler, AT, § 12 Rdnr. 3; BGH vom 7.5.1971, BGHZ 56, 159, 163. 2 Jauernig in Jauernig, § 125 Rdnr. 3; Einsele in MünchKomm-BGB, § 125 Rdnr. 9; Ellenberger in Palandt, § 125 Rdnr. 3; Köhler, AT, § 12 Rdnr. 3; Medicus, AT, Rdnr. 614. 3 Jauernig in Jauernig, § 125 Rdnr. 3; Einsele in MünchKomm-BGB, § 125 Rdnr. 8; Ellenberger in Palandt, § 125 Rdnr. 5; Köhler, AT, § 12 Rdnr. 3; Medicus, AT, Rdnr. 614. 4 Medicus, AT, Rdnr. 614; BGH vom 26.2.1970, BGHZ 53, 304, 306; BGH vom 9.4.1970, BGHZ 54, 145, 148.
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B. Vertragsrecht
Elektronische Signatur – Elektronische Signatur (§ 2 Nr. 1 SigG): Jede Form der Beifügung von Signaturdaten reicht (z.B. eingescannte Unterschrift). – Fortgeschrittene elektronische Signatur (§ 2 Nr. 2 SigG): jede Form der asymmetrischen Verschlüsselung. – Qualifizierte elektronische Signatur (§ 2 Nr. 3 SigG): nur bei Verwendung eines „sicheren“ Verfahrens der asymmetrischen Verschlüsselung unter Einsatz von Signaturen, die von einem Zertifizierungsdiensteanbieter zertifiziert und bei diesem hinterlegt worden sind. a) Elektronische Form
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§ 126 a Abs. 1 BGB regelt die elektronische Form und schreibt hierfür eine Hinzufügung des Namens des Ausstellers sowie eine qualifizierte elektronische Form nach dem Signaturgesetz1 vor. Bei einem Vertrag bedarf es entsprechender Erklärungen aller Parteien (§ 126 a Abs. 2 BGB).
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Gemäß § 126 Abs. 3 BGB steht die elektronische Form der Schriftform gleich, sofern das Gesetz die elektronische Form nicht ausdrücklich ausschließt. Ein solcher Ausschluss gilt beispielsweise für die Bürgschaftserklärung (§ 766 Satz 2 BGB), für das abstrakte Schuldversprechen (§ 780 Satz 2 BGB) und für das abstrakte Schuldanerkenntnis (§ 781 Satz 2 BGB) sowie für Verbraucherkreditverträge (§ 492 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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§ 126 a BGB knüpft an das Signaturgesetz (SigG) an, das in seiner jetzigen Fassung seit 2001 in Kraft ist. Ziel des Gesetzes ist es, einheitliche Rahmenbedingungen für die Verschlüsselung von Signaturen zu schaffen (§ 1 Abs. 1 SigG). Dem Signaturgesetz liegt der gesetzgeberische Wille zugrunde, durch Missbrauchsschutz Rechtssicherheit zu schaffen. Die elektronische Signatur soll größtmögliche Gewähr für die Integrität und Authentizität einer digital übermittelten Nachricht bieten2.
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Das SigG unterscheidet zwischen „elektronischen Signaturen“ (§ 2 Nr. 1 SigG), „fortgeschrittenen elektronischen Signaturen“ (§ 2 Nr. 2 SigG) und „qualifizierten elektronischen Signaturen“ (§ 2 Nr. 3 SigG). Nur die „qualifizierte elektronische Signatur“ erfüllt die Erfordernisse der elektronischen Form gemäß § 126 a BGB. aa) Elektronische Signatur
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Als „elektronische Signatur“ gilt nach § 2 Nr. 1 SigG jeder Datensatz, der anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft 1 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung anderer Vorschriften vom 16.5.2001, BGBl. I 2001, S. 876. 2 Vgl. Begründung des IuKDG-Entwurfes der Bundesregierung, BR-Drucks. 966/96, S. 18, 28; Bieser, CR 1996, 564, 566.
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V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
ist und ausschließlich der Authentifizierung dient. Eine Verfälschung ist somit ohne weiteres möglich1. Ausreichend ist bereits eine eingescannte Unterschrift2. bb) Fortgeschrittene elektronische Signatur
Mit dem Begriff der „fortgeschrittenen elektronischen Signatur“ (§ 2 Nr. 2 SigG) sind asymmetrische Verschlüsselungsverfahren gemeint. Die Verschlüsselung erfolgt dabei mit einem privaten Schlüssel, den nur der Versender kennt. Die Entschlüsselung erfolgt bei dem Empfänger mittels des öffentlichen Schlüssels des Absenders und gelingt nur dann, wenn die Nachricht tatsächlich von dem Absender unter Verwendung seines privaten Schlüssels stammt3.
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§ 2 Nr. 2 SigG umschreibt die Anforderungen an eine asymmetrische Verschlüsselung mit vier Merkmalen. Zunächst muss es sich um eine Signatur handeln, die ausschließlich einem bestimmten Inhaber zugeordnet ist und (mittels des öffentlichen Schlüssels) eine Identifizierung des Inhabers ermöglicht. Die Signatur muss zudem mit Mitteln erzeugt werden, die der Schlüsselinhaber unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann. Schließlich muss die Signatur mit den Bezugsdaten so verknüpft sein, dass eine nachträgliche Veränderung der Bezugsdaten erkannt werden kann (§ 2 Nr. 2 lit. a bis d SigG)4.
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cc) Qualifizierte elektronische Signatur
Die Zertifizierung und die Sicherheit der Signaturerstellungseinheit sind die Wesensmerkmale einer „qualifizierten elektronischen Signatur“ gemäß § 2 Nr. 3 SigG5, die der Porsche unter den Signaturen ist. „Qualifizierte elektronische Signaturen“ müssen hinsichtlich der öffentlichen und privaten Schlüssel alle Anforderungen erfüllen, die auch eine „fortgeschrittene elektronische Signatur“ erfüllen muss. Im Unterschied zu den Signaturen nach § 2 Abs. 2 SigV müssen „qualifizierte elektronische Signaturen“ von Spezialanbietern zertifiziert sein und bei diesen hinterlegt werden. Die technischen Sicherheitsanforderungen sind en détail in den §§ 17 und 23 SigG sowie in der Signaturverordnung (SigV)6 geregelt (§ 2 Nr. 10 SigG). 1 Geis in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.2 Rdnr. 23. 2 Redeker, IT-Recht, Rdnr. 845; Münch, ITRB 2002, 122; Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1817; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4662, S. 18. 3 Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 104 ff. 4 Vgl. Geis in Horen/Sieber, Teil 13.2 Rdnr. 23; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4662, S. 18. 5 Vgl. Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1820. 6 Verordnung zur elektronischen Signatur in der Fassung vom 16.11.2001, BGBl. I 2001, S. 3074.
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B. Vertragsrecht
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Die Vergabe qualifizierter Zertifikate erfolgt durch private Unternehmen, die das SigG als Zertifizierungsdiensteanbieter bezeichnet (§ 2 Nr. 8 SigG). Diese Unternehmen werden gemäß § 19 i.V.m. § 3 SigG durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) beaufsichtigt1.
351
Bei der Vergabe qualifizierter Zertifikate haben die Zertifizierungsdiensteanbieter eine Vielzahl von Anforderungen zu beachten, die der Identifizierung der Schlüsselinhaber dienen. Die zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen sind in den §§ 5 ff. SigG und den §§ 2 ff. SigV detailliert geregelt2.
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Auf freiwilliger Basis sehen die §§ 15 f. SigG eine Akkreditierung der Zertifizierungsdiensteanbieter durch die BNetzA vor. Eine Akkreditierung wird in Verbindung mit einem Gütezeichen erteilt, wenn der Dienstanbieter nachweist, dass er sämtliche Bestimmungen des SigG und der SigV erfüllt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 und 3 SigG)3.
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Mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten des ersten Signaturgesetzes4 hat sich die qualifizierte elektronische Signatur als Mittel zur sicheren Versendung elektronischer Nachrichten am Markt nur in wenigen Bereichen durchsetzen können5. Dass sich dies ändern wird, ist nicht absehbar. Die Zurückhaltung der Internetnutzer bei der Verwendung von Signaturen dürfte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass sich bislang kein einfaches, anwenderfreundliches Verschlüsselungsverfahren am Markt durchsetzen konnte. Zum anderen haben sich Verbraucher und Unternehmer an die Versendung unverschlüsselter E-Mails längst gewöhnt. Probleme im Zusammenhang mit der Authentizität und Integrität elektronischer Nachrichten treten wesentlich seltener auf, als dies vor Jahren vielfach prognostiziert wurde. b) Textform
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Die Textform (§ 126 b BGB) stellt einen formerleichterten Tatbestand dar6. Sie ist beispielsweise zulässig für die nachvertragliche Information im Fernabsatzrecht (Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB), für die Ausübung eines Widerrufsrechts (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB) und für das Mieterhöhungsverlangen im Wohnraummietrecht (§ 558 a Abs. 1 BGB).
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Für die Textform reicht es nach § 126 b BGB aus, dass eine Erklärung auf eine zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise ab1 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, S. 72 f.; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 461. 2 Vgl. Geis, K&R 2002, 59, 59 f.; Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1820 f. 3 Vgl. Geis in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.2 Rdnr. 7. 4 „Gesetz zur digitalen Signatur“ vom 22.7.1997, BGBl. I 1997, S. 1870 ff. 5 Vgl. Lüdemann/Adams, K&R 2002, 9, 12; Roßnagel, NJW 2001, 1814, 1817. 6 Vgl. Lüdemann/Adams, K&R 2002, 8, 9.
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V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
gegeben wird, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wird1. Somit sind von § 126 b BGB das (unterschriebene) Telefax ebenso erfasst wie die (einfach signierte) E-Mail2. c) Vereinbarte Form
Bei rechtsgeschäftlichen Formgeboten fällt die Anwendung der §§ 125 ff. BGB leichter. Soweit sich aus dem Parteiverhalten herleiten lässt, dass die digital übermittelte Willenserklärung – sei sie elektronisch, fortgeschritten-elektronisch, qualifiziert-elektronisch oder auch überhaupt nicht signiert – ausreichen soll, wird eine Schriftformklausel entweder entsprechend auszulegen sein oder eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Abänderung bzw. Änderung einer Schriftformklausel zu bejahen sein. Die Neigung der Rechtsprechung, dem übereinstimmenden Parteiwillen Vorrang vor vertraglichen Schriftformklauseln einzuräumen3, ermöglicht sach- und interessengerechte Einzelfallentscheidungen.
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Die flexible Handhabung rechtsgeschäftlicher Formabreden kommt in § 127 BGB deutlich zum Ausdruck. Nach § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB reicht die „telekommunikative Übermittlung“ zur Wahrung einer Schriftformabrede im Zweifel aus. Hiermit ist die digitale Übermittlung per E-Mail oder auch die Übermittlung per Telefax gemeint, nicht aber das reine Telefonat4.
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Die „telekommunikative Übermittlung“ gemäß 127 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht zu verwechseln mit der Übermittlung in Textform gemäß § 126 b BGB. Anders als § 126 b BGB verlangt § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB weder die Unterschrift des Erklärenden noch eine Kenntlichmachung des Abschlusses der Erklärung, solange sich nur aus den Umständen unzweideutig die Identität des Erklärenden ergibt5.
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Der weitgehenden Flexibilität bei der Auslegung rechtsgeschäftlicher Formabreden dient auch § 127 Abs. 3 Satz 1 BGB. Danach reicht bei der rechtsgeschäftlich vereinbarten elektronischen Form im Zweifel die einfache elektronische Signatur (§ 2 Nr. 1 SigG) aus6.
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Schriftformklauseln sind in der Vertragspraxis nach wie vor weit verbreitet. Oft werden auch Klauseln verwendet, die ausdrücklich regeln, ob bei-
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1 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 126 b Rdnr. 3. 2 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 113; Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 607; Hähnchen, NJW 2001, 2831, 2833; Härting, MDR 2002, 61, 64. 3 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 125 Rdnr. 17; BGH vom 22.4.1982, WM 1982, 902. 4 Ellenberger in Palandt, § 127 Rdnr. 2; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4987, S. 43. 5 Ellenberger in Palandt, § 127 Rdnr. 2. 6 Vgl. Jauernig in Jauernig, § 127 Rdnr. 3.
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B. Vertragsrecht
spielsweise E-Mails zur Formwahrung ausreichen. Je mehr sich differenzierte Klauseln durchsetzen, desto mehr wird man im Einzelfall darüber streiten können, ob eine klassische Schriftformklausel – entgegen der Auslegungsregel des § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB – als bewusster und gewollter Ausschluss der Form der E-Mail zu verstehen ist. 361
➲ Praxistipp: Um Auslegungsstreit zu vermeiden, empfiehlt es sich, Schriftformklauseln sehr präzise zu fassen und ausdrücklich zu regeln, ob die Abgabe von Erklärungen per Telefax und E-Mail genügen soll. Eine „weiche Klausel“ kann beispielsweise lauten: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Textform (§ 126 b BGB).“ Ein Beispiel für eine „harte Klausel“: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für Änderungen dieser Schriftformklausel. Die Übermittlung von Erklärungen per Telefax, E-Mail oder auf andere telekommunikative Weise reicht zur Wahrung der Schriftform nicht aus.“ 2. Anfechtung von Verträgen
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Die Frage der Vertragsanfechtung stellt sich bei Online-Verträgen vor allem dann, wenn einem der Vertragspartner bei der Dateneingabe Fehler unterlaufen sind oder wenn es zu Fehlern bei der Datenübermittlung gekommen ist. a) Erklärungsirrtum
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Gemäß § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB ist ein Vertrag wegen Erklärungsirrtums anfechtbar, wenn der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte1. Werden online Waren oder Dienstleistungen bestellt, so ist ein Erklärungsirrtum sowohl auf Seiten des Bestellers als auch bei dem Internetanbieter vorstellbar. aa) Irrtum des Bestellers
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§ 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB verpflichtet den Unternehmer zwar, dem Kunden im elektronischen Geschäftsverkehr Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe er Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann. Verhindern lassen sich Eingabefehler jedoch nicht.
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Ob einfacher Tippfehler – Bestellung von 21 statt 12 Exemplaren eines Buches – oder die versehentliche Betätigung eines Auswahlbuttons: Wann immer dem Besteller bei der Erklärungshandlung Fehler unterlaufen, besteht ein Anfechtungsrecht wegen Erklärungsirrtums gemäß § 119 1 Vgl. Brox, AT, Rdnr. 412; Medicus, AT, Rdnr. 746.
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V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
Abs. 1, 2. Alt. BGB. Das Internet hat die herkömmlichen Lehrbuchfälle des Verschreibens, Vertippens, Versprechens und Vergreifens1 um den Fall des „Verklickens“ bereichert2. Wer einen Vertrag wegen Erklärungsirrtums anficht, setzt sich regelmäßig einem Schadensersatzanspruch gemäß § 122 Abs. 1 BGB aus. Der Anspruch bemisst sich nach dem Schaden, den der Vertragspartner durch sein Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages erlitten hat3. Hat der Online-Anbieter beispielsweise nach Eingang der irrtümlichen Bestellung die Ware bereits geliefert, so kann er vom Besteller gemäß § 122 Abs. 1 BGB den Ersatz der Transportkosten beanspruchen.
366
Der Schadensersatzanspruch ist gemäß § 122 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Geschädigte den Irrtum kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte4. Ein derartiger Fall liegt vor, wenn der Online-Anbieter schuldhaft seine Verpflichtungen aus § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB bzw. aus Art. 246 § 3 Nr. 3 EGBGB verletzt. Ist beispielsweise eine Bestellseite verwirrend gestaltet und fehlt der durch Art. 246 § 3 Nr. 3 EGBGB vorgeschriebene Hinweis auf Mittel zur Erkennung und Beseitigung von Eingabefehlern, so hat der Anbieter einen hieraus resultierenden Irrtum des Bestellers fahrlässig (mit)verursacht. Ein Schadensersatzanspruch besteht gemäß § 122 Abs. 2 BGB nicht.
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bb) Irrtum des Anbieters
Fehler können bei der Online-Bestellung nicht nur dem Besteller, sondern auch dem Anbieter unterlaufen. Die Palette reicht dabei von einfachen Tippfehlern bei der Gestaltung der Website bis zu einer fehlerhaften Kalkulations-Software, die bei einem Internetshop automatisch die Preise berechnet. Die Websites von Internetshops sind oft so programmiert, dass Produkt- und Preisangaben automatisiert erzeugt werden. Fehler bei der Eingabe der Grunddaten oder bei der Programmierung können dazu führen, dass falsche Preisangaben entstehen, ohne dass der Inhaber des Shops dies bemerkt.
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Auf ein Anfechtungsrecht kommt es nicht an, wenn ein Eingabe- oder Softwarefehler für den Besteller ohne weiteres erkennbar ist5. Wird beispielsweise ein neuer Roman versehentlich für 2,85 Euro statt für 28,50 Euro auf einer Website angeboten, so darf der Besteller eine Antwortmail, in der die Annahme des Kaufangebots (ohne ausdrückliche Angabe des
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1 Brox, AT, Rdnr. 412; Jauernig in Jauernig, § 119 Rdnr. 6; Larenz/Wolf, AT, § 36 Rdnr. 12; Medicus, AT, Rdnr. 746. 2 LG Berlin vom 15.5.2007, MMR 2007, 802, 802 f.; LG München I vom 17.6.2008, K&R 2009, 63, 64. 3 Brox, AT, Rdnr. 446; Medicus, AT, Rdnr. 783. 4 Kitz in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 13.1 Rdnr. 143. 5 Härting, ITRB 2004, 61, 63; OLG München vom 15.11.2002, NJW 2003, 367; vgl. auch OLG Stuttgart vom 12.7.2006, MMR 2006, 819.
91
B. Vertragsrecht
Preises) erklärt wird, nicht als Einverständnis mit einem Kauf zum Schnäppchenpreis werten. Dass der Roman tatsächlich zum üblichen Preis von 28,50 Euro angeboten werden soll, ist ohne weiteres erkennbar. Es fehlt in einem solchen Fall an zwei übereinstimmenden Vertragserklärungen zu 2,85 Euro, sodass es bereits an einem Vertragsschluss fehlt und sich die Frage nach einem Anfechtungsgrund erübrigt. 370
Ein erkennbarer Fehler liegt auch vor, wenn Flachbildschirme versehentlich zu 199,99 Euro statt 1999 Euro angeboten werden, ohne dass der Preis auch nur ansatzweise als Sonderangebot oder „Schnäppchen“ gekennzeichnet ist1. Das Fehlen eines vertraglichen Anspruchs auf Lieferung der Bildschirme zu diesem Preis ergibt sich daraus, dass ein Kaufvertrag zu diesem Preis mangels einer entsprechenden Vertragserklärung des Anbieters nicht zustande gekommen ist. Eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf es nicht2.
371
Die Grenze vom unbeachtlichen Motivirrtum zum ohne weiteres erkennbaren Fehler ist auch dann überschritten, wenn ein Rechenfehler evident ist3. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Addition von Preisen in einem Warenkorb erkennbar falsche Ergebnisse ergibt. Werden drei CDs à 15,90 Euro im Warenkorb mit einem Gesamtpreis von 7,70 Euro (statt 47,70 Euro) berechnet, so darf der Besteller die kommentarlose Annahme der Bestellung redlicherweise nicht als Einverständnis mit dem niedrigen Preis verstehen4. Einer Anfechtung des Vertrages durch den Online-Anbieter bedarf es nicht, der Vertrag ist vielmehr wegen Dissens gar nicht erst zustande gekommen5.
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Kein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn es auf Grund eines Softwarefehlers zu einer (nicht erkennbar) falschen Preisangabe kommt. Wird beispielsweise eine Pauschalreise auf Grund eines Rechenfehlers zu 1500 Euro statt 3500 Euro angeboten, so ist der Antrag des Bestellers, der auf die Berechnung Bezug nimmt, als Antrag zu 1500 Euro zu werten. Erklärt der Internetanbieter daraufhin – ohne Überprüfung des Preises – die Annahme, so kommt ein Vertrag zu 1500 Euro zustande, der nicht wegen Erklärungsirrtums anfechtbar ist. Der Internetanbieter hat sich nicht bei der Erklärungshandlung, sondern bei der (computergestützten) Kalkulation des Reisepreises geirrt. Es liegt ein unbeachtlicher Motivirrtum in der Variante eines (einseitigen) Kalkulationsirrtums vor6.
373
Bei Eingabefehlern, die zu einer falschen Auspreisung von Waren führen und für den Besteller nicht erkennbar sind, liegt eine Konstellation vor, 1 2 3 4 5 6
Vgl. OLG Nürnberg vom 10.6.2009, MMR 2010, 31 f. A.A. OLG Nürnberg vom 10.6.2009, MMR 2010, 31, 32. Vgl. LG Flensburg vom 3.9.2002, Az. 1 S 38/02. Härting, ITRB 2004, 61, 62. Härting, ITRB 2004, 61, 63. Ellenberger in Palandt, § 119 Rdnr. 18; Härting, ITRB 2004, 61, 63; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 843; AG Frankfurt a.M. vom 13.6.1989, CR 1990, 469 für Btx.
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V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
die ohne weiteres vergleichbar ist mit der falschen Auspreisung von Waren im Supermarkt1. Die Warenpräsentation auf der Website stellt eine invitatio ad offerendum dar2 und ist die Grundlage der Bestellung, die als Antrag gemäß § 145 BGB zu werten ist. Wird auf Grund des Antrages die Ware geliefert, so ergibt die Auslegung der Vertragserklärungen (§§ 133, 157 BGB) im Normalfall, dass ein Vertrag zu dem „falschen Preis“ zustande gekommen ist3. Dem Anbieter ist in einem solchen Fall bei seiner Erklärungshandlung (der Annahme) kein Irrtum unterlaufen, da er bei der Annahme eine keine konkrete Preisvorstellung hatte. Vielmehr lag der Irrtum im Vorfeld der Erklärung und ist daher nicht als Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB (und auch nicht als Übermittlungsirrtum gemäß § 120 BGB4) anzusehen, sodass kein Anfechtungsrecht besteht5. Der BGH hat dies anders gesehen und die Grenze zwischen Motivirrtum und Erklärungsirrtum zugunsten des Internetanbieters gelockert, indem er es für einen Erklärungsirrtum ausreichen lässt, dass dem Erklärenden ein solcher Irrtum bei Abgabe der invitation ad offerendum unterläuft und der Irrtum bei Abgabe der Vertragserklärung (unerkannt) „fortwirkt“6. Die Verfälschung des ursprünglich richtig Erklärten auf dem Weg zum Empfänger durch eine unerkannt fehlerhafte Software sei als Irrtum in der Erklärungshandlung anzusehen. Denn es bestehe kein Unterschied, ob sich der Erklärende selbst verschreibt beziehungsweise vertippt oder ob die Abweichung vom gewollten Erklärungstatbestand auf dem weiteren Weg zum Empfänger eintritt. Dies ergebe sich auch aus § 120 BGB, der als Fall des Erklärungsirrtums anzusehen sei, der lediglich eine gesonderte gesetzliche Regelung erhalten habe7. Keine andere Beurteilung sei gerechtfertigt, wenn auf Grund fehlerhaften Datentransfers ein Übermittlungsfehler geschehe, bevor die Willenserklärung den Bereich des Erklärenden verlassen hat8.
1 Vgl. Hoeren, AGB bei Internet- und Softwareverträgen, E-Commerce-Verträge, Rdnr. 51; LG Köln vom 16.4.2003, MMR 2003, 481, 482. 2 Siehe Rz. 302 ff. 3 Vgl. Holzbach/Süßenberger in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 160, Redeker, IT-Recht, Rdnr. 859; Lauktien/Varadinek, ZUM 2000, 466, 467; OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, MDR 2003, 677; LG Köln vom 16.4.2003, MMR 2003, 481. 4 A.A. OLG Hamm vom 12.1.2004, NJW 2004, 2601. 5 Redeker, IT-Recht, Rdnr. 860; Härting, ITRB 2004, 61, 63; LG Essen vom 13.2.2003, MMR 2004, 49, 50; LG Köln vom 16.4.2003, CR 2003, 613, 614; a.A. AG Lahr vom 21.12.2005, NJW 2005, 991, 992. 6 BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, OLGR 2003, 88 mit Anm. von Dümig, EWiR 2003, 953; a.A. LG Köln vom 16.4.2003, MMR 2003, 481. 7 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 119 Rdnr. 10; H. Palm in Erman, § 119 Rdnr. 33; Hefermehl in Soergel, § 119 Rdnr. 11; Larenz/Wolf, AT, § 36 Rdnr. 14; BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977. 8 BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977.
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B. Vertragsrecht
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Zu dem Einwand, dass lediglich ein Irrtum in der Willensbildung bzw. in der Erklärungsvorbereitung vorgelegen habe, meint der BGH, dass der Internetanbieter seinen Erklärungswillen fehlerfrei gebildet habe, indem der (höhere) Kaufpreis festlegt wurde und dieser Betrag in die Produktdatenbank der Internetseite übernommen werden sollte. Dies unterscheide den Fall von einem verdeckten Kalkulationsirrtum, bei dem der Fehler bereits im Stadium der Willensbildung unterlaufe1.
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Die vom BGH befürwortete Erweiterung des Anfechtungsrechts auf Irrtümer, die dem Erklärenden im Vorfeld seiner Vertragserklärung unterlaufen sind, lässt sich mit dem Wortlaut des § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB nicht vereinbaren. Darüber hinaus verwischt der Gesichtspunkt des „Fortwirkens“, den der BGH gelten lässt, die bewährte Grenze zwischen Motiv- und Erklärungsirrtum.
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Ein Anfechtungsrecht setzt bei einem Eingabefehler jedenfalls voraus, dass der für die Vertragserklärung des Anbieters ursächlich war. Hieran fehlt es, wenn ein Eingabefehler entdeckt wird und mehr als eine Woche dennoch ein Kaufangebot zum „falschen“ Preis erklärt wird2. b) Übermittlungsfehler
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Die Übermittlung elektronischer Nachrichten durch einen oder mehrere Provider ist eine weitere Fehlerquelle beim Abschluss von Online-Verträgen. Kommt es zu Übermittlungsfehlern, so ist der Erklärende gemäß § 120 BGB zur Anfechtung berechtigt, wenn der Übermittlungsfehler einer Person oder Einrichtung unterlaufen ist, die der Erklärende eingesetzt hat3. Das Anfechtungsrecht nach § 120 BGB ist somit beschränkt auf Übermittlungsfehler des Erklärungsboten. Kein Anfechtungsgrund liegt dagegen vor, wenn einem Empfangsboten ein Übermittlungsfehler unterläuft4.
379
Als Erklärungsbote ist der Provider anzusehen, bei dem der Erklärende einen Mail-Account eingerichtet hat. Kommt es bei diesem Provider zu einem Übermittlungsfehler, so ist der Erklärende gemäß § 120 BGB zur Anfechtung seiner falsch übermittelten Vertragserklärung berechtigt5.
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Kein Anfechtungsrecht nach § 120 BGB besteht im umgekehrten Fall eines Übermittlungsfehlers im Bereich des Providers, bei dem der Erklärungsempfänger einen Mail-Account eingerichtet hat. Der Provider des Empfängers ist Empfangsbote, sodass Erklärungen mit Eingang bei dem 1 BGH vom 26.1.2005, NJW 2005, 976, 977. 2 AG Fürth vom 3.7.2008, CR 2008, 808, 809. 3 Kramer in MünchKomm-BGB, § 120 Rdnr. 1; Brox, AT, Rdnr. 413 f.; Medicus, AT, Rdnr. 747. 4 Jauernig in Jauernig, § 120 Rdnr. 5; Ellenberger in Palandt, § 120 Rdnr. 2. 5 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002, CR 2002, 451, 452.
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V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
Provider gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugehen1. Kann der Empfänger die beim eigenen Provider vollständig und fehlerfrei eingegangene Nachricht nicht oder nur unzulänglich abrufen bzw. lesen, so ändert dies nichts am Zugang der vollständigen und richtigen Nachricht. Mangels eines rechtlich relevanten Übermittlungsfehlers kommt eine Anfechtung nach § 120 BGB nicht in Betracht. Bietet ein Computerhändler per E-Mail eine Festplatte zum Preis von 100 Euro an und wird diese Erklärung in dem Mail-Account des Empfängers richtig gespeichert, aber auf Grund eines Übertragungsfehlers vom Empfänger in einer Fassung abgerufen, bei der der Preis 10 Euro beträgt, so liegt eine Vertragserklärung über 100 Euro vor. Bei dem Provider als Empfangsbote ist diese Erklärung in richtiger Fassung eingegangen. Nimmt der Empfänger das Angebot ohne näheren Kommentar an, kommt ein Vertrag zum Kaufpreis von 100 Euro zustande, ohne dass sich die Frage einer Anfechtung nach § 120 BGB stellt. Der Empfänger kann sich allerdings seinerseits von der vertraglichen Bindung durch Anfechtung wegen Inhaltsirrtums gemäß § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB lösen. Er hat nämlich durch die Annahme des Antrages über 100 Euro eine Erklärung abgegeben, über deren Inhalt er sich gemäß § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB im Irrtum befand2.
381
Bei Fehlern auf dem Übertragungsweg vom Erklärenden zum Mail-Account des Empfängers ist dagegen § 120 BGB anwendbar. Die Erklärung wird in der unrichtigen Fassung – d.h. im Beispielsfall mit einem Kaufpreis von 10 Euro – wirksam, kann jedoch vom Erklärenden gemäß § 120 BGB angefochten werden.
382
c) Andere Anfechtungsgründe
Auch ein Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB) kann zur Anfechtung berechtigen. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Besteller angibt, englischsprachige Vertragsklauseln nicht richtig verstanden zu haben. Für einen solchen Irrtum ist allerdings der Anfechtende darlegungs- und beweispflichtig3.
383
Wer sich durch die Anpreisung nackter Tatsachen zu einem kostenpflichtigen Download von Bildern oder Videos verleiten lässt und auf den herunter geladenen Dateien statt pornographischer Inhalte nutzlose Gebrauchsanleitungen vorfindet, ist wegen arglistiger Täuschung zur Anfechtung berechtigt (§ 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB).
384
1 Siehe Rz. 287. 2 Vgl. Medicus, AT, Rdnr. 749. 3 Vgl. AG Schöneberg vom 31.3.2005, MMR 2005, 637.
95
B. Vertragsrecht
d) Anfechtung bei Internetauktionen
385
Für die Anfechtung von Kaufverträgen, die über Ebay und andere Versteigerungsplattformen geschlossen werden, gelten keine Besonderheiten. Dies gilt beispielsweise, wenn der enttäuschte Käufer nach Erhalt der Ware angibt, sich über deren Beschaffenheit geirrt zu haben oder arglistig getäuscht worden zu sein. Die Anfechtungsrechte gemäß § 119 BGB und § 123 Abs. 1 BGB stehen dem Käufer uneingeschränkt zu1.
386
Ein Anfechtungsrecht des Verkäufers wegen Inhaltsirrtums (§ 119 Abs.1, 1. Alt. BGB) besteht, wenn der Verkäufer einen Artikel unter der Rubrik „Sofort Kaufen“ zu 1 Euro anbietet, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass er hierdurch keine Auktion in Gang setzt, sondern einen Antrag gemäß § 145 BGB abgibt, der von jedermann durch einfache Annahmeerklärung („sofort“) zustande gebracht werden kann2.
387
Kein Anfechtungsrecht hat der Verkäufer, wenn der erzielte Erlös nicht seinen Vorstellungen entspricht. Wird beispielsweise ein gebrauchtes Fahrzeug, das ca. 10000 Euro wert ist, für lediglich 1000 Euro ersteigert, so lässt sich weder aus § 119 BGB noch aus § 123 BGB ein Anfechtungsrecht ableiten3. Auch die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB liegen nicht vor, wenn der Verkäufer durch ein (zu) niedriges Mindestgebot das Risiko eingegangen ist, deutlich unter Wert zu verkaufen4. Dies gilt selbst dann, wenn ein Rübenroder, der 60000 Euro wert ist, mit einem Mindestgebot von 1 Euro angeboten und zu lediglich 51 Euro ersteigert wird5.
388
In einem Fall, in dem ein Porsche, der mehr als 75000 Euro wert war, für 5,50 Euro ersteigert worden war, hat das OLG Koblenz es für rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB erachtet, wenn sich der Ersteigerer auf die Gebundenheit beruft6. Grundsätzlich komme die Annahme einer unangemessenen Benachteilung des Anbieters und Verkäufers nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht. Der Anbieter ist nämlich grundsätzlich durch die Möglichkeit der Angabe eines Mindestgebotes, der Größe der Bietschritte sowie der Bietzeit in der Lage, sein Risiko zu begrenzen. Nutze er dies nicht, müsse er sich an der Folge grundsätzlich festhalten 1 Günther, ITRB 2002, 93, 94; OLG Oldenburg vom 27.9.2006, NJW-RR 2007, 268 f.; OLG Oldenburg vom 30.10.2003, CR 2004, 298, 299; AG Dresden vom 29.4.2005, ITRB 2006, 57 f. (Gebler); AG Kehl vom 16.9.2003, Az. 4 C 290/03, JurPC Web-Dok. 267/2003. 2 Vgl. AG Lahnstein vom 15.12.2004, Az. 2 C 471/04, JurPC Web-Dok 34/2005; AG Stollberg vom 30.3.2006, Az. 3 C 535/05; AG Syke, MMR 2004, 825, 826. 3 Vgl. LG Coburg vom 1.6.2004, K & R 2004, 543, 547; AG Wiesbaden vom 6.9.2000, CR 2001, 52 = ITRB 2001, 38. 4 OLG Oldenburg vom 30.10.2003, CR 2004, 298, 299; vgl. auch AG Gummersbach vom 28.6.2010, Az. 10 C 25/10. 5 OLG Köln vom 8.12.2006, CR 2007, 598, 599 ff. 6 OLG Koblenz vom 3.6.2009, CR 2010, 49 f.; a.A. AG Gummersbach vom 28.6.2010, Az. 10 C 25/10.
96
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
lassen. Dies könne allerdings uneingeschränkt nur dann gelten, wenn die Auktion auch tatsächlich bis zum Ende der Bietzeit durchgeführt wurde1. Wenn eine Versteigerung vorzeitig abgebrochen wird, muss nach Auffassung des OLG Koblenz „der konkrete Einzelfall betrachtet werden“. Es komme dann darauf an, ob der Abbruch als „willkürlich“ anzusehen sei. Dies ist bei dem Abbruch der Porsche-Auktion nicht der Fall gewesen, da ein „nur noch als extrem zu bezeichnendes Missverhältnis“ zwischen dem Preis und dem Wert des Porsche vorgelegen habe2.
389
Die Argumentation des OLG Koblenz ist kaum nachvollziehbar und unverhohlen ergebnisorientiert: Ein „krasses Missverhältnis“ zwischen dem Wert der Kaufsache und deren Preis mag als sittenwidrig anzusehen sein (§ 138 BGB). Wenn es jedoch – wie in dem Porsche-Fall – an einer Sittenwidrigkeit fehlt, weil sich ein Risiko verwirklicht hat, das der Verkäufer sehenden Auges eingegangen ist, ist es keineswegs rechtsmissbräuchlich, wenn der Käufer sich auf die Wirksamkeit des Vertrages beruft.
390
3. Geschäftsfähigkeit
Die Betätigung der Maus ist kinderleicht. Die Willenserklärung, die der Sechsjährige per Mausklick abgibt, ist dennoch gemäß § 105 Abs. 1 i.V.m. 104 Nr. 1 BGB nichtig. Der Empfänger der Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners genießt keinen Schutz3.
391
Heikle Fragen können sich bei der Nutzung des Internet durch beschränkt geschäftsfähige Minderjährige stellen. Der 17-jährige, der im Internet hinter dem Rücken seiner Eltern kostenpflichtige Pornoangebote nutzt, schließt unwirksame Verträge (§§ 107 und 108 BGB) und ist daher nicht zur Zahlung verpflichtet.
392
Auch gegenüber dem 17-jährigen kann sich der Vertragspartner nicht auf Vertrauensschutz berufen4. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Minderjährige wahrheitswidrige Angaben über sein Alter gemacht hat. Die gelegentlich mögliche Geltendmachung von Ansprüchen nach Bereicherungsrecht5 und Deliktsrecht6 kann die Defizite des Minderjährigenrechts nicht immer ausgleichen. Die Welt des Internet, die durch weit-
393
1 OLG Koblenz vom 3.6.2009, CR 2010, 49 f. 2 OLG Koblenz vom 3.6.2009, CR 2010, 49 f. 3 Schmitt in MünchKomm-BGB, vor § 104 Rdnr. 7; Ellenberger in Palandt, Einf v § 104 Rdnr. 3; Medicus, AT, Rdnr. 552; BGH vom 25.4.1988, ZIP 1988, 829, 831. 4 Palm in Erman, vor § 104 Rdnr. 6; Schmitt in MünchKomm-BGB, vor § 104 Rdnr. 7; Ellenberger in Palandt, Einf v § 104 Rdnr. 3. 5 Vgl. Palm in Erman, vor § 104 Rdnr. 7. 6 Vgl. Palm in Erman, vor § 104 Rdnr. 9.
97
B. Vertragsrecht
gehende Anonymität und das Fehlen wirksamer Möglichkeiten zur Prüfung der Identität des Kommunikationspartners geprägt ist, legt offen, wie problematisch der absolute Vorrang des Minderjährigenschutzes vor dem Vertrauens- und Verkehrsschutz ist. 4. Stellvertretung
394
In der anonymen Welt des Internet hält auch das Stellvertretungsrecht einige Fallstricke bereit. Wenn per Bestellbutton, Chat oder Mail rechtsgeschäftlich in oder unter fremdem Namen kommuniziert wird, sind die §§ 164 ff. BGB anwendbar. a) Handeln unter fremdem Namen
395
Die Person, die über das Internet eine Vertragserklärung abgibt, ist nicht immer mit dem Inhaber des Internetanschlusses identisch, den der Versender nutzt. Ebenso wenig muss der Versender einer E-Mail identisch sein mit dem Inhaber des E-Mail-Accounts.
396
Gibt der Erklärende beim Vertragsschluss seine Identität nicht zu erkennen, so muss bei dem Vertragspartner der Eindruck entstehen, dass er einen Vertrag mit dem Inhaber des betreffenden Internetanschlusses bzw. dem Inhaber der verwendeten E-Mail-Adresse schließt. Aus der Sicht des Vertragspartners tritt der Nutzer unter dem Namen desjenigen in Erscheinung, der Inhaber des Anschlusses bzw. der E-Mail-Adresse ist.
397
Die Möglichkeiten des Handelns unter fremdem Namen haben sich durch das Internet erheblich ausgeweitet. Ein Handeln unter fremdem Namen liegt beispielsweise vor, wenn Online-Accounts (z.B. bei Ebay) oder eine Online-Kennung („Nick“) und/oder Passworte durch Dritte verwendet werden1.
398
Bestellt der Angestellte per Internet für den Unternehmer, bei dem er beschäftigt ist, Büromaterialien, so geht aus der Bestellung nicht zwingend hervor, welche Person die Bestellung getätigt hat. Der Empfänger erhält eine Bestellung des Angestellten „unter dem Namen“ des Unternehmers und somit keine Erklärung „im fremden Namen“2. Die Voraussetzungen für eine direkte Anwendung des Stellvertretungsrechts (§§ 164 ff. BGB) sind mangels Offenkundigkeit des Handelns „im fremden Namen“ nicht erfüllt. Allerdings sind die §§ 164 ff. BGB auf das Handeln „unter fremdem Namen“ analog anwendbar3. 1 Herresthal, K&R 2008, 705, 705. 2 OLG München vom 5.2.2004, K&R 2004, 352. 3 Brox, AT, Rdnr. 528; Medicus, AT, Rdnr. 908; Ellenberger in Palandt, § 164 Rdnr. 10; BGH vom 3.3.1966, BGHZ 45, 193, 195; OLG München vom 5.2.2004, K&R 2004, 352, 353; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558, 559 (zu Btx).
98
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
Die Zahlungsverpflichtung des Unternehmers hängt in dem vorgenannten Beispiel entsprechend § 164 BGB von der Vertretungsmacht des Angestellten ab. War der Angestellte zu der Bestellung bevollmächtigt, kommt ein Kaufvertrag mit dem Unternehmen zustande. Anderenfalls haftet der Angestellte gegenüber dem Verkäufer gemäß § 179 Abs. 1 BGB.
399
Ein Fall des Handelns unter fremdem Namen liegt auch dann vor, wenn der Ehemann unter Verwendung des Namens seiner Frau im Internet Waren bestellt. Handelt der Mann hierbei ohne Vertretungsmacht, hängt die Wirksamkeit des Vertrages gemäß § 177 BGB davon ab, ob die Ehefrau den Vertrag (nachträglich) genehmigt. Verweigert die Ehefrau die Genehmigung, so kann der Vertragspartner von dem Ehemann nach § 179 Abs. 1 BGB wahlweise die Erfüllung des Vertrages oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen1.
400
Bei einem Handeln unter fremdem Namen liegt ein Geschäft des Namensträgers vor, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die Gegenpartei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. Ein Eigengeschäft des Handelnden liegt dagegen vor, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der Gegenpartei keine falsche Identitätsvorstellung hervorgerufen hat, diese also mit dem Handelnden abschließen will. Dies ist anzunehmen, wenn der andere Teil keine konkreten Vorstellungen über die Identität des Handelnden hatte2. Der Erklärende und der Vertragspartner sind in einem solchen Fall identisch mit der Folge, dass die §§ 164 ff. BGB außer Betracht bleiben3.
401
Ein erkennbares Eigengeschäft liegt auch vor, wenn eine Internet-Bestellung unter einem offenkundigen Phantasienamen („Lady Gaga“) abgegeben wird. Ersichtlich geht es in einem solchen Fall dem Besteller um ein Eigengeschäft und nicht um ein Handeln für die „echte“ Lady Gaga. Die Frage, ob Lady Gaga den Besteller gemäß § 167 BGB bevollmächtigt hat, stellt sich nicht.
402
Bei Online-Versteigerungen kommen Verträge mit der Person zustande, die hinter dem verwendeten Mitgliedsnamen steht4. Die auf solche Plattformen zu findenden Angebote sind auf anonymisierte Vertragsbeziehungen angelegt. Die Handelnden treten regelmäßig häufig unter einem selbst gewählten Mitgliedsnamen („Nick“) auf. Informationen über die Qualität der Angebote und die Zuverlässigkeit der Anbieter können allein über Bewertungssysteme erlangt werden. Der „Nick“ löst bei dem Vertragspartner keine Identitätsvorstellung aus. Wird daher ein Pkw zur Versteigerung angeboten unter ausdrücklicher Angabe des Namens der
403
1 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 179 Rdnr. 5. 2 LG Kassel vom 15.4.2008, NJW-RR 2009, 781; AG Hamburg-St. Georg vom 24.2.2009, MMR 2009, 436 (Ls.). 3 Brox, AT, Rdnr. 529; Flume, AT II, S. 775; Ellenberger in Palandt, § 164 Rdnr. 12. 4 AG Hamburg-St. Georg vom 24.2.2009, MMR 2009, 436 (Ls.).
99
B. Vertragsrecht
82-jährigen Großmutter des Plattform-Mitglieds, kommt der Vertrag nicht mit der alten Dame zustande, sondern mit der Person, die hinter dem verwendeten Mitgliedsnamen steht. Unerheblich ist, ob das Mitglied einen eigenen Internetanschluss oder den Internetanschluss eines Dritten genutzt hat1. 404
Bestellt die Tochter über das Mobiltelefon ihres Vaters Klingeltöne, liegt ein Fall des Handelns unter fremdem Namen vor, da der Klingeltonanbieter davon ausgehen darf, dass er den Vertrag über die Klingeltöne mit dem Inhaber des Mobilfunkvertrages und somit mit dem Vater schließt2. b) Rechtsscheinshaftung aa) Duldungs- und Anscheinsvollmacht
405
Werden Verträge unter fremdem Namen und ohne Zustimmung des Namensinhabers geschlossen, beispielsweise durch Familienmitglieder oder Angestellte des Namensinhabers, so stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Haftung des Namensinhabers nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht erfüllt sind3. Auf diese Grundsätze kommt es an, wenn eine (konkludente) Bevollmächtigung zu verneinen ist. Eine konkludente Innenvollmacht (§ 167 Abs.1, 2. Alt. BGB) kann beispielsweise zu bejahen sein, wenn der Inhaber eines Ebay-Accounts einem Dritten seine Zugangsdaten überlässt4.
406
Lässt die Mutter es wissentlich geschehen, dass ihre Tochter wiederholt unter dem Namen ihrer Mutter online Waren bestellt, so muss sich die Mutter das Handeln ihrer Tochter zurechnen lassen. Der Vertragspartner darf das Dulden der Bestellungen nach Treu und Glauben dahingehend verstehen, dass die Mutter ihre Tochter zur Vornahme der Bestellungen bevollmächtigt hat. Es liegt eine Duldungsvollmacht der Tochter vor; der Mutter ist der Einwand der fehlenden Vertretungsmacht abgeschnitten5.
407
Schwieriger sind die Fälle, in denen der Inhaber eines Internetanschlusses bzw. einer E-Mail-Adresse von einer Benutzung des Anschlusses bzw. der Adresse durch eine unbefugte Person nicht weiß. Der Empfänger einer Bestellung, die auf diese Weise zustande gekommen ist, hat keine Möglichkeit zu erkennen, dass eine unbefugte Person die Bestellung vorgenommen hat.
408
Mit den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht lassen sich derartige Missbrauchsfälle vielfach lösen. Für die Zurechnung einer vollmachtlos abgegebenen Willenserklärung ist es nach diesen Grundsätzen notwendig, 1 LG Kassel vom 15.4.2008, NJW-RR 2009, 781. 2 Vgl. AG Mitte vom 28.7.2008, MMR 2008, 696 f. mit Anm. Mankowski. 3 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 172 Rdnr. 6-10; LG Ravensburg vom 13.6.1991, NJW-RR 1992, 111, 111 f. für Btx. 4 A.A. Herresthal, K&R 2008, 705, 705. 5 Vgl. BGH vom 13.5.1992, VersR 1992, 989, 990.
100
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters zwar nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters1. Gemeinhin verlangt wird zudem ein Missbrauchsverhalten, das sich nicht auf ein einmaliges missbräuchliches Handeln beschränkt, sondern eine gewisse Dauer und Häufigkeit aufweist2. Dies würde bedeuten, dass beispielsweise eine Haftung des Inhabers einer unbefugt verwendeten E-Mail-Adresse zu verneinen ist, wenn es sich um einen einmaligen Fall handelt. Um den Adressinhaber in die Haftung zu nehmen, müsste der Empfänger der Mail ein wiederholtes Handeln des Scheinvertreters nachweisen. Darüber hinaus müsste er darlegen und beweisen können, dass der Adressinhaber den Missbrauch bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Die Möglichkeiten des Empfängers einer Internet-Erklärung, einen Missbrauch zu erkennen, sind wesentlich geringer als die Möglichkeiten des Inhabers eines Internetanschlusses bzw. einer E-Mail-Adresse, den Zugang Unbefugter zu dem Anschluss bzw. dem Mail-Account – insbesondere durch Passwortschutz – zu verhindern. Hat der Vertretene fahrlässig Vorkehrungen gegen einen Missbrauch verabsäumt, so leuchtet es nicht ein, dass er nicht bereits für den ersten Missbrauchsfall haftbar gemacht werden soll.
409
Die Unterscheidung zwischen einem einmaligen Missbrauchsfall und dem Fall des dauerhaften bzw. häufigen Missbrauchs ist willkürlich. Es erscheint sach- und interessengerecht, eine Rechtsscheinhaftung schon im ersten Missbrauchsfall zu bejahen und die fahrlässige Ermöglichung des Missbrauchs durch den Vertretenen für dessen Haftung ausreichen zu lassen. Die Grundsätze der Anscheinsvollmacht bedürfen einer entsprechenden Erweiterung3.
410
Auch wenn man an den herkömmlichen Anforderungen an eine Anscheinsvollmacht festhält, liegen deren Voraussetzungen jedenfalls vor, wenn eine Unternehmerin ihren Sohn mehrmals innerhalb einer gewissen Zeit und bei drei getrennten Anlässen erlaubt, mit der Kundennummer der Mutter und einer die Firma des Unternehmens enthaltenden E-Mail-Adresse Bestellungen zu tätigen. Soweit in einem solchen Fall nicht bereits eine Duldungsvollmacht zu bejahen ist, ergibt sich eine wirksame Stellvertretung jedenfalls aus einer Anscheinsvollmacht4.
411
Zu bejahen ist eine Anscheinsvollmacht, wenn jemand es einem anderen durch Übergabe der beglaubigten Kopie seines Personalausweises ermög-
412
1 BGH vom 12.3.1981, NJW 1981, 1727, 1728; BGH vom 13.5.1992, VersR 1992, 989, 990; BGH vom 5.3.1998, NJW 1998, 1854; OLG Hamm vom 16.11.2006, NJW 2006, 611, 612; OLG Oldenburg vom 11.1.1993, CR 1993, 558, 559 für Btx. 2 Ellenberger in Palandt, § 172 Rdnr. 12; BGH vom 9.6.1986, WM 1986, 901. 3 Vgl. LG Ravensburg vom 13.6.1991, NJW-RR 1992, 111. 4 Vgl. LG Frankfurt a.M. vom 15.12.2004, Az. 3-13 O 28/04.
101
B. Vertragsrecht
licht, im Internet eine falsche Identität anzunehmen und dort Rechtsgeschäfte unter dem falschen Namen einzugehen („Identitätsdiebstahl“). Er reicht für die Annahme einer Anscheinsvollmacht aus, dass der Inhaber des Personalausweises den Datenmissbrauch hätte erkennen und verhindern können1. 413
Die Anscheinsvollmacht führt zu einer Haftung des Geschäftsherrn, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die für dieses Rechtsinstitut gelten. Für allgemeine Billigkeitserwägungen ist kein Raum. Es überzeugt daher nicht, wenn eine Anscheinsvollmacht verneint wird mit der Begründung, es liege das privatautonome Handeln eines Anbieters vor unter Nutzung einer modernen, die Betriebsabläufe vereinfachenden Technik und unter Inkaufnahme von Unsicherheiten, was die Identität und Volljährigkeit des Vertragspartners angeht2. bb) Parallele zur Telefonie
414
Aufschlussreiche Parallelen zu anonymen Internetgeschäften gibt es in den zahlreichen Fällen, in denen Gerichte vor einiger Zeit über Gebühren für R-Gespräche zu entscheiden hatten3. R-Gespräche waren unter Jugendlichen sehr beliebt. In einem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte4, war es – nach den Angaben der beklagten Mutter – der Freund der minderjährigen Tochter, der mit R-Gesprächen dafür sorgte, dass der Mutter stolze 593,06 Euro in Rechnung gestellt wurden.
415
Die Klärung der Vertragsverhältnisse bereitete dem BGH wenig Schwierigkeiten: Der Telekommunikationsdienstleister, der die R-Gespräche anbot, hatte eine Bandansage geschaltet. Aus dieser Bandansage ging zweifelsfrei hervor, dass mit einem Tastendruck ein Vertrag zustande kommen soll. Die Bandansage und der Tastendruck reichten dem BGH – zu Recht – aus, um von einem Vertragsschluss zu den angebotenen Konditionen (2,9 Cent/Sekunde) auszugehen5.
416
Vertragspartner kann bei anonymisierten Telekommunikationsdienstleistungen aus der (maßgeblichen) Sicht des Dienstleisters nur der Anschlussinhaber sein. Dies war in dem vom BGH zu entscheidenden Fall die Mutter der 16-jährigen Tochter. Da der Vertragsschluss somit unter dem Namen der Mutter erfolgte, stellte sich die Frage, ob der Mutter der 1 AG Hamburg-St. Georg vom 24.2.2009, MMR 2009, 436 (Ls.). 2 Vgl. AG Mitte vom 28.7.2008, MMR 2008, 696, 670 mit Anm. Mankowski. 3 LG Frankfurt a.M. vom 26.11.2004, MMR 2005, 488; LG Paderborn vom 30.11.2004, MMR 2005, 480; AG Braunschweig vom 17.3.2004, MMR 2004, 705; AG Fürth/Odw. vom 11.10.2004, MMR 2005, 489; AG Hamburg-Altona vom 16.12.2004, MMR 2005, 485; AG Limburg vom 8.12.2004, AG Nettetal vom 9.6.2004, MMR 2005, 490; MMR 2005, 488; AG Völklingen vom 23.2.2005, MMR 2005, 482. 4 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971. 5 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971, 1971; Härting, BGH-R 2006, 868 f.
102
V. Wirksamkeit von Online-Verträgen
Tastendruck der Tochter nach dem Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zuzurechnen war (§ 164 Abs. 1 BGB). Der BGH verneinte dies mit der Begründung, dass die „Unterhaltung eines funktionstüchtigen Telefonanschlusses“ keinen Vertrauenstatbestand schaffen könne1. In Anknüpfung an seine Dialer-Entscheidung2 ließ der BGH es dabei jedoch nicht bewenden und prüfte ergänzend, ob eine Zurechnung nach dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV (jetzt: § 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG) in Frage kommt. Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter nach § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV/§ 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer.
417
Aus § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV/§ 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG leitete der BGH den Grundsatz ab, dass es bei Telekommunikationsdienstleistungen für eine Zurechnung des Handelns des Vertreters ausreicht, wenn der Telefonkunde die Nutzung seines Anschlusses zu vertreten hat. Dies allerdings verneinte der BGH, da keine zumutbaren Maßnahmen ersichtlich waren, mit denen die Mutter R-Gespräche ihrer Tochter hätte verhindern können. Insbesondere sei der Mutter eine vollständige Sperrung des Telefonanschlusses oder die vorsorgliche Ausschaltung des Tonwahlverfahrens nicht zumutbar gewesen3.
418
Mit der Krücke des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV/§ 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG gelingt dem BGH im Ergebnis eine sachgerechte Abgrenzung von Risikosphären4. Ob es indes der Krücke bedarf oder ob es nicht vorzugswürdig ist, die Grundsätze der Anscheinsvollmacht im Bereich der anonymen Massenkommunikationen zu modernisieren, ist fraglich5.
419
cc) Passwortschutz
Wer Benutzernamen und Kennwort eines Internetauktions-Accounts an Dritte weitergibt, handelt fahrlässig und kann somit kraft Duldungsvollmacht6 zum Vertragspartner werden, wenn die Zugangsdaten für ein Gebot genutzt werden7. Eine Haftung kraft Anscheinsvollmacht kommt in Betracht, wenn der Inhaber der Zugangsdaten mit den Daten sorglos um1 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971, 1972; Härting, BGH-R 2006, 868 f. 2 BGH vom 14.3.2004, BGHZ 158, 205; vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2004, 334 ff. 3 BGH von 16.3.2006, NJW 2006, 1971, 1973; Härting, BGH-R 2006, 868, 869. 4 Vgl. OLG Köln vom 22.1.2010, K&R 2010, 204, 205; LG Saarbrücken vom 28.4.2009, CR 2010, 173 ff. mit Anm. Gräber; AG Berlin-Mitte vom 7.8.2009, MMR 2009, 783 f. mit Anm. Mankowski. 5 Härting, BGH-R 2006, 868, 869. 6 Siehe Rz. 406. 7 Vgl. LG Aachen vom 15.12.2006, CR 2007, 605 f. mit Anm. Mankowski; AG Bremen vom 20.10.2005, CR 2006, 136 f. mit Anm. Wenn.
103
420
B. Vertragsrecht
geht, indem er sie beispielsweise auf einem „Merkzettel“ notiert, der an einem für Dritte zugänglichen Computer befestigt ist1. 421
Eine Duldungs- und Anscheinsvollmacht mag zu verneinen sein, wenn Benutzername und Kennwort weitergegeben werden an einen Dritten zur Tätigung kleinerer Geschäfte und der Dritte die Accountdaten missbraucht zum Kauf eines Luxusfahrzeuges zu einem Kaufpreis von 74900 Euro2.
422
Wenn passwortgeschützte Zugangsdaten genutzt werden, um ein bestimmtes Geschäft über das Internet zu tätigen, stellt sich die weitergehende Frage nach den Beweisanforderungen, wenn der Inhaber der Daten den Abschluss des Geschäfts bestreitet und einwendet, ein (meist unbekannter) Dritter habe in betrügerischer Weise seine Zugangsdaten ausgespäht und missbraucht. Zu diesem Problem kommt es beispielsweise, wenn der (vermeintliche) Ersteigerer bei einer Internetauktion einwendet, ein bestimmtes Angebot gar nicht abgegeben zu haben.
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Bürdet man in einem solchen Fall dem Vertragspartner den vollen Beweis auf, dass tatsächlich der (vermeintliche) Vertragspartner den Vertragsschluss vorgenommen hat, so entwertet man den Passwortschutz, der doch gerade dazu beitragen soll, das Vertrauen in die Identität des Nutzers zu stärken3.
424
Passwortgeschützte Kommunikation lässt sich nur dann wirksam schützen, wenn man die Grundsätze des Anscheinsbeweises anwendet4. Wenn ein Nutzer, dessen Passwort nachweisbar benutzt wurde, einwendet, er „wisse von nichts“, so spricht die Lebenserfahrung für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer den betreffenden Vorgang entweder „vergessen“ oder durch Fahrlässigkeit Dritten den Zugang zu dem Passwort eröffnet hat. Der Fall unterscheidet sich letztlich nicht von den Fällen der Benutzung eines Geldautomaten mit einer Bankkarte nebst Geheimnummer5. Auch dort spricht – jedenfalls nach herrschender Meinung –
1 A.A. LG Bonn vom 19.12.2003, MMR 2004, 179; AG Erfurt vom 14.9.2001, CR 2002, 767. 2 OLG Köln vom 13.1.2006, NJW 2006, 1676 f. 3 Ernst, MDR 2003, 1091, 1093; Mankowski, MMR 2004, 181. 4 Ernst, MDR 2003, 1091; Herresthal, K&R 2008, 705, 710; Mankowski, MMR 2004, 181; Winter, MMR 2002, 836; a.A. Roßnagel/Pfitzmann, NJW 2003, 1209; Wiebe, MMR 2002, 257, 258; OLG Hamm vom 16.11.2006, NJW 2006, 611, 611; OLG Köln vom 6.9.2002, MMR 2002, 813; OLG Naumburg vom 2.3.2004, Az. 9 U 145/03; LG Bonn vom 7.8.2001, MMR 2002, 255; LG Bonn vom 19.12.2003, MMR 2004, 179. 5 A.A. Wiebe, MMR 2002, 257, 258.
104
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen
ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber die Karte selbst genutzt oder durch Fahrlässigkeit einen Missbrauch ermöglicht hat1. Wenn beim Online-Banking eine Überweisung – wie üblich – unter Verwendung einer Persönlichen Identifikationsnummer (PIN) und einer Transaktionsnummer (TAN) erfolgt, ist streitig, ob dies – per Anscheinsbeweis den Schluss zulässt, dass der Kontoinhaber die Überweisung entweder selbst getätigt oder beim Umgang mit PIN und TAN seine vertraglichen Sorgfaltspflichten verletzt hat2.
425
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen Der Fernabsatz von Waren und Dienstleistungen im Internet ist ein Massengeschäft. Typischerweise erfolgt der Vertragsschluss auf der Grundlage von Vertragsbedingungen, die der Waren- oder Dienstleistungsanbieter dem Vertragspartner als festen Bestandteil seines Leistungsangebotes vorgibt. Damit ist der Anwendungsbereich des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) eröffnet.
426
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§ 305 Abs. 1 BGB).
427
Wenn ein Unternehmer auf einer Website Waren oder Dienstleistungen anbietet, gibt er in aller Regel einen vorformulierten Vertragsinhalt vor3. Nur wenn er die Vertragsbedingungen ernstlich zur Disposition stellen würde, der Besteller also die Möglichkeit hätte, die Vertragsbedingungen zu beeinflussen, wäre das Kriterium der Vorformulierung nicht erfüllt4.
428
Das AGB-Recht gilt nicht nur für das „Kleingedruckte“, sondern für alle standardmäßig verwendeten Vertragsinhalte, die der Online-Anbieter vorgibt. Wenn beispielsweise ein Bestellformular nur die wesentlichen Vertragsklauseln nennt und im Übrigen per Hyperlink auf „Allgemeine
429
1 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdnr. 951 f.; Ernst, MDR 1993, 1091; Gößmann, WM 1998, 1264, 1264 f.; Haertlein, EWiR 2003, 891, 892; Hensen, EWiR 2002, 669, 670; Werner, MMR 1998, 1264, 1269 f.; BGH vom 5.10.2004, Az. XI ZR 210/03; OLG Frankfurt a.M. vom 7.9.2002, WM 2002, 2101, 2102 f.; OLG Stuttgart vom 13.3.2002, NJW-RR 2002, 1274, 1275; LG Darmstadt vom 10.11.1999, WM 2000, 911, 913; AG Charlottenburg vom 16.12.2002, WM 2003, 1174, 1175; AG Hohenschönhausen vom 9.9.2001, WM 2002, 1057; a.A. OLG Hamm vom 17.3.1997, NJW 1997, 1711; LG Bonn vom 19.12.2003, MMR 2004, 179, 181. 2 Vgl. LG Berlin vom 11.8.2009, MMR 2010, 137 (Ls.); LG Mannheim vom 16.5.2008, MMR 2008, 765 mit Anm. Mühlenbrock/Sesing; AG Wiesloch vom 20.6.2008, CR 2008, 600, 601 f. mit Anm. Erfurth. 3 Vgl. LG Köln vom 29.1.2003, CR 2003, 697; für Btx: LG Aachen vom 24.1.1991, NJW 1991, 2159; LG Wuppertal vom 16.5.1990, NJW-RR 1991, 1148. 4 Brox, AT, Rdnr. 222; Köhler, AT, § 16 Rdnr. 8; Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 8; BGH vom 18.11.1982, BGHZ 85, 305, 308; BGH vom 27.4.1988, BGHZ 104, 232, 236; BGH vom 17.2.2010, CR 2010, 386, 388.
105
B. Vertragsrecht
Geschäftsbedingungen“ verwiesen wird, ist das AGB-Recht nicht nur auf die Vertragsbestandteile anzuwenden, die ausdrücklich als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ bezeichnet werden, sondern auch auf die Klauseln, die auf dem Bestellformular zu finden sind1. 430
Der Anwendungsbereich des AGB-Rechts bleibt auch dann eröffnet, wenn in einem Bestellformular mit Varianten gearbeitet wird. Bietet ein Unternehmer beispielsweise die zeitlich befristete Nutzung von Software an und gibt er dem Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Varianten für die Nutzungsdauer (z.B. 6 Monate, 1 Jahr oder 2 Jahre), so handelt es sich bei dem Vertrag dennoch um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Von der Anwendung des AGB-Rechts bleibt lediglich die Klausel über die Nutzungsdauer ausgenommen2. 1. Einbeziehung in den Vertrag
431
432
Ist der Vertragspartner des Anbieters ein Verbraucher (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB), kann die Frage, ob Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind, erhebliche Schwierigkeiten bereiten3.
Übersicht Einbeziehung von AGB (§ 305 Abs. 2 BGB): – Der Verwender muss den Vertragspartner bei Vertragsschluss auf die Geschäftsbedingungen ausdrücklich hinweisen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB). – Der Verwender muss dem Vertragspartner die Möglichkeit verschaffen, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). – Der Vertragspartner muss der Geltung der Geschäftsbedingungen zustimmen (§ 305 Abs. 2, letzter Halbsatz BGB).
433
Die strengen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB gelten nur gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB). Kommt der Vertrag mit einem Unternehmer (§ 14 BGB) zustande, ist § 305 Abs. 2 BGB gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht anwendbar. a) Ausdrücklicher Hinweis
434
Der zur Einbeziehung von Geschäftsbedingungen in einen Vertrag gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB notwendige Hinweis muss zum einen „bei Ver1 Stadler in Jauernig, § 305 Rdnr. 3; Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 14. 2 Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 12; BGH vom 7.2.1996, NJW 1996, 1676, 1677; BGH vom 13.11.1997, NJW 1998, 1066, 1067. 3 Vgl. Köhler, AT, § 16 Rdnr. 9 ff.
106
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen
tragsschluss“ gegeben werden. Zum anderen muss der Hinweis „ausdrücklich“ erfolgen. Auf vielen Internetseiten befindet sich ein Hyperlink, durch den auf Allgemeine Geschäftsbedingungen verwiesen wird. Ein solcher Hyperlink kann grundsätzlich ausreichen als ausdrücklicher Hinweis auf die Geschäftsbedingungen1.
435
An einem ausreichenden Hinweis auf die Geschäftsbedingungen fehlt es, wenn sich der Verweis auf die AGB an einer Stelle findet, die weit von dem Bestellformular entfernt ist. Da die Hinweispflicht „bei Vertragsschluss“ besteht, ist eine zeitliche Nähe zu der tatsächlichen Bestellung notwendig. Befindet sich der Hyperlink zu den AGB nur auf der Startseite einer umfangreichen Website, ist die Entfernung von dem Hinweis zu dem Bestellbutton in der Regel zu groß, um das Erfordernis eines Hinweises „bei Vertragsschluss“ zu erfüllen2.
436
Hinsichtlich des zweiten Erfordernisses des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB, nämlich der „Ausdrücklichkeit“ des Hinweises, muss man unterscheiden: Ist der Hyperlink von einem Durchschnittskunden auch bei flüchtiger Betrachtung der Website nicht zu übersehen und ist er darüber hinaus klar als Hinweis auf verbindliche Vertragsbestimmungen formuliert, so genügt er den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB3. Ist der Hinweis dagegen auf einer unübersichtlichen Internetseite – etwa zwischen einer Vielzahl anderer Hyperlinks – versteckt und kann der durchschnittliche Leser den Hinweis leicht übersehen, kann von einer „Ausdrücklichkeit“ des Hinweises i.S.d. § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht mehr die Rede sein4.
437
Eine Einbeziehung in den Vertrag scheitert auch dann an der fehlenden „Ausdrücklichkeit“ des Hinweises, wenn der Hinweis unklar oder missverständlich bezeichnet ist5 (z.B. bei einer deutschsprachigen Internetseite und einem englischsprachigen Hyperlink: „Terms of Payment“6).
438
1 Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 38; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 189; Mehrings, BB 1998, 2373, 2378; OLG Hamm vom 14.12.2000, NJW 2001, 1142; LG Bielefeld vom 30.10.1991, NJW-RR 1992, 955; LG Essen vom 13.2.2003, MMR 2004, 49; LG Münster vom 21.1.2000, DB 2000, 663, 664; für Btx: AG Kassel vom 16.2.1990, NJW-RR 1991, 1146, 1147. 2 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 190; Moritz, CR 2000, 61, 64. 3 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 Rdnr. 135b; Horn, MMR 2002, 209; Koehler, MMR 1998, 289, 291; Köhler, NJW 1998, 185, 189; Moritz, CR 2000, 61, 64; LG Bielefeld vom 30.10.1991, NJW-RR 1992, 955; LG Osnabrück vom 10.11.1995, CR 1996, 227, 228; AG Kassel vom 16.2.1990, NJW-RR 1991, 1146, 1147. 4 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rdnr. 123 ff., 135b, 149a; Löhnig, NJW 1997, 1688, 1688 f.; OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677. 5 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rdnr. 124; Koehler, MMR 1998, 289, 293 f. 6 Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, IntGV, Rdnr. 40 f.; a.A. Schmidt in Ulmer/ Brandner/Hensen, Anh. § 305 BGB Rdnr. 14.
107
B. Vertragsrecht
439
➲ Praxistipp: Um den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB gerecht zu werden, empfiehlt es sich, auf dem Bestellformular einen deutlich gestalteten und formulierten Hinweis auf die AGB zu platzieren. b) Möglichkeit der Kenntnisnahme
440
Eine Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen Vertrag setzt weiterhin voraus, dass der Vertragspartner die Möglichkeit hat, die Geschäftsbedingungen in zumutbarer Weise zur Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
441
Die Frage, ob die Kenntnisnahme von AGB zumutbar ist, stellt sich, wenn der Nutzer die Geschäftsbedingungen nur über eine Kette von Hyperlinks erreichen kann. Gelangt man von der Angebotsseite bzw. von dem Bestellformular zu den Geschäftsbedingungen ausschließlich über zahlreiche Hyperlinks, ist die Grenze der (Un-)Zumutbarkeit erreicht1.
442
➲ Praxistipp: Um den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB gerecht zu werden, empfiehlt es sich, den auf dem Bestellformular platzierten Hyperlink unmittelbar zu den AGB zu führen und „Linkketten“ zu vermeiden.
443
Für § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügt es, wenn die Geschäftsbedingungen durch Anklicken des Wortes „AGB“ auf der Bestellseite aufgerufen und ausgedruckt werden können2. Die Verwendung von Links gehört zu den im Internet üblichen Gepflogenheiten. Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen können daher davon ausgehen, dass Verbraucher, die sich für ihre Bestellung des Internets bedienen, mit solchen Links ohne weiteres umgehen können3.
444
Verweisen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers eines Internetportals auf die Reisebedingungen des jeweiligen Reiseveranstalters, ohne dass diese selbst im Rahmen der AGB direkt abrufbar sind, so reicht dies für eine wirksame Einbeziehung nicht aus. Auch das bloße Angebot, die AGB zu übersenden, genügt nicht4.
445
Werden für die Teilnahme an einem Gewinnspiel im Rundfunk „Teilnahmebedingungen“ verwendet, reicht es für die Einbeziehung in den Spielvertrag als AGB gemäß § 305 Abs. 2 BGB aus, wenn im Radio ein Hinweis auf die Internetpräsenz des Senders gegeben wird und die „Teilnahmebedingungen“ dort abrufbereit zur Verfügung stehen. Wie der Hinweis durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses genü1 Vgl. Koch, Internetrecht, S. 78. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 13.6.2002, WM 2003, 581, 583; OLG Hamm vom 14.12.2000, ZIP 2001, 291, 292; Basedow in MünchKomm-BGB, § 305 Rdn. 65; Lapp in jurisPK-BGB, § 305 Rdn. 44; Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 38; Ernst VuR 1997, 259, 261; Waldenberger BB 1996, 2365, 2368 f. 3 BGH von 14.6.2006, NJW 2006, 2976, 297. 4 LG München I vom 15.1.2009, WRP 2009, 753, 756.
108
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen
gen kann (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. BGB), kann auch die Abrufbarkeit im Internet für eine Einbeziehung ausreichen. Alles andere wäre gänzlich unpraktikabel, weil sonst in jedem einzelnen Hinweis auf das Gewinnspiel ein umfänglicher Hinweis auf die AGB erfolgen müsste1. Seit der Schuldrechtsreform ist das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gesetzlich normiert. Überholt ist seitdem die Auffassung, dass unübersichtliche und/oder schwer verständliche Geschäftsbedingungen mangels zumutbarer Kenntnisnahme nicht Vertragsbestandteil werden können2. Die Einbeziehung von Geschäftsbedingungen ist ausschließlich von formalen Gesichtspunkten abhängig, die in § 305 Abs. 2 BGB zusammengefasst sind. Verstöße gegen das Transparenzgebot führen nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Unwirksamkeit der betreffenden Klauseln, ohne dass deren Einbeziehung in den Vertrag fraglich wird.
446
Geschäftsbedingungen auf einer Website können von dem Anbieter jederzeit unbemerkt geändert werden. Beruft sich der Verwender auf seine AGB, trägt er nach den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts das Risiko des Nachweises, dass die AGB bei Vertragsschluss in einer bestimmten Fassung abrufbar waren3.
447
Beweisprobleme stehen einer Einbeziehung gemäß § 305 Abs. 2 BGB nicht entgegen4. Zumutbar ist dem Nutzer die Kenntnisnahme auch dann, wenn die AGB kurz nach Vertragsschluss geändert oder von der Website entfernt werden.
448
➲ Praxistipp: Um Streit darüber vorzubeugen, welche Fassung der AGB jeweils abrufbar war, ist dem Anbieter eine lückenlose Dokumentation aller Änderungen zu empfehlen. Umgekehrt sollte sich der Nutzer gegen Streit über AGB-Änderungen absichern durch eine sofortige Speicherung und/oder einen sofortigen Ausdruck der AGB bei Vertragsschluss.
449
Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB sieht eine Belehrung darüber vor, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist.5 Daraus ergibt sich allerdings keine Verpflichtung des Unternehmers zur nachvertraglichen Speicherung des Vertragstextes6.
450
1 2 3 4 5 6
LG Hannover vom 30.3.2009, MMR 2009, 870 (Ls.). Vgl. BGH vom 2.7.1999, NJW 2000, 653; BGH vom 9.5.2001, NJW 2001, 2013. Vgl. OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677. Vgl. Horn, MMR 2002, 269, 270. Vgl. Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. Siehe Rz. 744.
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B. Vertragsrecht
c) Einverständnis
451
Nach § 305 Abs. 2 BGB bedarf es zur Einbeziehung der Geschäftsbedingungen in den Vertrag des – ausdrücklichen oder stillschweigenden1 – Einverständnisses des Verbrauchers.
452
Ein stillschweigendes Einverständnis des Kunden mit den AGB liegt regelmäßig vor bei einer Bestellung über eine Website, die den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB genügt. Hat der Anbieter bei der Gestaltung seiner Website den Nutzer ausdrücklich auf die AGB hingewiesen und ihm die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben, so darf er die Bestellung nach den Auslegungskriterien der §§ 133, 157 BGB als Einverständnis mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen werten2.
453
Die Präsentation von Waren und Dienstleistungen auf einer Website stellt in der Regel keine Willenserklärung, sondern eine invitatio ad offerendum dar. Durch die Bestellung gibt der Kunde einen Antrag gemäß § 145 BGB ab3. Wenn der Unternehmer bis dahin einen Hinweis auf seine AGB versäumt hat, kann er dies daher in der Annahmeerklärung nicht ohne weiteres nachholen. Ein „nachträglicher“ Hinweis auf die AGB stellt eine Modifikation des Antrages dar, die nach § 150 Abs. 2 BGB nur wirksam wird, wenn der Antragende zustimmt. Äußert sich der Besteller nach Erhalt der Annahmeerklärung nicht, lässt sich sein Schweigen jedenfalls dann nicht als Zustimmung zu den AGB werten, wenn der Besteller Verbraucher ist4.
454
➲ Praxistipp: Das Bestellformular sollte eine ausdrückliche Einverständniserklärung enthalten5 die lauten kann: „Mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bin ich einverstanden.“
455
Weit verbreitet, aber nach § 309 Nr. 12 b BGB unwirksam6 sind weitergehende Klauseln, die die Kenntnisnahme bestätigen („Ich habe die AGB gelesen und verstanden und bin mit der Geltung der AGB einverstanden.“). Auf derartige Klauseln sollte man verzichten. d) Überraschende Klauseln
456
Auch wenn die Voraussetzungen für eine Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbeziehungen in einen Vertrag gemäß § 305 Abs. 2 BGB erfüllt sind, 1 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 43; Brox, AT, Rdnr. 228. 2 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 184; Löhnig, NJW 1997, 1688, 1689; OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677. 3 Siehe Rz. 301 ff. 4 Vgl. KG vom 6.1.1994, NJW-RR 1994, 1265. 5 Vgl. Horn, MMR 2002, 209, 210. 6 Grüneberg in Palandt, § 309 Rdnr. 101; BGH vom 28.3.1996, NJW 1996, 1819; LG München I vom 14.8.2003, CR 2004, 221, 224.
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VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen
werden einzelne Klauseln nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen braucht1. Wird in den Geschäftsbedingungen eines Software-Verkäufers eine Klausel „versteckt“, die den Käufer zur Abnahme und Bezahlung zukünftiger Updates der Software verpflichtet, so handelt es sich gemäß § 305 c Abs. 1 BGB um eine überraschende Klausel, die nicht Vertragsbestandteil wird. Dasselbe gilt, wenn sich eine Zahlungspflicht des Kunden ausschließlich aus den AGB eines Gewinnspielanbieters ergibt und Besucher der Website mit einem Gewinnspiel und einem Gutschein gelockt werden, ohne auf Kosten hinzuweisen2.
457
Weit verbreitet waren in jüngster Zeit Internetdienste, deren Websites den Eindruck kostenloser Leistungsangebote vermittelten, wobei sich im Kleingedruckten Hinweise auf eine Entgeltpflicht fanden3. Derartige AGB-Klauseln stellen geradezu einen Prototyp einer überraschenden Klausel gemäß § 305 c Abs. 1 AGB dar. Die entsprechenden Klauseln werden gar nicht erst Vertragsbestandteil, sodass sich Fragen der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB gar nicht erst stellen4.
458
Wird der Besucher einer Internetseite – durch die zahlreiche Verwendung der Begriffe „free“, „gratis“ und „umsonst“ – in den Glauben versetzt, der Betreiber eines Dienstes biete den kostenlosen Versand von SMS an, braucht der Nutzer nicht damit zu rechnen, dass in den AGB die Entgeltlichkeit von Leistungen (96 Euro) festgelegt wird. Nur bei einem deutlichen Hinweis auf die Entgeltlichkeit der Leistungen auf der Internetseite wäre eine entsprechende Klausel in den AGB nicht überraschend5.
459
Die Voraussetzungen des § 305 c Abs. 1 BGB liegen auch vor, wenn in AGB Stornierungsmöglichkeiten abweichend dargestellt werden von Angaben, die sich auf einer anderen Bildschirmseite der Anbieter-Website finden6.
460
2. Transparenzgebot
Die Formulierung und Gestaltung von AGB ist für Unternehmer oft eine lästige Pflichtübung, die dadurch erledigt wird, dass schlechte Geschäfts1 Vgl. Brox, AT, Rdnr. 230; Köhler, AT, § 16 Rdnr. 20. 2 AG München vom 16.1.2007, CR 2007, 816. 3 Vgl. Buchmann/Majer/Hertfelder/Vögelein, NJW 2009, 3189 ff.; Hövel/Hansen, CR 2010, 252 ff.; OLG Frankfurt a.M., vom 4.12.2008, CR 2009, 253 ff.; LG Hanau vom 7.1.2007, MMR 2008, 288 f.; LG Mannheim vom 14.1.2010, MMR 2010, 241 f.; AG Karlsruhe vom 12.8.2009, NJW-RR 2010, 68 f.; AG Marburg vom 8.2.2010, GRUR-RR 2010, 265; AG München vom 18.2.2009, ITRB 2009, 201 (Engels). 4 A.A. AG Gummersbach vom 30.3.2009, MMR 2009, 490. 5 AG Hamm vom 26.3.2008, NJW-RR 2009, 1078. 6 AG Dortmund vom 12.4.2006, NJW-RR 2007, 60, 61.
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461
B. Vertragsrecht
bedingungen der Konkurrenz schlecht kopiert und als eigene AGB ins Netz gestellt werden: „Copy and Paste“. Rasant verbreiten sich auf diese Weise schlechte Formulierungen und unsinnige, unverständliche und unpassende Klauseln. 462
Das Internet ist eine reichhaltige Fundgrube für Anwendungsfälle des Transparenzgebotes, das seit der Schuldrechtsmodernisierung in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gesetzlich normiert ist. Das LG Hamburg hat beispielsweise mit eine Reihe der von Google auf seinen deutschsprachigen Seiten verwendeten AGB-Klauseln für intransparent und daher unwirksam erachtet1.
463
Im Hinblick auf das Transparenzgebot können AGB-Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam sein, wenn sie nicht klar und verständlich formuliert sind. Dies gilt nicht nur für Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, sondern auch für Klauseln, die geltendes Recht intransparent darstellen (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB).
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Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geht auf die Rechtsprechung zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG zurück2. An dieser Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsreform festhalten3.
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Auf Grund des Transparenzgebotes müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Durchschnittskunden mühelos lesbar sein und ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit aufweisen4. Darüber hinaus müssen AGBKlauseln in ihrem Kernbereich klar und für einen Durchschnittskunden verständlich sein5. Der Umfang der Geschäftsbedingungen muss zudem im Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts vertretbar sein6.
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Für Online-AGB folgt aus dem Transparenzgebot, dass Geschäftsbedingungen leserfreundlich zu gestalten sind7. Das bedeutet zum einen, dass eine Schriftgröße benutzt wird, die das Lesen nicht übermäßig erschwert. 1 2 3 4
LG Hamburg vom 7.8.2009, K&R 2009, 735 ff. mit Anm. Wieduwilt. Vgl. BGH vom 2.7.1999, NJW 2000, 653; BGH vom 9.5.2001, NJW 2001, 2013. Grüneberg in Palandt, § 307 Rdnr. 16. Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 39; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rdnr. 150 ff.; Köhler, NJW 1998, 185, 189; AG Kassel vom 16.2.1990, NJW-RR 1991, 1146, 1147. 5 Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 41; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rdnr. 151; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 2 Rdnr. 27; Köhler, NJW 1998, 185, 189; LG Aachen vom 24.1.1991, NJW 1991, 2159, 2160; LG Freiburg vom 7.4.1992, NJW-RR 1992, 1018; LG Köln vom 29.1.2003, CR 2003, 697. 6 Grüneberg in Palandt, § 305 Rdnr. 39; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rdnr. 152 ff.; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 2 Rdnr. 24; Köhler, NJW 1998, 185, 189; LG Aachen vom 24.1.1991, NJW 1991, 2159, 2160; LG Bielefeld vom 30.10.1991, NJW-RR 1992, 955; LG Freiburg vom 7.4.1992, NJW-RR 1992, 1018; LG Wuppertal vom 16.5.1990, NJW-RR 1991, 1148, 1149. 7 Vgl. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 Rdnr. 335; Köhler, NJW 1998, 185, 188 f.; Löhnig, NJW 1997, 1688, 1688 f.
112
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Zum anderen ist eine übersichtliche Gestaltung der Bedingungen erforderlich, die nicht gegeben ist, wenn beispielsweise die AGB im Fließtext auf dem Bildschirm erscheinen – ohne Punkt und Komma und ohne Untergliederung in Absätze. Die Beurteilung der Transparenz von AGB erfordert eine Bewertung im Einzelfall. Dies schließt es aus, allgemein gültige Kriterien aufzustellen und beispielsweise stets eine Schriftgröße von mindestens 12 Punkten und einen Zeilenabstand von mindestens 1,5 zu verlangen.
467
Werden englischsprachige oder andere fremdsprachliche Geschäftsbedingungen verwendet, stellt sich die Frage, ob schon allein aus diesem Grunde die Verständlichkeit für den Durchschnittskunden fehlt. Vernünftigerweise ist darauf abzustellen, in welcher Sprache der Internetanbieter dem Besteller gegenübertritt und ob er davon ausgehen darf, dass der Besteller die verwendete Sprache spricht1. Benutzt der Anbieter auf seiner Website durchgängig die englische Sprache, so ist es dem Besteller zumutbar, seinerseits auf Englisch zu kommunizieren.
468
Wer fremdsprachige Vertragsgespräche führt, übernimmt damit das Risiko sprachlich bedingter Missverständnisse2. Lässt sich der Besteller auf einen Anbieter ein, der ausschließlich eine fremde Sprache verwendet, ist es ihm zuzumuten, auch das „Kleingedruckte“ in der ausländischen Sprache zur Kenntnis zu nehmen3.
469
Je länger das Kleingedruckte, desto beschwerlicher die Lektüre. Aus dem Transparenzgebot lässt sich ableiten, dass AGB nicht übertrieben langatmig gefasst sein dürfen, da dies dem Vertragspartner die Lektüre und das Verständnis der Klauseln unzumutbar erschwert. Im Hinblick auf die Mühe, die die Bildschirmlektüre bereitet, erscheint es angezeigt, insoweit einen strengeren Maßstab anzulegen als bei gedruckten AGB4.
470
Eine Fluggesellschaft verstößt gegen das Transparenzgebot, wenn für einen Kunden auf Grund der vielfältigen, im Internet unterschiedlich aufgestellten Bedingungen nicht hinreichend deutlich wird, welche Bedingungen für die jeweils gewählte Reise gelten5.
471
Nach dem Transparenzgebot muss die Klauselfassung der Gefahr vorbeugen, dass der Kunde von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missver-
472
1 Vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 Rdnr. 151. 2 Pützhoven, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 66; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, Vertriebsrecht, S. 239; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1278. 3 Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 305 BGB Rdnr. 14 f.; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rdnr. 124; Lauktien/Varadinek, ZUM 2000, 466, 470; Koehler, MMR 1998, 289, 293 f.; BGH vom 28.3.1996, NJW 1996, 1819, 1819. 4 LG Köln vom 29.1.2003, CR 2003, 697. 5 AG Frankfurt a.M. vom 21.2.2006, NJW 2006, 3010, 3011 mit Anm. Kappus.
113
B. Vertragsrecht
ständlich darstellt und es auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen 1. 3. Inhaltskontrolle
473
Für die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 bis 309 BGB gelten im Übrigen keine Besonderheiten. AGB-Klauseln, die gemäß § 305 Abs. 2 BGB Vertragsbestandteil geworden sind, unterliegen der Inhaltskontrolle, sofern sie von Vorschriften des dispositiven Rechts abweichen (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Sehen beispielsweise die Geschäftsbedingungen eines PCHändlers einen weitgehenden Gewährleistungsausschluss vor, so sind die Ausschlussklauseln an den Anforderungen des § 309 Nr. 7 und 8 BGB zu messen. Für Verträge, die über das Internet geschlossen werden, gilt bei der Inhaltskontrolle nichts anderes als bei Käufen, die im Ladengeschäft des Händlers getätigt werden.
1 BGH vom 5.10.2005, K&R 2006, 33, 36; BGH vom 21.9.2005, NJW 2005, 3567, 3569; BGH vom 17.9.2000, BGHZ 145, 203, 220 f.
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C. Verträge über Internet-Dienstleistungen Rz. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 II. Webdesignverträge . . . . . . . . . . 1. Vertragsgegenstand . . . . . . . . . 2. Projektablauf und Pflichtenheft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . 4. Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Change Management . . . . . . . . 6. Gewährleistung und Haftung . 7. Mitwirkungspflichten . . . . . . . 8. Fertigstellung . . . . . . . . . . . . . . 9. Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476 477 491 497 506 508 511 513 515 517
III. Providerverträge . . . . . . . . . . . . 523 1. Access-Provider-Verträge . . . . 524
2. 3. 4. 5.
Host-Provider-Verträge . . . . . . Mail-Account-Verträge . . . . . . ASP-Verträge . . . . . . . . . . . . . . . Internet-System-Verträge . . . .
Rz. 537 545 557 560
IV. 1. 2. 3. 4.
Domainverträge . . . . . . . . . . . . Domainregistrierung . . . . . . . . Domainkauf . . . . . . . . . . . . . . . Domainpacht . . . . . . . . . . . . . . Domainservice . . . . . . . . . . . . .
565 566 574 577 580
V. Werbeverträge . . . . . . . . . . . . . . 587 VI. Plattformverträge und Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . . 596
I. Überblick Verträge über Internet-Dienstleistungen sind Verträge, die unmittelbar das Internet betreffen wie beispielsweise den Zugang zum Internet, die Gestaltung von Websites (Webdesign) oder die Bereithaltung eines E-Mail-Accounts. Bei diesen Verträgen stellen die Vertragsgestaltung und die Gestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhebliche Herausforderungen dar. Zunächst gilt es, die technischen und wirtschaftlichen Abläufe zu verstehen, die den Dienstleistungen zugrunde liegen. Sodann bedarf es im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB einer vertragstypologischen Einordnung dieser Vorgänge. Schließlich sind die typischen Konfliktfelder herauszuarbeiten, die einer Regelung bedürfen.
Übersicht
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475
Internet-Dienstleistungen1 – Zugang zum Internet: Access-Providerverträge; – Präsenz im Internet: Host-Providerverträge (Bereitstellung von Speicherplatz für eine über das Internet abrufbare Website); – Gestaltung eines Internetauftritts: Webdesignverträge; – Pflege eines Internetauftritts: Website-Wartungsverträge; – Unterhaltung einer E-Mailbox: E-Mail-Accountverträge;
1 Vgl. Härting, CR 2001, 37 ff.
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C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
– Registrierung, Verwaltung, Übertragung und „Vermietung“ von Internetadressen: Domainverträge; – Schaltung von Werbung auf einer Website: Werbeverträge; – Bereitstellung von Inhalten für eine Website: Contentverträge; – Nutzung von Online-Diensten: Nutzungsbedingungen und Plattformverträge.
II. Webdesignverträge 476
Um im Internet präsent zu sein, bedarf es der Gestaltung und Erstellung einer Website. Dies ist die Aufgabe von Webdesignern. 1. Vertragsgegenstand
477
Eine Website besteht aus Software. Ein Vertrag über die Erstellung einer Website unterscheidet sich daher nur wenig von anderen Verträgen über die Erstellung von (Individual-)Software.
478
Der Webdesigner, der mit der Erstellung einer Website beauftragt wird, sagt nicht lediglich eine Dienstleistung, sondern einen klar definierten Erfolg zu. Daher gilt für den Webdesignvertrag Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB)1.
479
Bis zur Neufassung des § 651 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz2 war es unerheblich, ob es sich bei einem Webdesignvertrag um einen reinen Werkvertrag oder einen Werklieferungsvertrag gemäß § 651 BGB handelt, da eine Website jedenfalls keine vertretbare Sache ist und somit kein Zweifel an der Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts bestehen konnte3. Nach dem neu gefassten § 651 BGB findet dagegen auf einen Werkvertrag, der die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, Kaufrecht auch dann Anwendung, wenn nicht vertretbare Sachen Vertragsgegenstand sind4.
1 Cichon, Internetverträge, Rdnr. 402; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil O Rdnr. 343 ff.; Schmidt in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VIII Rdnr. 4; Härting, ITRB 2001, 20. 2 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I 2001, S. 3138. 3 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 5; Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rdnr. 57; BGH vom 14.7.1993, CR 1993, 681, 682. 4 Vgl. Sprau in Palandt, Einf. § 631 Rdnr. 2; Ayad, DB 2001, 2697, 2700; Däubler, NJW 2001, 3729, 3733; Thewalt, CR 2002, 1, 2; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 268.
116
II. Webdesignverträge
Vor allem wegen der Notwendigkeit der Verkörperung von Software auf einem Datenträger wird Software überwiegend für eine Sache i.S.d. § 90 BGB gehalten1. In den Materialien zur Schuldrechtsreform findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 651 BGB in irgendeiner Weise an Software gedacht hat2. Völlig unbeabsichtigt hat der Gesetzgeber somit eine Regelung geschaffen, die – jedenfalls dem Wortlaut nach – Individualsoftware-Verträge, die zuvor dem Werkvertragsrecht unterfallen waren, weitgehend in das Kaufrecht verschiebt3. Die Diskussion um die Behandlung von Software als Sache ist nach der Schuldrechtsreform neu entfacht4.
480
Die Verschiebung vom Werkvertrags- zum Kaufrecht entspricht der generellen Tendenz des § 651 BGB. Da diese allgemeine Tendenz eindeutig gewollt ist5, überzeugt es nicht recht, wenn gefordert wird, für Software das Rad zurückzudrehen und Softwareverträge dem Kaufrecht weitestgehend zu entziehen6. Weshalb für Software etwas anderes gelten soll als für andere „Unikate“, ist nicht recht ersichtlich. Die Rechtsprechung, die Software in den vergangenen beiden Jahrzehnten als Sache behandelt hat7, hat zudem zumeist zu praktikablen Ergebnissen geführt. Der BGH hält an seiner Rechtsprechung im Übrigen auch nach der Schuldrechtsreform fest8.
481
1 Michalski in Erman, § 90 Rdnr. 3; Günther, Produkthaftung für Informationsgüter, S. 194 ff.; Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rdnr. 96 ff.; Ellenberger in Palandt, § 90 Rdnr. 2; Redeker, IT-Recht, Rdnr. 297; Hoeren, GRUR 1988, 340, 343; Hoeren, CR 1988, 908, 911; Thewalt, CR 2002, 1, 4; BGH vom 18.10.1989, NJW 1990, 320; BGH vom 14.7.1993, NJW 1993, 2436, 2437; BGH vom 22.12.1999, CR 2000, 207; a.A. Bartsch, CR 2001, 649, 655; Kort, DB 1994, 1505, 1506; Mehrings, NJW 1986, 1904, 1905; zu § 11 Nr. 10 AGBG a.F. vgl. Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § 11 Nr. 10, Rdnr. 5. 2 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 267 f.; vgl. auch Lejeune, K&R 2002, 441, 446. 3 Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rdnr. 3a ff.; Bauer/Witzel, ITRB 2003, 62, 63; Goldmann/Redecke, MMR 2003, 3; Hoene/Zeifang, ITRB 2003, 228, 230; Mankowski, MDR 2003, 854, 857; Schneider/Bischof, ITRB 2002, 273; Schneider, CR 2003, 317, 321; Spindler/Klön, CR 2003, 81, 83. 4 Vgl. Ayad, DB 2001, 2697, 2701; Bartsch, CR 2001, 649, 655; Bauer/Witzel, ITRB 2003, 62 ff.; Diedrich, CR 2002, 473, 475 f.; Goldmann/Redecke, MMR 2002, 3 ff.; Hoene/Zeifang, ITRB 2003, 228, 229 f.; Kotthoff, K&R 2002, 105 ff.; Plath, ITRB 2002, 98, 100; Schneider/Bischof, ITRB 2002, 273; Thewalt, CR 2002, 1, 4 ff. 5 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 268. 6 So im Ergebnis auch Bauer/Witzel, ITRB 2003, 62, 63; Goldmann/Redecke, MMR 2003, 3; Hoene/Zeifang, ITRB 2003, 228, 230; Kotthoff, K&R 2002, 105; Mankowski, MDR 2003, 854, 857; Plath, ITRB 2002, 98, 100; Schneider/Bischof, ITRB 2002, 273; Thewalt, CR 2002, 1, 4. 7 BGH vom 18.10.1989, NJW 1990, 320; BGH vom 14.7.1993, NJW 1993, 2436, 2437; BGH vom 22.12.1999, CR 2000, 207. 8 BGH vom 15.11.2006, CR 2007, 75 ff. mit Anm. Lejeune.
117
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
482
Dass Software durch die Verkörperung auf Datenträgern auch beweglich i.S.d. § 651 BGB ist, liegt auf der Hand1. Der Webdesigner schuldet also die Herstellung einer beweglichen Sache.
483
Die Leistung des Webdesigners ist für den Kunden nur von Nutzen, wenn er die fertige Website auch „in den Händen“ hält. Daher begründet der Webdesignvertrag stets auch eine Lieferverpflichtung2. Unerheblich ist, ob die Lieferung auf einem herkömmlichen Datenträger (Diskette oder CD) oder online per Datenfernübertragung erfolgt3. Selbst wenn der Webdesigner die fertige Website direkt auf den Server des Kunden übersendet, liegt die Lieferung einer Sache vor. Ob die Lieferung an den Vertragspartner oder einen Dritten (z.B. den Host Provider des Kunden) erfolgt, spielt für die rechtliche Einordnung des Vertrages keine Rolle4.
484
Eine Website ist – jedenfalls im Regelfall – keine vertretbare Sache i.S.d. §§ 651 Satz 3, 91 BGB5. Die Vertretbarkeit richtet sich danach, ob das Werk auch für andere Kunden verwendbar ist6. Das Wesen einer Website liegt in deren individuellem Zuschnitt auf den Kunden, sodass es regelmäßig an einer Vertretbarkeit fehlt. In Zweifelsfällen lassen sich die Abgrenzungskriterien zwischen Standard- und Individualsoftware7 fruchtbar machen.
485
Ist ein Webdesignvertrag in aller Regel als Vertrag über die Herstellung und Lieferung einer nicht vertretbaren beweglichen Sache gemäß § 651 Satz 3 BGB anzusehen, findet Kaufrecht Anwendung8. Daneben treten einzelne Vorschriften (§§ 642, 643, 645, 649, 650 BGB) des Werkvertragsrechts9.
486
Die weitgehende Verdrängung des Werkvertragsrechts durch das Kaufrecht hat der BGH in einer Entscheidung bestätigt, die auch für IT-Sachverhalte aufschlussreich ist. Es ging um einen Vertrag, in dem sich der Vertragspartner verpflichtet hatte, die für die Errichtung einer Siloanlage benötigten Bauteile herzustellen und zu liefern. Zu den vertraglich ge1 Thewalt, CR 2002, 1, 4 m.w.N. 2 Thewalt, CR 2002, 1, 4. 3 Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 53 f.; Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rdnr. 108; Lorenz, JuS 2000, 833, 840; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 928; Schmitt, CR 2001, 838, 841 und 843; Ulmer, ITRB 2001, 140 f.; a.A. Redeker, NJW 1992, 1739. 4 Vgl. Rath-Glawatz/Dietrich, AfP 2000, 505, 506. 5 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 11. 6 Michalski in Erman, § 91 Rdnr. 2; Ellenberger in Palandt, § 91 Rdnr. 1; Sprau in Palandt, § 651 Rdnr. 8. 7 Vgl. Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rdnr. 48 ff. m.w.N. 8 Härting, ITRB 2002, 218, 219; a.A. Ayad, DB 2001, 2697, 2704; Bartsch, CR 2001, 649, 655; vgl. auch Redeker; IT-Recht, Rdnr. 297; Schneider, Handbuch des EDVRechts, Teil H Rdnr. 3a; 9 Vgl. Sprau in Palandt, § 651 Rdnr. 6 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rdnr. 3b; BT-Drucks. 14/7052, S. 205.
118
II. Webdesignverträge
schuldeten Leistungen gehörten auch umfangreiche Planungsleistungen 1. Dass geistige Leistungen und nicht die Lieferung eines Gegenstandes den Schwerpunkt von Softwareerstellungsverträgen bilden, ist eines der Kernargumente der Kritiker einer Anwendung des § 651 BGB2. Der BGH hat derartigen Einwänden eine Absage erteilt3. Kaufrecht sei auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden. Dies gelte auch dann, wenn zu den Leistungspflichten neben der Lieferpflicht andere zusätzliche wesentliche Leistungen gehören, insbesondere Planungs-, Konstruktions-, Integrations- und Anpassungsleistungen. Planungsleistungen, die als Vorstufe zu der vertraglich geschuldeten Lieferung einer herzustellenden Sache anzusehen seien, könnten der Beurteilung des Vertrages nach den Vorschriften über den Kauf regelmäßig nicht entgegenstehen. Eine Ausnahme könne allenfalls dann gelten, wenn die Planungsleistungen so dominieren, dass sie den Schwerpunkt des Vertrages bilden und deshalb die Anwendung des Werkvertragsrechts erforderlich erscheine4.
487
Auch wenn der Vertrag über die Planung, Herstellung und Lieferung einer komplexen baulichen Anlage nicht in allen Punkten mit einem Softwareerstellungsvertrag vergleichbar ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der BGH bei Anlegung identischer Auslegungsmaßstäbe § 651 BGB auch auf Softwareerstellungsverträge anwenden wird5.
488
In seiner jüngsten Entscheidung zu „Internet-System-Verträgen“ hat sich der BGH unklar6 zur Anwendbarkeit des § 651 BGB auf Webdesignverträge geäußert7. Einerseits heißt es, ein solcher Vertrag dürfte – ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software – regelmäßig als Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB und „unter Umständen auch“ als Werklieferungsvertrag anzusehen sein. Andererseits betont der BGH, dass die „individuelle Website“ – anders als beim Werklieferungsvertrag – nicht als bewegliche Sache an den Kunden „geliefert“ werde, sondern
489
1 BGH vom 23.7.2009, NJW 2009, 2877. 2 Vgl. Hoeren, AGB bei Internet- und Softwareverträgen, IT-Verträge, Rdnr. 3; Redeker, IT-Recht, Rdnr. 297b ff.; Witte in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 1.4 Rdnr. 13 f.; Redeker in Schneider/Westphalen, Teil D Rdnr. 85; vgl. auch Schneider in Lehmann/Meents, Kap. 4 Rdnr. 402 ff; Schneider in Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rdnr. 3 ff.; Koch, ITRB 2008, 234. 3 BGH vom 23.7.2009, NJW 2009, 2877 ff. 4 BGH vom 23.7.2009, NJW 2009, 2877, 2879 f. 5 Hoffmann, MMR 2010, 25; Schweinoch, CR 2009, 640 f.; Schweinoch, CR 2010, 1, 7; Taeger, NJW 2010, 25, 28 f.; für eine grds. Anw. von § 651: Lapp, jurisPRITR 3/2010 Anm. 5 D; a.A. Müller-Hengstenberg, NJW 2010, 1181, 1183 f. 6 Vgl. Hilber/Rabus, CR 2010, 331, 331. 7 BGH vom 4.3.2010, BB 2010, 1047, 1048 f. mit Anm. Schirmbacher.
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C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
auf den Servern und in der Verfügung des Anbieters verbleibe1. Der BGH sieht es somit offenkundig als entscheidend an, ob der Webdesigner dem Kunden nach Auftragserledigung den fertigen Datensatz überlässt oder lediglich dafür sorgt, dass die Website auf dem Server eines Providers abgespeichert wird und abrufbar ist2. 490
➲ Praxistipp: Angesichts des jüngsten BGH-Urteils empfiehlt es sich, jedwede „Lieferung“ von Datensätzen bei der Vertragsgestaltung auszuschließen bzw. zu vermeiden, wenn die Anwendung des Werkvertragsrechts erwünscht ist3. Umgekehrt wird man eine „Lieferung“ vereinbaren, wenn man den Weg in das Kaufrecht beschreiten möchte. 2. Projektablauf und Pflichtenheft
491
Übersicht Jedenfalls bei größeren Aufträgen ist folgender Projektablauf üblich4: – Verhandlungsphase: Der Auftraggeber verhandelt mit dem Designer über ein Konzept für die Website, das neben den Funktionalitäten der Website auch die Gestaltung umfasst. Der Webdesigner erarbeitet Gestaltungs- und Strukturvorschläge, die er dem Auftraggeber präsentiert. – Konzeptphase: Nachdem grundsätzlich geklärt worden ist, welche Funktionalitäten auf die Website aufgenommen werden sollen, welchen Umfang die Website haben soll und welche Gestaltungsmittel eingesetzt werden, erarbeitet der Webdesigner ein Strukturkonzept. Zu der Struktur gehören ein Verzeichnis über die hierarchische Gliederung der einzelnen Webseiten (Strukturbaum) und die Platzierung von Links. – Entwurfsphase: Anhand des Strukturkonzepts erstellt der Webdesigner eine Basisversion der Website. Die Basisversion beinhaltet die wesentlichen gestalterischen Merkmale und die notwendigen Grundfunktionalitäten. Zu den notwendigen Grundfunktionalitäten gehören insbesondere die Links, die die einzelnen Webseiten miteinander verbinden. – Herstellungsphase: Der Auftraggeber überlässt dem Webdesigner sämtliche Inhalte, die auf die Website aufgenommen werden sollen (Texte, Fotos, Graphiken u. ä.). Der Webdesigner erstellt mit Hilfe der Inhalte und auf der Basis des Entwurfs die fertige Website.
1 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 f. mit Anm. Schirmbacher. 2 A.A. Redeker, ITRB 2008, 65, 66. 3 Vgl. Koch, ITRB 2008, 233, 236 f. 4 Vgl. Härting, ITRB 2001, 20, 21.
120
II. Webdesignverträge
Selbstverständlich kommt es bei den Phasen vielfach zu Überlappungen. So kann es sein, dass Teilbereiche einer Website bereits vollständig fertig gestellt sind, während in anderen Bereichen noch über die Struktur und die einzubindenden Funktionalitäten diskutiert wird. Insgesamt ist die Erstellung einer Website ein interaktiver Prozess, der ständige Abstimmungen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer erfordert. Mehr noch als bei anderen Softwareerstellungsverträgen ist der Webdesigner auf die kontinuierliche Mitwirkung des Auftraggebers angewiesen. Die Inhalte, die auf die Website aufgenommen werden sollen, werden in aller Regel von dem Auftraggeber bereitgestellt. Ohne Inhalte würden Websites Fragmente bleiben.
492
Bei größeren Projekten ist es für alle Beteiligten sinnvoll, die Zusammenarbeit mit der Erstellung eines Pflichtenhefts zu beginnen, das sodann Bestandteil des Webdesignvertrages wird1. Nur durch ein ausführliches Pflichtenheft lässt sich klar und präzise festlegen, welchen Anforderungen die Website genügen soll.
493
Vielfach wendet der Webdesigner bereits vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages erhebliche Zeit mit der Erarbeitung von Vorschlägen und Entwürfen und der Erstellung eines Pflichtenhefts auf. Ähnlich wie bei Architekten in der Vorentwurfsphase2 kann dann Streit darüber entstehen, ob diese Leistungen vom Auftraggeber auch zu vergüten sind, wenn es letztlich nicht zu einer Auftragserteilung kommt3. Um derartigen Streit zu vermeiden, sollte sich der Webdesigner frühzeitig absichern. Dies kann durch einen „Letter of Intent“4 geschehen, in dem festgelegt wird, zu welchen Konditionen die Leistungen des Webdesigners zu vergüten sind für den Fall, dass es später nicht zum Abschluss eines Webdesignvertrages kommt.
494
Der Webdesigner kann sich für die Erstellung von Entwürfen eine gesonderte Vergütung zusichern lassen. Zudem besteht die Möglichkeit, klarzustellen, dass der Kunde nicht zu einer wirtschaftlichen Verwertung von Entwürfen berechtigt ist.
495
➲ Praxistipp: Eine Klausel über die wirtschaftliche Verwertung von Entwürfen kann beispielsweise lauten5:
496
„An Entwürfen und Konzepten des Webdesigners, die der Erarbeitung des endgültigen Designkonzeptes dienen, werden dem Kunden keine Nutzungsrechte eingeräumt. Wünscht der Kunde eine Nutzung von Entwürfen 1 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 325. 2 Vgl. BGH vom 24.6.1999, MDR 1999, 1438. 3 Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil O Rdnr. 345; Alpert, CR 2001, 213, 213 ff. 4 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 48; OLG Frankfurt a.M. vom 31.10.1996, OLGR Frankfurt 1997, 49; OLG Köln vom 21.1.1994, OLGR Köln 1994, 61. 5 Vgl. Härting/Kuon, ITRB 2007, 98.
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C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
und Konzepten aus der Entwurfsphase, bedarf es für die Einräumung von Nutzungsrechten einer gesonderten Vereinbarung mit dem Webdesigner.“ 3. Nutzungsrechte
497
Der Quellcode der Website ist in der Regel urheberrechtlich geschützt (§ 69 a UrhG)1. Ob und wieweit dies auch für das Design auf der Bildschirmoberfläche gilt, ist streitig2. Ratsam ist es, die Anwendbarkeit des UrhG vertraglich zu vereinbaren. Entsprechende Klauseln gelten dann zwischen den Parteien, ohne zugleich Drittwirkung zu entfalten3.
498
Damit der Auftraggeber die Leistungen des Webdesigners nutzen kann, bedarf es der Einräumung von Nutzungsrechten (§§ 31 ff. UrhG). Eine solche Rechtseinräumung kann zwar auch stillschweigend erfolgen4, zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt es sich jedoch, im Webdesignvertrag detailliert die Reichweite der Rechtseinräumung zu regeln.
499
Zu den zweckmäßigen Regelungen gehört eine klare Vereinbarung, ob und inwieweit der Auftraggeber zu Änderungen des Designs berechtigt ist (§ 23 Satz 1 UrhG und § 69 c Nr. 2 UrhG). Wird dem Auftraggeber ein Bearbeitungsrecht nach § 23 Satz 1 UrhG und § 69 c Nr. 2 UrhG eingeräumt, ist er in der Lage, ohne erneute Beauftragung des Webdesigners Änderungen an dem Webdesign vorzunehmen5. Wird ihm das Bearbeitungsrecht hingegen nicht gewährt, bleibt der Auftraggeber bei Änderungen auf die Hilfe bzw. das Einverständnis des Webdesigners angewiesen.
500
Eng mit dem Bearbeitungsrecht verknüpft ist die Frage, ob der Auftraggeber vom Webdesigner die Offenlegung des Quellcodes6 und darüber hinaus eine Dokumentation erwarten kann. Ohne Quellcode und – bei aufwendigen Websites – ohne eine Dokumentation werden dem Auftraggeber Änderungen erheblich erschwert. Klare Regelungen hinsichtlich des Quellcodes und einer Dokumentation sind ratsam, um streitige Auseinandersetzungen7 zu vermeiden.
501
Gutes Webdesign kann für andere Websites übernommen werden oder auch die Grundlage für Design außerhalb des Netzes sein – beispielsweise für die Gestaltung einer Geschäftsausstattung. Werden zwischen 1 Grützmacher in Lehmann/Meents, Kap. 18 Rdnr. 102; Leistner/Bettinger, Beilage CR 12/99, 1, 8 ff. 2 Siehe Rz. 905 ff. 3 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 529, 4 J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 34 Rdnr. 14 ff.; Jessen/ Müller in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rdnr. 639; Härting, ITRB 2001, 20, 21. 5 A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, §§ 23/24 Rdnr. 2 ff. 6 Vgl. Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 378 m.w.N.; BGH vom 30.1.1986, NJW 1987, 1259 (keine Pflicht zur Herausgabe des Quellcodes bei Individualsoftwarevertrag). 7 Vgl. LG München vom 11.11.2004, CR 2005, 187, 187.
122
II. Webdesignverträge
den Parteien insoweit keine ausdrücklichen Absprachen getroffen, ist dies für den Auftraggeber ungünstig. Vertragszweck i.S.d. § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG1 ist regelmäßig nicht mehr als die Erstellung einer Website, sodass Nutzungen, die über die auftragsgemäß erstellte Website hinausgehen, einer ausdrücklichen Rechtseinräumung bedürfen2. Wird bei der Erstellung der Website Standardsoftware verwendet, so ist es aus Sicht des Auftraggebers ratsam, sicherzustellen, dass der Webdesigner über die notwendigen Nutzungsrechte verfügt. Daher empfiehlt sich eine entsprechende ausdrückliche Zusage nebst Haftungs- und Freistellungsklauseln für den Fall, dass die Zusage nicht eingehalten wird.
502
Aus Sicht des Webdesigners sind die Nutzungsrechte das einzig wirksame Druckmittel für den Fall, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Typisch ist die Frage des Webdesigners, ob er es seinem zahlungsunwilligen Kunden untersagen kann, die bereits fertig gestellte und noch nicht bezahlte Website ins Netz zu stellen. Dies ist indes der Fall, wenn der Webdesigner es sehenden Auges zugelassen hat, dass die Website vor der Zahlung der vereinbarten Vergütung bereits im Netz frei geschaltet wird, und wenn vertraglich keine Regelung getroffen wurde, die dem Webdesigner eine Handhabe zur Untersagung gibt.
503
Um den Webdesigner in einer solchen Situation nicht vollkommen hilflos dastehen zu lassen, kommt eine Regelung in Betracht, die die Einräumung von Nutzungsrechten gemäß § 158 Abs. 1 BGB im Wege der aufschiebenden Bedingung davon abhängig macht, dass die vertraglich geschuldete Vergütung vollständig bezahlt wird3. Eine solche Regelung ist wirksam, da sich die Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten ohne weiteres mit Bedingungen gemäß § 158 BGB verknüpfen lässt4.
504
➲ Praxistipp: Eine Klausel über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte kann beispielsweise lauten5:
505
„Das gesamte Design ist als persönliche geistige Schöpfung des Webdesigners durch das Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschützt, dessen Bestimmungen auch dann Anwendung finden, wenn die nach § 2 UrhG erforderliche Schöpfungshöhe nicht erreicht ist. Der Anbieter räumt dem Kunden das ausschließliche, räumlich und zeitlich unbeschränkte Recht ein, die Website zu nutzen. Dieses Recht umfasst auch das Bearbeitungsrecht gemäß § 23 Satz 1 UrhG und § 69 c Nr. 2 UrhG. Die Einräumung der Nutzungsrechte wird indes erst wirksam (§ 158 1 Siehe Rz. 947 ff. 2 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 207 ff. 3 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 184; Härting, ITRB 2001, 20, 22. 4 Vgl. LG München I vom 11.11.2004, CR 2005, 187, 188. 5 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 18 ff.; Härting/Kuon, CR 2004, 527.
123
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
Abs. 1 BGB), wenn der Kunde die geschuldete Vergütung vollständig an den Anbieter entrichtet hat. Der Anbieter verpflichtet sich – unverzüglich nach Zahlung der geschuldeten Vergütung – zur Überlassung des der Website zugrundeliegenden Quellcodes in der dem Pflichtenheft zu entnehmenden Programmiersprache. Unverzüglich nach Zahlung der Vergütung wird der Anbieter dem Kunden zudem eine geeignete Benutzerdokumentation überlassen. In der Dokumentation müssen die Funktionalitäten der Software so beschrieben sein, dass ein geschulter Programmierer innerhalb angemessener Zeit in der Lage ist, den Quellcode zwecks Weiterentwicklung der Software umzuarbeiten. Die Dokumentation des Quellcodes ist dem Kunden im gleichen Format zur Verfügung zu stellen wie der Quellcode selbst. An geeigneten Stellen werden in die Website Hinweise auf die Urheberstellung des Anbieters aufgenommen. Der Kunde ist nicht berechtigt, diese Hinweise ohne Zustimmung des Anbieters zu entfernen. Das Nutzungsrecht gilt nur für die Nutzung der Website insgesamt bzw. von Bestandteilen der Website im Internet. Der Kunde ist nicht berechtigt, einzelne Gestaltungselemente der Website oder die vollständige Website in anderer Form – insbesondere in gedruckter Form – zu nutzen.“ 4. Abnahme
506
Da seit der Neufassung des § 651 BGB streitig ist, ob auf Softwareerstellungsverträge Kauf- oder Werkvertragsrecht anzuwenden ist, empfiehlt es sich, eine Regelung darüber zu treffen, ob und inwieweit es für die Fälligkeit der Vergütung einer Abnahme der Leistungen des Webdesigners bedarf. Da vieles dafür spricht, dass die §§ 640 und 641 BGB für Webdesignverträge nicht (mehr) gelten1, sollte die Abnahme – falls sie von den Vertragspartnern gewünscht wird – ausdrücklich vereinbart werden. Umgekehrt empfiehlt sich eine Klausel über den Verzicht auf eine Abnahme, wenn dies dem Willen der Vertragspartner entspricht. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung zu dem neu gefassten § 651 BGB sollte man bei der Vertragsformulierung vorsorglich darauf achten, dass sich die Unwägbarkeiten, die sich aus der derzeitigen Rechtslage ergeben, nicht auf die Vertragsauslegung auswirken.
507
Da in der Regel keine gesonderten Abnahmetests oder -prüfungen stattfinden, sondern online gearbeitet wird, empfiehlt sich aus Sicht des Auftraggebers die Klarstellung, dass die Online-Schaltung noch nicht als Abnahme anzusehen ist (Abnahme durch Ingebrauchnahme). Aus Sicht des Webdesigners ist es demgegenüber ratsam, eine Abnahmefiktion zu vereinbaren, wonach ab Online-Schaltung eine Frist läuft. Meldet der Auftraggeber innerhalb dieser Frist keine wesentlichen Mängel, gilt die Website als abgenommen. 1 Siehe Rz. 479 ff.
124
II. Webdesignverträge
5. Change Management
Wie allgemein bei Softwareerstellungsverträgen ist das Change Management auch bei Webdesignverträgen ein häufiger Streitpunkt. Insbesondere wenn ein Festpreis vereinbart ist, führen Änderungswünsche des Auftraggebers vielfach zu Streit über die Vergütung des Mehraufwandes. Change-Management-Klauseln dienen dazu, eine klare Abgrenzung zu schaffen, ob und unter welchen Voraussetzungen für Änderungswünsche des Auftraggebers eine gesonderte Vergütung anfällt und ob ersparter Aufwand des Auftragnehmers bei der Vergütung gleichfalls zu berücksichtigen ist1.
508
Eine vergleichsweise einfache Art des Change Management ist die Festlegung von Phasen, bei deren Abschluss jeweils eine Freigabe durch den Auftraggeber erfolgt. Änderungswünsche, die bereits freigegebene Arbeitsergebnisse betreffen, lösen dann eine gesonderte Vergütungspflicht aus.
509
Ein effektives Change Management steht und fällt letztlich mit der Genauigkeit der Vereinbarungen über den Auftragsumfang2. Bei einer detaillierten Festlegung der Aufgaben des Webdesigners fällt es vergleichsweise leicht, eine sehr präzise Regelung zu treffen, nach der beispielsweise Änderungswünsche vom Webdesigner nur gegen eine – im einzelnen vorab festgelegte – Vergütung berücksichtigt werden müssen, wobei schon die Prüfung der Änderungswünsche entgeltpflichtig ist. Sofern die Anforderungen an die Website vertraglich nur sehr allgemein beschrieben sind, lassen sich auch für das Change Management nur sehr allgemeine Regelungen treffen3.
510
6. Gewährleistung und Haftung
Für die Gewährleistung reicht es zumeist aus, auf die gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen. Auf welche gesetzlichen Bestimmungen Bezug zu nehmen ist, hängt wiederum von der Auslegung des § 651 BGB ab. Vieles spricht dafür, dass die §§ 434 ff. BGB einschlägig sind4.
511
Sowohl der Webdesigner als auch der Auftraggeber verwenden bei der Erstellung einer Website zumeist urheberrechtlich geschütztes Material (z.B. Bilder, Texte oder Software). Beide Vertragspartner haben ein Interesse daran, vor Ansprüchen Dritter geschützt zu sein für den Fall, dass keine ausreichenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte bestehen. Daher bietet es sich an, eine Versicherung der Parteien in den Vertrag aufzunehmen, dass für den Fall der Verwendung urheberrechtlich geschütz-
512
1 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 135 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts,Teil H Rdnr. 192 f. 2 Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil H Rdnr. 193. 3 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 144 ff. 4 Siehe Rz. 479 ff.
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C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
ten Materials jeweils die Partei, die das Material in die Website einbringt, dafür verantwortlich ist, dass alle notwendigen Nutzungsrechte erworben worden sind. Darüber hinaus ist es sinnvoll, eine umfassende Freistellung von Ansprüchen Dritter zu vereinbaren1. 7. Mitwirkungspflichten
513
Vielfach haben die Parteien unterschiedliche Vorstellungen darüber, in welcher Form und in welchen Formaten dem Webdesigner die Inhalte zur Verfügung zu stellen sind. Ein Webdesigner, der erwartet, dass ihm Texte in elektronisch lesbarer Form überlassen werden, sieht sich Mehraufwand ausgesetzt, wenn ihm der Kunde Druckseiten zukommen lässt, die zunächst eingescannt werden müssen.
514
Um Streit zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers möglichst präzise zu definieren2. Es ist ratsam, einen Zeitplan abzustimmen, der für die Mitwirkungsleistungen des Auftraggebers Termine festsetzt und für klare Verhältnisse sorgt, wenn sich die Parteien darüber streiten, wer für Verzögerungen verantwortlich ist. 8. Fertigstellung
515
Internetauftritte sind vielfach einer von mehreren Bestandteilen größerer Werbe- und Marketingaktionen des Auftraggebers. Verzögerungen bei der Fertigstellung einer Website können erhebliche Folgewirkungen haben, wenn z.B. eine umfangreiche Werbeaktion geplant ist, bei der die Internetadresse genutzt werden soll. Ähnlich wie bei einem Bauvertrag empfiehlt es sich, einen genauen Zeitplan festzulegen, der für jede Projektphase einen Kalendertag vorsieht, an dem die jeweilige Phase abzuschließen ist (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB)3.
516
Je mehr der Auftraggeber auf eine rechtzeitige Fertigstellung der Website angewiesen ist und je schwieriger es für den Auftraggeber im Verzögerungsfall ist, die Höhe des entstehenden Schadens nachzuweisen, um so mehr bietet es sich an, Schadenspauschalen und Vertragsstrafen für Verzögerungen zu vereinbaren, wobei in Standardverträgen die Beschränkungen des § 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB zu berücksichtigen sind. 9. Pflege
517
Websites bedürfen der laufenden Pflege und Aktualisierung. Zum einen müssen Fehler behoben werden, die gelegentlich auftreten wie z.B. bei Links, die geändert werden müssen, wenn die Zielseite eine neue Adresse 1 Winteler in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rdnr. 651. 2 Vgl. Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 118 ff. 3 Schmidt in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VIII Rdnr. 34 ff.
126
II. Webdesignverträge
erhalten hat. Zum anderen lebt ein gelungener Internetauftritt von einer ständigen Aktualisierung durch Einstellung neuer Inhalte. Dies kann zu einem erheblichen Pflegeaufwand führen. Wird der Webdesigner zugleich mit der Erstellung einer Website und mit deren laufender Pflege und Aktualisierung beauftragt, gilt es zunächst, die Leistungen, die von dem Webdesigner im Rahmen seiner Gewährleistung für die Erstellung der Website geschuldet werden, abzugrenzen von den Leistungen, die der Webdesigner als Pflege- und Aktualisierungsleistungen erbringt1.
518
Verträge über die „Wartung“ oder „Pflege“ von Software, EDV-Programmen oder Websites sind als Werkverträge einzuordnen, soweit sie auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und die Beseitigung von Störungen (und somit: auf einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sind, wohingegen ihre Qualifizierung als Dienstvertrag nahe liegt, wenn es an einer solchen Erfolgsausrichtung fehlt und die laufende Serviceleistung (Tätigkeit) als solche geschuldet ist2.
519
Anders als (zumeist) bei einem Softwarepflegevertrag muss der Webdesigner vielfach nicht nur tätig werden, wenn der Auftraggeber dies auf Grund von Funktionsstörungen ausdrücklich verlangt. Vielmehr wird dem Webdesigner die Aufgabe übertragen, von sich aus regelmäßig die Funktionstüchtigkeit der Website zu überwachen. Dies ist eine primär tätigkeitsbezogene Leistung, auf die Dienstvertragsrecht anwendbar ist3.
520
Die Umsetzung einer inhaltlichen Aktualisierung der Website (z.B. Einstellung neuer Texte und Fotos) ist demgegenüber eine Verpflichtung, die dem Werkvertragsrecht unterfällt. Zwischen der ursprünglichen Erstellung der Website und den einzelnen Aktualisierungsschritten besteht kein Unterschied. Jeder Aktualisierungsschritt ist ein Erfolg, den der Webdesigner gemäß § 631 Abs. 1 BGB zusagt.
521
Die Regelungen zur Websitepflege, die selbstverständlich auch Gegenstand eines gesonderten Vertrages sein können, sollten Intervalle definieren, in denen die Website zu überwachen bzw. zu aktualisieren ist. Darüber hinaus bedarf es der Festlegung des genauen Prozedere bei Aktualisierungen, wobei sich jedenfalls bei größeren Projekten eine Abstimmung mit dem Auftraggeber im Rahmen eines Phasenmodells anbietet.
522
1 Härting in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.1 Rdnr. 89; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 433. 2 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 3 Cichon, Internetverträge, Rdnr. 477 ff.; Härting, CR 2001, 37, 40.
127
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
III. Providerverträge 523
Bei den Providerverträgen lassen sich der Access-Provider-Vertrag, der Host-Provider-Vertrag und der E-Mail-Account-Vertrag unterscheiden. Hinzu kommen ASP-Verträge und Internet-System-Verträge. 1. Access-Provider-Verträge
524
Bei einem Access-Provider-Vertrag geht es um den Zugang zum Internet. Der Access Provider verpflichtet sich, einen solchen Zugang einzurichten und für die Dauer des Vertrages aufrechtzuerhalten1.
525
Die Einordnung des Access-Provider-Vertrages als Werk-, Dienst- oder Mietvertrag ist streitig. Gegen eine Kategorisierung als Mietvertrag2 spricht, dass dem Access Provider damit eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung eines ständigen Zuganges aufgebürdet wird, die der Access-Provider weder übernehmen will noch kann3. Aus technischen Gründen kann ein jederzeitiger, hundertprozentiger Zugang nicht gewährleistet werden. Dies lässt sich schwer in Einklang bringen mit dem Typus des Mietvertrages, der stets impliziert, dass der Vermieter eine störungsfreie Nutzung jederzeit gewährleistet4.
526
Entscheidend spricht gegen die Einordnung eines Access-Provider-Vertrages als Mietvertrag zudem eine weitere Überlegung: Der Vermieter ist nach dem gesetzlichen Leitbild des Mietvertrages verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Sache während der Mietzeit zu gewähren. Mit der bloßen Nutzung des Rechners des Access Providers ist dem Kunden jedoch wenig geholfen. Es kommt dem Kunden vielmehr gerade auf den Zugang zu anderen Servern und die Inhalte anderer Anbieter an5.
527
Befremdlich sind gelegentliche Versuche, Werkvertragsrecht auf AccessProvider-Verträge anzuwenden6. Die erkennbar begrenzten Leitungskapazitäten stehen mit der werkvertraglichen Erfolgshaftung (§ 631 BGB) nicht in Einklang. Darüber hinaus wird es dem Willen der Parteien eines Access-Provider-Vertrages nicht gerecht, jeden einzelnen Zugriff des Vertragspartners auf das Internet als selbständigen Werkvertrag anzusehen7. 1 Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil II Rdnr. 13; Härting, CR 2001, 37, 38; Riehmer/Hessler, CR 2000, 170, 171; Wischmann, MMR 2000, 461. 2 Cichon, Internetverträge, Rdnr. 71 ff.; Sengpiel/Klett/Gottschalk in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 237. 3 Härting, CR 2001, 37, 38; Spindler, K&R 1999, 488, 490. 4 Spindler, K&R 1999, 488, 492. 5 Härting/Müßig, K&R 2009, 233, 233; Wischmann, MMR 2000, 461, 463. 6 Spindler in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IV Rdnr. 83; Spindler, K&R 1999, 488, 490. 7 Sengpiel/Klett/Gottschalk in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 237; Härting, CR 2001, 37, 38; Härting/Müßig, K&R 2009, 233, 234; Wischmann, MMR 2000, 461, 465.
128
III. Providerverträge
Es bleibt nur eine Einordnung als Dienstvertrag übrig1. Der Dienst, den der Access-Provider schuldet, ist die Eröffnung und Aufrechterhaltung des Zugangs in das World Wide Web. Der BGH hat sich dieser Auffassung angeschlossen und auf die Parallele zu Telefonieverträgen verwiesen2.
528
Die größte Sorge der Access-Provider bei der Ausarbeitung von Geschäftsbedingungen ist eine Haftungsbeschränkung für Netzausfälle. Vielfach liest man daher in Provider-AGB den Satz, dass für Funktionsausfälle keine Haftung übernommen wird oder dass lediglich eine Erreichbarkeit des Internet zu einem bestimmten Prozentsatz (z.B. 98 %) geschuldet ist. Nach dem Postbank-Urteil des BGH3 verstoßen derartige Klauseln indes regelmäßig gegen § 309 Nr. 7 BGB4. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Sorge der Access Provider hinsichtlich einer Haftung für Netzausfälle tatsächlich berechtigt ist. Solange ausreichend Zugangskapazitäten geschaffen werden und somit der Internetzugriff nicht aus Gründen scheitert, die der Provider zu verantworten hat, fehlt es von vornherein an jeglicher Haftungsgrundlage. In Betracht kommt zwar theoretisch ein Anspruch aus den §§ 280 Abs. 1, 282, 241 Abs. 2 BGB5. Ohne eine Pflichtverletzung und ohne Verschulden des Providers scheidet eine Haftung jedoch aus.
529
Die wenigen Fälle, in denen Zugangsschwierigkeiten tatsächlich aus dem Verantwortungsbereich des Access Providers stammen, lassen sich durch eine allgemeine Beschränkung der Haftung des Providers auf grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des gemäß § 309 Nr. 7 BGB Zulässigen auffangen6.
530
Der Markt der Access Provider ist ein hart umkämpfter und sehr dynamischer Massenmarkt. Um im Wettbewerb zu bestehen, müssen die Anbieter ihr Leistungsspektrum den sich ständig wandelnden technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten laufend anpassen. Daraus ergibt sich das Bedürfnis, die Vertragsbeziehungen zu den Kunden möglichst flexibel auszugestalten und Anpassungen bei den Leistungsangeboten,
531
1 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 547; Härting, CR 2001, 37, 38; Jessen, ZUM 1998, 282, 287; Koch, BB 1996, 2049, 2057; Schuppert, CR 2000, 227, 229; Wischmann, MMR 2000, 461, 465; LG Hamburg vom 17.9.1996, CR 1997, 157. 2 BGH vom 23.3.2005, CR 2005, 816 f. mit Anm. Schuppert; vgl. auch Härting/ Müßig, K&R 2009, 233 ff.; BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher. 3 BGH vom 12.12.2000, MMR 2001, 225 mit Anm. Struck = K&R 2001, 217 mit Anm. Härting; vgl. auch Härting/Schirmbacher, StuB 2001, 573. 4 LG Karlsruhe vom 12.1.2007, CR 2007, 396, 397; Spindler, CR 1999, 626 ff.; a.A. Hoeren; AGB bei Internet- und Softwareverträgen, E-Commerce-Verträge, Rdnr. 11. 5 Vgl. Schuppert, CR 2000, 227, 233; Wischmann, MMR 2000, 461, 465. 6 Vgl. Spindler in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IV Rdnr. 93; Spindler, CR 1999, 626, 631 f.
129
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
den Leistungskonditionen und auch bei den Preisvereinbarungen kurzfristig zu ermöglichen. Entsprechende Klauseln müssen sich allerdings an den strengen Anforderungen des § 308 Nr. 4 und 5 BGB sowie an § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB messen lassen1. 532
Wer Millionen von Standardverträgen mit Verbrauchern schließt, kann nicht jeden einzelnen Kunden fragen, wenn sich einzelne Vertragsbedingungen ändern sollen. Dies gilt nicht nur für das typisch „Kleingedruckte“, sondern auch für die Leistungsspezifikationen und – nicht zuletzt – für das Preisgefüge. Zulässig sind daher nach Ansicht des BGH Klauseln, die dem Anbieter eine einseitige Anpassungsbefugnis gewähren, wenn sich die Marktverhältnisse erheblich ändern. Die Anpassungsvoraussetzungen bedürfen dabei zwar der Konkretisierung, je komplexer und dynamischer der betroffene Markt jedoch ist, desto weniger streng sind die Anforderungen an die Formulierung2.
533
Aus dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) leitet der BGH ab, dass es weder ausreicht, Änderungsklauseln unter den schlichten Vorbehalt der Zumutbarkeit zu stellen3, noch die Änderungsklausel – ohne nähere Konkretisierung – durchgreifen zu lassen, wenn für die Änderung ein „triftiger“ Grund vorliegt. Vielmehr bedarf es der konkreten – unmissverständlichen – Benennung von Gründen, die den Anbieter zu einer Leistungsänderung berechtigen sollen4. Bei der Gestaltung von Anpassungsklauseln muss man sich somit bemühen, vorausschauend Anforderungen für Anpassungsrechte des Verwenders zu definieren. Dabei ist es die Aufgabe des Vertragsgestalters, das Kriterium der Zumutbarkeit (§ 308 Nr. 4 BGB) mit Leben zu erfüllen und triftige Gründe5 konkret zu formulieren, die den Anbieter zur einseitigen Änderung von Vertragskonditionen berechtigen6.
534
Unzumutbar und daher nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist eine Klausel, nach der der DSL-Provider lediglich die am Wohnort des Kunden maximal mögliche Bandbreite bereit stellen muss7. Dasselbe gilt für eine Klausel, die die angebotene Bandbreite als „Maximalbandbreite“ bezeichnet und – kleingedruckt – dahingehend „konkretisiert“ dass der eine bestimmte Zugangsbandbreite und Übertragungszeit nicht geschuldet wird8. Wären derartige Klauseln wirksam, müsste der Kunde die vollen 1 Vgl. Härting, BB 2007, 2648; BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36 = BB 2007, 2644. 2 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 38; vgl. auch BGH vom 3.6.1998, NJW 1998, 3114, 3116. 3 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 38; vgl. auch Roloff in Erman, § 308, Rdnr. 33; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, § 308 Nr. 4 Rdnr. 9 m.w.N. 4 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 37. 5 Vgl. BGH vom 23.6.2005, NJW 2005, 3420, 3421. 6 Härting, BB 2007, 2648, 2648. 7 AG Fürth vom 7.5.2009, MMR 2009, 872 (Ls.). 8 A.A. AG Oldenburg vom 16.3.2010, MMR 2010, 497 f.
130
III. Providerverträge
Gebühren für die bestellten Leistungen (volle Bandbreite) bezahlen, ohne dass diese tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommt das Risiko, dass der Kunde im Hinblick auf die versprochene Bandbreite unter Umständen Investitionen tätigen wird im Vertrauen darauf, dass der Provider in der Lage ist, die Leistung vertragsgemäß zu erbringen1. Besonders sensibel sind Preisanpassungsklauseln. Als Preisnebenabreden unterliegen auch diese Klauseln der Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 2 BGB)2. Sie sind keineswegs per se unwirksam und können sogar im Interesse des Kunden liegen, da der Anbieter von Risikozuschlägen Abstand nehmen kann, wenn er vertraglich zur Erhöhung von Preisen berechtigt ist3. Die Anpassungsbefugnis muss allerdings nach Auffassung des BGH so formuliert werden, dass sie sich auf nachträgliche Kostenerhöhungen beschränkt und die Erzielung eines „zusätzlichen Gewinns“ ausschließt4.
535
Vertragsänderungen lassen sich auch durch fingierte Erklärungen bewirken. Eine Klausel, die das Schweigen des Kunden auf die Mitteilung von Änderungen als Zustimmung gelten lässt, ist grundsätzlich wirksam (vgl. § 308 Nr. 5 BGB). Allerdings ist die Grenze des Zulässigen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) überschritten, wenn sich ein solcher Änderungsmodus auch auf die vertraglichen Hauptleistungspflichten erstreckt5. Gestalterisch stellt sich die Aufgabe, die Zustimmungsfiktion so zu formulieren, dass sie sich eindeutig (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) weder auf die Hauptleistung des Anbieters noch auf das Entgelt bezieht6.
536
2. Host-Provider-Verträge
Um im Internet mit einer Website präsent zu sein, benötigt man Speicherplatz, den typischerweise ein Host Provider zur Verfügung stellt. Der Host Provider speichert die Website auf einem eigenen Server oder auf dem Server eines Dritten und sorgt dafür, dass die Website über das Internet abrufbar ist.
537
Wie irreführend es ist, den Begriff des Providervertrages als Sammelbegriff zu verwenden, zeigt ein Vergleich der Leistungen des Host-Providers mit den Leistungen des Access-Providers. Die Leistungen des Access-Providers unterscheiden sich strukturell nicht von den Leistungen eines (anderen) Telekommunikationsproviders. Es geht um den Zugang zu einem Kommunikationsnetz. Dagegen stellt der Host-Provider dem Kunden Speicherplatz zur Verfügung und trägt dafür Sorge, dass der be-
538
1 AG Fürth vom 7.5.2009, MMR 2009, 872 (Ls.). 2 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 307 Rdnr. 60; BGH vom 21.09.2005, NJW-RR 2005, 1717. 3 Härting, BB 2007, 2648, 2648. 4 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 37; BGH vom 13.12.2006, NJW 2007, 1054, 1055 f. 5 BGH vom 11.10.2007, MMR 2008, 36, 38. 6 Härting, BB 2007, 2648, 2649.
131
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
treffende Server so an das Internet angebunden ist, dass die Website jederzeit über das Internet abrufbar ist. Strukturell kommen daher die Leistungen eines Host-Providers den Leistungen eines Vermieters von beweglichen Sachen näher als denen eines Access-Providers. 539
Es geht bei dem Host-Providing primär um die Gewährung des Gebrauchs von Speicherplatz. Diese Nutzungsüberlassung ist als mietvertragliche Verpflichtung zu qualifizieren1. Zu dieser mietvertraglichen Verpflichtung tritt die Verpflichtung, die Abrufbarkeit der Website über das Internet durch geeignete technische Vorkehrungen sicherzustellen2.
540
In seiner Entscheidung zu „Internet-System-Verträgen“ hat der BGH die Auffassung vertreten, der Host-Provider-Vertrag weise neben einigen dienst- und mietvertraglichen Elementen vor allem werkvertragliche Aspekte auf. Die Gewährleistung der Abrufbarkeit der Website im Internet habe werkvertraglichen Charakter. Liege hierin der Schwerpunkt des Vertrages, liege es nahe, insgesamt einen Werkvertrag i.S.d § 631 BGB anzunehmen3. Die Entscheidung wirkt sich aus auf die Vertragsgestaltung, die bislang vielfach von der Geltung des Mietrechts ausging4.
541
Die Ausführungen des BGH zum Host-Provider-Vertrag sind schwer nachvollziehbar, zumal der BGH betont, dass es an einer „Garantie“ des Providers für den jederzeitigen Zugriff über das Internet fehle, da der Provider wegen der technischen Gegebenheiten des Internet eine solche Garantie nicht übernehmen könne5. Die Zusage einer Abrufbarkeit der Website „rund um die Uhr“ ähnelt der Verpflichtung des Access-Providers, der die ständige Möglichkeit der Einwahl in das Internet verspricht. Wegen dieser Parallele überzeugt es nicht, den Host-Provider-Vertrag in dieser Hinsicht anders zu bewerten als den Access-Provider-Vertrag. Die Gewährleistung der Abrufbarkeit stellt sich demnach als dienstvertragliches Element dar6.
542
Weist der Host-Provider-Vertrag demnach miet- und dienstvertragliche Elemente auf, kommt es bei Fragen der Gewährleistung jeweils darauf an, welcher Pflichtenbereich von (angeblichen) Mängeln betroffen ist. Geht es um Mängel des Speicherplatzes, sind demnach die Bestimmun1 Cichon, Internetverträge, Rdnr. 182 ff.; Härting, CR 2001, 37, 39; Koch, BB 1996, 2049, 2054 f.; Schuppert, CR 2000, 227, 228; Spindler, BB 1999, 2037, 2037; Wulf, CR 2004, 43, 45; a.A. Söbbing, MMR 2007, 479 f. 2 Vgl. Härting, CR 2001, 37, 39. 3 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 f. mit Anm. Schirmbacher; vgl. auch Redeker, IT-Recht, Rdnr. 980; Söbbing, MMR 2007, 479, 480. 4 Vgl. Schirmbacher, BB 2010, 1047 f. 5 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 6 Härting, CR 2001, 37, 39; Hilber/Rabus, CR 2010, 331, 332; Schuppert, CR 2000, 227, 229; Wulf, CR 2004, 43, 45; AG Berlin-Charlottenburg vom 11.1.2002, MMR 2002, 258 = ITRB 2002, 108.
132
III. Providerverträge
gen des Mietrechts (§§ 535 ff. BGB) anwendbar. Betrifft der Mangel die Abrufbarkeit der Website, gilt Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB)1. Einer Schwerpunktbetrachtung, wie sie der BGH in seiner Entscheidung zum „Internet-System-Vertrag“2 vorgenommen hat, bedarf es nur, wenn sich Fragen stellen, die den Gesamtvertrag betreffen – wie etwa die Frage der AGB-rechtlichen Beurteilung einer Vorleistungspflicht des Kunden. Eine große Sorge des Host Providers ist es, dass der Kunde den überlassenen Speicherplatz für rechtswidrige (z.B. illegale pornographische oder extremistische) Inhalte nutzt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Host Provider durch § 10 TMG nur von einer Schadensersatzhaftung für Inhalte befreit3, von denen er keine Kenntnis hat, sowie im Falle grob fahrlässiger Unkenntnis. Auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche soll § 10 TMG zudem gar nicht erst anwendbar sein4. Daher ist es zumindest zweckmäßig, den Kunden ausdrücklich versichern zu lassen, dass er keine rechtswidrigen Inhalte auf seine Website aufnehmen wird. Darüber hinaus sollte für den Fall, dass der Kunde gegen die Unterlassungsverpflichtung verstößt, ausdrücklich ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund geregelt werden. Zusätzlich bietet es sich an, umfassende Freistellungsvereinbarungen in den Providervertrag aufzunehmen für den Fall, dass Dritte den Host Provider wegen rechtswidriger Inhalte in Anspruch nehmen.
543
Hinsichtlich der Erreichbarkeit der Website besteht parallel zu den Access-Provider-Verträgen keine Möglichkeit – und wohl auch keine praktische Notwendigkeit –, eine Haftungsbeschränkung für Netzausfälle zu vereinbaren, die über den allgemeinen Rahmen des § 309 Nr. 7 BGB hinausgeht5.
544
3. Mail-Account-Verträge
Wie bei dem Host-Provider-Vertrag bestehen die Leistungen des Anbieters von E-Mail-Accounts aus zwei verschiedenartigen Elementen. Einerseits stellt der Anbieter von Mail-Accounts Speicherplatz für Mails zur Verfügung. Andererseits trägt der Anbieter dafür Sorge, dass Mails auch tatsächlich versendet und abgerufen werden können6. Dementsprechend ist der E-Mail-Account-Vertrag ein gemischter Vertrag, auf den sowohl Miet- als auch Dienstvertragsrecht anzuwenden ist, je nachdem, um wel-
1 Härting, CR 2001, 37, 39f. 2 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 f. mit Anm. Schirmbacher. 3 Vgl. Schneider, Handbuch des EDV-Rechts,Teil O Rdnr. 286. 4 Vgl. Härting, CR 2001, 271, 275 ff.; siehe Rz. 1692 ff. 5 Siehe Rz. 529 f. 6 Vgl. Härting, CR 2001, 37, 40 f.
133
545
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
che der Vertragspflichten des Providers es im Einzelfall geht1. Die Anwendung von Werkvertragsrecht, die sich aus der BGH-Entscheidung zu Internet-System-Verträgen ergeben dürfte2, überzeugt nicht. 546
Zu den Festlegungen, die in einem E-Mail-Account-Vertrag getroffen werden sollten, gehört – ähnlich wie beim Host-Providing – die Haftung für rechtswidrige Inhalte, die in Form von Mails abgespeichert und/oder versendet werden. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind daneben Festlegungen zum Umfang des Speicherplatzes, den der Account umfasst, und eine Regelung der Voraussetzungen, unter denen der Provider zur Löschung von Mails – etwa bei Erschöpfung des Speicherplatzes – berechtigt ist.
547
Spam- und Viren-Mails sind eine lästige Plage. Um der Flut unerwünschter Mails einigermaßen Herr zu werden, ist der Einsatz von Filtersoftware für die Provider unerlässlich. Für die Vertragsgestaltung bedeutet dies die Herausforderung einer „wasserdichten“ Absicherung der Provider gegen den Vorwurf einer Straftat nach § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB3.
548
Ebenso wie für das Telefonat gilt auch für die E-Mail das Telekommunikationsgeheimnis. Für die Provider von E-Mail-Accounts ergibt sich daraus die Aufgabe, die Anforderungen des § 88 TKG zu beachten. E-Mails dürfen beim Provider grundsätzlich weder „mitgelesen“ noch abgefangen werden.
549
Verstöße gegen das Telekommunikationsgeheimnis sind in § 206 StGB strafrechtlich sanktioniert. Schwierigkeiten bereitet dabei vor allem der Tatbestand des § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der erfüllt ist, wenn ein Inhaber oder Beschäftigter eines Post- oder Telekommunikationsunternehmens unbefugt eine ihm zur Übermittlung anvertraute Sendung unterdrückt. Ob und inwieweit diese Norm auf E-Mail-Korrespondenz überhaupt anwendbar ist, ist streitig4. Bei der Vertragsgestaltung muss man jedoch – unter dem Gesichtspunkt des „sichersten Wegs“ – davon ausgehen, dass die Strafnorm auf E-Mails Anwendung finden kann. Daher bedarf es der Aufnahme von Klauseln, die den Provider gegen strafrechtliche Vorwürfe absichern, wenn er Software einsetzt, um Spam-Mails und Mails mit Viren oder anderer Schadsoftware auszufiltern.
1 Schneider, Verträge über Internet-Access, S. 215; Spindler in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IV Rdnr. 141 ff; a.A. Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 575. 2 Vgl. BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 3 Härting, ITRB 2007, 242, 242; vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.1.2005, CR 2005, 288. 4 Vgl. Fischer, StGB, § 206 Rdnr. 13; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 612 f.; Härting, ITRB 2007, 242, 242; Härting, CR 2007, 311, 315.
134
III. Providerverträge
§ 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass es sich bei der Mail um eine „zur Übermittlung anvertraute Sendung“ handelt, die der Provider unbefugt unterdrückt. Da es jedenfalls einer unbefugten Unterdrückung bedarf, schließt das Einverständnis des Absenders mit der Unterdrückung der Mail von vornherein den Strafvorwurf aus1. Der Inhaber eines MailAccounts ist Herr seiner Mails. Er kann entscheiden, welche Nachrichten überhaupt von seinem Account versendet (oder ausgefiltert) werden sollen. Und er kann frei darüber entscheiden, ob und inwieweit eingehende Mails in einem automatisierten Verfahren gelöscht werden sollen, ohne ihm zuvor zur Kenntnis zu gelangen2.
550
Das Herrschaftsrecht des Empfängers über die bei ihm eingehenden Mails bedeutet nicht, dass der Provider per se verpflichtet ist, für den Account-Inhaber jegliche eingehende Mail abrufbar zu halten. Vielmehr unterliegt die Reichweite der Beförderungspflicht der freien vertraglichen Vereinbarung3.
551
§ 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt eine zivilrechtliche Beförderungspflicht voraus; der verstärkende Schutz der Beförderungspflicht ist zugleich das Schutzanliegen der Norm4. Daher empfiehlt es sich, bei der Formulierung einer Klausel zu Spam- und Viren-Mails ausdrücklich auf die Beförderungspflicht Bezug zu nehmen und diese für die fraglichen Mails vollständig auszuschließen. Der Ausschluss sollte sich auf alle Verdachtsfälle erstrecken, um eine möglichst breitflächige Ausfilterung zu legitimieren5.
552
Aus Sicht des Providers ist es ratsam, das Recht zum Einsatz von Filtersoftware zu regeln, ohne zugleich eine Verpflichtung zu begründen. Eine Verpflichtung zur Filterung liegt nicht im Interesse des Providers, da anderenfalls bei Mails, die Schadsoftware transportieren, vertragliche Schadensersatzansprüche (§ 280 Abs. 1 BGB) drohen6.
553
➲ Praxistipp: Um gar nicht erst die Frage eines konkludenten oder mutmaßlichen Einverständnisses des Kunden thematisieren zu müssen, empfiehlt es sich, in die Vertragsbedingungen des Providers eine Klausel aufzunehmen, die das Einverständnis des Kunden mit dem Einsatz von Filtersoftware klar zum Ausdruck bringt7:
554
„Der Provider ist zur Beförderung von E-Mails nicht verpflichtet, wenn der Verdacht besteht, dass die E-Mails virenbehaftet sind oder sonstige Schadsoftware gleich welcher Art (z.B. Trojaner) enthalten. Eine Beför1 Spindler/Ernst, CR 2004, 437 439; Härting, ITRB 2007, 242, 242; Härting, CR 2007, 311, 315. 2 Härting, ITRB 2007, 242, 243. 3 Härting, ITRB 2007, 242, 243; Kitz, CR 2005, 450, 453. 4 Härting, ITRB 2007, 242, 242; Härting, CR 2007, 311, 316. 5 Härting, ITRB 2007, 242, 242. 6 Härting, ITRB 2007, 242, 242. 7 Härting, ITRB 2007, 242, 242.
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C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
derungspflicht besteht ebenso wenig bei Mails, bei denen der Verdacht besteht, dass es sich um Werbe-Mails handelt, die dem bzw. den Empfängern ohne deren Einverständnis übermittelt werden (Spam-Mails). Um Viren-Mails und Spam-Mails zu erkennen und von der Beförderung auszuschließen, ist der Provider berechtigt, geeignete Filtersoftware zum Einsatz zu bringen. Eine Verpflichtung zum Einsatz derartiger Software besteht nicht.“ 555
Klauseln über den Ausschluss der Beförderung von Spam- und VirenMails halten einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Im Ausfiltern von Mails, die den Empfänger schädigen oder belästigen können, liegt keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners. Dies schon deshalb, weil der Provider ein schutzwürdiges Interesse daran hat, keinen Tatbeitrag zu rechtswidrigen Handlungen zu leisten1.
556
Vielfach finden sich in Nutzungsbedingungen für Mail-Accounts weitreichende Formulierungen, die jegliche Verantwortung des Providers dafür ausschließen wollen, dass versehentlich Mails ausgefiltert werden, die weder virenbehaftet sind noch unerwünschte Werbung enthalten. Derartige Klauseln müssen sich an § 309 Nr. 7 BGB messen lassen. Die Beförderungspflicht ist bei Verträgen über E-Mail-Acounts die Hauptpflicht des Providers. Schon aus diesem Grund halten Klauseln, die die Verantwortung des Providers für die „versehentliche“ Ausfilterung von E-Mails beschränken oder gar ausschließen, den Anforderungen des § 309 Nr. 7 BGB nicht stand2. 4. ASP-Verträge
557
Mit ASP (Application Service Providing) bezeichnet man die entgeltliche Bereitstellung von Softwareanwendungen für den Kunden zur OnlineNutzung über das Internet oder andere Netze3.
558
Da es bei ASP-Verträgen darum geht, dem Kunden eine Sache (Software) auf Zeit zur Nutzung zu überlassen, ist auf diese Verträge kein Dienstvertragsrecht, sondern Mietrecht (§§ 535 ff. BGB) anwendbar4. Der Anwendbarkeit von Mietrecht steht dabei nicht entgegen, dass der Kunde keinen Besitz an der Software bzw. an Datenträgern erlangt, da der Mietvertrag keine Besitzverschaffung, sondern lediglich eine Gebrauchsüberlassung voraussetzt. Ist – wie beim ASP-Vertrag – eine Besitzverschaffung für den vertragsgemäßen Gebrauch nicht erforderlich, genügt es für die Ge1 Härting, ITRB 2007, 242, 243; Härting, CR 2007, 311, 314 f. 2 Härting, ITRB 2007, 242, 243. 3 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher; vgl. auch Redeker, ITRB 2008, 65 ff. 4 BGH vom 15.11.2006, CR 2007, 75 = NJW 2007, 2394; a.A. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 987 ff.
136
III. Providerverträge
brauchsgewährung, wenn dem Mieter der Zugang zur Mietsache verschafft wird, der auch online erfolgen kann1. Der Anwendung von Mietvertragsrecht steht nicht entgegen, dass in dem ASP-Vertrag üblicherweise weitere Leistungen wie Programmpflege, Programmupdates, Datensicherung, Hotlineservice und Einweisung in die Software vereinbart werden, die anderen Vertragstypen (Dienst- oder Werkvertrag) zugeordnet werden können. Insoweit handelt es sich bei dem ASP-Vertrag um einen zusammengesetzten Vertrag, bei dem jeder Vertragsteil nach dem Recht des auf ihn zutreffenden Vertragstypus zu beurteilen ist, soweit dies nicht im Widerspruch zum Gesamtvertrag steht2.
559
5. Internet-System-Verträge
Vielfach werden verschiedene Leistungspflichten gebündelt – beispielsweise in einem „Internet-System-Vertrag“, durch den sich der Anbieter verpflichtet zur Recherche und Registrierung einer Domain („Domainservice“), zur Zusammenstellung der Webdokumentation – Bild- und Textmaterial – durch einen Webdesigner („Vor-Ort-Beratung“), zur Gestaltung und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben, zum „Hosting“ der Websites und E-Mail-Accounts auf den Servern der Klägerin sowie zu Beratungsund Betreuungsleistungen über eine Hotline3. Zu den Leistungpflichten, die der Provider in einem „Internet-System-Vertrag“ übernimmt, kann auch die Suchmaschinenoptimierung zählen4.
560
Ein solcher „Internet-System-Vertrag“ ist nach Auffassung des BGH insgesamt als Werkvertrag gemäß § 631 BGB anzusehen. Gegenstand des Vertrages sei die auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von dem Anbieter erstellten und betreuten Website im Internet und somit nicht ein schlichtes Tätigwerden, sondern die Herbeiführung eines Erfolges. Die „Abrufbarkeit“ der Website sei nicht als eine Garantie für den jederzeitigen Zugriff über das Internet – die der Webhostbetreiber wegen der technischen Gestaltung des Internet nicht übernehmen kann – zu verstehen, sondern dahingehend, dass die Website so bereitzustellen ist, dass sie für Internetnutzer abgerufen werden kann, wenn das Internet im üblichen Rahmen den Zugriff ermögliche5. Dementsprechend sei dieser Vertrag – anders als der lediglich auf
561
1 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher; BGH vom 15.11.2006, NJW 2007, 2394 f. 2 BGH vom 15.11.2006, CR 2007, 75, 76 = NJW 2007, 2394; vgl. auch BGH vom 19. 12.2001, NJW 2002, 1336, 1337. 3 Vgl. BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047 ff. mit Anm. Schirmbacher. 4 Vgl. AG Düsseldorf vom 17.7.2008, MMR 2009, 219 (Ls.). 5 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 980.
137
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
die Verschaffung des Zugangs zum Internet angelegte Access-ProviderVertrag – nicht als Dienstvertrag, sondern als Werkvertrag einzuordnen1. 562
Wird der Kunde in den AGB eines Internet-System-Vertrages mit einer Laufzeit von drei Jahren zu jährlichen Vorauszahlungen verpflichtet, stellt sich die Frage der Wirksamkeit nach § 307 BGB. Denn eine Klausel, die den Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorleistung verpflichtet, ist nur dann zulässig, wenn für sie ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung getragen wird, insbesondere keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen2. Diese Maßstäbe gelten auch dann, wenn die Vorleistungsklausel gegenüber einem Unternehmer verwendet wird (§ 14 Abs. 1, § 310 Abs. 1 BGB)3.
563
Nach Auffassung des BGH liegen bei einem Internet-System-Vertrag sachlich rechtfertigende Gründe für eine Vorleistungspflicht des Kunden zunächst darin, dass der Anbieter bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit die Website zu erstellen und einzurichten sowie die Abrufbarkeit dieser Website im Internet herbeizuführen hat. Der Anbieter habe daher ein berechtigtes Interesse daran, mit der Bezahlung jeglichen Entgelts nicht lange Zeit oder gar bis zum Ende der Vertragslaufzeit warten zu müssen. Ferner könne dem Anbieter die Zahlung kleiner monatlicher Ratenbeträge einen nicht unerheblichen buchhalterischen Aufwand bereiten und sich eine monatliche Ratenzahlung aus seiner nachvollziehbaren Sicht deshalb als unpraktikabel erweisen. Die Vorauszahlung etwa eines Drittels der vereinbarten Gesamtvergütung beeinträchtige zudem die Druckmittel des Kunden für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang4. Damit hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand5.
564
Wird einem Kunden – wahrheitswidrig – vorgespiegelt, er sei „Referenzkunde“ und erhalte daher einen Vorzugspreis, so besteht ein Anfechtungsrecht des Kunden wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB)6. 1 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 2 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher; vgl. auch Kieninger in MünchKomm-BGB, § 309 Nr. 2 Rdnr. 14; Grüneberg in Palandt, § 309 Rdnr. 13; Coester-Waltjen in Staudinger, § 309 Nr. 2 Rdnr. 7; Hensen in Ulmer/ Brandner/Hensen, § 309 Nr. 2 BGB Rdnr. 11; Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Rdnr. V 505 ff.; BGH vom 23.5.1984, NJW 1985, 850, 851; BGH vom 24.9.2002, NJW-RR 2003, 834, 836; BGH vom 20.6.2006, NJW 2006, 3134, 3134. 3 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1048 mit Anm. Schirmbacher. 4 BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1050 mit Anm. Schirmbacher. 5 Vgl. LG Düsseldorf vom 9.9.2009, MMR 2010, 243 f.; LG Düsseldorf vom 2.12.2005, Az. 22 S 115/05. 6 LG Düsseldorf vom 3.4.2009, MMR 2010, 244 (Ls.).
138
IV. Domainverträge
IV. Domainverträge Beim Domainhandel mit Domains geht es darum, dass der registrierte Domaininhaber seine Berechtigung an der Domain gegen Zahlung eines Entgelts auf einen neuen Inhaber überträgt (Domainkauf). Nicht ganz so weit verbreitet ist die Domainpacht: Der registrierte Domaininhaber gestattet dem Vertragspartner für eine bestimmte Zeitdauer die Nutzung der Domain, ohne dass die Domain auf den Nutzer übertragen wird1. Zu guter Letzt kann die Verwaltung von Domains Vertragsgegenstand sein (Domainservice).
565
1. Domainregistrierung
Eine Domainnutzung setzt zwingend die Registrierung der Domain bei einer der zentralen Vergabestellen (z.B. bei der DENIC e.G.) voraus2. Zwar besteht die Möglichkeit, die Registrierung einer Domain unmittelbar bei der DENIC oder einer anderen Vergabestelle vorzunehmen. In aller Regel wird die Registrierung indes durch den Host Provider erledigt. Bei der Registrierung handelt es sich um eine fremdnützige Tätigkeit des Providers, die als Werkvertrag (§ 631 BGB) anzusehen ist, der eine entgeltliche Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 Abs. 1 BGB zum Gegenstand hat3.
566
Bei den Vergabestellen gilt das Prinzip des „First Come – First Served“. Aus Sicht des Providers ist es daher notwendig, über dieses Prinzip aufzuklären und jegliche Gewähr dafür auszuschließen, dass die Registrierung tatsächlich erfolgen wird4.
567
Hauptleistungspflicht des Anbieters ist es, die Domain auf den Kunden anzumelden und anschließend zu verwalten. Dabei muss die Anmeldung in zwei Schritten erfolgen. Zunächst überprüft der Anbieter, ob die begehrte Domain bereits registriert wurde. Nur wenn dies nicht der Fall ist, obliegt es ihm, die Domain auch tatsächlich für den Kunden anzumelden5.
568
Der Provider ist im Zweifel verpflichtet, den Kunden als Domaininhaber eintragen zu lassen. Diese Verpflichtung erfüllt der Provider nicht bereits dadurch, dass er selbst Domaininhaber wird und dem Kunden die Domainnutzung ermöglicht6.
569
1 Vgl. zum Domain-Sharing: Viefhues, MMR 2000, 334. 2 Vgl. Marwitz, ZUM 2001, 398; siehe auch Rz. 1391 ff. 3 Cichon, Internetverträge, Rdnr. 352; Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VI Rdnr. 11; BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 mit Anm. Schirmbacher. 4 Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 468. 5 Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.5 Rdnr. 81. 6 Vgl. OLG München vom 5.12.2002, NJW-RR 2003, 1423 = MMR 2003, 795 = K&R 2003, 415; LG Hamburg vom 20.1.2009, MMR 2010, 244 (Ls.).
139
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
570
Hat ein Provider vertraglich zugesichert, eine Domain innerhalb eines Arbeitstages zu registrieren, so ist er dem Kunden unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er den Auftrag nur zögerlich bearbeitet, sodass zwischenzeitlich die gewünschte Domain an eine andere Person vergeben wird1.
571
Aus Sicht des Kunden ist es bedeutsam, dass der Provider verpflichtet wird, dafür Sorge zu tragen, dass die Registrierung während der gesamten Vertragslaufzeit aufrecht erhalten bleibt und Gebühren, die die Vergabestelle für die Registrierung erhebt, tatsächlich an diese gezahlt werden2. Wird die Zahlung der Gebühren versäumt, kann die Domain verloren gehen und erheblicher Schaden entstehen3.
572
Gleichfalls aus Sicht des Kunden ist der Fall des Providerwechsels4 regelungsbedürftig. Bei einem Wechsel des Host Providers hat die DENIC in der Vergangenheit einen KK (Konnektivitätskoordinations)-Antrag verlangt sowie die Zustimmung des bisherigen Providers zu dem Antrag5. Solange ein von dem bisherigen Provider gegengezeichneter KK-Antrag bei der Vergabestelle nicht eingegangen war, hat die DENIC keine Maßnahmen unternommen, um die Domain auf den Rechner des neuen Providers umzudirigieren. Seit dem 2. Februar 2010 gilt verbindlich das AuthInfo-Verfahren. Das Verfahren basiert auf der Übermittlung eines individuellen Providerwechsel-Passworts (sog. AuthInfo). Möchte ein Domaininhaber seinen Provider wechseln, veranlasst er bei seinem aktuellen Provider das Setzen eines individuellen Passwortes. Dieses wird verschlüsselt (sog. Hash), bei der DENIC hinterlegt und ist 30 Tage gültig. Nach Mitteilung des Klartextpasswortes durch den Domaininhaber an den neuen Provider, veranlasst dieser den Wechsel bei der DENIC unter Verwendung des Passwortes. Alternativ kann das Passwort auch direkt von dem neuen Provider bei der DENIC angefordert werden, welche dieses an den Domaininhaber sendet6.
573
Um ein möglichst zügiges Generieren der AuthInfo zu erreichen, empfiehlt es sich aus Kundensicht, in den Vertrag mit dem Provider eine Verpflichtung aufzunehmen, einem AuthInfo-Verfahren jederzeit zuzustimmen und das Verschlüsselungsverfahren unverzüglich in der Form durchzuführen, wie es von der DENIC verlangt wird. Daneben sind Verpflichtungen zum sorgfältigen Umgang mit dem Passwort sinnvoll, damit nicht unberechtigte Dritte einen Providerwechsel durchführen. 1 2 3 4 5 6
LG Görlitz vom 31.8.2004, CR 2005, 225 f. Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.5 Rdnr. 82. LG Frankfurt a.M. vom 30.4.2004, CR 2004, 852 f. Vgl. Cichon, Internetverträge, Rdnr. 354. Vgl. Ernst, MMR 2002, 714, 716. Vgl. DENIC, Informationen zum Providerwechsel mit individuellem Passwort (AuthInfo), abrufbar unter: http://www.denic.de/fileadmin/Domains/flyer_providerwechsel_DE.pdf.
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IV. Domainverträge
Insbesondere, weil das Verfahren einen gleichzeitigen Inhaberwechsel gestattet. 2. Domainkauf
Die Übertragung einer Domain erfolgt in mehreren Akten. Hierfür muss ein komplettes Schuldverhältnis in Form einer Vertragsübernahme übertragen werden1. Da die Domain kein körperlicher Gegenstand i.S.d. § 90 BGB, sondern ein Nutzungsrecht an einer bestimmten Internetadresse darstellt, erfolgt die Übertragung im Wege der Abtretung (§ 413 BGB in Verbindung mit § 398 BGB). Zwar ist im BGB nur die Abtretung einer einzelnen Forderung vorgesehen und eine komplette Vertragsübernahme ist nicht geregelt, dennoch können die Gründsätze der Abtretung auf die Vertragsübernahme angewendet werden2.
574
Die Hauptpflicht des Domainverkäufers ist es, sämtliche Erklärungen abzugeben bzw. beizubringen, die nach den Bestimmungen der jeweiligen Vergabestelle zur Übertragung der Domain notwendig sind. Hierzu zählt insbesondere die Zustimmung des Providers zu dem KK-Antrag.
575
Der Domainkauf ist ein Rechtskauf gemäß § 453 Abs. 1 BGB. Daher gelten für die Gewährleistung die Bestimmungen über den Rechtsmangel (§ 435 BGB).
576
3. Domainpacht
Von einer Domainpacht spricht man bei einer Domainüberlassung auf Zeit. Der Domaininhaber gibt seine Registrierung nicht preis, sondern bleibt bei der Vergabestelle als Domaininhaber eingetragen und gestattet seinem Vertragspartner die Nutzung der Domain für eine bestimmte Zeitdauer.
577
Eine Anwendung des Mietrechts kommt bei einer Domainpacht nicht in Betracht, da einer Domain die Sachqualität fehlt (vgl. § 90 BGB)3. In Betracht kommt allenfalls eine Rechtspacht (vgl. § 581 Abs. 1 BGB)4. Im Hinblick auf die eigentliche Tätigkeit des „Verpächters“ liegt es jedoch näher, die zeitweise Domainüberlassung als Dienstvertrag anzusehen. Der Domaininhaber schuldet die Weiterleitung der Domain an die IPAdresse des Kunden. Diese Verpflichtung ist dem Wesen nach tätigkeitsbezogen und hat mit einer „Fruchtziehung“ gemäß § 581 Abs. 1 Satz 1 BGB wenig gemein.
578
1 Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.4 Rdnr. 31. 2 Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.4 Rdnr. 31. 3 Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil VI Rdnr. 12; Härting, CR 2001, 37, 41. 4 Vgl. Cichon, Internetverträge, Rdnr. 372; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 492; OLG Köln vom 13.5.2002, CR 2002, 832 = MMR 2003, 191 mit Anm. Runte.
141
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
579
Wenn in einem Vertrag über die Verpachtung der Domain medizin.de „eine Gewinnbeteiligung von 15 % auf alle mit medizin.de erzielten Umsätze“ vereinbart wird, folgt hieraus keine Verpflichtung des Pächters, möglichst hohe Umsätze zu erzielen. Zur Vereinbarung von Gebrauchsund Betriebspflichten bedarf es einer besonderen Vereinbarung. Wenn der Verpächter somit Mindestumsätze sicherstellen möchte, ist es notwendig, entsprechende Vereinbarungen in den Vertrag aufzunehmen1. 4. Domainservice
580
Nicht selten treten bei der Registrierung und Verwaltung von Domains Treuhänder in Erscheinung, und zwar als Domaininhaber oder auch als Admin-C, die für die Verwaltung der Website verantwortlich sind2. Die Registrierung bzw. Verwaltung von Domains ist eine Dienstleistung, die sich als „Domainservice“ bezeichnen lässt.
581
Neben dem Vertrag mit einem Treuhänder oder einem Admin-C über die Registrierung und Verwaltung einer Domain haben sich weitere Modelle herausgebildet. Dazu gehören etwa Verträge über das Domain-Parking oder über die Bewertung einer Domain3.
582
Für den Admin-C bestehen bei einer treuhänderischen Verwaltung einer Domain erhebliche Haftungsrisiken, da immer wieder versucht wird, den Admin-C als Störer verantwortlich zu machen für rechtswidrige Inhalte, die über die Domain abrufbar sind4, oder gar haftbar zu machen für Rechtsverstöße durch E-Mails, die von einem Account der Domain versendet wird, für die der Admin-C verantwortlich ist5.
583
➲ Praxistipp: Wer als Admin-C die Verantwortung für eine Domain übernimmt, ist gut beraten, den Vertragspartner (d.h. den Domaininhaber) zur Unterlassung jedweder Spam-Mails zu verpflichten. Eine „Don’t Spam“-Klausel kann beispielsweise lauten6: „Der Domaininhaber verpflichtet sich, die Domain nicht zur Versendung von unerwünschten Werbe-Mails zu nutzen. Als Werbe-Mail gilt jede Mail, die – schwerpunktmäßig oder auch nur nebenbei – Mitteilungen enthält, die den Empfänger auf gewerbliche Angebote von Waren oder Dienstleistungen gleich welcher Art hinweisen. Dies gilt auch für E-Mails, die nicht ausdrücklich werben, jedoch so ausgestaltet sind, dass sie aus Sicht des Empfängers – jedenfalls nebenbei – werbenden Charakter haben. 1 2 3 4 5 6
LG Nürnberg-Fürth vom 16.10.2008, CR 2009, 123. Siehe Rz. 1420 ff. Vgl. Reinholz in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge, Teil 3.5 Rdnr. 33 ff. Siehe Rz. 1746 ff. Härting, ITRB 2005, 282, 282; LG Berlin vom 26.9.2005, Az. 16 O 718/05. Härting, ITRB 2005, 282.
142
V. Werbeverträge
Die Versendung von Werbe-Mails gleich welcher Art ist dem Domaininhaber nur gestattet, wenn er vorab die ausdrückliche Zustimmung des jeweiligen Empfängers über den Empfang der E-Mail eingeholt hat. Der Domaininhaber wird alle Personen, denen er die Einrichtung von E-Mail-Accounts unter der vertragsgegenständlichen Domain und/oder die Nutzung derartiger Accounts gestattet, zur Einhaltung der sich aus den vorstehenden Absätzen ergebenden Pflichten ausdrücklich verpflichten.“ Bei der Gestaltung von Domainverträgen kann auch Regelungsbedarf für die Frage bestehen, wer für namens- und kennzeichenverletzende Domainnamen haftet. Haftungsrisiken können für den Domaininhaber selbst dann entstehen, wenn der Auftraggeber ein Kennzeichen- oder Namensrecht an dem Domainnamen innehat1.
584
Nach der Auffassung, die der BGH in seiner Entscheidung zu grundke.de vertreten hat, verletzt die Auftragsregistrierung einer Domain Namensoder Kennzeichenrechte eines Dritten nicht, wenn der Auftraggeber über gleichgewichtige Namens- oder Kennzeichenrechte am Domainnamen verfügt2. Allerdings muss für andere Namensträger bzw. Kennzeichenrechtsinhaber die Chance bestehen, eine Auftragsregistrierung festzustellen. Hierfür reicht es nach Ansicht des BGH aus, dass der Auftraggeber unter dem Domainnamen einen Internetauftritt unterhält3.
585
➲ Praxistipp: Aus Sicht des Dienstleisters empfiehlt sich eine Vertragsklausel, die den Kunden verpflichtet, alsbald einen eigenen Internetauftritt unter der Domain einzurichten4:
586
„Der Kunde verpflichtet sich, alsbald – spätestens aber einen Monat – nach Registrierung der Domain durch den Treuhänder einen eigenen Internetauftritt unter der Domain einzurichten und dauerhaft abrufbar zu halten.“
V. Werbeverträge Im Internet gibt es vielfältige Formen der Werbung5. Vielfach geht es bei Werbeverträgen darum, dass sich der Betreiber einer Website gegenüber dem Werbenden dazu verpflichtet, einen funktionstüchtigen Link zu dessen Website zu installieren. Bei derartigen Linkingverträgen gibt der Werbende regelmäßig eine bestimmte Gestaltungsform vor und vereinbart mit dem Website-Betreiber eine konkrete Zeitspanne, während der Hyperlink aufrecht zu erhalten ist6. 1 Reinholz, ITRB 2008, 69. 2 BGH vom 8.2.2007 – grundke.de, CR 2007, 590 = ITRB 2007, 224; vgl. Reinholz, ITRB 2008, 69; siehe Rz. 1422. 3 BGH vom 8.2.2007 – grundke.de, CR 2007, 590 = ITRB 2007, 224; vgl. Reinholz, ITRB 2008, 69. 4 Reinholz, ITRB 2008, 69, 70. 5 Vgl. Leupold/Bräutigam/Pfeiffer, WRP 2000, 575, 579 ff. 6 Härting, CR 2001, 37, 42.
143
587
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
588
Zu diesen Verpflichtungen kommt gelegentlich noch die weitere Verpflichtung des Website-Inhabers hinzu, für den Werbenden einen Banner zu gestalten. Soweit es um die Gestaltung eines Werbebanners geht, handelt es sich um Webdesign, auf das Kaufrecht (§§ 651, 434 ff. BGB) anwendbar ist1. Ob Werbeverträge im Übrigen als Werkverträge oder als Dienstverträge2 anzusehen sind, ist streitig. Bei Verträgen über OnlineWerbung sprechen Parallelen zu „Offline-Werbeverträgen“ – Plakatwerbung und ähnliche Werbeformen – für eine Einordnung als Werkvertrag.
589
Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob die Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird. Bei der Plakatwerbung verhält es sich so, dass ein bestimmtes Arbeitsergebnis als geschuldete Leistung vereinbart wird: Der Auftragnehmer verpflichtet sich, an geeigneten Standorten Plakate des Auftraggebers anzubringen. Der dauernde Aushang der Plakate während der Vertragszeit ist der vertragsgemäß geschuldete Erfolg. Dabei kommt es nicht auf die einzelne Tätigkeit des Unternehmers, sondern auf die einheitliche und fortdauernde planmäßig erzielte Werbewirkung an3.
590
Nichts anderes gilt, wenn sich der Auftragnehmer verpflichtet, die Werbespots des Auftraggebers auf einer Videowand an einem Bahnhofsvorplatz mit einer bestimmten Wiederholungsfrequenz zu zeigen. Die Parteien haben ein bestimmtes Arbeitsergebnis vereinbart: die Präsentation von Werbevideos an einer bestimmten Stelle für den vertraglich festgelegten Zeitraum. Es handelt sich aus diesem Grunde nicht um einen Dienstvertrag, sondern um einen Werkvertrag.
591
Auch bei Verträgen über Online-Werbung steht es einer Einordnung als Werkvertrag nicht entgegen, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines Dauerschuldverhältnisses aufweist und dass dem Kunden kein körperlicher Gegenstand als „Werkleistung“ übereignet wird. Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu4.
592
Zu den Eckpunkten eines Internet-Werbevertrages gehört es, die genaue Ausgestaltung der Werbung und/oder des Links zu definieren und Festlegungen zu treffen, an welcher Stelle einer Website Werbung geschaltet
1 Siehe Rz. 479 ff. 2 So noch Vorauflage, Rn. 428; vgl. auch Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IX Rdnr. 3; Ernst, Vertragsgestaltung im Internet, Rdnr. 648. 3 BGH vom 19.6.1984, NJW 1984, 2406 ff. 4 Vgl. BGH vom 4.3.2010, CR 2010, 327 ff. mit Anm. Hilber/Rabus = K&R 2010, 343 ff. mit Anm. Pohle = BB 2010, 1047, 1049 f. mit Anm. Schirmbacher.
144
VI. Plattformverträge und Nutzungsbedingungen
werden soll1. Häufig bedarf es einer Vereinbarung der Zielseite, auf die ein Link führen soll, und einer Definition der Zeiten, zu denen die Werbung abrufbar sein soll. Im Zusammenhang mit einer Verlinkung empfiehlt es sich festzulegen, ob die Zielseite im selben Browser-Fenster oder in einem Pop-up-Fenster erscheinen soll. Regelungsbedürftig ist darüber hinaus das Format, in dem ein Werbebanner dem Website-Betreiber zu überlassen ist, sofern das Design nicht dem Betreiber der Website überlassen bleibt.
593
Für die Vergütung von Werbung im Internet gibt es unterschiedliche Modelle. Teilweise wird eine zeitbezogene Pauschalvergütung vereinbart, teilweise richtet sich Vergütung nach der Anzahl der Mausklicks, durch die ein Link aktiviert wird (z.B. 0,10 Euro pro Mausklick). Auch Mischformen (Grundvergütung zuzüglich Zahlung per Klick) sind üblich.
594
Der Betreiber einer Website, auf die per Link Werbung eingebettet werden soll, hat ein Interesse daran, dass über den Link keine rechtswidrigen Inhalte abrufbar sind, für die er haftbar gemacht werden kann2. Um Risiken zu minimieren, empfiehlt es sich, den Werbetreibenden ausdrücklich versichern zu lassen, dass auf der Zielseite keine rechtswidrigen Inhalte abgespeichert werden. Als Sanktion für eine Verletzung dieser Verpflichtung kommt ein außerordentliches Kündigungsrecht des Website-Betreibers ebenso in Betracht wie eine Berechtigung, den Link mit sofortiger Wirkung stillzulegen. Zudem sollte man an die Formulierung einer Klausel zur Freistellung des Website-Betreibers von Ansprüchen Dritter denken.
595
VI. Plattformverträge und Nutzungsbedingungen Für den bloßen Besuch einer Internetplattform bedarf es keiner rechtsgeschäftlichen Erklärung. Allerdings hat der Betreiber der Plattform ein „virtuelles Hausrecht“3. Ebenso wie der Betreiber eines Einkaufszentrums mit mehreren Geschäften kann der Plattformbetreiber in Nutzungsbedingungen festlegen, wer zum Besuch der Plattform berechtigt ist. Unerwünschte User, die den Besuch der zu rechtswidrigen Handlungen nutzen, lassen sich auf diese Art und Weise aus dem Nutzerkreis ausschließen.
596
Internetauktionen, Social Networks, Diskussionsforen: Eine Vielzahl von Plattformen verlangt für die Nutzung von Diensten eine Registrie-
597
1 Vgl. Schuppert in Spindler (Hrsg.), Vertragsrecht der Internetprovider, Teil IX Rdnr. 11 ff. 2 Plaß, WRP 2000, 599, 599 ff. 3 Maume, MMR 2007, 620 ff.; OLG Köln vom 25.8.2000, MMR 2001, 52.; LG München I vom 25.10.2006, CR 2007, 264 f. mit Anm. Redeker; siehe auch Rz. 1126 ff.
145
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen
rung des Nutzers. Bei der Registrierung wird in aller Regel eine Erklärung des Nutzers über die Anerkennung der Nutzungsbedingungen verlangt. 598
Mit dem Verlangen nach einer Registrierung bringt der Plattformbetreiber zum Ausdruck, dass er die Nutzung der Plattform von bindenden Erklärungen des Nutzers abhängig macht. Die im Zusammenhang mit einer Registrierung abgegebenen Erklärungen bringen daher einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck, sodass die Nutzungsbedingungen des Anbieters Bestandteil eines Plattformvertrages werden. Verträge dieser Art werden beispielsweise bei Download-Plattformen1 oder auch bei Auktions-Plattformen2 geschlossen. Ähnliches gilt für Diskussionsforen3.
1 Vgl. Härting/Schätzle, ITRB 2006, 186; siehe Rz. 335 ff. 2 Siehe Rz. 314 ff. 3 Vgl. Maume, MMR 2007, 620, 621; LG München I vom 25.10.2006, CR 2007, 264, 265 mit Anm. Redeker.
146
D. Fernabsatzrecht
I. Anwendungsbereich . . . . . . . . 1. Unternehmer und Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Waren oder Dienstleistungen . 3. Vertragsschluss per Fernkommunikationsmittel . . . . . . . . . . 4. Vertriebs- oder Dienstleistungssystem . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausnahmen (§ 312 b Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Besonderheiten bei Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . II. Informationspflichten . . . . . . . 1. Vorvertragliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtzeitigkeit der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Form der Information . . . . . c) Klarheit und Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inhalt der Pflichtangaben . aa) Allgemeine Informationspflichten . . . . . . . . . bb) Besondere Informationspflichten für Finanzdienstleistungen . 2. Nachvertragliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . a) Textform . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Pflichtangaben . c) Hervorhebung einzelner Pflichtangaben . . . . . . . . . . . d) Ausnahme gemäß Art. 246 § 2 Abs. 2 EGBGB . . . . . . . .
Rz. 600 605 622 624 630 637 647 649 654 655 660 671 676 677 704 711 712 717
Rz. 3. Übersendung einer Urkunde . 732 4. Informationspflichten im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . 734 5. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 747 III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB) . . . . . . . . . 1. Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . a) Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . aa) Fristbeginn . . . . . . . . . . bb) Widerrufsbelehrung . . cc) Fristende . . . . . . . . . . . . dd) Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sammelausnahme: § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entsiegelte Datenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zeitungsabonnements dd) Wett- und Lotteriegeschäfte . . . . . . . . . . . . ee) Versteigerungen . . . . . . ff) Spekulative Verträge . . gg) Telekommunikative Dienste . . . . . . . . . . . . . 2. Ausübung des Widerrufsrechts und Widerrufsfolgen . . 3. Rückgaberecht . . . . . . . . . . . . .
752 753 756 756 764 770 776 782 787 798 807 809 811 816 818 819 835
723 727
E-Commerce ist der Vertrieb von Waren und Dienstleistungen im Fernabsatz. Das Fernabsatzrecht ist daher vielfach auf Online-Verträge anwendbar. Geregelt ist das Fernabsatzrecht in den §§ 312 b ff. BGB.
599
I. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts wird in § 312 b Abs. 1 BGB definiert. Das Fernabsatzrecht gilt für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über Waren oder Dienstleistungen (einschließlich Finanzdienstleistungen), soweit der Vertragsschluss ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt. Eine Aus147
600
D. Fernabsatzrecht
nahme gilt, wenn der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wird. 601
Übersicht Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts – Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher; – Vertrag über Waren oder Dienstleistungen; – Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln; – Ausnahme: Fehlen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebsoder Dienstleistungsystems; – § 312 b Abs. 3 BGB: Bereichsausnahmen.
602
Bis zum 1. Oktober 2004 galt das Fernabsatzrecht nicht für Finanzdienstleistungen. Die am 23. September 2002 in Kraft getretene Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (FARLFDL)1 war bis zum 9. Oktober 2004 in deutsches Recht umzusetzen. Einen Referentenentwurf (Ref-E) legte das Bundesministerium der Justiz im Juni 2003 vor2. Der im Wesentlichen inhaltsgleiche Regierungsentwurf (RegE)3 wurde vom Bundestag am 1. Juli 2004 verabschiedet4.
603
Erfreulicherweise5 wurde bei der Umsetzung der FARLFDL davon abgesehen, ein neues Sondergesetz zu schaffen. Vielmehr gelten die §§ 312 b ff. BGB jetzt auch für alle Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen mit Ausnahme von Verträgen über Versicherungen und deren Vermittlung (vgl. § 312 b Abs. 3 Nr. 3 BGB).
604
Die FARLFDL ist der allgemeinen Fernabsatzrichtlinie (FARL)6 in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Die beiden Richtlinien unterscheiden sich allerdings im Bereich der Informationspflichten. Dies ist für die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten misslich, weil der FARLFDL der Vollharmoni1 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderungen der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EG L 271 vom 9.10.2002, S. 16. 2 Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1777 ff. 3 BT-Drucks. 15/2946 mit Stellungnahme des Bundesrates, S. 71 und Gegenäußerung der Bundesregierung, S. 81; der Regierungsentwurf ist nebst Begründung in ZBB 2004, 75 abgedruckt; vgl. auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/3483. 4 Plenarprotokoll 15/118, S. 10759. 5 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 810. 6 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG L 144 vom 4.6.1997, S. 19.
148
I. Anwendungsbereich
sierungsgrundsatz zugrunde liegt1. Auch in Zukunft wird es an vielen Stellen auf die Unterscheidung zwischen Finanzdienstleistungen und sonstigen Dienstleistungen ankommen. 1. Unternehmer und Verbraucher
Das Fernabsatzrecht ist Verbraucherschutzrecht; es gilt daher nur im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher. Der Privatverkauf ist vom Fernabsatzrecht ebenso wenig erfasst wie Verträge zwischen Unternehmern.
605
Die Begriffe des Verbrauchers und des Unternehmers sind in den §§ 13 und 14 BGB gesetzlich definiert. Diese Definitionen entsprechen im Wesentlichen den früheren Bestimmungen der §§ 24 Satz 1 Nr. 1 und 24 a ABGB und gelten für das gesamte Verbraucherschutzrecht2.
606
Gemäß § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann3. Der Verbraucherschutz setzt demnach voraus, dass eine natürliche Person zu privaten Zwecken einen Vertrag schließt4.
607
Unternehmer ist nach der Definition des § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft5, die bei dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Dieser Definition unterfallen juristische Personen des öffentlichen Rechts ebenso wie Kapital- und Personenhandelsgesellschaften sowie Freiberufler6. Das selbe gilt für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die gewerblich oder selbständig (frei)beruflich tätig werden7.
608
Für ein unternehmerisches Handeln reicht es aus, wenn das Rechtsgeschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen wird. Auch der Existenzgründer ist Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB. Es besteht kein Anlass, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte unterneh-
609
1 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809; kritisch Derleder/Pallas, ZIP 1999, 1285, 1293. 2 Kritisch Flume, ZIP 2000, 1427, 1427 f.; vgl. auch Elßner/Schirmbacher, VuR 2003, 247 ff. 3 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 21 ff.; Elßner/Schirmbacher, VuR 2003, 247 ff. 4 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 23; Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2050. 5 Kritisch Flume, ZIP 2000, 1427, 1428; Hensen, ZIP 2000, 1151. 6 Härting, FernAbsG, Einl. Rdnr. 59 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 b Rdnr. 13. 7 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 14 Rdnr. 3.
149
D. Fernabsatzrecht
merische Tätigkeit entschieden hat und Geschäfte abschließt, die diese Tätigkeit vorbereiten1. 610
Unter einer gewerblichen Tätigkeit gemäß § 14 Abs. 1 BGB versteht man das dauerhafte, entgeltliche und planmäßige Anbieten von Waren oder Dienstleistungen am Markt2. Ein dauerhaft-planmäßiges Auftreten am Markt reicht für eine unternehmerische Tätigkeit auch dann aus, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt3. Im Interesse eines wirksamen Verbraucherschutzes kann es bei der Auslegung des § 14 Abs. 1 BGB nur auf objektive Kriterien ankommen. Welche Absichten ein Anbieter am Markt verfolgt, ist aus Sicht des schutzbedürftigen Verbrauchers unerheblich4.
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Nicht jedes Geschäft, das ein Unternehmer tätigt, erfolgt im Rahmen seiner gewerblichen bzw. selbständigen beruflichen Tätigkeit. Die Rechtsanwältin, die einen Satellitenempfänger bestellt, handelt daher als Verbraucherin, wenn die Empfangsanlage in ihren Privaträumen installiert werden soll5. Die Abgrenzung zwischen privatem und geschäftlichem Handeln kann bei Gegenständen schwer fallen, die für beide Zwecke nutzbar sind („Dual Use“) und richtet sich danach, welcher Zweck bei Vertragsschluss erkennbar im Vordergrund stand6.
612
Aus der vom Gesetzgeber gewählten negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes der Vorschrift des § 13 BGB wird deutlich, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist und etwa verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden sind. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist7. Hierfür reicht bei einer Rechtsanwältin die Angabe einer beruflichen Rechnung-, Liefer- und E-Mail-Adresse nicht aus8. Ebenso wenig reicht es für die Annahme eines Handelns als
1 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3377; BGH vom 24.2.2005, K&R 2005, 326. 2 Vgl. Ellenberger in Palandt, § 14 Rdnr. 2; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3377 f.; Meyer, K&R 2007, 572 f. 3 Fischer, WRP 2008, 193, 195; Meyer, K&R 2007, 572, 577; Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 376; BGH vom 29.3.2006, NJW 2006, 2250, 2251. 4 BGH vom 29.3.2006, NJW 2006, 2250, 2251. 5 AG Siegburg vom 23.2.2005, NJW-RR 2005, 1583. 6 Vgl. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3378. 7 BGH vom 30.9.2009, K&R 2010, 37, 38 f. mit Anm. Buchmann = MMR 2010, 92 f. mit Anm. Föhlisch. 8 BGH vom 30.9.2009, K&R 2010, 37, 38 f. mit Anm. Buchmann = MMR 2010, 92 f. mit Anm. Föhlisch; a.A. LG Hamburg vom 16.12.2008, CR 2009, 261, 262 (Vorinstanz).
150
I. Anwendungsbereich
Unternehmer aus, wenn der Käufer eines Kfz eine Teilfläche des Fahrzeugs für einen Werbeaufkleber nutzt und hiermit Gewinn erzielt1. Bei einem gemischt genutzten Fahrzeug kommt es für die Verbrauchereigenschaft darauf an, ob die Nutzung als Firmenfahrzeug überwiegt. Nur dann liegt auf Käuferseite kein Handeln als Verbraucher vor2.
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Die Beweislast3 für die Unternehmereigenschaft des Vertragspartners liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft. Im Zweifel muss also der Verbraucher nachweisen, dass sein Vertragspartner Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist4.
614
Insbesondere bei der Internetauktions-Plattform Ebay, die sich als Sprungbrett in eine gewerbliche Tätigkeit erwiesen hat, ist die Abgrenzung zwischen (noch) privater und (schon) gewerblicher Tätigkeit schwierig und führte schon früh zu zahlreichen Streitigkeiten5. Als Leitlinie lässt sich dabei der Maßstab anlegen, ob ein gelegentlicher Verkauf privater Gegenstände vorliegt oder eine beständige Nutzung von Ebay als Verkaufsplattform6. Wer hin und wieder seinen privaten Keller ausräumt und die „Fundstücke“ bei Ebay versteigert, handelt sporadisch und nicht planmäßig, auch wenn er noch so viele Gegenstände versteigert7. Wer dagegen über einen längeren Zeitraum Marmelade kocht und über Ebay versteigert, handelt planmäßig-gewerblich, auch wenn die Umsätze bescheiden sind.
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Wer bei Ebay innerhalb weniger Wochen 18 Schmuckstücke, acht Handtaschen, vier Sonnenbrillen und drei Paar Schuhe zum Verkauf anbietet und mehr als 25 Bewertungen von Käufern erhalten hat, handelt als Unternehmer8.
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Das „Aufräumen eines Kleiderschrankes“ reicht für eine unternehmerische Tätigkeit nicht aus. Von einem solchen „Aufräumen“ kann indes nach Auffassung des LG Hannover nicht die Rede sein, wenn eine Vielzahl neuer Bekleidungsstücke bei Ebay versteigert wird9. Das Angebot
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1 LG Köln vom 15.5.2008, Az. 37 O 1054/07; LG Wuppertal vom 5.11.2008, Az. 3 O 220/08. 2 Vgl. LG Wuppertal vom 24.6.2008, Az. 5 O 13/08. 3 Vgl. Fischer, WRP 2008, 193, 195. 4 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3378; AG Gemünden a.M. vom 13.1.2004, Az. 10 C 1212/03, JurPC Web-Dok. 95/2006. 5 Vgl. LG Hof vom 29.8.2003, CR 2003, 854 = VuR 2004, 109; LG Schweinfurt vom 30.12.2003, WRP 2004, 654; AG Gemünden a.M. vom 13.1.2004, Az. 10 C 1212/03. 6 Vgl. Meyer, K&R 2007, 572, 574 ff. 7 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 15. 8 BGH vom 4.12.2008, CR 2009, 538, 539 = K&R 2009, 467, 469 – Ohrclips. 9 LG Hannover vom 15.4.2005, WRP 2005, 1194.
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D. Fernabsatzrecht
neuer Ware ist ein Indiz für ein planmäßiges Handeln des Versteigerers1, das die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BGB erfüllt. Wenn der Versteigerer sich hingegen darauf beschränkt, Gegenstände zu verkaufen, die „im Haushalt nicht mehr benötigt“ werden, spricht dies gegen ein unternehmerisches Tätigwerden2. 618
Wer sich selbst als Unternehmer bezeichnet, muss es sich gefallen lassen, dass Regelungen angewendet werden, die für Unternehmer gelten. Daher gilt für den Ebay-Powerseller eine tatsächliche Vermutung unternehmerischen Handelns3. Diese Vermutung wird indes nur durch den Powerseller-Status begründet, nicht bereits dadurch, dass ein Ebay-Nutzer die von Ebay festgelegten Powerseller-Kriterien erfüllt. Nicht die EbayNutzungsbedingungen sind für den Unternehmerstatus maßgebend4, sondern ausschließlich das Auftreten des Anbieters als Powerseller, da dies gegenüber dem Verbraucher ein dauerhaft-planmäßiges und somit unternehmerisches Handeln zum Ausdruck bringt.
619
Ist der Versteigerer kein Powerseller und bestehen die Angebote des Versteigerers auch nicht vorwiegend aus Neuware, so kommt es bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BGB auf andere, schwächere Indizien an. Derartige Kriterien sind eine hohe Anzahl von Angeboten5, ein längerer Zeitraum der kontinuierlichen Nutzung von Ebay für Verkaufsangebote6, die Anzahl von Bewertungen7, die Verwendung unternehmenstypischer Hilfsmittel wie Allgemeiner Geschäftsbedingungen8, die Einrichtung eines Ebay-Shops9 sowie der Ankauf von Ware zum Wei-
1 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 22.12.2004, NJW 2005, 1438; LG Berlin vom 5.9.2006, MMR 2007, 401. 2 A.A. AG Bad Kissingen vom 4.4.2005, NJW 2005, 2463. 3 Fischer, WRP 2008, 193, 196; OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378; OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585; OLG Karlsruhe vom 27.4.2006, CR 2006, 689, 690; OLG Koblenz vom 17.10.2005, NJW 2006, 1438; OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005, 1006; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 4 A.A. LG Coburg vom 19.10.2006, CR 2007, 191 = MMR 2007, 399, 400 = K&R 2007, 106, 107; AG Bad Kissingen vom 4.4.2005, NJW 2005, 2463. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378; OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585; OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005, 1006; LG Berlin vom 5.9.2006, MMR 2007, 401; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 7 OLG Karlsruhe vom 27.4.2006, CR 2006, 689, 690; LG Hanau vom 28.9.2006, MMR 2007, 339; AG Wernigerode vom 22.2.2007, MMR 2007, 402, 403. 8 Vgl. OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005; LG Coburg vom 19.10.2006, CR 2007, 191, 192 = MMR 2007, 399, 400 = K&R 2007, 106, 107; LG Mainz vom 6.7.2005, NJW 2006, 783 = CR 2006, 131, 132. 9 OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378; OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007, K&R 2007, 585.
152
I. Anwendungsbereich
terverkauf1. Umgekehrt lassen indes ein Überwiegen der Ankäufe über die Verkäufe und ein damit verbundener Nettoverlust nicht auf ein Handeln als Verbraucher schließen2. Wer „tonnenweise Hardware“ anbietet, bringt damit die Absicht nicht nur gelegentlichen Handelns zum Ausdruck3. Die private Sphäre wird zudem verlassen, wenn zahlreiche gleichartige Waren in kürzeren zeitlichen Abständen gekauft oder verkauft werden4. Daher findet § 14 Abs. 1 BGB Anwendung.
620
Auch wenn Waren angeboten werden, die aus einer privaten Sammlung stammen, können die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BGB vorliegen. Verkäufe aus einem privaten Bestand sind zwar grundsätzlich dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen, während das Merkmal des Weiterverkaufs für eine gewerbliche Tätigkeit spricht. Wenn jedoch eine kontinuierliche Verkaufstätigkeit über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr vorliegt und eine Sammlung verkauft wird, die weit über 100.000 Stück umfasst, wird die Grenze zu einem planmäßigen, auf eine gewisse Dauer angelegten Anbieten entgeltlicher Leistungen überschritten5.
621
2. Waren oder Dienstleistungen
Das Fernabsatzrecht gilt nicht nur für Warenlieferungen, sondern auch für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen. Der Begriff der Dienstleistung ist dabei weit zu verstehen und umfasst neben Dienstverträgen auch beispielsweise Werkverträge, Geschäftsbesorgungs- und Mietverträge6, nicht aber Bürgschaften7.
622
Seit der Umsetzung der FARLFDL sind auch Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich erfasst. Gemäß § 312 b Abs. 1 Satz 2 BGB sind Finanzdienstleistungen Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersvorsorge von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. Da Versicherungsverträge in § 312 b Abs. 3 Nr. 3 BGB vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts ausgenommen werden, ist deren Erwähnung befremdlich8.
623
1 OLG Zweibrücken vom 28.6.2007, WRP 2007, 1005, 1006; LG Berlin vom 5.9.2006, MMR 2007, 401; LG Hanau vom 28.9.2006, MMR 2007, 339; LG München I vom 7.4.2009, MMR 2009, 504 (Ls.). 2 A.A. LG Coburg vom 19.10.2006, CR 2007, 191, 192 = MMR 2007, 399, 400 = K&R 2007, 106, 107. 3 OLG Hamburg vom 27.2.2007, WRP 2008, 522 (Ls.). 4 LG Leipzig vom 18.10.2005, WRP 2006, 617. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007, MMR 2007, 378. 6 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 30; vgl. auch Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1274; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917. 7 OLG Dresden vom 30.1.2009, Az. 8 U 1540/08. 8 Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 40; Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1778.
153
D. Fernabsatzrecht
3. Vertragsschluss per Fernkommunikationsmittel
624
Das prägende Merkmal eines Fernabsatzvertrages ist die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei Anbahnung und Abschluss des Vertrages.
625
Fernkommunikationsmittel sind nach § 312 b Abs. 2 BGB alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können. Als Beispiele führt das Gesetz Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telefaxe, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste auf. Der Beispielskatalog des § 312 b Abs. 2 BGB ist nicht abschließend zu verstehen1.
626
Verträge, die über das Internet angebahnt und geschlossen werden, sind ohne weiteres von § 312 b BGB erfasst. Ob Reisebuchung oder OnlineShopping: Die Kommunikation über das Internet ist Fernkommunikation.
627
Ein Fernabsatzvertrag liegt nur vor, wenn der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird. Dies bedeutet zunächst, dass die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen unter Abwesenden abgegeben wurden. Nach einhelliger Meinung muss jedoch das Zustandekommen des Vertrages in die Betrachtungen mit einbezogen werden2. Die Regeln über Fernabsatzgeschäfte sind daher nicht anwendbar, wenn im Verlauf des vertragsrechtlichen Kontinuums von der Anbahnung des Vertrages bis zum Vertragsschluss ein direkter Kontakt zwischen den vor Ort gleichzeitig körperlich anwesenden Vertragsparteien stattgefunden hat.
628
Ob ein Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden ist, ist eine Frage, die einer wertenden Betrachtung unterliegt. Dabei ist der Sinn und Zweck des Fernabsatzrechts zu berücksichtigen, der darin liegt, den Verbraucher vor Nachteilen zu schützen, die daraus resultieren, dass er vor Vertragsschluss weder die vom Vertragspartner angebotene Ware oder Dienstleistung noch den Vertragspartner selbst sehen und prüfen konnte3. Bestand im Zuge der 1 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 31; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1420; Lorenz, JuS 2000, 833, 838; Tonner, BB 2000, 1413, 1416; Wegner, NJ 2000, 407. 2 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 69; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 31; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 b Rdnr. 61; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 b Rdnr. 42; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 b Rdnr. 46; Grünberg in Palandt, § 312 b Rdnr. 8; vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/2658, S. 30 f. 3 Erwägungsgrund 14 FARL; Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2658, S. 15 f.; vgl. auch Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rdnr. 302; Dickie, JCP 21 (1998), 217, 217 f.
154
I. Anwendungsbereich
Vertragsanbahnung eine solche Möglichkeit, so liegt auch dann kein Fernabsatzgeschäft vor, wenn die Vertragserklärungen per E-Mail oder auf andere Weise im Wege der Fernkommunikation ausgetauscht wurden1. Umgekehrt lässt sich das Fernabsatzrecht nicht dadurch umgehen, dass die gesamte Vertragsanbahnung aus der Ferne erfolgt, der Vertragsschluss jedoch so organisiert wird, dass die Vertragserklärung für den Unternehmer erst zeitgleich mit der Warenlieferung abgegeben wird2. Eine entsprechende Konstruktion haben Unternehmer vereinzelt gewählt, um dem Fernabsatzrecht zu entgehen. Der Postbedienstete, der die Ware (z.B. das Mobiltelefon) auslieferte, wurde vom Unternehmer bevollmächtigt, die vertragliche Annahmeerklärung abzugeben. Dies eröffnete das Argument, es fehle an einem Fernabsatzvertrag, da die Annahme nicht aus der Ferne, sondern unter Anwesenden erklärt werde3. Bei wertender Betrachtung kann die Verzögerung des Vertragsschlusses, die ausschließlich der Umgehung des Fernabsatzrechts dienen soll, nichts daran ändern, dass aus Sicht des Verbrauchers Vertragsanbahnung und Vertragsschluss aus der Distanz erfolgen. Der Postbedienstete ist mangels jeglichen Spielraums bei der Abgabe der Willenserklärung als bloßer Erklärungsbote anzusehen. Er ist nicht befugt und in aller Regel auch nicht in der Lage, den Kunden der Beklagten über die Vertragsleistung Auskunft zu geben. Auch die Übermittlung einer Vertragserklärung durch einen solchen Boten erfüllt die Voraussetzungen eines ausschließlich per Fernkommunikationsmittel geschlossenen Vertrages4.
629
4. Vertriebs- oder Dienstleistungssystem
Das Fernabsatzrecht ist nicht anwendbar, wenn der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wird. Der Gesetzgeber möchte hierdurch ausschließen, dass einen Unternehmer die harten Rechtsfolgen des Fernabsatzrechts treffen, wenn er nur sporadisch Bestellungen per Fernkommunikation entgegennimmt5. 1 Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 69; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 b Rdnr. 61; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 b Rdnr. 42; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312 b Rdnr. 44; Wendehorst in MünchKommBGB, § 312 b Rdnr. 53; Grüneberg in Palandt, § 312 b Rdnr. 8; Marx, WRP 2000, 1227, 1229; Riehm, Jura 2000, 505, 508; vgl. auch die Gesetzesbegründung, BTDrucks. 14/2658, S. 30 f. 2 OLG Schleswig vom 28.8.2003, NJW 2004, 231 = CR 2004, 300; a.A. LG Flensburg vom 16.11.2001, Az. 4 O 128/01. 3 Vgl. OLG Schleswig vom 28.8.2003, NJW 2004, 231 = CR 2004, 300; LG Flensburg vom 16.11.2001, Az. 4 O 128/01. 4 Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 33; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1337; BGH vom 21.10.2004, NJW 2004, 3699, 3700. 5 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 30; Bülow/ Artz, NJW 2000, 2049, 2053; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1421.
155
630
D. Fernabsatzrecht
631
Zur Abgrenzung zwischen „gelegentlichen“ und „systematischen“ Distanzgeschäften ist darauf abzustellen, ob der Unternehmer innerhalb seines Betriebs einen eigenen Vertriebskanal für den Fernabsatz eingerichtet hat1. Dies ist der Fall, wenn der Unternehmer Fernkommunikationsmittel wie z.B. Kataloge, Rundfunkwerbung oder Handzettel zur Massenwerbung nutzt und zugleich Verbraucher dazu auffordert, im Wege der Fernkommunikation Bestellungen vorzunehmen2. Wirbt der Unternehmer mit der Möglichkeit der Bestellung per E-Mail oder Internet, spricht dies für das Bestehen eines Fernabsatzsystems gemäß § 312 b Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz BGB3. Dabei muss nicht nur irgendein Fernabsatzsystem bestehen, sondern eines, das auf das jeweilige Fernkommunikationsmittel ausgerichtet ist. Wer z.B. grundsätzlich nur am Telefon kontrahiert, braucht das Fernabsatzrecht nicht zu beachten, wenn er ausnahmsweise eine E-Mail-Bestellung entgegennimmt4.
632
Werden Waren und Dienstleistungen über Internetplattformen wie Ebay oder auch mobile.de angeboten, so reicht die einmalige bzw. sporadische Nutzung der Plattform noch nicht aus, um ein „systematisches“ Handeln des Unternehmers zu bejahen. Wenn indes ein Kraftfahrzeughändler pro Jahr 10 bis 20 Fahrzeuge über eine Online-Plattform anbietet, genügt dies zur Annahme eines planmäßig genutzten Vertriebskanals5.
633
Die Nutzung eines Vertriebskanals wie Ebay führt nur dann zur Anwendung des Fernabsatzrechts, wenn sich die Angebote des Unternehmers nicht nur an andere Unternehmer, sondern auch an Verbraucher (§ 13 BGB) richten. Der Unternehmer hat daher grundsätzlich die Möglichkeit, das Fernabsatzrecht dadurch auszuschließen, dass er nur mit anderen Unternehmern kontrahiert. Der Verbraucher, der unter Vorspiegelung unternehmerischen Handelns in einem solchen Fall Bestellungen tätigt, kann sich auf die Schutzbestimmungen des Fernabsatzrechts nicht berufen (§ 242 BGB: venire contra factum proprium)6.
634
Eine formularmäßige Bestätigung des Kunden, nicht Unternehmer zu sein, mag für einen Ausschluss von Verbrauchern aus dem Kundenkreis nicht genügen7. Zu weit geht es jedoch, vom Unternehmer, der seinen 1 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 75; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 35; Neises, NZM 2000, 889, 891. 2 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 75; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 918; Piepenbrock/Schmitz, K&R 2000, 378, 379. 3 Vgl. Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 79; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 35; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1420 f.; Lorenz, JuS 2000, 833, 838; Meents, CR 2000, 610, 611. 4 Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 86. 5 LG Stendal vom 23.1.2007, Az. 22 S 138/06. 6 Vgl. BGH vom 22.12.2004, NJW 2005,1045 ff.; OLG Hamm vom 28.2.2008, K&R 2008, 379, 380 = MMR 2008, 469, 470 ff. 7 Vgl. OLG Hamm vom 28.2.2008, K&R 2008, 379, 380 f. = MMR 2008, 469, 470 ff.
156
I. Anwendungsbereich
Kundenkreis einschränken möchte, die Anforderung von Nachweisen über die Unternehmereigenschaft der Kunden zu verlangen1. ➲ Praxistipp: Wer als Unternehmer Verbraucher aus seinem Kundenkreis ausschließen und dadurch die Anwendung des Fernabsatzrechts vermeiden möchte, sollte entsprechende Hinweise klar und unmissverständlich und in hervorgehobener Weise auf seine Website aufnehmen.
635
Im Zweifel hat der Unternehmer zu beweisen, dass kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorliegt2. Dazu muss er gegebenenfalls darlegen, dass das Geschäft nur ausnahmsweise über Fernkommunikationsmittel zustande gekommen ist.
636
5. Ausnahmen (§ 312 b Abs. 3 BGB)
§ 312 b Abs. 3 BGB enthält höchst unterschiedliche Ausnahmefälle, in denen das Fernabsatzrecht nicht anwendbar ist3. Zum einen geht es um Verträge, die in den Anwendungsbereich anderer Verbraucherschutzgesetze fallen, die ein höheres oder gleichwertiges Schutzniveau bieten, wie dies beispielsweise bei Fernunterrichtsverträgen (vgl. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB) und Teilzeit-Wohnrechte-Geschäften (vgl. § 312 Abs. 3 Nr. 2 BGB) der Fall ist. Zum anderen gibt es Ausnahmen bei Geschäften, bei denen die Erfüllung von Informationspflichten und die Einräumung eines Widerrufsrechts nicht praktikabel oder für den Unternehmer unzumutbar sind4.
637
Nach § 312 b Abs. 3 Nr. 3 BGB gelten die Vorschriften über Fernabsatzverträge nicht für Versicherungsverträge und deren Vermittlung. Der Fernabsatz von Versicherungen ist allerdings im Wesentlichen identischen Regelungen unterworfen, die in den §§ 48 a ff. VVG Platz gefunden haben.
638
Gemäß § 312 b Abs. 3 Nr. 4 BGB sind Bau-5 und Immobilienverträge vom Fernabsatzrecht ausgenommen, wobei die Immobilienfinanzierung nicht unter die Ausnahmebestimmung fällt6.
639
Die Ausnahme des § 312 b Abs. 3 Nr. 5 BGB gilt für die Lieferung von Getränken, Lebensmitteln und anderen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, Aufenthaltsort oder Arbeitsplatz eines
640
1 A.A. Kastner/Tews, WRP 2005, 1335, 1338. 2 Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 88 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 b Rdnr. 80. 3 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 37 ff. 4 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 b Rdnr. 69. 5 Kritisch Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 41; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 918; Riehm, Jura 2000, 505, 509. 6 Vgl. EuGH vom 13.12.2001, NJW 2002, 281 = EuZW 2002, 84 mit Anm. Reich/ Rörig – Heininger; Rott, VuR 2002, 49, 49 ff.
157
D. Fernabsatzrecht
Verbrauchers im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden. Gemeint sind somit die Geschäfte fliegender Händler1. Prototypen der Ausnahmevorschrift sind die Pizzalieferung2 und der Lieferdienst eines Getränkemarktes3. 641
Um eine sinnwidrige Aushöhlung des Fernabsatzrechts zu vermeiden, ist der Begriff des Haushaltsgegenstandes des täglichen Bedarfs mit Augenmaß auszulegen. Angesichts der Gleichstellung der Haushaltsgegenstände mit Lebensmitteln und Getränken kommen nur verbrauchbare Güter in Betracht4. Eine Digitalkamera ist daher nicht von § 312 b Abs. 3 Nr. 5 BGB erfasst5.
642
Die Fernabsatzrichtlinie erlaubt eine Ausnahme für primär touristische Dienstleistungen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinienausnahme nahezu wortgleich in das deutsche Recht übernommen (§ 312 b Abs. 3 Nr. 6 BGB)6. Nicht anwendbar ist das Fernabsatzrecht danach auf Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Unterhaltung, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erbringen.
643
Aus dem Sinn und Zweck der Norm sowie den Begründungserwägungen des Gesetzgebers ergibt sich, dass mit Unterbringung nur die vorübergehende touristische Unterbringung, nicht aber andere Wohnraum-Mietverträge gemeint sind. Beförderung ist jede Form des organisierten Transportes7. Dabei ist es unerheblich, ob der Verbraucher transportiert wird oder selbst die Steuerung übernimmt. Auch Automietverträge fallen unter die Ausnahme, da die Unternehmen bei solchen Verträgen Vorkehrungen für die Erbringung der vereinbarten Leistung zu dem bei der Bestellung festgelegten Zeitpunkt treffen müssen und folglich im Stornierungsfall die gleichen Nachteile haben wie andere Unternehmen aus dem Beförderungssektor8.
644
Besonders konturlos ist der Begriff der Freizeitveranstaltungen. Er erfasst beispielsweise die Online-Bestellung von Konzertkarten9 oder den Kauf 1 BT-Drucks. 14/2658, S. 33; vgl. auch Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 126; Roth, JZ 2000, 1013, 1016; kritisch Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 925. 2 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 b Rdnr. 78; Bodewig, DZWir 1997, 447, 450; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 918; Wendehorst, DStR 2000, 1311, 1314. 3 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 b Rdnr. 80. 4 Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 130; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 925. 5 LG Kleve vom 22.11.2002, CR 2003, 773 = NJW-RR 2003, 196 = MMR 2003, 424. 6 Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2658, S. 33. 7 Härting, FernAbsG, § 1 Rdnr. 149. 8 EuGH vom 10.3.2005, NJW 2005, 3055, 3056. 9 Schmidt-Räntsch, VuR 2000, 427, 429.
158
I. Anwendungsbereich
einer Eintrittskarte für eine Kinovorstellung über das Telefon1 oder das Internet. Internet-Ticketagenturen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts. Die Ausnahme gilt nicht nur für den Ticketverkauf durch den Veranstalter, sondern auch für den Kauf beim Händler2. Ebenso wie beim Veranstalter besteht auch beim Händler das Bedürfnis, ein Widerrufsrecht und umfangreiche Informationspflichten auszuschließen, wenn es sich um eine Eintrittskarte für eine termingebundene Veranstaltung handelt. Voraussetzung für die Anwendung des § 312 b Abs. 3 Nr. 6 BGB ist stets die Vereinbarung eines genauen Zeitpunkts oder Zeitraums für die Erbringung der Dienstleistungen. Hieran fehlt es, wenn ein Gutschein für die eintägige Anmietung eines Ferraris ausgestellt und eine Einlösung des Gutscheins innerhalb eines Jahres vereinbart wird, der genaue Zeitpunkt der Anmietung jedoch offen ist3. Bei einem Deutsche Bahn-Ticket mit einer Gültigkeitsdauer von nahezu drei Monaten handelt es sich dagegen nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. um eine Dienstleistung mit Vereinbarung eines genauen Zeitraums für die Leistungserbringung, so dass kein Fernabsatzrecht gelten soll4.
645
Gemäß § 312 b Abs. 3 Nr. 7 lit. a BGB sind Verträge aus dem Anwendungsbereich der §§ 312 b ff. BGB ausgenommen, die unter Verwendung von Warenautomaten oder automatisierten Geschäftsräumen geschlossen werden. § 312 b Abs. 3 Nr. 7 lit. b BGB enthält eine entsprechende Ausnahme für Verträge mit Betreibern von Telekommunikationsmitteln, die auf Grund der Benutzung von öffentlichen Fernsprechern geschlossen werden, soweit die Verträge die Benutzung von „öffentlichen Fernsprechern“ zum Gegenstand haben Diese Vorschrift betrifft die Nutzung von öffentlichen Telefonzellen und Internetterminals; sie ist weder auf Downloads aus dem Internet5 noch auf Verträge über den Zugang zum Internet6 anwendbar.
646
6. Besonderheiten bei Dauerschuldverhältnissen
Insbesondere Finanzdienstleistungsverträge sind häufig Dauerschuldverhältnisse. Werden Transaktionen auf Grundlage solcher Dauerschuldverbindungen vorgenommen, wäre es unzweckmäßig, dem Dienstleister bei jeder einzelnen Transaktion Informationspflichten aufzuerlegen und dem Verbraucher ein Widerrufsrecht einzuräumen. § 312 b Abs. 4 BGB sieht daher vor, dass das Fernabsatzrecht nur für den Grundvertrag gelten soll 1 Vgl. AG München vom 2.12.2005, MMR 2007, 743. 2 AG München vom 2.12.2005, ITRB 2008, 83 f. (Stadler); a.A. AG Wernigerode vom 22.2.2007, MMR 2007, 402, 403. 3 AG Hamburg vom 7.6.2006, Az. 644 C 100/06. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 15.4.2010, Az. 6 U 49/09. 5 Vgl. LG Hamburg vom 21.12.2000, CR 2001, 475, 476. 6 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 b Rdnr. 88, Fn. 142; LG Hamburg vom 21.12.2000, CR 2001, 475, 476.
159
647
D. Fernabsatzrecht
und nicht für einzelne Transaktionen, die im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses vorgenommen werden1. 648
Diese Ausnahmebestimmung erstreckt sich auf alle Fernabsatzverträge, sodass auch bei Dauerschuldverhältnissen, die nicht Finanzdienstleistungen betreffen, Informationspflichten und Widerrufsrecht nur für die erste Vereinbarung gelten.
II. Informationspflichten 649
Das Fernabsatzrecht kennt zwei Verbraucherschutzinstrumente: das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht des Verbrauchers einerseits und umfangreiche Informationspflichten andererseits.
650
Die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten sind in § 312 c BGB i.V.m. Art. 246 §§ 1 und 2 EGBGB geregelt und überschneiden sich zum Teil mit den Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 EGBGB). Zu unterscheiden sind vor- und nachvertragliche Informationspflichten (Art. 246 § 1 bzw. § 2 EGBGB)2.
651
Die vorvertragliche Information soll es dem Verbraucher ermöglichen, eine informierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu treffen3. Zu diesem Zweck bedarf es grundsätzlich keiner Formbindung. Entscheidend ist, dass dem Verbraucher die Angaben zur Verfügung stehen und er sie für seine Vertragsentscheidung nutzen kann. Ob diese lediglich mündlich, auf einer Website, per SMS oder schwarz auf weiß gedruckt vorliegen, spielt keine Rolle. Eine Ausnahme gilt für Finanzdienstleistungen: Dort sind vorvertragliche Informationen in Textform zu erbringen (Art. 246 § 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB).
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Die nachvertragliche Information dient in erster Linie der dauerhaften Verfügbarkeit der Information im Falle von Auseinandersetzungen nach dem Vertragsschluss. Nicht zuletzt aus Beweisgründen soll Klarheit darüber bestehen, mit wem über welches Produkt kontrahiert wurde und welche Rechte dem Verbraucher zustehen. Vor diesem Hintergrund ist es essentiell, dass die Informationen nicht flüchtig, sondern dauerhaft zur Verfügung stehen. Daher ist für die nachvertraglichen Informationen Textform (§ 126 b BGB) vorgeschrieben.
1 Vgl. für die Richtlinie: Reich in Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, § 24 Rdnr. 17; Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 810; Koch/Maurer, WM 2002, 2443, 2481, 2490; Riesenhuber, WM 1999, 1441, 1443. 2 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 23.1.2003, MMR 2003, 403. 3 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38; vgl. auch Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil B Rdnr. 306.
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II. Informationspflichten
Übersicht
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Vorvertragliche Information (§ 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 EGBGB) – Wann: – rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers; – bei Telefongesprächen bereits zu Beginn des Gesprächs. – Wie – in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise; – klar und verständlich; – nur bei Finanzdienstleistungen in Textform. – Was – die Einzelheiten des Vertrages gemäß Art. 246 Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB: – Identität des Unternehmers; – öffentliches Unternehmensregister nebst Registernummer; – Identität eines Vertreters im Wohnsitzstaat des Verbrauchers; – Identität von gewerblich tätigen Personen, mit denen der Verbraucher zu tun haben wird, und die Eigenschaft, in der diese Person gegenüber dem Verbraucher tätig wird; – ladungsfähige Anschrift des Unternehmers; – ladungsfähige Anschrift der gewerblich tätigen Person, mit denen der Verbraucher zu tun haben wird; – bei juristischen Personen der Name eines Vertretungsberechtigten; – wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung; – Art und Weise, wie der Vertrag zustande kommt; – bei Dauerschuldverhältnissen die Mindestlaufzeit; – etwaige Leistungsvorbehalte; – Endpreis; – zusätzlich anfallende Steuern; – zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten; – Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung, Lieferung und Erfüllung; – Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts; – Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts; 161
D. Fernabsatzrecht
– besondere Fernkommunikationskosten; – Gültigkeitsdauer befristeter Angebote; – den geschäftlichen Zweck des Vertrages; – bei Finanzdienstleistungen zusätzlich: – die Hauptgeschäftstätigkeit des Unternehmers; – die für seine Zulassung zuständige Aufsichtsbehörde; – besondere mit der Finanzdienstleistung verbundene Risiken; – einen Hinweis darauf, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein Indikator für künftige Erträge sind; – die vertraglichen Kündigungsbedingungen; – den Mitgliedstaat, dessen Recht der Vertragsbeziehung zugrunde liegt; – die Vertragsklausel über das anwendbare Recht und das zuständige Gericht; – die Sprachen, in denen die Vertragsbedingungen und Vorabinformationen mitgeteilt werden; – Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren; – das Bestehen von Garantie- und Entschädigungsfonds.
1. Vorvertragliche Informationspflichten
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§ 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB verpflichtet den Unternehmer zur vorvertraglichen Information des Verbrauchers. Hierbei ist es unerheblich, ob zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich ein Vertrag zustande kommt1. Die Verpflichtungen, die sich aus Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB ergeben, hat der Unternehmer ohne Rücksicht auf einen späteren Vertragsabschluss bei jeder Art der Vertragsanbahnung im Fernabsatz einzuhalten. Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB reglementiert die Verbraucherwerbung2 und ist daher der Materie nach dem Wettbewerbsrecht zuzuordnen. a) Rechtzeitigkeit der Information
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Fernabsatzverträge kommen in der Regel zustande auf Grund von Werbung, die der Verbraucher in der Form eines Kataloges, einer Drucksache, per Internet oder auf ähnliche Weise erhält. Sind in dieser Werbung bereits sämtliche Verbraucherinformationen gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1
1 LG Magdeburg vom 29.8.2002, NJW-RR 2003, 409. 2 Härting, CR 2000, 691, 691 ff.; Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 150.
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II. Informationspflichten
EGBGB enthalten, kommt der Unternehmer seinen Informationspflichten zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach1. Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB soll dem Verbraucher die Möglichkeit geben, eine informierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu treffen, ohne durch kurze Überlegungsfristen unter Druck gesetzt zu werden2. Daher hat die Belehrung rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erfolgen. Während es nach altem Recht denkbar war, eine Belehrung nach Abgabe der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers noch als rechtzeitig anzusehen3, ist dies seit der Umsetzung der FARLFDL nicht mehr möglich4.
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Für eine rechtzeitige Information des Verbrauchers genügt es, dass dem Verbraucher die Pflichtangaben telefonisch vor Entgegennahme einer Bestellung mitgeteilt werden. Dem Verbraucher steht es in einem solchen Fall frei, von einer Bestellung Abstand zu nehmen. Der durchschnittlich informierte, aufgeklärte und aufmerksame Verbraucher wird durch einen derartigen Ablauf nicht unzumutbar unter Druck gesetzt5.
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Rechtzeitig ist die Belehrung nur zu einem Zeitpunkt, bevor sich der Verbraucher mit der Bestätigung des Kaufs endgültig bindet. Diesen Anforderungen sind nicht erfüllt, wenn der Verbraucher erst dann eine Belehrung über das Widerrufsrecht erhält, wenn er die unterhalb des jeweiligen Produkts befindliche Schaltfläche anklickte, auf der neben dem Symbol eines Einkaufswagens „bestellen“ steht. Dies lässt für einen durchschnittlichen Verbraucher jedoch den Schluss zu, dass er sich bereits mit dem Anklicken der Schaltfläche rechtlich bindet und die nachfolgenden Angaben lediglich der Abwicklung der verbindlichen Bestellung dienen6.
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Die vollständige Aufnahme aller Pflichtangaben in die Werbung ist in vielen Fällen zwar ratsam, aber keineswegs notwendig, um die Anforderungen des § 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB zu erfüllen. Daher bedarf es auch keiner vollständigen Mitteilung aller durch Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB vorgeschriebenen Angaben in Sponsored Links oder in der Radiowerbung7.
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1 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38. 2 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38; vgl. auch OLG Hamburg vom 23.12.2004, MMR 2005, 318, 319. 3 Vgl. jedoch schon für das alte Recht: Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 60; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 73; Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdnr. 273; Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 813. 4 Vgl. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3378. 5 Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1339; OLG Hamburg vom 23.12.2004, MMR 2005, 318, 319. 6 LG Bonn vom 15.7.2009, WRP 2009, 1314 (Ls.). 7 Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1338; OLG Hamburg vom 23.12.2004, MMR 2005, 318, 319; OLG Hamburg vom 16.11.2005, CR 2006, 209.
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D. Fernabsatzrecht
b) Form der Information
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Der Unternehmer ist gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zu informieren. Hiermit ist nicht der Inhalt der Information gemeint, für den das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit gilt1, sondern die äußere Form der Pflichtangaben. In der Literatur ist diese Anforderung zutreffend mit Mediengerechtheit umschrieben worden2. Gemeint ist, dass die Informationsanforderungen Einschränkungen unterliegen, die aus den jeweiligen Fernkommunikationsmitteln resultieren3.
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Auf Websites genügt die Abrufbarkeit einer Internetseite mit den Pflichtangaben über einen Hyperlink, da die Benutzung von Links zum Abruf von Informationen dem gängigen Aufbau von Websites entspricht, die jedem Internetnutzer bekannt ist4. Der Link muss als solcher gekennzeichnet und zutreffend beschrieben sein5. Aus dem Link bzw. der Beschreibung muss sich zweifelsfrei ergeben, dass und ggf. welche Informationen sich auf der verlinkten Seite befinden6. Dabei gelten keine spezifischen Anforderungen an die Deutlichkeit der Beschreibung7.
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Die Zusammenfassung der Informationen auf einer per Hyperlink abrufbaren Seite ist nur für die Informationen möglich, die nicht produktspezifisch sind. Die Beschreibung der Ware bzw. Dienstleistung und der Preis sollten sich daher unmittelbar bei der Produktpräsentation befinden.
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Der Verbraucher muss die Informationen nicht tatsächlich zur Kenntnis nehmen8. Eine Zwangsführung derart, dass der Verbraucher die Lektüre 1 Siehe Rz. 671 ff. 2 Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 415, 417; vgl. auch Günther, ITRB 2002, 9, 10: „mediumspezifisches Transparenzgebot“. 3 Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1277; Schmidt-Räntsch, VuR 2000, 427, 429; vgl. auch Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/3195, S. 31. 4 Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdnr. 287; Dilger, Verbraucherschutz, S. 76; Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 63; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 65; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 83; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1277; Günther, ITRB 2002, 9, 10; Härting, CR 2000, 691, 693; Hoenike/ Hülsdunk, MMR 2002, 415, 417; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1422; Mankowski, CR 2001, 767, 771 f.; Ott, WRP 2003, 945, 955; Schafft, K&R 2002, 45; Steins, WM 2002, 56; a.A. Arnold, CR 1997, 526, 530; OLG Frankfurt a.M. vom 17.4.2001, CR 2001, 782 mit Anm. Vehslage = MMR 2001, 529 mit Anm. Steins = K&R 2002, 43 mit Anm. Schafft = ITRB 2002, 54 (Niclas). 5 Vgl. Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 33. 6 Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 33. 7 A.A. Mankowski, CR 2001, 767, 771 der den Einsatz von besonderen Kennzeichen wie gelben Warndreiecke, überdimensionalen Ausrufezeichen oder rote Strahlensterne verlangt. 8 Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 32; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1277; Mankowski, CR 2001, 767, 771 f.; a.A. wohl OLG Frankfurt a.M. vom 17.4.2001, CR 2001, 782 mit Anm. Vehslage = MDR 2001, 744 = MMR 2001, 529 mit Anm. Steins = K&R 2002, 43 mit Anm. Schafft = ITRB 2002, 54 (Niclas).
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II. Informationspflichten
der Informationen bestätigen muss, ist daher nicht erforderlich1. Aus Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ergibt sich zudem der Umkehrschluss, dass die Pflichtangaben dem Verbraucher als Bestandteil längerer Allgemeiner Geschäftsbedingungen mitgeteilt werden können und keiner besonderen Hervorhebung bedürfen2. Die Website ist so zu gestalten, dass der Verbraucher eine realistische Chance hat, die Pflichtangaben wahrzunehmen. Unnötig störende Elemente, wie etwa die Information überlagernde Pop-Up-Fenster, sind zu vermeiden3. Die Verbraucherinformation muss zudem vom Verbraucher so lange eingesehen werden können, wie er es wünscht. Es fehlt an einer mediengerechten Information, wenn die Pflichtangaben – nach Art des Teleshopping – lediglich kurzzeitig auf den Bildschirm eingeblendet werden4. Dasselbe gilt, wenn die Belehrung mittels einer Graphikdatei erfolgt, die nicht eingeblendet wird, wenn der Internetzugriff per Handy (über WAP) erfolgt5.
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Die Seite, auf der die Pflichtangaben zusammengestellt sind, muss übersichtlich und die Informationen müssen unmittelbar erkennbar sein. Sind die Angaben im unteren Teil der Bestellseite versteckt oder nur nach mehrmaligem Scrollen – teilweise oder vollständig – sichtbar, fehlt es an einer mediengerechten Information des Verbrauchers6. Die Notwendigkeit des Scrollens verletzt indes nicht per se die Anforderungen des Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB; es kommt vielmehr auf die Größe des Scrollkastens und die Ausgestaltung im Einzelfall an7.
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1 Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 63; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 65; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 83; Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdnr. 287; Dilger, Verbraucherschutz, S. 76; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1277; Günther, ITRB 2002, 9, 10; Härting, CR 2000, 691, 693; Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 415, 417; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1422; Mankowski, CR 2001, 767, 771 f.; Ott, WRP 2003, 945, 955; Schafft, K&R 2002, 45; Steins, WM 2002, 56; BGH vom 20.7.2006, NJW 2006, 3633; a.A. Arnold, CR 1997, 526, 530; OLG Frankfurt a.M. vom 17.4.2001, CR 2001, 782 mit Anm. Vehslage = MMR 2001, 529 mit Anm. Steins = K&R 2002, 43 mit Anm. Schafft = ITRB 2002, 54 (Niclas); offen gelassen in OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, NJW-RR 2007, 482 = MMR 2007, 322. 2 KG vom 18.7.2006, NJW 2006, 3215, 3216. 3 Vgl. Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312 c Rdnr. 47. 4 Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 32. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 6.11.2006, Az. 6 W 203/06. 6 Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 83; Mankowski, CR 2001, 767, 770 f.; anders: Wilmer in Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, Teil 2 VII , Rdnr. 13; Ott, WRP 2003, 945, 954; zu § 6 TDG: OLG Brandenburg vom 13.6.2006, MDR 2007, 43; OLG Frankfurt a.M. vom 9.5.2007, CR 2008, 124 f. = K&R 2007, 417; OLG München vom 12.2.2004, CR 2004, 843 = MMR 2004, 321; LG Itzehoe vom 4.12.2006, Az. 5 O 118/06. 7 Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 84; Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 434.
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D. Fernabsatzrecht
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Ausreichend ist die Bereitstellung der Pflichtangaben auf einer „Mich“-Seite von Ebay, da der Ebay-Nutzer die Angaben an dieser Stelle erwarten darf1.
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Die Pflichtangaben müssen sich – bei der Verwendung von Hyperlinks – nicht direkt auf der verlinkten Seite befinden2. Nicht zu beanstanden ist es, wenn der Internetnutzer über einen mit „Kontakt“ bezeichneten Link zu einem weiteren Link geführt wird, der mit „Impressum“ (vgl. § 5 TMG)3 gekennzeichnet ist und über den die Pflichtangaben (zum Anbieter) erreichbar sind4. Zu beachten ist allerdings, dass sich hinsichtlich der Preisangaben und der Angaben zu Liefer- und Versandkosten aus der PAngV strengere Anforderungen ergeben können5. Bei der Bezeichnung des („sprechenden“) Links ist zudem zu beachten, dass keine irreführende Linkbezeichnung gewählt wird6.
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➲ Praxistipp: Um den Anforderungen des Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB gerecht zu werden, empfiehlt es sich, die allgemeinen Pflichtangaben auf einer Seite zusammenzufassen und an möglichst auffälliger Stelle einen Hyperlink auf diese Seite zu setzen. Der Hyperlink kann beispielsweise mit „Pflichtangaben nach dem Fernabsatzrecht“ bezeichnet werden – oder mit „Impressum und Pflichtangaben“, wenn die Anforderungen des § 5 TMG gleichzeitig erfüllt werden sollen.
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Eine ordnungsgemäße Darstellung der Informationen hängt unter anderem von den gewählten Bildschirmauflösungen7 und Browser-Einstellungen ab. Ein ausdrücklicher Hinweis auf entsprechende Einstellungen kann nur dann verlangt werden, wenn die Angaben bei den geläufigen Browser- bzw. Bildschirmeinstellungen nicht oder nur schwer aufzufinden sind.
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Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB schreibt für die vorvertragliche Information bei Finanzdienstleistungsverträgen grundsätzlich Textform8 vor. Dies bedeutet, dass Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen einer vorvertraglichen Kommunikation per E-Mail, Telefax oder her1 Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 434; KG vom 11.5.2007, MMR 2007, 791 = K&R 2007, 406; LG Traunstein vom 18.5.2005, ZUM 2005, 663, 664; a.A. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379; OLG Hamm vom 14.4.2005, CR 2005, 666; LG Berlin vom 9.10.2007, Az. 137 C 293/07; vgl. auch OLG Hamm vom 4.8.2009, MMR 2010, 29 f.; LG Bochum vom 30.11.2005, Az. 13 O 147/05. 2 OLG München vom 11.9.2003, CR 2004, 53. 3 Siehe Rz. 1196 ff. 4 BGH vom 20.7.2006, CR 2006, 850, 851. 5 Vgl. BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108 mit Anm. Kaufmann; KG vom 11.5.2007, MMR 2007, 791 = K&R 2007, 406; OLG Hamburg vom 15.2.2007, MMR 2007, 438, 439. 6 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379; vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, NJW-RR 2007, 482 = MMR 2007, 322; OLG Hamm vom 16.6.2009, K&R 2009, 813 f. 7 Vgl. Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdnr. 290. 8 Siehe Rz. 354 f.
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II. Informationspflichten
kömmlicher Post bedürfen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Vertrag auf Verlangen des Verbrauchers telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels geschlossen wird, das die Mitteilung in Textform vor Vertragsschluss nicht gestattet. In diesem Fall genügt vorvertraglich die formfreie Unterrichtung. c) Klarheit und Verständlichkeit
Sprachlich und inhaltlich gilt das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit. Verbraucherinformationen sind so abzufassen, dass der Unternehmer vernünftigerweise erwarten kann, dass der Verbraucher die Informationen versteht1.
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Inwieweit englischsprachige Belehrungen diesen Anforderungen genügen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls: Wendet sich der Unternehmer in englischer Sprache per Internet an Verbraucher aus aller Welt, kann man von dem Internetnutzer englische Sprachkenntnisse erwarten. Ist der Nutzer in der Lage, den Bestellprozess in englischer Sprache abzuwickeln, so können auch die Pflichtangaben auf Englisch formuliert sein2. Ist die Verhandlungssprache allerdings deutsch, fehlt es an einer transparenten Information, wenn die Informationen lediglich in einer Fremdsprache angeboten werden3.
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Allgemein gelten für die Anforderungen an eine Verbraucherinformation gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB ähnliche Anforderungen wie für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das von der AGB-rechtlichen Rechtsprechung entwickelte Transparenzgebot4 verlangt – ebenso wie Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB – Klarheit und Verständlichkeit. In § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dies ausdrücklich normiert.
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Auf Grund des Transparenzgebotes sind die Pflichtangaben so zu gestalten, dass der rechtsunkundige Durchschnittsbürger in der Lage ist, die Angaben ohne Einholung von Rechtsrat zu verstehen5. Das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit wird daher nicht gewahrt bei der Verwendung juristischer Fachbegriffe, deren Bedeutung dem Laien unbekannt ist. So kann beispielsweise der Hinweis auf den Einsatz der Textform erklärungsbedürftig sein6. Zulässig ist allerdings die Verwendung unbe-
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1 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/2658, S. 38. 2 Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdnr. 294; Dilger, Verbraucherschutz, S. 78; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 87; a.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 63 f.; Roth, JZ 2000, 1013, 1016. 3 Grüneberg in Palandt, § 312 c Rdnr. 2; Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 67; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312 c Rdnr. 34. 4 Siehe Rz. 461 ff. 5 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 307 Rdnr. 17; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/ Schuster, § 312 c Rdnr. 30; BGH vom 24.11.1988, NJW 1989, 222; BGH vom 24.3.1999, NJW 1999, 2279, 2280; BGH vom 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652; BGH vom 9.5.2001, NJW 2001, 2014, 2016. 6 LG München I vom 19.2.2004, Az. 2 O 15288/03.
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D. Fernabsatzrecht
stimmter Rechtsbegriffe wie „wichtiger Grund“ oder „angemessene Frist“, da die Bedeutung derartiger Begriffe für den juristischen Laien nachvollziehbar ist1. 675
Aus dem Transparenzgebot leiten sich das Verbot gänzlich unbestimmter Angaben und das Verbot von Formulierungen ab, die zu einer Täuschung des Verbrauchers geeignet sind2. d) Inhalt der Pflichtangaben
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Bis zur letzten Reform des Fernabsatzrechts im Juni 20103 waren die Pflichtangaben in der – jederzeit leicht zu ändernden4 – Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) geregelt5. Jetzt finden sich die Regelungen in Art. 246 EGBGB. aa) Allgemeine Informationspflichten
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Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB verlangt die Information des Verbrauchers über den geschäftlichen Zweck einer Kontaktaufnahme. Aus der Kommunikation mit dem Verbraucher muss die geschäftliche Absicht des Unternehmers deutlich werden. Einer ausdrücklichen Information bedarf es allerdings nicht. Ausreichend ist, wenn sich der geschäftliche Charakter der Kommunikation aus der Kommunikation selbst ergibt.
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Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB gilt auch bei Internetauktionen. Daher ist die – zu § 6 TDG (jetzt: § 5 TMG) ergangene – Entscheidung des OLG Oldenburg6 unrichtig, wonach ein Ebay-Händler über seiner Händlereigenschaft nicht aufzuklären habe.
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Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet den Unternehmer zur Kundgabe seiner Identität. Hierzu gehört zwingend auch der Vorname7. Zudem hat der Unternehmer das öffentliche Unternehmensregister nebst zugehöriger Registernummer mitzuteilen, soweit er in ein solches Register eingetragen ist8. Diese Verpflichtung, die sich für Telemedien auch aus 1 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 307 Rdnr. 18; BGH vom 2.2.1994, NJW 1994, 1004, 1005. 2 Grüneberg in Palandt, § 307 Rdnr. 24; BGH vom 27.9.2000, NJW 2001, 292, 296; BGH vom 9.5.2001, NJW 2001, 2014, 2016. 3 Gesetz vom 29. Juli 2009 zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufsrecht- und Rückgaberecht, BGBl. I 2009, S. 2355. 4 Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 274. 5 Gesetz vom 26. November 2001 zur Modernisierung des Schuldrechts, BGBl. I 2001, S. 3138, 3177. 6 OLG Oldenburg vom 20.1.2003, CR 2003, 374 = NJW-RR 2003, 1091. 7 KG vom 13.2.2007, MMR 2007, 440 = K&R 2007, 212. 8 Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811.
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II. Informationspflichten
§ 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG ergibt1, zielt auf die leichtere Auffindbarkeit von Unternehmen2. Nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ist die Identität eines Vertreters bzw. Beauftragten des Unternehmers in dem Mitgliedstaat anzugeben, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat3. Eine Verpflichtung des Unternehmers, einen Vertreter oder Beauftragten im Wohnsitzstaat des Verbrauchers zu benennen, ist hiermit jedoch nicht verbunden4.
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Nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB ist neben der ladungsfähigen Anschrift des Unternehmers auch jede andere Anschrift anzugeben, die für die Vertragsabwicklung zwischen dem Unternehmer, dem Vertreter oder Beauftragten und dem Verbraucher maßgeblich ist5. Die ladungsfähige Anschrift des Unternehmers ist die Postadresse, an die eine Klage gemäß den §§ 166 ff. ZPO zugestellt werden kann6. Die bloße Angabe eines Postfachs reicht daher nicht aus7.
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Darüber hinaus wird in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB klargestellt, dass bei juristischen Personen, Personenvereinigungen oder -gruppen auch über den Namen eines Vertretungsberechtigten zu informieren ist8.
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Während die Verpflichtungen aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EGBGB relativ klar und präzise sind9, kann die Verpflichtung nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB Schwierigkeiten bereiten. Danach muss über die „wesentlichen Merkmale“ der Ware oder Dienstleistung und das „Wie“ des Zustandekommens des Vertrages informiert werden.
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Für die Frage, welche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung wesentlich sind, kommt es auf die Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers an. Subjektive Einschätzungen und Erwartungen einzelner Verbraucher
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1 Siehe Rz. 1193. 2 Begründung des RegE, S. 52 unter Hinweis auf die mögliche Einführung eines elektronischen Handelsregisters und den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspflichten bestimmter Gesellschaftsformen vom 3.6.2002, ABl. EG C 227 E, S. 377; vgl. Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rdnr. 54. 3 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811. 4 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811. 5 Vgl. Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rdnr. 52. 6 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 169; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 20. 7 Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 182 Rdnr. 11; Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 169; Stöber in Zöller, § 182 Rdnr. 11; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 20; BVerwG vom 13.4.1999, NJW 1999, 2608, 2609 f. 8 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811. 9 Vgl. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 12 f.
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D. Fernabsatzrecht
können keine Rolle spielen. Der Fernabsatz ist ein Massengeschäft, für dessen Ausgestaltung objektive Maßstäbe gelten müssen1. 685
In Anknüpfung an die Rechtsprechung des EuGH zu irreführenden Werbeangaben2 ist auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen. Es kommt darauf an, ob ein bestimmtes Leistungsmerkmal für die Entschließung eines verständigen Durchschnittsverbrauchers über den Vertragsschluss von nicht ganz nebensächlicher Bedeutung ist3. Dabei ist der Begriff der wesentlichen Merkmale deskriptiv zu verstehen4. Die wesentlichen Merkmale sind Beschaffenheitsangaben und begründen keine Garantiehaftung nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB5.
686
Gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB ist der Verbraucher auch darüber zu informieren, wie der Vertrag zustande kommt. Der Unternehmer muss dem Verbraucher Klarheit darüber verschaffen, ob die Werbung, auf Grund derer der Verbraucher seine Bestellung abgibt, lediglich als invitatio ad offerendum oder bereits als bindendes Angebot aufzufassen sein soll. Bei dem Verbraucher darf zudem kein Zweifel darüber aufkommen, ob seine Bestellung bindend ist6.
687
Aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EGBGB ergibt sich die Verpflichtung zum Hinweis auf etwaige Leistungsvorbehalte und (bei Dauerschuldverhältnissen) auf die Mindestlaufzeit des Vertrages7.
688
Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB überschneidet sich weitgehend mit der Preisangabenverordnung (PAngV)8 und verpflichtet den Unternehmer zur Information über den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller damit verbundenen Preisbestandteile sowie alle über den Unternehmer abgeführten Steuern9. Anzugeben sind alle Entgelte,
1 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 81. 2 EuGH vom 16.7.1998, NJW 1998, 3183 – Gut Springenheide; EuGH vom 28.1.1999, NJW 1999, 2430 – Sektkellerei Kessler; EuGH vom 13.1.2000, NJW 2000, 1173 – Lifting. 3 Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 82 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 16; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 22; Härting, CR 2000, 691, 694; zu Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. a FARLFDL: Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rdnr. 55. 4 Begründung des RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 38. 5 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 23; Grüneberg in Palandt, § 1 BGB-InfoV Rdnr. 3. 6 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 c Rdnr. 76. 7 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 93 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 21 ff.; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 26 ff. 8 Neugefasst durch Gesetz vom 18.10.2002, BGBl. I 2002, S. 4197. 9 Vgl. dazu BGH vom 4.10.2007, NJW 2008, 1595 = K&R 2008, 372 – Umsatzsteuerhinweis.
170
II. Informationspflichten
die als Bestandteile des Endpreises aufgefasst werden, nicht dagegen zusätzliche Kosten für zusätzliche Leistungen1. Für den Verkauf eines Grundwerks mit Ergänzungslieferungen soll nach Ansicht des LG Bonn die Angabe eines Seitenpreises für die weiteren Lieferungen unter Angabe des voraussichtlichen jährlichen Lieferumfangs nicht ausreichend sein2. Dies widerspricht der in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB enthaltenen Einschränkung, dass – wenn kein genauer Preis angegeben werden kann – es genügt, eine Berechnungsgrundlage anzugeben, die dem Verbraucher eine Überprüfung des Preises ermöglicht3. Allerdings ergibt sich aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB eine Pflicht des Unternehmers, auf eine außergewöhnlich lange Übertragungszeit eines Telefaxes beim kostenpflichtigen Faxabruf hinzuweisen4.
689
Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB sieht die Angabe zusätzlich anfallender Liefer- und Versandkosten vor. Diese Kosten sind insbesondere dann gesondert anzugeben, wenn der Verbraucher die Wahl zwischen Selbstabholung und Versendung der Ware hat5. Die Angabe der Versandkosten auf einer „Bestell-Übersicht“ ist zwar nicht zwingend geboten6. Wenn die Versandkosten indes nur – „versteckt“ – in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu finden sind, kann dies (jedenfalls) gegen § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV verstoßen7.
690
Die Verpflichtung, Versandkosten vor der Bestellung genau zu beziffern, besteht nach Ansicht des LG Frankfurt a.M. auch dann, wenn die Höhe der für die Versendung der Ware anfallenden Kosten je nach Umfang und Versandart im Einzelfall differiert8. Bei der Preisangabe besteht zwar die Möglichkeit der Angabe einer Berechnungsgrundlage statt eines Gesamtpreises (vgl. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB). Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB sieht eine entsprechende Möglichkeit – anders als § 1 Abs. 2 Satz 3 PAngV9 indes nicht vor. Dies ist ein typisches Beispiel für die Unstimmigkeiten und die fehlende inhaltliche Abstimmung der Bestimmungen der EGBGB und der PAngV.
691
Können die Versandkosten vorab nicht präzise angegeben werden, stellt die Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB (und ggf. aus § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV) einen Bagatellverstoß dar, der die Voraussetzungen des § 3 UWG nicht erfüllt10.
692
1 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 119; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 c Rdnr. 87. 2 LG Bonn vom 17.1.2002, VuR 2002, 257. 3 Vgl. LG Frankfurt a.M. vom 13.2.2002, WRP 2002, 1309. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 23.1.2003, MMR 2003, 403, 404 zu § 3 UWG a.F. 5 Vgl. Schirmbacher, CR 2002, 643. 6 BGH vom 5.10.2005, NJW 2006, 211, 212. 7 Vgl. LG Hamburg vom 27.10.2005, MMR 2006, 420. 8 LG Frankfurt a.M. vom 13.2.2002, WRP 2002, 1309. 9 Siehe Rz. 1158. 10 KG vom 7.9.2007, NJW-RR 2008, 352, 353.
171
D. Fernabsatzrecht
693
Informationspflichten bestehen nach der EGBGB auch hinsichtlich weiterer möglicher Steuern und Kosten, die nicht über den Unternehmer abgeführt werden (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB) und der Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie Fälligkeiten (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB)1.
694
Das Kammergericht vertritt die Auffassung, dass eine Verletzung der vorvertraglichen Informationspflichten schon dann vorliegt, wenn der Verbraucher zwar zutreffend über den Vertragsinhalt informiert wird, der angebotene Vertrag jedoch Klauseln enthält, die gegen das AGB-Recht verstoßen (§§ 307 ff. BGB). Die mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 und § 309 Nr. 2 a BGB nicht in Einklang stehende Formulierung „Teillieferungen und Teilabrechnungen sind zulässig“ verstoße daher auch gegen Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB2. Diese Argumentation ist indes nicht überzeugend, da das Anliegen der vorvertraglichen Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 1 BGB keineswegs darin liegt, den Abschluss von Verträgen zu gewährleisten, die inhaltlich den Wirksamkeitserfordernissen des AGBRechts entsprechen.
695
In Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a FARLFDL wurde die vorvertragliche Widerrufsbelehrung für das gesamte Fernabsatzrecht erheblich erweitert. Die Belehrungspflicht erstreckt sich auf die Bedingungen und die Einzelheiten der Ausübung sowie auf die Rechtsfolgen des Widerrufsoder Rückgaberechts (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB).
696
Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs genügt eine zusammenfassende, sich auf die wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien konzentrierende Darstellung. Eine in alle Einzelheiten gehende Belehrung ist vorvertraglich nicht erforderlich3.
697
Sinnvoll ist die – mit Umsetzung der FARLFDL eingeführte – Belehrungspflicht über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, sofern eine der Ausnahmevorschriften des § 312 d Abs. 4 BGB greift. Eine solche Verpflichtung wurde schon in das alte Recht hineininterpretiert4, was trotz des erkennbaren Schutzbedarfs5 angesichts des klaren Wortlautes sowohl des deutschen als auch des europäischen Rechts Bedenken begegnete6. 1 Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 124 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 39 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 c Rdnr. 90 ff.; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 36 ff. 2 Vgl. KG vom 3.4.2007, NJW 2007, 2266, 2268; KG vom 25.1.2008, WRP 2008, 383 (Ls.). 3 KG vom 25.3.2008, MMR 2009, 63. 4 Vgl. Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 c Rdnr. 94; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 40; für eine „defacto-Pflicht“: Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 45; Mankowski, CR 2001, 767, 769 f. 5 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 40; Mankowski, CR 2001, 767, 769 f. 6 Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 132.
172
II. Informationspflichten
Wird die vorvertragliche Information nicht in Textform1 vorgenommen, darf die durch Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB vorgeschriebene Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mit der eigentlichen (nachvertraglichen) Widerrufsbelehrung (§ 360 BGB) verwechselt werden. Daher ist es irreführend und unzutreffend, wenn dem Verbraucher vorvertraglich ohne Einhaltung der Textform mitgeteilt wird, die Widerrufsfrist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, da der Hinweis fehlt, dass es für den Fristbeginn zusätzlich des Erhalts der Ware bedarf (§ 312 d Abs. 2 BGB)2. Allerdings handelt es sich um einen Bagatellverstoß, der die Voraussetzungen eines erheblichen Wettbewerbsverstoßes (§ 3 UWG) nicht erfüllt3.
698
Ungenügend ist nach Auffassung des BGH die Formulierung, dass die Frist „frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung“ beginnt4. Es sei zu beachten, dass der mit der Einräumung des Widerrufsrechts beabsichtigte Schutz des Verbrauchers eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung erfordere5. Die Belehrung erwecke jedoch den Eindruck, sie sei bereits dann erfolgt, wenn sie lediglich vom Verbraucher zur Kenntnis genommen wurde, ohne dass sie ihm entsprechend den gesetzlichen Anforderungen in Textform mitgeteilt worden ist6.
699
Ausreichend ist die Information über den Fristbeginn „frühestens mit Erhalt der Ware und einer in Textform noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung“7.
700
Mehr als zweifelhaft erscheint es, ob vorvertraglich gemäß § 187 BGB ein Hinweis darauf erforderlich ist, dass die Frist für den Widerruf erst am Tage nach Erhalt von Ware und Widerrufsbelehrung beginnt.8 Selbst wenn man einen solchen Hinweis für erforderlich erachten würde, stellt
701
1 Siehe Rz. 712 ff. 2 KG vom 18.7.2006, CR 2006, 680, 682 = K&R 2006, 415, 418; OLG Düsseldorf vom 30.10.2007, VuR 2008, 55, 58; KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 332 f. = MMR 2007, 185 = K&R 2007, 104, 106; OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 116, 117 = K&R 2007, 655, 656; OLG Hamm vom 15.3.2007, CR 2007, 387 = MMR 2007, 377, 378 = K&R 2007, 324, 325; OLG Hamm vom 12.3.2009, VuR 2009, 353 f.; OLG München vom 26.6.2008, K&R 2008, 620, 621 = MMR 2008, 677, 678; OLG Naumburg vom 13. 7. 2007, CR 2008, 247, 250; LG Bielefeld vom 5.11.2008, MMR 2008, 364 (Ls.); LG Köln vom 20.3.2007, CR 2008, 130. 3 OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 117, 118 = K&R 2007, 655, 656; LG Berlin vom 24.5.2007, MMR 2007, 734, 236 = ITRB 2008, 82 (Stadler). 4 A.A. OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 716. 5 BGH vom 10.3.2009, NJW 2009, 3572, 3573 = ZGS 2009, 333. 6 BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 990 = ZGS 2010, 136; vgl. Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168, 170 f. 7 LG Braunschweig vom 6.11.2007, ITRB 2008, 104 f. (Stadler); vgl. BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 990 = ZGS 2010, 136; Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168, 171. 8 Vgl. Buchmann, K&R 2008, 12, 14.
173
D. Fernabsatzrecht
das Fehlen eines solchen Hinweises keinen erheblichen Wettbewerbsverstoß dar (§ 3 UWG)1. 702
Zu weit geht es, generell und ausnahmslos eine wortgleiche Übernahme der Formulierungen aus den Musterbelehrungen gemäß den Anlagen 1 und 2 zum EBGBG ausreichen zu lassen2, da die Muster auf die nachvertragliche Information zugeschnitten sind und nicht der vorvertraglichen Belehrung des Verbrauchers dienen3.
703
Zu informieren ist nach dem EGBGB zu guter Letzt über alle spezifischen, zusätzlichen Fernkommunikationskosten, soweit sie durch den Unternehmer in Rechnung gestellt werden4, sowie über die Gültigkeitsdauer eines befristeten Angebots (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 11 und 12 EGBGB)5. bb) Besondere Informationspflichten für Finanzdienstleistungen
704
In Art. 246 § 1 Abs. 2 EGBGB sind Informationen zusammengefasst, die ausschließlich für Finanzdienstleistungen gelten. Hierzu zählt die Angabe der Hauptgeschäftstätigkeit des Unternehmens (Nr. 1). Da es der Anbieter weitgehend in der Hand hat, sein Hauptgeschäft zu definieren, ist der Informationswert für den Kunden gering6.
705
Einen Hinweis auf spezielle mit der Finanzdienstleistung verbundene Risiken verlangt Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB. Danach ist gegebenenfalls auf den Umstand hinzuweisen, dass sich die Finanzdienstleistung auf Finanzinstrumente bezieht, die wegen ihrer spezifischen Merkmale oder der durchzuführenden Vorgänge mit speziellen Risiken behaftet sind, oder deren Preis Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat. Außerdem hat eine Belehrung dahingehend zu erfolgen, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein Indikator für künftige Erträge sind7. Diese Pflichten sind insofern ungewöhnlich, als sie in den Bereich der Beratung hineinreichen8. 1 Vgl. OLG Hamm vom 18.10.2007, MMR 2008, 176, 177. 2 Vgl. Föhlisch, MMR 2007, 139, 140; OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 718. 3 LG Berlin vom 2.8.2007, CR 2008, 54, 55; vgl. auch Föhlisch, MMR 2007, 139, 140; KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 333 = MMR 2007, 185, 186 = K&R 2007, 104, 106. 4 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 135 ff.; Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 153; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 46 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 c Rdnr. 95; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 44 ff. 5 Vgl. Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 140 ff.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 49 ff.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 c Rdnr. 96 f.; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 47 f. 6 Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1779. 7 Vgl. Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811. 8 Felke/Jordans, WM 2004, 166, 167.
174
II. Informationspflichten
Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB schreibt Angaben über die Kündigungsbedingungen einschließlich etwaiger Vertragsstrafen vor. Dies bezieht sich sowohl auf Kündigungsrechte des Verbrauchers als auch auf Möglichkeiten des Anbieters, den Vertrag einseitig zu beenden. Gemeint sind sowohl außerordentliche als auch ordentliche Kündigungen.
706
Der Unternehmer ist nur insoweit zu Angaben über Kündigungsbedingungen verpflichtet, als der Fernabsatzvertrag Regelungen über die ordentliche bzw. außerordentliche Kündigung enthält1. Sind die Kündigungsbedingungen nicht vertraglich geregelt, so gelten die gesetzlichen Vorschriften, bei Mietverträgen beispielsweise die Bestimmungen der §§ 542 ff. und der §§ 568 ff. sowie der §§ 580 f. BGB. Schon wegen des großen Umfangs und der Unübersichtlichkeit der gesetzlichen Kündigungsbestimmungen für Mietverträge wäre es unsinnig, vom Unternehmer eine detaillierte Belehrung zu verlangen2.
707
In Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 4 und 5 EGBGB sind Hinweispflichten auf das anwendbare Recht und das zuständige Gericht vorgesehen3. Allerdings entfalten diese Mitteilungen keine Rechtswirkungen hinsichtlich des tatsächlich anwendbaren Rechts und des tatsächlichen Gerichtsstandes4. Anzugeben sind der Gerichtsstand und das Recht, das nach (zutreffender oder auch unzutreffender) Ansicht des Anbieters einschlägig ist5.
708
Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 6 EGBGB greift das Sprachenproblem6 auf. Zum einen soll der Verbraucher darüber informiert werden, in welcher Sprache die Vertragsbedingungen und die vorvertraglichen Informationen mitgeteilt werden7. Zum anderen soll der Anbieter sich ausdrücklich verpflichten, für die Dauer des Vertrages nur die genannten Sprachen zu verwenden. Hierdurch soll es dem Finanzdienstleister verwehrt werden, zwar vorvertraglich mit dem Verbraucher in deutscher Sprache zu kommunizieren, den Vertrag dann jedoch in einer Sprache abzuwickeln, derer der Verbraucher nicht mächtig ist8.
709
Um außergerichtliche Rechtsbehelfe9, Garantiefonds und Entschädigungsregeln geht es in Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 7 und 8 EGBGB.
710
1 Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1780 im Kontext der Umsetzung der FARLFDL. 2 Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 186. 3 Vgl. Heiss, IPRax 2003, 100, 102 f. 4 Heiss, IPRax 2003, 100, 102. 5 Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 812. 6 Vgl. allgemein Micklitz, ZEuP 2003, 635 ff.; Rott, ZVglRWiss 98 (1999), 382 ff. 7 Kritisch Heiss, IPRax 2003, 100, 103 f. 8 Micklitz/Schirmbacher, EUREDIA 2003, 457, 477 f. 9 Vgl. Ehrhardt-Rauch, VuR 2003, 341, 343; Felke/Jordans, WM 2004, 166, 171.
175
D. Fernabsatzrecht
2. Nachvertragliche Informationspflichten
711
Nach § 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher die Informationen spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages, bei Waren spätestens bei Lieferung, bei Finanzdienstleistungen aber schon vor Vertragsschluss in Textform zukommen zu lassen. § 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB soll sicherstellen, dass sich der Verbraucher nach Vertragsschluss jederzeit über seine wesentlichen vertraglichen Rechte informieren kann. a) Textform
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Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung hat sich der Gesetzgeber entschlossen, den Begriff des dauerhaften Datenträgers1, der durch das FernAbsG eingeführt worden war (§ 361 a Abs. 3 BGB a.F.), wieder aufzugeben und stattdessen eine Belehrung des Verbrauchers in Textform gemäß § 126 b BGB2 vorzuschreiben3.
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§ 126 b BGB lässt es ausreichen, dass die Erklärung in einer Weise abgegeben wird, die zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignet ist, sofern die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht wird. Dies bedeutet, dass eine Belehrung des Verbrauchers per E-Mail erfolgen kann4.
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Werden die Pflichtangaben auf einer Website zum Download oder Ausdruck bereit gehalten, ist zu differenzieren: Wenn der Verbraucher im konkreten Fall tatsächlich die Angaben auf seinen Rechner herunterlädt oder die Pflichtangaben ausdruckt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass eine Mitteilung in Textform vorliegt, die den Anforderungen des Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB genügt5. Solange allerdings kein Download
1 Vgl. Härting, K&R 2001, 310, 310 ff. 2 Eingefügt durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7.2001, BGBl. I 2001, S. 1542; vgl. Müglich, MMR 2000, 7, 12 ff.; Roßnagel, NJW 2001, 1817, 1818. 3 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/7052, S. 191; skeptisch Steins, WM 2002, 55. 4 Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2658, S. 40; Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2055; Härting, K&R 2001, 310, 312 f.; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1423; Meents, CR 2000, 610, 612; Roth, JZ 2000, 1013, 1017. 5 KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 332 = MMR 2007, 185, 186 = K&R 2007, 104, 105; OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008; OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 715; K&R 2007, 655, 656; OLG Hamburg vom 24.8.2006, CR 2006, 854, 855 = OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 116, 117.
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II. Informationspflichten
und kein Ausdruck erfolgen, soll es an einer pflichtgemäßen nachvertraglichen Belehrung fehlen1. Der Download war in früheren Zeiten ein mühsamer Vorgang, sodass es richtig war, für eine Belehrung auf „dauerhaftem Datenträger“ (§ 361 a Abs. 3 BGB a.F.) mehr zu verlangen als eine bloße Bildschirmanzeige2. Heutzutage kann der Download jedoch – ebenso wie ein Seitenausdruck – schnell und leicht erfolgen. Hinzu kommt, dass § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB den Unternehmer dazu verpflichtet, dem Vertragspartner die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Daher ist es nicht mehr ohne Weiteres einsichtig, weshalb die Möglichkeit des Downloads bzw. eines Seitenausdrucks nicht genügen soll, um die nachvertraglichen Belehrungspflichten zu erfüllen3. Zumindest erscheint es treuwidrig (§ 242 BGB), wenn sich ein Verbraucher, der ohne Weiteres die Gelegenheit zum Download bzw. zum Seitenausdruck hatte, sich darauf beruft, nicht in Textform belehrt worden zu sein.
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Die – jedem Unternehmer zu empfehlende – Belehrung des Verbrauchers per E-Mail unterscheidet sich letztlich nur graduell von einer Belehrung per Bildschirmanzeige: Auch bei der Übersendung einer E-Mail ist es keineswegs sicher, dass der Empfänger die Mail tatsächlich abruft und auf seinem Rechner speichert. Dass der Unternehmer keine Vorkehrungen treffen braucht, um eine Abspeicherung der Belehrungsmail durch den Verbraucher zu gewährleisten, versteht sich von selbst. Weshalb entsprechendes nicht gelten soll für eine nachvertragliche Belehrung auf einer Bildschirmseite, ist in heutigen Zeiten nicht mehr einsichtig.
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1 Buchmann, K&R 2007, 14, 16; Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 377; KG vom 18.7.2006, CR 2006, 680, 681 = K&R 2006, 415, 417; KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 332 = MMR 2007, 185, 185 = K&R 2007, 104, 105; OLG Hamburg vom 24.8.2006, K&R 2006, 526, 527; OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008; OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 715; OLG Stuttgart vom 4.2.2008, MMR 2008, 616, 617; LG Hanau vom 12.6.2007, Az. 5 O 34/07, MIR 2007, Dok. 255; LG Heilbronn vom 23.4.2007, CR 2008, 129, 129 = MMR 2007, 536, 536; LG Kleve vom 2.3.2007, MMR 2007, 332; AG Wuppertal vom 1.12.2008, ITRB 2009, 176 f. (Hüsch); a.A. LG Flensburg vom 23.8.2006, CR 2007, 112, 113 = MMR 2006, 686, 687; LG Paderborn vom 28.11.2006, CR 2007, 465 = MMR 2007, 191. 2 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/7052, S. 195; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 113; LG Heilbronn vom 23.4.2007, CR 2008, 129, 129 = MMR 2007, 535, 536; zu § 361a Abs. 3 BGB a.F.: Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2055; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1279; Fuchs, EWiR 2001, 549, 550; Härting, K&R 2001, 310, 312; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1423; Marx, WRP 2000, 1227, 1231; Roth, JZ 2000, 1013, 1017; LG Kleve vom 22.11.2002, CR 2003, 773 = NJW-RR 2003, 196 = MMR 2003, 424; a.A. Gaertner/Gierschmann, DB 2000, 1601, 1602; OLG München vom 25.1.2001, MMR 2001, 536, 537. 3 Vgl. LG Flensburg vom 23.8.2006, CR 2007, 112, 113 = MMR 2006, 686, 687; LG Paderborn vom 28.11.2006, CR 2007, 465 = MMR 2007, 191.
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D. Fernabsatzrecht
b) Inhalt der Pflichtangaben
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Nach Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGBGB ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher nach Vertragsschluss sämtliche Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Textform zukommen zu lassen1. Ergänzt wird diese Verpflichtung um konkrete Angaben, die sich aus Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 EGBGB ergeben.
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Zu den nachvertraglichen Pflichtangaben gehören gemäß Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EGBGB sämtliche Informationen, die in Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB aufgeführt sind.
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Bei Dauerschuldverhältnissen, die für längere Zeit als ein Jahr oder für unbestimmte Zeit geschlossen werden, sind nach Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. a EGBGB die Kündigungsbedingungen anzugeben2. Dauerschuldverhältnisse sind Schuldverhältnisse, aus denen ständig neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen.3 Hierzu zählen Mietund Dienstverträge ebenso wie Sukzessivlieferungsverträge, Darlehensverträge, Wartungsverträge, Providerverträge4 und Telekommunikationsverträge. Wesentliche Merkmale dieser Verträge sind die zeitliche Dimension und die ständige Pflichtenanspannung beider Parteien5. Bei Finanzdienstleistungen ergibt sich die Verpflichtung zur Angabe der Kündigungsbedingungen – unabhängig von der Laufzeit des Vertrages – bereits aus Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB.
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Gemäß Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. b EGBGB bedarf es nachvertraglich einer Information über den Kundendienst und über Gewährleistungs- und Garantiebedingungen. Dabei ist es nicht die Aufgabe des Unternehmers, den Verbraucher über den genauen Inhalt gesetzlicher Bestimmungen wie beispielsweise die §§ 434 ff. BGB aufzuklären. Der Unternehmer ist nur verpflichtet, den Verbraucher über vertragliche Gewährleistungs- und Garantiebedingungen aufzuklären, die von gesetzlichen Bestimmungen abweichen6. Dies ist beispielsweise der Fall bei einem Gewährleistungsausschluss, aber auch bei Garantieerklärungen des Unternehmers (§ 443 BGB). Wenn der Fernabsatzvertrag keine vom Gesetz abweichenden Gewährleistungsvorschriften und auch keine Bestimmungen über eine Garantie des Unternehmers enthält, besteht im Hin1 Vgl. Grünberg in Palandt, 312 c Rdnr. 7 f.; MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 89; Saenger in Erman, 312 c Rdnr. 39. 2 Siehe Rz. 706 f. 3 Grüneberg in Palandt, § 314 Rdnr. 2. 4 AG Ulm vom 29.10.1999, EWiR 2000, 273, 273 mit Anm. Hoeren. 5 Grüneberg in Palandt, § 314 Rdnr. 2. 6 Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 177; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 93; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1279; Härting, CR 1999, 507, 510; BGH vom 4.10.2007, NJW 2008, 1595, 1597 = K&R 2008, 372, 375; zweifelnd: Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 34; a.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 66.
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II. Informationspflichten
blick auf Gewährleistungs- und Garantiebedingungen keine Belehrungspflicht1. Unter Kundendienst i.S.d. Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. b EGBGB sind Leistungen des Unternehmers zur Betreuung des Kunden nach Vertragsschluss bzw. – bei Dauerschuldverhältnissen – während der Vertragsdauer zu verstehen, zu denen sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet hat2. Der Begriff des Kundendienstes umfasst insbesondere Schulungs-, Wartungs-, Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Reparaturverpflichtungen des Unternehmers3.
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Aus Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. b EGBGB ist keine umfassende Aufklärungspflicht des Unternehmers über sämtliche Serviceleistungen abzuleiten, die der Unternehmer anbietet. Vielmehr beschränkt sich die Hinweispflicht des Unternehmers auf den Kundendienst, den der Unternehmer auf Grund des geschlossenen Vertrages schuldet4. Bei einem Wartungsvertrag bedeutet dies beispielsweise eine Angabe der geschuldeten Wartungsleistungen sowie Informationen zur Erreichbarkeit der Mitarbeiter, die für die geschuldeten Wartungsleistungen zuständig sind. Nicht zu den Pflichtangaben über den Kundendienst gehören allgemeine Angaben zu Serviceleistungen des Unternehmers, etwa kostenpflichtige Service-Hotlines, die der Unternehmer gegen ein zusätzliches Entgelt anbietet.
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c) Hervorhebung einzelner Pflichtangaben
Gemäß Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB können die Pflichtangaben Bestandteil längerer Vertragsbestimmungen und Geschäftsbedingungen sein. Allerdings besteht in einem solchen Fall die Verpflichtung zur Hervorhebung und deutlichen Gestaltung einzelner Informationen5. Die Verpflichtung zur Hervorhebung und deutlichen Gestaltung gilt für die ladungsfähige Anschrift, die Widerrufsbelehrung, die Kündigungsbedingungen sowie für die Informationen zum Kundendienst und zu den Gewährleistungs- und Garantiebedingungen.
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Die Hervorhebung einzelner Angaben soll gewährleisten, dass der Verbraucher auch bei flüchtiger Lektüre des Textes besonders bedeutsame Angaben wahrnehmen wird. Das weitere Erfordernis einer deutlich gestalteten Form soll sicherstellen, dass die Pflichtangaben sich nicht nur von einem längeren Text deutlich abheben, sondern auch ohne Mühe lesbar sind.
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1 2 3 4 5
A.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 66. Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 65. Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 178. A.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 65. Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, NJW-RR 2007, 482, 483 = MMR 2007, 322, 323; LG Paderborn vom 24.4.2006, NJW-RR 2007, 499, 500.
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D. Fernabsatzrecht
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Zur Bestimmung der gestalterischen Anforderungen an die Angaben gemäß Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ist an die Rechtsprechung zum Begriff der drucktechnisch deutlichen Gestaltung des früheren § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG und des früheren § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG anzuknüpfen1. Es bedarf demnach einer Herausstellung der Pflichtangaben durch die Verwendung einer anderen Farbe, größerer Buchstaben, eines anderen Schrifttyps, durch Fettdruck oder durch deutliche Unterstreichungen2. Die Pflichtangaben sind in nicht zu übersehender Weise zu gestalten3, und es darf gestalterisch nicht von den Pflichtangaben abgelenkt werden4. Ein allzu dezenter Rahmen und eine nur minimal größere Schrifttype reichen zur Hervorhebung nicht aus5.
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Die Informationen gemäß Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 2 EGBGB müssen für den Durchschnittsverbraucher einfach auffindbar sein. Werden die Informationen dem Verbraucher zwar groß und deutlich, aber auf der Rückseite eines Vertragsformulars mitgeteilt, fehlt es an einer hinreichend deutlichen Belehrung6. d) Ausnahme gemäß Art. 246 § 2 Abs. 2 EGBGB
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Die nachvertraglichen Informationspflichten gelten – anders als die vorvertraglichen Pflichten (Art. 246 § 1 EGBGB) – nicht für Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erbracht werden, sofern diese Leistungen in einem Mal erfolgen und über den Betreiber der Fernkommunikationsmittel abgerechnet werden (Art. 246 § 2 Abs. 2 EGBGB)7.
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Eine Dienstleistung, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erbracht wird, ist beispielsweise die Nutzung einer OnlineDatenbank, nicht jedoch der Download von Software, Musik, Videos oder Textbeiträgen, da es sich hierbei um Warenlieferungen handelt8.
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Die Befreiung von den nachvertraglichen Informationspflichten setzt eine Abrechnung der Leistungen über den Betreiber der Fernkommunikationsmittel voraus. Für Online-Dienste bedeutet dies, dass es darauf an1 Vgl. BGH vom 25.4.1996, NJW 1996, 1964, 1965 m.w.N. 2 Vgl. insoweit Grüneberg in Palandt, § 355 Rdnr. 16 jeweils m.w.N.; Härting, FernAbsG, § 2 Rdnr. 193; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 119 f.; BGH vom 25.4.1996, NJW 1996, 1964, 1965; OLG München vom 23.8.2001, NJW-RR 2002, 399, 400. 3 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 355 Rdnr. 16; OLG München vom 23.8.2001, NJW-RR 2002, 399, 400. 4 BGH vom 4.7.2002, NJW 2002, 3396, 3398; zum alten Recht: BGH vom 25.4.1996, NJW 1996, 1964, 1965. 5 OLG Schleswig vom 25.10.2007, MDR 2008, 254 f. 6 Vgl. BGH vom 14.1.1987, NJW 1987, 2431, 2432. 7 Vgl. Saenger in Erman, § 312 c Rdnr. 46; Grüneberg in Palandt, § 312 c Rdnr. 10; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312 c Rdnr. 190. 8 A.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 127; siehe auch Rz. 337.
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II. Informationspflichten
kommt, ob eine Abrechnung über den Anbieter des Online-Dienstes selbst erfolgt. Dies wird man immer dann bejahen können, wenn der Anbieter das Entgelt für seine Dienstleistung sofort per Abbuchung, Kreditkarte oder über eine Mehrwertnummer einzieht1. Erkennbarer Sinn der Ausnahmebestimmung ist es, bei einem Massengeschäft mit einmaligem Leistungsaustausch umfangreiche individuelle Belehrungen für entbehrlich zu erklären. Dies spricht für eine weite Normauslegung, bei der es unerheblich ist, ob sich der Betreiber des Online-Dienstes bei der Abrechnung der Hilfe Dritter (Banken, Kreditinstitute, Telekommunikationsunternehmen) bedienen muss2. Die Ausnahme von den Informationspflichten gilt nur für Dienstleistungen, die in einem Mal erfolgen. Daher bleibt Art. 246 § 2 Abs. 1 EGBGB anwendbar auf Verträge, bei denen der Unternehmer zwar Dienstleistungen über das Internet erbringt, seine Leistungen jedoch dem Verbraucher nicht einmalig, sondern zur ständigen Nutzung anbietet3. Dies ist beispielsweise bei einem Vertrag der Fall, der gegen ein monatliches Entgelt den ständigen Zugriff auf eine Online-Datenbank ermöglicht.
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Gemäß Art. 246 § 2 Abs. 2 Satz 2 EGBGB muss der Verbraucher auch bei unmittelbarer Inanspruchnahme von Dienstleistungen über Fernkommunikationsmittel die Möglichkeit haben, sich über die Anschrift der Niederlassung des Unternehmers zu informieren, bei der er Beanstandungen vorbringen kann. Um die Voraussetzungen des Art. 246 § 2 Abs. 2 Satz 2 EGBGB zu erfüllen, genügt ein Link zu einer Seite mit Angaben zu einer Beschwerdestelle4.
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3. Übersendung einer Urkunde
Bei Finanzdienstleistungen kann der Verbraucher während der Laufzeit des Vertrages gemäß § 312 c Abs. 3 BGB jederzeit verlangen, dass der Unternehmer ihm die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer Urkunde zur Verfügung stellt. Erforderlich ist keine Schriftform gemäß § 126 BGB5. Allerdings ist eine Urkunde zu verwenden, sodass an einer Übersendung der Vertragsbestimmungen auf Papier kein Weg vorbei führt
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Die Verpflichtung aus § 312 c Abs. 3 BGB bedeutet, dass der Unternehmer einem entsprechenden Verlangen des Verbrauchers zwischen Vertragsschluss und Vertragsbeendigung nachzukommen hat6. Diese Pflicht
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1 A.A. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 94. 2 Vgl. Härting, Recht der Mehrwertdienste, Rdnr. 139. 3 Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 c Rdnr. 128; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 93. 4 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 c Rdnr. 95. 5 Saenger in Erman, § 312 c Rdnr. 52; Grüneberg in Palandt, § 312 c Rdnr. 11; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312 c Rdnr. 196 ff. 6 Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1781.
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D. Fernabsatzrecht
endet also erst in dem Zeitpunkt, in dem auch der Vertrag beendet ist. Eine Aufbewahrungspflicht über das Ende des Vertrages hinaus besteht nicht. 4. Informationspflichten im E-Commerce
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§ 312 e BGB regelt die Verpflichtungen des Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr. Hierdurch wurde Art. 10 Abs. 1 und 2 der E-Commerce-Richtlinie1 umgesetzt2.
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Der Anwendungsbereich des § 312 e BGB ist einerseits enger und andererseits weiter als § 312 b BGB3. Anders als die § 312 b BGB gilt § 312 e BGB nicht nur gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB), sondern auch im Geschäftsverkehr mit anderen Unternehmern (§ 14 BGB)4. Allerdings findet § 312 e BGB nicht auf jeden Fernabsatzvertrag Anwendung, sondern nur dann, wenn bei der Geschäftsanbahnung Tele- oder Mediendienste nach den früheren §§ 2 TDG bzw. 2 Abs. 2 Nr. 4 MDStV eingesetzt werden5. Kein elektronischer Geschäftsverkehr liegt vor, wenn der Vertragsschluss per individueller Kommunikation erfolgt, wie dies insbesondere bei einem Vertragsschluss per E-Mail der Fall ist6 (§ 312 e Abs. 2 Satz 1 BGB).
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Seit dem Außerkrafttreten des TDG und des MDStV sind die Begriffe der Tele- und Mediendienste gesetzlich nicht mehr definiert. Sie sind jedoch nunmehr an die Anforderungen des § 1 TMG auszurichten, da das TMG das TDG und den MDStV abgelöst hat7.
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Nach § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB hat der Unternehmer dem Kunden im elektronischen Geschäftsverkehr angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, damit der Kunde Eingabefehler erkennen und berichtigen kann8. Zudem schreibt § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 3 EGBGB vor, dass der Kunde vor Vertragsschluss über die Art und Weise zu belehren ist, in der die Verpflichtung gemäß § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB umgesetzt wird9. 1 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. EG L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 2 Vgl. Glatt, ZUM 2001, 390, 390 ff. 3 Härting, MDR 2002, 61, 63; Micklitz, EuZW 2001, 133, 133 ff.; Micklitz, VuR 2001, 71, 71 ff.; Rott, VuR 2001, 78, 79. 4 Vgl. Hassemer, MMR 2001, 635, 635 f.; Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. 5 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, S. 170 f. 6 Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 e Rdnr. 24; Gierschmann, DB 2000, 1315, 1318. 7 Grüneberg in Palandt, § 312 e Rdnr. 2; Redeker, IT-Recht, Rdnr. 895; vgl. auch Spindler/Weber in Spindler/Schuster, § 312 e Rdnr. 2. 8 Vgl. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 e Rdnr. 28; Grigoleit, WM 2001, 597, 601; Hassemer, MMR 2001, 635, 636. 9 Micklitz, EuZW 2001, 133, 141.
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II. Informationspflichten
➲ Praxistipp: Um den Anforderungen des § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB zu genügen, empfiehlt es sich, die Bestellmaske eines Internetshops so einzurichten, dass alle Bestellangaben zusammengefasst auf dem Bildschirm zur Bestätigung erscheinen, bevor der Bestellbutton endgültig betätigt wird. Hierdurch erhält der Kunde die Möglichkeit, seine Angaben im Hinblick auf etwaige Tippfehler noch einmal zu kontrollieren. Die Art und Weise, wie Eingabefehler erkannt und berichtigt werden können, sollte möglichst präzise beschrieben werden oder so eingängig sein, dass jedermann dies ohne weiteres erkennen kann.
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Nach Eingang einer jeden Bestellung ist der Unternehmer zu einer unverzüglichen Bestätigung der Bestellung verpflichtet (§ 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB). In der Praxis erfolgt die Bestätigung zumeist per automatisierter E-Mail. Bei der Formulierung einer (automatisierten) Bestätigungsmail ist Vorsicht geboten, um zu vermeiden, dass die Mail (ungewollt) als Annahmeerklärung zu verstehen ist1.
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Vertragsbestimmungen einschließlich Allgemeiner Geschäftsbedingungen müssen bei Vertragsschluss abruf- und speicherbar sein (§ 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB). Dies gilt indes nur, wenn und soweit schriftliche Vertragsbestimmungen existieren. Eine Verpflichtung zur Erstellung von Geschäftsbedingungen begründet § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB nicht.
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➲ Praxistipp: Soweit auf einer Website Vertragsklauseln und/oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden, ist darauf zu achten, dass die Klauseln (auch) zum Download bereitgehalten werden.
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§ 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 1 EGBGB verpflichtet den Unternehmer zur Belehrung des Kunden über die einzelnen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen. Dies bedeutet, dass dem Kunden vor Benutzung der Bestellmaske mitzuteilen ist, wie das Bestellsystem funktioniert.
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Art. 246 § 3 Nr. 1 EGBGB überschneidet sich mit der Verpflichtung gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, den Verbraucher darüber zu informieren, „wie“ der Vertrag zustande kommt. Belehrungspflichten, die einander ähneln, stehen somit – auch an dieser Stelle – unverbunden nebeneinander2.
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Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB sieht eine Belehrung darüber vor, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist3. Während § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB den Unternehmer verpflichtet, den Vertragstext bei Vertragsschluss verfügbar zu halten, geht es bei Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB
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1 Siehe Rz. 308 f. 2 Vgl. Grünberg in Palandt, § 312 e Rdnr. 4. 3 Vgl. Micklitz, EuZW 2001, 133, 141.
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D. Fernabsatzrecht
um die Zeit nach Vertragsschluss1. Aus Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB ergibt sich keine Pflicht, den Vertragstext über den Vertragsschluss hinaus zu speichern2. Wenn es an einer solchen Speicherung fehlt, ist der Kunde hierüber lediglich zu belehren. 745
Art. 246 § 3 Nr. 4 EGBGB ergänzt die Informationspflichten des Unternehmers um eine Verpflichtung, den Verbraucher über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen zu unterrichten3. Der Unternehmer muss dem Kunden mitteilen, ob er Bestellungen auch in anderen Sprachen als in Deutsch entgegennimmt. Ob mit derartig kleinlichen Informationspflichten dem Verbraucher wirklich gedient ist, darf bezweifelt werden4. Einer Information: „Die einzige für den Vertragsschluss zur Verfügung stehende Sprache ist Deutsch“ bedarf es jedenfalls nicht5.
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Art. 246 § 3 Nr. 5 EGBGB verpflichtet zur Information über sämtliche einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft, sowie über die Möglichkeit eines elektronischen Zugangs zu diesen Regelwerken6. 5. Sanktionen
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Der Unternehmer, der die Informationspflichten verletzt, die sich aus den §§ 312 c und 312 e BGB ergeben, hat wettbewerbsrechtliche Abmahnungen7 durch die Konkurrenz und die Inanspruchnahme durch Verbraucherschutzverbände bzw. Wettbewerbsvereine (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UklaG) zu befürchten. Denkbar, wenn auch ohne ersichtliche praktische Bedeutung, sind auch Schadensersatzanspüche des (potenziellen oder tatsächlichen) Vertragspartners aus den §§ 280, 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 BGB8.
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Gemäß § 312 d Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht vor vollständiger Erfüllung der Informationspflichten nach Art. 246 § 2 i.V.m. 1 Dies übersieht Grigoleit, WM 2001, 597, 602. 2 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 e Rdnr. 87; Härting, MDR 2002, 61, 63; Spindler, ZUM 1999, 775, 790 für den Richtlinienentwurf; a.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 e Rdnr. 37; Grigoleit, WM 2001, 597, 602; vgl. auch Roth, ITRB 2002, 248, 249. 3 Vgl. Micklitz, EuZW 2001, 133, 141. 4 Vgl. Grigoleit, WM 2001, 597, 603; weniger kritisch Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 e Rdnr. 92 f. 5 Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 e Rdnr. 93. 6 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, S. 171; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 e Rdnr. 40 f.; Micklitz in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 e Rdnr. 94 f.; Grigoleit, WM 2001, 597, 603 f. 7 Zur Abmahnung allgemein: Reinholz, ITRB 2009, 180 ff. 8 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, 173; Grüneberg in Palandt, § 312 c Rdnr. 12; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312 c Rdnr. 215 ff.; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1156.
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III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
§ 1 EGBGB. Damit stünde dem Verbraucher bei jedem noch so geringen Verstoß gegen die umfangreichen Verpflichtungen aus § 312 c Abs. 2 BGB ein „ewiges“ Widerrufsrecht zu, das allein den Beschränkungen der Verwirkung unterworfen wäre. Um diese harsche Folge zu vermeiden, bestimmt § 355 Abs. 4 Satz 1 BGB, dass das Widerrufsrecht spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss erlischt. Angestoßen von der Heininger-Entscheidung des EuGH1, hat der Gesetzgeber diese Bestimmung abgeschwächt und eine Ausnahme vom Erlöschen des Widerrufsrechts eingeführt für den Fall, dass der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB)2. In diesem Fall kann der Verbraucher noch Jahre nach Vertragsschluss den Vertrag widerrufen.
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Für Finanzdienstleistungsverträge hat der Gesetzgeber diese Ausnahme auf die Nichterfüllung der Informationspflichten ausgedehnt. Gemäß § 355 Abs. 4 Satz 3, 2. Halbsatz BGB erlischt das Widerrufsrecht bei Finanzdienstleistungen auch dann nicht, wenn der Unternehmer seinen Mitteilungspflichten nach Art. 246 § 2 EGBGB nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.
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Verletzt der Unternehmer bei einem Fernabsatzvertrag die Pflichten, die sich aus § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, beginnt die Widerrufsfrist nach § 312 e Abs. 3 Satz 2 BGB nicht vor Erfüllung der in § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB geregelten Pflichten3. Die Nichterfüllung der besonderen Pflichten im E-Commerce führt daher bei Verbrauchergeschäften gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist auf sechs Monate.
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III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB) Neben den Informationspflichten aus Art. 246 § 1 und 2 EGBGB ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers das zweite Schutzinstrument des Fernabsatzrechts. Das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht ist in § 312 d BGB geregelt, wobei diese Rechte in den §§ 355 ff. BGB näher ausgestaltet sind4.
1 EuGH vom 13.12.2001, NJW 2002, 281 = EuZW 2002, 84 mit Anm. Reich/Rörig – Heininger; vgl. Rott, VuR 2002, 49 ff. 2 Art. 25 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungsänderungsgesetz – OLGVertrÄndG) vom 23.7.2002, BGBl. I 2002, S. 2856; vgl. Schirmbacher, CR 2006, 673, 674 f. 3 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, 173; Schneider, K&R 2001, 344, 348. 4 Vgl. Mankowski, WM 2001, 793 ff. und 833 ff.
185
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D. Fernabsatzrecht
1. Widerrufsrecht
753
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ergibt sich aus § 312 d BGB. Zweck dieses Rechts ist es, die Informationsdefizite auszugleichen, die darauf beruhen, dass der Verbraucher bei Vertragsschluss die Ware bzw. Dienstleistung nicht in Augenschein nehmen und prüfen kann1.
754
Ein Widerrufsrecht besteht auch bei Verträgen, die wegen Sittenwidrigkeit oder wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sind (§ 134 BGB und § 138 BGB). Dass ein Vertrag sittenwidrig ist, hindert nicht die Anfechtbarkeit, wenn die sonstigen Voraussetzungen für eine Anfechtung vorliegen. Es besteht unter dem Gesichtspunkt des bei einem Fernabsatzvertrag gebotenen Verbraucherschutzes kein Grund, den Verbraucher schlechter zu stellen, wenn der Fernabsatzvertrag nicht anfechtbar, sondern nach § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig ist2.
755
Die Ausübung des Widerrufsrechts bedarf keiner Begründung (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es besteht somit keine Notwendigkeit für den Verbraucher, den Widerruf in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. a) Widerrufsfrist aa) Fristbeginn
756
Übersicht Beginn der Widerrufsfrist nur bei – Erfüllung der nachvertraglichen Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB (§ 312 d Abs. 2 BGB) und – Widerrufsbelehrung gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB und – im E-Commerce bei Erfüllung der Pflichten aus § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB (§ 312 e Abs. 3 Satz 2 BGB) und – bei Waren: erst nach Eingang der Waren beim Empfänger (§ 312 d Abs. 2 BGB).
757
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage (§ 312 d Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB)3. Die Frist beginnt allerdings erst mit Erteilung einer Widerrufsbelehrung (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB) und – zusätzlich (§ 312 d Abs. 2 BGB) – der Erfüllung der Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 1 Vgl. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 d Rdnr. 6; Wendehorst in MünchKommBGB, § 312 d Rdnr. 1; Grundmann, CML Rev. 39 (2002), 269, 276; Rekaiti/van den Bergh, JCP 23 (2000), 371, 380; Roth, JZ 2001, 475, 481. 2 BGH vom 25.11.2009, NJW 2010, 610, 611 mit Anm. Möller; vgl. Schirmbacher, BB 2010, 273. 3 Zur Länge der Frist und zum Fristbeginn ausführlich: Mankowski, JZ 2001, 745, 746 ff.
186
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB (ggf. auch gemäß § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB)1. Bei Warenlieferungen ist für den Fristbeginn zudem der Eingang der Ware beim Empfänger erforderlich, wobei bei Sukzessivlieferungsverträgen über gleichartige Waren auf die erste Teillieferung abzustellen ist. Bei Dienstleistungen tritt der Fristbeginn nicht vor dem Vertragsschluss ein (§ 312 d Abs. 2 BGB)2. Der Beginn der Widerrufsfrist ist so lange gehemmt, wie der Unternehmer seinen Informationspflichten nicht nachkommt. Stellt der Unternehmer dem Verbraucher – wenn auch verspätet – die Pflichtangaben gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB und § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB zur Verfügung, steht dem Ablauf der Widerrufsfrist nichts mehr entgegen. Die Frist verlängert sich allerdings auf einen Monat, wenn die Belehrung gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB erst nach Vertragsschluss erfolgt (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB).
758
Bei Warenlieferungen beginnt die Frist nicht, bis die Ware bei dem Verbraucher eingegangen ist (§ 312 d Abs. 2 BGB). Der Unternehmer soll es nicht durch verzögerte Lieferung in der Hand haben, die Prüfung der Ware durch den Verbraucher dadurch zu umgehen, dass er die Ware erst nach Ablauf der Widerrufsfrist versendet3. Besteht die vereinbarte Lieferung aus mehreren Teilen, beginnt die Widerrufsfrist erst mit Eingang des letzten Teils, sodass auch bei unvollständigen Lieferungen die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Dies gilt allerdings nur, wenn die einzelnen Lieferungen Bestandteil einer als zusammengehörig verkauften Sache sind (so etwa bei Zubehör zu einem Laptop)4. Besteht eine Bestellung dagegen aus verschiedenen Einzelposten, die nicht zusammen gehören (Beispiel: mehrere Kleidungsstücke), so lösen die Einzellieferungen – ordnungsgemäße Belehrung vorausgesetzt – jeweils separate Widerrufsfristen aus5.
759
Eine Sonderregelung trifft § 312 d Abs. 2 BGB für die wiederkehrende Lieferung gleichartiger Waren. In diesen Fällen beginnt die Widerrufsfrist frühestens am Tage der ersten Teillieferung. Standardbeispiel ist die Lieferung eines mehrbändigen Lexikons6.
760
Bei einem Kauf auf Probe (§ 455 BGB) soll die Widerrufsfrist jedenfalls nicht vor Ablauf der Billigungsfrist beginnen7. Dies folgt nach Ansicht
761
1 2 3 4
Kritisch zum „Ungetüm“ Belehrung: Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1089. Vgl. Härting, VuR 2001, 11, 12. Vgl. Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 d Rdnr. 8. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 87 ff.; Roth, JZ 2000, 1013, 1018; Schirmbacher, CR 2002, 642; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638, 639 = ITRB 2002, 261 (Intveen); a.A. Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1424. 5 Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 268 f. 6 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 33; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 91. 7 BGH vom 17.3.2004, BB 2004, 1246.
187
D. Fernabsatzrecht
des BGH daraus, dass das Widerrufsrecht als besonderes Rücktrittsrecht zu verstehen ist, das den gesamten Vertrag zu Fall bringt und deshalb schon denklogisch einen nicht mehr einseitig beeinflussbaren Vertragsschluss voraussetzt. Bei einem Kauf auf Probe sei dies der Zeitpunkt des Ablaufs der Billigungsfrist, sodass dem Verbraucher in einer solchen Konstellation ab diesem Zeitpunkt das Widerrufsrecht zustehe. Zudem hätten § 455 BGB und die §§ 312 d, 355 BGB unterschiedliche Ziele, was einen Parallellauf der Fristen ausschlösse. 762
Die Auffassung des BGH überzeugt nicht. Zum einen ist nur bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist, dass der Vertrag bereits geschlossen ist (vgl. § 312 d Abs. 2 a.E. BGB). Zum anderen ist auch nicht einsichtig, warum die Fristen der §§ 355 und 455 BGB nicht parallel laufen sollen1. Sinn und Zweck des § 312 d BGB ist – ähnlich wie bei § 455 BGB – dass der Käufer die Ware in Ruhe in Augenschein nehmen und gegebenenfalls ausprobieren kann.
763
➲ Praxistipp: Angesichts der BGH-Rechtsprechung ist von der Vereinbarung eines Kaufs auf Probe gemäß § 455 BGB im Fernabsatz abzuraten. Dem Unternehmer droht die Addition von Billigungs- und Widerrufsfrist. bb) Widerrufsbelehrung
764
Die nachvertraglichen Informationen gemäß Art. 246 § 2 EGBGB ergänzen die Widerrufsbelehrung, die § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB vorschreibt. Trotz vielfältiger Überschneidungen sind die Pflichtangaben zum Widerruf gemäß § 360 Abs. 1 BGB nicht vollständig in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB enthalten. Umgekehrt enthält Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB Informationen, die durch § 360 Abs. 1 BGB nicht abgedeckt sind. Die Belehrungspflichten können dennoch durch eine einzige Belehrung erfüllt werden, einer Doppelbelehrung bedarf es nicht2.
765
Die Widerrufsbelehrung muss in Textform erteilt werden und deutlich gestaltet sein. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet ist, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Verbraucher belehrt wird. Die Belehrung auf der Rückseite einer Urkunde, die der Verbraucher bei Vertragsschluss ohne Weiteres zur Kenntnis nehmen kann, kann daher den gesetzlichen Gestaltungsanforderungen genügen3. 1 Vgl. Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdnr. 96. 2 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 37; Domke, BB 2007, 341, 342; Günther, ITRB 2002, 9, 12; Mankowski, CR 2001, 767, 773; Grüneberg in Palandt, § 312 d Rdnr. 5, Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, § 312 d Rdnr. 53; anders wohl Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 265. 3 BGH vom 31.10.2002, NJW-RR 2003, 1481 = WRP 2003, 266 = MDR 2003, 404
188
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
Nur vollständig zutreffende Belehrungen lösen den Ablauf der Widerrufsfrist aus. Wer die Geltung des Widerrufsrechts von der Rücksendung der Ware im originalverpackten Zustand abhängig macht, setzt die Frist nicht in Gang1. Auch irreführende Zusätze können die Wirkung der Widerrufsbelehrung verhindern2. Eine Irreführungsgefahr kann bestehen bei Angabe einer Telefonnummer des Widerrufsempfängers, wenn nicht deutlich wird, dass ein telefonischer Widerruf (bzw. eine telefonische Ausübung des Rückgaberechts gemäß § 356 BGB) zur Rechtsausübung nicht ausreicht3.
766
Es bedarf nicht nur einer Belehrung des Verbrauchers über seine Pflichten im Widerrufsfall, sondern auch über seine Rechte, insbesondere über das Recht, vom Unternehmer die Rückgewähr erbrachter Leistungen und die Herausgabe gezogener Nutzungen zu verlangen4.
767
Die Belehrungsmuster, die dem EGBGB seit Juni 2010 als Anlage beigefügt sind5, dienen dazu, die Widerrufsbelehrung zu erleichtern6. Die Muster sind als Hilfestellung gedacht bei dem Versuch, das Dickicht der Belehrungspflichten zu durchdringen7, das den §§ 312 c und 355 ff. BGB sowie Art. 246 § 1 und 2 EGBGB zugrunde liegt, und alle Anforderungen abzudecken, die sich aus diesen Vorschriften ergeben8.
768
Auf die Muster-Widerrufsbelehrung und die Muster-Rückgabebelehrung darf ein Unternehmer gemäß § 360 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB vertrauen, wenn die Belehrung vollständig übernommen wird9. Änderungen lassen die Wirkungen des § 360 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB entfallen, wenn sich die Änderungen nicht auf Format und Schriftgröße sowie auf Zusätze
769
1 Vgl. LG Arnsberg vom 25.3.2004, WRP 2004, 792; siehe Rz. 756 ff. 2 Vgl. BGH vom 4.7.2002, NJW 2002, 3396 = WRP 2002, 1263. 3 Vgl. KG vom 7.9.2007, NJW-RR 2008, 352, 353; OLG Hamm vom 2.7.2009, K&R 2009, 727, 728; LG Lübeck vom 22.4.2008, MMR 2008, 554, 555. 4 BGH vom 12.4.2007, CR 2007, 529, 530 = WRP 2007, 794, 795 = MMR 2007, 514, 515; vgl. Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 435 f.; Witt, NJW 2007, 3759 ff. 5 Gesetz vom 29. Juli 2009 zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufsrecht- und Rückgaberecht, BGBl. I 2009, S. 2355, 2389 ff.; vgl. auch Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1091. 6 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/7052, S. 208; Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1089. 7 Vgl. Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1088. 8 Vgl. auch Bodendiek, MDR 2003, 1 ff.; Marx/Bäuml, WRP 2004, 162 ff.; Masuch, NJW 2002, 2931 f. 9 Vgl. Föhlisch, MMR 2007, 139, 142; Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1088; OLG Düsseldorf vom 30.10.2007, VuR 2008, 55, 58; OLG München vom 26.6.2008, K&R 2008, 620, 622 = MMR 2008, 677, 678; OLG Stuttgart vom 4.2.2008, MMR 2008, 616, 617.
189
D. Fernabsatzrecht
wie die Firma oder ein Unternehmenskennzeichen beschränken (§ 360 Abs. 3 Satz 3 BGB)1. cc) Fristende
770
Übersicht Ende der Widerrufsfrist: – zwei Wochen nach Fristbeginn oder – einen Monat nach Fristbeginn (bei Widerrufsbelehrung nach Vertragsschluss, § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB) oder – sechs Monate nach Vertragsschluss bzw. Warenlieferung (bei fehlerhafter oder unterlassener nachvertraglicher Informationen gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB, siehe zudem § 312 e Abs. 3 Satz 2 BGB) oder – bei vollständiger Erfüllung eines Vertrages über eine Dienstleistung, wenn die Erfüllung auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfolgte (§ 312 d Abs. 3 BGB) oder – mit Entsiegelung eines Datenträgers z.B. CD, Video, DVD (§ 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB) oder – kein Fristablauf („ewige Widerrufsfrist“) bei fehlender oder mangelhafter Widerrufsbelehrung nach § 360 Abs. 1 BGB (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB).
771
Wurde der Verbraucher erst nach Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist nach früherem Recht ausnahmslos auf einen Monat (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.). Dies konnte in den Fällen des § 151 Satz 1 BGB misslich sein. Häufig kommt im Versandhandel der Vertrag durch die Aussonderung der Ware bei dem Unternehmer zustande2. Erfolgte die Belehrung in Textform dann mit der Übersendung der Ware oder auf der Rechnung, war nach früherem Recht die Belehrung nach Vertragsschluss erfolgt mit der Folge, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes die Monatsfrist galt.
772
Der Ruf nach einer einschränkenden Auslegung des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.3 sollte der „Lex Ebay“ entgegenwirken, die das Kammergericht4 1 Vgl. LG Kiel vom 25.3.2009, MMR 2009, 723 (Ls.); LG Stuttgart vom 30.9.2005, MMR 2006, 341, 342. 2 Siehe Rz. 311 f. 3 Vgl. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3378; Buchmann, K&R 2007, 14, 18 f.; Schirmbacher, CR 2006, 673 ff.; a.A. Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 377 f. 4 KG vom 18.7.2006, CR 2006, 680 = K&R 2006, 415; KG vom 5.12.2006, CR 2007, 331, 333 = MMR 2007, 185, 186 = K&R 2007, 104, 106.
190
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
und das OLG Hamburg1 kreiert hatten. Danach sollte bei Ebay generell eine Widerrufsfrist von einem Monat gelten2, da der Vertragsschluss mit Ablauf der Bietzeit erfolgt und zu diesem Zeitpunkt dem Verbraucher noch keine Widerrufsbelehrung in Textform zugegangen ist. Für eine einschränkende Auslegung des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. sprachen sowohl die Entstehungsgeschichte der Norm als auch deren systematischer Zusammenhang3. Darüber hinaus ergab sich das Erfordernis einer Einschränkung aus dem Sinn und Zweck des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.: Die Verlängerung der Widerrufsfrist auf einen Monat sollte dem Verbraucher eine längere Überlegungszeit geben, wenn zwischen Vertragsschluss und Belehrung so viel Zeit verstrichen war, dass der Verbraucher die Gelegenheit brauchte, sich an den Vertragsinhalt zu erinnern und sich über die Folgen eines Widerrufs klar zu werden. Traf mit der Ware beim Verbraucher die Widerrufsbelehrung ein, fehlte es an der Zeitverzögerung, die § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. ausgleichen sollte. Der Verbraucher konnte die Ware sofort prüfen, und es bestand keine Veranlassung, ihm mehr als zwei Wochen Zeit für die Ausübung des Widerrufsrechts zu geben4.
773
Bei der letzten Novelle des Fernabsatzrechts wurde – in § 355 Abs. 2 Satz 2 n.F. – eine Regelung eingeführt, nach der bei Fernabsatzverträgen eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer solchen bei Vertragsschluss gleichsteht, wenn der Unternehmer den Verbraucher vorvertraglich gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Mit dieser Neuregelung steht fest, dass es möglich ist, auf Ebay Fernabsatzverträge mit einer Widerrufsfrist von 14 Tagen abzuschließen5.
774
Problematisch ist § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. bei Finanzdienstleistungen, da die FARLFDL für Nachbelehrungen keine Verlängerung der Frist auf einen Monat vorsieht. Im Hinblick auf das Vollharmonisierungsgebot der FARLFDL stellt sich daher die Frage, ob § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. bei Finanzdienstleistungen – richtlinienkonform – außer Acht gelassen
775
1 OLG Hamburg vom 24.8.2006, NJW-RR 2007, 839; OLG Hamburg vom 12.1.2007, MMR 2007, 320; OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 116, 117 = K&R 2007, 655. 2 OLG Jena vom 9.6.2007, WRP 2007, 1008; OLG Köln vom 3.8.2007, MMR 2007, 713, 714; OLG Naumburg vom 20.12.2007, WM 2008, 326; OLG Naumburg vom 13.7.2007, CR 2008, 247, 249; LG Dortmund vom 19.7.2007, Az. 10 O 113/07, MIR 2007, Dok. 330; LG Hanau vom 12.6.2007, Az. 5 O 34/07, MIR 2007, Dok. 255; LG Karlsruhe vom 8.8.2007, MIR 2007, Dok. 369; LG Kleve vom 2.3.2007, MMR 2007, 332, 333; LG Leipzig vom 27.6.2007, Az. 05 HK O 2050/07, MIR 2007, Dok. 302. 3 Schirmbacher, CR 2006, 673, 674 f. 4 Schirmbacher, CR 2006, 673, 675 f. 5 Vgl. Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1091 f.
191
D. Fernabsatzrecht
werden darf mit der Folge einer zweiwöchigen Widerrufsfrist (auch) bei Nachbelehrungen1. dd) Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen
776
Bei Dienstleistungen erlischt das Widerrufsrecht gemäß § 312 d Abs. 3, wenn der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist beiderseitig voll erfüllt worden ist. Dies bedeutet insbesondere, dass es der Verbraucher durch Nichtleistung in der Hand hat, das Erlöschen des Widerrufsrechts zu verhindern.
777
Im Falle des Widerrufs eines bereits ausgeführten Vertrages über eine Dienstleistung hat der Unternehmer gemäß § 312 d Abs. 6 BGB einen Wertersatzanspruch, wenn der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt.
778
Besteht die Dienstleistung in der Nutzung einer Online-Datenbank, beginnt die Ausführung der Dienstleistung nicht schon mit der Freischaltung der Zugriffsmöglichkeit, sondern frühestens mit dem ersten Einloggen des Kunden2.
779
Nach früherem Recht erlosch das Widerrufsrecht bei Verträgen über Dienstleistungen, die keine Finanzdienstleistungen waren, wenn der Unternehmer mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt oder wenn der Verbraucher die Dienstleistung selbst veranlasst hat (§ 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB a.F.)3.
780
Die Regelung des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB a.F. erfasste Fälle, in denen Vertragsschluss und Vertragserfüllung zusammenfallen oder der Unternehmer unmittelbar nach dem Vertragsschluss im Einvernehmen mit dem Verbraucher mit der Vertragserfüllung begann. Mit dieser Regelung hatte der Gesetzgeber vor allem Online-Dienstleistungen gemeint4. Bei Online-Dienstleistungen veranlasst der Verbraucher in aller Regel selbst (per Mausklick) die Dienstleistung des Unternehmers. Dies gilt für die kostenpflichtige Nutzung von Online-Content ebenso wie beispielsweise für den Online-Abschluss eines Providervertrages im Call-by-Call-Verfahren5. 1 Vgl. Domke, BB 2007, 341, 342. 2 LG Mannheim vom 12.5.2009, CR 2009, 818, 820 mit Anm. Mankowski. 3 Vgl. OLG Brandenburg vom 11.2.2009, K&R 2009, 408 f.; LG Kiel vom 25.3.2009, MMR 2009, 723 (Ls.); AG Berlin-Charlottenburg vom 22.4.2008, MMR 2008, 493, 494; AG Hannover vom 26.2.2008, MMR 2008, 494 f.; AG Montabaur vom 15.1.2008, VuR 2008, 355 f.; AG Sinsheim vom 27.1.2009, NJW-RR 2009, 1290 f. 4 Vgl. RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 43. 5 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 49 ff.; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 57.
192
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
Wenn der Verbraucher per Internet entgeltlich Content nutzt – beispielweise eine Datenbank –, so beginnt mit dem Abschluss des Vertrages zugleich die Vertragserfüllung durch den Unternehmer1. Es wäre unbillig, wenn der Verbraucher nach der Nutzung den Vertrag widerrufen könnte, da sich die aus dem Content gewonnenen Erkenntnisse nicht rückgängig machen lassen. § 312 d Abs. 6 BGB n.F. trägt dieser Interessenlage jetzt dadurch Rechnung, dass der Verbraucher zwar zum Widerruf berechtigt bleibt, nachdem der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hat. Der Unternehmer erhält jedoch einen Wertersatz für seine Leistungen, sofern er den Verbraucher vorvertraglich auf die Wertersatzpflicht hingewiesen hat.
781
b) Ausnahmen vom Widerrufsrecht
Übersicht
782
§ 312 d Abs. 4 BGB – Verträge über Waren, die auf Grund von Kundenspezifikationen angefertigt werden oder sich nicht für eine Rücksendung eignen (§ 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB); – Verträge über versiegelte Datenträger (unechte Ausnahme, da bis zur Entsiegelung ein Widerrufsrecht besteht, § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB); – Verträge über Zeitungen und Zeitschriften (§ 312 d Abs. 4 Nr. 3 BGB); – Verträge über Wett- und Lotterie-Dienstleistungen (§ 312 d Abs. 4 Nr. 4 BGB); – Verträge, die per Auktion zustande kommen (§ 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB); – Verträge über Warenlieferungen oder Finanzdienstleistungen, deren Preis vom Unternehmer nicht beeinflussbaren Schwankungen unterliegt (§ 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB); – Verträge über die Erbringung telekommunikationsgestützter Dienste, die auf Veranlassung des Verbrauchers unmittelbar per Telefon oder Telefax in einem Mal erbracht werden, sofern es sich nicht um Finanzdienstleistungen handelt (§ 312 d Abs. 4 Nr. 7 BGB). § 312 d Abs. 4 BGB enthält eine Ausnahmeregelung für Verträge, bei denen dem Unternehmer die vollständige Rückabwicklung des Vertrages nicht zumutbar ist.2 Weitergehende Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor, sodass beispielsweise auch bei Sonderaktionen, Restposten und sonstiger preisreduzierter Ware ein Widerrufsrecht des Verbrauchers gilt3. 1 Vgl. Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 50; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 927. 2 Vgl. Arnold, CR 1997, 526, 531. 3 LG Waldshut-Tiengen vom 7.7.2003, WRP 2003, 1148.
193
783
D. Fernabsatzrecht
784
Ein Unternehmer ist nicht verpflichtet, für jeden angebotenen Artikel gesondert anzugeben, ob dem Verbraucher insoweit ein Widerrufsrecht zusteht, und folglich für Fernabsatzverträge im elektronischen Geschäftsverkehr verschiedene Versionen der AGB zu verwenden. Vielmehr kann die Belehrung über das Nichtbestehen eines Rückgaberechts sich auf die Wiedergabe der Ausnahmevorschriften im Gesetzestext beschränken. Es ist zwar nach Auffassung des BGH nicht von der Hand zu weisen, dass Auslegungszweifel über die gesetzlichen Ausschlusstatbestände bestehen. Diese würden aber nicht dadurch beseitigt, dass der Händler im Einzelfall den jeweiligen Fernabsatzvertrag einem Ausschlusstatbestand zuordnet und darauf hinweist, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht. Vielmehr würden dem Verbraucher weniger Informationen zur Verfügung gestellt, als wenn der Wortlaut des Gesetzes wiedergegeben wird. Denn die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes ermöglicht ihm, eine abweichende Meinung zu bilden und entsprechend darauf zu reagieren1.
785
Schon aus § 312 g BGB ergibt sich, dass Vereinbarungen, die von den Vorschriften der §§ 312 b ff. BGB zum Vorteil des Verbrauchers abweichen, ohne weiteres wirksam sind2. Daher steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, wenn in einem Fernabsatzvertrag ein solches Widerrufsrecht vereinbart wird, obwohl ein Ausnahmefall gemäß § 312 d Abs. 4 BGB vorliegt. Wenn ein Unternehmer in Unkenntnis eines gesetzlichen Ausschlussgrundes ein Widerrufsrecht des Verbrauchers in den Fernabsatzvertrag aufnimmt, kann er sich nicht auf § 312 d Abs. 4 BGB berufen.
786
➲ Praxistipp: Ungenau formulierte Belehrungen und Vertragsklauseln können leicht dazu führen, dass vertraglich ein Widerrufsrecht entsteht, das über das gesetzliche Widerrufsrecht hinausgeht. Dies ist nicht nur im Bereich des § 312 d Abs. 4 BGB der Fall, sondern auch dann, wenn Unternehmer über ein Widerrufsrecht belehrt werden, obwohl das gesetzliche Widerrufsrecht nur Verbraucher betrifft (§ 312 b Abs. 1 BGB). aa) Sammelausnahme: § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB
787
Nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB besteht kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ein Widerrufsrecht ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Ware sich auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung eignet oder schnell verderben kann oder wenn ihr Verfallsdatum bei einer Rücksendung überschritten würde. 1 BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 991 f. = ZGS 2010, 136; vgl. Härting/ Schätzle, ZGS 2010, 168, 171. 2 Grüneberg in Palandt, § 312 g Rdnr. 2; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/ Schuster, § 312 f Rdnr. 6.
194
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
Eine Lieferung von Waren nach Kundenspezifikation liegt vor bei Werklieferungsverträgen gemäß § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die vom Verbraucher bestellte Ware erst nach Vertragsschluss auf Grund der Anweisungen des Verbrauchers hergestellt werden kann1.
788
Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation i.S.d. § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB ist nicht bereits dann zu bejahen, wenn der Kunde die Ausstattung der Ware unter mehreren Varianten auswählt2. Vielmehr muss es sich um eine Ware handeln, die kein standardisiertes Massenprodukt ist und für die der Unternehmer nicht ohne weiteres einen anderen Abnehmer finden kann.3 Da es nur in einem solchen Fall gerechtfertigt ist, das Widerrufsrecht auszuschließen, greift die Ausnahme nicht bei Waren, die im Baukastensystem angeboten werden wie beispielsweise bei Notebooks (Built-to-order-Verfahren), deren Komponenten der Kunde selbst zusammenstellen kann4. Entscheidend ist stets, ob sich die Ware ohne größeren Kostennachteil nach der Rücksendung wieder auseinanderbauen und erneut verkaufen lässt5.
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Kaum zu unterscheiden von der Anfertigung nach Kundenspezifikation ist der weitere in § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB aufgeführte Fall von Waren, die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind6. Auch ein solcher Fall ist nur denkbar, wenn die Waren nach den individuellen Vorgaben des Verbrauchers hergestellt werden7.
790
Eine Ware ist nicht schon dann für eine Rücksendung ungeeignet gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB, wenn Transportschwierigkeiten bestehen8. Leicht zerbrechliche Waren, die dem Verbraucher mittels Fernabsatzes übersandt werden, können vom Verbraucher auf gleiche Weise zurückgesendet werden. Dies gilt beispielsweise für Möbelstücke, die in Einzel-
791
1 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 68. 2 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 68; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 274. 3 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 22; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 274; LG Stendal vom 23.1.2007, Az. 22 S 138/06; a.A. Waldenberger, K&R 1999, 345, 351. 4 Fischer, DB 2003, 1103, 1104 f.; Wendehorst, EWiR § 3 FernAbsG 1/03, 711, 712; BGH vom 19.3.2003, NJW 2003, 1665 = DB 2003, 1109 = VuR 2003, 353; OLG Dresden vom 23.8.2001, CR 2002, 180 = MDR 2002, 79 = ITRB 2002, 27; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638 mit Anm. Schirmbacher = ITRB 2002, 261 (Intveen). 5 BGH vom 19.3.2003, NJW 2003, 1665 = DB 2003, 1109 = VuR 2003, 353; OLG Dresden vom 23.8.2001, CR 2002, 180 = MDR 2002, 79 = ITRB 2002, 27; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638 mit Anm. Schirmbacher = ITRB 2002, 261 (Intveen); vgl. auch Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 d Rdnr. 27; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 24; Fischer, DB 2003, 1103, 1104 f. 6 Vgl. Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 274. 7 Vgl. Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 71; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 23. 8 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 72.
195
D. Fernabsatzrecht
teilen geliefert und vom Verbraucher zusammengebaut werden1, oder auch für Kontaktlinsen und Kontaktlinsenpflegemittel2. Dass die Rücksendung für den Verbraucher mit Aufwand verbunden oder eine Rücksendung in Originalverpackung3 unmöglich ist, rechtfertigt es nicht, zu Lasten des Verbrauchers das Widerrufsrecht auszuschließen. 792
Zur Rücksendung ungeeignet ist Heizöl, wenn das Heizöl durch die Vermischung mit anderem Heizöl im Tank des Verbrauchers die nach den einschlägigen DIN-Normen erforderlichen Eigenschaften verliert4. Ähnliches gilt beim Download von Computerprogrammen und Daten5. Lädt der Verbraucher Daten auf seine Computerfestplatte herunter, so ist er zu einer Rückgabe dieser Daten außerstande6. Er könnte dem Unternehmer zwar eine Kopie der Daten übermitteln und die heruntergeladenen Daten sodann löschen. Eine Rücksendung ist indes ausgeschlossen7.
793
Bei Heizöl kommt neben der Ausnahme gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB auch eine Anwendung des § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB in Betracht, da der Preis von Heizöl auf dem Finanzmarkt erheblichen Schwankungen unterliegt8.
794
Außer leicht verderblichen Lebensmitteln können auch andere verderbliche Verbrauchsgüter unter den Ausnahmetatbestand des § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB fallen9. Ein Beispiel sind Schnittblumen10, die eine Rückübersendung an den Unternehmer in aller Regel nicht überleben würden. Keine Ausnahme gilt dagegen für Textilien, die sich trotz etwaiger Gebrauchsspuren ohne Weiteres für eine Rücksendung eignen. Eine Widerrufsbelehrung, die das Widerrufsrecht für „getragene und mit Gebrauchsspuren versehene Unterwäsche“ ausschließt, ist daher unzutreffend11. 1 Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 d Rdnr. 28. 2 OLG Hamburg vom 20.12.2006, WRP 2007, 1121; vgl. auch Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 117, 121 f. 3 Siehe Rz. 824. 4 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/2920, S. 4 und die Erwiderung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2920, S. 13. 5 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44; Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 74; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 275; offen bei Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 27; zweifelnd auch Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 d Rdnr. 73; a.A. Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 d Rdnr. 29. 6 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 74; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 275; Härting, VuR 2001, 11, 14; a.A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 d Rdnr. 73; Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 d Rdnr. 29; Roth/Schulze, RIW 1999, 924, 928. 7 Härting, VuR 2001, 11, 14; Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44. 8 LG Duisburg vom 22.5.2007, MMR 2008, 356; siehe Rz. 816 f. 9 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 30. 10 Gößmann, MMR 1998, 88, 90. 11 OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, MMR 2007, 322, 323.
196
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
Waren, deren Verfallsdatum durch eine Rückübersendung überschritten würde, können neben den von § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB ohnehin schon erfassten leicht verderblichen Lebensmitteln beispielsweise Medikamente sein1. Bei Fertigarzneimitteln mit langer Haltbarkeit kann sich ein Ausschluss des Widerrufsrechts daraus ergeben, dass das Arzneimittelrecht den Weiterverkauf zurückgegebener Arzneien vielfach verbietet. Insoweit erscheint die Annahme sachgerecht, dass Arzneimittel gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB zur Rücksendung „ungeeignet“ sind2. Ähnliches gilt für angebrochene Kosmetika und erotische „Hygieneartikel“3.
795
Für einen Vertrag zur Lieferung von Strom und Gas hat der BGH dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die FARL eine Ausnahme von dem Widerrufsrecht vorschriebt. Nach dem Wortlaut des § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB komme es für die Feststellung, ob eine Ware für eine Rücksendung geeignet ist, auf deren Beschaffenheit an. Diese bilde den Ausgangspunkt für die Entscheidung, ob eine Rücksendung möglich ist oder nicht. Bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas, die nach den üblichen Versorgungsverträgen mit Verbrauchern nicht zur Speicherung, sondern zum sofortigen Verbrauch bestimmt seien, scheide eine Rücksendung derselben Ware durch den Verbraucher aus. Dies spreche dafür, sie aufgrund ihrer Beschaffenheit als zur Rücksendung nicht geeignet anzusehen4.
796
Aus der Gesetzesbegründung zu § 312 d Abs. 4 BGB ergibt sich allerdings nach Auffassung des BGH, dass der Gesetzgeber bei diesem Ausnahmetatbestand weniger den Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit der Rücksendung im Blick hatte als vielmehr Fälle, in denen ein Widerrufsrecht und die Rücksendung der Ware für den Unternehmer nicht zumutbar sind. Eine vergleichbare Unzumutbarkeit der Rücksendung liege bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas nicht vor. Die Rücksendung sei vielmehr unmöglich, weil der Kunde die Ware im Zeitpunkt der Lieferung stets sofort verbraucht. Unter diesem Gesichtspunkt seien Strom und Gas eher sonstigen Waren vergleichbar, die zum Verbrauch durch den Kunden bestimmt sind und im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs bereits verbraucht worden sind, ohne dass dies zu einem Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 312 d Abs. 4 BGB führe5.
797
bb) Entsiegelte Datenträger
Nach § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB besteht kein Widerrufsrecht bei Verträgen über die Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Soft1 Härting, FernAbsG, § 3 Rdnr. 77. 2 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379; Mand, NJW 2008, 190, 191 f.; a.A. AG Köln vom 31.5.2007, NJW 2008, 236. 3 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379. 4 BGH vom 18.3.2009, WRP 2009, 735, 736. 5 BGH vom 18.3.2009, WRP 2009, 735, 736 f.
197
798
D. Fernabsatzrecht
ware, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind. 799
§ 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB schützt Urheberrechte1. Würde man ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei der Lieferung bespielter Ton- und Bildträger sowie Software unbeschränkt zulassen, würde dies die unkontrollierte Anfertigung von Raubkopien ermöglichen. Der Verbraucher könnte die Ton-, Bild- bzw. Datenträger in aller Ruhe vervielfältigen und sodann an den Unternehmer zurücksenden.
800
Anwendbar ist § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB nur, wenn tatsächlich eine physische Versiegelung gebrochen wird2. Passwortschutz kann allenfalls dann als eine solche Sperre angesehen werden, wenn dieser gerade zum Urheberrechtsschutz geschaffen wurde3. § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB lässt sich nicht erstrecken auf andere, in der Ausnahmebestimmung nicht genannte Waren (z.B. elektrische Geräte4, Kontaktlinsen5 oder Bücher), die in Schutzverpackungen geliefert werden.
801
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers hängt davon ab, ob der Unternehmer den jeweiligen Datenträger versiegelt geliefert hat. Sieht der Unternehmer von einer Versiegelung ab, so bleibt dem Verbraucher das Widerrufsrecht mit sämtlichen Missbrauchsmöglichkeiten erhalten6. Bei der Lieferung eines versiegelten Datenträgers sorgt § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB dagegen für eine befriedigende Lösung, indem das Schicksal des Widerrufsrechts in die Hand des Verbrauchers gelegt wird, der mit der Entsiegelung des Datenträgers das Widerrufsrecht verliert7.
802
Von einer Versiegelung kann nur bei einer gewissen Festigkeit der Verbindung zwischen Ware und Umhüllung die Rede sein. Der bloße Verschluss einer CD- oder DVD-Hülle mit handelsüblichen Klebestreifen8 reicht für eine Versiegelung ebenso wenig aus wie eine schlichte Cellophanhülle, da einer solchen Verpackung die Prüf- und Besinnungsfunktion fehlt9.
803
Wird Hard- und Software zusammen verkauft, kann sich der Unternehmer trotz Versiegelung nicht auf einen Ausschluss des Widerrufsrechts für das Gesamtpaket berufen10. 1 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44; Härting/Schirmbacher, MDR 2000, 917, 921; Micklitz, ZEuP 1999, 875, 887. 2 LG Frankfurt a.M. vom 18.12.2002, CR 2003, 412 = ITRB 2003, 170. 3 Vgl. Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 d Rdnr. 33; Günther, ITRB 2002, 9, 12; LG Frankfurt a.M. vom 18.12.2002, CR 2003, 412 = ITRB 2003, 170. 4 LG Düsseldorf vom 17.5.2006, WRP 2006, 1270, 1271. 5 OLG Hamburg vom 20.12.2006, WRP 2007, 1121. 6 Vgl. Arnold, CR 1997, 526, 531 f.; Härting, CR 1999, 507, 510. 7 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 44. 8 Vgl. LG Dortmund vom 26.10.2006, Az. 16 O 55/06. 9 OLG Hamm vom 30.3.2010, K& R 2010, 411, 412 mit Anm. Dehißelles. 10 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380; AG Aachen vom 28.6.2004, Az. 80 C 238/04.
198
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
Die Entsiegelung lässt das Widerrufsrecht nur entfallen, wenn sie vom Verbraucher selbst oder auf dessen Veranlassung vorgenommen wird. Eine undifferenzierte Belehrung des Verbrauchers darüber, dass kein Widerrufsrecht bestehe, wenn „die gelieferten Datenträger vom Kunden oder einem Dritten entsiegelt worden sind“, ist daher unzutreffend1.
804
Systematisch ist § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB eine verunglückte Norm, da das Widerrufsrecht bei der Lieferung versiegelter Datenträger gerade nicht ausgeschlossen ist, sondern lediglich erlischt, sobald es zur Entsiegelung kommt2. § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB regelt daher – ähnlich wie § 312 d Abs. 3 BGB – den Fall des Erlöschens eines Widerrufsrechts und nicht den Fall eines Ausschlusses 3.
805
➲ Praxistipp: Der Unterschied zwischen § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB und den „echten“ Ausnahmen vom Widerrufsrecht zeigt sich bei der Widerrufsbelehrung. Während der Verbraucher beispielsweise bei Zeitungsabonnements wegen § 312 d Abs. 4 Nr. 3 BGB nicht über ein Widerrufsrecht belehrt werden braucht, ist eine Widerrufsbelehrung bei der Lieferung versiegelter Datenträger unabdingbar. Die Belehrung muss dann einen Satz zum Erlöschen bei Entsiegelung enthalten: „Das Widerrufsrecht erlischt bei Entsiegelung der Verpackung.“
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cc) Zeitungsabonnements
Auch wenn es nicht unbedingt einleuchtet, weshalb der Verbraucher berechtigt sein soll, bei einer Buchbestellung, nicht jedoch bei einem Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnement den Vertrag zu widerrufen4, sieht § 312 d Abs. 4 Nr. 3 BGB eine Ausnahme vom Widerrufsrecht für Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten vor, sofern es sich nicht um ein Abonnement handelt, das der Verbraucher telefonisch bestellt hat.
807
Ein Vertrag über die Lieferung eines Kino(jahres)kalenders erfüllt die Voraussetzungen des § 312 d Abs. 4 Nr. 3 BGB nicht5.
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dd) Wett- und Lotteriegeschäfte
Ein wesentliches Merkmal von Wett- und Lotteriegeschäften ist das spekulative Element. Ein Widerrufsrecht würde diese Geschäfte mit Unsicherheiten belasten und die Abwicklung von Wetten und Lotterien erheblich erschweren. Dies erklärt den Ausschluss des Widerrufsrechts bei 1 LG Hamburg vom 14.10.2005, Az. 406 O 166/05; vgl. Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 376. 2 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 34. 3 Vgl. Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1425. 4 Vgl. aber Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 36. 5 OLG Hamburg vom 27.3.2003, NJW 2004, 1114, 1115.
199
809
D. Fernabsatzrecht
Fernabsatzverträgen zur Erbringung von Wett- und Lotterie-Dienstleistungen (§ 312 d Abs. 4 Nr. 4 BGB)1. 810
Nicht unter § 312 d Abs. 4 Nr. 4 BGB fallen Verträge mit Internet-Lottotippgemeinschaften. Bei diesen Verträgen handelt es sich nicht um Verträge über eine Wett- oder Lotteriedienstleistung, sondern um Geschäftsbesorgungsverträge2. ee) Versteigerungen
811
Gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen bei Verträgen, die in der Form von Versteigerungen geschlossen werden. Dieser Norm liegt die Absicht zugrunde, dem Ersteigerer bei Internetauktions-Plattformen wie Ebay kein Widerrufsrecht zu gewähren, um die Versteigerung von Waren im Internet nicht unangemessen zu behindern3.
812
Als die Vorgängernorm des § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG in Kraft trat, entsprach es einer weitverbreiteten Auffassung, dass Internetauktionen Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB sind. Erst seit dem ebenso überzeugenden wie grundlegenden Ricardo-Urteil des BGH4 hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass Verträge bei Internetauktionen in aller Regel nicht durch Zuschlag, sondern durch Angebot und Annahme zustande kommen5. Eine Versteigerung gemäß § 156 BGB liegt nur bei „Live-Auktionen“ vor, bei denen tatsächlich durch den Internetanbieter per Zuschlag bestimmt wird, wer Vertragpartner des Einlieferers wird6.
813
Wie schon § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG verweist auch § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB auf § 156 BGB. Aus dieser Verweisung hat der BGH geschlossen, dass das Widerrufsrecht bei typischen Internetauktionen nicht ausgeschlossen ist und Unternehmer, die als „Powerseller“ Onlineauktio-
1 Vgl. Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 38. 2 OLG Karlsruhe vom 27.3.2002, CR 2002, 682, 683. 3 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 33; vgl. auch Fuchs in Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, Rdnr. 318; Rüßmann/Reich, K&R 2000, 116, 117; Stögmüller, K&R 1999, 391, 395. 4 BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 363. 5 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 43; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 279; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1424; vgl. Wiebe in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Rdnr. 21 ff.; Czeguhn, ITRB 2001, 295, 295 f.; anders offenbar AG Bad Hersfeld vom 22.3.2004, MMR 2004, 500 mit Anm. Trinks. 6 Siehe Rz. 323 ff.
200
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
nen zum Warenvertrieb nutzen, den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehren müssen1. Wer – wie der BGH – ein Widerrufsrecht des Ersteigerers bejaht, kann sich zwar auf den Wortlaut der Norm berufen. Die Entstehungsgeschichte und der erkennbare Zweck der Ausnahme sprechen jedoch für eine korrigierende Auslegung des § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB2. Die Ausnahme ist ersichtlich auf typische Internetauktionen zugeschnitten, nichts anderes als diese Auktionen hatte der Gesetzgeber im Sinn. Der Verweis auf § 156 BGB ist ein Redaktionsversehen3.
814
Bedenklich weit geht es, wenn man es sogar für irreführend gemäß § 5 UWG erachtet, wenn der Verbraucher – dem Wortlaut des § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB folgend – belehrt wird, dass ihm bei Verträgen, die in Form von Versteigerungen geschlossen werden, kein Widerrufsrecht zusteht4.
815
ff) Spekulative Verträge
Durch § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB werden Verträge über Waren- und Finanzdienstleistungen vom Widerrufsrecht ausgenommen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Die Ausnahme entspricht wörtlich Art. 6 Abs. 2 lit. a FARLFDL. Als Beispiele führt der Regierungsentwurf Aktien, sonstige Wertpapiere, Devisen, Derivate, Anlagegold und Geldmarktinstrumente auf5. Durch § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB soll verhindert werden, dass der Verbraucher die Widerrufsfrist dazu nutzt, auf Kosten des Unternehmers zu spekulieren6.
1 BGH vom 3.11.2004, CR 2005, 53; LG Dortmund vom 22.12.2005, WRP 2006, 780; LG Hof vom 26.4.2002, CR 2002, 844 = MMR 2002, 760 = K&R 2002, 614; LG Offenburg vom 8.10.2002, Az. 1 S 89/02; AG Kehl vom 19.4.2002, NJW-RR 2003, 1060; AG Schwäbisch Gmünd vom 23.7.2002, ITRB 2003, 239; a.A. AG Bad Hersfeld vom 22.3.2004, MMR 2004, 500 mit Anm. Trinks; AG OsterholzScharmbeck vom 23.8.2002, ITRB 2003, 239; offen: AG Menden vom 10.11.2003, MMR 2004, 502; vgl. auch Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rdnr. 110; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 d Rdnr. 90 ff.; Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 312 d Rdnr. 36; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 43; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 279; Czeguhn, ITRB 2001, 295, 296; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1424; Lorenz, JuS 2000, 833, 840; Piepenbrock/Schmitz, K&R 2000, 378, 384; LG Hof vom 26.4.2002, CR 2002, 844 = MMR 2002, 760 = K&R 2002, 614; a.A. Heiderhoff, MMR 2001, 640, 642; Meents, CR 2000, 610, 614. 2 Vgl. Heiderhoff, MMR 2001, 640, 642; Meents, CR 2000, 610, 614. 3 A.A. Trinks, MMR 2004, 500, 501. 4 OLG München vom 31.1.2008, WRP 2008, 1396 (Ls.).; vgl. auch BGH vom 9.12.2009, NJW 2010, 989, 991 = ZGS 2010, 136; Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168, 171. 5 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/2946, S. 45. 6 Domke, BB 2007, 341, 341.
201
816
D. Fernabsatzrecht
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Die Ausnahme gilt für Finanzdienstleistungen, aber auch für die Lieferung von Waren, sodass ist beispielsweise auch der Handel mit Edelmetallen oder Heizöl1 von § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB erfasst ist. gg) Telekommunikative Dienste
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Im Zuge der letzten Reform des Fernabsatzrechts wurde mit § 312 d Abs. 4 Nr. 7 BGB eine Ausnahme geschaffen, für telefonische Dienstleistungen und für den Faxabruf2. Die Ausnahme gilt für Verträge über die Erbringung telekommunikationsgestützter Dienste, die auf Veranlassung des Verbrauchers unmittelbar per Telefon oder Telefax in einem Mal erbracht werden, und klammert dabei Finanzdienstleistungen aus. 2. Ausübung des Widerrufsrechts und Widerrufsfolgen
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Die Widerrufserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Textform3 oder durch Rücksendung der Sache gegenüber dem Unternehmer (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB) abzugeben ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Wort „Widerruf“ ausdrücklich verwendet wird. Allerdings muss dem Erklärungsempfänger erkennbar werden, dass das konkrete Vertragsverhältnis beendet werden soll4. Der Widerruf ist ein Gestaltungsrecht5 und daher grundsätzlich unwiderruflich6 und bedingungsfeindlich7. Beweispflichtig für den Zugang des Widerrufs ist der Verbraucher8.
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Im Übrigen finden auf die Ausübung des Widerrufsrechts und die Rechtsfolgen des Widerrufs die Vorschriften der §§ 346 ff. BGB entsprechende Anwendung (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Widerrufsrecht ist somit weitgehend an das vertragliche Rücktrittsrecht angeglichen worden.
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Wird das Widerrufsrecht ausgeübt, sind die Parteien gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, die jeweils empfangenen Leis1 LG Duisburg vom 22.5.2007, MMR 2008, 356. 2 Vgl. Föhlisch in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Mulitmedia-Recht, Teil 13.4 Rdnr. 283. 3 Siehe Rz. 354 f. 4 AG Schopfheim vom 19.3.2008, MMR 2008, 427. 5 Grüneberger in Palandt, § 355 Rdnr. 3; Larenz/Wolf, AT, § 39 Rdnr. 33; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 d Rdnr. 19; Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 4; Boemke, AcP 197 (1997), 161, 178; Bülow, ZIP 1999, 1293; Gernhuber, WM 1998, 1797, 1800; Windel, JuS 1996, 812, 815; a.A. BGH vom 14.1.1991, NJW 1991, 1052, 1053 f. = MDR 1991, 413; BGH vom 16.10.1995, NJW 1996, 57, 58 f. = MDR 1996, 247 f. 6 Ellenberger in Palandt, Überbl v § 104 Rdnr. 17; vgl. LAG Düsseldorf vom 16.1.1975, DB 1975, 1081. 7 Ellenberger in Palandt, Überbl v § 104 Rdnr. 17; Larenz/Wolf, AT, § 39 Rdnr. 33. 8 Wendehorst in MünchKomm-BGB, § 312 d Rdnr. 76.
202
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
tungen zurückzugewähren. Der Vertrag wird in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt1, wobei die Rückgewährverpflichtungen von den Parteien Zug um Zug zu erfüllen sind (§ 348 BGB). Eine AGB-Klausel, die so formuliert ist, dass der Eindruck entsteht, der Rückzahlungsanspruch (§ 346 Abs. 1 BGB) werde auf einen Gutschriftanspruch beschränkt, verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)2. Gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB ist der Verbraucher zur Rücksendung gelieferter Waren auf Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet. Allerdings dürfen dem Verbraucher bei einer Bestellung bis zu einem Betrag von 40 Euro die Rücksendekosten vertraglich auferlegt werden (§ 357 Abs. 2 Satz 3 BGB). Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ist dem Verbraucher auch eine unfreie Rücksendung gestattet; eine Vorschusspflicht für die Rücksendekosten besteht nicht3. Keine Rücksendekosten i.S.d. § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB (und damit nicht auf den Verbraucher abwälzbar) sind „Kosten des Widerrufs“4.
822
Die Belehrung über die Widerrufsfolgen stellt keine vertragliche Vereinbarung im Sinne des § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB dar. Es genügt daher nicht, wenn der Verbraucher ausschließlich in der Widerrufsbelehrung auf eine Verpflichtung zur Tragung von Rücksendekosten hingewiesen wird, da er dann nicht mit Gewissheit feststellen kann, dass eine Vereinbarung gelten soll, die von dem gesetzlichen Normalfall abweicht5.
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Auch wenn (ohne vertragliche Vereinbarung gemäß § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB) keine Vorschusspflicht für die Rücksendekosten besteht, darf der Unternehmer in seinen Geschäftsbedingungen um eine Verauslagung der Rücksendekosten – zur Vermeidung eines Strafportos – bitten6. Unzulässig sind indes die Klauseln „Unfrei versandte Rücksendungen werden nicht angenommen“7 und „Wichtiger Hinweis: Bitte senden Sie uns die Ware in der Originalverpackung zurück, legen Sie den beigefügten Rück-
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1 Grüneberg in Palandt, Einf v § 346 Rdnr. 6; Janßen in MünchKomm-BGB, vor § 346 Rdnr. 43 ff. 2 BGH vom 5.10.2005, NJW 2006, 211, 213. 3 Vgl. OLG Hamburg vom 14.2.2007, CR 2007, 455, 456 = MMR 2007, 530, 531; OLG Hamburg vom 12.9.2007, CR 2008, 116, 117; K&R 2007, 655, 656. 4 Vgl. LG Stuttgart vom 30.9.2005, MMR 2006, 341, 342. 5 OLG Hamburg vom 17.2.2010, MMR 2010, 320, 321 mit Anm. Föhlisch; OLG Hamm vom 5.1.2010, K&R 2010, 354 f.; OLG Hamm vom 30.3.2010, K&R 2010, 411, 412 mit Anm. Dehißelles; OLG Koblenz vom 8.3.2010, CR 2010, 392, 393; LG Dortmund vom 26.3.2009, Az. 16 O 46/09; a.A. LG Frankfurt a.M. vom 4.12.2009, K&R 2010, 208 f. 6 OLG Hamburg vom 20.4.2007, CR 2008, 183 = MMR 2008, 57, 58; vgl. auch Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1343. 7 OLG Hamburg vom 24.1.2008, CR 2008, 196, 197; LG Münster vom 4.4.2007, MMR 2008, 130; vgl. auch Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1341 f.; a.A. Becker/ Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380 f.
203
D. Fernabsatzrecht
sendeschein ausgefüllt dazu und verwenden Sie für die Rücksendung den Retourenaufkleber (nur für Artikel dieser Lieferung)“1. Gleiches gilt für eine Belehrung, die eine Rückerstattung auf den niedrigsten Satz beschränkt2. 825
Abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ist der Verbraucher zur Leistung von Wertersatz für eine durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch eintretende Verschlechterung der Sache verpflichtet, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden (§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB). Mit dem kurios anmutenden Hinweis ist eine Belehrung darüber gemeint, dass kein Wertersatz zu leisten ist, wenn die Ware lediglich ausprobiert, nicht jedoch weitergehend genutzt wird.
826
➲ Praxistipp: Der Hinweis auf den Wertersatz gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB ist zweckmäßigerweise mit in die nachvertraglichen Informationen aufzunehmen, die der Unternehmer dem Verbraucher gemäß § 312 c Abs. 3 BGB zukommen lassen muss. Für eine Überwälzung von Rücksendekosten nach § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB reicht die einseitig-nachvertragliche Belehrung dagegen nicht aus. Es bedarf vielmehr einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. Dies sollte bei der Abfassung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Internetshops und vergleichbaren Online-Angeboten bedacht werden.
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Ob § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB mit der FARL im Einklang steht, war lange Zeit zweifelhaft3. Denn Art. 6 Abs. 1 und 2 FARL sowie Erwägungsgrund 14 der FARL sehen vor, dass dem Verbraucher außer den Rücksendekosten keine Kosten auferlegt werden können, wenn er sein Widerrufsrecht ausübt. Das AG Lahr hat die Frage der Richtlinienkonformität dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt4. Der EuGH hat die Frage mit einem „Ja, aber...“ beantwortet. Grundsätzlich stehe die FARL einer Wertersatzpflicht für die bloße Nutzung der Ware durch den Käufer entgegen. Dies gelte indes nicht, wenn der Verbraucher die Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise genutzt habe und zugleich die Zielsetzung der Richtlinie nicht beeinträchtigt werde5. 1 Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1342; OLG Hamm vom 10.12.2004, NJW-RR 2005, 1582 f.; vgl. auch Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 436. 2 OLG Hamburg vom 5.7.2007, ITRB 2008, 129 (Stadler). 3 Vgl. Tonner in Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, § 357 Rdnr. 20 ff.; Arnold/ Dötsch, NJW 2003, 187; Brüggemeier/Reich, BB 2001, 213, 218 f.; Bülow, NJW 2002, 1145, 1150. 4 Schirmbacher, BB 2008, 694; AG Lahr vom 26.10.2007, MMR 2008, 207 f. mit Anm. Faustmann. 5 EuGH vom 3.9.2009, CR 2009, 671 ff. = K&R 2009, 703 f. mit Anm. Ballhausen = MMR 2009, 744 f. mit Anm. Damm; vgl. Schirmbacher, BB 2009, 2165 f.
204
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
Zunächst zu unterscheiden ist, zwischen dem Nutzungsersatz für die bloße Ingebrauchnahme nach Rücktrittsrecht (§ 346 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) und dem Wertersatz für die Verschlechterung, die durch die Ingebrauchnahme entstanden ist (§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB). Während es also zum einen um einen finanziellen Ausgleich für die Nutzung der Ware unabhängig von einer etwaigen Verschlechterung geht, kommt ein Wertersatz nach § 357 Abs. 3 BGB nur in Betracht, wenn die Ingebrauchnahme der Ware deren Wert vermindert hat. Daneben steht der Ersatz der Wertminderung, die durch eine übermäßige Nutzung der Ware entstanden ist1.
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Die Höhe der (prozentualen) Wertminderung hängt stark von dem Produkt ab. Während etwa Getränke oder Unterwäsche so gut wie unverkäuflich sind, nachdem sie „bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen worden“ sind, merkt man DVD-Playern und Vasen nicht an, wenn sie nur „probeweise“ eingesetzt wurden2.
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Wenn ein Rasierer durch Ingebrauchnahme wertlos geworden ist, entspricht der vom Verbraucher zu leistende Wertersatz dem Wert des Rasierers3.
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Bei Dienstleistungen ist der Verbraucher gemäß § 312 d Abs. 6 BGB zum Wertersatz verpflichtet, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt4.
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Die FARL gebietet es, § 312 d Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 357 Abs. 1 Satz 1 und § 346 Abs. 1 BGB so auszulegen, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Hinsendekosten nicht auferlegen darf, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht5. Dies hat der EuGH entschieden6. Vorangegangen war ein Vorlagebeschluss des BGH7.
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Bei der Rückabwicklung des Vertrages hat der Unternehmer keinen Anspruch auf Erstattung der Versandkosten oder auf Erhebung einer Versandkostenpauschale8. Unzulässig ist daher die Praxis mancher Versandhändler, im Falle des Widerrufs lediglich die Kosten der Ware zu erstat-
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1 2 3 4 5 6 7 8
Schirmbacher, BB 2009, 2165, 2166. Schirmbacher, BB 2009, 2165, 2166 f. AG Backnang vom 17.6.2009, K&R 2009, 747. Siehe Rz. 776 ff. BGH vom 7.7.2010, Az. VIII ZR 268/07. EuGH vom 15.4.2010, NJW 2010, 1941 ff. = K&R 2010, 394 f. mit Anm. Ultsch. BGH vom 1.10.2008, NJW 2009, 66 ff. BGH vom 7.7.2010, Az. VIII ZR 268/07; vgl. Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1340; OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001, CR 2002, 638 mit Anm. Schirmbacher = ITRB 2002, 261; OLG Karlsruhe vom 5.9.2007, CR 2008, 118, 119 f. = K&R 2007, 586, 588; LG Karlsruhe vom 19.12.2005, MMR 2006, 245; a.A. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380.
205
D. Fernabsatzrecht
ten. Anders könnte dies allenfalls dann zu beurteilen sein, wenn ein gesonderter (Dienstleistungs-)Vertrag über den Versand der Ware zum Verbraucher geschlossen wird1. Beim typischen Versendungskauf stellt sich der Versand jedoch aus Sicht des Verbrauchers als Teil der (einheitlichen) Leistungen des Verkäufers dar, sodass die Aufspaltung des Rechtsverhältnisses in einen Kauf- und einen Versendungsvertrag unnatürlich wäre und ausschließlich der Einschränkung der Verbraucherrechte im Fernabsatz dienen würde. Dies wiederum erfüllt den Tatbestand eines nach § 312 f Satz 2 BGB unzulässigen Umgehungsgeschäfts2. 834
Eine unzulässige Einschränkung des Widerrufs- (bzw. Rückgabe)rechts liegt auch vor, wenn die Ausübung des Rechts von der Rücksendung der Ware „in der Originalverpackung“ abhängig gemacht wird3. Die Ausübung des Rechts darf an keine weiteren als die gesetzlichen Voraussetzungen geknüpft werden. Unwirksam ist daher beispielsweise auch ein Ausschluss des Rückgaberechts für benutzte oder beschädigte Ware4. Eine Widerrufsbelehrung, die das Widerrufsrecht für „getragene und mit Gebrauchsspuren versehene Unterwäsche“ ausschließt, ist unzutreffend5. Auch eine Klausel, die einen 100 prozentigen Wertersatz vorsieht für den Fall, dass ein Kaufvertrag über Diät- und Lebensmittel widerrufen wird, obwohl die Packung bereits geöffnet worden ist und der Käufer keine niedrigere Wertminderung nachweisen kann, ist unzulässig, da die Beweislast für die Wertminderung (§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu Lasten des Verbrauchers umgekehrt wird6. 3. Rückgaberecht
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Nach § 312 d Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Unternehmer bei Warenlieferungen berechtigt, dem Verbraucher anstelle des Widerrufsrechts ein Rückgaberecht nach § 356 BGB einzuräumen.
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Gemäß § 356 Abs. 1 Satz 1 BGB kann das Widerrufsrecht durch ein Rückgaberecht nur ersetzt werden, wenn der Vertragsschluss auf Grund eines „Verkaufsprospekts“ erfolgt. Dies knüpft an das frühere Versandhandels1 Vgl. Schirmbacher, CR 2002, 642, 643. 2 OLG Karlsruhe vom 5.9.2007, K&R 2007, 586, 587; LG Karlsruhe vom 19.12.2005, MMR 2006, 245, 246. 3 Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3381; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1340 f.; Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 117, 121; OLG Frankfurt a.M. vom 10.11.2005, CR 2006, 195, 196; OLG Hamburg vom 20.12.2006, WRP 2007, 1121; OLG Hamm vom 10.12.2004, NJW-RR 2005, 1582; LG Coburg vom 9.3.2006, CR 2007, 59, 60 = K&R 2006, 533, 534; LG Düsseldorf vom 17.5.2006, WRP 2006, 1270, 1271; LG Frankfurt a.M. vom 9.3.2005, CR 2006, 210; LG Frankfurt a.M. vom 21.7.2006, CR 2007, 267, 268; LG Konstanz vom 5.5.2006, WRP 2006, 1156; LG Stuttgart vom 29.5.2006, WRP 2006, 1156. 4 Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 117, 122; LG Düsseldorf vom 17.5.2006, WRP 2006, 1270, 1271; LG Regensburg vom 15.3.2007, WRP 2007, 1020. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006, MMR 2007, 322, 323. 6 LG Dortmund vom 14.3.2007, ITRB 2008, 58 f. (Stadler).
206
III. Widerrufs- und Rückgaberecht (§ 312 d BGB)
privileg der § 8 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG a.F. und § 5 Abs. 4 Satz 2 HWiG a.F. an. Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung der §§ 355 ff. BGB entschieden, das Rückgaberecht zu einem einheitlichen Rechtsinstitut zu verfestigen, das – jedenfalls partiell – eine Alternative zu einem Widerrufsrecht darstellt1. Als Verkaufsprospekt ist jede geordnete Präsentation von Waren anzusehen2. Eine derartige Präsentation kann dem Verbraucher in gedruckter Form, per Telefax, auf einer CD-ROM oder einem anderen elektronischen Datenträger oder auch per E-Mail zur Verfügung gestellt werden. Einer Übermittlung des Verkaufsprospekts in Textform (§ 126 b BGB) bedarf es nicht3.
837
Auch Internetangebote sind als „Verkaufsprospekte“ anzusehen4. Hierfür spricht die äußere und funktionale Ähnlichkeit zwischen gedruckten Prospekten und Warenangeboten, die im Internet zu finden sind. Ebenso wie gedruckte Prospekte bieten Websites umfangreiche Informationen über die Waren, die dem Verbraucher angeboten werden. Die Informationsdichte ist bei einer Website keine andere als bei einem klassischen Katalog, sodass Abgrenzungen willkürlich erscheinen würden5.
838
Eine Anwendung des § 8 VerbrKrG a.F. auf Websites wurde vielfach mit der Begründung abgelehnt, dass eine Präsentation im Internet im Vergleich zu einem Katalog „flüchtig“ sei6. Diese „Flüchtigkeit“ nimmt § 356 BGB jedoch ausdrücklich hin, da das Gesetz nur für die Belehrung des Verbrauchers, nicht aber für den Verkaufsprospekt Textform verlangt (§ 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 360 Abs. 2 BGB)7.
839
Aus der Sicht des Unternehmers liegt der Vorteil eines Rückgaberechts darin, dass der Verbraucher von seinem Vertragslösungsrecht im Normalfall keinen Gebrauch machen kann, ohne zugleich die Kaufsache zurückzugeben (§ 356 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dem Unternehmer bleibt es somit erspart, nach Widerruf des Vertrages noch Mühe darauf verwenden zu müssen, die Kaufsache zurückzuerlangen8.
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Gemäß § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 360 Abs. 2 BGB ist der Verbraucher über das Rückgaberecht auf der Website in deutlich gestalteter Weise zu belehren. Darüber hinaus ist der Verbraucher beim Vertrags-
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1 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 48. 2 Härting, FernAbsG, Anh. § 3 Rdnr. 97; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312 d Rdnr. 99. 3 Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 437. 4 Vgl. LG Nürnberg-Fürth vom 19.12.2007, WRP 2008, 525, 526. 5 Ulmer in MünchKomm-BGB, § 356 Rdnr. 9; Ruff, Vertriebsrecht im Internet, S. 281; Köhler, NJW 1998, 185, 188; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2369 f. 6 Vgl. Borges, ZIP 1999, 130, 134; Hoeren/Oberscheidt, VuR 1999, 371, 378. 7 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/3195, S. 33. 8 Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 34.
207
D. Fernabsatzrecht
schluss nochmals in Textform über das Rückgaberecht zu informieren (Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB). 842
Für die Rechtsfolgen des Rückgaberechts gilt gegenüber dem Widerrufsrecht nur eine wesentliche Besonderheit. Die Kosten der Rücksendung dürfen dem Verbraucher bei der Ausübung des Rückgaberechts vertraglich nicht auferlegt werden (vgl. § 357 Abs. 4 i.V.m. § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB).
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➲ Praxistipp: Bei der Entscheidung, ob den Kunden ein Widerrufsrecht oder ein Rückgaberecht eingeräumt wird, sollte der Unternehmer vor allem den Durchschnittswert der veräußerten Ware und die voraussichtliche Bereitschaft seiner Kunden berücksichtigen, die Ware im Widerrufsfall tatsächlich zurückzusenden. Liegt der Wert der Durchschnittsbestellung über 40 Euro, ist das Rückgaberecht meist vorzuziehen.
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E. Urheberrecht
I. Schutz von Inhalten . . . . . . . . 1. Persönliche geistige Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz einzelner WebsiteElemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fotos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zeichnungen, Karten, Pläne, Tabellen . . . . . . . . . . . . . g) Datenbanken . . . . . . . . . . . . aa) Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . bb) Beispielsfälle . . . . . . . . cc) Amtliche Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Linklisten und Suchmaschinen . . . . . . . . . .
Rz. 848 849 852 852 863 865 871 873 875 879 883 889 891 892
II. Schutz von Software . . . . . . . . 894 III. Schutz des „Multimediawerkes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sammelwerk/ Datenbankwerk . . . . . . . . . . . . 2. Ausdrucksform des Quellcodes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Werk „sui generis“ . . . . . . . . . . IV. Urheberrechtsschutz im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Urheberpersönlichkeitsrechte a) Urheberbezeichnung . . . . . b) Erstveröffentlichung . . . . . . c) Entstellung, Beeinträchtigung, Verfremdung . . . . . . . 3. Einräumung von Nutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte . . . . . b) Internet als neue Werkart . aa) Neuregelung durch § 31 a UrhG . . . . . . . . . bb) Übergangsregelung für Altverträge (§ 137 l UrhG) . . . . . . . . . . . . . . .
899 902 905 909 910 911 916 917 923
Rz. cc) Begriff der Nutzungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . 942 dd) Bekanntheit der Internetnutzung . . . . . . . . . . 945 c) Zweckübertragungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947 4. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . 951 a) Öffentliche Zugänglichmachung (Upload) . . . . . . . . . . . 953 b) Vervielfältigung (Download) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965 aa) Vervielfältigungsrecht. 965 bb) Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 972 cc) Einräumung des Vervielfältigungsrechts . . . 975 dd) Einwilligung des Urhebers . . . . . . . . . . . . . . 979 ee) Kopierschutz . . . . . . . . 983 c) Nutzung fremder Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991 aa) Vervielfältigung der Datenbank . . . . . . . . . . 995 bb) „Abziehen“ von Daten 999 cc) Inhaltliche Übernahme von Daten . . . . 1006 5. Bearbeitung und freie Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012 6. Linking und Framing . . . . . . . . 1017 V. 1. 2. 3.
Schranken des Urheberrechts. 1020 Zitatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 Pressespiegel . . . . . . . . . . . . . . . 1028 Privatkopie . . . . . . . . . . . . . . . . 1035 a) Privilegierung . . . . . . . . . . . 1037 b) Tauschbörsen . . . . . . . . . . . . 1043 c) Online-Videorekorder . . . . . 1046
925 932 933 934 936
VI. Ansprüche des Rechteinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050 1. Beseitigung und Unterlassung 1052 2. Schadensersatz und Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1054 3. Abmahnung und Abmahngebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1065 4. Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1067
940
209
E. Urheberrecht
844
Das Urheberrecht ist im Zeitalter der Informationstechnologie einschneidenden Herausforderungen ausgesetzt. Das Internet ist einem Massenpublikum zugänglich; im Vergleich zu Buchdruck und Rundfunk sind die Kosten der Publikation von Informationen niedrig. Digitale Informationen sind zudem ohne nennenswerten Aufwand unendlich oft replizierbar.
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Ob Texte, Graphiken, Bilder, Videos oder Musik: Im Internet dreht sich alles um die Verbreitung von Inhalten unterschiedlichster Ausprägung.
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Aus der Sicht des Urhebers bietet das Internet zugleich große Chancen und erhebliche Risiken. Schnell und millionenfach baut das Internet Brücken vom Urheber zum Nutzer. So einfach der Nutzer über das Netz erreichbar ist, so unkontrollierbar ist die Verbreitung, Vervielfältigung und Nutzung von Inhalten.
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Das geistige Eigentum des Urhebers steht dem Zugriff zahlloser Internetnutzer zur Verfügung. Wer sich als Schöpfer einer geistigen Leistung in das Internet begibt, läuft Gefahr, dass sich Dritte seines geistigen Eigentums bemächtigen und es sich per Mausklick zu eigen machen. Der Kampf gegen den multimedialen Raub geistigen Eigentums gehört zu den zentralen Herausforderungen, denen das Urheberrecht im 21. Jahrhundert ausgesetzt ist.
I. Schutz von Inhalten 848
Für den Schutz von Website-Inhalten ist im Wesentlichen § 2 UrhG maßgebend. Schutzvoraussetzung ist somit stets das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG). Die Reichweite des Schutzes hängt von der Werkart ab, der die Inhalte zuzuordnen sind (§ 2 Abs. 1 UrhG)1. 1. Persönliche geistige Schöpfung
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Nicht jeder Website-Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Schutz besteht vielmehr nur, wenn eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt (§ 2 Abs. 2 UrhG).
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Damit Inhalte als persönliche geistige Schöpfung und somit gemäß § 2 Abs. 2 UrhG als Werk qualifiziert werden können, müssen sie von einem Menschen geschaffen sein, individuelle Züge tragen und sich dadurch
1 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 2; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 25.
210
I. Schutz von Inhalten
von anderen Werken unterscheiden. Es bedarf einer gewissen Gestaltungshöhe1. Das umstrittene2 Erfordernis der Gestaltungshöhe dient der Abgrenzung schutzwürdiger Produkte menschlicher Kreativität von bloßen Ergebnissen menschlichen Fleißes. Es gilt ein unterschiedlicher Maßstab je nach Schutzgegenstand3.
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2. Schutz einzelner Website-Elemente a) Texte
Textelemente auf Internetseiten können Sprachwerke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG sein. Dies setzt voraus, dass die Texte Raum für eine individuelle Gestaltung lassen und keine Form der Darstellung vorliegt, die sich aus der Natur der Sache ergibt oder durch Zweckmäßigkeit oder sachliche Notwendigkeiten vorgegeben ist4.
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Als Sprachwerke geschützt können literarische Texte sein, aber auch alle Arten von Beschreibungen, Bedienungsanleitungen, Kochrezepte, Werbeslogans, Nachrichtenbeiträge, Vertragstexte, Formulare, Geschäftsbedingungen, Rätsel und Spiele. Die Schutzfähigkeit kann sich aus der sprachlichen Form oder auch aus dem Inhalt ergeben5. Ist der Inhalt durch sachliche Notwendigkeiten vorgegeben – wie beispielsweise bei einem Wetterbericht – kann sich der Schutz allein aus der (individuellen) Form ableiten. Bei literarischen Texten ergibt sich der urheberrechtliche Schutz dagegen bereits aus dem Inhalt, ohne dass es weiterer Anforderungen an die Form der Darstellung bedarf.
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Zu verneinen ist die Schutzfähigkeit stets, wenn weder die Form noch der Inhalt eines Textes individuelle Züge tragen. Dies ist vielfach bei werbemäßigen Beschreibungen der Fall, wie sie häufig auf Websites vorkommen6. Derartige Beschreibungen sind nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn sie jedenfalls in ihrer Gesamtheit eine individuelle schöp-
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1 Vgl. A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 20, 30; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rdnr. 73 f.; Rehbinder, Urheberrecht, Rdnr. 152; Strömer, Online-Recht, S. 210.; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 23; Bechtold, ZUM 1997, 427, 428; Hoeren, GRUR 1997, 866, 870; Koch, NJW-CoR 1997, 298; Müller-Hengstenberg, NJW 1996, 1777, 1778. 2 Vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 24; BGH vom 9.5.1985 – Inkasso-Programm, BGHZ 94, 279, 287; BGH vom 14.6.1993, BGHZ 123, 208, 211. 3 A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 30; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 28f. 4 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 83; Bullinger in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 48. 5 Nordemann in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rdnr. 13; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 27. 6 Vgl. Schack, MMR 2001, 9, 10.
211
E. Urheberrecht
ferische Tätigkeit erkennen lassen. Ausgenommen bleiben Anordnungen, die durch Zweckmäßigkeit, Logik oder sachliche Erfordernisse vorgegeben sind1. Die für einen urheberrechtlichen Schutz notwendige Gestaltungshöhe kann sich allerdings auch daraus ergeben, dass der Internetauftritt sprachlich so geschickt gestaltet ist, dass eine Auflistung des Webseiten an der Spitze der Google-Suchergebnisse erscheint (Suchmaschinenoptimierung)2. 855
Zeitungsartikel und Zeitschriftenartikel stellen – ebenso wie Pressemitteilungen3 – in der Regel persönliche geistige Schöpfungen dar4. Die vielfältigen Möglichkeiten, ein Thema darzustellen, und die fast unerschöpfliche Vielzahl der Ausdrucksmöglichkeiten führen dazu, dass ein solcher Artikel nahezu unvermeidlich die Individualprägung seines Autors erhält. Eine Grenze der Schutzfähigkeit ist erst dort zu ziehen, wo es sich um kurze Artikel rein tatsächlichen Inhalts handelt, etwa um kurze Meldungen oder Informationen, bei denen die Darstellung im Bereich des Routinemäßigen bleibt5. Ein aus elf Wörtern bestehender Auszug eines Presseartikels kann allerdings bereits schutzfähig sein6.
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Vertragsmuster und Allgemeine Geschäftsbedingungen können Schriftwerke darstellen, sofern die Form und Art der Sammlung, die Einteilung des dargebotenen Stoffes und die Art der Darstellung individuelle schöpferische Züge trägt, die über eine bloß handwerks- oder routinemäßig erbrachte Leistung deutlich hinausgehen und das Vertragsmuster in seiner konkreten Gestaltung aus der Masse des Alltäglichen herausheben7.
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Für die Schutzfähigkeit eines Vertragsmusters sprechen die vorgenommene Stoffsammlung und eine folgerichtige und übersichtliche Anordnung, die den Parteien und Dritten im Konfliktfall einen schnellen Überblick über die Regelungsbereiche verschafft. Zudem kommt es darauf an, ob der Verfasser den Stoff in eine unmissverständliche sprachliche Form kleidet, die einerseits einer juristischen Überprüfung standhält, andererseits aber auch den Benutzern als juristischen Laien wenigstens so weit 1 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 83; LG Berlin vom 26.1.2006, ZUM-RD2006, 573 ff. 2 OLG Rostock vom 27.6.2007, CR 2007, 737, 738 = ITRB 2007, 249 (Wolff); LG Köln vom 12.8.2009, MMR 2010, 110 f. 3 Vgl. LG Hamburg vom 31.1.2007, ZUM 2007, 871, 872 = ITRB 2007, 180 f. (Stadler). 4 Vgl. Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 116; BGH vom 16.1.1997, GRUR 1997, 459, 460 f. – CB-infobank I, KG vom 30.4.2004, MMR 2004, 540, 541. 5 Strömer, Online-Recht, S. 212; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 116; KG vom 30.4.2004, MMR 2004, 540, 541; LG München I vom 15.11.2006, CR 2007, 465, 466. 6 EuGH vom 16.7.2009, K&R 2009, 707, 709 – Elektronischer Pressespiegel. 7 Vgl. BGH vom 10.10.1991, GRUR 1993, 34, 36 – Bedienungsanleitung; OLG Köln vom 27.2.2009, K&R 2009, 488, 489; LG Berlin vom 4.8.2005, CR 2005, 894, 895.
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I. Schutz von Inhalten
verständlich bleibt, als dass sie die eingegangenen Rechte und Pflichten erkennen können. Dies alles spricht für eine individuelle schöpferische Leistung, die eine rein handwerksmäßige Leistung deutlich überragt. Dabei steht der Rückgriff auf übliche Formulierungen in einzelnen Klauseln oder auf eine gebräuchliche Anordnung der Beurteilung als urheberschutzfähiges Werk nicht entgegen1. Zu weit geht es, wenn es das OLG Brandenburg für den urheberrechtlichen Schutz von Vertragswerken nicht genügen lässt, dass die Verträge „individuell, zweckmäßig und möglicherweise sogar gelungen“ sind und verlangt, dass es sich um „Spitzen- bzw. Ausnahmeprodukte“ handeln muss2. Nach diesem Maßstab wären Gebrauchstexte in aller Regel dem Schutz des Urheberrechts entzogen, ohne dass ersichtlich ist, weshalb die Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG für diese Werkgruppe derart restriktiv sein soll.
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Auch Geschäftsbriefe sind grundsätzlich als Sprachwerke schutzfähig. Bei Geschäftsbriefen findet der erforderliche schöpferische Gehalt seinen Niederschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes und nicht ohne weiteres auch – wie bei literarischen Werken – in der von der Gedankenformung und -führung geprägten sprachlichen Gestaltung des dargebotenen Inhalts3. Die Frage, ob ein Geschäftsbrief eine hinreichende schöpferische Eigentümlichkeit hat, bemisst sich nach dem geistigschöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, gegebenenfalls im Gesamtvergleich mit vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials4.
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Nichtamtliche Leitsätze gerichtlicher Entscheidungen können als Bearbeitungen der Entscheidungen gemäß § 3 UrhG selbständig geschützt sein5.
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Bei hinreichender schöpferischer Eigentümlichkeit kann ein Anwaltsschriftsatz zwar als Schriftwerk geschützt sein. Es bedarf hierfür jedoch
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1 LG Berlin vom 4.8.2005, CR 2005, 894, 895. 2 OLG Brandenburg vom 16.3.2010, Az. 6 U 50/09. 3 Vgl. BGH vom 21.11.1980, GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; BGH vom 27.2.1981, GRUR 1981, 520, 521 – Fragensammlung; BGH vom 29.3.1984, GRUR 1984, 659, 660 – Ausschreibungsunterlagen; BGH vom 9.5.1985, BGHZ 94, 276, 285 – Inkasso-Programm; BGH vom 17.4.1986, GRUR 1986, 739, 740 – Anwaltsschriftsatz; LG München I vom 12.7.2007, ITRB 2007, 181 (Wolff). 4 Vgl. BGH vom 9.5.1985, BGHZ 94, 276, 285 – Inkasso-Programm; LG München I vom 12.7.2007 = ITRB 2007, 181 (Wolff). 5 BGH vom 21.11.2001, BGHZ 116, 136 ff. – Leitsätze; OLG Köln vom 28.8.2008, K&R 2008, 691 f.
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E. Urheberrecht
eines deutlichen Überragens des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials1. Die Abfassung eines Anwaltsschreibens als „presserechtliches Warnschreiben“ reicht hierzu für sich allein nicht aus2. 862
Bei entsprechender Schöpfungshöhe können auch Filmbeschreibungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt sein3. Dasselbe gilt für Texte zur Beschreibung von Fernsehsendungen4, für die im Übrigen nicht die Privilegierung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) gilt5. b) Musik
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Sofern auf einer Website Musik verwendet wird, kommt ein Schutz der Musik nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG in Betracht. Dies setzt eine Komposition voraus, die auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit beruht6. Der Einsatz von Computern bei der Schöpfung der Musik schließt den urheberrechtlichen Schutz zwar nicht aus. Wird indes die Klangfolge von einem Computer vollständig vorgegeben, fehlt es an einer menschlichen Schöpfung7.
864
Mangels hinreichender Individualität ist der einzelne Ton oder Akkord nicht schutzfähig8. Als urheberrechtliches Werk geschützt ist dagegen ein Musikstück, das im Wege des Samplings aus einzelnen Bestandteilen anderer Musikstücke entstanden ist, sofern die Zusammenstellung der einzelnen Bestandteile individuelle Züge trägt9. c) Design
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§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG schützt Werke der bildenden Kunst, wobei der Begriff der bildenden Kunst Werke der Gebrauchskunst, d.h. Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung10, ausdrücklich mit umfasst. Zu den Werken der bildenden Kunst, die urheberrechtlich 1 BGH vom 17.4.1986, GRUR 1986, 739, 740 – Anwaltsschriftsatz; OLG München vom 16.10.2007, ZUM 2008, 991, 992. 2 OLG München vom 16.10.2007, ZUM 2008, 991, 992. 3 LG Köln vom 23.9.2009, ZUM 2010, 369 ff. 4 LG Leipzig vom 22.5.2009, K&R 2009, 663, 665. 5 OLG Dresden vom 15.12.2009, K&R 2010, 420, 421 f. 6 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 119; Bullinger in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 70. 7 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 69; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 122; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 125; Czychowski in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rdnr. 65. 8 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 122; Bullinger in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 71 m.w.N. 9 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 69; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 122; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 71. 10 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 156.
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I. Schutz von Inhalten
geschützt sind, gehören beispielsweise zwei- oder dreidimensionale Figuren, aber auch graphisch gestaltete Bildschirmschoner sowie sonstige Graphiken und Layoutelemente, sofern die von § 2 Abs. 2 UrhG geforderte Gestaltungshöhe erreicht wird1. Auch Handy-Logos können die Kriterien des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllen2. Bei der Bestimmung der Anforderungen an die Gestaltungshöhe gilt für angewandte Kunst ein strenger Maßstab. Die „kleine Münze“ wird bei der Gebrauchskunst urheberrechtlich nicht geschützt3. Zu beachten ist das Stufenverhältnis zum Geschmacksmusterrecht: Die handwerkliche und industrielle Formgebung wird primär durch das Geschmacksmusterrecht geschützt. Nur wenn sich eine Leistung der Gebrauchskunst aus der Masse des Alltäglichen abhebt und von der Individualität des Künstlers geprägt ist, greift § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG4. Bei Designleistungen ist ein deutliches Überragen der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung des rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen erforderlich5.
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Die hohen Hürden für den urheberrechtlichen Schutz angewandter Kunst bringen es mit sich, dass Ausdrucksformen der Gebrauchsgraphik regelmäßig nicht durch das Urheberrecht geschützt sind. Dies gilt ganz allgemein für die Werbegraphik6, aber auch beispielsweise für das Layout einzelner Internetseiten sowie für Laufschriften, animierte Icons und ähnliche Gestaltungselemente einer Website7.
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Eine Bilddatei, die den dreidimensionalen Entwurf eines Messestands zeigt, erfüllt die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG nicht, wenn der Entwurf typische Anforderungen an das Design eines Messestands auf technisch angemessene und handwerklich überzeugende Weise umsetzt, ohne dabei besondere, das Durchschnittskönnen eines mit dem Fachgebiet vertrauten Designers überragende Kreativität erkennen zu lassen8. Auch ein virtuelles Modell des Kölner Doms, das für die Plattform „Second Life“ erstellt worden war, war nach Auffassung des LG Köln als Werk der angewandten Kunst nicht schutzfähig9.
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1 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 72. 2 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 105; OLG Hamburg vom 25.3.2004, MMR 2004, 407. 3 Schulze in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rdnr. 108. 4 A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 164; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 157. 5 BGH, Urt. vom 22.6.1995, ZUM 1995, 790, 791; KG vom 19.11.2004, CR 2005, 672, 672 mit Anm. Klawitter; vgl, auch Härting/Kuon, ITRB 2006, 266, 266. 6 Vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 102. 7 Vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 104. 8 OLG Köln vom 20.3.2009, CR 2010, 223, 224 = ITRB 2010, 127 (Wolff). 9 LG Köln vom 22.4.2008, CR 2008, 463 ff.; a.A. Büchner, K&R 2008, 425.
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E. Urheberrecht
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Urheberrecht und Geschmacksmusterrecht1 sind wesensverwandt. Letzteres schützt Muster und Modelle als geistige Schöpfungen allerdings auf einem niedrigeren Niveau als das Urheberrecht, weil Geschmacksmuster keine persönlichen geistigen Schöpfungen, sondern lediglich neu und eigenartig sein müssen (§ 2 GeschmMG). Das Geschmacksmuster ist ein industrielles Schutzrecht zur gewerblichen Verwertung des Designs. Ein deutsches Geschmacksmuster entsteht mit Eintragung in das Musterregister beim Deutschen Patent- und Markenamt (§ 27 Abs. 1 GeschmMG). Nach der EG-Verordnung zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGVO) vom 12.12.20012 kann allerdings Schutz auch für nicht eingetragene Muster erlangt werden3.
870
Um einen Schutz als Geschmacksmusterrecht zu erlangen, muss ein Design neu und eigenartig sein. Neuheit bedeutet, dass kein anderes identisches Muster vorbesteht, während Eigenart dann gegeben ist, wenn sich der Gesamteindruck des Musters, den es bei einem informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes veröffentlichtes oder eingetragenes Muster oder Modell bei diesem Benutzer erweckt4. d) Fotos
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Soweit auf einer Website Fotos verwendet werden, kommt ein Schutz als Lichtbildwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder Lichtbild (§ 72 UrhG) in Betracht5. Handelt es sich um Fotos, die durch eine schöpferische Leistung entstanden sind (§ 2 Abs. 2 UrhG), sind die Schutzvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG erfüllt. Fehlt es an einem schöpferischen Akt, besteht ergänzender Leistungsschutz nach § 72 UrhG. Da § 72 UrhG das Lichtbild dem Lichtbildwerk weitestgehend gleichstellt6, hat die Unterscheidung zwischen Lichtbildwerken und Lichtbildern keine nennenswerte praktische Bedeutung7.
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Für den Schutz von Fotos nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 und § 72 UrhG kommt es nicht auf die Herstellungsform an. Das Aufnahmeverfahren ist ebenso unerheblich wie das Trägermaterial. Erzeugnisse, die ähnlich wie herkömmliche Lichtbildwerke bzw. Lichtbilder hergestellt werden (z.B. digital erzeugte Fotos), werden den Lichtbildwerken bzw. Lichtbildern in § 2
1 Härting/Kuon, ITRB 2006, 266, 266. 2 EG-Verordnung Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster. 3 Vgl. KG vom 19.11.2004, CR 2005, 672 f. mit Anm. Klawitter. 4 Härting/Kuon, ITRB 2006, 266, 266; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 974. 5 Vgl. LG München vom 14.11.2002, CR 2003, 526, 527. 6 Vgl. Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 177; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 112. 7 Hullen, ITRB 2008, 156, 157.
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I. Schutz von Inhalten
Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 72 UrhG ausdrücklich gleichgestellt1. Es muss sich nicht um Bilder handeln, die unter Benutzung „strahlender Energie“ erzeugt wurden2, sodass auch eine Bildbearbeitung am Computer nichts an der Schutzfähigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 72 UrhG ändert3. e) Videos
Für Filmwerke i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und 88 ff. UrhG sowie für Laufbilder i.S.d. § 95 UrhG gilt Ähnliches wie für Lichtbildwerke bzw. Lichtbilder. Unabhängig von der Art der Herstellung sind Videos als Filmwerke i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und 88 ff. UrhG geschützt, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten. Fehlt es an den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG, findet die Schutznorm des § 95 UrhG Anwendung. § 95 UrhG stellt einfache Laufbilder ohne schöpferischen Inhalt den urheberrechtlich geschützten Filmwerken weitgehend gleich4.
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Der Schutz als Filmwerk bzw. Laufbild gilt unabhängig von deren Art und Inhalt, sodass beispielsweise auch kurze Musikvideoclips, computeranimierte Sequenzen, Live-Übertragungen und Werbefilme schutzfähig sind5. Auch Computerspiele6 sind – je nach Gestaltungshöhe – als Filmwerke oder Laufbilder geschützt7.
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f) Zeichnungen, Karten, Pläne, Tabellen
Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen werden durch § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt. Geschützt sind danach unter anderem auch kartographische Gestaltungen (z.B. Stadtpläne)8.
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Kartographische Gestaltungen können selbst dann, wenn sie in der Gesamtkonzeption (insbesondere bei der Gestaltung des Kartenbildes) keine schöpferischen Züge aufweisen (wie z.B. bei der Erarbeitung eines einzel-
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1 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 78; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 176; Nordemann in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rdnr. 128. 2 A.A. OLG Köln vom 20.3.2009, CR 2010, 223 ff . 3 A.A. OLG Hamm vom 24.8.2004, MMR 2005, 106, 107 = K&R 2005, 141, 143. 4 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 95 Rdnr. 1f. 5 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 181; Nordemann in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, § 9 Rdnr. 162. 6 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 183; vgl. LG München I vom 17.2.2004, ZUM-RD 2004, 373 ff. – Moorhuhn. 7 Vgl. Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 81. 8 Vgl. BGH vom 23.6.2005, WRP 2005, 1173, 1176 – Karten-Grundsubstanz; OLG Hamburg vom 28.4.2006, K&R 2006, 528, 528; LG München I vom 15.11.2006, CR 2007, 674, 674 = MMR 2007, 396, 397; AG Charlottenburg vom 11.4.2005, ZUM 2005, 578, 579.
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E. Urheberrecht
nen topographischen Kartenblatts nach einem vorbekannten Muster), urheberrechtlich schutzfähig sein. Auch bei einer Bindung an vorgegebene Zeichenschlüssel und Musterblätter kann dem Entwurfsbearbeiter oder Kartografen (etwa bei der Generalisierung und Verdrängung) ein für die Erreichung des Urheberrechtsschutzes genügend großer Spielraum für individuelle kartographische Leistungen bleiben. Die Anforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit sind insoweit bei kartographischen Gestaltungen gering; bei der Beurteilung, ob die Mindestanforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt sind, wird ein großzügiger Maßstab angewendet1. Allerdings folgt aus einem geringen Maß an Eigentümlichkeit auch ein entsprechend enger Schutzumfang für das betreffende Werk2. 877
Ein Schutz der Bildschirmoberfläche nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG kommt in Betracht, wenn der Benutzer über das Übliche hinausgehend anschaulich durch verschiedene Ebenen und Funktionen des Programms geleitet wird3.
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Einer Bildschirmeingabemaske fehlt es an der erforderlichen Schöpfungshöhe, wenn die Eingabefelder ganz überwiegend durch sachliche Erfordernisse vorgegeben sind. Eine schöpferische Leistung kann dann zwar noch in der Gestaltung des Formulars – insbesondere der Anordnung der Felder – liegen. Die Gestaltung muss in einem solchen Fall jedoch über das rein Handwerkliche hinausgehen4. g) Datenbanken
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Ein Datenbankwerk ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die auf Grund der Auswahl und Anordnung ihrer Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind, wobei die Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sein müssen (§ 4 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 UrhG).
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Für einen Schutz als Datenbankwerk genügt es, dass die Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers ist. Es reicht aus, dass die Sammlung in ihrer Struktur, die 1 BGH, Urt. vom 20.11.1986, GRUR 1987, 360, 361 – Werbepläne; BGH vom 2.7.1987 – I ZR 232/85, GRUR 1988, 33, 35 = WRP 1988, 233, 234 – Topographische Landeskarten; BGH vom 23.6.2005, WRP 2005, 1173, 1176 – Karten-Grundsubstanz; BGH vom 28.5.1998, BGHZ 139, 68, 73 – Stadtplanwerk. 2 BGH vom 23.6.2005, WRP 2005, 1173, 1176 – Karten-Grundsubstanz; vgl. BGH vom 2.7.1987, GRUR 1988, 33, 35 = WRP 1988, 233, 234 – Topographische Landeskarten. 3 Vgl. LG Köln vom 15.6.2005, MMR 2006, 52, 53 = ZUM 2005, 910, 912f. 4 OLG Karlsruhe vom 14.4.2010, K&R 2010, 414, 415 mit Anm. Otto = GRUR-RR 2010, 234 ff.
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I. Schutz von Inhalten
durch Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank geschaffen worden ist, einen individuellen Charakter hat1. Anstelle oder neben § 4 Abs. 2 UrhG kann der Leistungsschutz als (einfache) Datenbank gemäß §§ 87 a ff. UrhG treten2. Dieser Schutz setzt keine persönliche geistige Schöpfung voraus3 und greift ein, wenn der Datenbankhersteller zur Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Inhalte eine nach Art und Umfang wesentliche Investition getätigt hat (§ 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG).
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Die am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen §§ 87 a bis 87 e UrhG sind nach § 137 g Abs. 2 Satz 1 UrhG auf Datenbanken anzuwenden, die seit dem 1. Januar 1983 hergestellt worden sind; ältere Datenbanken unterliegen daher grundsätzlich nicht dem Schutz der §§ 87 a ff. UrhG4.
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aa) Schutzvoraussetzungen
Eine systematische oder methodische Anordnung setzt voraus, dass nicht lediglich ungeordnet Daten zusammengestellt werden, wie dies beispielsweise bei einer einfachen Preisliste der Fall ist. Entscheidend ist die Wiederauffindbarkeit einzelner Datenbankelemente durch ein Abfragemittel5. Die darüber hinaus von § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG geforderte Zugänglichkeit der einzelnen Daten bedeutet, dass sich die Datensammlung auf einem festen Träger befinden und ein technisches oder anderes Mittel aufweisen muss, das es ermöglicht, jedes in der Sammlung enthaltene Element aufzufinden6.
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Mit dem Erfordernis einer nach Art oder Umfang wesentlichen Investition zur Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Elemente hat § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG die in Art. 7 Abs. 1 der EG-Datenbankrichtlinie angeführte Schutzvoraussetzung übernommen. Nach der Neunten, Zehnten und Zwölften Begründungserwägung der Richtlinie soll die Richtlinie Investitionen in „Datenspeicher- und Datenverarbeitungs“-Systeme fördern und schützen, die zur Entwicklung des Informa-
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1 BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 465, 467 – Gedichttitelliste I; vgl. auch Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 4 Rdnr. 12, 19; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rdnr. 290; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 4 Rdnr. 33 ff.; von Lewinski in Walter, Europäisches Urheberrecht, Datenbank-RL Art. 3 Rdnr. 8 f.; Marquardt in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 4 UrhG Rdnr. 11; Haberstumpf, GRUR 2003, 14, 20 ff. 2 Eingefügt durch Art. 7 IuKDG in Umsetzung der Richtlinie Nr. 96/9 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. 3 Vgl. Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, Vor §§ 87 a ff. Rdnr. 28. 4 Vgl. BGH vom 3.11.2005, NJW-RR 2006, 1132, 1134 = WRP 2006, 765, 767 – Michel-Nummern. 5 Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 87 a Rdnr. 19. 6 Vgl. EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 255 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 = K&R 2005, 515, 516 – Marktstudien.
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E. Urheberrecht
tionsmarktes in einem Rahmen beitragen, der durch eine exponentielle Zunahme der Daten geprägt ist, die jedes Jahr in allen Tätigkeitsbereichen erzeugt und verarbeitet werden1. 885
Als wesentlich zu berücksichtigen sind zunächst die Investitionen, die der Erstellung der Datenbank als solche dienen2. Zu den mit der Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investitionen zählen auch diejenigen Mittel, die zur Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Überprüfung und Zusammenstellung in der Datenbank eingesetzt werden, während hierzu nicht die Mittel zu rechnen sind, die aufgewandt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus denen der Inhalt der Datenbank besteht3.
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Zu den zu berücksichtigenden Investitionen gehören auch Mittel, die der Kontrolle der Richtigkeit der ermittelten Elemente bei der Erstellung der Datenbank und während des Zeitraums des Betriebs dieser Datenbank gewidmet werden, um die Verlässlichkeit der in der Datenbank enthaltenen Informationen sicherzustellen4. Dasselbe gilt für die Kosten für Pflege und Wartung, die zu den Aufwendungen für die aktualisierende Überprüfung der Datenbank zählen, sowie für die Kosten der beim Aufbau und für den Zugang verwendeten Computerprogramme, bei denen es sich um ein für die Darstellung des Datenbankinhalts unerlässliches, wenngleich von der elektronischen Datenbank selbst zu unterscheidendes Hilfsmittel handelt5.
887
Der Begriff, der mit der Darstellung des Inhalts der Datenbank verbundenen Informationen, bezieht sich auf die Mittel, mit denen dieser Datenbank ihre Funktion der Informationsverarbeitung verliehen werden soll. 1 Vgl. Richtlinie Nr. 96/9 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. 2 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 247 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 252, 253 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 256 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 – Marktstudien; BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 – HIT BILANZ. 3 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 247 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 252, 253 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 256 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 – Marktstudien; BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 – HIT BILANZ; vgl. auch Vogel in Schricker, Urheberrecht, § 87 a Rdnr. 28; Deutsch, GRUR 2009, 1027, 1029; Sendrowski, GRUR 2005, 369, 371; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 527; OLG Köln vom 28.10.2005, CR 2006, 368, 369. 4 EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 247 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 252, 253 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 254, 256 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 – Marktstudien; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 527 f.; OLG Köln vom 28.10.2005, CR 2006, 368, 369. 5 Vogel in Schricker, Urheberrecht, § 87 a Rdnr. 28; OLG Köln vom 28.10.2005, CR 2006, 368, 369 f.
220
I. Schutz von Inhalten
Dies umfasst alle Mittel, die der systematischen oder methodischen Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Elemente und der Organisation der individuellen Zugänglichkeit dieser Elemente gewidmet sind1. Insbesondere geht es dabei um Aufwendungen für die Aufbereitung und Erschließung des Datenbankinhaltes durch die Erstellung von Tabellen, Abstracts, Thesauri, Indizes und Abfragesystemen, die erst die für eine Datenbank charakteristische Einzelzugänglichkeit ihrer Elemente ermöglichen, sowie um Kosten des Erwerbs der zur Datenbanknutzung erforderlichen Computerprogramme und um Kosten der Herstellung eines Datenbankträgers und der Datenaufbereitung einschließlich der Optimierung der Abfragesysteme2. Datenbankhersteller ist, wer die Initiative zur Erstellung der Datenbank ergriffen und das Risiko getragen hat, das mit einer in personeller, technischer oder finanzieller Hinsicht erheblichen Investition in den Aufbau, die Überprüfung oder die Präsentation des Inhalts einer Datenbank verbunden ist3.
888
bb) Beispielsfälle
Bei der Anwendung des § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG neigt die Rechtsprechung zu einem großzügigen Maßstab und hat beispielsweise bei OnlineAnzeigenmärkten4, Internet-Nachrichtendiensten5, aber auch bei Gedichtsammlungen6, Chart-Listen7, Bodenrichtwertsammlungen8, bei der Sammlung von Ausschreibungsunterlagen9, der Sammlung von Flugwetterinformationen10, der Sammlung europäischer Zolltarife11, den Angebots- und Bewertungsdatenbanken des Online-Auktionshauses Ebay12, einem Bewertungssystem für Zahnarztleistungen13 und sogar bei Linklisten14 den Schutz als Datenbank bejaht. Nach Auffassung des LG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. OLG Düsseldorf vom 7.8.2008, ZUM-RD 2008, 598 ff. OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. LG Berlin vom 8.10.1998, AfP 1998, 649; LG Köln vom 2.12.1998, AfP 1999, 95. BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406; LG München I vom 18.9.2001, MMR 2002, 58. LG Köln vom 2.5.2001, ZUM 2001, 714f, 715. BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 f. – HIT BILANZ. BGH vom 20.7.2006, WRP 2007, 88, 89 – Bodenrichtwertsammlung. BGH vom 28.9.2006, MMR 2007, 374, 375 – Sächsischer Ausschreibungsdienst. OLG Köln vom 15.12.2006, CR 2007, 802, 804 = ITRB 2007, 205 (Schiedermair). BGH vom 30.4.2009, CR 2009, 735 ff. – Elektronischer Zolltarif; OLG Köln vom 28.10.2005, CR 2006, 368, 369 f. (Vorinstanz). LG Berlin vom 22.12.2005, CR 2006, 515, 516 f. = ZUM 2005, 343, 344 f.; LG Berlin vom 27.10.2005, MMR 2006, 46 f. OLG Köln vom 14.11.2008, K&R 2009, 52 ff.; LG Köln vom 6.2.2008, MMR 2008, 418 ff. (Vorinstanz). LG Köln vom 25.8.1999, CR 2000, 400; AG Rostock vom 20.2.2001, CR 2001, 786.
221
889
E. Urheberrecht
München I stellt zudem jedes Kartenblatt der topographischen Karten eines Bundeslandes für sich genommen eine Datenbank i.S.v. § 87 a Abs. 1 UrhG dar1. 890
In seiner Entscheidung „Elektronischer Zolltarif“ hat der BGH es zur Bejahung „wesentlicher Investitionen“ ausreichen lassen, dass die Klägerin für die Programmwartung, ständige Überprüfung und Einbringung von Daten sowie die Verbesserung der Darstellung Personalkosten in Höhe von insgesamt rund 900.000 Euro aufgewendet hatte2. cc) Amtliche Sammlungen
891
Lange Zeit unklar war, ob die §§ 87 a ff. UrhG auch für Datenbanken gelten, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden und daher nach § 5 Abs. 2 UrhG grundsätzlich dem Urheberrechtsschutz entzogen sind3. Der EuGH hat dies bejaht unter Hinweis darauf, dass es nach Art. 7 Abs. 4 der EG-Datenbankrichtlinie4 der Datenbankschutz unabhängig davon gilt, ob die Datenbank und/oder ihr Inhalt für einen Schutz durch das Urheberrecht in Betracht kommen5. dd) Linklisten und Suchmaschinen
892
Bei umfangreichen Sammlungen von Hyperlinks ist zu differenzieren: Werden die Links in geordneter Form und in verschiedenen Kategorien präsentiert, ist die Anforderung einer methodischen bzw. systematischen Anordnung des Stoffes erfüllt. Werden bei „Linkseiten“ lediglich ungeordnet Hyperlinks zu anderen Websites aufgelistet, genügt dies nicht den urheberrechtlichen Anforderungen6. Für einen Schutz als Datenbank i.S.d. §§ 87 a ff. UrhG ist zudem auch bei einer Linkliste erforderlich, dass deren Herstellung eine wesentliche Investition erfordert hat7.
893
Suchmaschinen sind Internetangebote, bei denen die Eingabe eines Suchwortes genügt, um eine Liste von Dokumenten aus dem gesamten Internet zu erhalten, die zu dem Suchwort passen. Das Suchergebnis wird in Form von Links auf dem Bildschirm dargestellt. Da die Suchmaschinen auf der Basis einer systematischen Erfassung von Daten funktionieren und die Rechercheergebnisse systematisch angeordnet sind, besteht Leis1 LG München I vom 9.11.2005, CR 2007, 60 f. = GRUR 2006, 225, 226. 2 BGH vom 30.4.2009, CR 2009, 735, 736 – Elektronischer Zolltarif. 3 Vgl. BGH vom 28.9.2006, MMR 2007, 374 ff. – Sächsischer Ausschreibungsdienst; vgl. auch BGH vom 20.7.2006, WRP 2007, 88 ff. – Bodenrichtwertsammlung. 4 Richtlinie Nr. 96/9 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. 5 EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 323 – Datenbank-Entnahme. 6 Köhler, ZUM 1999, 548, 552; OLG München vom 21.11.2002, CR 2003, 564. 7 Vgl. Kindler, K&R 2000, 265, 271; Zahrt, K&R 2001, 66, 70; OLG München vom 10.10.2002, MMR 2003, 593, 594; LG Düsseldorf vom 23.4.2003, MMR 2003, 539, 540; AG Rostock vom 20.2.2001, CR 2001, 786.
222
II. Schutz von Software
tungsschutz gemäß den §§ 87 a ff. UrhG, sofern das Kriterium der wesentlichen Investition erfüllt ist1.
II. Schutz von Software Rein formal ist eine Website nichts anderes als ein Stück Software. Diese Software – der Quellcode – ist so programmiert, dass sie auf dem Bildschirm bestimmte Oberflächen – die Website – generiert.
894
Der Quellcode einer Website ist als Computerprogramm gemäß § 69 a Abs. 1 UrhG schutzfähig. Versteht man unter einem Computerprogramm jede programmierte Befehlskette, die einen Computer zur Ausführung bestimmter Funktionen veranlasst2, kann kein Zweifel bestehen, dass der Quellcode einer Website diese Anforderungen erfüllt3.
895
Nicht jeder Quellecode ist auch tatsächlich geschützt. Der Schutz setzt vielmehr voraus, dass der Quellcode das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers ist (§ 69 a Abs. 3 Satz 1 UrhG). Qualitative und ästhetische Gesichtspunkte sind für die Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen unerheblich (§ 69 a Abs. 3 Satz 2 UrhG)4; auch die „Kleine Münze“ ist urheberrechtlich geschützt5.
896
Zur Erlangung urheberrechtlichen Schutzes bedarf es eines Mindestmaßes an individueller schöpferischer Leistung. Insbesondere bei einfachen HTML-Quellcodes fehlt es an einer eigenen geistigen Schöpfung i.S.d. § 69 a Abs. 3 Satz 1 UrhG, sodass diese Codes urheberrechtlich nicht geschützt sind6. Anders kann es sich bei Programmierungen verhalten, die Java oder PHP verwenden7.
897
Für den Schutz des Quellcodes einer Website gelten dieselben Kriterien wie bei sonstigen Computerprogrammen. Die Programmstruktur darf sich nicht notwendig aus der Aufgabenstellung ergeben, und das Programm muss das Ergebnis einer freien Auswahl zwischen verschiedenen Formeln und Abläufen sein und sich nicht in der bloßen mechanisch-
898
1 Hoeren, MMR 2001, 2, 3; LG Berlin vom 8.10.1998, MMR 2000, 120. 2 Vgl. Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 2. 3 Vgl. Czychowski in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 5; Redeker, IT-Recht, Rdnr. 6; a.A. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 18 m.w.N. 4 Vgl. Rehbinder, Urheberrecht, Rdnr. 153; OLG Hamburg vom 22.2.2001, CR 2001, 704, 705. 5 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 19; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 33. 6 Vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 18; OLG Rostock vom 27.6.2007, CR2007, 737, 737 f. = ITRB 2007, 249 (Wolff). 7 Vgl. Redeker, IT-Recht. Rdnr. 6; Schneider in Schneider, Handbuch des EDVRechts, Teil C Rdnr. 8; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 18.
223
E. Urheberrecht
technischen Fortführung des Vorbekannten erschöpfen1. Eine überdurchschnittliche Eigenleistung ist nicht zu verlangen2.
III. Schutz des „Multimediawerkes“ 899
900
Um den urheberrechtlichen Schutz einer Website zu beurteilen, bedarf es einer dreistufigen Prüfung: Geschützt sein können zunächst die Inhalte, die auf einer Website präsentiert werden. Ob und inwieweit ein solcher Schutz besteht, richtet sich nach § 2 UrhG. Des Weiteren kann sich die Frage stellen, ob der Quellcode der Website urheberrechtlich geschützt ist. Dies bestimmt sich nach den §§ 69 a ff. UrhG. Zu guter Letzt kann es um die Frage des Schutzes der gesamten Bildschirmgraphik gehen. Wie sich ein derartiger Schutz der Website als graphisch-funktionales „Gesamtkunstwerk“ oder als „Multimediawerk“ begründen lässt und welche Reichweite ein solcher Schutz hat, ist streitig.
Übersicht Urheberrechtlicher Schutz der Website – Schutz einzelner Inhalte: Werkschutz gemäß § 2 Abs. 1 UrhG (Sprachwerke, Musikwerke, Werke der bildenden Künste, Lichtbildwerke, Filmwerke, Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art), ergänzender Leistungsschutz nach § 72 UrhG (Lichtbilder) und § 95 UrhG (Laufbilder) sowie Schutz nach § 4 Abs. 2 UrhG (Datenbankwerk) und § 87 a UrhG (Datenbank). – Schutz des Quellcodes: Schutz als Computerprogramm gemäß § 69 a Abs. 1 UrhG. – Schutz der Bildschirmoberfläche: Schutz als Ausdrucksform eines Computerprogramms gemäß § 69 a Abs. 2 Satz 1 UrhG (streitig).
901
Ein gelungener Internetauftritt besteht aus wesentlich mehr als Inhalten, die geschickt programmiert sind. Je weiter die Entwicklung von Software zur Websitegestaltung voranschreitet, desto mehr werden Websites zu integrierten „Gesamtkunstwerken“, in denen graphische und funktionale Elemente immer aufwendiger verknüpft werden. Die Kombination und Gestaltung einer Vielzahl einzelner Elemente ist der Kern und das Herz dessen, was gemeinhin als „Webdesign“ bezeichnet wird. Obwohl das „Design“ im Mittelpunkt jedes Auftrages zur Gestaltung einer Website steht, ist es bisher nicht gelungen, Übereinstimmung über die Vorausset1 Schack, MMR 2001, 9, 13; OLG Frankfurt a.M. vom 6.11.1984, CR 1986, 13, 18. 2 BGH vom 4.6.1993, BGHZ 123, 208, 211; BGH vom 14.7.1993, NJW 1993, 3136, 3137.
224
III. Schutz des „Multimediawerkes“
zungen und die Reichweite des urheberrechtlichen Schutzes des „Multimediawerkes“ zu erzielen. 1. Sammelwerk/Datenbankwerk
Gelegentlich wird das „Multimediawerk“ als Sammelwerk gemäß § 4 Abs. 1 UrhG angesehen. Auf diese Weise wird die Website wissenschaftlichen Sammlungen1, Lexika, Festschriften und Liederbüchern gleichgestellt2.
902
Lexika und Festschriften sind Sammelwerke, da es sich um Sammlungen von Werken handelt, deren Auswahl und Anordnung eine (eigene) persönliche geistige Schöpfung darstellt3. Zu der Leistung eines Webdesigners gibt es wenig Parallelen. Die „Auswahl“ der Inhalte erfolgt zumeist durch den Auftraggeber4. Die Verknüpfung, Kombination und Gestaltung der vielfältigen Seitenelemente erschöpft sich zudem nicht in einer bloßen „Anordnung“ dieser Elemente5. Kein Webdesigner würde es verstehen, wenn man den Kern seiner kreativen Tätigkeit als „Auswahl oder Anordnung“ von Elementen bezeichnen würde, wie es § 4 Abs. 1 UrhG voraussetzt6.
903
Das Datenbankwerk ist gemäß § 4 Abs. 2 UrhG als Sonderfall eines Sammelwerkes ausgestaltet. Handelt es sich somit bei der Website bereits um kein Sammelwerk, kommt auch eine Einordnung als Datenbankwerk nicht in Betracht7. Die Nutzung elektronischer Gestaltungsmittel reicht für eine Zuordnung zu § 4 Abs. 2 UrhG schon dem Wortlaut nach nicht aus. Eine Website kann zwar (auch) aus Datenbankwerken bestehen, fällt aber selbst nicht unter diese Kategorie.
904
2. Ausdrucksform des Quellcodes
Kommt ein Schutz der Website nach § 4 Abs. 1 und 2 UrhG nicht in Betracht, bleibt die Möglichkeit, den Schutz des Quellcodes auf die Bildschirmdarstellung zu erstrecken. Nach § 69 a Abs. 2 Satz 1 UrhG gilt der Softwareschutz für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Jedenfalls begrifflich liegt es nicht fern, die Bildschirmoberfläche, die durch 1 Vgl. OLG Hamm vom 26.2.2008, CR 2008, 517 ff. 2 Vgl. Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 345; a.A. OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2005, CR 2006, 198, 200 = MMR 2005, 705, 706. 3 Haberstumpf, GRUR 2003, 14, 20. 4 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 529. 5 Vgl. Heeschen, Urheberpersönlichkeitsrecht und Multimedia, S. 121; Cichon, ZUM 1998, 877, 898. 6 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 529; vgl. auch LG Köln vom 15.6.2005, MMR 2006, 52, 54 f. 7 Cichon, ZUM 1998, 897, 898; a.A. Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 345; OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2005, CR 2006, 198, 199 = MMR 2005, 705, 706; vgl. auch LG Köln vom 15.6.2005, MMR 2006, 52, 55 = ZUM 2005, 910, 914.
225
905
E. Urheberrecht
einen urheberrechtlich geschützten Quellcode generiert wird, als Ausdrucksform des Quellcodes anzusehen1. 906
Für eine Anwendung des § 69 a Abs. 2 Satz 1 UrhG spricht dessen Schutzbereich und das Wesen der Bildschirmoberfläche als (Haupt-)Ausdrucksform des zugrunde liegenden Quellcodes2. Auch wenn die Visualisierung des Programms nicht Teil des Programms selbst ist, spricht dies keinesfalls zwingend gegen eine Einordnung der Bildschirmgraphik als Ausdrucksform i.S.d. § 69 a Abs. 2 Satz 1 UrhG. Vielmehr legt § 69 a UrhG eine Trennung in zwei verschiedene Schutzbereiche nahe3, nämlich einerseits dem des Computerprogramms in jeder Gestalt und andererseits dem der Ausdrucksformen4. Der Schutz der Bildschirmoberfläche nach § 69 a Abs. 2 Satz 1 UrhG macht die Oberfläche damit nicht zu einem Teil des Programms selbst, sondern schützt sie als Ausdrucksform selbständig5.
907
Damit eine Website ästhetisch ansprechend wird, bedarf es eines präzisen Konzepts für die Gestaltung der Bildschirmoberfläche. Das jeweilige Gestaltungskonzept ist zugleich der entscheidende Unterschied zwischen verschiedenen Quellcodes und in die Quellcodes quasi „eingebrannt“6. Bei der Programmierung lassen sich durch einen Austausch von Datensätzen die einzelnen inhaltlichen und funktionalen Bestandteile der Website – Texte, Graphiken, Fotos, Videos, E-Mail-Fenster, Links etc. – beliebig auswechseln. Nicht ohne größeren Programmierungsaufwand austauschbar ist dagegen das graphische Grundkonzept, das sich auf der Bildschirmoberfläche verkörpert7.
908
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass sich ein und dieselbe Oberfläche auf verschiedene Weise, durch unterschiedlich zusammengesetzte und programmierte Software herstellen lässt8. Die Beliebigkeit und Aus1 Redeker, IT-Recht Rdnr. 6; Cichon, ZUM 1998, 897, 899; Koch, GRUR 1995, 459; OLG Karlsruhe vom 13.6.1994, CR 1994, 607, 610; a.A. Köhler, ZUM 1999, 548; Schack, MMR 2001, 9, 12; OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 3; OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2005, CR 2006, 198, 199 = MMR 2005, 705, 706; OLG Karlsruhe vom 14.4.2010, K&R 2010, 414, 415 mit Anm. Otto = GRUR-RR 2010, 234 ff.; LG Köln vom 15.6.2005, MMR 2006, 52, 55 f. = ZUM 2005, 910, 914 f.; AG Erfurt vom 10.11.2006, ZUM-RD 2007, 504 ff. 2 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 530. 3 Cichon, ZUM 1998, 897, 898; Koch, GRUR 1995, 459, 465. 4 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 530. 5 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 530; OLG Karlsruhe vom 13.6.1994, CR 1994, 607; a.A. OLG Karlsruhe vom 14.4.2010, K&R 2010, 414, 415 mit Anm. Otto = GRUR-RR 2010, 234 ff. 6 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 530. 7 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 530. 8 Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 69 a Rdnr. 14; OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2005, CR 2006, 198, 199 = MMR 2005, 705, 706; OLG Karlsruhe vom 14.4.2010, K&R 2010, 414, 415 mit Anm. Otto = GRUR-RR 2010, 234 ff.; LG Frankfurt a.M. vom 23.8.2006, CR 2007, 424, 425.
226
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
tauschbarkeit des Quellcodes mag im Einzelfall gegen das Vorhandensein einer eigenen geistigen Schöpfung i.S.d. § 69 a Abs. 3 Satz 1 UrhG sprechen, nicht jedoch gegen die Erstreckung des Schutzes auf die Oberfläche, wenn eine ausreichende Gestaltungshöhe feststellbar ist1. 3. Werk „sui generis“
Der Quellcode und die Website als „Gesamtkunstwerk“ sind untrennbar und interdependent miteinander verkoppelt2. Dies ist der wesentliche Grund, der für eine Anwendung des § 69 a Abs. 3 Satz 1 UrhG und gegen Versuche spricht, den Schutz des „Multimediawerkes“ von dem Schutz des Quellcodes ebenso abzukoppeln wie vom Schutz der Website-Inhalte. Es bedarf dann auch nicht eines Schutzes als sonstiges, in § 2 Abs. 1 UrhG nicht ausdrücklich aufgeführtes, urheberrechtsfähiges Werk3.
909
IV. Urheberrechtsschutz im Internet Ob Texte, Musik oder Videos: Digitale Inhalte, die über das Netz abrufbar sind, verbreiten sich schnell und unkontrollierbar. Die Verletzung von Urheberrechten gehört nicht nur für die Musikindustrie zum Alltag des Internet.
910
1. Urheber
Der Schöpfer des Werkes ist Urheber (§ 7 UrhG) und damit originärer Inhaber aller Urheberrechte. Wirken an der Schöpfung eines Werkes mehrere Personen mit, so sind sie gemäß § 8 Abs. 1 UrhG Miturheber. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 UrhG stehen Miturhebern die Urheberrechte zur gesamten Hand zu.
911
Originärer Inhaber von Urheberrechten ist auch der Arbeitnehmer oder Beamte, der ein Werk im Rahmen seines Arbeits- oder Dienstverhältnisses schafft (§ 43 UrhG). Aus dem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis ergibt sich indes regelmäßig, dass das Arbeitsergebnis dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn zusteht. Der Arbeitnehmer bzw. Beamte ist daher arbeitsbzw. beamtenrechtlich verpflichtet, dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn umfassende Nutzungsrechte an den Werken einzuräumen, die im Rahmen des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses geschaffen werden4.
912
1 Härting/Kuon, CR 2004, 527, 530. 2 Vgl. Cichon, ZUM 1998, 897, 900. 3 Vgl. A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 231; Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 91; Heeschen, Urheberpersönlichkeitsrecht und Multimedia, S. 121; Härting/Kuon, CR 2004, 527, 529; Wiebe/Funkat, MMR 1998, 69, 74. 4 Vgl. Rojahn in Schricker, Urheberrecht, § 43 Rdnr. 2, 6.
227
E. Urheberrecht
913
Wenn an der Schöpfung eines einheitlichen Werkes mehrere Personen mitgewirkt haben, besteht Miturheberschaft1. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Graphiker und Programmierer bei der Entwicklung des Designs einer Website eng zusammenwirken. Der Quellcode und das Design der Website sind dann das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Werkschöpfung. Die an der Schöpfung beteiligten Personen sind Miturheber gemäß § 8 UrhG2.
914
Ist streitig, wer Urheber eines Werkes ist, gilt die Vermutung des § 10 UrhG. Danach stehen die Urheberrechte im Zweifel demjenigen zu, der auf dem Werk bzw. auf einem Vervielfältigungsstück des Werkes in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist. Dies gilt auch im Internet3, und es ist daher in der Regel ratsam, einen Copyrightvermerk zu verwenden.
915
Für die Frage der Urheberschaft eines Fotografen spricht ein erster Anschein, wenn er einer Person, die diese Fotos später auf ihrer Website nutzt, die entsprechenden Dateien zuvor auf einem Speichermedium übergeben hat4. 2. Urheberpersönlichkeitsrechte
916
Zu den Urheberpersönlichkeitsrechten, die vertraglich zwar eingeschränkt, nicht jedoch (unter Lebenden) übertragen werden können (§ 29 Abs. 1 UrhG), gehören das Namensnennungsrecht (§ 13 UrhG), das Recht des Urhebers, darüber zu entscheiden, ob und wie sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll (Veröffentlichungsrecht, § 12 UrhG), sowie das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten (§ 14 UrhG). a) Urheberbezeichnung
917
Nach § 13 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung versehen wird und welche Bezeichnung zu verwenden ist5. Dieses Bestimmungsrecht gilt auch im Internet6.
1 BGH vom 14.6.1993, BGHZ 123, 208. 2 Vgl. Ernst in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.1 Rdnr. 27 f. 3 LG Frankfurt a.M. vom 20.2.2008, CR 2008, 534, 534; A.A. Schulze in Dreier/ Schulze, UrhG, § 10 Rdnr. 6; LG München I vom 14.1.2009, MMR 2009, 274. 4 LG München I vom 21.5.2008, MMR 2008, 622, 623 mit Anm. Knopp. 5 Vgl. Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rdnr. 10 ff. 6 Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rdnr. 14 ff.; Bechtold, ZUM 1997, 427, 432.
228
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
➲ Praxistipp: Sowohl bei der Website insgesamt als auch bei einzelnen Inhalten (Texten, Fotos, Datenbanken usw.) sollte der jeweilige Urheber im Hinblick auf § 10 UrhG und § 13 UrhG darauf bestehen, seine Urheberschaft – beispielsweise durch das weltweit übliche „©“ – kenntlich zu machen1.
918
Das Namensnennungsrecht ist vertraglich einschränkbar2. Ohne weiteres wirksam sind Vereinbarungen, durch die der Urheber auf sein Recht zur Namensnennung verzichtet. Ein solcher Verzicht kann auch konkludent erklärt werden und sich beispielsweise aus einem branchenüblichen Verzicht auf die Namensnennung ableiten3.
919
Eine Verletzung des Namensnennungsrechts liegt vor, wenn Dritte ein Werk zugänglich machen, ohne dass die Urheberbezeichnung erkennbar wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Copyrightvermerk auf einer Internetseite angebracht wird und auf diese Seite ein Deeplink gesetzt wird, über den die Seite unter Ausblendung des Copyrightvermerks aufgerufen werden kann4. Entsprechendes gilt beim Framing, wenn der Urhebervermerk weggeschnitten wird5.
920
Werden nicht alle Seiten einer Website mit Copyrightvermerken versehen, kann dies als Einverständnis mit einer Abrufbarkeit einzelner Seiten ohne Copyrightvermerk und somit als partieller Verzicht auf das Namensnennungsrecht zu werten sein für den Fall, dass ein Deeplink auf diese Seite gesetzt oder die Seite per Framing in eine fremde Website einbezogen wird6. Dies ist im Hinblick auf § 13 UrhG unproblematisch, wenn der Betreiber der Website zugleich Urheber ist. Ist der Betreiber der Website lediglich Inhaber urheberrechtlicher Nutzungsrechte, darf er eine Fortlassung des Urhebervermerkes – sei es auch nur bei Deeplinks und Frames – nur zulassen, wenn eine entsprechende Vereinbarung mit dem Urheber getroffen worden ist.
921
➲ Praxistipp: In Verträgen, die ein Website-Betreiber mit Webdesignern und Content-Providern schließt, sollten klare und detaillierte Regelungen zu Copyrightvermerken aufgenommen werden. Ob und wie Copyrightvermerke auf die Website aufzunehmen sind, bedarf der Festlegung. Darüber hinaus sollte klargestellt werden, ob technische Vorsorge gegen Deeplinks und Framing zu treffen ist.
922
1 Strömer, Online-Recht, S. 208 f.; Koch, NJW-CoR 1997, 298, 299. 2 Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 13 Rdnr. 12; Dietz in Schricker, Urheberrecht, § 13 Rdnr. 9. 3 Vgl. Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 13 Rdnr. 12; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 13 Rdnr. 24. 4 Schack, MMR 2001, 9, 14; Schulze, ZUM 2000, 432, 437. 5 Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rdnr. 39. 6 Vgl. Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rdnr. 37.
229
E. Urheberrecht
Eine urheberfreundliche Regelung kann in einem Webdesignvertrag lauten: „Der Auftraggeber verpflichtet sich, jede einzelne Seite der Website mit einem Copyrightvermerk zu versehen, der wie folgt lautet: ______________· Der Copyrightvermerk ist auf jeder einzelnen Seite der Website mit dem Hinweis zu verbinden, dass die Setzung eines Links (einfacher Hyperlink oder Deeplink) auf die Seite und die Einbeziehung der Seite in eine fremde Website durch Framing nur gestattet ist, wenn auch der Copyrightvermerk über den Link bzw. das Frame abrufbar ist.“ b) Erstveröffentlichung
923
§ 12 UrhG behält dem Schöpfer das Recht vor, über die Erstveröffentlichung des Werkes zu entscheiden. Eine Einstellung in das Internet stellt eine Veröffentlichung dar1. Über das Internet wird das Werk einer Vielzahl von Personen i.S.d. § 6 Abs. 1 UrhG zugänglich gemacht2. Eine erstmalige Veröffentlichung im Internet bedarf demnach der Zustimmung des Urhebers.
924
Bei einer urheberrechtlich geschützten Kirchenglocke erfüllt schon die Verbreitung von Abbildungen der Glocke im Internet den Tatbestand des § 12 UrhG3. c) Entstellung, Beeinträchtigung, Verfremdung
925
§ 14 UrhG schützt das Integritätsinteresse des Urhebers und gibt ihm das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.
926
Eine Beeinträchtigung des Werkes liegt beispielsweise vor, wenn das Design einer Website verfremdet wird. Eine solche Verfremdung stellt einen direkten Eingriff in das Werk dar und kann berechtigte Interessen des Urhebers gefährden.
927
Ob eine Verfremdung zulässig ist, ergibt sich aus einer Interessenabwägung. Dabei stehen sich das Bestands- und Integritätsinteresse des Urhebers und das Nutzungs- bzw. Gebrauchsinteresse des Werknutzers gegenüber4. Je gewichtiger die Gestaltungshöhe des Werkes und je stärker der Eingriff ist, desto gewichtiger müssen die Gebrauchsinteressen des Werknutzers sein, um eine Beeinträchtigung des Werkes zu rechtfertigen5. 1 Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 349; Dietz in Schricker, Urheberrecht, § 12 Rdnr. 18. 2 Strömer, Online-Recht, S. 214 f. 3 LG Leipzig vom 11.8.2006, ZUM 2006, 883, 885. 4 Dietz in Schricker, Urheberrecht, § 14 Rdnr. 28. 5 Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rdnr. 41.
230
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
Sind Änderungen am Design einer Website vergleichsweise geringfügig und dienen sie der Fehlerbeseitigung bzw. allgemein der besseren Nutzbarkeit der Seiten, spricht dies für eine Änderungsbefugnis des WebsiteBetreibers. Schwerwiegende Änderungen, die vorwiegend ästhetisch motiviert sind, bedürfen dagegen in aller Regel der Zustimmung des Urhebers.
928
Ein Eingriff in das Integritätsinteresse des Urhebers kann darin liegen, dass das Werk in ein Umfeld eingebettet wird, das die Wirkung des Werkes beeinträchtigt1. Eine Abwägung zwischen Integritäts- und Gebrauchsinteresse ist daher auch erforderlich bei der Schaltung von Werbung auf urheberrechtlich geschützten Websites2 oder bei der Verknüpfung urheberrechtlich geschützter Inhalte mit anderen Inhalten, die auf das Werk zurückwirken, wie dies beispielsweise bei der Einbettung von Inhalten in ein pornographisches oder extremistisches Umfeld der Fall ist3.
929
Eine Interessenabwägung ist nicht erforderlich, wenn Eingriffsbefugnisse vertraglich eindeutig geregelt sind. § 39 Abs. 1 UrhG lässt vertragliche Einschränkungen des Entstellungsverbots ohne weiteres zu4.
930
➲ Praxistipp: In Verträgen, die ein Website-Betreiber mit Webdesignern und Content-Providern schließt, sollten klare und detaillierte Regelungen zu Änderungsbefugnissen und allen Umfeldfragen (insbesondere Werbung) aufgenommen werden5.
931
Eine urheberfreundliche Regelung kann in einem Content-ProviderVertrag lauten: „Der Vertragspartner ist zu Änderungen des Content nur berechtigt, soweit die Änderungen der Korrektur orthographischer und ähnlicher Fehler dienen. Zudem verpflichtet sich der Vertragspartner, auf der Internetseite, auf der der vertragsgegenständliche Content veröffentlicht wird, keine Werbung gleich welcher Art zu schalten, ohne dass der Provider vorab zugestimmt hat. Auf der gesamten Website wird dem Vertragspartner zudem verboten, pornographische oder extremistische Inhalte gleich welcher Art zu veröffentlichen oder Hyperlinks aufzunehmen, die zu derartigen Inhalten führen.“
1 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 107; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 14 Rdnr. 3. 2 Decker in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.2 Rdnr. 58; Apel/Steden, WRP 2001, 112, 117. 3 Vgl. Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 351; Schack, MMR 2001, 9, 14. 4 Vgl. Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 39 Rdnr. 5. 5 Siehe Rz. 499 f.
231
E. Urheberrecht
Weniger urheberfreundlich ist folgende Regelung: „Der Vertragspartner ist zu Änderungen des Content nach freiem Ermessen berechtigt. Darüber hinaus ist der Vertragspartner – gleichfalls nach freiem Ermessen – berechtigt, über das inhaltliche und gestalterische Umfeld der Website – einschließlich Hyperlinks – zu entscheiden.“ 3. Einräumung von Nutzungsrechten
932
Wer urheberrechtlich geschützte Werke nutzen möchte, bedarf hierzu eines Nutzungsrechts, das ihm der Urheber gemäß den §§ 31 ff. UrhG einräumen kann. Übertragbar sind nur Nutzungsrechte des Urhebers, nicht jedoch das Urheber(persönlichkeits)recht selbst (§ 29 Abs. 1 UrhG)1. a) Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte
933
Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG besteht die Möglichkeit, ein urheberrechtliches Nutzungsrecht als einfaches oder als ausschließliches Recht einzuräumen. Das einfache Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber gemäß § 31 Abs. 2 UrhG, das Werk neben dem Urheber und anderen Berechtigten zu nutzen2. Dagegen ermöglicht das ausschließliche Nutzungsrecht dem Vertragspartner, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen einschließlich des Urhebers zu nutzen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 UrhG)3. Die Reichweite einer Rechtseinräumung ist vertraglich frei bestimmbar. Nutzungsrechte können beliebigen räumlichen, zeitlichen oder inhaltlichen Beschränkungen unterworfen werden (§ 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG)4. b) Internet als neue Werkart
934
Die Einspeisung eines Werkes in das Internet ist eine vergleichsweise neue Art der Werknutzung. Daher stellt sich immer wieder die Frage, ob „alte“ Nutzungsrechte, die der Urheber beispielsweise einem Verlag eingeräumt hat, auch die Befugnis umfassen, das Werk in das Internet einzuspeisen.
935
Der durch den „Zweiten Korb“5 Anfang 2008 abgeschaffte § 31 Abs. 4 UrhG regelte den Fall, dass nach der vertraglichen Einräumung von Nutzungsrechten neue Nutzungsarten bekannt werden. Für derartige neue Nutzungsarten galt die Rechseinräumung nicht, da die Einräumung von Nutzungsrechten für bei Vertragsschluss noch nicht bekannte Nutzungsarten unwirksam war. 1 Schricker in Schricker, Urheberrecht, § 29 Rdnr. 3a; Block in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 29 Rdnr. 1 f. 2 Vgl. Schricker in Schricker, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 6; Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 28. 3 Vgl. Schricker in Schricker, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 4; Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 27. 4 Vgl. Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 4 ff. 5 Vgl. Klett, K&R 2008, 1 ff.; Sprang/Ackermann, K&R 2008, 7 ff.
232
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
aa) Neuregelung durch § 31 a UrhG
An die Stelle des früheren § 31 Abs. 4 UrhG ist § 31 a UrhG getreten. Nach § 31 a Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG ist ein Vertrag über die Einräumung von Rechten für unbekannte Nutzungsarten zwar wirksam, bedarf jedoch der Schriftform, sofern der Urheber nicht unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumt1.
936
Die Rechtseinräumung nach § 31 a Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG ist widerruflich. Allerdings erlischt das Widerrufsrecht nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der Vertragspartner an den Urheber eine Mitteilung über die beabsichtigte Aufnahme der neuen Art der Werknutzung unter der ihm zuletzt bekannten Anschrift abgesendet hat (§ 31 a Abs. 1 Satz 3 UrhG). Ferner erlischt das Widerrufsrecht, wenn sich die Parteien nach Bekanntwerden der neuen Nutzungsart auf eine Vergütung nach § 32 c Abs. 1 UrhG geeinigt haben (§ 31 a Abs. 2 UrhG)2.
937
Nach § 32 c Abs. 1 Satz 1 UrhG hat der Urheber einen Anspruch auf eine gesonderte angemessene Vergütung, wenn der Vertragspartner eine neue Art der Werknutzung nach § 31 a UrhG aufnimmt3. Der Vertragspartner hat den Urheber über die Aufnahme der neuen Art der Werknutzung unverzüglich zu unterrichten (§ 32 c Abs. 1 Satz 3 UrhG). Sofern es an einer Vergütungsregel (§ 36 UrhG) fehlt, ist die Vergütung angemessen, die dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicherund redlicherweise zu leisten ist (§ 32 c Abs. 1 Satz 2 UrhG i.V.m. § 32 Abs. 2 UrhG)4. Die Vergütung kann demnach auch sehr gering sein, wenn sich mit der neuen Nutzungsart zum Zeitpunkt der Aufnahme keine wesentlichen Einnahmen erzielen lassen5.
938
Das strenge Verbot der Einräumung von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten (§ 31 Abs. 4 UrhG a.F.) galt als nicht mehr zeitgemäß6. Die Neuregelung durch § 31 a UrhG bleibt indes urheberfreundlich, da sie zwar eine extensive Lizenzierung erlaubt („für alle bekannten und unbekannten Nutzungsarten“), aber dem Urheber durch das Widerrufsrecht die Möglichkeit gibt, an Erlösen zu partizipieren, die der Lizenznehmer durch neue Nutzungsarten erzielt7.
939
1 Vgl. Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31a Rdnr. 55 f.; Klöhn, K&R 2008, 77, 78. 2 Vgl. Klöhn, K&R 2008, 77, 78. 3 Vgl. Verweyen, ZUM 2008, 217 ff. 4 Vgl. Paul in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.4 Rdnr. 70. 5 Klöhn, K&R 2008, 77, 78. 6 Klett, K&R 2008, 1, 1; Spindler, NJW 2008, 9, 9; Sprang/Ackermann, K&R 2008, 7, 9. 7 Klett, K&R 2008, 1, 2; Klöhn, K&R 2008, 77, 79.
233
E. Urheberrecht
bb) Übergangsregelung für Altverträge (§ 137 l UrhG)
940
Eine Übergangsregelung findet sich in § 137 l Abs. 1 UrhG. Hat der Urheber zwischen dem 1. Januar 1966 und dem 1. Januar 2008 einem anderen alle wesentlichen Nutzungsrechte ausschließlich sowie räumlich und zeitlich unbegrenzt eingeräumt, gelten nach der Übergangsnorm des § 137 l Abs. 1 Satz 1 UrhG die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannten Nutzungsrechte als dem anderen ebenfalls eingeräumt, sofern der Urheber nicht der Nutzung widerspricht1. Der Widerspruch konnte für Nutzungsarten, die am 1. Januar 2008 bereits bekannt waren, bis Ende 2008 erfolgen (§ 137 l Abs. 1 Satz 2 UrhG)2.
941
§ 137 l Abs. 1 UrhG dient der „Hebung der Archivschätze“3 . Zu diesem Zweck reicht ein einfaches Nutzungsrecht aus. Ein ausschließliches Nutzungsrecht lässt sich aus § 137 l Abs. 1 UrhG nicht ableiten4. cc) Begriff der Nutzungsart
942
Unter einer Nutzungsart ist jede nach der Verkehrsauffassung hinreichend klar abgegrenzte wirtschaftlich-technische Verwendungsform zu verstehen5. Die Einstufung der Internetnutzung als neue Nutzungsart hängt demnach entscheidend davon ab, ob nur eine neue technische Möglichkeit der Übertragung derselben Inhalte unter Beibehaltung der bekannten Nutzungsmöglichkeiten vorliegt oder ob eine quantitative Erweiterung oder qualitative Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten spürbar ist6. Sowohl aus Sicht des Endverbrauchers als auch aus Sicht des Urhebers war die Internetnutzung eine gänzlich neuartige Nutzungsart, für die es keinen Vorläufer gab. Daher ist die Verbreitung per Internet als neue Nutzungsart i.S.d. § 31 Abs. 4 UrhG a.F./§ 31 a UrhG n.F. anzusehen7.
1 Vgl. Czernil, GRUR 2009, 913 ff.; Schippan, ZUM 2008, 844, 846 ff. 2 Czernik, GRUR 2009, 913, 915. 3 Vgl. Klöhn, K&R 2008, 77, 81; Schmidt-Hern, ZUM 2008, 927, 927; Spindler, NJW 2008, 9, 10. 4 Klöhn, K&R 2008, 77, 83; Spindler, NJW 2008, 9, 10; a.A. Schmidt-Hern, ZUM 2008, 927 ff. 5 J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 10; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rdnr. 260; BGH vom 5.6.1985, BGHZ 95, 274, 283; BGH vom 8.11.1989, GRUR 1990, 669, 671; BGH vom 12.12.1991, GRUR 1992, 310, 311; BGH vom 4.7.1996, NJW 1997, 320, 322. 6 Vgl. J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 10; LG München I vom 6.5.2009, ZUM 2009, 681, 685. 7 J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31a Rdnr. 35; Haedicke, JURA 2000, 449, 452; Hoeren, CR 1995, 710, 713; Zahrt, K&R 2001, 65, 71; OLG Hamburg vom 11.5.2000, NJW-RR 2001, 123; LG Berlin vom 14.10.1999, K&R 2000, 249; LG München I vom 10.3.1999, CR 2000, 467; KG vom 24.7.2001, MMR 2002, 58.
234
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
Diese neue Verwertungsmöglichkeit findet sich mit dem „Ersten Korb“1 im Jahr 2003 in Form des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung in § 19 a UrhG wieder2. Die öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG ist ohne Vervielfältigungsvorgänge wirtschaftlich-technisch nicht realisierbar. Daher ist eine Aufspaltung von Online-Nutzungsrechten in Vervielfältigungsrechte nach § 16 UrhG und das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG unzulässig. Die Befugnis des Urhebers zur Lizenzvergabe nach § 31 Abs. 1 UrhG beschränkt sich auf Nutzungen, die nach der Verkehrsauffassung hinreichend klar abgrenzbar und wirtschaftlich-technisch als einheitliche und selbständig erscheinende Nutzungsarten anzusehen sind. Eine Aufspaltung der Online-Nutzungsrechte führt dazu, dass Nutzungsarten entstehen, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden3.
943
Aus dem gleichen Grund können Dienstleister nicht aus einem eigenständigen Nutzungsrecht zur „Verwertung von Musikaufnahmen in dezentralen Computernetzwerken“ gegen Nutzer illegaler Tauschbörsen vorgehen4. Derartige Formulierungen werden gelegentlich von der Musikindustrie verwendet, um die Einräumung von Nutzungsrechten – die Gegenstand von § 19 a UrhG sind – an kommerzielle Verwerter nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden5.
944
dd) Bekanntheit der Internetnutzung
Für die Bestimmung des Zeitpunktes der Bekanntheit einer Nutzungsart gemäß § 31 Abs. 4 UrhG a.F./§ 31 a UrhG n.F. kommt es auf die wirtschaftliche Bedeutung der Nutzungsart an. Der unter Umständen erheblich frühere Zeitpunkt des Vorhandenseins der technischen Voraussetzungen für eine solche Nutzung ist demgegenüber ohne Belang6. Daher kann eine Auslegung umfassender (alter) Lizenzklauseln gemäß § 31 Abs. 4 UrhG a.F./§ 31 a UrhG n.F. nur dann zu dem Ergebnis führen, dass die Verbreitung über das Internet erfasst ist, wenn der betreffende Vertrag aus einer Zeit stammt, zu der das Internet bereits wirtschaftliche Bedeutung erlangt hatte. Dies ist seit ca. 1995 der Fall, sodass vor 1995 eine wirksame Übertragung von Nutzungsrechten für das Internet regelmäßig
1 Czychowski, NJW 2003, 2409 ff. 2 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 6.11.2002, BT-Drucks. 15/38, S. 14. 3 LG München I vom 25.6.2009, K&R 2009, 658, 659 f. mit Anm. von Albrecht; vgl. auch Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rdnr. 12 f.; a.A. Jani, ZUM 2009, 722 ff. 4 Jänich/Eichelberger, MMR 2008, 576 ff. 5 Jänich/Eichelberger, MMR 2008, 576, 577. 6 J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 31a Rdnr. 24 f.; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rdnr. 269; Frohne, ZUM 2000, 810, 813; Reber, GRUR 1998, 792, 798; BGH vom 11.10.1990, BGHZ 386, 10.
235
945
E. Urheberrecht
nicht erfolgen konnte1. Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg2 waren die Möglichkeiten einer privaten oder geschäftlichen Nutzung des Internet im Jahre 1993 noch nicht in das Bewusstsein breiterer Bevölkerungsteile getreten. 946
Für Altverträge vor 1995 gilt demnach, dass das Recht des Urhebers zur Internetnutzung des Werkes nicht (mit)übertragen werden konnte3 und somit Nutzungsrechte erst mit Inkrafttreten des § 137 l Abs. 1 UrhG am 1. Januar 2008 entstehen konnten4. c) Zweckübertragungsgrundsatz
947
Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet worden, so bestimmen sich die Nutzungsarten, auf die sich das Nutzungsrecht erstreckt, nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck (§ 31 Abs. 5 UrhG). Um Unsicherheiten auszuräumen, die sich aus der Anwendung des Zweckübertragungsgrundsatzes ergeben, empfiehlt sich eine klare vertragliche Definition der Nutzungsarten, die Gegenstand der Lizenz sein sollen5.
948
Wird heute ein Lizenzvertrag geschlossen – beispielsweise über die Veröffentlichung eines Beitrags in einer Zeitschrift – so sollte eine klare Regelung getroffen werden, ob und inwieweit der Lizenznehmer zur Nutzung des Werkes im Internet berechtigt ist. Fehlt es an einer solchen Regelung, so ist nach § 31 Abs. 5 UrhG zu unterscheiden: Entweder ist eine ausdrückliche Regelung über die erlaubten Nutzungen getroffen worden, die die Nutzung im Internet nicht umfasst. Ist dies nicht der Fall, ist nach § 31 Abs. 5 UrhG der von beiden Parteien zugrunde gelegte Vertragszweck maßgebend6. Ist dann beispielsweise dem Autor die ständige Praxis des Verlages bekannt, Zeitschriftenbeiträge auch auf einer bestimmten Website zu veröffentlichen, spricht dies dafür, dass eine solche Nutzung von der Rechtseinräumung erfasst ist.
949
Wenn ein Fotostudio im Auftrag eines Kunden Portraitfotos fertigt und dem Kunden diese Fotos nebst einer CD mit den Bilddateien übergibt, ist 1 Vgl. Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, Rdnr. 269; Strömer, OnlineRecht, S. 260; Frohne, ZUM 2000, 810, 813; Hoeren, CR 1995, 710, 714; Schwarz, ZUM 1997, 94, 95; OLG Hamburg vom 11.5.2000, NJW-RR 2001, 123; LG Berlin vom 14.10.1999, K&R 2000, 249; vgl. LG München I vom 13.9.2006, GRUR-RR 2007, 187, 189 = MMR 2007, 272; vgl. LG München I vom 10.3.1999, CR 2000, 467, 468. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 24.2.2005, K&R 2006, 46, 47. 3 Endter, NJW 1996, 975, 976; Hoeren, CR 1995, 710, 713; Sasse/Waldhausen, ZUM 2000, 837, 841; Schulze, ZUM 2000, 432, 444. 4 Vgl. Schippan, ZUM 2008, 844, 847. 5 Vgl. Grützmacher in Lehmann/Meents, Kap. 18 Rdnr. 78; Klöhn, K&R 2008, 77, 79 f. 6 Schricker in Schricker, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 31 ff.; Wandtke/Gruner in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 31 Rdnr. 39.
236
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
damit nach § 31 Abs. 5 UrhG noch nicht die Einräumung eines Rechts zur Veröffentlichung der Fotos im Internet verbunden1. Der Vertragszweck des für eine Unfallgeschädigte zur Vorlage bei der geschädigten Versicherung erstellten Kfz-Sachverständigengutachtens umfasst ohne ausdrückliche Einwilligung nicht die Befugnis der Versicherung, die in Papierform übergebenen Lichtbilder des Fahrzeugs zu digitalisieren und ins Internet in eine Restwertbörse einzustellen2. Entsprechendes gilt, wenn ein Wertermittlungsgutachten, das für ein amtsgerichtliches Verfahren zur Zwangsversteigerung einer Wohnung erstellt wurde, in einem Internetportal veröffentlicht werden soll3.
950
4. Verwertungsrechte
Die §§ 15 ff. UrhG regeln die ausschließlichen Verwertungsrechte des Urhebers und legen fest, inwieweit der Urheber das alleinige Recht hat, sein Werk zu nutzen und Dritte von der Nutzung des Werkes auszuschließen. Die Verwertungsrechte sind die wichtigste Grundlage dafür, dass der Urheber aus seinem Werk wirtschaftlichen Nutzen ziehen kann4.
951
Um die §§ 15 ff. UrhG differenziert anwenden zu können, bedarf es einer klaren Unterscheidung zwischen der Einspeisung in das Internet einerseits (Upload) und den Vervielfältigungshandlungen beim Abruf von Internetseiten andererseits (Download). Die Einstellung in das Internet nimmt typischerweise der Betreiber der Website vor. Dass eine solche Handlung urheberrechtlich relevant sein kann, liegt auf der Hand. Von gleicher Relevanz sind die Handlungen des Internetnutzers beim Abruf von Seiten mit urheberrechtlich geschützten Inhalten. Besonderheiten gelten schließlich für Datenbanken und Datenbankwerke.
952
a) Öffentliche Zugänglichmachung (Upload)
Nach der Generalklausel des § 15 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten (§ 15 Abs. 1 UrhG) und das Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (§ 15 Abs. 2 UrhG). Die Entscheidung, welcher dieser beiden Verwertungsformen die Einspeisung eines Werkes in das Internet unterfällt, bereitete bis 2003 erhebliche Schwierigkeiten. Eindeutig „unkörperlich“ ist nämlich einerseits die Verbreitung von Daten über das Internet5, während andererseits das abrufbare Endprodukt „körperliche“ Druckseiten sein können. 1 LG Köln vom 20.12.2006, MMR 2007, 465 f. mit Anm. Nennen. 2 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 927 ff.; OLG Hamburg vom 2.4.2008, GRUR-RR 2008, 378 ff. 3 LG Hamburg vom 15.5.2008, ZUM-RD 2010, 80 ff. 4 vom Ungern-Sternberg in Schricker, Urheberrecht, § 15 Rdnr. 2; Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 15 Rdnr. 1. 5 Vgl. AG Charlottenburg vom 17.11.2003, CR 2004, 859, 860.
237
953
E. Urheberrecht
954
Die Gesetzesnovellierung 20031 hat den Streit um die richtige Einordnung des Uploads beendet durch die Schaffung eines Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG), das durch § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UrhG dem Recht der („unkörperlichen“) öffentlichen Wiedergabe zugeordnet wird2. In § 69 c Nr. 4 UrhG findet sich eine entsprechende Norm für die öffentliche Zugänglichmachung von Computerprogrammen – beispielsweise im Rahmen eines ASP-Vertrages3.
955
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist nach § 19 a UrhG das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es den Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Die umständliche Definition lässt sich auf einen einfachen Kern zurückführen: Das Recht zur Einspeisung in das Internet gehört nach § 19 a UrhG zu den ausschließlichen Verwertungsrechten des Urhebers4. Ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. § 19 a UrhG liegt demnach vor, wenn Inhalte in einer solchen Weise in das Netz eingestellt werden, dass sie auf einem Server gespeichert sind und Dritten der Zugriff auf die gespeicherten Inhalte möglich ist5.
956
Für ein öffentliches Zugänglichmachen gemäß § 19 a UrhG reicht es aus, wenn Inhalte durch Eingabe einer URL erreichbar sind. Eine Verlinkung mit einer Website ist nicht erforderlich. Zwar erfordert § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG für die öffentliche Widergabe, dass die Widergabe für die Öffentlichkeit „bestimmt“ sein muss. Hierfür reicht es jedoch aus, dass Inhalte objektiv für Mitglieder der Öffentlichkeit auffindbar sind6.
957
Bei Musiktauschbörsen ist der Tatbestand des § 19 a UrhG erfüllt, sobald ein Musikstück auf einen Server geladen ist, der Dritten den Zugriff auf die Datei über das Internet ermöglicht7. Zur Öffentlichkeit i.S.d. § 19 a UrhG gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist (§ 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG). Eine solche „Öffentlichkeit“ ist zu bejahen, wenn eine Mehrzahl von Personen Zugriff erlangt (§ 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG). Drei Personen reichen hierfür jedenfalls aus8.
1 Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003, BGBl. I 2003, S. 1774. 2 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19 a Rdnr. 1; Czychowski, NJW 2003, 2409, 2410; Klett, K&R 2004, 257. 3 Vgl. OLG München vom 7.2.2008, CR 2009, 500, 501 f. 4 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19 a Rdnr. 3. 5 LG Hamburg vom 5.9.2003, MMR 2004, 558, 560. 6 OLG Hamburg vom 9.4.2008, MMR 2009, 133, 134; OLG Hamburg vom 8.2.2010, K&R 2010, 355. 7 Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1416. 8 Vgl. Schapiro, ZUM 2008, 273, 274 ff.
238
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
Nicht von § 19 a UrhG erfasst ist nach Auffassung des BGH das Angebot von „Online-Videorekordern“. Wenn ein Anbieter Fernsehsendungen auf den „persönlichen Videorekordern“ der Kunden abspeichere, mache er die Sendungen damit zwar im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. UrhG insoweit zugänglich, als die Kunden die Sendungen dann von jedem Ort und zu jeder Zeit über einen PC abrufen können. Es fehle jedoch an einem Zugänglichmachen gegenüber der Öffentlichkeit. Das Zugänglichmachen einer Funksendung sei im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. UrhG öffentlich, wenn diese einer Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (§ 15 Abs. 3 UrhG). Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn jede einzelne Aufzeichnung nur jedem einzelnen Kunden zugänglich sei1.
958
Der BGH misst die Zulässigkeit von „Online-Videorekordern“ am Senderecht, unter der Prämisse, dass der Nutzer Hersteller2 der Aufzeichnungen ist. Nach § 20 UrhG ist dies das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen3. Die Weiterleitung des Sendesignals von der Satellitenantenne als Empfangsgerät zum „persönlichen Videorekorder“ als Aufnahmevorrichtung stellt nach Auffassung des BGH ein Weitersenden gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. UrhG bzw. eine Sendung i.S.d. § 20 UrhG dar. Ob ein „öffentliches“ Weitersenden vorliege, hänge in jedem konkreten Einzelfall davon ab, wie viele Kunden Vervielfältigungen bestimmter Sendungen aus dem Programm des klagenden Sendeunternehmens bestellt und erhalten haben und ob Sendungen des Rechteinhabers danach einer Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind4.
959
Bis zu den Entscheidungen des BGH hatte es der ganz überwiegenden Auffassung entsprochen, dass § 19 a UrhG auf „Online-Videorekorder“ anwendbar ist und das sukzessive Zugänglichmachen mittels eines Zugangscodes für ein „öffentliches Zugänglichmachen“ ausreicht5.
960
Beim „Streaming“ sind die Voraussetzungen des § 19 a UrhG erfüllt, da es für ein Zugänglichmachen nicht erforderlich ist, dass (Musik-)Dateien
961
1 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 575 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3514 mit Anm. Rössel – shift.tv. 2 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 577 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3517 mit Anm. Rössel – shift.tv.; vgl. auch Niemann, CR 2009, 661 ff. 3 Vgl. zum Begriff des Senderechts: Gounalakis, ZUM 2009, 447 ff. 4 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 576 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3515 mit Anm. Rössel – shift.tv. 5 OLG Köln vom 9. 9.2005, K&R 2005, 570, 570; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 610, 611; LG Leipzig vom 12.5.2006, ZUM 2006, 763, 766 = K&R 2006, 426, 427; LG Leipzig vom 19.5.2005, CR 2006, 784, 785 = K&R 2006, 426, 427; LG München I vom 19.5.2005, CR 2006, 787, 789 = ZUM 2006, 583, 585; a.A. OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 = ZUM 2007, 203, 204.
239
E. Urheberrecht
auf den Rechner des Nutzers heruntergeladen werden1. § 19 a UrhG ist systematisch eingerahmt von den Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrechten (§ 19 UrhG) und dem Senderecht (§ 20 UrhG). In allen Fällen geht es um Formen der öffentlichen Wiedergabe, ohne dass dem Rezipienten der Verwertungshandlung etwas verbleiben muss2. Nicht unter § 19 a UrhG sondern unter § 20 UrhG fällt das „Live-Streaming“, da das Merkmal „zu Zeiten ihrer Wahl“ gerade nicht erfüllt ist. Vielmehr erfolgt die Übertragung einmalig zu ganz bestimmten Zeiten, ähnlich wie bei der klassischen Sendung3. 962
Auf einen Music-on-Demand-Dienst ist § 19 a UrhG anwendbar und nicht etwa § 20 UrhG, da § 19 a UrhG ausdrücklich darauf abstellt, dass den Nutzern das Werk „zu Zeiten ihrer Wahl“ zugänglich ist4.
963
Für die zeitgleiche und unveränderte Weitersendung von Fernsehsendungen über das Internet (IPTV) gilt nicht § 20 b UrhG (Kabelweitersendung)5. Es handelt sich vielmehr um eine Ausübung des Senderechts gemäß § 20 UrhG. Ein öffentliches Zugänglichmachen nach § 19 a UrhG kommt nicht in Betracht, da die Zeit der Nutzung nicht vom Willen des Nutzers abhängt6.
964
Aus § 15 i.V.m. § 19 a UrhG lässt sich ableiten, dass es der Zustimmung des Urhebers bedarf, wenn urheberrechtlich geschützte Werke auf einer Website verwendet werden sollen. Ohne eine solche Zustimmung ist die Einspeisung in das Internet – das Upload7 – rechtswidrig8. § 52 Abs. 3 UrhG stellt dies klar, indem die Zulässigkeit jeglicher öffentlichen Zugänglichmachung unter die Voraussetzung einer Einwilligung des Berechtigten gestellt wird9. b) Vervielfältigung (Download) aa) Vervielfältigungsrecht
965
§ 16 UrhG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UrhG regelt das Vervielfältigungsrecht des Urhebers. Dieses Recht umfasst nach § 16 Abs. 1 UrhG jede Herstellung von Vervielfältigungsstücken, gleichviel, ob vorübergehend oder 1 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19 a Rdnr. 34; Hullen, ITRB 2008, 230, 231; OLG Hamburg vom 7.7.2005, MMR 2006, 173, 174 = ZUM 2005, 749, 750; OLG Hamburg vom11.2.2009, MMR 2009, 560, 560. 2 OLG Hamburg vom 25.7.2008, ZUM 2009, 575, 577. 3 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19 a Rdnr. 34; Büscher/Müller, GRUR 2009, 558 f. 4 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19 a Rdnr. 25; OLG Stuttgart vom 21.1.2008, MMR 2008, 474, 475. 5 LG Hamburg vom 8.4.2009, ZUM 2009, 582 ff. 6 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19 a Rdnr. 35. 7 Vgl. LG Hamburg vom 5.9.2003, MMR 2004, 558, 560. 8 Vgl. LG München vom 30.3.2000, MMR 2000, 431. 9 Vgl. AG Charlottenburg vom 17.11.2003, CR 2004, 859, 860.
240
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. Soweit es daher bei der Nutzung des Internet – auch nur vorübergehend – zu Kopiervorgängen kommt, ist jeweils der Tatbestand einer urheberrechtlich relevanten Vervielfältigung erfüllt1. Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung eines Werks, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Unerheblich ist dabei die Vervielfältigungstechnik sowie die Art und Anzahl der Zwischenschritte, die zur Wahrnehmung notwendig sind2.
966
§ 16 Abs. 1 UrhG knüpft an eine Parallele zwischen der herkömmlichen Vervielfältigung und der digitalen Kopie an: Bei dem Abruf einer Internetseite entsteht in jedem Fall eine Datenkopie im Arbeitsspeicher des Internetnutzers. Der Nutzer kann die Seite auch – ganz oder teilweise – auf seiner Festplatte speichern mit der Folge, dass eine Kopie der Originaldatei in körperlicher Form entsteht. Dies legte es bereits nach früherem Recht nahe, den Abruf einer Internetseite als („körperliche“) Vervielfältigung i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu werten3. Seit der Neufassung im Jahre 20034 sind vorübergehende Kopiervorgänge von § 16 Abs. 1 UrhG ausdrücklich erfasst.
967
Von einem zeitgemäßen Verständnis des Vervielfältigungsbegriffs geprägt ist die bereits 1993 in das Urhebergesetz eingefügte Vorschrift des § 69 c UrhG. Nach § 69 c Nr. 1 UrhG umfassen die Verwertungsrechte des Urhebers eines schutzfähigen Computerprogramms die Vervielfältigung des Programms „mit jedem Mittel und in jeder Form“. Hierzu zählen insbesondere Vervielfältigungen im Zusammenhang mit dem „Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms“, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall eine physische Kopie des Programms hergestellt wird. Daher besteht beispielsweise kein Zweifel daran, dass der Download eines Computerprogramms eine Vervielfältigung gemäß § 69 c Nr. 1 UrhG darstellt5.
968
1 Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rdnr. 13; OLG München vom 10.5.2007, MMR 2007, 525, 527 mit Anm. Gausling = K&R 2007, 418, 420. 2 Schulze in Dreier/Schulze , UrhG, § 16 Rdnr. 6 f.; Loewenheim in Schricker , Urheberrecht, § 16 Rdnr. 5 und 9 ff.; BGH vom 4.10.1990, GRUR 1991, 449, 453 – Betriebssystem; OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 f. = ZUM 2007, 203, 204; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 2007, 610, 611. 3 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 137; Alpert, CR 2000, 345, 346; Apel/Steden, WRP 2001, 112, 115; Plaß, WRP 2001, 195, 199; Zscherpe, MMR 1998, 404, 406; LG Hamburg vom 12.6.2000, CR 2000, 776, 777; LG München I vom 14.11.2002, MMR 2003, 197, 198. 4 Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, BGBl. 2003, Teil 1 Nr. 46, S. 1774 ff. 5 Vgl. Czychowski in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 69 c Rdnr. 10; Loewenheim, FS Piper, 709, 718; Bosak, CR 2001, 176, 181; OLG Hamburg vom 22.2.2001, CR 2001, 704, 705; LG Berlin vom 24.7.2001, Az. 16 O 98/99; LG Braunschweig vom 8.7.2003, MMR 2003, 755.
241
E. Urheberrecht
969
Keine Vervielfältigung ist das Lesen einer Seite auf dem Bildschirm. Der bloße „Konsum“ des Werkes stellt – wie auch außerhalb des Internet – keine urheberrechtlich relevante Nutzung dar1.
970
Bei der Verwendung urheberrechtlich geschützter Bilder und Graphiken als „Thumbnails“ in einer Bildersuchmaschine liegen sowohl Vervielfältigungshandlungen als auch ein öffentliches Zugänglichmachen vor2.
971
Ob Laden in den Arbeitsspeicher oder Speichern auf die eigene Festplatte: Bei jedem einzelnen Vervielfältigungsvorgang stellt sich zunächst die Frage, ob die Vervielfältigung (ausnahmsweise) erlaubnisfrei ist. Ist dies nicht der Fall, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Kopie darauf an, ob eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Zustimmung des Urhebers vorliegt. bb) Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen
972
Erlaubnisfrei sind nach § 44 a UrhG „flüchtige“ oder „begleitende“ Vervielfältigungshandlungen, die allein der technischen Übertragung im Internet dienen und keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben, soweit die Übertragung einer rechtmäßigen Nutzung des Werkes dient. Das Laden in den Zwischenspeicher des Computers beim Abruf einer Seite oder das Caching sind daher nach § 44 a UrhG regelmäßig erlaubnisfrei3. Keine Fälle des § 44 a UrhG liegen beim Streaming4 oder beim Angebot von „Online-Videorekordern“5 vor. Auch das Ausdrucken eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs eines Presseartikels erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 44 a UrhG, da es an der Voraussetzung einer „Flüchtigkeit“ fehlt6.
973
Die Schrankenregelung des § 44 a UrhG gilt lediglich für die Verwertung des Werks in körperlicher Form (§ 15 Abs. 1 sowie § 16 Abs. 1 und 2 1 Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rdnr. 13; BGH vom 4.10.1998, BGHZ 112, 264, 278. 2 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 917 ff. = MMR 2010, 475, 476 ff. mit Anm. Rössel – Vorschaubilder; LG Hamburg vom 5.9.2003, MMR 2004, 558, 561; LG Hamburg vom 22.2.2006, MMR 2006, 697, 698; LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2009, 47, 48 f. mit Anm. Kleinemenke; a.A. LG Erfurt vom 15.3.2007, CR 2007, 391, 392 f. mit Anm. Berberich = K&R 2007, 325, 32f f. mit Anm. Roggenkamp; vgl. auch Leistner/Stang, CR 2008, 499, 502; Ott, ZUM 2009, 345 f.; OLG Jena vom 27.2.2008, MMR 2008, 408, 409 mit Anm. Schack; LG Bielefeld vom 8.11.2005, CR 2006, 350 mit Anm. Wimmers/Schulz; Ott, ZUM 2009, 345 f. 3 Von Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 44 a Rdnr. 3 f.; Klett, K&R 2004, 257, 258. 4 OLG Hamburg vom 7.7.2005, MMR 2006, 173, 175; OLG Hamburg vom 25.7.2008, ZUM 2009, 575, 577; vgl. auch LG Hamburg vom 21.2.2007, K&R 2007, 484, 485 = ZUM 2007, 869, 870 f. (Vorinstanz). 5 OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 f. = ZUM 2007, 203, 204; LG Braunschweig vom 7.6.2006, K&R 2006, 362, 364. 6 EuGH vom 16.7.2009, K&R 2009, 707, 709 f. – Elektronischer Pressespiegel.
242
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
UrhG), nicht jedoch für einen Eingriff in das Recht auf Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG). Auf die Bildersuche („Thumbnails“) ist § 44 a UrhG schon aus diesem Grund nicht anwendbar1. Der Zweck des § 44 a UrhG liegt im Übrigen darin, Festlegungen, die nach der weiten Fassung des Vervielfältigungsbegriffs rechtlich als Vervielfältigung zu qualifizieren sind, von der Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers freizustellen. Dies gilt insbesondere für die Speicherung auf Netzwerk-Servern oder in Arbeitsspeichern, die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat, sondern das effiziente Funktionieren der Übertragungssysteme ermöglichen soll2.
974
cc) Einräumung des Vervielfältigungsrechts
Soweit § 44 a UrhG oder andere Normen (z.B. § 69 d UrhG) einen Kopiervorgang nicht bereits erlaubnisfrei stellen, stellt sich die Frage, ob der Urheber dem Nutzer ein entsprechendes Nutzungsrecht eingeräumt hat.
975
Das Recht, ein Werk auf eine bestimmte Art und Weise zu nutzen (§ 31 Abs.1 UrhG), kann einem Dritten ausdrücklich oder auch durch eine konkludente Erklärung des Urhebers eingeräumt werden. Da die (ausdrückliche oder konkludente) Gewährung eines urheberrechtlichen (einfachen oder ausschließlichen) Nutzungsrechts dinglichen Charakter hat, muss die (konkludente) Willenserklärung, mit der der Urheber einem Dritten ein Nutzungsrecht einräumt, den Anforderungen an (dingliche) Verfügungen über Rechte genügen. Die betreffende Willenserklärung setzt demnach insbesondere voraus, dass unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände nach dem objektiven Inhalt der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist, der Erklärende wolle über sein Urheberrecht in der Weise verfügen, dass er einem Dritten daran ein bestimmtes Nutzungsrecht einräume3.
976
Das Einstellen von Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke ins Internet bringt jedoch nicht unzweideutig den Willen zum Ausdruck, dass einem Suchmaschinenbetreiber das Recht übertragen werden soll, auch Abbildungen, die im Zusammenhang mit diesen Wörtern von der Suchmaschine auf der Internetseite aufgefunden werden, im Wege von Vorschaubildern („Thumbnails“) verkleinert anzuzeigen4. Das Einstellen
977
1 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 918 f. = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder; vgl. auch LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2009, 47, 52 mit Anm. Kleinemenke; a.A. Heymann/Nolte, K&R 2009, 759, 764; siehe auch Rz. 976 ff. 2 Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 44 a Rdnr. 1; OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 458 f. = ZUM 2007, 203, 204. 3 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 f. = MMR 2010, 475, 478 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder. 4 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 920 = MMR 2010, 475, 478 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder.
243
E. Urheberrecht
von Inhalten in das Internet bringt allerdings mit sich, dass diese Inhalte von anderen Internetnutzern angesehen werden können und auch auf übliche Weise – beispielsweise per Suchmaschine – gefunden werden sollen. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 UrhG liegen demnach (nur) insoweit vor, als es um Vervielfältigungen geht, die zum Finden und Lesen der Inhalte notwendig sind. 978
Die Einspeisung eines urheberrechtlich geschützten Werkes in das Internet lässt sich demnach nicht generell schon als Angebot der Einräumung eines (dinglichen) Vervielfältigungsrechts an jeden potenziellen Internetnutzer werten1. dd) Einwilligung des Urhebers
979
Ein rechtswidriger Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse ist nicht nur dann zu verneinen, wenn der Berechtigte durch Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen durch Einräumung entsprechender Nutzungsrechte über sein Recht verfügt oder dem Nutzer die entsprechende Werknutzung schuldrechtlich gestattet hat. Daneben besteht vielmehr auch die Möglichkeit, dass die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ein ausschließliches Verwertungsrecht wegen Vorliegens einer schlichten Einwilligung des Berechtigten ausgeschlossen ist. Die Einwilligung in die Urheberrechtsverletzung unterscheidet sich von der (dinglichen) Übertragung von Nutzungsrechten und der schuldrechtlichen Gestattung dadurch, dass sie zwar als Erlaubnis zur Rechtmäßigkeit der Handlung führt, der Einwilligungsempfänger aber weder ein dingliches Recht noch einen schuldrechtlichen Anspruch oder ein sonstiges gegen den Willen des Rechtsinhabers durchsetzbares Recht erwirbt. Sie erfordert daher auch keine auf den Eintritt einer solchen Rechtsfolge gerichtete rechtsgeschäftliche Willenserklärung2. Es gelten keine formalen Anforderungen. Insbesondere kann die Einwilligung stillschweigend erfolgen3.
980
Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen. Da es auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ankommt, ist es ohne Bedeutung, ob der Berechtigte beispielsweise weiß, welche Nutzungshandlungen im Einzelnen mit der üblichen Suche durch eine Suchmaschine verbunden sind. Indem Einstellen von Abbildungen in das Internet, ohne diese gegen das Auffinden durch Suchmaschinen zu sichern, liegt daher
1 A.A. Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 375; Bechtold, ZUM 1997, 427, 430; OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 184, 186. 2 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 920 = MMR 2010, 475, 479 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder. 3 Von Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 44 a Rdnr. 17; LG München I vom 14.11.2002, CR 2003, 526, 527.
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IV. Urheberrechtsschutz im Internet
eine Einwilligung in die Wiedergabe der Werke in Vorschaubildern einer Suchmaschine („Thumbnails“)1. Jeder Internetnutzer weiß, dass eine Internetseite mit dem Einstellen in das Internet dem Zugriff einer Vielzahl von Personen unterliegt. Dies gilt auch bei Vervielfältigungsvorgängen, die durch Verweis per Hyperlinks entstehen2. Wer Inhalte ins Internet stellt, muss mit Verweisen rechnen und ist grundsätzlich auch damit einverstanden3.
981
Eine Einwilligung kann mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden (§ 183 Satz 1 BGB). Wenn eine Einwilligung in die Auffindbarkeit durch eine Suchmaschine widerrufen wird, ohne dass Vorkehrungen gegen eine solche Auffindbarkeit getroffen werden, liegt in dem Widerruf eine Verwahrung, die unter dem Gesichtspunkt einer protestatio facto contraria unbeachtlich ist4.
982
ee) Kopierschutz
Um eine unentgeltliche oder doch jedenfalls unkontrollierte Vervielfältigung eines im Internet abrufbaren Werkes zu verhindern, kommt der Urheber bzw. Rechteinhaber schon aus praktischen Gründen nicht umhin, die entsprechende Internetseite mit Zugangshindernissen gegen einen unbefugten Zugang zu sichern. Durch die Zugangssicherung bringt der Inhaber der Urheberrechte mit hinreichender Deutlichkeit seinen Willen zum Ausdruck, zu einer Rechtsübertragung gemäß § 31 UrhG nur bei Erfüllung der jeweils aufgestellten Bedingungen bereit zu sein5. Der Abruf einer derartig geschützten Seite unter Umgehung der Zugangshindernisse ist als rechtswidrige Verletzung des Vervielfältigungsrechts des Urhebers zu werten, gegen die der Inhaber der Urheberrechte nach den §§ 97 ff. UrhG vorgehen kann6.
1 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 921 = MMR 2010, 475, 479 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder; LG Erfurt vom 15.3.2007, CR 2007, 391, 392 mit Anm. Berberich = K&R 2007, 325, 326 f. mit Anm. Roggenkamp; LG Hamburg vom 16.6.2010, Az. 325 O 448/09; a.A. OLG Jena vom 27.2. 2008, MMR 408, 411 mit Anm. Schack; LG Hamburg vom 22.2.2006, MMR 2006, 697, 698 f.; LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2009, 47, 51 mit Anm. Kleinemenke; vgl. auch Heymann/Nolte, K&R 2009, 759, 761 f.; Leistner/Stang, CR 2008, 499, 504 ff.; Ott, ZUM 2009, 345, 346 f. 2 Vgl. Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 357; OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 184, 186; LG Hamburg vom 12.7.2000, CR 2000, 776, 777. 3 OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 184; LG München I vom 14.11.2002, CR 2003, 526, 527. 4 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 921 = MMR 2010, 475, 479 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder. 5 Vgl. Lapp ITRB 2004, 114, 115; BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408. 6 Lippert, CR 2001, 478, 481; vgl. dazu Rz. 1050.
245
983
E. Urheberrecht
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In rechtlicher Hinsicht ist der Rechteinhaber auch gegen eine Verbreitung von „Raubkopien“ geschützt. Wird beispielsweise eine unrechtmäßig hergestellte Kopie in das Internet zum kostenlosen Abruf eingespeist, erfüllt die Einspeisung den Tatbestand einer rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG), die den Rechteinhaber zur Geltendmachung von Ansprüchen gemäß den §§ 97 ff. UrhG berechtigt1.
985
Durch technische Maßnahmen lassen sich elektronische Dokumente gegen eine Vervielfältigung schützen. Derartige Schutzvorkehrungen sind durch § 95 a Abs. 1 UrhG gegen eine Umgehung geschützt. Das Umgehungsverbot erstreckt sich nach § 95 a Abs. 3 UrhG auf die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, den Verkauf, die Vermietung, die Werbung und den gewerblichen Zwecken dienenden Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die der Umgehung von Schutzvorkehrungen dienen2. § 95 b UrhG schränkt das Verbot zugunsten einiger nach den §§ 45 ff. UrhG privilegierter Nutzungen ein.
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Eine gemäß § 95 a Abs. 3 UrhG verbotene Werbung liegt bei dem Angebot einer Brenner-Software im Rahmen einer Online-Auktion vor3. Der Begriff der Werbung umfasst jegliche Äußerung mit dem Ziel, den Absatz der verbotenen Umgehungsmittel zu fördern. Ein Handeln zu gewerblichen Zwecken ist nicht erforderlich, ein privates und einmaliges Verkaufsangebot genügt4.
987
§ 95 a Abs. 3 UrhG ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB5, sodass eine schuldhafte Verletzung der Norm den Verletzer zum Schadensersatz verpflichtet. Auch Ansprüche aus den §§ 97 ff. UrhG können bestehen6.
988
An der Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme fehlt es, wenn ein Nutzer bei bestehendem digitalem Kopierschutz eine analoge Kopie zieht7. Der Umstand, dass eine technische Schutzmaßnahme vorgenommen worden ist, macht nicht jede Umgehung oder Überwindung des Schutzes rechtswidrig. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine kon-
1 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19 a Rdnr. 22 f. 2 Klett, K&R 2004, 257, 259. 3 LG Köln vom 23.11.2005, CR 2006, 702, 705 = MMR 2006, 412, 415 mit Anm. Lindhorst. 4 BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 3565, 3566 f. – Clone-CD; vgl. auch Arnold, NJW 2008, 3545 ff. 5 BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 3565, 3566 – Clone-CD; LG München I vom 14.10.2009, CR 2010, 76, 77. 6 Wandtke/Ost in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 95b Rdnr. 88 m.w.N.; Arnold, NJW 2008, 3545, 3546. 7 LG Frankfurt a.M. vom 31.5.2006, CR 2006, 816, 817 = MMR 2006, 766, 767 mit Anm. Arlt.
246
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
krete Art der Nutzung vorliegt, die der Berechtigte durch wirksame technische Maßnahmen unterbinden wollte1. Wenn eine Spielekonsole so programmiert ist, dass sie nur in Verbindung mit Originalspielen des Konsolenherstellers genutzt werden kann, liegt eine technische Schutzmaßnahme vor, die die Voraussetzungen des § 95 a Abs. 2 UrhG erfüllt.2
989
Das Herunterladen von Hackersoftware auf einen PC erfüllt den Tatbestand des verbotenen Besitzes von Umgehungsmitteln nach § 95 a Abs. 3 UrhG3.
990
c) Nutzung fremder Datenbanken
Das Urheberrecht an einem Datenbankwerk (§ 4 Abs. 2 UrhG) ist von dem Leistungsschutzrecht an einer Datenbank gemäß § 87 a UrhG zu unterscheiden. Beide Rechte bestehen unabhängig voneinander mit verschiedenem Schutzgegenstand4.
991
Eine Verletzung des Urheberrechts an einem Datenbankwerk durch Vervielfältigung kann nur angenommen werden, wenn das beanstandete Werk diejenigen Strukturen hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffs enthält, die das Datenbankwerk als eine persönliche geistige Schöpfung i.S.d. § 4 UrhG ausweisen. Nur wenn die Kombination der übernommenen Elemente besondere Strukturen in deren Auslese und Anordnung aufweist und darin das Gewebe der persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes erkennen lässt, kann eine Beeinträchtigung des Urheberrechts an dem Datenbankwerk i.S.d. § 4 Abs. 2 UrhG angenommen werden.
992
Eine Urheberrechtsverletzung (§ 16 UrhG) kommt, wenn keine vollständige Übernahme vorliegt, nur in Betracht, wenn auch der entlehnte Teil den Schutzvoraussetzungen für ein Sammelwerk genügt. Dies ist bei einer Gedichttitelliste der Fall, wenn in einem Teilbereich älterer Gedichte knapp 98% der Liste mit Gedichten übereinstimmen, die in der Gedichttitelliste aufgeführt sind, die nach § 4 Abs. 2 UrhG geschützt ist. Der übernommene Teil ist so weitgehend Ausdruck der individuellen Auswahlkonzeption des Urhebers, dass er einen gemäß § 4 Abs. 2 UrhG selbständig schutzfähigen Teil des Datenbankwerkes darstellt5.
993
Datenbanken sind gegen eine vollständige oder teilweise Vervielfältigung durch § 87 b Abs. 1 UrhG geschützt. Dies gilt zunächst für die vollstän-
994
1 OLG Hamburg vom 20.2.2008, CR 2010, 125, 127. 2 LG München I vom 13.3.2008, MMR 2008, 839, 841; LG München I vom 14.10.2009, CR 2010, 76, 77. 3 OLG Celle vom 27.1.2010, MMR 2010, 347, 348. 4 BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 465, 467 – Gedichttitelliste I. 5 BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 465, 467 f. – Gedichttitelliste I.
247
E. Urheberrecht
dige Kopie und die Vervielfältigung von wesentlichen Teilen einer Datenbank (§ 87 b Abs. 1 Satz 1 UrhG). Der Kopie eines unwesentlichen Teils gleichgestellt ist die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von unwesentlichen Teilen, wenn diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen1. aa) Vervielfältigung der Datenbank
995
Der Begriff des „Vervielfältigens“ ist dahin auszulegen, dass er sich auf jede Handlung bezieht, die darin besteht, sich ohne die Zustimmung der Person, die die Datenbank erstellt hat, die Ergebnisse ihrer Investition anzueignen oder sie öffentlich verfügbar zu machen und ihr damit die Einkünfte zu entziehen, die es ihr ermöglichen sollen, die Kosten dieser Investition zu amortisieren2.
996
Auf die Übernahme der Anordnung der Daten in einer der Datenbank des Herstellers entsprechenden Gestaltung kommt es nicht an. Die andersartige Anordnung der entnommenen Daten durch den Verwender hat nicht zur Folge, dass diese ihre Eigenschaft als wesentlicher Teil der Datenbank verlieren3. Ebenso wenig ist erforderlich, dass der Verwender sich die Daten durch einen unmittelbaren Zugang zur Datenbank des Herstellers verschafft4. Unerheblich ist zudem, ob die Vervielfältigung „ständig“ oder „vorübergehend“ erfolgt (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit a der EG-Datenbankrichtlinie5).
997
Im Kern bedeutet § 87 b UrhG einen Schutz der Investitionen, die mit der Herstellung einer Datenbank verbunden sind. Daher ist bei elektronischen Datenbanken auch die Vervielfältigung eines wesentlichen Teils der Datenbank zum privaten Gebrauch gemäß § 87 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UrhG erlaubnispflichtig6. Hinter der Unterscheidung zwischen elektronischen und anderen Datenbanken steht der Gedanke, dass elektronische Datenbanken wegen der Einfachheit digitaler Kopien und der oft be1 LG München I vom 18.9.2001, MMR 2002, 58, 59; LG Köln vom 2.5.2001, ZUM 2001, 714, 716. 2 Vgl. EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 248 – BHB-Pferdewetten; BGH vom 21.4.2005, CR 2006, 51, 52 f. = K&R 2005, 515, 516 f. – Marktstudien; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. 3 Sendrowski, GRUR 2005, 369, 374; EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 251 – BHB-Pferdewetten; EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 322 – DatenbankEntnahme; BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1270 – HIT BILANZ; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528. 4 BGH vom 21.7.2005, WRP 2005, 1267, 1269 – HIT BILANZ; vgl. EuGH vom 9.11.2004, GRUR 2005, 244, 248 u. 250 – BHB-Pferdewetten. 5 Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken; EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 321 – Datenbank-Entnahme. 6 Vgl. OLG München vom 21.11.2002, CR 2003, 564, 566.
248
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
trächtlichen Investition, die mit dem Aufbau und der Pflege einer elektronischen Datenbank verbunden ist, eines gesteigerten Schutzes bedürfen1. Ob ein „wesentlicher Teil“ einer Datenbank entnommen wurde, ist – quantitativ – nach dem Verhältnis des Volumens der entnommenen Daten zu dem gesamten Inhalt der Datenbank zu beurteilen2. Auch ein quantitativ geringer Teil kann zudem die Entnahme eines „wesentlichen Teils“ der Datenbank bedeuten, wenn es sich bei dem entnommenen Teil um Daten handelt, die – qualitativ – eine erhebliche menschliche, technische oder finanzielle Investition verkörpern3.
998
bb) „Abziehen“ von Daten
Eine unzumutbare Beeinträchtigung berechtigter Interessen (§ 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG) liegt stets bei einem gezielten, regelmäßigen „automatischen Abziehen“ von Daten einer Datenbank in regelmäßigen Abständen vor4. Der Betreiber eines Online-Kleinanzeigenmarktes braucht es daher nicht hinzunehmen, wenn ein Konkurrent über seine Website den Abruf der Kleinanzeigen aus der eigenen Datenbank ermöglicht5. Ebenso wenig ist es dem Betreiber eines Wetterdienstes erlaubt, sich durch falsche Angaben bei der Anmeldung auf der Website eines Konkurrenten den Zugang zu Flugwetterinformationen zu erschleichen, die der Konkurrent im Internet zum Abruf bereit hält, um die Daten systematisch und in großem Umfang in das eigene elektronische System aufzunehmen6. Das Online-Auktionshaus Ebay kann schließlich aus § 87 b Abs. 1 UrhG dagegen vorgehen, dass ein Unternehmen die Ebay-Angebotsdatenbank systematisch dazu nutzt, Ebay-Kunden eine Konkurrenzbeobachtungsanalyse anzubieten7.
999
Eine nach § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG unzulässige Nutzung einer fremden Datenbank kann darin liegen, dass fremde Internet-Verzeichnisse systematisch zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil durchforstet werden. Wird beispielsweise die Fahrplan-Datenbank der Deutschen Bahn AG systematisch von einem telefonischen Auskunftsdienst genutzt, kommt es zu einer wiederholten und systematischen Kopie von (kleinen) Teilen der Da-
1000
1 Vgl. Vogel in Schricker, Urheberrecht, § 87 c Rdnr. 12; Thum in Wandtk/Bullinger, Urheberrecht, § 87c Rdnr. 27. 2 EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 322 f. – Datenbank-Entnnahme; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528; OLG Köln vom 14.11.2008, K&R 2009, 52, 53; vgl. Hermann/Dehißelles, K&R 2009, 23, 24. 3 EuGH vom 5.3.2009, K&R 2009, 320, 323 – Datenbank-Entnahme; OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 529. 4 LG München I vom 18.9.2001, MMR 2002, 58, 59. 5 LG Berlin vom 18.10.1998, AfP 1998, 649. 6 OLG Köln vom 15.12.2006, CR 2007, 802, 804 f. = ITRB 2007, 205, 206 (Schiedermair). 7 LG Berlin vom 22.12.2005, CR 2006, 515 = ZUM 2006, 343 ff.
249
E. Urheberrecht
tenbank in den Arbeitsspeichern der Call-Center-Mitarbeiter. Dies beeinträchtigt die Deutsche Bahn AG unzumutbar, da sie die Datenbank mit erheblichem wirtschaftlichem Aufwand eingerichtet hat und es nicht zu dulden braucht, dass sich andere Unternehmen diesen Aufwand für eigene wirtschaftliche Zwecke zunutze machen1. 1001
Die Deutsche Bahn AG möchte ihren Kunden mit ihrer Fahrplan-Datenbank einen kostenlosen Service bieten. Dies unterscheidet die Datenbank von Informationsseiten, bei denen es dem Betreiber im Wesentlichen darum geht, Informationen „an den Mann“ zu bringen. Wer daher – wie die meisten Zeitungsverlage – Verzeichnisse mit neuesten Nachrichten ins Netz stellt, wird nicht unzumutbar beeinträchtigt durch Suchmaschinen, die die Nachrichtenseiten durchforsten2. Ein solches Aufspüren von Nachrichten gehört zu dem Wesen jeder Suchmaschine und läuft dem Zweck der Nachrichtenseite nicht zuwider3. Anders kann dies allerdings zu beurteilen sein, wenn der Betreiber der Suchmaschine gezielt „schmarotzt“ und ersichtlich den Aufwand sparen möchte, der mit der Erstellung eigener Contents verbunden ist, um mit Werbung auf seinen Seiten Geld zu verdienen4.
1002
Eine unzumutbare Beeinträchtigung ist zu bejahen, wenn eine Software vertrieben wird, die es ermöglicht, in einem automatisierten Verfahren in sehr kurzen Zeitabständen Suchanfragen bei mehreren Internet-Automobilbörsen gleichzeitig durchzuführen und dem Nutzer Suchergebnisse anzeigt, ohne dass der Nutzer die Websites der Automobilbörsen aufsuchen muss. § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG ist – entgegen der Auffassung des OLG Hamburg5 – keine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Es kommt daher nicht darauf an, ob einzelne Nutzer einen wesentlichen Teil der Datenbank der Antragstellerin entnehmen bzw. vervielfältigen6.
1003
Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Datenbankherstellers nach § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG liegt allerdings nur vor, wenn – in der Summe – die Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn aus einer größeren Datenbank mit Bewertungsdaten von Zahnärzten nur 12 Datensätze verwendet werden7.
1004
Wenn ein Unternehmen Flugtickets im Wege des Screen-Scraping vermittelt, liegt darin nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. keine unzulässige Nutzung nach § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG. Die Nutzung von Datensätzen einzelner Flugverbindungen halte sich im Rahmen einer nor1 LG Köln vom 8.5.2002, MMR 2002, 689, 690. 2 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3410. 3 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 13.4.2000, MMR 2000, 488, 489; OLG Köln vom 27.10.2000, CR 2001, 708. 4 Vgl. Hartmann/Koch, CR 2002, 441, 443; Hoeren, MMR Beilage 8/2001, 2. 5 OLG Hamburg vom 16.4.2009, CR 2009, 526, 528 ff. 6 Vgl. Herrmann/Dehißelles, K&R 2009, 23, 25. 7 OLG Köln vom 14.11.2008, K&R 2009, 52, 54.
250
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
malen Auswertung der Datenbank; die berechtigten Interessen des Flugunternehmens würden nicht unzumutbar beeinträchtigt. Im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Nutzung ein berechtigtes Bedürfnis der Verbraucher befriedige, kostengünstige Angebote aufzufinden, und dem Flugunternehmen damit letztlich auch Kunden zuzuführen. Unter diesen Umständen könne dem Anliegen des Flugunternehmens, ihre Kunden zum Zwecke der effektiven Bewerbung sonstiger Leistungen ausschließlich über die Nutzung ihrer eigenen Internetseite zum etwaigen Vertragsschluss zu führen, kein höheres Gewicht beigemessen werden1. Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vermag nicht zu überzeugen, da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass sich der Inhaber des Leistungsschutzrechts an einer Datenbank aus Gründen des Verbraucherschutzes Einschränkungen gefallen lassen muss. Das Screen-Scraping gegen den Willen des Inhabers der Datenbank stellt ein „Schmarotzen“ dar, das nach § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG unzulässig ist.
1005
cc) Inhaltliche Übernahme von Daten
Lange Zeit war unklar, ob auch die in der Datenbank befindlichen Daten durch die §§ 87 a ff. UrhG geschützt sind und eine ausschließlich inhaltliche Übernahme einer Datenbank die Voraussetzungen des § 87 b UrhG erfüllen kann. Nachdem der BGH diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte2, hat sich der EuGH dafür ausgesprochen, den Begriff der „Entnahme“ weit auszulegen und es genügen zu lassen, dass Daten aus einer Datenbank in eine andere Datenbank – „manuell“ übernommen werden, ohne dass es zu einem elektronischen Vervielfältigungsvorgang („copy and paste“) kommt3.
1006
In dem BGH-Fall ging es um das Projekt „Klassikerwortschatz“ der Universität Freiburg, das zur Veröffentlichung der sogenannten Freiburger Anthologie geführt hatte, einer Sammlung von Gedichten aus der Zeit zwischen 1720 und 1933. Als Grundlage der Anthologie hatte ein Freiburger Professor eine Liste von Gedichttiteln erarbeitet, die unter der Überschrift „Die 1100 wichtigsten Gedichte der deutschen Literatur zwischen 1730 und 1900“ im Internet veröffentlicht worden war4.
1007
Die Beklagte vertrieb eine CD-ROM „1000 Gedichte, die jeder haben muss“, die im Jahr 2002 erschien. Von den Gedichten auf der CD-ROM stammten 876 aus der Zeit zwischen 1720 und 1900; hiervon waren 856 (knapp 98 %) auch in der Gedichttitelliste des Projekts „Klassikerwort-
1008
1 OLG Frankfurt vom 5.3.2009, CR 2009, 390 f.; vgl. auch Deutsch, GRUR 2009, 1027, 1029 der schon eine Datenbank verneint. 2 BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 468 ff. – Gedichttitelliste II. 3 EuGH vom 9.10.2008, CR 2009, 4 ff. mit Anm. Milbradt/Hülsewig; vgl. Herrmann/Dehißelles, K&R 2009, 23,24. 4 BGH vom 13.8.2009, NJW 2010, 778 f. – Gedichttitelliste III.
251
E. Urheberrecht
schatz“ benannt. Bei der Zusammenstellung der Gedichte für ihre CDROM hatte sich die Beklagte an dieser Liste orientiert. Sie hatte einige der dort angeführten Gedichte weggelassen, einige wenige hinzugefügt und im Übrigen die von dem Freiburger Professor getroffene Auswahl jeweils kritisch überprüft. Die Gedichttexte selbst hatte die Beklagte eigenem digitalem Material entnommen1. 1009
Nachdem der EuGH entschieden hatte, dass eine derartige „manuelle“ Übernahme als Entnahme gemäß des Art. 7 der EG-Datenbankrichtlinie und damit als Vervielfältigung i.S.d § 87 b Abs. 1 UrhG anzusehen sein kann, blieb dem BGH zu prüfen, ob die Beklagte einen in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentlichen Teil des Inhalts der geschützten Datenbank übernommen hatte. Der BGH bejahte dies und verwies darauf, dass die besondere Leistung, die sich in der Freiburger Anthologie verkörperte, in der nach einem objektiven Verfahren vorgenommenen Auswahl einer bestimmten Zahl von Gedichten aus einem deutlich größeren Gesamtbestand lag. Hierzu sei es erforderlich gewesen, die Titel der einzelnen Gedichte zu vereinheitlichen und das Entstehungsdatum zu ermitteln. Die Beklagte habe mit ihrer Auswahl von Gedichten einen sehr großen Teil der Titelauswahl fast unverändert übernommen und damit den Tatbestand des § 87 b Abs. 1 UrhG erfüllt2.
1010
Bis zu dem EuGH Urteil war § 87 b UrhG vielfach eng ausgelegt worden. Nach überwiegender Auffassung3 gewährte das Schutzrecht aus § 87 b UrhG kein Recht an den Informationen, die in der Datenbank gespeichert sind. Der Schutz der Investitionsleistung des Datenbankherstellers knüpfe daran an, dass die Datenbank als hergestelltes Gut auf einem Trägermedium verkörpert ist. Schutzgegenstand des Datenbankherstellerrechts sei dementsprechend die auf einem Trägermedium festgelegte Datenbank als Erscheinungsform des unter wesentlichem Investitionsaufwand gesammelten, geordneten und einzeln zugänglich gemachten Inhalts4. Aus diesem Verständnis des Schutzgegenstands folge, dass der Schutz gegen Entnahme ein (unmittelbares oder mittelbares) Kopieren der auf dem Trägermedium verkörperten Datenbank voraussetze. Nur ein solches Verständnis des Begriffs der Entnahme schaffe Rechtssicherheit, weil Nutzer von Daten, die diese nicht der Datenbank selbst, sondern abgeleiteten Quellen entnehmen, vielfach kaum erkennen können, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Daten einer geschützten Da1 BGH vom 13.8.2009, NJW 2010, 778 f. – Gedichttitelliste III. 2 BGH vom 13.8.2009, NJW 2010, 778, 779 – Gedichttitelliste III. 3 Vgl. Vogel in Schricker, Urheberrecht, § 87b Rdnr. 9; a.A. Thum in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, § 87b Rdnr. 41ff.; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 87b Rdnr. 9; Loewenheim in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 43 Rdnr. 18; vgl. auch von Lewinski in Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, Art. 7 Datenbank-RL Rdnr. 19; Gaster in Hoeren/Sieber, Handbuch MultimediaRecht, Teil 7.6 Rdnr. 134 f. 4 Vgl. Vogel in Schricker, Urheberrecht, § 87a Rdnr. 19; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rdnr. 744; Schack, MMR 2001, 9, 12.
252
IV. Urheberrechtsschutz im Internet
tenbank entstammen, insbesondere ob sie aus der Datenbank als deren wesentlicher Teil oder im Wege einer unzulässigen wiederholten und systematischen Entnahme übernommen worden sind1. Aufgrund des EuGH-Urteils ist jetzt indes davon auszugehen, dass sich das Schutzrecht aus § 87 b UrhG auf den Inhalt der Datenbank (und somit auf die gesammelten Daten selbst) bezieht, indem es die Gesamtheit dieser Daten oder wesentliche Teile davon gegen unerlaubte Entnahme schützt. Schutzgegenstand des Datenbankherstellerrechts ist damit die Gesamtheit des unter wesentlichem Investitionsaufwand gesammelten, geordneten und einzeln zugänglich gemachten Inhalts der Datenbank als immaterielles Gut2. Dies überzeugt jedenfalls insoweit, als anderenfalls die Fälle des „Abtippens“ und des „Copy and Paste“ unterschiedlich zu behandeln wären, obwohl vielfach kaum zu klären sein wird, wie die „Entnahme“ von Datenbankteilen tatsächlich erfolgt ist3.
1011
5. Bearbeitung und freie Benutzung
Nach § 23 Satz 1 UrhG dürfen Bearbeitungen und andere Umgestaltungen eines Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers veröffentlicht oder verwendet werden. Werden daher Texte, Musik oder andere urheberrechtlich geschützte Werke in geänderter Form ins Netz gestellt, bedarf dies der vorherigen Zustimmung des Urhebers.
1012
Die bloße Digitalisierung eines Textes stellt keine Bearbeitung, sondern eine Vervielfältigung dar, da es an einer inhaltlichen Veränderung des (Sprach-)Werkes fehlt4. Anders zu beurteilen kann die Umformatierung von Bild- oder Musikdateien sein, bei der es stets auch zu – wenn auch geringfügigen – inhaltlichen Änderungen kommt.
1013
§ 23 UrhG schützt den Urheber nur gegen die Verwertung einer Bearbeitung, nicht jedoch gegen die Bearbeitung selbst, die jedermann erlaubt ist5. Einen Schutz gegen die Bearbeitung gibt es nur bei Software (§ 69 c Nr. 2 UrhG). Wenn der Quellcode einer Website die Anforderungen des § 69 a Abs. 3 UrhG erfüllt, darf er ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht geändert werden.
1014
1 Vgl. BGH vom 24.5.2007, K&R 2007, 468, 471 – Gedichttitelliste II. 2 Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, vor §§ 87a ff. Rdnr. 23; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, Vor §§ 87a ff. Rdnr. 1 f. 3 Milbradt/Hülsewig, CR 2009, 7, 8; vgl. LG Köln vom 6.2.2008, MMR 2008, 418 ff. 4 Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 132; Völker in Ensthaler/Weidert, Handbuch Urheberrecht und Internet, S. 172; Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 16 Rdnr. 2; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 23 Rdnr. 6; Schulze, ZUM 2000, 432, 439. 5 Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 23 Rdnr. 1; a.A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 23 Rdnr. 2.
253
E. Urheberrecht
1015
Im Gegensatz zur Verwertung einer Bearbeitung bedarf die Verwertung eines selbständigen Werkes, das in freier Benutzung des Werkes geschaffen worden ist, keiner Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes (§ 24 Abs. 1 UrhG)1. Voraussetzung für eine freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG ist ein eigenes Werkschaffen durch den Nutzer, wobei es für die Abgrenzung zwischen freier Benutzung nach § 24 UrhG und unfreier Bearbeitung nach § 23 UrhG entscheidend darauf ankommt, ob angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten Werkes verblassen2.
1016
Auf die Abgrenzung zwischen § 23 UrhG und § 24 UrhG kommt es an, wenn im Internet kurze Zusammenfassungen (Abstracts) von Beiträgen aus Printmedien veröffentlicht werden. Für eine freie Benutzung des Originals gemäß § 24 Abs. 1 UrhG spricht es, wenn die Originalbeiträge in den Abstracts stark komprimiert werden und der Gedankengang des Originals modifiziert wird. Dass Passagen des Originals wörtlich übernommen werden, schließt eine freie Benutzung nicht aus, wenn sich die wörtlichen Übernahmen auf einzelne Worte oder Wortfolgen von wenigen Begriffen beschränken und wenn die Übernahmen teilweise auf Grund ihres deskriptiven Charakters kaum vermeidbar waren und der Abstract-Verfasser von einem – durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten – Bestreben nach möglichst hoher inhaltlicher Authentizität seines Artikels geleitet wird3. 6. Linking und Framing
1017
Die urheberrechtliche Relevanz des Linking und Framing war lange streitig. Vielfach wurde vertreten, das Setzen eines Hyperlinks zumindest in Form eines Deeplinks auf urheberrechtlich geschützte Websites stelle eine urheberrechtliche Nutzungshandlung dar4. Erst recht sei dies bei der Verwendung von Frames der Fall5.
1018
In der Paperboy-Entscheidung hat der BGH mit überzeugender Begründung den Gegenstandpunkt vertreten und für Deeplinks eine urheberrechtliche Nutzungshandlung verneint6. Die bloße Linksetzung lässt sich weder als öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG noch gemäß § 16 UrhG als Vervielfältigung eines Werkes ansehen. Hyperlinks auf urheberrechtlich geschützte Seiten erleichtern zwar den Zugriff auf 1 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 11.12.2007, NJW 2008, 770, 771. 2 BGH vom 11.3.1993, GRUR 1994, 191, 193 – Asterix-Persiflagen; OLG Frankfurt a.M. vom 11.12.2007, NJW 2008, 770, 771. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 11.12.2007, NJW 2008, 770, 771 f. 4 Bechtold, ZUM 1997, 427, 433; Schack, MMR 2001, 9, 14; Völker/Lührig, K&R 2000, 20, 26; LG Köln vom 2.5.2001, ZUM 2001, 714, 716. 5 Ernst, K&R 1998, 536, 539; Kochinke/Tröndle, CR 1999, 190, 193; OLG Hamburg vom 22.2.2001, CR 2001, 704. 6 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406 ff. = BGH-R 2003, 1294 ff. mit Anm. Elßner; vgl. Heydn, NJW 2004, 1361; Plaß, WRP 2002, 195, 202.
254
V. Schranken des Urheberrechts
das Werk und damit dessen Vervielfältigung1. Es handelt sich dabei jedoch lediglich um einen Verweis auf die Seiten, ohne dass der Linksetzende selbst das Werk öffentlich zugänglich macht (§ 19 a UrhG) oder vervielfältigt (§ 16 UrhG). Auch eine Störerhaftung scheidet aus, da die Linksetzung allenfalls quantitativ, nicht jedoch qualitativ die Gefahr rechtswidriger Vervielfältigungs- oder anderer Nutzungshandlungen erhöht2. Für das Framing kann nichts anderes gelten als für die Linksetzung. Das Framing erleichtert den Zugriff auf ein Werk, das bereits öffentlich zugänglich ist (§ 19 a UrhG). Zugleich trägt das Framing zu Vervielfältigungshandlungen Dritter bei, ohne selbst eine Vervielfältigung zu beinhalten. Wettbewerbsrechtlich sind dem Framing (und auch der Verwendung von Hyperlinks) zwar Grenzen gesetzt; urheberrechtlich ist das Framing jedoch ebenso wenig relevant wie die Verwendung von Links3.
1019
V. Schranken des Urheberrechts Die §§ 44 a ff. UrhG setzen den Rechten des Urhebers Schranken. Diese Schranken gelten auch für die Internetnutzung.
1020
1. Zitatrecht
Die Mischung fremder und eigener Inhalte ist ein typisches Merkmal der Kommunikation im Multimedia-Zeitalter. Werden dabei Auszüge urheberrechtlich geschützter Werke übernommen, stellt sich die Frage, ob sich der Übernehmende auf das Zitatrecht gemäß § 51 UrhG berufen kann.
1021
Das Zitatrecht eröffnet die erlaubnisfreie Möglichkeit, veröffentlichte Werke4 in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufzunehmen (§ 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG) und Stellen eines veröffentlichten Werkes (Kleinzitate) in ein selbständiges Sprachwerk einzustellen (§ 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG) sowie einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in ein selbständiges Musikwerk einzubinden (§ 51 Satz 2 Nr. 3 UrhG)5.
1022
Die in § 51 Satz 2 UrhG genannten Zitatweisen haben Beispielcharakter. Der durch den „Zweiten Korb“ erweiterte § 51 Satz 1 UrhG erlaubt all-
1023
1 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3409. 2 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3409; vgl. Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rdnr. 20; Lapp, ITRB 2004, 114, 115; Sosnitza, CR 2001, 693, 699; LG München I vom 1.3.2002, K&R 2002, 258. 3 Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rdnr. 20; Ott, WRP 2008, 393, 410; Sosnitza, CR 2001, 693, 700; a.A. LG München I vom 10.1.2007, CR 2007, 810, 811 = MMR 2007, 260, 261 f. mit Anm. Ott. 4 Vgl. Bisges, GRUR 2009, 730, 731; Klett, K&R 2008, 1, 3. 5 Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 51 Rdnr. 1.
255
E. Urheberrecht
gemein die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Durch § 51 Satz 1 UrhG werden unter anderem Filmzitate und Zitate aus Multimediawerken erfasst1. 1024
Bei Websites, die Teile fremder Werke enthalten, fehlt es vielfach an den Privilegierungsvoraussetzungen des § 51 UrhG. § 51 UrhG legitimiert nicht die weitverbreiteten Versuche, das Fehlen eigener Kreativität durch die Übernahme fremden geistigen Eigentums auszugleichen2. „Sampling“ ist als integraler Bestandteil einer eigenen schöpferischen Leistung gestattet, aber von § 51 UrhG nicht gedeckt, wenn es entweder an einem eigenen Werk gänzlich fehlt3 oder durch „Großzitate“ die Grenze des für das eigene Werk Gebotenen überschritten wird4.
1025
Dass das Zitatrecht nur im Umfang des zu dem erlaubten Zweck Gebotenen besteht, bedarf stets der Beachtung. Die Einstellung urheberrechtlich geschützter Texte in das Internet, die ein Hochschullehrer zu Lehrzwecken vornimmt, ist daher nach Auffassung des LG München I zulässig, wenn Maßnahmen der Zugangs- oder Nutzungsbeschränkung getroffen werden5. Berufen kann sich der Zitierende auf das Zitatrecht nur, wenn er den Urheber des Zitats deutlich kenntlich gemacht hat (§ 63 Abs. 1 Satz 1 UrhG).
1026
Für den Zitatzweck ist es erforderlich, dass eine innere Verbindung zwischen den verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird. Zitate sollen als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen6. Es genügt daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Werks nur zum Ziel hat, dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder sich selbst eigene Ausführungen zu ersparen7.
1027
Nicht von § 51 UrhG gedeckt sind „Thumbnails“ als Ergebnisse einer Bildersuche8. Die Darstellung der Vorschaubilder in der Trefferliste einer 1 Klett, K&R 2008, 1, 3; Spindler, NJW 2008, 9, 15. 2 Raue/Hegemann in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.3 Rdnr. 109. 3 Vgl. BGH vom 20.12.2007, K&R 2008, 442, 446 – TV-Total. 4 Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 51 Rdnr. 44; vgl. Rehbinder, Urheberrecht, Rdnr. 488 ff. 5 LG München I vom 19.1.2005, ZUM 2005, 407, 409 f. 6 Vgl. Bisges, GRUR 2009, 730, 731. 7 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder. 8 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder; LG Hamburg vom 26.9.2008, CR 2008, 47, 52 mit Anm. Kleinemenke; a.A. Heymann/Nolte, K&R 2009, 759, 764; vgl. auch Ott, ZUM 2009, 345, 347; siehe auch Rdnr. 976 ff.
256
V. Schranken des Urheberrechts
Bildersuchmaschine der Beklagten dient dazu, das Werk um seiner selbst willen als Vorschaubild der Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen. Vorschaubilder werden in einem automatisierten Verfahren in die Trefferliste eingefügt, ohne dass dieser Vorgang als solcher der geistigen Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen soll. Die von der Suchmaschine generierte Trefferliste ist lediglich Hilfsmittel zum möglichen Auffinden von Inhalten im Internet1. 2. Pressespiegel
Gemäß § 49 Abs. 2 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Nachrichten tatsächlichen Inhalts ohne Einschränkung zulässig. Dasselbe gilt für die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Rundfunkkommentaren und Zeitungsartikeln sowie mit ihnen im Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen2, wenn die Kommentare, Artikel oder Abbildungen politische, wirtschaftliche oder religiöse Fragen betreffen und nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen sind (§ 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Die unentgeltliche Nutzung derartiger Artikel und Kommentare ist allerdings nur dann zulässig, wenn sie sich auf den Abdruck von kurzen Auszügen beschränkt (§ 49 Abs. 1 Satz 2 UrhG).
1028
Auch wenn sich § 49 Abs. 1 Satz 1 auf „Zeitungen und andere lediglich Tagesinteressen dienende Informationsblätter“ bezieht, kann die Norm auch auf Zeitschriften angewendet werden, die wöchentlich oder monatlich erscheinen, sofern die Zeitschriften in erster Linie über aktuelle politische oder wirtschaftliche Sachverhalte berichten3.
1029
Lange war streitig, ob und inwieweit die Privilegierung des § 49 UrhG für elektronische Pressespiegel gilt4. Der BGH hat in seiner PressespiegelEntscheidung5 die Anwendbarkeit des § 49 UrhG auf elektronische Pressespiegel bejaht und sich zugleich um eine Grenzziehung bemüht. § 49 UrhG legitimiert danach die Erstellung elektronischer Pressespiegel zum betriebs- oder behördeninternen Gebrauch, dies aber auch nur, wenn sie in einer Form zugänglich gemacht werden, die sich im Falle der Speicherung nicht zu einer Volltextrecherche eignet6.
1030
1 BGH vom 29.4.2010, WRP 2010, 916, 919 = MMR 2010, 475, 477 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder. 2 Vgl. Klett, K&R 2008, 1, 3; Spindler, NJW 2008, 9, 15. 3 BGH vom 27.1.2005, MMR 2005, 601, 602 – Wirtschaftswoche mit Anm. Obergfell. 4 Vgl. Biener, MMR 1999, 691, 695; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 95; Dreier, GRUR 1997, 859, 864 f.; Katzenberger, GRUR Int. 1993, 895, 910; Kröger, CR 2000, 827; Niemann, CR 2002, 817, 827; OLG Hamburg vom 6.4.2000, CR 2000, 658; vgl. auch Bundesregierung, BT-Drucks. 10/436, S. 9 für Btx; EuGH vom 16.7.2009, K&R 2009, 707 ff. – Elektronischer Pressespiegel. 5 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827 ff. 6 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831.
257
E. Urheberrecht
1031
Elektronische Pressespiegel, die nicht ausschließlich zum betriebs- oder behördeninternen Gebrauch erstellt werden, sind nach Auffassung des BGH nicht von § 49 UrhG erfasst. Wer somit per Online-Dienst einen solchen Pressespiegel verbreitet, bedarf hierzu der Zustimmung aller Verlage, deren Erzeugnisse in den Pressespiegel einfließen1.
1032
Die vom BGH befürwortete Beschränkung des § 49 UrhG auf „interne“ Pressespiegel ist sachgerecht und betont die Interessen des Urhebers, da sich anders ein Missbrauch der Privilegnorm nicht vermeiden lässt2. Wäre es jedermann ohne weiteres gestattet, Zeitungsbeiträge zusammenzustellen und als Pressespiegel online zu verbreiten, könnte den Zeitungsverlagen ohne großen Aufwand erheblicher Schaden zugefügt werden3.
1033
Weniger überzeugend ist es, wenn der BGH zwischen „Graphikdatei“ und „Faksimile“ auf der einen und einer „Volltexterfassung“ auf der anderen Seite differenziert. Die .jpg-Datei soll erlaubt, die .doc-Datei dagegen verboten sein4. Auch wenn das Anliegen, das hinter dieser Differenzierung steht, achtenswert ist, gibt der BGH selbst zu bedenken, dass die Umwandlung einer Graphik- in eine Textdatei alles andere als schwierig ist. Der Missbrauchsschutz, der durch die vom BGH befürwortete Beschränkung auf Graphikdateien bewirkt werden soll, steht somit nur auf dem Papier5. Da sich zudem in § 49 UrhG kein Anknüpfungspunkt für eine solche Unterscheidung finden lässt, sollte man es bei einer bloßen Differenzierung zwischen „internen“ und „externen“ Pressespiegeln belassen, ohne zwischen Dateiformaten zu unterscheiden6.
1034
Nicht ganz unbedenklich ist das Spannungsverhältnis zwischen der Pressespiegel7- und der Paperboy-Entscheidung8 des BGH. Die große Zurückhaltung, die der BGH bei elektronischen Pressespiegeln an den Tag legt, geht angesichts des Paperboy-Urteils ins Leere, wenn ein elektronischer Pressedienst fremde Beiträge nicht übernimmt, sondern lediglich Links auf diese Beiträge setzt, da es in einem solchen Fall nach der (überzeugenden) Auffassung des BGH bereits an einer urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlung fehlt9. 1 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831; ebenso KG vom 30.4.2004, MMR 2004, 540, 542. 2 Vgl. Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 166; Czychowski, NJW 2003, 118, 120. 3 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831. 4 BGH vom 11.7.2002, CR 2002, 827, 831. 5 Vgl. Berger, CR 2004, 360, 366. 6 Rogge, Elektronische Pressespiegel, S. 200 f.; Kröger, CR 2000, 663; a.A. Berger, CR 2004, 360, 366; Niemann, CR 2002, 817, 827. 7 BGH vom 11.7.2002, CR 2002 827 ff. 8 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406 ff. = BGH-R 2003, 1924 ff. mit Anm. Elßner. 9 Siehe Rz. 1738 ff.
258
V. Schranken des Urheberrechts
3. Privatkopie
Der Streit um die Privatkopie gehört seit Jahren zu den Glaubensfragen des Internet. In kaum einem anderen Bereich wurde und wird so zäh zwischen den Rechteinhabern einerseits und den Freiheitskämpfern des Internet andererseits gerungen.
Übersicht
1035
1036
Privatkopien: – „natürliche Person“: Juristische Personen sind zur Anfertigung von Privatkopien nicht befugt. – „auf beliebigen Trägern“: jedes Speichermedium. – „keine Erwerbszwecke“: Eine Kopie ist nur „privat“, wenn jede kommerzielle Absicht fehlt. – „keine offensichtlich rechtswidrige hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage“: Dem Kopierenden darf weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sein, dass die Vorlage rechtswidrig ist.
a) Privilegierung
Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist die Herstellung „einzelner Vervielfältigungsstücke“ eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch erlaubnisfrei. Dasselbe gilt für die Herstellung von „Vervielfältigungsstücken“ zum sonstigen eigenen (nicht-privaten) Gebrauch nach Maßgabe des § 53 Abs. 2 und 3 UrhG. „Vervielfältigungsstücke“, die gemäß § 53 Abs. 1 bis 4 UrhG auf zulässige Weise erlaubnisfrei hergestellt worden sind, dürfen gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG weder verbreitet noch zur öffentlichen Wiedergabe genutzt werden. Einige Ausnahmen der erlaubnisfreien Privatkopie enthält § 53 Abs. 7 UrhG. Für Computerprogramme gelten Spezialvorschriften.1
1037
Seit 20032 gilt § 53 UrhG ausdrücklich für den „Gebrauch auf beliebigen Trägern“. An der Anwendbarkeit auf elektronische Kopien kann demnach kein Zweifel bestehen3.
1038
Der einfache Abruf einer Internetseite zum eigenen Gebrauch des Abrufenden ist in der Praxis kein Anwendungsfall des § 53 UrhG, da sich der Abrufende – jedenfalls im Normalfall – auf ein Vervielfältigungsrecht berufen kann, das ihm der Urheber (konkludent) gemäß § 31 Abs. 2 UrhG
1039
1 Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rdnr. 8. 2 Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003, BGBl. I 2003, S. 1774. 3 Vgl. Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rdnr. 12.
259
E. Urheberrecht
eingeräumt hat1. Liegt eine erlaubte, auf einem Nutzungsrecht beruhende Nutzung vor, so ist die Frage bedeutungslos, ob die Nutzung auch gemäß § 53 UrhG hätte erfolgen können2. 1040
§ 53 UrhG ist relevant bei dem Herunterladen von Texten, Musik- oder Videoclips oder anderen Dateien aus dem Internet3. Zwei bedeutsame Einschränkungen sind dann zu beachten: Zum einen darf die Anfertigung der Kopie weder unmittelbar noch mittelbar zu Erwerbszwecken erfolgen. Zum anderen darf keine Vorlage verwendet werden, die offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde.
1041
Darüber hinaus erfährt § 53 UrhG eine Beschränkung durch das Verbot der Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen nach § 95a UrhG4, soweit es sich nicht um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt (§ 95 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UrhG). Damit ist etwa das Herunterladen von mit Kopierschutz versehenen PDF-Dokumenten – unter Umgehung des Kopierschutzes – nicht von § 53 UrhG erfasst.
1042
§ 53 UrhG begründet keine Befugnis, digitalisierte Werke zu kopieren, die im rahmen des § 52 b UrhG5 an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven bereitgehalten werden6. Die Norm stellt eine veränderte Nachfolgevorschrift für den ab 2013 nicht mehr anwendbaren § 52 a UrhG dar7. b) Tauschbörsen
1043
An der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Vorlage scheitert jeder Versuch, das Herunterladen von Musik und Filmen in Tauschbörsen zu legitimieren8. Dies gilt umso mehr, als durch den Anfang 2008 in Kraft getretenen „Zweiten Korb“ § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG dahingehend ergänzt wurde, dass die Vorlage, die offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht (d.h. ins Internet gestellt) wurde, der offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage ausdrücklich gleichgestellt wurde9.
1 Vgl. Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 357; OLG Düsseldorf vom 29.6.1999, CR 2000, 184, 186; LG Hamburg vom 12.7.2000, CR 2000, 776, 777. 2 Vgl. BGH vom 6.12.2007, CR 2008, 211, 213. 3 A.A. Meschede, K&R 2008, 585, 587. 4 Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rdnr. 10; siehe Rz. 985 ff. 5 Krit. zur Einführung von § 52 b UrhG vgl. Sprang/Ackermann, K&R 2008, 7, 8. 6 LG Frankfurt a.M. vom 13.5.2009, K&R 2009, 512, 513 f. mit Anm. Jani. 7 Vgl. Lorenz, ZRP 2008, 261 ff. 8 Vgl. Czychowski, NJW 2003, 2409, 2411; Meschede, K&R 2008, 585, 585. 9 Vgl. Klett, K&R 2008, 1, 4; Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1417; Spindler, NJW 2008, 9, 11.
260
V. Schranken des Urheberrechts
Tauschbörsen sind wegen der illegalen Kopien reizvoll, die kostenlos auf den eigenen Rechner heruntergeladen und kopiert werden können. Jedem Nutzer ist klar, dass der Löwenanteil der Musik und Filme rechtswidrig angeboten wird. Wenn dem Nutzer im Einzelfall die Rechtswidrigkeit nicht bekannt sein sollte, so wird dies im Normalfall auf grober Fahrlässigkeit beruhen1. Dies sollte – in Anlehnung an den Begriff der Bösgläubigkeit (§ 932 Abs. 2 BGB) – ausreichen, um die „Offensichtlichkeit“ der Rechtswidrigkeit zu bejahen.
1044
Ebenso klar ist die Bewertung des Heraufladens von Musik im Rahmen eines Tauschangebots: Wenn die Vorlage – etwa die CD – nicht bereits selbst eine Raubkopie ist2, ist der Vorgang des Heraufladens zwar noch privat, dient jedoch ersichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung3. Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG dürfen Privatkopien weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Sofern daher Privatkopien Dritten über das Internet zugänglich gemacht werden, ergibt sich die Rechtswidrigkeit aus § 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG4.
1045
c) Online-Videorekorder
Ob und inwieweit 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG für „Online-Videorekorder“ gilt, die den zeitversetzten Abruf von Fernsehsendungen ermöglichen, ist unklar. Die Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist von der Vorstellung geprägt, dass derjenige, der die Privilegierung in Anspruch nimmt, die Kopien zum Zwecke des privaten Gebrauchs selbständig ohne Einschaltung eines Dritten herstellt, wie dies bei der Anfertigung von Fotokopien oder aber der Aufzeichnung von Fernsehsendungen auf einem häuslichen Videorekorder der Fall ist. Aus der Gegenüberstellung zur Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG, die speziell die Konstellationen erfasst, in denen der zur Vervielfältigung Befugte die Vervielfältigungsstücke „durch einen Anderen herstellen lässt“, folgt, dass von § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG nur die völlig eigenverantwortliche Herstellung abgedeckt wird5. Ob eine solche „eigenverantwortliche Herstellung“ den technischen Gegebenheiten der 1 Gutmann, MMR 2003, 706, 707; a.A. Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rdnr. 16. 2 Vgl. Wirtz in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 8 Rdnr. 163. 3 Vgl. Ernst in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 7.1 Rdnr. 77; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 19a Rdnr. 23. 4 Vgl. Ahrens, ZUM 2000, 1029, 1032 f.; Schapiro, ZUM 2008, 273, 277 ff. 5 BGH vom 16.1.1997, GRUR 1997, 459, 462 – CB-Infobank I; OLG Dresden vom 5.12.2006, ZUM 2007, 385, 386 = ITRB 2007, 230 f. (Rössel); OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 459 = ZUM 2007, 203, 205; OLG Köln vom 9.9.2005, K&R 2005, 570, 571; LG Braunschweig vom 7.6.2006, K&R 2006, 362, 364 ff.; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 2007, 610, 611; LG Köln vom 28.2.2007, MMR 2008, 610, 612; LG Leipzig vom 12.5.2006, CR 2006, 784, 785 f. = K&R 2006, 426, 427; LG München I vom 19.5.2005, CR 2006, 787, 788 = ZUM 2006, 583, 584.
261
1046
E. Urheberrecht
Angebote von „Online-Videorekordern“ entspricht, ist nach wie vor unklar1. 1047
Die Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG greift bei „Online-Videorekordern“ in aller Regel nicht ein. Danach darf der zur Vervielfältigung Befugte die Vervielfältigungsstücke auch durch einen Anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt. Die Vervielfältigungen erfolgen bei „Online-Videorekordern“ im Normalfall nicht unentgeltlich. Vielmehr sind die Angebote zumeist auf Gewinnerzielung ausgerichtet2.
1048
Damit ist die Frage nach dem Hersteller einer Vervielfältigung für die Zulässigkeit von „Online-Videorekorder“ von essentieller Bedeutung. Nach Ansicht des BGH kommt es zunächst allein auf eine technische Betrachtung an. Die Vervielfältigung ist als körperliche Festlegung eines Werkes ein rein technisch-mechanischer Vorgang. Hersteller der Vervielfältigung ist daher derjenige, der diese körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, selbst wenn diese von Dritten zur Verfügung gestellt werden3.
1049
Hat der Hersteller die Vervielfältigungen allerdings im Auftrag eines Dritten für dessen privaten Gebrauch angefertigt, ist die Herstellung der Vervielfältigungsstücke unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG dem Auftraggeber als Vervielfältigungshandlung zuzurechnen. Eine solche Zurechnung erfordert eine – am Schutzzweck der Privilegierung des Privatgebrauchs nach § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG ausgerichtete – normative Bewertung. Dabei ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der Hersteller sich darauf beschränkt, gleichsam „an die Stelle des Vervielfältigungsgeräts“ zu treten und als „notwendiges Werkzeug“ des anderen tätig zu werden – dann ist die Vervielfältigung dem Besteller zuzurechnen oder ob er eine urheberrechtlich relevante Nutzung in einem Ausmaß und einer Intensität erschließt, die sich mit den Erwägungen, die eine Privilegierung des Privatgebrauchs rechtfertigen, nicht mehr vereinbaren 1 Vgl. BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 575 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3513f. mit Anm. Rössel – shift.tv; vgl. zu den Auswirkungen der Entscheidungen: Graf Fringuelli/Nink, CR 2008, 791 ff.; Hilber/Litzka, ZUM 2009, 730 ff.; Niemann, CR 2009, 661 ff. 2 Vgl. BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 577 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3517 mit Anm. Rössel – shift.tv; OLG Dresden vom 5.12.2006, ZUM 2007, 385, 386 = ITRB 2007, 230 f. (Rössel); OLG Dresden vom 28.11.2006, CR 2007, 458, 461 = ZUM 2007, 203, 206; LG Braunschweig vom 7.6.2006, K&R 2006, 362, 364; LG Leipzig vom 12.5.2006, K&R 2006, 426, 427 = ZUM 2006, 763, 766; vgl. Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 53 Rdnr. 16; Dreier in Dreier/Schulze , UrhG, § 53 Rdnr. 16. 3 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 574 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3513.
262
VI. Ansprüche des Rechteinhabers
lässt – dann ist die Vervielfältigung dem Hersteller zuzuordnen1. Letztlich verbleibt es damit bei einer Einzelfallprüfung, wer die körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt.
VI. Ansprüche des Rechteinhabers Die Sanktionsnormen der §§ 97 ff. UrhG regeln die Ansprüche des Inhabers von Urheberrechten in Fällen der Rechtsverletzung.
Übersicht
1050
1051
Ansprüche des Rechteinhabers: – Beseitigungsanspruch (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG): Der Anspruch richtet sich insbesondere auf Entfernung rechtswidriger Inhalte von einer Website. – Unterlassungsanspruch (§ 97 Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG): Der Anspruch besteht bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs setzt im Regelfall eine Abmahnung (§ 97 a Abs. 1 Satz 1 UrhG) voraus. – Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UrhG): Der Anspruch setzt fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Verletzers voraus. Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich – nach Wahl des Verletzten – entweder nach dem tatsächlich entstandenen Schaden oder nach dem Gewinn, den der Verletzer erzielt hat, oder nach einer fiktiven Lizenzgebühr. – Schmerzensgeldanspruch (§ 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG): Der Anspruch erfasst immaterielle Schäden und besteht, wenn und soweit eine Entschädigung der Billigkeit entspricht. – Aufwendungsersatzanspruch (§ 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG): Der Anspruch richtet sich auf Ersatz der durch eine berechtigte Abmahnung entstandenen Kosten und ist auf 100 Euro beschränkt, sofern ein einfacher Fall und eine geringfügige Rechtsverletzung vorliegen (§ 97 a Abs. 2 UrhG). – Auskunftsanspruch (§ 101 UrhG): Der Anspruch dient in erster Linie der Ermittlung der Identität des Verletzers und richtet sich insbesondere gegen Access-Provider (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG). Die Provider dürfen Telekommunikations-Verbindungsdaten (IP-Adressen) nur auf Grund einer richterlichen Anordnung preisgeben (§ 101 Abs. 9 UrhG).
1 BGH vom 22.4.2009, K&R 2009, 573, 574 mit Anm. Damm – save.tv; BGH vom 22.4.2009, NJW 2009, 3511, 3513.
263
E. Urheberrecht
1. Beseitigung und Unterlassung
1052
Der Beseitigungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG bedeutet bei Urheberrechtsverletzungen im Internet insbesondere, dass der Verletzte verlangen kann, dass Inhalte von einer Website entfernt werden, die Urheberrechte verletzen. Falls Wiederholungsgefahr besteht, kann der Verletzte darüber hinaus verlangen, dass der Verletzer gleichartige Verletzungshandlungen in Zukunft unterlässt.
1053
Ein Unterlassungsanspruch setzt gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG nicht zwingend voraus, dass eine Urheberrechtsverletzung bereits begangen worden ist. Ausreichend ist vielmehr eine Erstbegehungsgefahr1. 2. Schadensersatz und Schmerzensgeld
1054
Ein Schadensersatzanspruch besteht nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln des Verletzers. In seiner Entscheidung zu CAD-Software, die im Internet zum Herunterladen bereit gestellt wurde, betonte der BGH, dass besonders hohe Sorgfaltsanforderungen gelten, wenn eine solche Bereitstellung erfolgt. Eine solche Verhaltensweise führe zu einer hochgradigen Gefährdung der Verwertungsrechte des Urhebers, weil ein ohne Einschränkungen im Internet zum Download bereitgestelltes Computerprogramm jederzeit von jedermann heruntergeladen und weiterverbreitet werden könne. Wer ein fremdes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm zum Herunterladen ins Internet einstelle, dürfe sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei um ein Programm handelt, mit dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte einverstanden ist. Er müsse vielmehr zuvor sorgfältig prüfen, ob der Berechtigte das Programm zur öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat2.
1055
Bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Güter haben sich alle Beteiligten mit der allgemeinüblichen Sorgfalt über Existenz und Umfang urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse zu informieren. Zu einer pflichtgemäßen Sorgfalt gehört auch die Prüfung der Rechtekette3.
1056
Bei Minderjährigen bestimmt sich Schadensersatzhaftung nach § 828 Abs. 3 BGB. Es kommt daher auf die Einsichtsfähigkeit an, von der nach Auffassung des AG Hannover auszugehen ist, wenn ein 17-Jähriger „mit professioneller Aufmachung“ bei Ebay in Erscheinung tritt und dabei das Urheberrecht an Lichtbildern verletzt4.
1 2 3 4
Vgl. Kitz, NJW 2008, 2374, 2374. BGH vom 20.5.2009, NJW 2009, 3509, 3510 – CAD-Software. OLG Hamm vom 24.6.2008, ZUM 2009, 159, 161. AG Hannover vom 3.6.2008, GRUR-RR 2009, 94 f.
264
VI. Ansprüche des Rechteinhabers
Die drei Varianten der urheberrechtlichen Schadensersatzberechnung1 wurden bei der Umsetzung der EG-Enforcement-Richtline2 in dem neu gefassten § 97 UrhG erstmalig kodifiziert. Bei der Bemessung des Schadenersatzes kann statt des konkreten Schadens auch der Gewinn, den der Verletzte durch die Rechtsverletzung erzielt hat, als Grundlage für die Anspruchshöhe berücksichtigt werden (Gewinnabschöpfung, § 97 Abs. 2 Satz 2 UrhG). Als dritte Variante der Schadenersatzberechnung sieht § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG die Berechnung einer fiktiven Lizenzgebühr vor. § 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG gewährt dem Verletzten schließlich ein Schmerzensgeld, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.
1057
Die in § 97 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UrhG geregelten Berechnungsarten waren bereits seit langer Zeit gewohnheitsrechtlich anerkannt und wurden vom BGH in ständiger Rechtsprechung angewendet3. Der Verletzte ist in der Wahl der Berechnungsmethode frei4. Allerdings gilt das Verquickungsverbot: Die Berechnungsarten stehen in einem Ausschließlichkeitsverhältnis und können nicht nebeneinander angewendet werden5.
1058
Am gebräuchlichsten und in der Regel auch am einfachsten ist die Bemessung des Schadens im Weg der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG). Grundsatz dabei ist, dass derjenige, der ein Werk ohne Erlaubnis des Berechtigten nutzt, nicht besser gestellt werden soll als derjenige, der eine entsprechende Lizenz einholt6.
1059
Bei der Lizenzanalogie handelt es sich um die Fiktion eines Lizenzvertrags mit Wirkung für die Vergangenheit. Unerheblich ist dabei, ob der Rechteinhaber eine Lizenz überhaupt hätte erteilen können. Dies gilt insbesondere, wenn der Rechteinhaber bereits vor der Verletzungshandlung exklusive Nutzungsrechte an Dritte vergeben hat. Die Fiktion des Lizenzvertrags hat zudem zur Folge, dass die subjektive Bereitschaft des Rechteinhabers zum Abschluss eines Lizenzvertrags unerheblich ist. Der Verletzer kann also nicht einwenden, dass der Rechteinhaber von Anfang an nicht zum Abschluss eines Lizenzvertrags bereit war7.
1060
1 Dreier in Dreier/Schulze, § 97 Rdnr. 58; Hullen, ITRB 2008, 156 f., 157; OLG Brandenburg vom 15.5.2009, ZUM 2010, 56 ff. 2 Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. 3 BGH vom 8.5.1956, BGHZ 20, 345, 353; vgl. Hullen, ITRB 2008, 156, 157; Röhl/ Bosch, NJW 2008, 1415, 1418. 4 Kitz, NJW 2008, 2374, 2374. 5 Vgl. Hullen, ITRB 2008, 156, 157. 6 Vgl. OLG Düsseldorf vom 9.5.2006, NJW-RR 2007, 486, 487; AG Charlottenburg vom 8.3.2006, CR 2006, 712, 712 mit Anm. Fischer; AG Charlottenburg vom 11.4.2005, ZUM 2005, 578, 579 f.; AG Hamburg vom 28.3.2006, ZUM 2006, 586, 589; vgl. Hullen, ITRB 2008, 156, 157; entwicklungsoffen für eine kumulative Betrachtung: Kitz, NJW 2008, 2374, 2374. 7 Hullen, ITRB 2008, 156, 158.
265
E. Urheberrecht
1061
In der Praxis wird zumeist über die Höhe der Lizenzgebühr gestritten. Angemessen ist nach der Auffassung des BGH die Gebühr, die bei einer vertraglichen Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte1. Die Gerichte orientieren sich bei der Bemessung an den Tarifen der Vergütungsgemeinschaften, die kollektiv die Rechte ihrer Mitglieder wahrnehmen. Die Tarife müssen jedoch Marktgeltung erlangt haben, d.h. allgemein am Markt anerkannt sein. Dies ist der Fall bei den Tarifen der GEMA, GVL, VG Wort und VG Bild-Kunst2.
1062
Bei der Verletzung von Bildrechten werden vielfach die Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) zugrunde gelegt3. Diese orientieren sich an den verschiedenen Nutzungsarten (redaktionelle Nutzung, Nutzung für Marketingzwecke usw.), an den verwendeten Medien (Tageszeitung, Online-Nachrichten usw.) und an weiteren Faktoren, wie z.B. der Auflage des Mediums und der Größe des Bildes sowie der Dauer der Nutzung. Eine rechtliche Bindung besteht nicht, im Einzelfall kann eine abweichende Bemessung der Höhe des Schadensersatzes geboten sein4.
1063
Die MFM-Empfehlungen geben einen brauchbaren Überblick darüber, wie sich in der Praxis ganz unterschiedliche Nutzungsarten und -intensitäten grundsätzlich quantifizieren lassen bzw. in Relation zueinander verhalten können. In dieser Hinsicht können die MFM-Empfehlungen jedenfalls eines von verschiedenen Kriterien im Rahmen einer gerichtlich gebotenen Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO sein5.
1064
Bei einem unterlassenen Urhebervermerk spricht die Rechtsprechung teilweise einen 100%-Zuschlag zum üblichen Honorar als Teil der fikti-
1 BGH vom 6.10.2005, NJW 2006, 615, 616 – Pressefotos. 2 Hullen, ITRB 2008, 156, 158; vgl. LG Frankfurt a.M. vom 20.2.2008, CR 2008, 534, 535. 3 OLG Düsseldorf vom 1.11.1997, NJW-RR 1999, 194, 194; OLG Düsseldorf vom 9.5.2006, NJW-RR 2007, 486, 487; OLG Hamburg vom 13.6.2002, MMR 2002, 677, 679; LG Düsseldorf vom 19.3.2008, ZUM-RD 2008, 556 ff.; LG Düsseldorf vom 1.4.2009, MMR 2009, 652 (Ls.); LG Mannheim vom 14.7.2006, NJOZ 2007, 4365, 4369; LG München I vom 17.5.2006, Az. 21 O 12175/04; AG Hamburg vom 28.3.2006, ZUM 2006, 586, 589. 4 Hullen, ITRB 2008, 156, 158; BGH vom 6.10.2005, NJW 2006, 615, 616 – Pressefotos; AG Hamburg vom 28.3.2006, ZUM 2006, 586, 589. 5 OLG Brandenburg vom 3.2.2009, K&R 2009, 271, 272; OLG Brandenburg vom 15.5.2009, ZUM 2010, 56 ff.; OLG Hamburg vom 21.5.2008, Az. 5 U 75/07 – YACHT II; OLG Hamburg vom 2.9.2009, MMR 2010, 196, 197 mit Anm. Möller.
266
VI. Ansprüche des Rechteinhabers
ven Lizenz zu1. Ein Zuschlag, der allein wegen der rechtswidrigen Nutzung zu zahlen ist, lässt sich indes schwer mit dem Gedanken der Lizenzanalogie vereinbaren2. 3. Abmahnung und Abmahngebühren
Bei der Umsetzung der EU-Enforcement-Richtline3 wurde auch § 97 a UrhG neu eingeführt, der den Verletzten im Regelfall zur Abmahnung verpflichtet, bevor ein Unterlassungsanspruch gerichtlich durchgesetzt wird (§ 97 a Abs. 1 Satz 1 UrhG). Für berechtigte Abmahnungen sieht § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG einen Anspruch auf Aufwendungsersatz vor4.
1065
§ 97 a Abs. 2 UrhG begrenzt den Aufwendungsersatzanspruch für anwaltliche Abmahngebühren auf 100 Euro, sofern es sich um einen einfach gelagerten Fall und eine unerhebliche Rechtsverletzung handelt. Damit sollen exorbitante Gebührenansprüche verhindert werden, wenn sich die Rechtsverletzung beispielsweise darauf beschränkt, dass ein Liedtext oder ein Stadtplanausschnitt auf einer privaten Homepage veröffentlicht wird5.
1066
4. Auskunft
Die Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche wird im Internet vielfach durch die Anonymität der Verletzer erschwert. In Umsetzung der EG-Enforcement-Richtlinie6 sind daher die Auskunftsansprüche des Rechteinhabers erheblich erweitert worden7. Wenig verwunderlich, ließen erste Entscheidungen nicht lange auf sich warten8.
1067
Nach § 101 Abs. 1 UrhG, der an die Stelle des früheren § 101 a Abs. 1 UrhG getreten ist, besteht ein Auskunftsanspruch, wenn durch die Her-
1068
1 Vgl. OLG Brandenburg vom 3.2.2009, K&R 2009, 271, 272; OLG Brandenburg vom 15.5.2009, ZUM 2010, 56 ff.; OLG Düsseldorf vom 9.5.2006, GRUR-RR 2006, 393, 394 ff.; LG Berlin vom 7.9.1995, ZUM 1998, 673, 674; LG Düsseldorf vom 19.3.2008, ZUM-RD 2008, 556 ff.; LG Frankfurt a.M. vom 20.2.2008, CR 2008, 534, 535; LG München I vom 18.9.2008, MMR 2009, 137 mit Anm. Kaufmann. 2 Vgl. Kitz, NJW 2008, 2374, 2375; OLG Hamburg vom 2.9.2009, MMR 2010, 196, 197 mit Anm. Möller; LG Köln vom 23.9.2009, ZUM 2010, 369 ff.; für eine doppelte Lizenzanalogie de lege ferenda: Heymann, CR 2008, 568, 575. 3 Vgl. Klett, K&R 2009, 438, 439. 4 Ewert/v. Hartz, MMR 2009, 84, 85 f.; Hoeren, CR 2009, 378, 378. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 48 zu § 97 a UrhG; vgl. Ewert/v. Hartz, MMR 2009, 84, 86 ff.; Heymann, CR 2008, 568, 575; Hoeren, CR 2009, 378 f.; Kitz, NJW 2008, 2374, 2377; Solmecke/Kost, K&R 2009, 772, 773. 6 Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. 7 Vgl. Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1418 f.; vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG, S. 38 zu § 140 b PatG. 8 Vgl. Jüngel/Geißler, MMR 2008, 791; Klett, K&R 2009, 438, 443; Solmecke/ Kost, K&R 2009, 772 f.
267
E. Urheberrecht
stellung oder Verbreitung von Vervielfältigungsstücken das Urheberrecht oder ein anderes nach dem UrhG geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt wurde1. Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben2. Eine schwere Rechtsverletzung liegt beispielsweise vor, wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm, ein Musikalbum oder Hörbuch vor oder unmittelbar nach seiner Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird3. Beim Download eines vollständigen Musikalbums scheitert eine Anwendung des § 101 Abs. 1 UrhG nicht bereits daran, dass der äußerste Wortsinn des Begriffs eines „gewerblichen Ausmaßes“ überschritten ist4. Ein „gewerbliches Ausmaß“ ist jedenfalls nicht schon deshalb zu verneinen, weil es sich um das Album eines Künstlers handelt, das in Deutschland nur eine Woche lang auf Platz drei der Charts platziert war5. Die Verkaufszahlen lassen keinen Rückschluss auf den wirtschaftlichen Wert eines Musikalbums zu. 1069
Der Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ ist allerdings dahin auszulegen, dass eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität vorliegen muss. Bei illegalen Kopien und Verbreitungen im Internet (z.B. über Tauschbörsen) muss daher ein Umfang erreicht werden, der über das hinausgeht, was einer Nutzung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch entsprechen würde6.
1070
Ein einmaliges Herunter- und/oder Hochladen von Dateien kann für sich alleine kein „gewerbliches Ausmaß“ begründen, und zwar auch dann nicht, wenn dies in einer Internettauschbörse geschieht. Allerdings kann auch bei einem einmaligen Down- oder Upload die Schwelle zum „gewerblichen Ausmaß“ überschritten werden, wenn eine besonders schwere Rechtsverletzung vorliegt. Dies ist beispielsweise der Fall beim Download einer Software mit einem Marktwert von über 400 Euro7. Bei einem Pornofilm mag ein „gewerbliches Ausmaß“ zu verneinen sein, wenn der Download erst nach der „heißen Verkaufsphase“ für Neuheiten von etwa sechs Monaten erfolgt8. Zu bejahen ist das „gewerbliche Aus1 Vgl. Bierekoven, ITRB 2009, 158 ff; Jüngel/Geißler; MMR 2008, 787 ff.; Kitz, NJW 2008, 2374, 2375; Mantz, K&R 2009, 21 f.; Wilhelmi, ZUM 2008, 942 ff. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG; dazu Kitz, NJW 2008, 2374, 2375. 3 Vgl. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 16/8783, 50. 4 OLG Köln vom 21.10.2008, CR 2009, 107 ff.; OLG Schleswig vom 5.2.2010, Az. 6 W 26/09; LG Oldenburg vom 15.9.2008, MMR 2008, 832 f.; LG Köln vom 2.9.2008, MMR 2008, 761 f. mit Anm. Solmecke; a.A. OLG Oldenburg vom 1.12.2008, CR 2009, 104, 105. 5 LG Hamburg vom 11.3.2009, CR 2009, 656, 657; a.A. LG Kiel vom 6.5.2009, MMR 2009, 643, 644. 6 OLG Zweibrücken vom 27.10.2008, CR 2009, 31 ff.; OLG Zweibrücken vom 2.2.2009, MMR 2009, 702; vgl. auch Solmecke/Kost, K&R 2009, 772 f. 7 OLG Zweibrücken vom 2.2.2009, MMR 2009, 702. 8 Vgl. LG Köln vom 30.4.2009, MMR 2009, 645, 646.
268
VI. Ansprüche des Rechteinhabers
maß“ dagegen, wenn ein Computerspiel über eine Tauschbörse in der Verkaufsphase zum Download angeboten wird1, oder bei dem Angebot eines Hörbuchs innerhalb der Verwertungsphase2. Haltlos und vom belegten gesetzgeberischen Willen meilenweit entfernt ist es, wenn das LG Frankenthal für einen Auskunftsanspruch „eine Anzahl von etwa 3000 Musikstücken oder 200 Filmen“ verlangt3. Der Auskunftsanspruch dient primär der Feststellung der Identität des Verletzers. Gegenstand der Auskunft sind nach § 101 Abs. 3 UrhG umfassende Angaben zur Herkunft und zum Vertriebsweg der rechtswidrigen Vervielfältigungsstücke.
1071
§ 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG erstreckt die Auskunftspflicht in Fällen „offensichtlicher Rechtswidrigkeit“ auf Personen, die in gewerblichem Ausmaß4 rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in Besitz hatten (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UrhG), rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch genommen (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UrhG) oder für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG) oder an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb offensichtlich rechtswidriger Vervielfältigungsstücke, sonstiger Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt waren (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UrhG). Mit den Dienstleistern gemäß § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG sind vor allem die Access-Provider gemeint5.
1072
Ist zur Auskunfterteilung die Verwendung von Verkehrsdaten gemäß § 3 Nr. 30 TKG erforderlich, setzt der Auskunftsanspruch eine richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten voraus (§ 101 Abs. 9 UrhG). Dies gilt insbesondere in Tauschbörsenfällen, wenn der Access-Provider Auskunft darüber erteilen soll, welcher seiner Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte, dynamisch vergebene IP-Adresse genutzt hat6.
1073
Für die richterliche Anordnung ist gemäß § 101 Abs. 9 Satz 2 UrhG ausschließlich das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat7.
1074
1 2 3 4
LG Hamburg vom 11.3.2009, CR 2009, 656 ff. OLG Köln vom 4.6.2009, MMR 2010, 412, 422. LG Frankenthal vom 15.9.2008, MMR 2008, 830 ff. Str. ist, ob sich dieses Merkmal auch auf die Rechtsverletzung bezieht oder nur bzgl. der Tätigkeit des Dritten 5 Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG.; vgl. Heymann, CR 2008, 568, 569; Kitz, NJW 2008, 2374, 2375; Kuper, ITRB 2009, 12, 13; Röhl/Bosch, NJW 2008, 1415, 1419. 6 Vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49 zu § 101 UrhG, S. 39 zu § 140 b PatG; vgl. Czychowski/Nordemann, NJW 2008, 1571, 1577; Heymann, CR 2008, 568, 571; Hoffmann, MMR 2009, 655 ff.; Jüngel/Geißler, MMR 2008, 787, 790; Kitz, NJW 2008, 2374, 2376; Kuper, ITRB 2009, 12, 14 f. 7 Vgl. OLG Düsseldorf vom 8.1.2009, MMR 2009, 186, 188; dazu Hoffmann, MMR 2009, 655, 656.
269
E. Urheberrecht
1075
Auskunftsberechtigter ist neben dem Urheber auch der Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte1. Dieser bleibt selbst dann aktivlegitimiert, wenn er einem Dritten Lizenzrechte exklusiv eingeräumt hat, soweit er ein eigenes schutzwürdiges Interesse verfolgt. Ein solches ist etwa gegeben, wenn er an dem Lizenzgewinn prozentual beteiligt ist2.
1076
Der am erstinstanzlichen Auskunftsverfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG nicht beteiligte, vom Provider nach richterlicher Gestattung benannte Anschlussinhaber ist nicht berechtigt, den Gestattungsbeschluss nach § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG anzufechten3. Allein der Provider ist zur Beschwerde berechtigt.
1 Bohne in Wandtke/Bullinger, § 101 Rdnr. 6. 2 OLG Köln vom 8.2.2010, MMR 2010, 487 f. 3 OLG Köln vom 5.5.2009, MMR 2009, 547, 548; vgl. auch Hoffmann, MMR 2009, 655, 656 f.
270
F. Wettbewerbsrecht Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 1077 II. § 3 Abs. 1 UWG – die Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1082 III. § 3 Abs. 2 UWG – die Auffangklausel . . . . . . . . . . . . . . . . 1087 IV. § 3 Abs. 3 UWG – Schwarze Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1088 V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs . . . . . 1099 1. Die Fallgruppen des § 1 UWG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1100 2. Die Beispiele des § 4 UWG . . . 1106 a) Kundenfang . . . . . . . . . . . . . 1108 aa) Verschleierung von Werbung . . . . . . . . . . . . 1109 bb) Preisausschreiben und Gewinnspiele . . . . . . . . 1113 cc) Unsachgemäße Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . 1116 dd) Sonstige Fälle . . . . . . . . 1119 b) Behinderung . . . . . . . . . . . . . 1122 aa) Verunglimpfung . . . . . . 1123 bb) Virtuelles Hausrecht . . 1125 cc) Sonstige Fälle . . . . . . . . 1129 c) Ausbeutung . . . . . . . . . . . . . 1132 d) Rechtsbruch . . . . . . . . . . . . . 1134 aa) Preisangaben . . . . . . . . 1142 (1) Anwendungsbereich . . 1145 (2) Endpreis . . . . . . . . . . . . 1147 (3) Grundpreis . . . . . . . . . . 1151 (4) Letztverbraucher . . . . . 1153 (5) Liefer- und Versandkosten; Umsatzsteuer . 1157 (6) Gestaltung der Preisangaben . . . . . . . . . . . . . 1161 (7) Preissuchmaschinen . . 1170 (8) Angebote „auf Bildschirmen“ und Versteigerungen . . . . . . . . . 1172 (9) Bagatellfälle . . . . . . . . . 1175 bb) Impressumspflicht . . . 1180 (1) Geschäftsmäßige Diensteanbieter . . . . . . 1181 (2) Pflichtangaben . . . . . . . 1189 (3) Einbindung des Impressums auf die Website . . . . . . . . . . . . . . . . . 1196
Rz. (4) Sanktionen . . . . . . . . . . 1200 cc) Anwaltliches Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1204 (1) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . 1206 (2) Sachlichkeitsgebot . . . 1210 (3) Werbung um ein Einzelmandat . . . . . . . . . . . 1218 dd) Glücksspiele . . . . . . . . . 1220 ee) Jugendschutz . . . . . . . . 1222 e) Andere Tatbestände . . . . . . 1228 3. Irreführungsverbot (§§ 5 und 5 a UWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1229 a) Irreführende Angaben . . . . . 1230 b) Durchschnittsverbraucher . 1232 c) Gegenstand der Irreführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1238 aa) Irreführung über das Produkt . . . . . . . . . . . . . 1239 bb) Irreführung über den Preis - Blickfangwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . 1244 cc) Irreführung über das Unternehmen . . . . . . . . 1251 dd) Irreführung über Lieferzeiten . . . . . . . . . . . . 1254 d) Irreführung durch Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258 4. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1262 VI. Online-Sachverhalte . . . . . . . . 1267 1. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen . . . . . . 1267 a) Metatags . . . . . . . . . . . . . . . . 1270 aa) Gattungsbegriffe . . . . . 1271 bb) Benutzung fremder Kennzeichen . . . . . . . . . 1272 cc) Verletzung des Namensrechts . . . . . . . . . . 1277 b) Hidden Content . . . . . . . . . . 1278 c) Keyword Advertising . . . . . 1281 aa) Gattungsbegriffe . . . . . 1285 bb) Gezielte Behinderung . 1287 cc) Benutzung fremder Kennzeichen . . . . . . . . . 1289 dd) Verletzung des Namensrechts . . . . . . . . . . 1299 d) Doorwaypages . . . . . . . . . . . 1300 2. E-Mail-Werbung . . . . . . . . . . . . 1303 a) Wettbewerbsrecht . . . . . . . . 1309
271
F. Wettbewerbsrecht
b)
c) d) e) f) g)
Rz. aa) Opt-In-Prinzip . . . . . . . 1313 bb) Werbung . . . . . . . . . . . . 1319 cc) Individuelle Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . 1323 dd) Einwilligung in AGB . 1328 ee) Laufende Geschäftsbeziehungen . . . . . . . . . 1333 Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . 1334 aa) Ansprüche des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . 1335 bb) Ansprüche des Providers . . . . . . . . . . . . . . . 1343 Double-Opt-In . . . . . . . . . . . 1346 Empfehlungsmarketing . . . 1350 E-Cards . . . . . . . . . . . . . . . . . 1352 Fall „Hotmail“ . . . . . . . . . . . 1353 Verschleierung kommerzieller Kommunikation . . . 1354
Rz. aa) Hintergrund und Ziel der Regelung . . . . . . . . . 1355 bb) Absichtliches Verschleiern oder Verheimlichen . . . . . . . . . . 1358 3. Online-Werbung . . . . . . . . . . . . 1362 a) Links und Frames . . . . . . . . 1362 b) Bannerwerbung . . . . . . . . . . 1366 c) Pop-Ups und Pop-Unders . . 1367 d) Kontextsensitive Werbung. 1369 e) Spyware . . . . . . . . . . . . . . . . . 1370 4. Besondere Vertriebsformen im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1371 a) Online-Auktionen . . . . . . . 1371 b) Umgekehrte Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1376 c) Powershopping . . . . . . . . . . 1378
I. Grundlagen 1077
Wer Waren und Dienstleistungen auf dem Markt anbietet, hat die im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)1 verankerten Grundregeln lauteren Wettbewerbsverhaltens zu beachten2. Wer im Wettbewerb zu anderen Leistungsanbietern auf dem Markt in Erscheinung tritt, ist unabhängig von dem Medium, das er zum Zwecke der Präsentation seines Angebots wählt, an die Vorschriften des UWG gebunden.
1078
Zweck des UWG ist der Schutz der Konkurrenten und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb (§ 1 Satz 1 UWG). Daneben schützt das UWG das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 Satz 2 UWG).
1079
Übersicht Schutzzwecke des UWG (§ 1 UWG): – Verbraucherschutz: Schutz der Verbraucher vor unlauterem Wettbewerb; – Chancengleichheit im Wettbewerb: Schutz der Konkurrenten vor unlauterem Wettbewerb; – Funktionstüchtigkeit des Marktes: Schutz des Gemeininteresses an einem unverfälschten Wettbewerb. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.7.2010, BGBl. I 2004, S. 254. 2 Vgl. Ohly in Piper/Ohly, UWG, Einf. A, Rdnr. 22; vgl. auch Ernst, BB 1997, 1057, 1060 f.; Hoeren, WRP 1997, 993, 993 ff.; Kotthoff, CR 1997, 676, 677 ff.
272
II. § 3 Abs. 1 UWG – die Generalklausel
Das Wettbewerbsrecht erlegt der unternehmerischen Betätigung Beschränkungen auf, um gleiche Chancen aller Wettbewerber am Markt zu gewährleisten und es der Marktgegenseite zu ermöglichen, Marktentscheidungen zu treffen, die sich insbesondere an der Art und Qualität der Leistungen orientieren, die die Wettbewerber anbieten1. Der „unverfälschte“ Wettbewerb ist das Ideal, das dem UWG zugrunde liegt. „Unverfälscht“ ist der Wettbewerb, wenn Unternehmen auf unlautere Methoden verzichten und so einen freien Wettbewerb ermöglichen2.
Übersicht
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Systematik des UWG: – Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG): Verbot unlauteren Wettbewerbs; – Auffangklausel (§ 3 Abs. 2 UWG): Verbot unlauteren Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern; – Beispiele (§ 4 UWG): Fallgruppen unlauteren Wettbewerbs; – Irreführungsverbot (§§ 5 und 5 a UWG): Unterfall des § 3 UWG, – Vergleichende Werbung (§ 6 UWG); – Unzumutbare Belästigungen (§ 7 UWG): Sonderregelungen für das Spamming in § 7 Abs. 2 Nr. 3 und 4 sowie in § 7 Abs. 3 UWG.
II. § 3 Abs. 1 UWG – die Generalklausel Innerhalb des UWG kommt der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG eine überragende Bedeutung zu. Unlautere geschäftliche Handlungen sind nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Das Erfordernis der Spürbarkeit bringt zum Ausdruck, dass Bagatellverstöße nicht als unlauter anzusehen sind3.
1082
Der Begriff der Wettbewerbshandlung wird im UWG seit der letzten Novelle nicht mehr verwendet. Hierunter verstand man nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. eine Handlung mit dem Ziel, zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen zu fördern4. Die betreffende Handlung musste objektiv geeignet sein, den eigenen
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1 Ohly in Piper/Ohly, UWG, Einf A Rdnr. 20. 2 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 Rdnr. 43. 3 Vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 3 Rdnr. 358 ff.; Köhler in Köhler/Bornkamm, § 3 Rdnr. 113 ff. 4 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rdnr. 5.
273
F. Wettbewerbsrecht
oder fremden Wettbewerb zu fördern; eine Wettbewerbsabsicht wurde seit der Neufassung des UWG von 2004 nicht mehr verlangt1. 1084
An die Stelle der Wettbewerbshandlung ist der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ getreten. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F., versteht man hierunter jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, während oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.
1085
War nach altem Recht streitig, ob als Wettbewerbshandlung auch Handlungen in der vertraglichen Phase selbst gelten konnten2, lässt das neue Recht in dieser Hinsicht keine Zweifel zu. Das gesamte unternehmerische Verhalten während des vertraglichen Kontinuums – von der ersten Werbung bis zur Vertragsdurchführung – ist jetzt den Regelungen des UWG unterworfen, auch wenn kein Wettbewerbsbezug besteht3. Allerdings muss das Verhalten objektiv mit dem Produktabsatz oder dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen zusammenhängen4. Dies dürfte bei der Absatzförderung für alle Handlungen der Fall sein, die irgendwie geeignet sein können, den Absatz eigener oder fremder Waren zu mehren. Die Vertragsdurchführung selbst wird jedoch einen solchen objektiven Zusammenhang nur haben, wenn tatsächlich (weitere) geschäftliche Entscheidungen der Kunden herbeigeführt werden sollen5. Die bloße Schlechtleistung ist keine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG6.
1086
Für die Frage, ob eine Wettbewerbshandlung gemäß § 3 Abs. 1 UWG unlauter ist, wurde früher danach differenziert, ob die beanstandete Handlung als Versuch zu werten ist, durch Leistung zu überzeugen (Leistungswettbewerb), oder ob die Handlung den Zweck verfolgt, den Leistungswettbewerb durch einen nicht leistungsbezogenen Vorteil zu verzerren (unlauterer Nichtleistungswettbewerb)7. Diese Differenzierung wird in1 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 2 Rdnr. 26; Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 2 Rdnr. 24; a.A. Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1324 f.; nunmehr auch Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rdnr. 46. 2 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433; BGH vom 1.1.2007, NJW 2007, 3002, 3003 – Irreführender Kontoauszug. 3 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rdnr. 31; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433. 4 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rdnr. 45; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433. 5 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rdnr. 80; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433 6 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 Rdnr. 81; Köhler, WRP 2009, 109, 111; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433; a.A. Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1017. 7 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 5 Rdnr. 19; BGH vom 18.12.1968, BGHZ 51, 236, 242 – Stuttgarter Wochenblatt I; BGH vom 30.11.1995, GRUR 1996, 363, 364 – Saustarke Angebote; BGH vom 26.3.1998, GRUR 1998, 1037, 1038 – Schmuck-Set.
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IV. § 3 Abs. 3 UWG – Schwarze Liste
zwischen als zu eng und missverständlich angesehen, da sie bestimmte Erscheinungsformen des Wettbewerbs nicht erfassen kann1. Die Qualität und Preiswürdigkeit der eigenen Leistung ist aber nach wie vor das Kernelement des Schutzes aus § 3 Abs. 1 UWG2.
III. § 3 Abs. 2 UWG – die Auffangklausel § 3 Abs. 2 UWG dient als Auffangtatbestand für geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern, die jedenfalls dann unzulässig sein sollen, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt (vgl. § 2 Nr. 7 UWG) entsprechen und dazu geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zu beeinträchtigen3. Ob für § 3 Abs. 2 UWG neben den stets verbotenen Geschäftspraktiken der Schwarzen Liste gemäß § 3 Abs. 3 UWG und der Generalklausel nach § 3 Abs. 1 UWG noch viel Platz verbleibt, bleibt abzuwarten4.
1087
IV. § 3 Abs. 3 UWG – Schwarze Liste Gemäß § 3 Abs. 3 UWG sind die in dem neuen UWG-Anhang aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern stets unzulässig. Werden derartige Praktiken im unternehmerischen Geschäftsverkehr eingesetzt, kann der Anhang zudem ein Indiz für ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellen5.
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Unzulässig ist die unwahre Angabe eines Unternehmens, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodex zu gehören (Nr. 1 des UWG-Anhangs). Wer einem bestimmten Verhaltenskodex nicht angeschlossen ist, darf dies auch nicht behaupten6.
1089
Nicht unter den Tatbestand der Nr. 1 des UWG-Anhangs fällt eine Irreführung über den Inhalt des Verhaltenskodex7. Das Gesetz spricht davon, dass der Unternehmer eine entsprechende Angabe macht. Daher wird es für die Anwendbarkeit des Tatbestandes nicht genügen, wenn der Unternehmer nur unterschwellig oder zwischen den Zeilen zu erkennen gibt, einem bestimmten Verhaltenskodex unterworfen zu sein8.
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Gütezeichen erfreuen sich im Internet wachsender Beliebtheit. Nummer 2 des UWG-Anhangs stellt klar, dass es in jedem Fall unzulässig ist, ein
1091
1 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 Rdnr. 44, vgl. Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 3 Rdnr. 31. 2 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 5 Rdnr. 43. 3 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 3 Rdnr. 48. 4 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 5 Köhler/Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rdnr. 0.12; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433. 6 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 7 Scherer, NJW 2009, 324, 326. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 8 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rdnr. 1.3; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434.
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F. Wettbewerbsrecht
solches Gütezeichen zu verwenden, ohne die erforderliche Genehmigung dafür zu besitzen1. Dabei ist gleichgültig, ob es sich bei dem Gütezeichen um ein staatlich vergebenes Zeichen oder eine private Initiative handelt2. Unerheblich ist, ob das Unternehmen die Anforderungen für die Erteilung des Gütezeichens erfüllt oder gar ein Rechtsanspruch auf Erteilung des Zeichens besteht. Nur derjenige, dem die Verwendung genehmigt wurde, darf das Zeichen nutzen. Daher muss jede Werbung mit einem Gütezeichen in der Anmelde- oder Bearbeitungsphase unterbleiben. Gleiches gilt, wenn die Berechtigung der Verwendung des Zeichens – aus welchem Grund auch immer – erloschen ist3. Nicht unter Nr. 2 des UWGAnhangs fällt dagegen die Verwendung von selbst gewählten oder frei erfundenen Gütezeichen4. 1092
Nach Nr. 7 der UWG-Anlage sind unwahre Angaben über die zeitliche Verfügbarkeit bestimmter Waren oder Dienstleistungen mit dem Ziel, den Verbraucher zu einer sofortigen geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, verboten. Wird in einem Online-Shop beispielsweise mit der Aussage „Nur noch heute!“ geworben, obwohl dieselbe Ware auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zu haben ist, wird der Verbraucher in die Irre geführt. Aufgrund des Zeitdrucks wird der Verbraucher regelmäßig darauf verzichten, Informationen einzuholen, um sich sachlich für oder gegen einen Vertragsabschluss zu entscheiden.
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Nicht erfasst von Nr. 7 der UWG-Anlage sind Fälle, in denen der Verbraucher trotz der unwahren Angabe innerhalb kurzer Zeit noch in der Lage ist, eine informierte Entscheidung zu treffen5. Wann dies der Fall ist, muss anhand der Art und des Wertes des Produktes sowie der Komplexität der Entscheidung im Einzelfall ermittelt werden6.
1094
Nicht unter Nr. 7 der UWG-Anlage fallen auch wahre Angaben über kurzfristige Angebotszeiträume. Wird etwa im Rahmen von Live-Shopping-Angeboten im Internet zutreffend darauf hingewiesen, dass das Angebot maximal für 24 Stunden verfügbar sein wird, mag dies nur kurze Überlegungsfristen ergeben. Eine Irreführung ist jedoch nicht gegeben, wenn nach Ablauf der angegebenen Frist das Produkt tatsächlich nicht mehr verfügbar ist7.
1 Vgl. zum UWG a.F. (Verstoß gegen Nr. 2 der RL 2005/29/EG): LG Darmstadt vom 24.11.2008, MMR 2009, 277 ff. 2 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rdnr. 2.3; Schöttle, WRP 2009, 673, 674. 3 Schirmbacher, K&R 2009, 433, 434. 4 Vgl. LG Darmstadt vom 24.11.2008, MMR 2009, 277, 278; Hoeren, BB 2008, 1182, 1187; Scherer, NJW 2009, 324, 326; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433. 5 Hoeren, BB 2008, 1182, 1188; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435; Schöttle, WRP 2009, 673, 676. 6 Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 7 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435.
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IV. § 3 Abs. 3 UWG – Schwarze Liste
Für die Online-Branche von besonderer Bedeutung ist Nr. 8 des UWGAnhangs. Danach handelt stets unzulässig, wer Kundendienstleistungen in einer anderen Sprache als derjenigen, in der die Verhandlungen vor Abschluss des Geschäfts geführt worden sind, anbietet, wenn die ursprünglich verwendete Sprache nicht Amtssprache des Mitgliedstaates ist, in dem der Unternehmer niedergelassen ist und sofern der Verbraucher vor dem Abschluss des Geschäfts über die spätere Einschränkung der Sprachwahl nicht aufgeklärt wurde. Hält beispielsweise ein in Frankreich ansässiger Internethändler eine deutschsprachige Version seines Online-Shops vor, handelt er unlauter, wenn spätere Kundendienstleistungen nur auf Französisch abgewickelt werden können. Richtet der Unternehmer beispielsweise eine Hotline für Verbraucherfragen ein, muss er diese auch in deutscher Sprache anbieten. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die geschuldete Leistung durch deutschsprachige Mitarbeiter erbracht wird (z.B. Lieferung, Montage etc.)1.
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Weil es auch bei Nr. 8 des UWG-Anhangs um die Bekämpfung von Irreführungsgefahren geht, wird die Unzulässigkeit durch eine entsprechende Verbraucherinformation vor Vertragsschluss beseitigt. Diese Information muss für den Verbraucher klar und verständlich sein, so dass der Hinweis in der Sprache zu erfolgen hat, in der die Vertragsanbahnung erfolgt2.
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Nr. 10 der UWG-Anlage betrifft einen Unterfall der irreführenden Werbung mit Selbstverständlichkeiten – die Werbung mit gesetzlich bestehenden Rechten. Stellt ein Unternehmer beispielsweise die Einräumung eines Widerrufsrechts als eine Besonderheit seines Angebots heraus, liegt darin eine unzulässige Irreführung. Werden dagegen lediglich – gesetzlich vorgeschriebene – Hinweise auf die gesetzlichen Verbraucherrechte gegeben, ist dies nicht wettbewerbswidrig3.
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Nr. 23 der UWG-Anlage verbietet die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Unternehmer sei Verbraucher oder nicht für Zwecke seines Geschäfts, Handels, Gewerbes oder Berufs tätig. Es geht um die Irreführung über den gewerblichen Charakter eines Angebots. Dies ist für die Kaufentscheidung wichtig, da Verbraucher grundsätzlich gewerblichen Angeboten einen anderen Stellenwert beimessen als nicht-gewerblichen Angeboten4. Insbesondere im Internet können Verbraucher und Unternehmer als Anbieter ohne Weiteres in Konkurrenz zueinander treten. Besonders augenfällig ist dies bei EbayAngeboten. Nr. 23 der UWG-Anlage verbietet ausdrücklich, dass sich ein
1098
1 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rdnr. 8.4; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 433. 2 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 3 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, Anh zu § 3 III Rdnr. 10.1; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 4 Scherer, NJW 2009, 324, 329; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 436.
277
F. Wettbewerbsrecht
gewerblich tätiger Unternehmer (etwa ein Powerseller) als privater Verkäufer ausgibt oder zumindest diesen Eindruck erweckt1.
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs 1099
Die §§ 4 bis 6 UWG enthalten eine Vielzahl von Beispielen unlauterer und somit unzulässiger Wettbewerbshandlungen. Im Wesentlichen werden durch diese Beispiele weite Bereiche des umfangreichen Fallrechts kodifiziert, das die Rechtsprechung bis 2004 zu den Generalklauseln der §§ 1 und 3 UWG a.F. entwickelt hatte. 1. Die Fallgruppen des § 1 UWG a.F.
1100
§ 1 UWG a.F. erklärte sittenwidrige Wettbewerbshandlungen für unzulässig. Der wettbewerbsrechtliche Begriff der Sittenwidrigkeit wurde sodann durch die Rechtsprechung konkretisiert, indem eine Vielzahl von Fallgruppen gebildet wurde, die sich immer weiter ausdifferenzierten. Die wichtigsten dieser Fallgruppen waren:
1101
„Kundenfang“2 durch Irreführung über die Ware oder über das Unternehmen, durch Nötigung oder unzumutbare Belästigung („Anreißen“) des Kunden, durch die Gewährung besonderer unentgeltlicher Vorteile, durch Missbrauch von Autorität, durch Ausnutzung sozialer Hilfsbereitschaft oder durch das Einspannen von Laienwerbern;
1102
„Behinderung“3 des Konkurrenten, beispielsweise durch Betriebsstörungen, durch von Schädigungs- bzw. Vernichtungsabsicht getragener („ruinöser“) Preisunterbietung, durch Boykott und Diskriminierung oder durch Geschäftsehrverletzung;
1103
„Ausbeutung“4 der Leistungen eines Konkurrenten durch „sklavische Nachahmung“ bestimmter Leistungen oder fremder Werbung, durch Ausbeutung fremden (guten) Rufs („Anlehnung“) oder durch das planmäßige Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern eines Konkurrenten („Ausspannen“);
1 Schirmbacher, K&R 2009, 433, 436. 2 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26.Aufl., § 4 Rdnr. 20.25; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.10 Rdnr. 45. 3 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 4 Rdnr. 10.4 ff.; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.10 Rdnr. 1 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 1443 ff. 4 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26 Aufl. § 4 Rdnr. 9.51, 9.66; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.9 Rdnr. 45 ff., 64 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 1427 ff.
278
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
„Rechtsbruch“1 durch planmäßigen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, durch Verletzung eigener vertraglicher Verpflichtungen oder durch Verleitung anderer zum Vertragsbruch bzw. durch die Ausnutzung fremden Vertragsbruches, sofern der Gewerbetreibende auf diese Weise einen Wettbewerbsvorsprung erreichen möchte;
1104
„Marktstörung“2, d.h. die Gefährdung des Marktes bzw. des Wettbewerbs als Institution, etwa bei der Gratisverteilung von Presseerzeugnissen3 oder durch Gewährung von Herstellerprämien an Einzelhändler bzw. durch die vom Einzelhändler ausgesprochene Forderung von „Eintrittsgeldern“ für die Aufnahme eines Produkts in das eigene Sortiment.
1105
2. Die Beispiele des § 4 UWG
Ein Großteil dieser Fallgruppen findet sich in § 4 UWG n.F. Die Norm ist als Auflistung von Beispielen unlauterer Wettbewerbshandlungen konzipiert. In einem Katalog von 11 Nummern werden wesentliche Fallgruppen aufgeführt.
Übersicht
1106
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Beispiele unlauteren Wettbewerbs: – Kundenfang: unsachlicher Einfluss auf den Kunden (§ 4 Nr. 1 UWG); Ausnutzung subjektiver Schwächen des Verbrauchers (§ 4 Nr. 2 UWG)4; getarnte Werbung (§ 4 Nr. 3 UWG); Verschleierung von Teilnahmebedingungen bei Verkaufsförderungsmaßnahmen und Gewinnspielen (§ 4 Nr. 4 und 5 UWG); übermäßige aleatorische Anreize (§ 4 Nr. 6 UWG); – Behinderung: Herabsetzung und Verunglimpfung (§ 4 Nr. 7 UWG); Anschwärzung und geschäftliche Verleumdung (§ 4 Nr. 8 UWG); gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG); – Ausbeutung: unlautere Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen (§ 4 Nr. 9 UWG); – Rechtsbruch: Verstoß gegen Normen, die (auch) wettbewerbsbezogen sind (§ 4 Nr. 11 UWG).
1 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 4 Rdnr. 11.1 ff.; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.11 Rdnr. 1 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 20 Rdnr. 1ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 1301 ff. 2 Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl., § 4 Rdnr. 12.1 ff.; Ohly in Piper/Ohly, UWG, § 4.10 Rdnr. 95 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 19 Rdnr. 1 ff. 3 BGH vom 18.12.1968, BGHZ 51, 236, 242 – Stuttgarter Wochenblatt I; vgl. allerdings BGH vom 20.11.2003, WRP 2004, 896 – 20 Minuten Köln; BGH vom 20.11.2003, WRP 2004, 746 – Zeitung zum Sonntag; Ruess/Tellmann, WRP 2003, 665 ff. 4 Vgl. Benz, WRP 2003, 1160 ff.
279
F. Wettbewerbsrecht
a) Kundenfang
1108
Fälle unlauteren „Kundenfangs“ sind in § 4 Nr. 1 bis 6 UWG geregelt. Verboten sind danach die Ausübung von Druck und der sonstige „unangemessene Einfluss“ auf den Kunden (§ 4 Nr. 1 UWG) ebenso wie die Ausnutzung von geschäftlicher Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit, Angst und Zwangslagen des Verbrauchers (§ 4 Nr. 2 UWG). Unlauterer Kundenfang liegt zudem in der Verschleierung von Werbung (§ 4 Nr. 3 UWG) und der Verschleierung der Bedingungen von Verkaufsförderungsmaßnahmen, Preisausschreiben und Gewinnspielen (§ 4 Nr. 4 und 5 UWG). Zu guter Letzt gilt das Verbot, die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder einem Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig zu machen (§ 4 Nr. 6 UWG), wobei § 4 Nr. 6 UWG einschränkend auszulegen ist und nicht angewendet werden kann, wenn keine Verbraucherinteressen ersichtlich sind, die durch die konkrete Werbemaßnahme beeinträchtigt werden1. aa) Verschleierung von Werbung
1109
Unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Verschleierung von Werbung verlangt § 4 Nr. 3 UWG ebenso wie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV eine Trennung zwischen allgemein-informierenden Inhalten einer Internetseite und Werbung2. Es ist wettbewerbswidrig, eine Werbemaßnahme so zu tarnen, dass sie für den Umworbenen nicht als Werbung erkennbar ist3. Dies bedeutet beispielsweise, dass Werbeanzeigen, die auf der Internetseite einer Suchmaschine platziert werden, deutlich als Werbung gekennzeichnet und von der restlichen Seite abgehoben werden müssen4. Wird Werbung in einem allgemeinen Informations- bzw. Serviceangebot untergebracht, so ist die Kennzeichnung als Werbung in deutlicher Form notwendig, und zwar unabhängig davon, ob der Werbehinweis in der Form eines Hyperlinks ausgestaltet ist5 oder nicht. Not-
1 Vgl. EuGH vom 14.1.2010, WRP 2010, 232 ff.; BGH vom 5.6.2008, WRP 2008, 1175 ff. – Millionen-Chance (Vorlagebeschluss). 2 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rdnr. 3.41; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 172 f.; Koch, Internet-Recht, S. 509 ff., 577 f.; Hoeren, MMR 2004, 643 ff; Pierson, K&R 2006, 489, 492. 3 Vgl. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 143; Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 4.3 Rdnr. 2; Hoeren WRP 1997, 993, 995; Marwitz, MMR 1998, 188, 190; BGH vom 10.7.1981, GRUR 1981, 835, 835 f.; BGH vom 7.7.1994, GRUR 1994, 821, 821 ff. – Preisrätselgewinnauslobung I; BGH vom 7.7.1994, GRUR 1994, 823, 823 ff. – Preisrätselgewinnauslobung II; BGH vom 6.7.1995, GRUR 1995, 744, 745 ff. – Feuer, Eis & Dynamit I. 4 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rdnr. 3.41. 5 Süßenberger in Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Teil 11.1. Rdnr. 47; KG vom 30.6.2006, MMR 2006, 680 f.
280
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
wendig ist im Normalfall eine optische Trennung der Werbung oder die Einfügung eines Wortes wie „Anzeige“1. Ein Hyperlink, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer erkennbar wird, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird2. Den Anforderungen des § 4 Nr. 3 UWG genügt daher ein auffällig gelb unterlegter Hyperlink mit dem Symbol eines Einkaufswagens, dem Wort Shopping und einem Werbeslogan3. Unzureichend ist ein Link mit der Bezeichnung „Prominente Sparfüchse nehmen das Volks-Sparen unter die Lupe“4.
1110
Werden redaktionelle Hyperlinks und damit verlinkte Webseiten, die ebenfalls in Form redaktioneller Beiträge aufgemacht sind, nicht in ausreichender Form als Werbung gekennzeichnet, liegt hierin ein Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG5.
1111
Nr. 11 der UWG-Anlage ist enger gefasst als § 4 Nr. 3 UWG und verbietet – parallel zu § 4 Nr. 3 UWG6 – die Schleichwerbung7. Eine ausnahmslos unzulässige geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 Abs. 3 UWG stellt nach Nr. 11 des UWG-Anhangs der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung dar, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt.
1112
bb) Preisausschreiben und Gewinnspiele
Nach § 4 Nr. 5 UWG ist es unlauter, bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig anzugeben. Bei Fernsehwerbung für ein Gewinnspiel reicht es indes aus, dass auf eine Website verwiesen wird, die die Teilnahmebedingungen enthält, da das Fernsehen für ausführliche Informationen aus medienimmanenten Gründen ungeeignet ist. Dies gilt jedenfalls, wenn die Teilnahme des Verbrauchers an dem Gewinnspiel aufgrund der Fernsehwerbung noch nicht ohne Weiteres – etwa aufgrund der Angabe einer Rufnummer – möglich ist8.
1113
§ 4 Nr. 5 UWG gilt nicht nur für Gewinnspiele, sondern bereits für deren Ankündigung. Die von dem Veranstalter bezweckte Anlockwirkung erreicht den Verbraucher bereits durch die Werbung für das Gewinnspiel.
1114
1 Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 167; vgl. auch Pierson, K&R 2006, 547, 551. 2 LG Berlin vom 26.7.2005, MMR 2005, 778, 779. 3 KG vom 8.6.2007, WRP 2007, 1392 (Ls.). 4 KG vom 30.6.2006, MMR 2006, 680, 680 f. 5 OLG München vom 10.12.2009, WRP 2010, 671, 672. 6 Vgl. Schirmbacher, K&R 2009, 433, 435. 7 Zur Abgrenzung zur Produktplatzierung vgl. Härting/Schätzle, IPRB 2010, 19, 20. 8 BGH vom 9.7.2009, NJW 2010, 616 ff. – FIFA-WM-Gewinnspiel.
281
F. Wettbewerbsrecht
Der mit § 4 Nr. 5 UWG verfolgte Schutzzweck gebietet es daher, auch die Werbung für ein Gewinnspiel in seinen Anwendungsbereich einzubeziehen1. 1115
§ 4 Nr. 5 UWG soll Gewinnspielwerbung nicht erschweren, sondern nur verhindern, dass in intransparenter Weise unangemessene Bedingungen für die Teilnahme am Gewinnspiel gestellt werden. Grundsätzlich sind dem Interessenten daher die Teilnahmebedingungen so früh wie möglich und in einer Weise anzuzeigen, die ihm Gelegenheit gibt, sie in Ruhe zu studieren, bevor er am Gewinnspiel teilnimmt. Beim Ausfüllen von Gewinnspielkarten kann er dies, bei Abgabe seiner Teilnahmeerklärung über das Telefon wohl selbst dann nicht, wenn die Informationen vom Band angesagt werden. Bei geeigneten Werbemedien sind die Teilnahmebedingungen schon unmittelbar in der Werbung bekanntzugeben. Internetseiten und E-Mails sind weniger flüchtige Medien als das Fernsehen, weshalb es dort erforderlich sein dürfte, die Teilnahmebedingungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Werbung, – etwa über einen Link – abrufbar zu halten2. cc) Unsachgemäße Beeinflussung
1116
Ein Fall der unangemessenen Beeinflussung des Kunden (§ 4 Nr. 1 UWG) liegt vor, wenn ein Internetanbieter die Teilnahme des Verbrauchers an einer Verlosung von Eintrittskarten zur Fußball-WM 2006 von der Erklärung abhängig macht, dass der Verbraucher mit der Weitergabe von persönlichen Daten an Drittunternehmen und mit Werbeanrufen einverstanden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verbraucher über die Koppelung erst in Kenntnis gesetzt wird, nachdem er sich bereits für die Teilnahme an der Verlosung entschieden hat3.
1117
Die massive Geltendmachung von (zweifelhaften) Erfüllungsansprüchen erfüllt nicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 UWG, kann aber nach § 4 Nr. 1 UWG unlauter sein, wenn es zu einer massiven Einschüchterung kommt und die (vermeintlichen) Schuldner ohne Rücksicht auf die Berechtigung der gestellten Forderungen zahlen, um von weiterem Druck verschont zu bleiben. Es reicht nicht aus, dass die Forderung auf einem Vertrag beruht, der seinerseits unter Verwendung unlauterer Geschäftspraktiken zustande gekommen ist4.
1118
Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 UWG sind erfüllt, wenn es in einer Rechung heißt, die falsche Angabe des Geburtsdatums sei ein Betrugsdelikt, und man behalte sich eine Strafanzeige vor5. 1 2 3 4 5
BGH vom 10.1.2008, WRP 2009, 1069, 1070 – Urlaubsgewinnspiel. Reinholz, GRUR-Prax 2010, 16, 16. OLG Köln vom 12.9.2007, K&R 2008, 48, 50. Vgl. LG Düsseldorf vom 28.8.2009, Az. 38 O 34/09. Vgl. LG Mannheim vom 12.5.2009, MMR 2009, 568 ff.
282
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
dd) Sonstige Fälle
Nach § 4 Nr. 2 UWG handelt unlauter, wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen. Diese Voraussetzungen liegen vor bei einem Internetauftritt, der sich an Kinder wendet und in dem die Kinder aufgefordert werden, personenbezogene Daten preiszugeben, ohne dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 BDSG vorliegen1.
1119
Nach § 4 Nr. 4 UWG ist es unlauter, bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig anzugeben. Wirbt daher ein Lebensmitteldiscounter auf einer mit „billiger“ gekennzeichneten Seite seines Internetauftritts mit reduzierten Preisen, so muss er auf eine zeitliche Beschränkung der Preisreduzierung klar und deutlich hinweisen. Versteckte Hinweise auf verschiedenen Unterseiten reichen nicht aus2.
1120
Wird für ein Produkt der Firma Danone im Fernsehen mit einer „Geldzurück-Garantie“ geworben, kann es ausreichen, für die genauen Teilnahmebedingungen auf die Website danone.de zu verweisen, wenn die Teilnahmebedingungen keine überraschenden Einschränkungen der „Garantie“ enthalten3.
1121
b) Behinderung
Fälle der unlauteren Behinderung sind in § 4 Nr. 7, 8 und 10 UWG geregelt. Während § 4 Nr. 10 UWG generalklauselartig die gezielte Behinderung von Mitbewerbern untersagt4, enthält § 4 Nr. 7 UWG das Verbot der Herabsetzung und Verunglimpfung von Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen bzw. geschäftlichen Verhältnissen eines Konkurrenten. § 4 Nr. 8 UWG untersagt schließlich – wie § 14 UWG a.F. – die Anschwärzung und geschäftliche Verleumdung des Mitbewerbers5.
1122
aa) Verunglimpfung
Ein Fall der wettbewerbswidrigen Verunglimpfung (§ 4 Nr. 7 UWG) liegt vor, wenn Schmähkritik über die Leistungen eines Konkurrenten verbreitet wird. Wird beispielsweise das Produkt eines Wettbewerbers im Internet als ein „hoffnungslos überteuerter Schrotthaufen“ beschrieben6, so stellt dies eine wettbewerbswidrige Handlung gemäß § 4 Nr. 7 UWG dar. Dasselbe gilt, wenn ein redaktioneller Beitrag auf einer Verkaufsplatt1 2 3 4 5 6
OLG Frankfurt a.M. vom 30.6.2005, NJW-RR 2005, 1280, 1281 f. OLG Stuttgart vom 8.2.2007, MMR 2007, 385 f. BGH vom 11.3.2009, NJW 2010, 612, 615 f. – Geld-zurück-Garantie II. Vgl. Omsels, WRP 2004, 137 ff. Vgl. OLG Hamburg vom 3.7.2003, CR 2004, 540. Vgl. LG München I vom 17.10.1996, CR 1997, 155.
283
1123
F. Wettbewerbsrecht
form veröffentlicht wird und in dem Beitrag Konkurrenten als „schwarze Schafe“ im Bereich des Matratzenhandels angeprangert werden1. Der Tatbestand des § 4 Nr. 7 UWG kann auch erfüllt sein, wenn ein Unternehmen im Internet ungeschwärzte Urteile publiziert, um einem Mitbewerber irreführende Werbung und vorsätzliche Täuschung vorzuwerfen2. 1124
Ein Blog kann „Tatort“ für eine wettbewerbsrechtliche Verunglimpfung sein, wenn dort – in Wettbewerbsabsicht – herabsetzende Äußerungen über einen Konkurrenten verbreitet werden („An dieser Stelle fällt mir nur ein Wort ein: LÜGE. Anders kann man diese Texte der Firma F.de nicht begreifen. Kann sich nicht einmal ein Anwalt dieser offensichtlichen Falschaussage annehmen? Denn es ist kaum zu glauben, dass diese Aussage ein Einzelfall ist.“)3. bb) Virtuelles Hausrecht
1125
Die Abgrenzung zwischen einer erlaubten und einer unlauteren, gezielten Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) erfordert eine Betrachtung der Umstände des Einzelfalls, bei der die sich gegenüberstehenden Interessen der beteiligten Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen sind. Bewertungsmaßstab sind die gesetzlichen Regelungen, insbesondere der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit. Als gezielt ist eine Behinderung dabei dann anzusehen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers gerichtet ist. Solche Maßnahmen sind stets unlauter, wenn kein sachlicher Grund für die Maßnahme erkennbar ist. Maßgeblich ist eine Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen. Bei der Bewertung spielt auch eine Rolle, ob der Handelnde seine Ziele mit weniger einschneidenden Wirkungen erreichen könnte4.
1126
An einer gezielten Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) fehlt es, wenn der Betreiber einer Website einem Konkurrenten den Zugriff auf seine Seiten verwehrt durch eine IP-Sperrung, um übermäßige Seitenaufrufe zu verhindern („virtuelles Hausverbot“). Testaufrufe der Seiten durch Konkurrenten hat der Website-Betreiber zwar grundsätzlich zu dulden5, dies jedoch nur bis zur Grenze einer Betriebsstörung6. 1 2 3 4
OLG Hamm vom 28.1.2010, MMR 2010, 330, 331. OLG Hamm vom 7.2.2008, MMR 2008, 750 ff. OLG Hamm vom 23.10.2007, MMR 2008, 737 f. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rdnr. 10.11; LG Essen vom 26.3.2009, CR 2009, 395 ff. = ITRB 2009, 149 (Schwartmann); vgl. auch Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, UWG, § 4 Nr. 10 Rdnr. 16. 5 Vgl. LG Hamburg vom 13.7.2006, NJW-RR 2007, 252 = CR 2007, 120. 6 OLG Hamburg vom 18.4.2007, NJW 2007, 3361 f. = CR 2007, 597 f. = MMR 2008, 58 f.; OLG Hamm vom 23.10.2007, MMR 2008, 175 f.; OLG Hamm vom 10.6.2008, CR 2009, 121 ff. = K&R 2009, 48, 49 ff.
284
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Der Betreiber einer Website hat das Recht, in „Nutzungsbedingungen“ festzulegen, welche Art der Nutzung seiner Website zulässig sein soll. Es wäre nicht einsichtig, weshalb jede Einflussmöglichkeit verloren gehen soll, sobald eine Website über das Internet erreichbar ist, zumal der Websitebetreiber mit einer Haftung für Inhalte rechnen muss, die auf seiner Website erscheinen1. Für die Ausgestaltung der „Nutzungsbedingungen“ hat sich der Begriff des „virtuellen Hausrechts“ eingebürgert2. Maßnahmen, die auf eine Missachtung von Nutzungsbedingungen bzw. des „Hausrechts“ abzielen, können den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG erfüllen, wie dies zum Beispiel beim unerlaubten „Screen Scraping“ der Fall ist3.
1127
In einem unerlaubten „Screen Scraping“ kann eine gezielte Behinderung in Form des „Schleichbezuges“ liegen. Dies ist zu bejahen, wenn die Website eines Flugunternehmens systematisch und automatisiert von einem Anbieter von Pauschalreisen durchsucht wird. Hat das Flugunternehmen in den Nutzungsbedingungen seiner Website ein solches „Screen Scraping“ untersagt, so erfüllt der Pauschalreiseanbieter den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG, wenn er sich über dieses Verbot hinwegsetzt4. Hierzu bedarf es keines Nachweises, dass es aufgrund des „Screen Scrapings“ zu Störungen der Funktionsfähigkeit der betroffenen Website kommt5.
1128
cc) Sonstige Fälle
Unter den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG fallen auch das Verleiten zum Vertragsbruch und das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs. Das Ausnutzen fremden Vertragsbruchs ist indes nur unlauter, wenn besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Hierzu reicht ein systematisches und planmäßiges Vorgehen für sich allein nicht aus, da ein solches Vorgehen im Wesen des Wettbewerbs liegt6.
1129
Eine gezielte Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG liegt vor, wenn Internetnutzern die (kostenpflichtige) Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft angeboten wird zur Nutzung von Breitband-Internetanschlüssen und hierzu Anschlüsse der Konkurrenten zu nutzen, die gegen eine Flatrate betrieben werden7.
1130
1 Siehe Rz. 1642 ff. 2 Vgl. Maume, MMR 2007, 620 ff. 3 OLG Hamburg vom 28.5.2009, CR 2009, 609, 610 f.; a.A. OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009, CR 2009, 390, 390. 4 OLG Hamburg vom 28.5.2009, CR 2009, 609, 610 f.; a.A. OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009, CR 2009, 390, 390. 5 A.A. OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009, CR 2009, 390, 390. 6 BGH vom 11.9.2008, WRP 2009, 177, 180 f. – bundesligakarten.de; vgl. auch LG Hamburg vom 5.3.2010, MMR 2010, 410 ff. mit Anm. Neuhöfer/Schmidt. 7 OLG Köln vom 5.6.2009, CR 2009, 576 ff.
285
F. Wettbewerbsrecht
1131
Ein Fall der nach § 4 Nr. 10 UWG unlauteren Behinderung ist auch zu bejahen, wenn ein sog. Cheatbot angeboten wird, das die sonst nur kostenpflichtig erhältlichen Funktionen eines Online-Spiels anderweitig verfügbar macht1. Der Schwerpunkt des Wettbewerbsverstoßes liegt in einem solchen Fall weniger bei der Ausbeutung der Wertschätzung des Spiels (§ 4 Nr. 9 lit. b UWG) als in der Behinderung der Funktionen2. c) Ausbeutung
1132
Um Fälle der „Ausbeutung“ geht es in § 4 Nr. 9 UWG. Unlauter ist demnach die Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers, wenn die Nachahmung zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung führt (§ 4 Nr. 9 lit. a UWG), die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (§ 4 Nr. 9 lit. b UWG)3 oder wenn die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse und Unterlagen unredlich erlangt worden sind (§ 4 Nr. 9 lit. c UWG).
1133
Unabhängig von der Urheberrechtsfähigkeit der Inhalte einer Website4 kann es daher unzulässig sein, die Inhalte einer fremden Website nachzuahmen, wenn dadurch der Eindruck entsteht, die Inhalte seien tatsächlich von dem Dritten erstellt worden. Die unmittelbare Übernahme von Ergebnissen der Arbeit Dritter kann eine unlautere Wettbewerbshandlung sein5. d) Rechtsbruch
1134
Um „Rechtsbruch“ geht es in § 4 Nr. 11 UWG. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die jedenfalls auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Fallgruppe „Vorsprung durch Rechtsbruch“ war vor der grundlegenden UWG-Reform 2004 ganz erheblichen Wandlungen in der BGH-Rechtsprechung unterworfen gewesen6. Die zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion der verletzten Norm, die der BGH zuletzt verlangte7, ist in die Regelung des § 4 Nr. 11 UWG eingeflossen. 1 2 3 4 5 6
Vgl. LG Hamburg vom 9.7.2009, CR 2009, 756 f. A.A. LG Hamburg vom 9.7.2009, CR 2009, 756, 757. Vgl. OLG Hamm vom 29.1.2009, MMR 2009, 774, 775. Vgl. Härting/Kuon, CR 2004, 527, 529; siehe Rz. 848 ff. Vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 Rdnr. 9.17 f. Vgl. Köhler, NJW 2002, 2761, 2763; BGH vom 11.5.2000, BGHZ 144, 255, 264 = NJW 2000, 3351, 3354 = GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen; BGH vom 25.4.2002, BGHZ 150, 343, 347 f. = NJW 2002, 2645, 2646 = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten; BGH vom 26.9.2002, NJW 2003, 586, 587 = GRUR 2003, 164, 165 = WRP 2003, 262 – Altautoverwertung. 7 BGH vom 11.5.2000, BGHZ 144, 255, 264 = NJW 2000, 3351, 3354 = GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen; BGH vom 25.4.2002, BGHZ 150, 343, 347 f. = NJW 2002, 2645, 2646 = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten; BGH vom 26.9.2002, NJW 2003, 586, 587 = GRUR 2003, 164, 165 = WRP 2003, 262 – Altautoverwertung.
286
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion hat beispielsweise das Verbot des Verkaufs von Tabakwaren unter dem Packungspreis (Kleinverkaufspreis) gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 TabStG. Eine Versteigerung von Tabakwaren über Ebay ist daher wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG, wenn der Startpreis unter dem Kleinverkaufspreis liegt1.
1135
Wettbewerbsbezug liegt vor bei der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (EnVKV) und der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV). Dies gilt insbesondere für die Kennzeichnungspflichten im Fernabsatz (§ 5 EnVKV2 und § 5 Pkw-EnVKV3). Desgleichen liegt bei § 1 Abs. 1 Textilkennzeichnungsgesetz (TextilKennzG) Wettbewerbsbezug vor4. § 1 Abs. 1 TextilKennzG schreibt für das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von Textilerzeugnissen eine Angabe über Art und Gewichtsanteil der verwendeten textilen Rohstoffe vor. Ebenso fällt § 8 Abs. 1 Satz 2 Altölverordnung in den Anwendungsbereich von § 4 Nr. 11 UWG5. Die Norm begründet eine Hinweispflicht hinsichtlich von Annahmestellen zur kostenlosen Altölrücknahme.
1136
Werden Computerbildschirme in einem Internetshop mit Größenangaben in Zoll angeboten, ohne dass die cm-Maße genannt werden, so verstößt dies zwar gegen die wettbewerbsbezogenen Bestimmungen des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG) in Verbindung mit der zugehörigen Ausführungsverordnung (EinhV). Im Hinblick auf die Üblichkeit von Zollangaben fehlt es jedoch an einer spürbaren Beeinträchtigung von Wettbewerbsbelangen (§ 3 Abs. 1 UWG)6.
1137
Wettbewerbsbezug ist auch für das Arzneimittelgesetz (AMG) und die Arzneimittelpreisverordnung (AMPVO) zu bejahen, an die Versandapotheken gebunden sind. Der Betreiber einer Versandapotheke begeht bei einer Verletzung der Bestimmungen des AMG und der AMPVO einen Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG7.
1138
Bei Verstößen gegen das AGB-Recht (§§ 307 ff. BGB) liegt in aller Regel kein Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 11 UWG vor, da das AGB-Recht nicht die Funktion hat, das Marktverhalten zu regeln8. Hieran hat auch
1139
1 OLG Frankfurt a.M. vom 2.6.2004, K&R 2004, 447, 448. 2 Vgl. OLG Dresden vom 24.11.2009, MMR 2010, 465; OLG Hamm vom 11.3.2008, MMR 2009, 69 (Ls.). 3 Vgl. OLG Köln vom 3.6.2009, MMR 2010, 103; OLG Stuttgart vom 27.11.2008, NJW-RR 2009, 917, 919; OLG Stuttgart vom 27.11.2008, NJW-RR 2009, 913, 916 f. 4 LG Frankenthal vom 14.2.2008, MMR 2009, 144 (Ls.). 5 OLG Hamburg vom 2.6.2010, Az. 5 W 59/10. 6 LG Bochum vom 30.3.2010, K&R 2010, 430, 431. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 29.11.2007, WRP 2008, 969, 971. 8 OLG Hamburg vom 13.11.2006, NJW 2007, 2264, 2265 = CR 2007, 455, 456 = ITRB 2007, 254 (Antoine); OLG Köln vom 30.3.2007, NJW 2007, 3647 = CR 2007, 799; OLG Köln vom 16.5.2008, MMR 2008, 540; a.A. KG vom 4.2.2005, MMR 2005, 466 f.
287
F. Wettbewerbsrecht
die letzte UWG-Novelle geändert, durch die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG klar gestellt wurde, dass auch ein Verhalten des Unternehmers nach Geschäftsabschluss als unlautere geschäftliche Handlung anzusehen sein kann1. 1140
Bei den §§ 307 ff. BGB handelt es sich ebenso wie bei sonstigen allgemeinen Vorschriften des BGB, nach denen vertragliche Absprachen unwirksam sein können (z.B. § 134 und § 138 BGB), um Bestimmungen, die darauf gerichtet sind, das individuelle Verhältnis der Vertragsparteien zueinander zu regeln. Dagegen, dass allein schon mit der Verwendung einer gegen die §§ 307 ff. BGB verstoßenden AGB-Klausel der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 11 UWG eröffnet ist, spricht zudem der Umstand, dass den nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klageberechtigten qualifizierten Einrichtungen hierfür ein gesondertes Klagerecht nach § 1 UKlaG eingeräumt worden ist. Dessen bedürfte es nicht, wenn sie gegen die Verwendung unzulässiger AGB bereits nach § 4 Nr. 11 UWG vorgehen könnten2.
1141
§ 477 BGB enthält formale Anforderungen an Garantieerklärungen, die gegenüber einem Verbraucher abgegeben werden. Das OLG Hamburg3, das OLG Frankfurt a.M.4 und das OLG Hamm5 haben § 477 BGB als Marktverhaltensregel gemäß § 4 Nr. 11 UWG angesehen und zur Begründung darauf verwiesen, dass § 477 BGB „auch“ das Marktgeschehen im Interesse der Verbraucher regeln wolle. aa) Preisangaben
1142
Ein Beispiel für die Fallgruppe des wettbewerbswidrigen „Rechtsbruchs“ ist der Verstoß gegen die Preisangabenverordnung (PAngV)6. Mehrfach hat der BGH den Wettbewerbsbezug der PAngV festgestellt7. Grundsätzlich ist damit jeder Verstoß gegen die PAngV gemäß § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig. Dies gilt insbesondere für den Fernabsatz, für den in § 5 a Abs. 3 Nr. 3 UWG jetzt die Angabe des Endpreises und der Liefer1 A.A. OLG Frankfurt a. M. vom 4.7.2008, MMR 2008, 869 (Ls.). 2 OLG Hamburg vom 13.11.2006, NJW 2007, 2264, 2265 = CR 2007, 455, 456 = ITRB 2007, 254 (Antoine). 3 OLG Hamburg vom 26.11.2009, MMR 2010, 400, 401. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2008, MMR 2008, 869 (Ls.). 5 OLG Hamm vom 13.8.2009, MMR 2010, 28; OLG Hamm vom 17.11.2009, Az. 4 U 148/09. 6 Preisangabenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.10.2002, BGBl. I 2002, S. 4197, zuletzt geändert durch § 20 Abs. 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3.7.2004, BGBl. I 2004, S. 1420. 7 BGH vom 25.2.1999, GRUR 1999, 762, 763 = WRP 1999, 845, 846 – Herabgesetzte Schlussverkaufspreise; BGH vom 5.7.2001, GRUR 2001, 1166, 1168 – Fernflugpreise; BGH vom 3.7.2003, CR 2003, 816, 817 mit Anm. Schirmbacher = WRP 2003, 1347, 1349 – Telefonischer Auskunftsdienst; BGH vom 15.1.2004, WRP 2004, 490, 491 = NJW-RR 2004, 906, 907 – FrühlingsgeFlüge; BGH vom 16.7.2009, CR 2010, 192, 193 – Versandkosten bei Froogle; BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 372 – Kamerakauf im Internet.
288
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
kosten als wesentliche Informationen bezeichnet werden, die dem Verbraucher mitzuteilen sind.
Übersicht
1143
Preisangabenverordnung (PAngV): – Anwendungsbereich: Angebote des Unternehmers an Letztverbraucher und Werbung, sofern in der Werbung Preise genannt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV). – Endpreise: Es sind stets die Endpreise anzugeben einschließlich aller Preisbestandteile (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV). – Fernabsatz: Im Fernabsatz bedarf es neben der Angabe eines Endpreises der Angabe zusätzlicher Liefer- und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV) sowie der Angabe, dass die geforderten Preise die Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile enthalten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV). – Gestaltung der Preisangaben: Preisklarheit und Preiswahrheit; die Pflichtangaben müssen dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen und gut wahrnehmbar gestaltet sein (§ 1 Abs. 6 PAngV). – Bagatellklausel: Bei geringfügigen Verstößen gegen die PAngV fehlt es an einem erheblichen Wettbewerbsverstoß, sodass der Tatbestand des § 3 Abs. 1 UWG nicht erfüllt ist. § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV schreibt die Angabe der Endpreise vor, wenn gegenüber Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen angeboten werden. Dasselbe gilt für den Fall, dass ein Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt.
1144
(1) Anwendungsbereich
Die PAngV gilt für Angebote des Unternehmers und für Werbung, sofern in der Werbung Preise genannt werden. Wenn der Unternehmer unter Angabe von Preisen wirbt, muss er grundsätzlich vollständige Angaben machen1. Eine Werbung unter Angabe von Preisen liegt vor, wenn ein Einzelpreis oder ein bestimmter Preisbestandteil angegeben wird2. Der Begriff des Angebots ist weiter als der eines Angebots nach § 145 BGB3. Ausreichend ist, wenn der Kunde rechtlich zwar noch unverbindlich, tatsächlich aber schon gezielt im Hinblick auf den Kauf einer Ware ange1 BGH vom 8.10.1998, GRUR 1999, 264, 267 – Handy für 0,00 DM; BGH vom 26.2.2009, CR 2009, 746, 747 – Dr. Clauder’s Hufpflege. 2 Vgl. OLG Düsseldorf vom 20.4.2004, GRUR-RR 2005, 87, 88; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754, 754. 3 BGH, GRUR 1980, 304, 304 f. – Effektiver Jahreszins bei Kreditangeboten; Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223.
289
1145
F. Wettbewerbsrecht
sprochen wird. Die Ankündigung muss ihrem Inhalt nach folglich so konkret gefasst sein, dass sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluss eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne Weiteres zulässt1. Das eingesetzte Medium spielt dabei keine Rolle. Auch die Werbung in E-Mail-Newslettern muss sich an den Anforderungen der PAngV messen lassen2. 1146
Im E-Commerce ist demnach zu beachten, dass Warenpräsentationen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit stets einer Preisangabe bedürfen. Für Bannerwerbung, die lediglich eine Marke bewirbt, gilt dagegen keine Angabepflicht3. (2) Endpreis
1147
§ 1 Abs. 1 PAngV sieht – natürlich auch für das Internet – eine Pflicht zur Angabe des Endpreises vor. Die Endpreisangabe soll verhindern, dass der Letztverbraucher selbst den zu zahlenden Preis ermitteln muss. Endpreis ist das tatsächlich zu zahlende Gesamtentgelt4. Anzugeben ist daher der Gesamtpreis inklusive aller Steuern, Gebühren und Zuschläge5.
1148
In den Endpreis einzubeziehen sind alle unmittelbar angebotenen oder beworbenen Produkte. Nicht erforderlich ist eine Preisangabe für andere zusätzliche Produkte, die nicht notwendig mit erworben werden müssen (z.B. Verbrauchsmaterialien oder Zubehör). Setzt die Inanspruchnahme einer Internet-Flatrate einen Kabelanschluss voraus, müssen jedenfalls Verbraucher, die im Zeitpunkt der Werbung einen Kabelanschluss noch nicht haben, diesen erst beauftragen und eine Installationspauschale und monatliche Gebühren zahlen. Dies sei in der Werbung für die InternetFlatrate zu berücksichtigen. Wer also Preise angibt, muss auch auf solche Zusatzkosten hinweisen6.
1149
Ein Anbieter, der im Internet Flugreisen anbietet, muss in dem beworbenen Endpreis jedenfalls die Preisbestandteile einrechnen, die er selbst festlegt. Eine „Service Charge“ und ein „Treibstoffzuschlag“ dürfen daher nicht gesondert ausgewiesen werden7. Dasselbe gilt für Kreditkartengebühren, wenn dem Verbraucher keine echte kostenfreie Zahlungsalternative geboten wird8. Anders zu beurteilen sind Flughafengebühren und 1 BGH, GRUR 1980, 304, 304 f. – Effektiver Jahreszins bei Kreditangeboten; vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 PAngV Rdnr. 5; Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223. 2 Vgl. BGH vom 10.12.2009, Az. I ZR 149/07. 3 Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223. 4 BGH, GRUR 1983, 665, 666 – qm-Preisangaben. 5 Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 223. 6 BGH vom 10.12.2009, Az. I ZR 149/07. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 14.2.2008, Az. 6 U 75/07; LG Leipzig vom 19.3.2010, WRP 2010, 959, 961; a.A. OLG Köln vom 23.3.2007, MMR 2007, 792, 792. 8 LG Berlin vom 3.8.2005, WRP 2005, 1569 f.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Steuern, die von dem Flugziel und der Flugroute abhängen und auf deren Höhe der Anbieter keinen Einfluss hat1. Zu weit geht es, wenn das OLG Schleswig2 einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV bereits darin sieht, dass für Hotelzimmerpreise eine Preisspanne „von... bis...“ angegeben wird, obwohl es sich bei den Preisen jeweils um die Endpreise (ohne Zuschläge) handelt. Vertretbar erscheint es dagegen, Kfz-Überführungskosten aus dem Ausland als Preisbestandteil anzusehen, der in den Endpreis einzurechnen ist3. Ob dies auch dann gelten kann, wenn eine Selbstabholung (fakultativ) angeboten wird4, ist zweifelhaft.
1150
(3) Grundpreis
Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet oder für derartige Produkte mit Preisangaben wirbt, ist gemäß § 2 Abs. 1 PAngV zur Angabe des Grundpreises verpflichtet. Die Verpflichtung zur Grundpreisangabe bezweckt eine vereinfachte Möglichkeit zum Preisvergleich für den Verbraucher5.
1151
Bei dem Grundpreis handelt es sich um den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile. Der Grundpreis ist in unmittelbarer Nähe des Endpreises anzugeben. Der BGH hat es daher für unzureichend erachtet, wenn der Grundpreis bei einer Internetwerbung in der allgemeinen Produktbeschreibung zu finden war, die nur durch ein Anklicken des Produkts erreichbar war. § 2 Abs. 1 PAngV ist nach Auffassung des BGH so zu verstehen, dass Endpreis und Grundpreis auf einen Blick wahrnehmbar sein müssen6.
1152
(4) Letztverbraucher
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV finden die Vorschriften der PAngV keine Anwendung auf Angebote oder Werbung gegenüber Letztverbrauchern, die die Ware oder Leistung in ihrer selbständigen beruflichen oder gewerblichen oder in ihrer behördlichen oder dienstlichen Tätigkeit verwenden. Dies gilt allerdings für Handelsbetriebe nur dann, wenn sie sicherstellen, dass als Letztverbraucher ausschließlich der in § 9 Abs. 1 1 BGH vom 3.4.2003, NJW 2003, 3055, 3056 – Internet-Reservierungssystem; OLG Köln vom 29.10.2004, MMR 2005, 251 f. 2 OLG Schleswig vom 8.5.2007, WRP 2007, 1127 ff. 3 Vgl. OLG Düsseldorf vom 11.9.2007, WRP 2009, 104; LG Krefeld vom 4.9.2007, MMR 2008, 125 f. 4 Vgl. LG Krefeld vom 4.9.2007, MMR 2008, 125 f. 5 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 2 PAngV Rdnr. 1; Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 224. 6 BGH vom 26.2.2009, CR 2009, 746, 747 f. – Dr. Clauder’s Hufpflege.
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F. Wettbewerbsrecht
Nr. 1 PAngV genannte Personenkreis Zutritt hat, und wenn sie durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass diese Personen nur die in ihrer jeweiligen Tätigkeit verwendbaren Waren kaufen. 1154
Angebote im Internet lassen sich schwerlich auf einen ausschließlich gewerblichen Kundenkreis einschränken, da sich der Zugang privater Interessenten weder ausschließen noch zuverlässig kontrollieren lässt. Daher wird man nur dann die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV anwenden können, wenn sich die angebotenen Waren oder Dienstleistungen entweder ausschließlich zu gewerblichen Zwecken nutzen lassen – wie beispielsweise bei der Vermietung von Büroräumen1 – oder bei der Preisgestaltung zwischen gewerblichen Interessenten und privaten Kunden ausdrücklich unterschieden wird. Im letztgenannten Fall beschränkt sich die Bindung an die PAngV auf die Angabe des Preises für den privaten Letztverbraucher2.
1155
Ob sich ein Angebot (auch) an Letztverbraucher richtet, bestimmt sich nach der Auffassung der Verkehrskreise, an welche das Angebot gerichtet ist. Ob der Anbieter tatsächlich nur an Händler, nicht jedoch an Privatkunden verkaufen möchte, ist ohne Belang, wenn das Angebot jedenfalls den Eindruck erweckt, (auch) an Privatkunden gerichtet zu sein3.
1156
Der Verbraucher, der unter Vorspiegelung unternehmerischen Handelns Bestellungen tätigt, kann sich auf die Schutzbestimmungen der PAngV nicht berufen (§ 242 BGB: venire contra factum proprium)4. (5) Liefer- und Versandkosten; Umsatzsteuer
1157
Für den Fernabsatz trifft in § 1 Abs. 2 PAngV eine Sonderregelung. Danach bedarf es neben der Angabe eines Endpreises der Angabe zusätzlicher Liefer- und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV) sowie der Angabe, dass die geforderten Preise die Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile enthalten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV). Zwar beschränkt sich der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV auf Angebote, doch ist auch die Werbung unter Angabe von Preisen mit erfasst5.
1158
Wenn keine zusätzlichen Versandkosten anfallen, so ist auf den kostenlosen Versand hinzuweisen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV), wobei die Sinnhaftigkeit einer solchen Angabe zweifelhaft ist6. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 1 2 3 4
BGH vom 1.7.1993, GRUR 1993, 984 f. – Geschäftsraumwerbung. OLG Karlsruhe vom 11.3.1998, CR 1998, 361, 361 f. mit Anm. Strömer. OLG Karlsruhe vom 21.5.2008, GRUR-RR 2009, 147 ff. Vgl. BGH vom 22.12.2004, NJW 2005, 1045 ff.; OLG Hamm vom 28.2.2008, MMR 2008, 469, 470; siehe auch Rz. 633. 5 Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 224; BGH vom 4.10.2007, GRUR 2008, 532, 534 – Umsatzsteuerhinweis; BGH vom 16.7.2009, GRUR 2010, 251, 252 – Versandkosten bei Froogle; OLG Stuttgart, MMR 2008, 754; OLG Hamburg, GRUR-RR 2005, 236, 238. 6 Vgl. Schirmbacher, CR 2003, 817, 818.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
PAngV bedarf es der Angabe einer Berechnungsgrundlage für zusätzliche Versandkosten, wenn sich diese im Vorhinein nicht beziffern lassen. Ob dies auch für Versandkosten ins Ausland gilt1, ist zweifelhaft. Beim Versandhandel mit Möbeln genügen Versandkostenangaben pro Kubikmeter nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2 PAngV, da eine konkrete Bezifferung der Kosten möglich ist2.
1159
Dem Wortlaut nach gilt § 1 Abs. 2 PAngV nur für Angebote an den Letztverbraucher, wird aber erweiternd dahingehend ausgelegt, dass die Anforderungen – ebenso wie § 1 Abs. 1 PAngV – auch dann gelten, wenn gegenüber Verbrauchern mit Preisangaben geworben wird3.
1160
(6) Gestaltung der Preisangaben
Die durch die PAngV vorgeschriebenen Hinweise müssen sich an den Anforderungen von Preisklarheit und -wahrheit messen lassen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV)4. Wie dies zu geschehen hat, lässt § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV offen, solange die Pflichtangaben leicht erkennbar, dem Angebot eindeutig zuzuordnen und gut wahrnehmbar gestaltet sind. Dies richtet sich nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und somit nach dem Eindruck, den der Verkehr den Angaben entnimmt5, wobei im E-Commerce auf den durchschnittlichen Nutzer im Internet abzustellen ist6.
1161
Ein eklatanter Verstoß gegen § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV liegt bei den weit verbreiteten „Abo-Fallen“7 vor, wenn die Kostenpflichtigkeit eines Internetangebots sich nur aus dem Kleingedruckten ergibt8. Unzureichend ist es auch, wenn sich die nach § 1 Abs. 2 PAngV erforderlichen Angaben nur am unteren Ende der Internetseite befinden und nur durch Herabscrollen sichtbar werden9.
1162
Für die Preisangaben können Hyperlinks verwendet werden, solange der jeweilige Link klar als Verweis auf die Preisangaben gekennzeichnet
1163
1 OLG Hamm vom 17.11.2009, Az. 4 U 148/09. 2 OLG Hamm vom 2.7.2009, MMR 2009, 850. 3 Vgl. BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 373 – Kamerakauf im Internet; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754, 754. 4 Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 1 PAngV, Rdnr. 46; Hullen, BB 2008, 76, 76. 5 Hullen, BB 2008, 76, 76; BGH vom 17.10.1980, GRUR 1981, 140, 141 – Flughafengebühr; BGH vom 14.11.1996, GRUR 1997, 479, 480 – Münzangebot. 6 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Hamburg vom 12.8.2004, CR 2005, 128, 129; LG Bonn vom 22.12.2009, MMR 2010, 180 f. 7 Siehe Rz. 456. 8 Vgl. Blasek, GRUR 2010, 396, 398; OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2008, K&R 2009, 197 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2008, MMR 2009, 341 ff.; LG Hanau vom 7.12.2007, MMR 2008, 488 f. 9 OLG Hamburg vom 20.5.2008, CR 2009, 683 f.
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F. Wettbewerbsrecht
ist1. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn eine besonders herausgehobene Preisangabe („Tickets ab 19,90 EUR“) durch einen hinreichend deutlich wahrnehmbaren Sternchenhinweis ergänzt wird, der der Preisangabe zuzuordnen ist, und der Sternchenhinweis zu einem Fußzeilentext führt, der ergänzende Preisangaben zu Vorverkaufs- und Systemgebühren enthält2. 1164
Bei der Angabe zusätzlicher Liefer- und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV) genügt der Hinweis „zzgl. Versandkosten“ neben der Werbung für das einzelne Produkt3, wenn die Kosten alsbald sowie leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf einer gesonderten Seite angegeben werden, die noch vor Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss4. Es reicht aus, dem Verbraucher die Informationen gemäß § 1 Abs. 2 PAngV spätestens bis zu dem Zeitpunkt zu geben, zu dem sich seine Kaufentscheidung auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung konkretisiert5.
1165
Dem Durchschnittskäufer ist bekannt, dass Liefer- bzw. Versandkosten oftmals erst auf weiteren, nachfolgenden Seiten aufgeführt sind. Dass dies von einer Vielzahl von Internethändler so gehandhabt wird, liegt unter anderem darin begründet, dass Liefer- und Versandkosten in Relation zu den bestellten Waren sinken. Wer mehr bestellt, zahlt relativ weniger Versandkosten. Zudem kann der Besteller vielfach Einfluss auf die Kosten nehmen, je nachdem wie schnell und sicher der Versand erfolgen soll und welchen Transporteur er auswählt. Mit der Angabe der Liefer- und Versandkosten direkt neben der beworbenen Ware wäre dem Kunden somit oftmals nicht gedient6.
1166
Zur Erfüllung der Anforderungen des § 1 Abs. 6 PAngV reicht es nicht aus, die Pflichtangaben gemäß § 1 Abs. 2 PAngV erst nach Einlegen der Ware in den virtuellen Warenkorb auf dem Bildschirm erscheinen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Käufer bereits zum Vertragsschluss entschlossen. Die Belehrung muss jedoch bereits zu einem früheren Zeit1 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Köln vom 7.5.2004, MMR 2004, 617 f. = ITRB 2004, 196 f. (Günther); LG Hanau vom 7.12.2007, MMR 2008, 488 f. 2 OLG Hamburg vom 25.3.2010, WRP 2010, 795 (Ls.). 3 Vgl. BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 373 – Kamerakauf im Internet; vgl. Reinholz, GRUR-Prax 2010, 90. 4 Hullen, BB 2008, 76, 77; BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Frankfurt a.M. vom 12.5.2004, CR 2005, 343 f.; a.A. OLG Hamburg vom 15.2.2007, MMR 2007, 438, 439; vgl. auch OLG Hamburg vom 24.2.2005, CR 2006, 127, 129; OLG Hamburg vom 3.2.2005, CR 2005, 366, 367. 5 OLG Hamburg vom 16.1.2008, MMR 2008, 681, 682. 6 Hullen, BB 2008, 76, 77; BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 373 – Kamerakauf im Internet; vgl. auch Reinholz, GRUR-Prax 2010, 90.
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punkt erfolgen, nämlich dann, wenn sich der Käufer „mit dem Angebot näher befasst“1. Nicht ausreichend ist es, die Angaben zu Liefer- bzw. Versandkosten unter Menüpunkten wie „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ oder „Service“ bereitzuhalten, wenn der Bestellvorgang keine Zwangsführung über die entsprechenden Seiten umfasst2. Unzureichend ist es auch, wenn Angaben erst über zwei Links abgerufen werden können, die nicht deutlich bezeichnet sind3. Überspannt werden die Anforderungen dagegen, wenn selbst der in den Bestellvorgang eingebundene Hinweis „AGB Hier finden Sie unsere Liefer- und Zahlungsbedingungen. Zu den AGB...“ nicht für ausreichend erachtet wird4.
1167
Eine strengere Beurteilung gilt nach Auffassung des BGH bei der Angabe des Grundpreises (§ 2 Abs. 1 PAngV). Der Grundpreis müsse stets – ohne Verlinkung – gemeinsam mit dem Endpreis und „auf einen Blick“ wahrnehmbar sein, da die Verpflichtung des Unternehmers zur Angabe des Grundpreises im Bewusstsein des Verbrauchers weit weniger verankert sei als die Üblichkeit zusätzlich anfallender Versandkosten5.
1168
➲ Praxistipp: Portalbetreiber und Unternehmen, die Internetshops für Dritte bereithalten, sind immer wieder daran zu erinnern, dass bei jeder Preisangabe darauf zu achten ist, dass ein Umsatzsteuerhinweis vorhanden ist. Es spricht nichts dagegen, dies durch in geeigneter Weise gestaltete Links klarzustellen. Ungenügend ist es dagegen, die Hinweise erst zu geben, wenn die Ware bereits in den virtuellen Warenkorb gelegt wurde6.
1169
(7) Preissuchmaschinen
Bedenklich weit geht es, wenn der BGH meint, die Bewerbung eines Preises in einer Preissuchmaschine müsse bereits den Hinweis auf die Lieferund Versandkosten umfassen7. Nach Auffassung des BGH soll es nicht ausreichen, die Informationen gemäß § 1 Abs. 2 PAngV über einen Link zugänglich zu machen, der auf der Shopseite zu finden ist, über die der Kaufinteressent gelangt, nachdem er die Preissuchmaschine bedient hat. 1 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; vgl. auch KG vom 27.2.2009, NJW-RR 2009, 1344, 1345; OLG Köln vom 6.8.2004, CR 2005, 536 = MMR 2005, 110; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754; a.A. LG Hamburg vom 27.10.2005, MMR 2006, 420. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463; OLG Hamburg vom 12.8.2004, CR 2005, 128, 129. 3 OLG Köln vom 7.5.2004, MMR 2004, 617, 618. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463. 5 BGH vom 26.2.2009, CR 2009, 746, 748 – Dr. Clauder’s Hufpflege. 6 Schirmbacher, CR 2008, 449 f. 7 BGH vom 16.7.2009, CR 2010, 192 f. – Versandkosten bei Froogle; vgl. auch OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754.
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F. Wettbewerbsrecht
Der BGH verweist auf den Zweck von Preisvergleichslisten, die dem Verbraucher vor allem einen schnellen Überblick darüber verschaffen sollen, was er für das fragliche Produkt letztlich zahlen muss. Hierzu erwarte der Verbraucher die Angabe des Endpreises sowie aller zusätzlichen Kosten, insbesondere der Versandkosten. Da die Versandkosten der verschiedenen Anbieter nicht unerheblich voneinander abweichen, sei der Verbraucher darauf angewiesen, dass in der Liste ein Preis genannt wird, der diese Kosten einschließt oder bei dem bereits darauf hingewiesen wird, in welcher Höhe zusätzliche Versandkosten anfallen. Umgekehrt rechne der Verbraucher nicht damit, dass der in der Preisvergleichsliste angegebene Preis noch unvollständig und Näheres nur dadurch zu erfahren sei, dass die Internetseite des konkreten Anbieters aufgesucht wird1. 1171
Der BGH hat entscheidend darauf abgestellt, dass der Verbraucher in Preisvergleichslisten auf einen Blick erkennen können müsse, ob der angegebene Preis die Versandkosten enthalte oder nicht. Bei einer nach dem Preis der Ware sortierten Rangliste sei in jedem Fall ein konkreter Hinweis auf die Liefer- und Versandkosten aufzunehmen. Nicht ausreichend sei es daher, wenn der Interessent auf die zusätzlich anfallenden Versandkosten erst dann hingewiesen werde, wenn er sich mit einem bestimmten Angebot näher beschäftige2. (8) Angebote „auf Bildschirmen“ und Versteigerungen
1172
§ 4 Abs. 4 PAngV schreibt für Waren, die „auf Bildschirmen angeboten“ werden, eine Preisauszeichnung unmittelbar bei den Abbildungen oder Beschreibungen der Waren oder in Preisverzeichnissen vor. Dies gilt nur für die Preisangaben, nicht jedoch für die Angaben zur Umsatzsteuer und sonstigen Preisbestandteilen sowie zu Liefer- und Versandkosten gemäß § 1 Abs. 2 PAngV3.
1173
Für alle „wesentlichen Leistungen“ ist die Erstellung eines Preisverzeichnisses (§ 5 Abs. 1 Satz 1 PAngV) und dessen Bereithaltung auf der Website (§ 5 Abs. 1 Satz 3 PAngV) erforderlich. Zudem müssen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 PAngV sämtliche Leistungen, die nach Einheiten berechnet werden, mit einer gesonderten Anzeige über den fortlaufenden Nutzungspreis versehen werden.
1174
Bei Internetauktionen hat der Verkäufer wenig Einfluss auf die Preistransparenz während des Bietvorgangs. Dies ist indes im Hinblick auf die PAngV ohne Bedeutung, da die PAngV gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 PAngV 1 BGH vom 16.7.2009, CR 2010, 192 f. – Versandkosten bei Froogle. 2 Schirmbacher/Bühlmann, K&R 2010, 220, 224; BGH vom 16.7.2009, CR 2010, 192 f. – Versandkosten bei Froogle. 3 BGH vom 4.10.2007, CR 2008, 108, 109 mit Anm. Kaufmann = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann – Internetversandkosten; OLG Stuttgart vom 17.1.2008, MMR 2008, 754, 755; LG Hamburg vom 27.10.2005, MMR 2006, 420.
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nicht auf Versteigerungen anwendbar ist. Anders als in § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB1 fehlt in § 9 Abs. 1 Nr. 5 PAngV eine Bezugnahme auf § 156 BGB, sodass kein Zweifel daran bestehen kann, dass die PAngV nicht für Internetauktionen gilt2. (9) Bagatellfälle
Bei Verstößen gegen die PAngV ist stets zu erwägen, ob nicht ein bloßer Bagatellverstoß vorliegt, der die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 UWG („geeignet ..., die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen“) nicht erfüllt3.
1175
Wird der Grundpreis pro 100 ml statt pro Liter angegeben, so liegt hierin zwar ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 Satz 1 PAngV. Es fehlt jedoch an einer „spürbaren“ Beeinträchtigung des Wettbewerbs4.
1176
Kein bloßer Bagatellverstoß liegt bei fehlenden oder fehlerhaften Angaben zu den Liefer- und Versandkosten vor, da bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV die Möglichkeit eines Preisvergleichs erheblich erschwert wird5. Dasselbe gilt bei fehlenden Angaben von KfzÜberführungskosten aus dem Ausland6. Dagegen fehlt es an einem spürbaren Wettbewerbsverstoß, wenn in einem deutschsprachigen Internetangebot nur die inländischen Versandkosten angegeben werden7.
1177
Ein bloßer Bagatellverstoß ist auch zu bejahen, wenn lediglich der Hinweis „inklusive Mehrwertsteuer“ vergessen wird (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV). Denn § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV ist insofern befremdlich, als lange Zeit streitig war, ob nicht die Angabe „inklusive Mehrwertsteuer“ unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Werbung mit Selbstverständlichkeiten wettbewerbswidrig ist8. Die Norm hat lediglich klarstellende Funktion. Die Gefahr einer Verletzung erheblicher Verbraucher-
1178
1 Siehe Rz. 811 ff. 2 Vgl. Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3, Rdnr. 29 ff.; Bullinger, WRP 2000, 253, 255 f.; Ernst, CR 2000, 304, 311; Hollerbach, DB 2000, 2001, 2005; Huppertz, MMR 2000, 65, 68; LG Hof vom 26.1.2007, K&R 2007, 223, 224. 3 Vgl. Heermann, GRUR 2004, 94, 95 ff. 4 OLG Hamm vom 10.12.2009, K&R 2010, 279. 5 Schlegel, MDR 2008, 417, 420; OLG Hamburg vom 3.2.2005, CR 2005, 366, 368; OLG Köln vom 6.8.2004, CR 2005, 536 = MMR 2005, 111, 112; OLG Hamburg vom 15.2.2007, MMR 2007, 438, 439; OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463 f. 6 OLG Düsseldorf vom 11.9.2007, WRP 2008, 104. 7 KG vom 7.9.2007, K&R 2007, 530, 531; a.A. OLG Hamm vom 28.3.2007, MMR 2007, 663, 664. 8 Vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 Rdnr. 7.110.
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F. Wettbewerbsrecht
interessen besteht bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV nicht1. 1179
Ein Fall der „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“ findet sich jetzt in Nr. 10 des UWG-Anhangs. Danach ist es gemäß § 3 Abs. 3 UWG unzulässig, den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar. Diese Voraussetzungen sind bei einem Ebay-Shop nicht erfüllt, wenn darauf hingewiesen wird, dass eine Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer erstellt wird, da dies keineswegs „selbstverständlich“ ist, sondern bei Kleinbeträgen gemäß § 33 Nr. 4 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) entbehrlich sein kann2. bb) Impressumspflicht
1180
Die Impressumspflicht (§ 5 TMG und § 55 RStV) dient der Transparenz des Marktes und ist daher i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, das Marktverhalten zu regeln3. (1) Geschäftsmäßige Diensteanbieter
1181
§ 5 TMG und § 55 RStV verpflichten Anbieter von Telemedien, umfangreiche Informationen bereit zu halten. Die Betreiber von Telemedien sind stets zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift sowie – bei juristischen Personen – zur Angabe des Namens und der Anschrift eines Vertretungsberechtigten verpflichtet, sofern die Telemedien nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen (§ 55 Abs. 1 RStV). Weitergehende Informationspflichten gelten für geschäftsmäßige Telemedien (§ 5 TMG). § 55 Abs. 2 RStV sieht zusätzliche Pflichtangaben für journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote vor4.
1182
Ein geschäftsmäßiger Dienst liegt bei allen nachhaltigen, nicht nur gelegentlichen Tätigkeiten vor5. Mit der Einführung des TMG ist allerdings eine Einschränkung dahingehend vorgenommen worden, dass es sich bei geschäftsmäßigen Diensten „in der Regel“ um Dienste handeln muss, die „gegen Entgelt“ angeboten werden6.
1183
Nach früherem Recht (§ 6 TDG/§ 10 MStV) war eine Gewinnerzielungsabsicht ebenso wenig erforderlich wie die Erzielung von Einnahmen über 1 Schlegel, MDR 2008, 417, 420; OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008, K&R 2008, 462, 463; vgl. auch OLG Hamburg vom 15.2.2007, MMR 2007, 438, 439; OLG Hamburg vom 14.2.2007, MMR 2007, 723, 724 f.; LG Bielefeld vom 2.6.2006, MMR 2006, 561, 562; LG Bonn vom 22.12.2009, MMR 2010, 180, 181. 2 LG Bremen vom 27.8.2009, MMR 2010, 97. 3 Schirmbacher, K&R 2006, 348, 349. 4 Vgl. Rumyantsev, ZUM 2008, 33,35. 5 Brunst, MMR 2004, 8, 9; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013; Ott, WRP 2003, 945; Woitke, NJW 2003, 871, 872. 6 Vgl. Ott, MMR 2007, 354, 355.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
den Dienst1. Auch die Betreiber privater Homepages konnten somit der Impressumspflicht unterliegen, wenn die Homepage eine gewisse Nachhaltigkeit erreichte und nicht nur vorübergehend ins Netz gestellt wurde2. Wer Bannerwerbung auf die Website aufnahm und auf diese Weise Einnahmen generierte, musste die Pflichtangaben stets aufnehmen3. Die jetzige Beschränkung auf Dienste, die (in der Regel) „gegen Entgelt“ angeboten werden, wird man so verstehen müssen, dass jedenfalls die werbefreie private Homepage der Impressumspflicht nicht unterliegt4. Hierfür spricht auch die – gleichfalls mit dem TMG neu eingeführte – Ausnahme für Telemedien zu „ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken“ in § 55 Abs. 1 RStV5. Auch die Schaltung von Werbung begründet noch keine „Geschäftsmäßigkeit“, wenn sie lediglich dazu dient, die laufenden Kosten der Website (insbesondere die Providerkosten) zu decken6.
1184
Das Normelement „geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien“ beschränkt den Anwendungsbereich des § 5 TMG nicht auf kostenpflichtige Telemedien. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass mit diesem Tatbestandselement lediglich Internetangebote von privaten Anbietern und von Idealvereinen, mithin nicht-kommerzielle Angebote, aus dem Anwendungsbereich der Impressumspflicht ausgenommen werden sollten7. Ansonsten sollten die allgemeinen Informationspflichten der Diensteanbieter bestehen bleiben8. Somit ist die Norm dahingehend auszulegen, dass sämtliche kommerziellen Telemedien den Anforderungen des § 5 TMG unterliegen. Dies steht im Einklang mit § 1 TMG, wonach die Regelungen des TMG für alle Anbieter unabhängig davon gelten, ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird9.
1185
§ 5 TMG ist jedenfalls anwendbar, wenn bei dem Anbieter eine auf Dauer angelegte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht vorliegt10.
1186
Normadressat ist jeweils der Diensteanbieter, der nicht notwendig mit dem Betreiber der jeweiligen Website identisch ist. Bei Portalen wie Ebay
1187
1 Brunst, MMR 2004, 8, 9; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1012 f. 2 Brunst, MMR 2004, 8, 9; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013; Ott, WRP 2003, 945, 945 f.; Schulte, CR 2004, 55, 57; a.A. Woitke, NJW 2003, 871, 872. 3 Brunst, MMR 2004, 8, 9; Ott, WRP 2003, 945. 4 Roßnagel, NVwZ 2007, 743, 746. 5 Vgl. Roßnagel, NVwZ 2007, 743, 746, vgl. Ott, MMR 2007, 354, 355 f. 6 A.A. Ott, MMR 2007, 354, 355, vgl. aber Fn. 17. 7 Ott, MMR 2007, 354, 355. 8 BT-Drucks. 16/3078, S. 14. 9 OLG Hamburg vom 3.4.2007, Az. 3 W 64/07. 10 OLG Düsseldorf vom 18.12.2007, MMR 2008, 682, 683.
299
F. Wettbewerbsrecht
und mobile.de gibt es eine Vielzahl von Diensteanbietern1. Dasselbe gilt, wenn unter verschiedenen Subdomains die Angebote verschiedener Anbieter bereit gehalten werden2 oder mehrere Unternehmen ihre Produkte in einem gemeinsamen Portal bewerben3. Maßgeblich ist jeweils, ob eine Einzelperson bzw. ein Unternehmen ein nachhaltiges Informations- und/ oder Kommunikationsangebot bereithält. Bei einem einheitlich gestalteten Internetauftritt sind einzelne Anbieter, die im Rahmen dieses Auftritts in Erscheinung treten, eigenständige Dienstanbieter, wenn sie erkennbar über eine gewisse kommunikationsbezogene Eigenständigkeit verfügen4. 1188
Wer – wie ein Online-Fotodienst – das Internet für Dienstleistungen nutzt, wird allein durch diese Dienstleistungen noch nicht Anbieter eines Telemediendienstes5. Nur die Website des Dienstes fällt als Informationsdienst unter das TMG, nicht jedoch die Dienstleistung selbst. (2) Pflichtangaben
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Übersicht Impressumspflicht: – Name und Anschrift des Betreibers der Website: bei allen Telemedien; – Name und Anschrift eines Vertretungsberechtigten: bei allen Telemedien, wenn der Dienst von einer juristischen Person betrieben wird; – E-Mail-Adresse und weitere (unmittelbare) Kontaktmöglichkeit: bei allen Telemedien; – Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde: bei allen Telemedien, die im Rahmen einer Tätigkeit betrieben werden, die der behördlichen Zulassung bedarf; – Angabe des zuständigen Handelsregisters, Vereinsregisters, Partnerschaftsregisters oder Genossenschaftsregisters: bei allen geschäftsmäßigen Telemedien, die von Kaufleuten oder eingetragenen Vereinen, Genossenschaften oder Partnerschaften betrieben werden; – Angabe der Berufsbezeichnung, des Staates, in dem die Berufsbezeichnung verliehen wurde, und der zuständigen Kammer: bei allen Telemedien, die von kammerangehörigen Freiberuflern betrieben werden;
1 Vgl. OLG Düsseldorf vom 18.12.2007, MMR 2008, 682, 683; OLG Karlsruhe vom 27.4.2006, WRP 2006, 1038, 1041; LG München I vom 3.2.2005, WRP 2005, 1042, 1044. 2 OLG Hamburg vom 9.9.2004, CR 2005, 294, 295. 3 LG Wiesbaden vom 27.7.2006, MMR 2006, 822, 823. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2007, CR 2007, 454, 455. 5 OLG Frankfurt a.M. vom 15.6.2004, MMR 2004, 683, 684 f. mit Anm. Stopp.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
– Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und dazu, wie diese zugänglich sind: bei allen Telemedien, die von kammerangehörigen Freiberuflern betrieben werden; – Angabe der Umsatzsteueridentifikationsnummer: bei allen Telemedien, deren Betreiber über eine solche Nummer verfügt. – Angabe zur Liquidation („in Abwicklung“): bei Telemedien, die von Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung betrieben wurden, die sich in Abwicklung oder Liquidation befinden. Zu den Pflichtangaben im Impressum gehören Name und Anschrift sowie – bei juristischen Personen – der Name eines Vertretungsberechtigten (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG)1, und zwar sowohl der (ausgeschriebene) Vorals auch der Nachname2. Die Identität des Diensteanbieters muss unzweideutig aus dem Impressum hervorgehen3. Anzugeben ist eine ladungsfähige Anschrift, an die i.S.d. § 166 ZPO zugestellt werden kann4. Nicht ausreichend ist daher die Angabe eines Postfachs5.
1190
Darüber hinaus sind Angaben erforderlich, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und eine unmittelbare Kommunikation mit dem Anbieter ermöglichen, einschließlich der Angabe einer E-Mail-Adresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG). Aus dieser Formulierung wurde überwiegend geschlossen, dass die Angabe einer Telefonnummer notwendig ist6 oder dass doch zumindest neben der E-Mail-Adresse ein „zweiter Kommunikationsweg – per Telefon oder Telefax – eröffnet sein muss7. Da die ECRL in diesem Punkt unklar war, legte der BGH diese Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vor8. Der EuGH entschied, dass es nicht notwendig einer Angabe der Telefonnummer bedarf. Erforderlich ist allerdings die
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1 Vgl. Brunst, MMR 2004, 8, 10; Hoß, CR 2003, 687, 688; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013; OLG München vom 26.7.2001, NJW-RR 2002, 348 = K&R 2002, 256, 257. 2 Vgl. KG vom 11.4.2008, MMR 2008, 541 ff.; OLG Düsseldorf vom 4.11.2008, MMR 2009, 266, 267. 3 Vgl. LG Düsseldorf vom 15.12.2006, WRP 2007, 474 (Ls.). 4 Brunst, MMR 2004, 8, 10; LG Frankfurt a.M. vom 28.3.2003, MMR 2003, 597, 598. 5 Brunst, MMR 2004, 8, 10; Schneider, MDR 2002, 1236. 6 Brunst, MMR 2004, 8, 10; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013; Schneider, MDR 2002, 1236, 1237; OLG Köln vom 13.2.2004, MMR 2004, 412, 412 f.; OLG Oldenburg vom 12.5.2006, NJW-RR 2007, 189 f.; a.A. Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, 65, 67; OLG Hamm vom 17.3.2004, NJW-RR 2004, 1045 ff. = CR 2005, 64 ff. = MMR 2004, 549 ff. 7 OLG Hamm vom 17.3.2004, CR 2005, 64 ff. = NJW-RR 2004, 1045 ff. = MMR 2004, 549 ff. 8 BGH vom 26.4.2007, CR 2007, 521 ff. = K&R 2007, 400 ff.
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F. Wettbewerbsrecht
Angabe eines weiteren Kommunikationsweges, der beispielsweise in einer „elektronischen Anfragemaske“ liegen kann1. 1192
Dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG die Angabe einer E-Mail-Adresse verlangt, ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm. Ein bloßes Kontaktformular ist keine Alternative und daher ungeeignet, diese Verpflichtung zu erfüllen2.
1193
§ 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TMG schreibt die Angabe einer etwaig zuständigen Aufsichtsbehörde und die Angabe des Handelsregisters, Vereinsregisters, Partnerschaftsregisters oder Genossenschaftsregisters nebst Registernummer vor, sofern eine Registereintragung besteht3. Diese Pflicht besteht auch für ausländische Gesellschaften4. § 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG verlangt zudem die Mitteilung einer Umsatzsteueridentifikationsnummer nach § 27 a Umsatzsteuergesetz (UStG)5, sofern der Dienstanbieter über eine solche Nummer verfügt.
1194
§ 5 Abs. 1 Nr. 5 TMG enthält Sondernormen für Telemedien, die von kammerangehörigen Berufsträgern betrieben werden6. Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Zahnärzte und Architekten sind danach zur Angabe ihrer Kammer nebst Berufsbezeichnung verpflichtet. Darüber hinaus bedarf es der Mitteilung, in welchem Staat die Berufsbezeichnung verliehen wurde, und einer Bezeichnung der einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen nebst Angabe, wie diese zugänglich sind7. Die letztgenannte Verpflichtung lässt sich am einfachsten dadurch erfüllen, dass ein Link auf Websites gesetzt wird, auf denen die berufsrechtlichen Normen abrufbar sind8.
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Bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in Abwicklung bzw. Liquidation befinden, verlangt § 5 Abs. 1 Nr. 7 TMG die Angabe eines Liquidationsvermerks. (3) Einbindung des Impressums auf die Website
1196
Für die Form des Impressums ist vorgeschrieben, dass die Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten sind9. Dies bedeutet, dass das Impressum für den durchschnittlichen In1 EuGH vom 16.10.2008, NJW 2008, 3553 ff. = MMR 2009, 25 ff. mit Anm. Ott = K&R 2008, 670 ff. mit Anm. Schöttle. 2 LG Essen vom 19.9.2007, MMR 2008, 196. 3 Vgl. Brunst, MMR 2004, 8, 11; Hoß, CR 2003, 687, 688; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013 f. 4 LG Frankfurt a.M. vom 28.3.2003, MMR 2003, 597, 598. 5 Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1015; Schneider, MDR 2002, 1236, 1237. 6 Vgl. Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1014 f. 7 Brunst, MMR 2004, 8, 11; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1015. 8 Vgl. zur externen Verlinkung im Impressum: Ott, MMR 2007, 354, 358. 9 Vgl. Ott, WRP 2003, 945, 946 ff.
302
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
ternetnutzer ohne Mühe zu finden sein muss1. Dies ist nicht der Fall, wenn das Impressum irreführend bezeichnet (z.B. „Backstage“2 oder „Angaben zum Datenschutz“) oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen3, Nutzungsbedingungen oder auf FAQ-Seiten versteckt wird. Einer ausdrücklichen Bezeichnung „Impressum“ bedarf es jedoch nicht4. Es reicht nach der überzeugenden Auffassung des BGH aus, wenn das Impressum von jeder Unterseite der Website über zwei Klicks erreichbar ist5. Dabei ist es unschädlich, wenn der erste Link mit „Kontakt“ und erst der zweite Link mit „Impressum“ bezeichnet ist, da beide Bezeichnungen im Internet üblich sind für die Kennzeichnung der Seite mit Angaben zur Anbieterkennzeichnung6. Im Hinblick auf die Gepflogenheiten bei Ebay ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Impressum eines Powersellers auf der „Mich“-Seite zu finden ist7.
1197
An einer unmittelbaren Erreichbarkeit fehlt es, wenn der Link zum Impressum erst nach längerem Scrollen auf dem Bildschirm erscheint8 oder wenn die Suche nach dem Impressum über eine ganze Kette von Links führt9. Problematisch kann es auch sein, wenn sich das Impressum nur mittels bestimmter Software anzeigen lässt, die der Durchschnittsnutzer nicht auf seinem PC installiert hat10. Dasselbe gilt, wenn sich die Pflichtangaben in einem versteckten Impressumslink finden und gleichzeitig ein hervorgehobener Link mit der Bezeichnung „Rechtliche Informationen des Verkäufers“ verwendet wird, der zu einer Seite mit unvollständigen Informationen führt11.
1198
1 Hoß, CR 2003, 687, 688; a.A. Woitke, NJW 2003, 871, 872. 2 OLG Hamburg vom 20.11.2002, CR 2003, 283 = MMR 2003, 105 mit Anm. Klute. 3 Hoß, CR 2003, 687, 688; LG Berlin vom 17.9.2002, CR 2003, 139, 140 = MMR 2003, 202, 203; LG Stuttgart vom 11.3.2003, NJW-RR 2004, 911, 912. 4 Hoß, CR 2003, 687, 689; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1015 f.; Ott, WRP 2003, 945, 949; Schneider, MDR 2002, 1236, 1237; OLG München vom 11.9.2003, CR 2004, 53, 54 mit Anm. Schulte = MMR 2004, 36, 37. 5 BGH vom 20.7.2006, WRP 2006, 1507, 1510 – Anbieterkennzeichnung im Internet; vgl. auch Brunst, MMR 2004, 8, 11 f.; Ott, WRP 2003, 945, 947; OLG München vom 11.9.2003, CR 2004, 53, 54 mit Anm. Schulte = NJW-RR 2004, 913 = MMR 2004, 36, 37. 6 BGH vom 20.7.2006, WRP 2006, 1507, 1509 f. – Anbieterkennzeichnung im Internet; vgl. auch Hoß, CR 2003, 687, 689; Ott, WRP 2003, 945, 949; Schulte, CR 2004, 55, 56; a.A. Woitke, NJW 2003, 871, 872; OLG Karlsruhe vom 27.3.2002, CR 2002, 682, 683 = GRUR 2002, 730. 7 KG vom 11.5.2007, CR 2007, 595, 596; LG Hamburg vom 11.5.2006, MMR 2007, 130, 131; LG Traunstein vom 18.5.2005, ZUM 2005, 663, 664. 8 OLG München vom 12.2.2004, NJW-RR 2004, 1345. 9 Brunst, MMR 2004, 8, 12; Hoß, CR 2003, 687, 689; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1016; LG Düsseldorf vom 29.1.2003, CR 2003, 380, 381 = MMR 2003, 340, 341; vgl. auch OLG Hamm vom 17.11.2009, Az. 4 U 148/09; OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 321, 322 mit Anm. Ott = AfP 2004, 147. 10 Brunst, MMR 2004, 8, 10. 11 OLG Hamm vom 4.8.2009, MMR 2010, 29 f.
303
F. Wettbewerbsrecht
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➲ Praxistipp: Die Startseite einer Website sollte nach Möglichkeit – an auffälliger Stelle – mit einem Link zum Impressum versehen werden. Auf Nummer Sicher geht, wer diesen Link auch auf jeder einzelnen Seite der Website anbringt. (4) Sanktionen
1200
Verstöße gegen die Impressumspflicht können mit Bußgeldern geahndet werden (§ 16 Abs. 2 Nr.1 TMG). Schwerer wiegt die Gefahr wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen. War es nach früherem Recht noch streitig, ob ein Verstoß gegen die Impressumspflicht stets wettbewerbswidrig gemäß § 1 UWG a.F. war1, besteht heute kein ernsthafter Zweifel daran, dass § 5 TMG zumindest auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln, sodass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 UWG erfüllt sind2.
1201
Bei marginalen Verstößen, die allenfalls abstrakt geeignet sind, einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen, kann dem Abgemahnten die Bagatellklausel des § 3 Abs. 1 UWG helfen. Von einem Bagatellverstoß ist beispielsweise auszugehen, wenn es lediglich an der Angabe der gemäß § 34 c GewO zuständigen Erlaubnisbehörde fehlt (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG)3 oder wenn es an der Angabe der vollständigen Firma der KomplementärGmbH einer GmbH & Co. KG fehlt4. Kein bloßer Bagatellverstoß liegt vor, wenn § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG durch bloße Angabe des Pseudonyms „fachhandel 1a“ verletzt wird5 oder wenn Name und Anschrift gar vollständig fehlen6.
1202
Die Impressumspflicht geht zwar auf Art. 5 der E-Commerce-Richtlinie7 und damit auf eine gemeinschaftsrechtliche Richtlinie für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing zurück. Dass Angaben, die auf derartigen EU-Richtlinien beruhen gemäß § 5 a Abs. 4 UWG stets als „wesentlich“ anzusehen sind, bedeutet indes nicht, dass 1 Vgl. einerseits: Brunst, MMR 2004, 8, 13; LG Berlin vom 17.9.2002, CR 2003, 139, 140 = MMR 2003, 202, 203; LG Düsseldorf vom 29.1.2003, CR 2003, 380, 381 = MMR 2003, 340, 341; LG Frankfurt a.M. vom 28.3.2003, MMR 2003, 597, 598; andererseits: Beckmann, CR 2003, 140, 141; Hoß, CR 2003, 687, 689 ff.; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011; Ott, WRP 2003, 945, 949 f.; Schneider, MDR 2002, 1236, 1238; Schulte/Schulte, NJW 2003, 2140, 2142; Wüstenberg, WRP 2002, 782, 785; OLG Hamm vom 3.9.2002, MMR 2003, 410, 411; LG Berlin vom 1.10.2002, MMR 2003, 200, 201; LG Hamburg vom 28.11.2002, ITRB 2002, 56, 56 f. (Dieselhorst). 2 LG Berlin vom 14.7.2004, WRP 2004, 1198 (Ls.). 3 OLG Koblenz vom 25.4.2006, CR 2006, 692, 693 f. = K&R 2006, 345, 346 f. mit Anm. Schirmbacher; LG München I vom 3.9.2008, CR 2008, 62 (Ls.). 4 OLG Brandenburg vom 17.9.2009, WRP 2009, 1420 (Ls.); LG Hamburg vom 14.8.2009, K&R 2009, 816. 5 Vgl. OLG Naumburg vom 16.3.2006, CR 2006, 779, 780. 6 Vgl. OLG Karlsruhe vom 27.4.2006, WRP 2006, 1038, 1041. 7 Vgl. Micklitz in Spindler/Schuster, § 5 TMG Rdnr. 1.
304
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
geringfügige Verstöße nicht mehr als Bagatellverstöße gemäß § 3 Abs. 1 UWG angesehen werden können1. Eine Berufung auf die Bagatellklausel des § 3 Abs. 1 UWG kommt nicht in Betracht, wenn der Website-Betreiber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, ohne dass eine – jedenfalls konkludente – Beschränkung der Erklärung auf „spürbare“ Verstöße erkennbar ist2.
1203
cc) Anwaltliches Berufsrecht
Zu den Fällen des wettbewerbswidrigen „Rechtsbruchs“ (§ 4 Nr. 11 UWG) zählen auch Verstöße gegen das Recht der freien Berufe3. Ein Freiberufler, der bei der Gestaltung seines Internetauftritts die Grenzen der berufsrechtlichen Werbevorschriften überschreitet, handelt wettbewerbswidrig4.
1204
Für die Website einer Anwaltskanzlei ist § 43 b BRAO zu beachten, der dem Rechtsanwalt für die Internetwerbung keine anderen Grenzen als beispielsweise für die Gestaltung einer Kanzleibroschüre setzt5. Nach dieser Bestimmung ist Anwaltwerbung unter drei Voraussetzungen erlaubt: Die Werbung muss berufsbezogen und sachlich sein, zudem darf es sich nicht um Werbung um einen Auftrag im Einzelfall handeln6.
1205
(1) Verfassungskonforme Auslegung
Bis heute gibt es ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen dem vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung geprägten Satz: „Werbung ist Anwälten nicht grundsätzlich verboten, sondern erlaubt“7 1 Vgl. LG München I vom 3.9.2008, CR 2008, 62 (Ls.); a.A. OLG Düsseldorf vom 4.11.2008, MMR 2009, 266, 267; OLG Hamm vom 13.3.2008, MMR 2008, 469; OLG Hamm vom 2.4.2009, MMR 2009, 552 f. 2 BGH vom 10.6.2009, WRP 2010, 100, 101 f. – Unrichtige Aufsichtsbehörde. 3 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rdnr. 11.84 ff.; LG München I vom 15.11.2006, MMR 2007, 192. 4 Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 155 f.; Ebbing, NJW-CoR 1996, 242, 246; Eickhoff, NJW 1998, 798, 798; Hoeren, WRP 1997, 993, 993; Hoß, AnwBl 2002, 377, 378; Koch, AnwBl 1997, 421, 426; Scheuerl, NJW 1997, 1291, 1291 ff.; vgl. BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087; OLG Koblenz vom 13.2.1997, NJW 1997, 1932, 1933; LG Nürnberg-Fürth vom 20.5.1998, DB 1998, 1404; LG Bremen vom 1.7.2004, NJW 2004, 2837. 5 Hoeren, WRP 1997, 993, 993; Scheuerl, NJW 1997, 1291, 1292; Schopen/Gumpp/ Schopen, NJW-CoR 1996, 112, 113; weiter gehend: Westerwelle, WiB 1997, 297, 298. 6 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 11. 7 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10; BVerfG vom 1.12.1999, MDR 2000, 358 = JW 2000, 1635; BVerfG vom 12.9.2001, NJW 2001, 3324; ferner BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087, 2088; BGH vom 15.3.2001, NJW 2001, 2886, 2887 = MDR 2001, 1308, 1309.
305
1206
F. Wettbewerbsrecht
und der Formulierung des § 43 b BRAO als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt1. 1207
Das BVerfG misst die Zulässigkeit von Werbebeschränkungen an Art. 12 Abs. 1 GG. Jede Beschränkung bedarf danach der Rechtfertigung durch einen Gemeinwohlbelang, der im Schutz des Vertrauens des Rechtsuchenden in eine integre, nicht nur Gewinninteressen verpflichtete Anwaltschaft liegen kann2. Gerechtfertigt ist die Untersagung von Werbemaßnahmen nur dann, wenn die Werbung das Ansehen der gesamten Anwaltschaft in Misskredit ziehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine funktionierende Anwaltschaft insgesamt gefährden kann3.
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Legt man diesen Maßstab an Werbeaktivitäten von Anwälten im Internet an, so bleibt das Spektrum von Aktivitäten, die untersagt werden können, denkbar klein. Verboten werden können lediglich aufdringliche Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind4. Selbst „reklamehaftes Anpreisen“ kann dem Anwalt nur dann verboten werden, wenn die „Anpreisung“ ganz und gar im Vordergrund steht und die Werbung mit der eigentlichen Leistung des Anwalts und dem Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandates nichts mehr zu tun hat5.
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Entgegen dem Wortlaut des § 43 b BRAO ist die Werbefreiheit die Regel (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt)6. Das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO entspricht im Kern dem Irreführungsverbot gemäß § 3 i.V.m. § 5 UWG7. Das Verbot der Werbung um einen Auftrag im Einzelfall bedeutet, dass der Anwalt dem potenziellen Mandanten in einer konkreten Notlage seine Dienste nicht aufdrängen darf8. Das Kriterium der „Berufsbezogenheit“ hat neben dem Sachlichkeitsgebot keinen fassbaren Bedeutungsgehalt und ist daher keine eigenständige Schranke9. (2) Sachlichkeitsgebot
1210
Was lässt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 43 b BRAO für die Zulässigkeit einzelner Werbemaßnahmen auf Kanzlei-Web1 Vgl. Römermann in Hartung, Anwaltliche Berufsordnung § 43 b BRAO Rdnr. 41. 2 Härting, K&R 2002, 561, 564; vgl. BVerfG vom 17.4.2000, NJW 2000, 3195 = MDR 2000, 730 m.w.N. 3 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 11. 4 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10; vgl. BVerfG vom 17.4.2000, NJW 2000, 3195 = MDR 2000, 730. 5 Vgl. BVerfG vom 4.8.2003, NJW 2003, 2816 = MDR 2003, 1263 m.w.N. 6 Vgl. BVerfG vom 1.12.1999, NJW 2000, 1635 = MDR 2000, 358; BVerfG vom 12.9.2001, NJW 2001, 3324 = MMR 2002, 45; ferner BGH vom 27.1.2005, NJW 2005, 1644, 1644 f.; BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087, 2088; BGH vom 15.3.2001, NJW 2001, 2886, 2887 = MDR 2001, 1308, 1309. 7 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 14.10.2004, NJW 2005, 1283, 1283. 8 Vgl. BVerfG vom 19.2.2008, NJW 2008, 1298 ff. 9 Härting, AnwBl 2000, 343.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
sites ableiten? Mehr oder minder dezente Hintergrundmusik, rasante Videosequenzen, frische Farben, kreative Logos und bunte Bilder: Zu welchen Gestaltungsmitteln ein Anwalt auf seiner Website greifen darf, wurde lange Zeit ebenso lustvoll wie ausführlich diskutiert1. Die einen wollten Musik und Filmsequenzen ebenso wie anderes „Unterhaltungsmaterial“ vollständig untersagen2. Die anderen hielten lediglich das „Einspielen von Sequenzen aus Kinofilmen“ für „unangemessen“3. Andere wiederum hörten gerne klassische Musik und nahmen Anstoß an „Stars aus dem Bereich der Unterhaltungsmusik“, soweit deren Musik über Hintergrundmusik hinausgeht4. Auch wurde vertreten, „das Foto eines Rechtsanwalts in der Art eines Bewerbungsfotos“ sei zulässig, eine „szenische Darstellung des Rechtsanwalts“ jedoch „standeswidrig“5. Da Geschmack der rechtlichen Bewertung entzogen ist, sind pauschale Verbote von Gestaltungselementen unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG6. Dass das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO im Kern ein Verbot der Irreführung nach § 3 i.V.m. § 5 UWG ist, zeigt sich gerade bei den werblichen Gestaltungsmitteln und sonstigen Formen der reinen Imagewerbung. Imagewerbung kann per se nicht sachlich oder unsachlich sein; aus dem Sachlichkeitsgebot lassen sich daher keinerlei handhabbare, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG standhaltende Differenzierungskriterien ableiten7. Logos, Farben, Fotos, Musik und Videos unterliegen keiner Geschmackskontrolle durch die Gerichte. Guter oder schlechter Geschmack kann die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu beachtende Gemeinwohlbelange nicht gefährden.
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Ob eine (unsachliche) Irreführung im Einzelfall vorliegt, bestimmt sich nicht aus der Sichtweise eines vollkommen naiven, unbedarften Betrachters, sondern aus der Sicht des verständigen Durchschnittsverbrauchers8. Der verständige Durchschnittsverbraucher kommt bei dem Werbeslogan „So kommen Sie zu Ihrem Recht!“ nicht auf die Idee, dass der Anwalt irgendwelche Erfolgsgarantien abgibt9. Zu Recht hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass der Rechtsuchende, der ein durchschnittliches Lese-
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1 Vgl. Frank, K&R 2004, 175, 180; Hoß, AnwBl 2002, 377, 384; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484. 2 Scheuerl, NJW 1997, 1291, 1292 f. 3 Frank, K&R 2004, 175, 180; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484. 4 Vgl. Frank, K&R 2004, 175, 180. 5 Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484. 6 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10. 7 Vgl. Härting, AnwBl 2000, 343, 346; BVerfG vom 17.4.2000, NJW 2000, 3195, 3196. 8 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 1 Rdnr. 30 ff. 9 Vgl. BVerfG vom 12.9.2001, NJW 2001, 3324, 3324 f.; entsprechendes gilt nach AG Hamm vom 23.6.1999, AnwBl 1999, 557 – „Alles, was Recht ist“; OLG Köln vom 29.7.1998, NJW 1999, 63 – „Ihre Rechtsfragen sind unsere Aufgaben“; OLG Oldenburg vom 5.4.2001, NJW 2001, 2026 – „Wenn der Steuerfahnder 3 x klingelt“.
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F. Wettbewerbsrecht
verständnis aufbringt, zwischen optimaler Mühewaltung und optimaler Interessenvertretung zu differenzieren vermag1. 1213
Dem Rechtsanwalt ist auch die (wahrheitsgemäße) Angabe von Spezialisierungen erlaubt. Das Verbot der Angabe von Spezialisierungen gemäß § 7 BRAO a.F. ist vom BVerfG als mit der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden2. Die Bezeichnung als „Spezialist“ darf jedoch nicht zu einer Verwechslung mit dem Titel „Fachanwalt“ führen3; die genauen Voraussetzungen sind nach wie vor streitig4. Unzulässig ist jedenfalls die Verwendung der Bezeichnung „Fachanwalt für Markenrecht“, da es einen solchen Titel nach § 1 Fachanwaltsordnung (FAO) nicht gibt5.
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Aus dem Verbot der Angabe von Erfolgs- und Umsatzangaben in § 6 Abs. 2 Satz 1 BRAO wurde früher ein generelles Verbot derartiger Angaben auf Websites abgeleitet6. Zu Recht ist dieses pauschale Verbot von Werbung mit Erfolgs- und Umsatzzahlen in Zweifel gezogen worden, denn das Publikum ist nicht so naiv, dass es aus Erfolgsangaben Rückschlüsse auf die Qualifikation des Anwalts zieht7. Eine konkrete Gefährdung des Vertrauens in die Anwaltschaft bereiten Erfolgs- und Umsatzangaben nicht8.
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Beharrlich diskutiert wurde lange Zeit auch die Zulässigkeit „fachfremder“ Angaben zur eigenen Person und die Zulässigkeit „fachfremder“ Links9. Die Angabe etwa einer Partei- oder Vereinszugehörigkeit oder ein Hyperlink auf die Website des örtlichen Gesangsvereins ist im wesentlichen Imagewerbung10. Derartige Werbemaßnahmen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG für geeignet zu halten, die Anwaltschaft in Misskredit zu bringen und das Vertrauen des Publikums in die Integrität der Anwaltschaft zu gefährden, ist verfehlt11. Für das persönliche Vertrauen eines Mandanten ist es keinesfalls schädlich, wenn er nicht nur die Tätigkeitsschwerpunkte eines Rechtsanwalts erfährt, sondern auch andere persön1 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 13; vgl. BVerfG vom 28.2.2003, BRAKMitt. 2003, 127, 128. 2 BVerfG vom 28.7.2004, NJW 2004, 2656. 3 Remmertz, NJW 2008, 266, 269. 4 Vgl. Remmertz, NJW 2008, 266, 267; OLG Nürnberg vom 20.3.2007, NJW 2007, 1984, 1985; OLG Stuttgart vom 24.1.2008, NJW 2008, 1326, 1327. 5 LG Frankfurt a.M. vom 13.1.2010, MMR 2010, 336. 6 Vgl. Römermann in Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, § 6 BerufsO Rdnr. 140 ff.; Dahns/Krauter, BRAK-Mitt. 2004, 2, 4; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1483. 7 Kleine-Cosack, BRAO, Anh. I 1 § 6 Rdnr. 4, Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 14. 8 Vgl. OLG Nürnberg vom 22.6.2004, NJW 2004, 2167, 2168 f. 9 Vgl. Bardenz, MDR 2001, 247, 253; Dahns/Krauter, BRAK-Mitt. 2004, 2, 4; Schulte/Schulte, MMR 2002, 585, 588; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1484 f. 10 Vgl. BVerfG vom 4.8.2003, NJW 2003, 2816 = MDR 2003, 1263. 11 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 14.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
liche, „fachfremde“ Informationen1. Die gegenteilige Auffassung beschränkt in nicht hinnehmbarer Weise die Erwägungen des Rechtsuchenden bei der Auswahl eines Rechtsanwalts allein auf berufsbezogene Angaben2. Auch ein virtuelles Gästebuch ist erlaubt, solange die Eintragungen nicht irreführend i.S.d. § 3 i.V.m. § 5 UWG sind. Dass das ein oder andere „Lob“ eines Mandanten über die Leistungen des Rechtsanwalts, das sich in einem Gästebuch möglicherweise findet, das Ansehen der Anwaltschaft insgesamt gefährdet, kann man nicht ernstlich vertreten3. Ein generelles Verbot von „Gästebüchern“ wegen der Möglichkeit unsachlicher Drittwerbung4, schießt weit über das Ziel hinaus, zumal „Gästebücher“ auch als Diskussionsforum oder für kritische Bemerkungen genutzt werden können5.
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Berufsrechtlich nicht zu beanstanden sind Werbebanner des Rechtsanwalts auf fremden Seiten6. Die Gestaltung des Werbebanners nach den Kriterien der Sachlichkeit zu beurteilen, ist ebenso falsch wie die Differenzierung danach, ob, der Erscheinungsort des Werbebanners „sachlich“ oder „unsachlich“ ist7. Auch hier kann im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO nichts anderes gelten als bei anderen Werbeformen: Erlaubt ist alles, was nicht irreführend ist8.
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(3) Werbung um ein Einzelmandat
Auch das Verbot der Werbung um ein Einzelmandat wurde in der Vergangenheit vielfach restriktiv ausgelegt und führte beispielsweise zu der Diskussion, ob Rundschreiben zulässig sind. Der BGH hat die Zulässigkeit von Anwalts-Rundschreiben zu Recht bejaht und betont, dass letztlich jede Werbung von der Hoffnung motiviert ist, neue Kunden bzw. Mandanten zu gewinnen9. Die Grenze zur Unzulässigkeit ist erst dann überschritten, wenn eine konkret bestehende Bedarfslage dazu ausgenutzt
1 Härting, AnwBl 2000, 343, 345; vgl. auch Hoß, AnwBl 2002, 377, 383; BVerfG vom 4.8.2003, NJW 2003, 2816 = MDR 2003, 1263. 2 A.A. Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1483. 3 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 15. 4 Vgl. Schmittmann, MDR 1997, 601, 603; Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1485; LG Nürnberg-Fürth vom 20.5.1998, DB 1998, 1404 ff. 5 Vgl. Römermann in Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, vor § 6 BerufsO Rdnr. 239; Kleine-Cosack, Werberecht, Rdnr. 724 ff. 6 Dahns/Krauter, BRAK-Mitt. 2004, 2, 4; vgl. Härting, AnwBl 2000, 343, 345; a.A. Schmittmann, MDR 1997, 601, 603; Schneider, MDR 2000, 133, 134. 7 Vgl. Steinbeck, NJW 2003, 1481, 1487. 8 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 15. 9 Vgl. Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 11; BGH vom 15.3.2001, NJW 2001, 2886, 2887 = MDR 2001, 1308, 1309; vgl. auch LG München I vom 26.10.2006, CR 2007, 467, 470.
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F. Wettbewerbsrecht
wird, dem (potenziellen) Mandanten Hilfe aufzudrängen, wie dies beispielsweise bei einer Mandatswerbung am Unfallort der Fall wäre1. 1219
Es ist unzutreffend, dem Rechtsanwalt die Einrichtung eines „Gästebuchs“ mit der Begründung zu untersagen, ein solches „Gästebuch“ diene der Sammlung von Adressen potentieller Mandanten und ermögliche daher die Werbung um Einzelaufträge2. Die Sammlung von Adressen und deren Nutzung zum Zwecke von Werbemaßnahmen bedeutet noch keine Werbung um ein konkretes Einzelmandat. Ohne weiteres zulässig ist dementsprechend auch die Bereithaltung von Vollmachten auf einer Kanzlei-Website zum Download3 oder auch die „Online-Rechtsberatung“ per E-Mail-Formular4. dd) Glücksspiele
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Glücksspiele sind im Internet weit verbreitet. Wer ohne behördliche Erlaubnis ein solches Glücksspiel veranstaltet, macht sich nicht nur strafbar (§ 284 StGB), sondern handelt auch wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG5. Dies gilt auch dann, wenn der Veranstalter Inhaber einer Erlaubnis eines anderen EU-Mitgliedstaates ist6. Das Herkunftslandprinzip ist auf Gewinnspiele nicht anwendbar (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 TMG), und auch aus der europarechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfrei-
1 Vgl. BGH vom 1.3.2001, NJW 2001, 2087, 2089; vgl. OLG Hamburg vom 26.2.2004, NJW 2004, 1668, 1669; OLG Naumburg vom 10.7.2007, WRP 2007, 1502, 1503. 2 Härting/Steinbrecher, AnwBl 2005, 10, 10; Koch, AnwBl 1997, 422, 427; Scheuerl, NJW 1997, 1291, 1293; Schmittmann, MDR 1997, 601, 603; a.A. Flechsig, ZUM 1997, 98, 100; LG Nürnberg-Fürth vom 20.5.1998, DB 1998, 1404; zum Gästebuch auf der Homepage eines Zahnarztes vgl. OLG Koblenz vom 13.2.1997, NJW 1997, 1932, 1933 f.; LG Trier vom 19.9.1996, WRP 1996, 1231, 1232 ff. 3 OLG München vom 20.12.2001, NJW 2002, 760, 761. 4 Vgl. OLG Braunschweig vom 12.9.2002, MMR 2003, 276. 5 Moritz/Hermann in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 563; BGH vom 14.3.2002, NJW 2002, 2175, 2176 = MDR 2002, 1082 – Sportwetten; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten; BGH vom 14.2.2008, ZUM 2008, 594 ff.; OLG Hamburg vom 19.8.2004, CR 2004, 925, 926; OLG Hamburg vom 19.1.2005, CR 2005, 459 = MMR 2005, 471; OLG Köln vom 24.4.2006, ZUM 2006, 648, 649; OLG Oldenburg vom 18.9.2008, CR 2009, 43 ff.; OLG Frankfurt a.M. vom 4.6.2009, MMR 2009, 577 (Ls.); LG Köln vom 7.4.2009, MMR 2009, 485 f, mit Anm. Liesching; LG Regensburg vom 15.2.2005, MMR 2005, 478. 6 Dietlein, CR 2004, 372, 375; Fritzemeyer/Rinderle, CR 2004, 367, 368; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten; OLG Hamburg vom 19.1.2005, CR 2005, 459, 460 = MMR 2005, 471; OLG Hamburg vom 19.8.2004, CR 2004, 925, 927; a.A. Hoeller/Bodemann, NJW 2004, 122, 125; VGH Hessen vom 9.2.2004, CR 2004, 370, 372 mit Anm. Dietlein.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
heit lässt sich keine Notwendigkeit ableiten, behördliche Erlaubnisse anderer EU-Mitgliedstaaten anzuerkennen1. Seit dem 1.1.2008 gelten die rigiden Vorschriften des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV). § 5 Abs. 4 GlüStV verbietet die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel2. Auch wenn es sich um ein legales (öffentliches) Glücksspiel handelt (z.B. Lotto), ist die Werbung im Internet nach § 5 Abs. 3 GlüStV verboten3.
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ee) Jugendschutz
Verstöße gegen Bestimmungen des Jugendschutzes begründen stets einen Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG. Dies gilt namentlich für das Jugendschutzgesetz (JuSchG) und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)4.
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Ein Verstoß gegen das Verbot des Versandhandels mit Bildträgern nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG ist unlauter5. Dasselbe gilt für den Verkauf von Tabakwaren an Jugendliche, auf den § 10 JuSchG auch im Fernabsatz anwendbar ist, denn auch der Fernabsatz ist eine Abgabe „in der Öffentlichkeit“6.
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Jugendschutz, Internet und Pornografie – um diesen heiklen Dreiklang geht es im § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV. Danach sind (unter anderem) pornographische Angebote im Internet nur zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass die Angebote ausschließlich Erwachsenen zugänglich sind. Mit dem JMStV haben die 16 Bundesländer für InternetPornografie den „Closed Shop“ eingeführt. Pornografie ja, aber nur in „geschlossenen Benutzergruppen“.
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Über die Anforderungen an „geschlossene Benutzergruppen“ wacht die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM), die aus 12 Sachverständigen besteht (§ 14 Abs. 3 JMStV). An die KJM ist die gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder („Jugendschutz.net“) angebunden (§ 18 JMStV). Unter www.jugendschutz.net lässt sich nachlesen, welche Altersverifikationssysteme für geeignet erachtet werden, die strengen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV zu erfüllen.
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1 EuGH vom 6.11.2003, NJW 2004, 139 = MMR 2004, 92 – Gambelli; BGH vom 14.3.2002, NJW 2002, 2175, 2176 = MDR 2002, 1082 – Sportwetten; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten; vgl. Fritzemeyer/Rinderle, CR 2004, 367; a.A. Hoeller/Bodemann, NJW 2004, 122, 125; vgl. auch LG München I vom 27.10.2003, MMR 2004, 109. 2 Vgl. LG Hamburg vom 5.3.2010, Az. 406 O 43/09. 3 Vgl. OLG Oldenburg vom 18.9.2008, CR 2009, 43, 44. 4 Liesching, K&R 2006, 394, 395; LG Leipzig vom 12.5.2006, K&R 2006, 426, 428; LG Wuppertal vom 19.10.2004, Az. 14 O 112/04; a.A. LG Düsseldorf vom 28.7.2004, MMR 2004, 764 f. mit Anm. Liesching. 5 OLG München vom 29.7.2004, MMR 2004, 755, 756 f. 6 A.A. LG Koblenz vom 13.8.2007, MMR 2007, 725 mit Anm. Liesching.
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F. Wettbewerbsrecht
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Kein anderes Altersverifikationssystem war so verbreitet wie ueber18.de. Zur Authentifizierung bedurfte es lediglich der Eingabe der Personaloder Reisepassnummer und der Postleitzahl des Ortes der Ausstellung des Ausweises. Ueber18.de gab dem Internetnutzer somit die Möglichkeit, in vollständiger Anonymität Webseiten mit nicht „jugendfreien“ Inhalten zu durchstöbern.
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Dass ueber18.de den Anforderungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV nicht genügte, entsprach bereits seit langer Zeit der ganz einhelligen Auffassung von Literatur und Rechtsprechung1. Der BGH hat sich dieser Ansicht in seinem „ueber18.de“-Urteil angeschlossen2. Der Anbieter von ueber18.de habe täterschaftlich einen Wettbewerbsverstoß gem. § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV begangen, soweit über die Website ueber18.de der Zugang zu pornographischen Internetangeboten ermöglicht wurde. Soweit es um den Vertrieb des Altersverifikationssystems ging, lag nach der – schlüssigen – Ansicht des BGH eine vorsätzliche Teilnahme an den durch Dritte begangenen Wettbewerbsverstößen vor3. e) Andere Tatbestände
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Bei den Fällen unlauteren Wettbewerbshandelns, die in § 4 UWG geregelt sind, handelt es sich um Beispiele, die nicht abschließend zu verstehen sind4. Auf Fälle des § 1 UWG a.F., die in § 4 UWG nicht aufgeführt werden – wie dies beispielsweise bei der Fallgruppe der „Marktstörung“ der Fall ist – ist § 3 UWG vielfach unmittelbar anwendbar5. 3. Irreführungsverbot (§§ 5 und 5 a UWG)
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§ 5 UWG ist durch die letzte UWG-Novelle komplett neu gefasst und durch den neuen § 5 a UWG ergänzt worden, wobei schon der Titel des § 5 UWG darauf hinweist, dass nicht mehr nur die irreführende Werbung, sondern auch andere irreführende geschäftliche Handlungen als unlauter gelten sollen. Inhaltlich ergeben sich aus der Neufassung ansonsten keine wesentlichen Neuerungen6. 1 Vgl. nur Döring/Günter, MMR 2004, 231, 236 f.; Erdemir, CR 2005, 660 ff.; Liesching, K&R 2006, 394, 396; Liesching, MMR 2004, 481 f.; KG vom 26.4.2004, CR 2004, 619 ff.; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, NJW 2004, 936 = CR 2004, 456 f.; OLG Düsseldorf vom 24.5.2005, CR 2005, 657 ff. mit Anm. Erdemir = MMR 2005, 611 ff.; OLG Hamburg vom 4.10.2005, MMR 2006, 238 f.; OLG Nürnberg vom 7.3.2005, MMR 2005, 464 ff.; LG Duisburg vom 30.8.2004, NJW-RR 2005, 478, 479; LG Saarbrücken vom 26.7.2005, MMR 2006, 250, 251 f.; a.A. LG Wuppertal vom 19.10.2004, Az. 14 O 112/04. 2 Vgl. Härting, BGH-R 2008, 699; BGH vom 18.10.2007, WRP 2008, 771 = MMR 2008, 400 – ueber18.de. 3 Vgl. BGH vom 18.10.2007 in WRP 2008, 771, 776 = MMR 2008, 400, 404 f. 4 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/1487, S. 17. 5 BGH vom 12.7.2007, MMR 2007, 634, 635 ff. 6 Köhler, WRP 2009, 109, 114; Schirmbacher, K&R 2009, 433, 436.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
a) Irreführende Angaben
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine Irreführung setzt regelmäßig voraus, dass mit konkreten „Angaben“ geworben wird. Hierunter werden Erklärungen objektiv nachprüfbaren Gehalts (d.h. Tatsachen) verstanden1. Es darf sich nicht um bloße Anpreisungen handeln, die erkennbar keinerlei Tatsachenbehauptungen enthalten2.
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Irreführende Angaben können nicht nur in Worten enthalten sein, sondern auch in bildlichen Darstellungen oder „Veranstaltungen“, die dazu geeignet sind, verbale Angaben zu ersetzen (§ 5 Abs. 3 UWG).
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b) Durchschnittsverbraucher
Irreführend ist eine Angabe, wenn sie dazu geeignet ist, beim angesprochenen Publikum, d.h. bei den durch die Wettbewerbshandlung angesprochenen Verkehrskreisen, eine unrichtige Vorstellung hervorzurufen und die Kauflust positiv zu beeinflussen3. Nicht erforderlich ist die Täuschung des überwiegenden Teils der umworbenen Kunden. Ausreichend ist vielmehr, dass es sich um einen nicht ganz unbeachtlichen Anteil handelt, wobei hierfür im Gegensatz zur alten Rechtsprechung eine Irreführungsquote von 10 bis 15 % im Hinblick auf das Leitbild des „Durchschnittsverbrauchers“ als zu gering anzusehen ist4.
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Richtet sich Internetwerbung an Verbraucher, ist – wie auch bei OfflineWerbung – vom Leitbild des „Durchschnittsverbrauchers“ auszugehen. Dem Umstand, dass der an einem Kauf interessierte Internetnutzer die benötigten Informationen selbst nachfragen muss, ist allerdings dadurch Rechnung zu tragen, dass nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf denjenigen Verbraucher abzustellen ist, der sich der betreffenden Werbeangabe mit der situationsbedingten Aufmerksamkeit zuwendet5.
1233
Die „situationsbedingte Aufmerksamkeit“ des Internetnutzers geht nicht so weit, dass davon auszugehen ist, dass der Nutzer in jedem Fall sämtliche Seiten eines Internetauftritts zur Kenntnis nehmen wird. Vielmehr wird der Kaufinteressent erfahrungsgemäß nur diejenigen Seiten
1234
1 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 Rdnr. 2.40; Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rdnr. 87; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 221 ff. 2 Vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 Rdnr. 2.43 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 14 Rdnr. 27ff.; BGH vom 30.10.1963, GRUR 1964, 33, 35 – Bodenbeläge. 3 Vgl. Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rdnr. 105, 107. 4 Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 1 Rdnr. 33; Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rdnr. 49f., 149 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 241 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 14 Rdnr. 38; zur alten Rechtsprechung Sack, WRP 2004, 521 ff.; BGH vom 6.4.1979, GRUR 1979, 716, 718 – Kontinent-Möbel; OLG Köln vom 26.11.1982, GRUR 1983, 385, 385 f. – Lübecker Marzipan II. 5 BGH vom 16.12.2004, CR 2005, 357, 358 – Epson-Tinte.
313
F. Wettbewerbsrecht
aufrufen, die er zur Information über die gewünschte Ware benötigt oder zu der er auf dem Weg zum Vertragsschluss geführt wird. Für die Beurteilung einer Irreführungsgefahr bedeutet dies, dass Hinweise auf entlegenen Seiten, deren Kenntnisnahme nicht zu erwarten ist, außer Betracht bleiben1. 1235
Die Eignung einer Werbung, das Nachfrageverhalten zu beeinflussen, bestimmt sich stets nach den Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise. Erweckt daher eine Kartenlegerin mit einer falschen Angabe die Vorstellung einer besonderen „Macht der Karten“, so kann dies als Irreführung anzusehen sein. Die Eigenschaft des – im Normalfall – maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers, „informiert und verständig“ zu sein, schließt es nicht aus, Vorstellungen ohne Realitätsgehalt zu berücksichtigen und damit die auf ihnen beruhenden Nachfragentscheidungen vor einer Beeinflussung durch Irreführungen zu schützen. Dies gilt umso mehr, als es dem Normalfall entspricht, dass Kaufentscheidungen durch Erwägungen beeinflusst werden, die sich einer rationalen Überprüfung entziehen2.
1236
Bei einem englischsprachigen Internetangebot, das zudem noch über eine .com-Adresse abrufbar ist, kommt es allein auf eine Irreführungsgefahr in englischer Sprache an. Missverständnisse, die aus Übersetzungsproblemen resultieren, können eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführungsgefahr nicht begründen3.
1237
Wird mit einer „dreisten Lüge“ geworben, gilt ein strengerer Maßstab. Eine Irreführung kann in einem solchen Fall auch dann zu bejahen sein, wenn ein eher geringer Teil des angesprochenen Verkehrs getäuscht wird4. c) Gegenstand der Irreführung
1238
Als Gegenstand einer Irreführung kommen alle Angaben über die Merkmale einer Ware oder Dienstleistung in Betracht (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG) sowie Angaben über den Anlass des Verkaufs und den Preis sowie über die Liefer- bzw. Erfüllungsbedingungen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG). Des Weiteren kann sich die Irreführung auch auf die geschäftlichen Verhältnisse des Werbenden beziehen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG). Die Aufzählung in § 5 UWG ist an Art. 3 der EU-Irreführungsrichtlinie5 angelehnt und nicht als abschließend zu verstehen6. 1 2 3 4 5
BGH vom 16.12.2004, CR 2005, 357, 359 – Epson-Tinte. OLG Düsseldorf vom 9.9.2008, NJW 2009, 789, 791. OLG Köln vom 6.8.2004, CR 2005, 536 = MMR 2005, 110 f . OLG Frankfurt a.M. vom 26.3.2009, MMR 2009, 553, 554. Richtlinie 84/450/EWG des Rates über irreführende und vergleichende Werbung vom 10.9.1984, ABl. EG L 250 vom 19.9.1984, S. 17. 6 A.A. Link in Juris-PK UWG, § 5 Rdnr. 23.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
aa) Irreführung über das Produkt
Zu den Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware bzw. Dienstleistung, die Gegenstand einer Irreführung sein können (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG), zählen Angaben über die Beschaffenheit eines Produkts, über seine – geographische oder betriebliche – Herkunft und über die Ergebnisse, die von der Verwendung des Produkts zu erwarten sind. Dasselbe gilt für die Verfügbarkeit, Risiken, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Kundendienst und Beschwerdeverfahren sowie für die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen.
1239
Eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG liegt vor, wenn bei einem „SMS Privat-Chat“ der Eindruck erweckt wird, es bestünde die Möglichkeit des Kennenlernens anderer interessierter Singles, die Kurznachrichten in Wahrheit aber von professionellen Agenten beantwortet werden1. Dasselbe gilt für die Werbung mit „Last-Minute-Reisen“ für Reisen, die nicht erst „in letzter Minute“, sondern spätestens 14 Tage vor dem Abflug gebucht werden müssen2. Irreführend ist es auch, für die Errichtung von englischen Limited Companies mit dem Schlagwort „EUGmbH“ zu werben3.
1240
Ein Hotel, das im Internet mit „drei Sternen“ wirbt, ohne über eine entsprechende Klassifizierung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) zu verfügen, führt über die Art und Ausführung der beworbenen Dienstleistung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irre4.
1241
Eine Irreführung ist zu bejahen, wenn bei Ebay ein Waschbecken angeboten wird mit der blickfangmäßig hervorgehobenen Überschrift „Waschbecken Center, Katalog von Duravit“ und der Interessent erst in der Unterzeile erfährt, dass es sich keineswegs um ein Produkt des baden-württembergischen Markenherstellers handelt, sondern dass er lediglich einen Duravit-Katalog „auf Wunsch kostenlos dazu“ erhält5.
1242
Nicht irreführend ist es, wenn maßkonfektionierte Bekleidung als „Maßhemd“ bezeichnet wird, da der Begriff des „Maßhemdes“ nicht die Vorstellung eines maßgeschneiderten Hemdes erweckt6.
1243
1 LG München I vom 11.10.2005, K&R 2005, 573 f. 2 OLG München vom 26.2.1998, NJW 1999, 65 = CR 1998, 300 = K&R 1998, 362 f. 3 LG Dresden vom 11.4.2007, NJW 2007, 88, 89 f. 4 LG Aurich vom 15.9.2009, WRP 2009, 1579 f. 5 LG Oldenburg vom 24.4.2008, WRP 2008, 985 f. 6 KG vom 11.8.2009, MMR 2009, 799 (Ls.).
315
F. Wettbewerbsrecht
bb) Irreführung über den Preis – Blickfangwerbung
1244
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG sind irreführende Angaben unlauter, wenn sie den Anlass des Verkaufs, das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise betreffen, in der er berechnet wird. Dasselbe gilt für Angaben über die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird. Unlauter ist es daher, wenn eine Konzertagentur einen Ticketpreis mit dem Hinweis angibt, der Preis enthalte „eine Buchungsgebühr von 2 EUR“, und hierdurch der falsche Eindruck erweckt wird, es handele sich um eine vom Veranstalter festgesetzte und von jedem Käufer zwingend zu zahlende Gebühr1.
1245
Bietet ein Unternehmer im Internet neben einem unversicherten Versand optional auch einen teureren versicherten Versand an, ohne den Verbraucher darauf aufmerksam zu machen, dass er als Verkäufer in jedem Fall die Versandgefahr trägt (§ 474 Abs. 2 BGB), so ist dieses Angebot irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG. Der Verbraucher geht ohne einen entsprechenden Hinweis davon aus, dass er die Option des teureren versicherten Versandes wählen muss, um nicht die Gefahr des Untergangs während des Transports zu tragen2.
1246
Eine Irreführung über den Preis liegt nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. vor, wenn der Anbieter von Flugreisen blickfangmäßig mit „OneWay-Preisen“ wirbt mit einem Sternchenzusatz, der auf beträchtliche Preiszuschläge („Service Charge“ und „Treibstoffzuschlag“) verweist3. Blickfangmäßige Angaben sind allerdings nicht isoliert zu betrachten. Und hervorgehobene Herausstellungen müssen für sich genommen nicht wahr sein. Es kann vielmehr genügen, den Verbraucher durch einen klaren und unmissverständlichen Sternchenhinweis auf einschränkende Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des durch den Blickfang beworbenen Angebots hinzuweisen4.
1247
Die Grundsätze zur Blickfangwerbung sind auch bei Google-Anzeigen anwendbar. So wird die in einer solchen Anzeige verwendete Werbeaussage zur Lieferung „innerhalb 24 Stunden“ zwar vom verständigen Durchschnittsverbraucher für bare Münze genommen werden. Findet sich jedoch auf der Internetseite, die über die Anzeige erreichbar ist, der Hinweis, dass die Bestellung bis 16.45 Uhr erfolgen müsse, um eine Lieferung innerhalb 24 Stunden zu gewährleisten, räumt dies eine Irreführungsgefahr aus. Bei der Beurteilung, ob eine Irreführung vorliegt, 1 KG vom 27.2.2009, NJW-RR 2009, 1344, 1345. 2 LG Bochum vom 10.2.2009, MMR 2009, 505 f.; LG Saarbrücken vom 15.9.2006, WRP 2007, 578 (Ls.); a.A. LG Hamburg vom 18.1.2007, MMR 2007, 461. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 14.2.2008, Az. 6 U 75/07; vgl. auch LG Stuttgart vom 15.5.2007, MMR 2007, 668, 670. 4 OLG Hamburg vom 25.2.2010, WRP 2010, 795 (Ls.); OLG Koblenz vom 18.3.2009, K&R 2009, 502, 503 = MMR 2009, 475 f.; vgl. auch OLG Stuttgart vom 20.8.2009, WRP 2009, 1580, 1583.
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V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
ist der kaum trennbare Zusammenhang zu berücksichtigen zwischen der verknappten schlagwortartigen Werbung bei Google und der klarstellenden Aussage auf der verlinkten Internetseite1. Die auf einer Internetseite blickfangmäßig hervorgehobene Angabe „100 SMS gratis“ ist unvollständig und unzutreffend, wenn nicht zugleich mitgeteilt wird, dass die Inanspruchnahme der 100 SMS vom Abschluss eines Vertrages abhängig gemacht wird. Nach Auffassung des OLG Hamburg ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG dennoch nicht erfüllt, wenn der Verbraucher vor Absenden der Registrierung über den bevorstehenden Vertragsschluss ausreichend aufgeklärt wird2. Ob dies mit § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 21 des UWG-Anhangs vereinbar ist, ist fraglich. Laut Nr. 21 der „schwarzen Liste“ ist es unlauter, eine Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“ oder „kostenfrei“ anzubieten, wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind.
1248
Wie deutlich ein Stern und ein aufklärender Hinweis gestaltet sein müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wird in einer E-Mail ein längerer Titel hervorgehoben, der das Wort „kostenlos“ und einen Sternchenzusatz enthält, birgt auch für den situationsangemessen aufmerksamen Kunden, die Gefahr, den in kleiner Schrift gehaltenen Sternchenhinweis zu überlesen und zu übersehen, dass ein Probeabonnement angeboten wird, das zu Kosten führen kann3.
1249
Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UWG gilt die widerlegliche Vermutung, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der (alte) Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit verlangt wurde (Werbung mit Mondpreisen)4. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 UWG trifft den Werbenden die Beweislast für die zuvor verlangten Preise5.
1250
cc) Irreführung über das Unternehmen
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG sind irreführende Angaben unlauter, wenn sie die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers betreffen oder den Umfang von Verpflichtungen, die Befähigung, den Status, die Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen oder Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs. 1 2 3 4
OLG Hamm vom 5.6.2009, MMR 2009, 861 f. OLG Hamburg vom 8.4.2009, MMR 2010, 185, 186. OLG Koblenz vom 18.3.2009, K&R 2009, 502, 503 = MMR 2009, 475 f. Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 631; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 16 Rdnr. 12. 5 Zu Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach altem Recht: BGH vom 28.6.1974, GRUR 1975, 78, 79 – Preisgegenüberstellung; anders für die Werbung mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen BGH vom 27.11.2003, WRP 2004, 343, 344 – Mondpreise?
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1251
F. Wettbewerbsrecht
1252
Ein Fall des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG kann bei der wahrheitswidrigen Alleinstellungs- oder Spitzenstellungswerbung1 vorliegen. Wer damit wirbt, er sei „Europas größter Online-Dienst“, muss nicht nur die meisten Kunden haben, vielmehr müssen diese den Dienst auch am häufigsten und umfangreichsten nutzen2. Ähnliches gilt für die Werbung mit der „Marktführerschaft“ eines Nachrichtenmagazins, wenn dieses zwar hinsichtlich der Reichweite, nicht aber hinsichtlich der verkauften Auflage zutreffend ist3. Wer mit „besten Preisen“ wirbt, wirbt dagegen nicht irreführend, wenn jedenfalls „sehr gute Preise“ angeboten werden4.
1253
Irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG ist es auch, ein Fachgeschäft für Tiernahrung als „Tier-Apotheke“ zu bezeichnen, weil dies den unzutreffenden Eindruck erweckt, der Werbende betreibe eine Apotheke im Sinne des Apothekengesetzes5. Ebenso verstößt es gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG, wenn eine Detektei wahrheitswidrig mit Niederlassungen „ganz in Ihrer Nähe“ wirbt6. dd) Irreführung über Lieferzeiten
1254
Irreführende Angaben über Lieferzeiten und Liefermöglichkeiten können seit der letzten UWG-Novelle unter § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG oder unter das Lockangebotsverbot der Nr. 5 des UWG-Anhangs fallen7.
1255
Nach § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 5 des UWG-Anhangs ist es unlauter, für ein Produkt zu einem bestimmten Preis zu werben, ohne darüber aufzuklären, dass der Werbende hinreichende Gründe für die Annahme hat, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in angemessener Menge zum genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen (Lockangebote). Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist es zudem unlauter, den Verbraucher irreführende Auskünfte über die Lieferung zu erteilen.
1256
Anknüpfungspunkt für Nr. 5 des UWG-Anhangs ist die fehlende Information über die mangelnde Bevorratung8. Die Vorschrift stellt vor allem Online-Anbieter vor Schwierigkeiten, die Waren anbieten, die sie selbst 1 Vgl. Sosnitza in Piper/Ohly, UWG, § 5 Rdnr. 630 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 15 Rdnr. 60 ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 731 ff. 2 BGH vom 17.6.2004, NJW-RR 2004, 1487 = MDR 2004, 1431 – Größter OnlineDienst. 3 BGH vom 2.10.2003, WRP 2004, 339, 341 – Marktführerschaft. 4 OLG Hamm vom 5.6.2009, MMR 2009, 861, 862. 5 OLG Stuttgart vom 20.8.2009, WRP 2009, 1580, 1582 f. 6 LG Darmstadt vom 9.4.2009, WRP 2009, 1584, 1585. 7 Vgl. OLG Hamm vom 17.3.2009, K&R 2009, 500, 502. 8 Lettl, WRP 2008, 155, 164; vgl. auch LG Koblenz vom 7.2.2006, WRP 2006, 1037, 1038.
318
V. §§ 4 bis 6 UWG – Beispiele unlauteren Wettbewerbs
nicht vorrätig habe1. Zwar lässt die Vorschrift eine Bereitstellung der Ware durch Dritte (insbesondere also den Lieferanten des Online-Händlers) ausdrücklich zu. Hat der Händler aber Grund zur Annahme, dass es Lieferschwierigkeiten geben kann, muss er dies in seinem Angebot an den Verbraucher vermerken2. Bei Angeboten im Internet erwartet der Verbraucher in der Regel, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hat oder sie bei einem Dritten abrufen kann. Daher muss der Internethändler durch geeignete Zusätze auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinweisen, wenn er nicht in der Lage ist, eine Nachfrage tagesaktuell zu erfüllen3. Es reicht aus, einen entsprechenden Hinweis auf eine gesonderte „Produktseite“ aufzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass der Kaufinteressent diese Seite aufruft, um Informationen über die gewünschte Ware zu erhalten, oder wenn der Interessent auf die „Produktseite“ durch Verweise auf Grund einfacher elektronischer Verknüpfungen oder durch klare und unmissverständliche Hinweise auf dem Weg zum Vertragsschluss geführt wird4. Der bloße Hinweis „nachbestellt“ reicht für eine Aufklärung über längere Lieferfristen nicht aus5. Nicht ausreichend ist auch die Angabe „Lieferzeit auf Nachfrage“, wenn die zugleich in der Werbung versprochene sichere Liefermöglichkeit nicht besteht6.
1257
d) Irreführung durch Unterlassen
§ 5 a UWG regelt die Voraussetzungen, unter denen eine unterlassene Information als irreführend anzusehen ist (Irreführung durch Unterlassen)7. Gemäß § 5 a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.
1258
Nach Auffassung des BGH ist es ein Gebot der fachlichen Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 UWG), mit Testergebnissen nur zu werben, wenn dem Verbraucher dabei die Fundstelle eindeutig und leicht zugänglich angegeben und ihm so eine einfache Möglichkeit eröffnet wird, den Test selbst zur
1259
1 Vgl. BGH vom 7.4.2005, K&R 2005, 373; OLG Hamm vom 17.3.2009, Az. 4 U 167/08. 2 Schirmbacher, K&R 2008, 433, 434 f. 3 BGH vom 7.4.2005, NJW 2005, 2229, 2230 – Internet-Versandhandel; LG Hamburg vom 12.5.2009, Az. 312 O 74/09; LG Koblenz vom 7.2.2006, WRP 2006, 1037 f. 4 BGH vom 7.4.2005, NJW 2005, 2229, 2231 – Internet-Versandhandel. 5 LG Osnabrück vom 1.9.2005, ITRB 2006, 134 (Antoine). 6 OLG Hamm vom 17.3.2009, K&R 2009, 500, 501 f. 7 Vgl. Schirmbacher, K&R 2008, 433, 437.
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F. Wettbewerbsrecht
Kenntnis zu nehmen. Fehlt es daran, beeinträchtige dies die Möglichkeit des Verbrauchers, die testbezogene Werbung zu prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einzuordnen. Daher liege in der fehlenden Angabe einer Fundstelle ein Verstoß gegen § 5 a Abs. 2 UWG1. 1260
Bietet ein Internet-Dienstleister einen kostenlosen Versicherungsvergleich an und bezeichnet er sich als „Ihr unabhängiger Versicherungsvergleich“, so stellt es eine Verletzung der Informationsverpflichtungen aus § 5 a Abs. 2 UWG dar, wenn er verschweigt, dass er in seinen Vergleich nur Anbieter einbezieht, von denen er Provisionen erhält2.
1261
Werden Packungen mit 100 Kondomen mit der Preisangabe „ab 3,95 Euro“ beworben, ohne dass der Verbraucher darauf hingewiesen wird, dass die Bestellung auf eine Packung pro Einkauf limitiert ist, so liegt in der Abgabebeschränkung keine Information, die als „wesentlich“ gemäß § 5 a Abs. 2 UWG anzusehen ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der verständige Verbraucher erwartet, mehr als eine Packung von 100 Kondomen zum Preis von 3,95 Euro bestellen zu können3. 4. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG)
1262
Für eine vergleichende Werbung ist es unerlässlich, dass ein erkennbarer Bezug zu einem Mitbewerber oder dessen Produkten hergestellt wird (§ 6 Abs. 1 UWG)4. Hierfür reicht eine erkennbare Bezugnahme aus; eine namentliche Nennung von Mitbewerbern ist nicht erforderlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist von einer weiten Definition auszugehen, die es ermöglicht, alle Arten der vergleichenden Werbung abzudecken5.
1263
Bei der Prüfung, ob für die Adressaten der Werbung eine Bezugnahme auf Mitbewerber erkennbar gemacht wird, sind alle Umstände der betreffenden Werbemaßnahme zu berücksichtigen. Die Bezugnahme kann sich daher beispielsweise auch aus der Angabe bestimmter Eigenschaften des beworbenen Produkts ergeben6. Dagegen liegt keine vergleichende Werbung i.S.v. § 6 Abs. 1 UWG vor, wenn die Bezugnahme nicht durch eine in der betreffenden Werbemaßnahme enthaltene Äußerung erfolgt, sondern die angesprochenen Verkehrskreise allein auf Grund außerhalb der angegrif1 2 3 4
BGH vom 16.7.2009, WRP 2010, 370, 374 – Kamerakauf im Internet. Vgl. OLG Hamburg vom 11.6.2008, Az. 5 U 95/07. OLG Hamm vom 26.1.2010, Az. 4 U 141/09. Vgl. EuGH vom 19.4.2007, GRUR 2007, 511, 513 f. – De Landtsheer/Comité Interprofessionnel, m.w.N. 5 Vgl. EuGH vom 25.10.2001, GRUR 2002, 354, 355 – Toshiba/Katun; EuGH vom 8.4.2003, GRUR 2003, 533, 535 – Pippig Augenoptik/Hartlauer; vgl. auch Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 97/55/EG). 6 BGH vom 5.2.1998, BGHZ 138, 55, 65 – Testpreis-Angebot = WRP 2002, 828. 831 – Hormonersatztherapie.
320
VI. Online-Sachverhalte
fenen Werbung liegender Umstände eine Verbindung zwischen dem beworbenen Produkt und denjenigen von Mitbewerbern herstellen1. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist es unlauter, mit einem Vergleich zu werben, der nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis von Waren oder Dienstleistungen bezogen ist. Der Eigenschaftsbegriff ist weit auszulegen. Maßgeblich ist, ob der angesprochene Verkehr eine nützliche Information für eine Kaufentscheidung aus dem Vergleich ziehen kann2. Für die Frage, ob die Eigenschaft wesentlich und typisch ist, kann es darauf ankommen, an wen sich die Werbung richtet3.
1264
Unlauter gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist es, wenn eine „Steuerberaterrangliste“ publiziert wird und Steuerberatungskanzleien positiv herausgehoben werden, die über personelle und wirtschaftliche Verflechtungen mit dem Institutsleiter verbunden sind, für die Erstellung der Liste verantwortlich ist4.
1265
Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ist es unlauter, die Wertschätzung des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen. Dies ist der Fall, wenn das fremde Kennzeichen in der Werbung als „Eye Catcher“ verwendet wird, um Kaufinteressenten anzulocken5. Wenn bei Ebay ein Schmuckstück „im Cartier-Stil“ beworben wird, liegen diese Voraussetzungen vor6.
1266
VI. Online-Sachverhalte 1. Beeinflussung von Suchmaschinenergebnissen
Die beste Unternehmenspräsentation im Internet ist nutzlos, wenn sie von den potenziellen Kunden nicht gefunden wird. Neben dem Domainnamen ist vor allem die Nennung in den Ergebnislisten von Suchmaschinen von Bedeutung für den Anstieg der Zugriffszahlen (Traffic) auf die eigene Website.
1267
Es gibt verschiedene Typen von Suchmaschinen. Dabei können Suchkataloge, bei denen die einzelnen Websites redaktionell sortiert sind, von den sonstigen Suchmaschinen unterschieden werden, die ständig unzählige Rechner das Internet nach neuen und/oder veränderten Inhalten durchsuchen lassen und indizieren (vor allem Google).
1268
1 BGH vom 6.12.2007, Az. I ZR 169/04; vgl. auch BGH vom 25.4.2002, NJW 2002, 3399 = GRUR 2002, 982 – Die Steinzeit ist vorbei. 2 BGH vom 5.2.2004, WRP 2004, 739, 744 – Genealogie der Düfte. 3 BGH vom 5.2.2004, WRP 2004, 739, 745 – Genealogie der Düfte. 4 LG München I vom 24.10.2007, MMR 2008, 491, 492 f. 5 Vgl. KG vom 4.3.2005, CR 2005, 671 f. = MMR 2005, 315 f. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2004, NJW 2004, 3433, 3433.
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F. Wettbewerbsrecht
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Der Suchalgorithmus ist das bestgehütete Geheimnis der Betreiber solcher Suchmaschinen1. Maßgeblich für die Reihenfolge der Ergebnisse bei der Eingabe von Suchworten ist die „Relevanz“ einer Seite. Dabei spielen die Inhalte einer Seite die Hauptrolle. Wie häufig taucht das gesuchte Wort im Text, im Titel oder in der nicht ohne weiteres sichtbaren Seitenbeschreibung der Website auf? Daneben spielt die Zahl und Qualität der Links, die auf die Seite verweisen, eine erhebliche Rolle. Auch die Bezeichnung dieser Links ist entscheidend. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie für die Bewertung einer Seite herangezogen werden. Google gibt beispielsweise jeder Seite einen Pagerank zwischen 0 und 10, der sowohl bei der Ergebnisausgabe zu bestimmten Suchworten als auch bei der Einschätzung der Wertigkeit von Links eine Rolle spielt. a) Metatags
1270
Als Metatags werden Seitenbeschreibungen bezeichnet, die nur im Quelltext der Website sichtbar sind. Der Ersteller der Seite hat es unter anderem in der Hand, der Seite Titel, Schlüsselwörter und eine Kurzbeschreibung zuzuweisen2. Diese werden von den Suchmaschinen ausgewertet und fließen in die Bewertung der Suchergebnisse ein. Zwar hat die Bedeutung der Metatags in den letzten Jahren stark nachgelassen, doch hat es viele Streitigkeiten um die Zulässigkeit der Verwendung bestimmter Begriffe in den Metatags von Websites gegeben, da zahlreiche Unternehmen mehr oder weniger unauffällig Namen und Marken von Konkurrenten in die Metatags aufgenommen, um bei der Suche nach diesen Begriffen selbst in der Ergebnisliste zu erscheinen3. aa) Gattungsbegriffe
1271
Beliebt war es lange Zeit, in den Quelltext sachfremde Gattungsbegriffe zu integrieren. So hat ein Anbieter von Luxusreisen ein Interesse daran, auch dann auf den ersten Seiten der Suchmaschinen zu erscheinen, wenn nach Luxusautos gesucht wird. Wer nach Golfschlägern sucht, mag auch teure Urlaubsreisen buchen. Eine gezielte Behinderung der Konkurrenz (§ 4 Nr. 10 UWG) kommt in solchen Fällen nicht in Betracht. Ebenso wenig lässt sich ein übertriebenes Anlocken, gezielter Kundenfang oder eine Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG bejahen4. Eine unlautere Irreführung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG) ist jedenfalls nicht gegeben, wenn aus den Suchmaschinenergebnissen unmittelbar deutlich wird, dass es sich um art1 Vgl. Rössel, CR 2003, 349. 2 Vgl. Chong, EIPR 1998, 275; Menke, WRP 1999, 982, 983; Thiele, ÖJZ 2001, 168, 169; Vidal, GRUR Int. 2003, 312, 313. 3 Vgl. Härting/Schirmbacher, ITRB 2005, 16, 17. 4 Rössel, CR 2003, 349, 350; Thiele, ÖJZ 2001, 168, 170 f.; OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 f. = WRP 2003, 104, 104 f.; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259; a.A. LG Düsseldorf vom 27.3.2002, MMR 2002, 557, 558.
322
VI. Online-Sachverhalte
fremde Angebote handelt1. Zu Recht sieht das OLG Düsseldorf2 einen Unterschied zur Schaltung von Anzeigen in artfremden Rubriken herkömmlicher Zeitungen3. Mit einem (gut sortierten) Anzeigenmarkt lassen sich die Suchmaschinen, bei denen die Verbraucher keine homogene Ergebnisausgabe („Rubrikenreinheit“) erwarten, nicht vergleichen4. bb) Benutzung fremder Kennzeichen
Bei der Verwendung fremder Marken oder Kennzeichen in den Metagtags lässt sich ein Unterlassungsanspruch nicht ohne weiteres aus dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung herleiten5. Das Anhängen an den guten Ruf eines anderen ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig6. Nur wenn sich der Benutzer des fremden Kennzeichens durch die Programmierung der Metatags bei Suchmaschineneinträgen gezielt vor den Markeninhaber drängt, sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG (gezielte Behinderung) erfüllt7.
1272
Ob bei der Verwendung fremder Marken oder Kennzeichen in den Metatags eine Markenrechtsverletzung vorliegt, ist gelegentlich bezweifelt worden mit der Begründung, dass Metatags lediglich der Seitenbeschreibung dienen und nur im Quelltext der Seiten sichtbar seien8. Es fehle an
1273
1 OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 f. = WRP 2003, 104, 104 f.; a.A. Ernst, ITRB 2005, 91, 91 f.; LG Düsseldorf vom 27.3.2002, MMR 2002, 557, 558; vgl. auch Härting/Schirmbacher, ITRB 2005, 16, 17; Pierson, K&R 2006, 547, 550; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259. 2 OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 = WRP 2003, 104, 105. 3 Vgl. BGH vom 25.4.1991, GRUR 1991, 772 – Anzeigenrubrik I; BGH vom 25.4.1991, GRUR 1991, 774, 775 – Anzeigenrubrik II. 4 OLG Düsseldorf vom 1.10.2002, CR 2003, 133, 134 = WRP 2003, 104, 105; a.A. Ernst, WRP 2004, 278. 5 Kotthoff, K&R 1999, 157, 161; Varadinek, GRUR 2000, 279, 285; a.A. Ernst, WRP 2004, 278; Menke, WRP 1999, 982, 987 f.; LG Hamburg vom 13.9.1999, CR 2000, 121, 122 mit Anm. Ernst = MMR 2000, 46, 47. 6 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 Rdnr. 9.51. 7 Vgl. Hartl, MMR 2007, 12, 14; Renner, WRP 2007, 49, 51 ff.; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, MMR 2004, 319, 321; Menke, WRP 1999, 982, 989 f.; Meyer, K&R 2007, 417, 418; a.A. Kaufmann, MMR 2005, 348, 350 f. 8 Kotthoff, K&R 1999, 157, 159 f.; Varadinek, GRUR 2000, 279, 282; differenzierend: Kur, CR 2000, 448, 452; Vidal, GRUR Int. 2003, 312, 317; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, MMR 2004, 319, 320; LG Hamburg vom 13.12.2005, MMR 2006, 337 ff.; a.A. Ernst, CR 2000, 122; Ernst, WRP 2004, 278; Menke, WRP 1999, 982, 984 ff.; Pellens, CR 2002, 136, 137; Rössel, CR 2003, 349, 350; Thiele, K&R 2001, 279, 280; OLG Karlsruhe vom 22.10.2003, CR 2003, 535, 535 f. = WRP 2004, 507, 508; OLG München vom 6.4.2000, CR 2000, 461, 462 = MMR 2000, 546, 547; LG Frankfurt a.M. vom 3.12.1999, CR 2000, 462, 463; LG Hamburg vom 13.9.1999, CR 2000, 121 mit Anm. Ernst = MMR 2000, 46; LG Mannheim vom 1.8.1997, MMR 1998, 217, 218 mit Anm. v. Gravenreuth = K&R 1998, 119, 120.
323
F. Wettbewerbsrecht
einem kennzeichenmäßigen Gebrauch mit der Folge, dass keine Unterlassungsansprüche aus § 14 Abs. 5 MarkenG bestehen1. 1274
In seiner „Impuls“-Entscheidung hat der BGH einen kennzeichenmäßigen Gebrauch und damit eine Markenrechtsverletzung mit der Begründung bejaht, dass der Nutzer, der einen Begriff in eine Suchmaschine eingibt, sich einer Einrichtung bedient, mit deren Hilfe er zahlreiche Internetseiten nach dem Begriff durchsuchen kann. Schließe die Suchmaschine den (unsichtbaren) Quelltext in die Suche ein, werden auch Seiten als Suchergebnis aufgelistet, die das Suchwort lediglich im Quelltext enthalten. Mit Hilfe des Suchworts („Impuls“) werde somit das Ergebnis des Auswahlverfahrens beeinflusst und der Nutzer auf die entsprechende Internetseite geführt. Damit diene das Suchwort dazu, den Nutzer auf das dort werbende Unternehmen und sein Angebot hinzuweisen. Dies reiche für einen kennzeichenmäßigen Gebrauch aus2. Dies gilt umso mehr, wenn das Kennzeichen im Quelltext für die Titelangabe verwendet wird. Anders als bei den anderen Metainformationen, wird diese Angabe nach Aufruf der jeweilige Webseite in der Titelleiste für den Nutzer sichtbar angezeigt3.
1275
Auch wenn man der Auffassung des BGH folgt, fehlt es an einem kennzeichenmäßigen Gebrauch von Metatags, wenn sich aus der Trefferanzeige keine Hinweise auf eine Verbindung der Treffer mit dem Kennzeicheninhaber ergeben, sondern es sich ersichtlich um „Zufallstreffer“ handelt4.
1276
Nicht übersehen werden darf, dass der Schutz einer Marke gegen Metatags nur so weit reicht wie der Schutzumfang der Marke. Nur wenn die Metatags für Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, die durch die Marke geschützt sind, kommt ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG in Betracht5. cc) Verletzung des Namensrechts
1277
Die Argumentation des BGH zu Marken in Metatags lässt sich auf das Namensrecht übertragen. Folgerichtig muss eine namensmäßige Verwen1 Kur, CR 2000, 448, 452 ff.; OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, CR 2004, 462 = MMR 2004, 257, 259; OLG Düsseldorf vom 17.2.2004, CR 2004, 936, 937 = MMR 2004, 319, 320; OLG Düsseldorf vom 14.2.2006, MMR 2006, 396, 397; a.A. Menke, WRP 1999, 982, 984 ff.; Thiele, K&R 2001, 279, 280; OLG Karlsruhe vom 22.10.2003, CR 2003, 535, 535 f. = WRP 2004, 507, 508; LG Frankfurt a.M. vom 3.12.1999, CR 2000, 462, 463; LG Hamburg vom 13.7.2001, CR 2002, 136 mit Anm. Pellens; LG München I vom 24.6.2004, MMR 2004, 689, 690 mit Anm. Pankoke = K&R 2004, 448 ff. 2 BGH vom 18.5.2006, CR 2007, 103, 204 – Impuls. 3 OLG Hamburg vom 2.3.2010, Az. 5 W 17/10. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 10.1.2008, GRUR-RR 2008, 292 f.; OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2009, MMR 2009, 401 f. 5 Vgl. LG München I vom 6.2.2007, K&R 2007, 219, 220 f.
324
VI. Online-Sachverhalte
dung bei Aufnahme eines fremden Namens in die Metatags der eigenen Seiten bejaht werden, sodass die Benutzung des fremden Namens als Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB grundsätzlich unzulässig ist1. b) Hidden Content
Neben Metatags kann auch normaler Text für den Nutzer unsichtbar sein. Am häufigsten geschieht dies, indem die Farbe der Schrift der Farbe des Hintergrundes entspricht (so genannter Hidden Content).
1278
Die rechtlichen Probleme stellen sich in gleicher Weise wie bei Metatags. Das LG Essen entschied einen Fall, in dem es – anders als es im Sachverhalt der Entscheidung heißt – um unsichtbare Inhalte (und nicht um Metatags) ging2. Das Gericht untersagte einem Unternehmer die Aufnahme eines ganzen Kompendiums verschiedener, nicht im Zusammenhang mit den Inhalten der Seite stehender Begriffe. Der Beklagte verschaffe sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil vor den Konkurrenten, wenn er viele hundert lexikonartig aneinandergereihte Begriffe in die Website aufnehme3.
1279
Da hinsichtlich des Hidden Content die gleichen Maßstäbe wie bei Metatags gelten müssen, überrascht es nicht, dass der BGH in seiner „AIDOL“-Entscheidung4 eine kennzeichenmäßige Nutzung und damit einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG bei Nutzung eines fremden Kennzeichens in „Weiß-auf-Weiß-Schrift“ bejaht hat. Maßgeblich sei, dass das als Suchwort verwendete Zeichen dazu benutzt werde, das Ergebnis des Auswahlverfahrens zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu einer Internetseite zu führen, auf der er auf das dort werbende Unternehmen und dessen Angebot hingewiesen wird.
1280
c) Keyword Advertising
Keyword Advertising ist die Werbung mit bestimmten Schlüsselwörtern, die User in Suchmaschinen eingeben. Bei der Eingabe der gesuchten Keywords in die Suchmaschine erscheint zusätzlich zu den normalen Suchergebnissen die Werbung des Buchenden. Denkbar ist dabei letztlich jede Online-Werbeform. So lassen sich beispielsweise Bannerwerbung, Interstitials (Werbeeinblendungen) und Pop-Up-Fenster gezielt auf die Eingabe von Suchbegriffen schalten. Weder in der Anzeige noch auf der Website des werbenden Unternehmens muss das Suchwort erscheinen5. 1 OLG Celle vom 20.7.2006, MMR 2006, 817, 818; vgl. Ott, MMR 2008, 222, 224; Schirmbacher, ITRB 2007, 117, 118. 2 LG Essen vom 26.5.2004, MMR 2004, 692 f. 3 LG Essen vom 26.5.2004, MMR 2004, 692 f. 4 BGH vom 8.2.2007, CR 2007, 589, 589 – AIDOL. 5 Härting/Schirmbacher, ITRB 2005, 16, 18.
325
1281
F. Wettbewerbsrecht
1282
Unternehmen, die im Internet Produkte verkaufen möchten, kommen an Google-AdWords-Kampagnen kaum vorbei1. Vor allem Shoppingportale und Versandhändler nutzen die Möglichkeit, Werbeanzeigen einblenden zu lassen, wenn die Nutzer von Google nach bestimmten Begriffen suchen. So lässt sich Werbung gezielt einblenden, wenn potenzielle Kunden ohnehin gerade auf der Suche nach dem Produkt sind, das das werbende Unternehmen verkaufen möchte. Weil es bei Google-AdWords eine Vielzahl von Funktionen und Optionen gibt und allein die richtige Keyword-Auswahl eine eigene Wissenschaft zu sein scheint, beauftragen viele Werbende spezialisierte Agenturen mit der Betreuung von KeywordKampagnen2.
1283
Der Werbende hat es bei Google in der Hand, die Keywords zu bestimmen, bei deren Eingabe seine Werbung eingeblendet wird, wobei es sowohl die Option gibt, bestimmte Suchbegriffe auszuschließen („ausschließende Keywords“), als auch die Möglichkeit, die gewählten Keywords auf ähnliche Begriffe („weitgehend passende Keywords“ und „passende Wortgruppe“)3 zu erstrecken.
1284
Zu beachten ist zunächst das Trennungsgebot (§ 4 Nr. 3 UWG sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV)4. Es ist unlauter, gekaufte Suchergebnisse unter die originären Ergebnisse zu mischen, ohne dass diese hinreichend deutlich abgegrenzt werden5. aa) Gattungsbegriffe
1285
Die Verwendung von Gattungsbegriffen als Keywords ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden6. Hier gilt ähnliches wie für die Registrierung von Gattungsbegriffen als Domains. Wer sich einen Vorteil dadurch verschafft, dass er von der jedermann möglichen Verwendung attraktiver Begriffe zu Werbezwecken Gebrauch macht, handelt nicht unlauter.
1286
Hiervon erneut zu unterscheiden sind Fälle, in denen sachfremde Gattungsbegriffe verwendet werden. Eine unlautere Irreführung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG) wird allerdings nur im Ausnahmefall7 in Betracht kommen, 1 Vgl. Schirmbacher/Müßig, ITRB 2008, 207 f.; zur Situation in anderen Staaten: Schirmbacher/Reinholz, Convergence 2008, 141, 144 ff. 2 Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 165. 3 Vgl. www.adwords.google.de. 4 Siehe Rz. 1109 ff. 5 Vgl. Leupold/Bräutigam/Pfeiffer, WRP 2000, 575, 590; LG Hamburg vom 21.12.2004, MMR 2005, 629 f. 6 Ernst, ITRB 2005, 91, 92; Tietge, K&R 2007, 503, 504; OLG Karlsruhe vom 26.9.2007, CR 2008, 246 f.; LG Berlin vom 12.1.2001, K&R 2001, 171; LG Frankfurt a.M. vom 13.9.2000, MMR 2001, 560 = K&R 2001, 173. 7 A.A. Pierson, K&R 2006, 547, 548; vgl. auch Tietge, K&R 2007, 503, 504.
326
VI. Online-Sachverhalte
wenn aus den Suchmaschinenergebnissen nicht deutlich wird, dass es sich um artfremde Angebote handelt1. bb) Gezielte Behinderung
In der Schaltung von Keywords liegt noch keine gezielte und somit gemäß § 4 Nr. 10 UWG wettbewerbswidrige Behinderung eines Konkurrenten, wenn Marken, Geschäftsbezeichnungen oder Namensbestandteile des Konkurrenten verwendet werden2. Erst recht lässt sich aus § 4 Nr. 10 UWG keine Verpflichtung ableiten, die Keywords so zu schalten, dass bei Eingabe des Kennnzeichens des Konkurrenten eine Einblendung der eigenen Werbung ausgeschlossen ist3.
1287
Das Ausspannen und Abfangen von Kunden ist nur wettbewerbswidrig, wenn besondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers ist gegeben, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Eine solche unangemessene Einwirkung auf den Kunden liegt nach der Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen, aufzudrängen. In dem Umstand, dass bei der Eingabe eines fremden Kennzeichens als Suchwort auch eine Anzeige eines Mitbewerbers erscheint, liegt, noch keine unangemessene Beeinflussung potentieller Kunden4.
1288
1 Siehe Rz. 1271. 2 Meyer, K&R 2006, 557, 562; BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 329, 220 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; OLG Düsseldorf vom 23.1.2007, CR 2007, 256, 257 mit Anm. Renner; OLG Köln vom 31.8.2007, MMR 2008, 50 ff.; LG Hamburg vom 21.9.2004, CR 2004, 938, 939 f.; LG München I vom 26.10.2006, CR 2007, 467, 468; a.A. Ernst, ITRB 2005, 91, 92 f.; LG Berlin vom 12.1.2001, K&R 2001, 171 mit Anm. Michael; LG Leipzig vom 16.11.2006, MMR 2007, 265 f.; vgl. auch Dörre/Jüngst, K&R 2007, 239, 244 f. 3 BGH vom MMR 2009, 329, 220 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; KG vom 9.9.2008, MMR 2009, 47, 48 = CR 2009, 113, 117 ff.; KG vom 26.9.2008, MMR 2009, 69 (Ls.); OLG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, K&R 2008, 309, 310 f. mit Anm. Mann; OLG Karlsruhe vom 26.9.2007, CR 2008, 246, 247; LG Düsseldorf vom 14.1.2009, MMR 2009, 290 (Ls.); a.A. OLG Köln vom 8.6.2004, K&R 2006, 240, 242; OLG Stuttgart vom 9.8.2007, MMR 2007, 649, 650 f.; vgl. auch OLG Braunschweig vom 11.12.2006, MMR 2007, 249, 251 f.; LG Köln vom 21.11.2006, CR 2007, 747, 748 f. 4 BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 329, 330 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; KG vom 9.9.2008, MMR 2009, 47, 48 = CR 2009, 113, 117 ff.; KG vom 26.9.2008, MMR 2009, 69 (Ls.); OLG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, K&R 2008, 309, 310 f. mit Anm. Mann; LG Düsseldorf vom 14.1.2009, MMR 2009, 290 (Ls.).
327
F. Wettbewerbsrecht
cc) Benutzung fremder Kennzeichen
1289
Markenrechtlich liegt es nahe, für das Keyword-Advertising die gleichen Anforderungen aufzustellen wie für Metatags. Allerdings ist bei den Keywords die kennzeichenmäßige Verwendung des betreffenden Suchworts noch problematischer als bei Metatags. Schließlich erscheint hier die fremde Marke in keiner Weise (nicht einmal „unsichtbar“) in der Präsentation des Werbenden.
1290
Mit den Argumenten aus der „Impuls“-Entscheidung des BGH ließ sich auch bei Keywords eine kennzeichenmäßige Nutzung bejahen1. Schließlich dient die Einstellung des Werbeprogramms dergestalt, dass bei Eingabe einer fremden Marke die eigene Anzeige erscheinen soll, allein dem Zweck, die fremde Marke mit der eigenen Internetpräsentation in Verbindung zu bringen. In seiner „Bananabay“-Entscheidung, in der es um Rechte aus einer eingetragenen Marke ging, hat der BGH indes von einer eigenen Stellungnahme abgesehen und dem EuGH die Frage, ob eine markenmäßige Nutzung zu bejahen ist, zur Vorabentscheidung vorgelegt2.
1291
An einer Markenrechtsverletzung fehlt es, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht. „Plakat 24“ ist eine Marke mit schwacher Kennzeichnungskraft, sodass mangels Verwechslungsgefahr kein Unterlassungsanspruch gegen die Buchung von „Plakat 24-Stunden-Lieferung“ als AdWords besteht3. 1 OLG Braunschweig vom 12.7.2007, MMR 2007, 789 ff.; OLG Braunschweig vom 11.12.2006, MMR 2007, 249, 250 f.; OLG Braunschweig vom 5.12.2006, CR 2007, 177 ff.; OLG Braunschweig vom 16.12.2008, CR 2009, 334, 335 f.; OLG Dresden vom 9.1.2007, K&R 2007, 269, 270; OLG München vom 6.12.2007, CR 2008, 590, 591 = MMR 2008, 334, 335; OLG Stuttgart vom 9.8.2007, MMR 2007, 649, 650 f.; LG Berlin vom 21.11.2006, CR 2007, 747, 748; LG Braunschweig vom 28.12.2005, CR 2006, 281 f. mit Anm. Hüsch; LG Braunschweig vom 15.11.2006, CR 2007, 188, 189 ff. mit Anm. Hüsch; LG Braunschweig vom 30.1.2008, K&R 2008, 191, 191; LG Braunschweig vom 23.4.2008, CR 2008, 734, 735 mit Anm. Dietrich/Koops; LG Hamburg vom 14.11.2003, Az. 312 O 887/03; LG Köln vom 9.2.2007, MMR 2007, 736 f.; LG Leipzig vom 16.11.2006, MMR 2007, 265 f.; LG München I vom 2.12.2003, MMR 2004, 261 mit Anm. Bahr; a.A. Meyer, K&R 2006, 557, 561; Meyer, K&R 2007, 177, 179; Pierson, K&R 2006, 547, 548 f.; KG vom 9.9.2008, MMR 2009, 47 f. = CR 2009, 113, 114 ff.; KG vom 26.9.2008, MMR 2009, 69 (Ls.); OLG Düsseldorf vom 23.1.2007, CR 2007, 256, 257 mit Anm. Renner; OLG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, K&R 2008, 309 ff. mit Anm. Mann; OLG Köln vom 31.8.2007, MMR 2008, 50 ff.; OLG Köln vom 12.10.2007, MMR 2008, 477 f.; LG Düsseldorf vom 14.1.2009, MMR 2009, 290 (Ls.); LG Frankfurt a.M. vom 30.1.2008, MMR 2008, 767 f.; LG Hamburg vom 21.9.2004, CR 2004, 938, 939; LG Hamburg, vom 21.12.2004, MMR 2005, 629, 629; LG Leipzig vom 8.2.2005, MMR 2005, 622, 623; LG München I vom 26.10.2006, CR 2007, 467, 468; vgl. auch Dörre/Jüngst, K&R 2007, 239, 241 ff.; Tietge, K&R 2007, 503, 504 ff.; Vidal, GRUR Int. 2003, 312, 322. 2 BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 326 ff. mit Anm. Hoeren – Bananabay. 3 OLG Dresden vom 30.8.2005, MMR 2006, 326 f. mit Anm. Hüsch.
328
VI. Online-Sachverhalte
An einer Markenrechtsverletzung fehlt es auch, wenn eine beschreibende Angabe als Keyword gewählt wird („pcb“ als Akürzung des Begriffs „printed circuit board“ - Leiterplatte) und daher § 23 Nr. 2 MarkenG die Benutzung legitimiert, ohne dass es auf eine markenmäßige Benutzung und auf die Gefahr einer Verwechslung mit der Marke („PCB POOL“) ankommt1. In anderen Fällen kann die Benutzung des Kennzeichens dadurch legitimiert sein, dass sie der Beschreibung der Bestimmung einer Ware oder Dienstleistung dient (§ 23 Nr. 3 MarkenG)2.
1292
An einer Kennzeichenrechtsverletzung fehlt es nach Auffassung des BGH, wenn die Eingabe des als Unternehmenskennzeichen geschützten Schlüsselworts (Beta Layout) dazu führt, dass eine Anzeige des Anmelders des Schlüsselworts eingeblendet wird, in der das Schlüsselwort selbst nicht verwendet wird3. Ob dies – über den konkret entschiedenen Fall hinaus – so zu verstehen ist, dass der BGH bei Unternehmenskennzeichen eine kennzeichenmäßige Nutzung von Keywords generell verneinen möchte, ist unklar4.
1293
In seiner „Google AdWords“-Entscheidung5, seiner Entscheidung zu „Bananabay“ bzw. „Eis.de“6 und der Entscheidung „BergSpechte“7 hat der EuGH eine kennzeichenmäßige Nutzung für den Fall bejaht, dass der Werbende durch die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens als Schlüsselwort nicht seine Waren oder Dienstleistungen den Internetnutzern als Alternative zu denen des Markeninhabers präsentieren will, sondern das Ziel verfolgt, die Internetnutzer über die Herkunft seiner Waren oder Dienstleistungen in die Irre zu führen, indem er sie zu der Annahme verleitet, dass sie vom Markeninhaber oder einem wirtschaftlich mit ihm verbundenen Unternehmen stammen. Die herkunftshinweisende Funktion der Marke werde indes nur dann beeinträchtigt, wenn die Trefferanzeigen so gestaltet sind, dass es zumindest schwer erkennbar ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. Ob die Nutzung eines fremden Kennzeichens als Keyword als kennzeichenmäßige Nutzung anzusehen ist, hängt demnach vom Inhalt und der Gestaltung der Trefferanzeigen ab.
1294
Wann genau die Schwelle zur kennzeichenmäßigen Nutzung überschritten sein soll, lässt der EuGH offen. Recht eindeutig ist die Rechtslage nur hinsichtlich der Verwendung der fremden Marke im Anzeigentext selbst.
1295
1 BGH vom 22.1.2009, CR 2009, 323, 325 f. mit Anm. Backu – pcb. 2 Vgl. LG Braunschweig vom 26.3.2008, MMR 2008, 291 (Ls.). 3 BGH vom 22.1.2009, MMR 2009, 329, 220 mit Anm. Hoeren = ZUM 2009, 562, 564 f. mit Anm. Kummermehr – Beta Layout; vgl. auch OLG München vom 6.5.2008, MMR 2008, 541. 4 Vgl. Hoeren, MMR 2009, 328, 329. 5 EuGH vom 23.3.2010, MMR 2010, 315 ff. = CR 2010, 318 ff. 6 EuGH vom 26.3.2010, K&R 2010, 397 ff. 7 EuGH vom 25.3.2010, MMR 2010, 313 ff. = CR 2010, 325 ff.
329
F. Wettbewerbsrecht
Wird die Marke in die Überschrift der Anzeige (die ja mit der Zielseite verlinkt ist) integriert, liegt eine markenmäßige Verwendung ohne Weiteres vor. Auch Verwechslungsgefahr dürfte regelmäßig gegeben sein, weil der unbefangene Nutzer erwarten wird, dass der Werbende gerade für die Waren oder Dienstleistungen wirbt, für die die Marke Schutz genießt. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die geschützten Waren/ Dienstleistungen nicht ähnlich sind1. 1296
Wird die Marke in der Anzeige nicht erwähnt und wird auch sonst keine Verbindung zu dem Markeninhaber hergestellt, liegt eine Markenrechtsverletzung nach dem Maßstab des EuGH fern. Insbesondere bei Anzeigen für Konkurrenzprodukte dürfte es an einer solchen Verbindung fehlen. Dies gilt umso mehr, wenn die eigene Marke des Werbetreibenden in der Anzeige herausgestellt wird2.
1297
➲ Praxistipp: Unternehmen, die Anzeigen buchen, die bei Eingabe einer Konkurrenzmarke erscheinen sollen, ist daher zu empfehlen, ihre eigene Marke in der Anzeige möglichst prominent herauszustellen. Dies dürfte einen Eingriff in die Herkunftsfunktion und eine Zuordnungsverwirrung ausschließen. Erscheint die Marke des Dritten in der Anzeige, muss für eine klare Abgrenzung gesorgt werden, um deutlich zu machen, dass keine wirtschaftliche Verbindung zum Markeninhaber besteht3. Hüten sollten sich Werbende vor der Verwendung der Funktion „dynamic keyword insertion“, die dafür sorgt, dass der eingegebene Suchbegriff automatisch in die Anzeige übernommen wird, um diese auffälliger zu gestalten4. Werbetreibenden, die Google-Kampagnen nicht selbst betreiben, sondern mit Agenturen zusammen arbeiten, sollten darauf bestehen, Einfluss auf die Keyword-Auswahl und insbesondere die Buchung von Marken nehmen zu können. Eine ausdrückliche Regelung dazu liegt auch im Interesse der Dienstleister, die je nach vertraglicher Grundlage gegebenenfalls gegenüber dem Auftraggeber für die Auswahl der Keywords einstehen müssen5.
1298
Die erhoffte Rechtssicherheit für Markeninhaber, Werbetreibende und Agenturen ist durch die EuGH-Urteile nicht eingetreten. Vielmehr wird es Aufgabe der nationalen Gerichte sein, die Rechtslage insgesamt zu klären. Dies hat den Nachteil, dass eine einheitliche Rechtslage in Europa nicht gewährleistet ist. Für Werbende und auch für die Rechtein-
1 2 3 4 5
Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 167. Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 166. Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 167 f. Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 168. Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 168.
330
VI. Online-Sachverhalte
haber ist dies problematisch, weil der Vertrieb im Internet an Ländergrenzen typischerweise nicht Halt macht1. dd) Verletzung des Namensrechts
Für das Namensrecht sollte bei der Schaltung von Keywords2 ähnliches gelten wie im Kennzeichenrecht. Die Schaltung von Keywords mit einem fremden Namen kann daher nur dann eine Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB darstellen, wenn Trefferanzeigen generiert werden, die den Eindruck erwecken, dass der Namensinhaber mit den geschalteten Anzeigen in Verbindung steht.
1299
d) Doorwaypages
Dass einige Suchmaschinen die Anzahl und Qualität der Verlinkungen auf andere Seiten als Kriterium bei der Bestimmung der „Relevanz“ der Seite heranziehen, hat dazu geführt, dass Websites geschaffen werden, deren alleiniger Inhalt Links auf andere Seiten sind. Solche Seiten werden als Doorwaypages (auch Brückenseiten oder Gatewaypages) bezeichnet3.
1300
Wettbewerbsrechtlich ist dieses Vorgehen unter dem Gesichtspunkt der Irreführung nicht zu beanstanden. Die „Relevanz“ einer Website ist objektiv nicht zu bestimmen. Dies spricht gegen die Annahme einer Irreführung4. Allerdings sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG erfüllt, wenn die Namen von Konkurrenten und anderen Personen für die Suchmaschinenoptimierung eingesetzt werden und zugleich Tausende von leeren Seiten installiert werden, die nur für die Suchmaschine „sichtbar“ sind, um in den Suchlisten ein höheres Ranking zu erzielen und Internetnutzer auf die eigenen Seiten umzuleiten5.
1301
Wenn der Anbieter einer Filtersoftware im Rahmen eines Suchergebnisses angezeigte Seiten als „Spam“ markiert, da diese Seiten nachweisbar mit zahlreichen Doorwaypages beworben werden, erfüllt dies nicht den Tatbestand des § 4 Nr. 8 UWG (Anschwärzung und geschäftliche Verleumdung)6.
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Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 165, 168. Vgl. Schirmbacher, ITRB 2007, 117, 118. Vgl. Ernst, WRP 2004, 278, 280. A.A. Ernst, ITRB 2005, 91, 93; Ernst, WRP 2004, 278, 281 vgl. auch Ott, MMR 2008, 222, 225. 5 OLG Hamm vom 18.6.2009, MMR 2010, 36, 37 f. 6 OLG Hamm vom 1.3.2007, CR 2007, 530, 531 ff. mit Anm. Ernst.
331
F. Wettbewerbsrecht
2. E-Mail-Werbung
1303
Übersicht Spamming: – Wettbewerbsrecht: E-Mail-Werbung ist ohne vorheriges ausdrückliches Einverständnis des Empfängers wettbewerbswidrig (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). – Deliktsrecht: Der Empfänger hat Unterlassungsansprüche aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB (Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. in den Gewerbebetrieb).
1304
Als Spamming bezeichnet man das massenhafte Versenden von unerwünschten Werbe-E-Mails1. Jeder, der einen E-Mail-Account besitzt, kennt Spam: die Werbung per E-Mail für Finanzierungsangebote, Viagra und den neuesten Erotik-Chat.
1305
Die rasante Verbreitung der Direktwerbung per E-Mail liegt vor allem an den geringen Kosten. Die millionenfache Versendung von E-Mails kostet den Absender einen Bruchteil des Aufwandes einer Versendung von 100 herkömmlichen Werbebriefen. Hinzu treten die Möglichkeiten der Personalisierung und systematischen Werbung bei bestimmten Zielgruppen.
1306
Den Internetnutzern entstehen nach einer Untersuchung der EU-Kommission jährlich weltweit Kosten zwischen 5 und 10 Milliarden Euro durch Spamming2. Das Aufräumen und Säubern des Mail-Accounts ist zur Routine geworden, der Einsatz von Spam-Filtern auch3. Zu Recht wird jedoch gerade im beruflichen Bereich zur Vorsicht vor allzu streng eingestellten Spam-Filtern geraten: Leicht gerät eine E-Mail in den falschen Ordner und verschwindet ungelesen im Datennirwana4.
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Das Ordnen der E-Mails kostet Zeit und Geld. Dies gilt in erster Linie für das Lesen und Aussortieren der E-Mails, aber auch für die Online- bzw. Downloadzeit. Kosten fallen auch bei den Providern an, die in die E-MailKommunikation eingeschaltet sind. Diese befördern in riesigem Umfang Datenmengen, die von den Empfängern nicht angefordert wurden. Die Provider müssen dennoch die entsprechende Infrastruktur vorhalten. Die 1 Strömer, Online-Recht, S. 158; Hoeren in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 114; Hoeren in Becker (Hrsg.), Rechtsprobleme internationaler Datennetze, S. 35; vgl. Koch, Internet-Recht, S. 173; Leupold, WRP 1998, 270, Fn. 9; Schmittmann, DuD 1997, 636, 639; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17. 2 Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 54. 3 Heidrich/Tschoepe, MMR 2004, 75 ff.; Kitz, CR 2006, 772 , VuR 2007, 54, 54. 4 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM(2004)28 endg., S. 7; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 54.
332
VI. Online-Sachverhalte
massenhafte Versendung von Werbung per E-Mail stellt insgesamt eine ernste Herausforderung für das gesamte Kommunikationsmedium dar1. Die Versender von Spam-Mails erwerben E-Mail-Adressen vielfach von professionellen Adresshändlern. Die Händler sammeln die Adressen mittels so genannter Harvester-Software aus dem Internet. Häufig werden die E-Mail-Adressen auch automatisch generiert2.
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a) Wettbewerbsrecht
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG ist es unzulässig, geschäftliche Handlungen vorzunehmen, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UWG).
1309
In § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist die unerwünschte Telefonwerbung („Cold Calling“3) gesetzlich geregelt. Als unzumutbare Belästigung und somit als unlauter gilt danach Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren ausdrückliche Einwilligung und gegenüber sonstigen Marktteilnehmern (Unternehmern) ohne deren zumindest mutmaßliches Einverständnis4.
1310
§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG untersagt die Faxwerbung, sofern es an einer Einwilligung des Adressaten fehlt5. Notwendig ist somit sowohl gegenüber Verbrauchern als auch bei anderen Empfängern (Unternehmern) deren vorherige Zustimmung (§ 183 BGB). Anders als § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG lässt § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG das mutmaßliche Einverständnis des Empfängers nicht ausreichen6, sodass der Absender nicht umhin kommt, vor Versendung eines Werbefaxes die Adressaten ausdrücklich um ihr Einverständnis zu bitten.
1311
In einem obiter dictum hat der BGH zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG die Auffassung vertreten, es reiche nach wie vor das mutmaßliche Einverständnis des Empfängers zur Zulässigkeit von Faxwerbung aus7. Der BGH bleibt allerdings jegliche Begründung dieser mit dem Wortlaut der Norm unvereinbaren Ansicht schuldig.
1312
1 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM(2004)28 endg., S. 4; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 54. 2 Schirmbacher, VuR 2007, 54, 54. 3 Vgl. OLG Stuttgart vom 26.8.2008, CR 2008, 711 f. 4 Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 159; LG Heidelberg vom 10.7.2008, MMR 2008, 763 f. 5 Vgl. OLG Hamm vom 18.1.2005, CR 2006, 19, 20. 6 OLG Stuttgart vom 22.3.2007, MMR 2008, 136 (Ls.). 7 BGH vom 1.6.2006, NJW 2006, 3781, 3781 f. mit Anm. Ernst.
333
F. Wettbewerbsrecht
aa) Opt-In-Prinzip
1313
Dem LG Traunstein kommt eine Vorreiterrolle zu, da von ihm die erste veröffentlichte Entscheidung zum Spamming stammt, in der das Gericht weitsichtig (schon 1997) den Gesichtspunkt des drohenden „Anschwellens“ der unerwünschten E-Mail-Werbung als tragenden Grund für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG a.F. anführte1. Bei der gemäß § 1 UWG a.F. notwendigen Gesamtwürdigung fiel ergänzend ins Gewicht, dass dem Empfänger einer Werbe-E-Mail zugemutet wird, die E-Mail durch zumindest flüchtige Lektüre als Werbung zu identifizieren und die als Werbung identifizierten E-Mails gegebenenfalls zu löschen. Auch die beim Empfänger anfallenden Übertragungskosten für den Abruf einer Werbe-E-Mail sprachen dafür, das Spamming als sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG a.F. anzusehen2.
1314
Nach einem anfänglichen Schlingerkurs entwickelte sich nach und nach Einigkeit über die Wettbewerbswidrigkeit unverlangter E-Mail-Werbung3. Diese Auffassung wurde vom BGH bestätigt, der den Versand von SpamMails als sittenwidrig und als Verstoß gegen § 1 UWG a.F. bewertete4.
1315
§ 7 Abs. 2 Nr. 3 und 4 sowie § 7 Abs. 3 UWG enthalten jetzt ausdrückliche Regelungen für das Spamming5. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten eine unzumutbare Belästigung und damit eine unlautere Handlung anzunehmen. Zudem ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG Werbung mit Nachrichten untersagt, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten 1 LG Traunstein vom 18.12.1997, NJW 1998, 1648 f.; vgl. Engels/Eimterbäumer, K&R 1998, 196, 200; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17, 21 f. 2 Vgl. Hoeren in Becker (Hrsg.), Rechtsprobleme internationaler Datennetze, S. 45; Hoeren in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 115; Ernst, BB 1997, 1057, 1060; Hoeren, WRP 1997, 993, 995; Schmittmann, DuD 1997, 636, 639; Schmittmann, MMR 1998, 53, 54; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17, 20 f.; a.A. Funk, CR 1998, 411, 419; Leupold, WRP 1998, 270, 276 f. 3 Strömer, Online-Recht, S. 161; Hoeren in Becker (Hrsg.), Rechtsprobleme internationaler Datennetze, S. 35, 46; Hoeren in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 111, 115; Waltl in Lehmann (Hrsg.), Cyberlaw, S. 185, 193 f.; Engels/Eimterbäumer, K&R 1998, 196, 200; Ernst, BB 1997, 1057, 1060; Hoeren, WRP 1997, 993, 995; Schmittmann, DuD 1997, 636, 639; Schmittmann, MMR 1998, 53, 54; Schrey, K&R 1998, 222, 223; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, 17, 20; Ultsch, DZWir 1997, 466, 470 f.; LG Ellwangen vom 27.8.1999, CR 2000, 188; LG Traunstein vom 18.12.1997, NJW 1998, 1648, 1648 f. = CR 1998, 171; differenzierend Leupold, WRP 1998, 270, 277; a.A. Funk, CR 1998, 411, 420; Reichelsdorfer, GRUR 1997, 191, 197. 4 BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = WRP 2004, 731 = MMR 2004, 386 mit Anm. Hoeren – E-Mail-Werbung. 5 Vgl. Härting/Eckart, ITRB 2004, 185.
334
VI. Online-Sachverhalte
richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. Damit ist Art. 13 der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation1 umgesetzt worden2. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt fest, was schon zuvor von der Rechtsprechung konstatiert worden war: Spamming ist wettbewerbswidrig. Zudem gilt in Deutschland zweifelsfrei die Opt-In-Regelung, also das Erfordernis eines vorherigen Einverständnisses. Dieses Erfordernis steht im Gegensatz zu der in den USA herrschenden Opt-Out-Variante, bei der dem Empfänger lediglich die Möglichkeit gegeben werden muss, sich nach dem Empfang der Werbesendung weitere Zusendungen zu verbitten. Die Möglichkeit, sich aus einem E-Mail-Verteiler austragen zu lassen, ändert hierzulande nichts an der Wettbewerbswidrigkeit der erhaltenen Mail. Einzelnen Stimmen, die entgegen dem klaren Trend in der Rechtsprechung ein Opt-Out auch in Deutschland befürworteten3, wurde durch § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG der Boden entzogen.
1316
Wettbewerbswidrig ist auch die unaufgeforderte Werbung per MobilfunkKurzmitteilung (SMS)4 oder per Bluetooth5. Nicht ohne weiteres vergleichbar sind Werbenachrichten, die über die vom Empfänger ohne Weiteres abschaltbare Net-Send-Funktion per Pop-Up-Fenster verbreitet werden6.
1317
Auch die Zusendung unbestellter Waren und die Erbringung unbestellter Dienstleistungen erfüllt den Tatbestand der unzumutbaren Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG). Beides dient der Förderung des Absatzes und ist als anreißerische Werbung zu werten7.
1318
bb) Werbung
Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG liegt immer dann vor, wenn die Spam-Mail darauf abzielt, Waren oder Dienstleistungen abzusetzen. Als Werbung ist daher auch eine Mail anzusehen, in der der Absender die Schaltung eines Werbebanners anbietet, wenn die Bannerwerbung offen1 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, ABl. EG L 201 vom 31.7.2002, S. 37. 2 Vgl. Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 825 ff. 3 Vgl. Ziem, MMR 2000, 129. 4 BGH vom 16.7.2008, BB 2008, 2426, 2429 mit Anm. Schirmbacher; LG Berlin vom 14.1.2003, CR 2003, 339, 339 f. mit Anm. Ayad; LG Hannover vom 21.6.2005, CR 2006, 529, 530 mit Anm. Müglich; vgl. auch Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 164; LG Bonn vom 19.7.2004, CR 2005, 198, 199 f. 5 Vgl. Sassenberg/Berger, K&R 2007, 499 ff. 6 LG Berlin vom 13.5.2004, MMR 2004, 699 mit Anm. Berger; vgl. auch LG Köln vom 27.8.2008, MMR 2008, 833, 834 f. 7 OLG Koblenz vom 17.6.2009, MMR 2010, 38.
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1319
F. Wettbewerbsrecht
kundig von geschäftlichen Zwecken getragen ist1. Der Werbebegriff des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG umfasst auch den Fall einer Nachfrage des Werbenden nach Waren oder Dienstleistungen2. Für das Schutzbedürfnis des Empfängers stellt es keinen Unterschied dar, ob er unaufgefordert Angebote für Waren oder Dienstleistungen erhält oder ob ihm Anfragen zugehen, in denen beispielsweise Immobilien oder Antiquitäten nachgefragt werden3. 1320
Jede Werbung setzt voraus, dass es dem Werbenden um eine Geschäftsanbahnung bzw. um den Abschluss eines Vertrages geht. Daher wird § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht verletzt, wenn der Betreiber einer Internet-Datenbank ein Unternehmen per E-Mail um eine Bestätigung bittet, dass ein bestimmter (kostenloser) Eintrag richtig ist, der das Unternehmen betrifft4.
1321
Es reicht für eine Werbung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG aus, dass die E-Mail – neben Informationen – auch Werbung enthält5. Enthält eine Mail allerdings lediglich die Aufforderung, für ein Projekt aus dem Geschäftsbereich des Empfängers ein Angebot abzugeben, fehlt es am Werbecharakter6. Zulässig ist im Übrigen auch der E-Mail-Versand durch eine Verlagsredaktion, wenn sie ausschließlich der Nachrichtenbeschaffung dient7.
1322
Als Werbung ist auch die Umfrage eines Marktforschungsinstituts anzusehen, wenn es bei der Umfrage ausschließlich um die Zufriedenheit der Kunden mit den Dienstleistungen eines Unternehmens geht mit dem Ziel, die Serviceleistungen des Unternehmens zu verbessern und dadurch den eigenen Kundenstamm zu erhalten8. cc) Individuelle Einwilligung
1323
Unproblematisch ist der E-Mail-Versand lediglich, soweit der Empfänger zuvor sein Einverständnis mit der Übersendung von Werbung per E-Mail gegenüber dem Versender ausdrücklich erklärt hat. Die Einwilligung kann in jeder geeigneten Weise gegeben werden, die dem Nutzer erlaubt, seinen Wunsch in spezifischer Weise, sachkundig und in freier Entschei1 A.A. OLG Düsseldorf vom 4.10.2005, MMR 2006, 171 ff. 2 Leible, K&R 2006, 485, 486. 3 BGH vom 17.7.2008, WRP 2008, 1328, 1329 = K&R 2008, 603, 604 f. mit Anm. Wäßle – Faxanfrage im Autohandel; BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 2999, 3000 = WRP 2008, 1330, 1332 = MMR 2008, 662, 663 mit Anm. Schulze zur Wiesche – FC Troschenreuth. 4 A.A. LG Memmingen vom 23.12.2009, Az. 1 HK O 1751/09. 5 Vgl. OLG Hamm vom 14.5.2009, MMR 2009, 769; LG Berlin vom 13.3.2007, MMR 2008, 136 (Ls.); a.A. Ernst/Seichter, MMR 2006, 779, 783. 6 Vgl. OLG Naumburg vom 30.9.2005, GRUR-RR 2006, 380. 7 LG München I vom 15.11.2006, MMR 2007, 120 f. 8 OLG Köln vom 12.12.2008, MMR 2009, 267, 268.
336
VI. Online-Sachverhalte
dung zum Ausdruck zu bringen – beispielsweise durch das Markieren eines Feldes auf einer Internetseite1. Ein konkludentes Einverständnis mit dem Empfang von Werbung reicht seit der letzten UWG-Novelle nicht mehr aus, da § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG jetzt ein „ausdrückliches“ Einverständnis verlangt2. Eis solches Einverständnis liegt im Übrigen weder in der Veröffentlichung einer Telefaxnummer in einem allgemein zugänglichen Verzeichnis (bei Fax-Werbung)3 noch in der Angabe einer E-Mail-Adresse auf der Internetseite eines Unternehmens4. Erst recht reicht es nicht aus, dass Versender und Empfänger in der Vergangenheit einmal E-Mail-Kontakt gehabt hatten5.
1324
Wie bei der Faxwerbung lässt § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch bei der E-MailWerbung das mutmaßliche Einverständnis des Empfängers nicht ausreichen6. Dies bedeutet eine Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage, bei der das mutmaßliche Einverständnis genügte7.
1325
Die Zustimmung zur Zusendung von E-Mail-Werbung gilt nicht ewig. Erfolgt eine Zusendung erst zwei Jahre nach Erteilung des Einverständnisses, ist in aller Regel davon auszugehen, dass das Einverständnis nach dem Willen des Empfängers nicht mehr fortgilt8.
1326
Schon die einmalige, versehentliche Versendung einer Spam-Mail kann den Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfüllen9. Nach der Bejahung einer unzumutbaren Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 2 UWG ist die Frage eines Bagatellverstoßes nicht mehr zu prüfen. Dies galt auch schon nach altem Recht (§ 3 UWG 2008)10.
1327
1 BGH vom 17.7.2008, WRP 2008, 1328, 1330 = K&R 2008, 603, 604 mit Anm. Wäßle – Faxanfrage im Autohandel. 2 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 7 Rdnr. 179, Schirmbacher, K&R 2008, 433, 437. 3 BGH vom 17.7.2008, WRP 2008, 1328, 1330 = K&R 2008, 603, 605 mit Anm. Wäßle – Faxanfrage im Autohandel. 4 BGH vom 17.7.2008, NJW 2008, 2999, 3000 = WRP 2008, 1330, 1332 = MMR 2008, 662, 664 mit Anm. Schulze zur Wiesche – FC Troschenreuth; OLG Hamm vom 25.10.2007, MMR 2008, 780 (Ls.); LG Kleve vom 9.3.2010, WRP 2010, 674, 675. 5 AG München vom 9.7.2009, K&R 2010, 71 f. 6 Ernst/Seichter, MMR 2006, 779, 782; Leible, K&R 2006, 485, 486 f.; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 608, 610; BGH vom 10.12.2009, MMR 2010, 183 f.; OLG Bamberg vom 27.9.2006, CR 2007, 262, 263 = MMR 2007, 392 f.; OLG Hamm vom 25.10.2007, MMR 2008, 780 (Ls.); OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 277. 7 BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = WRP 2004, 731 = MMR 2004, 386 mit Anm. Hoeren – E-Mail-Werbung. 8 LG Berlin vom 2.7.2004, CR 2004, 941, 942 f. 9 LG Bonn vom 8.9.2009, Az. 11 O 56/09. 10 BGH vom 10.12.2009, MMR 2010, 183, 184; OLG Stuttgart vom 23.1.2006, WRP 2006, 780; a.A. OLG Nürnberg vom 27.1.2006, WRP 2007, 201 f.
337
F. Wettbewerbsrecht
dd) Einwilligung in AGB
1328
Häufig wird eine Einwilligung des Werbeempfängers in Nutzungsbedingungen von Websites oder AGB von Internetanbietern eingebunden1. Dies ist besonders problematisch, wenn das Einverständnis nach Art einer „Generaleinwilligung“ weit gefasst ist und sich beispielsweise auf jegliche „Verwendung der Daten zu Werbezwecken und zur Weitergabe an Dritte“ bezieht2 oder die Einwilligung sogar auf Werbung durch „Unternehmen des Konzerns“ erstreckt3.
1329
Nach den Maßstäben, die der BGH an die Telefonwerbung anlegt4, ist ein formularmäßiges Einverständnis mit der Werbung per E-Mail im Normalfall unwirksam5. Dies gilt erst recht, wenn das Einverständnis eine Zustimmung zur Weitergabe der Daten an Dritte enthält und unter „Datenschutz“ in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen einer Plattform versteckt ist6. Unternehmen bleibt daher nichts anderes übrig, als das Einverständnis des Users ähnlich der AGB-Einbeziehung im Internet deutlich sichtbar etwa durch eine Checkbox auf der Website bei der Datenerhebung einzuholen. Versteckte Einverständniserklärungen werden als überraschende Klauseln gemäß § 305 c BGB nicht Vertragsbestandteil7.
1330
In seiner „Payback“-Entscheidung hat der BGH für das Einverständnis eine „gesonderte Erklärung“ des Users verlangt. Erwägungsgrund 17 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation8 fordere für das Einverständnis eine „spezifische Angabe“ des Nutzers. Hieran fehle es, wenn die Einwilligung in Textpassagen aufgenommen werde, die auch andere Erklärungen oder Hinweise enthalten. Der Nutzer müsse zumindest die Möglichkeit haben, ein bestimmtes Kästchen anzukreuzen oder sonst eine vergleichbar eindeutige Erklärung seiner Zustimmung abzugeben9.
1331
Auch wenn eine gesonderte Einwilligung – etwa durch Setzen eines Häkchens – erteilt wird, muss die Einwilligungserklärung deutlich formuliert und transparent sein, um den Anforderungen des § 305 c Abs. 2 BGB und
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Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. Vgl. LG Stuttgart vom 15.5.2007, MMR 2007, 668, 669 f. Vgl. OLG Köln vom 23.11.2007, WRP 1130, 1131 f. BGH NJW 2000, 2677 = GRUR 2000, 818 – Telefonwerbung VI. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 7 Rdnr. 186; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55; vgl. auch LG Berlin vom 14.1.2003, CR 2003, 339, 340 mit Anm. Ayad; LG Hamburg vom 14.2.2008, MMR 2008, 859 (Ls.); LG Heidelberg vom 11.12.2007, MMR 2008, 258. Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002, ABl. EG L 201 vom 31.7.2002, S. 38. BGH vom 16.7.2008, BB 2008, 2426, 2428 f. mit Anm. Schirmbacher.
338
VI. Online-Sachverhalte
des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen1. Dies stellt Unternehmen, die per E-Mail werben möchten, vor erhebliche Herausforderungen bei der Gestaltung wirksamer Einwilligungserklärungen2. „Konturlos“ und unzureichend ist beispielsweise die Formulierung eines Einverständnisses, „dass ... wie alle Teilnehmer touristische und nicht touristische Werbung von uns und unseren Partnern erhält“. Dasselbe gilt, wenn eine E-Mail-Adresse laut der vorformulierten Erklärung „nur von uns und unseren Geschäftspartnern für die Zusendung des 14-täglichen, kostenlosen Newsletters sowie von Verbraucher-Tipps und MarktInformationen“ genutzt werden soll3.
1332
ee) Laufende Geschäftsbeziehungen
Eine Ausnahme von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gilt für laufende Geschäftsbeziehungen4. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UWG kann ein Unternehmer die E-Mail-Adresse eines Kunden, die er im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat, zu Werbezwecken für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwenden. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG besteht diese Möglichkeit allerdings nur, wenn der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er die Verwendung jederzeit untersagen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen5. Die Anforderungen sind im Ergebnis so hoch, dass es für den Unternehmer nahezu den gleichen Aufwand bedeutet, sich bei Erhebung der E-Mail-Adressdaten des Kunden sogleich das Einverständnis mit der Werbung per E-Mail einzuholen6. Dies gilt umso mehr, als der Unternehmer beweispflichtig dafür ist, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG bei der Übersendung der Werbung vorlagen7.
1333
b) Deliktsrecht
Neben Ansprüchen aus dem UWG kommen Unterlassungsansprüche gegen den Spammer aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB in Betracht8.
1 Vgl. OLG Köln vom 29.4.2009, MMR 2009, 470, 471. 2 Vgl. Schirmbacher, BB 2008, 2430. 3 OLG Hamburg vom 29.7.2009, Az. 5 U 43/08; vgl. auch OLG Hamburg vom 4.3.2009, NJW-RR 2009, 1705 ff.; OLG Köln vom 29.4.2009, MMR 2009, 470. 4 Vgl. Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 827 f. 5 Köhler in Köhler/Bornkamm, § 7 Rdnr. 202 ff.; vgl. auch Härting/Eckart, ITRB 2004, 185, 186. 6 Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 143, 162, Schirmbacher, VuR 2007, 54, 55. 7 Vgl. LG Hamburg vom 4.8.2008, ITRB 2009, 31 f. (Intveen). 8 Vgl. Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 817.
339
1334
F. Wettbewerbsrecht
aa) Ansprüche des Empfängers
1335
1336
Nach herrschender Meinung erfüllt das Spamming stets den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB1. Wird Werbung an eine private E-Mail-Adresse versandt, ohne dass der Empfänger mit der E-Mail-Werbung einverstanden ist, erfüllt dies den Tatbestand eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht2. Handelt es sich um einen geschäftlich genutzten E-Mail-Anschluss, geht die Rechtsprechung ganz überwiegend von einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus3.
Übersicht Bei den (gewerblichen) Empfängern bejaht die Rechtsprechung einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB mit drei Argumenten4: – Beseitigungsaufwand: Dem Empfänger entstehen Kosten, indem er Arbeitszeit zum Aussortieren und Löschen unerwünschter E-Mails aufwenden muss.
1 KG vom 20.6.2002, KGReport Berlin 2002, 353; OLG Düsseldorf vom 22.9.2004, MMR 2004, 820 f.; OLG Koblenz vom 10.6.2003, CR 2003, 766 = MMR 2003, 590; OLG Bamberg vom 12.5.2005, CR 2006, 274, 275; KG vom 26.1.2007 = MMR 2007, 386, 387; LG Berlin vom 16.5.2002, CR 2002, 606 = MMR 2002, 631; LG München vom 15.4.2003, CR 2003, 615; AG Bonn vom 13.5.2003, BRAK-Mitt. 2003, 244 (Ls.); AG Hamburg vom 4.3.2003, Az. 36a C 37/03; AG Leipzig vom 27.2.2003, CR 2003, 935 = MMR 2003, 610; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282. 2 KG vom 20.6.2002, KGReport Berlin 2002, 353; OLG Düsseldorf vom 22.9.2004, MMR 2004, 820 f.; OLG Bamberg vom 12.5.2005, CR 2006, 274, 275; KG vom 26.1.2007, MMR 2007, 386, 387; LG Berlin vom 1.6.2006, K&R 2007, 56; LG Berlin vom 19.9.2002, CR 2003, 219; LG Lübeck vom 10.7.2009, MMR 2009, 868; AG Charlottenburg vom 10.11.2006, Az. 220 C 170/06; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282. 3 BGH vom 20.5.2009, K&R 2009, 649, 650 f. – E-Mail-Werbung II; KG vom 8.1.2002, CR 2002, 721 = MMR 2002, 685; OLG Düsseldorf vom 22.9.2004, MMR 2004, 820 f.; OLG Bamberg vom 12.5.2005, CR 2006, 274, 275; OLG Düsseldorf vom 24.5.2006, MMR 2006, 681, 682 ff.; OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 275; KG vom 26.1.2007, MMR 2007, 386, 387; LG Berlin vom 16.5.2002, CR 2002, 606 = MMR 2002, 631; LG Berlin vom 26.8.2003, CR 2004, 544 = MMR 2004, 44; LG Essen vom 20.4.2009, NJW-RR 2009, 1556, 1557; LG Lübeck vom 10.7.2009, MMR 2009, 868; LG München vom 15.4.2003, CR 2003, 615; AG Bonn vom 13.5.2003, BRAK-Mitt. 2003, 244 (Ls.); AG Hamburg vom 18.8.2005, K&R 2006, 244; AG Hamburg vom 20.6.2005, NJW 2005, 3220 , 3220; AG Hamburg vom 4.3.2003, Az. 36a C 37/03, AG Köln vom 7.9.2006, MMR 2006, 834; AG Leipzig vom 27.2.2003, MMR 2003, 610; AG Ludwigshafen vom 17.2.2006, MMR 2006, 421; AG Norden vom 28.1.2005, Az. 5 C 1103/04; a.A. AG München vom 24.11.2003, CR 2004, 379. 4 Vgl. KG vom 8.1.2002, MMR 2002, 685; LG Berlin vom 16.5.2002, MMR 2002, 631; LG München vom 15.4.2003, CR 2003, 615; AG Leipzig vom 27.2.2003, MMR 2003, 610.
340
VI. Online-Sachverhalte
– Online-Gebühren: Durch das Herunterladen unerwünschter E-MailWerbung fallen bei dem Empfänger gegen dessen Willen Online-Gebühren an. – Überlaufen der Mail-Accounts: Bei massenweisem Spamming besteht die Gefahr, dass der Mail-Account des Empfängers „überläuft“ mit der Folge, dass er wichtige E-Mails nicht erhält. Trotz der vergleichsweise geringfügigen Belästigung, die von einer einzelnen E-Mail ausgeht, bejaht die Rechtsprechung bereits bei dem Versand einer einzigen E-Mail einen Eingriff in den Gewerbebetrieb1. Begründet wird dies mit der Ausuferungsgefahr, die dem Kommunikationsmittel E-Mail innewohnt und die vor allem darin liegt, dass sich mit geringen Kosten massenhaft E-Mails versenden lassen2.
1337
Diese Argumentation steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den herkömmlichen Anforderungen an einen betriebsbezogenen Eingriff, der zur Erfüllung des Tatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB erforderlich ist. Danach muss ein Angriff auf die Grundlagen der unternehmerischen Betätigung vorliegen, damit ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB bejaht werden kann3. Eine bloße Belästigung reicht hierfür ebenso wenig aus wie eine lediglich mittelbare Beeinträchtigung des betroffenen Betriebes4.
1338
Von einer bloßen Belästigung kann jedenfalls dann nicht mehr die Rede sein, wenn über 3.000 E-Mails mit gewerkschaftlichem Inhalt an die dienstlichen Accounts von Mitarbeitern eines Unternehmens ohne Einverständnis der Unternehmensleitung versandt werden5. Dasselbe gilt für die Übersendung von über 500 Mails durch ein Anti-Piracy-Unternehmen in einem Zeitraum von zwei Wochen6.
1339
Der BGH bejaht einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit der Begründung, dass unverlangt zugesandte E-MailWerbung regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens beeinträchtige. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails seien Arbeits-
1340
1 Leible, K&R 2006, 485, 488 f.; OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 324; OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 275; LG Berlin vom 26.8.2003, CR 2004, 544 = MMR 2004, 44; AG Hamburg vom 20.6.2005, NJW 2005, 3220 f.; a.A. AG Dresden vom 29.7.2005, NJW 2005, 2561, 2562; AG München vom 24.11.2003, CR 2004, 379. 2 Vgl. KG vom 8.1.2002, MMR 2002, 685; LG Berlin vom 16.5.2002, MMR 2002, 631; LG Berlin vom 26.8.2003, CR 2004, 544 = MMR 2004, 44; AG Leipzig vom 27.2.2003, MMR 2003, 610. 3 Vgl. Sprau in Palandt, § 823 Rdnr. 126 f. 4 Vgl. Sprau in Palandt, § 823 Rdnr. 128. 5 Vgl. ArbG Frankfurt a.M. vom 12.4.2007, CR 2008, 195 ff. 6 LG Flensburg vom 25.11.2005, MMR 2006, 181, 182 mit Anm. Berger und Kazemi.
341
F. Wettbewerbsrecht
aufwand und Kosten verbunden. Der Arbeitsaufwand und die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mail seien zwar im Normalfall gering. Anders falle die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handele oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen müsse. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers wäre zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig wäre. Um ein „Umsichgreifen dieser Werbeart“ zu verhindern, müsse schon die einzelne Werbemail als „grundsätzlich rechtswidrig“ angesehen werden1. 1341
Für die (deliktsrechtliche) Zulässigkeit der Werbung per E-Mail genügte der Rechtsprechung nach früherem Recht ein mutmaßliches Einverständnis des Empfängers. In einer Entscheidung des LG Augsburg reichten beispielsweise 201 Sekunden Online-Zeit aus, die der spätere E-Mail Empfänger auf der Website des Versenders verbrachte, um die Werbung eines Datenbankbetreibers nicht mehr für rechtswidrig zu erachten2. Nach heutigem Recht spricht der Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung dafür, dass die strengeren Maßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch im Deliktsrecht gelten mit der Folge, dass das mutmaßliche, Einverständnis für die Rechtmäßigkeit von E-Mail-Werbung nicht mehr genügt3. Dasselbe könnte für das – wettbewerbsrechtlich gleichfalls nicht mehr ausreichende – konkludente Einverständnis gelten.
1342
Der Empfänger einer Spam-Mail kann von dem Versender die Unterlassung weiterer unerwünschter E-Mail-Werbung verlangen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Anspruch gilt für Mails an die Adresse, an die bereits Werbung verschickt worden ist, aber auch für andere E-Mail-Adressen des Empfängers4. In Betracht kommt auch ein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Auskunft über gespeicherte (Adress-)Daten gemäß § 34 BDSG5. bb) Ansprüche des Providers
1343
Angesichts des Schadens, den die E-Mail-Flut bei den Providern verursacht, überrascht das weitgehende Fehlen gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Providern und Spammern. Dies umso mehr, als unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung verwendeten Kriterien zum Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Spamming alles dafür spricht, dass Unterlassungsansprüche der Provider gegen Spammer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB bestehen6. 1 2 3 4 5
BGH vom 20.5.2009, K&R 2009, 649, 650 f. – E-Mail-Werbung II. LG Augsburg vom 4.5.1999, NJW 2000, 593. Vgl. OLG Naumburg vom 22.12.2006, K&R 2007, 274, 277 f. LG Berlin vom 16.10.2009, MMR 2010, 38 f. mit Anm. Kazemi. LG Heidelberg vom 23.9.2009, MMR 2010, 66 (Ls.); AG Düsseldorf vom 14.7.2009, MMR 2009, 872 (Ls.). 6 Härting/Eckart, CR 2004, 119.
342
VI. Online-Sachverhalte
Beseitigungsaufwand entsteht nicht nur für den Empfänger der SpamMails, sondern auch für den Provider: Der Provider muss Personal einsetzen, um die Speicherung und Weiterleitung von Spam-Mails zu unterbinden. Zudem entstehen dem Provider Kosten für die Bereithaltung von Speicherplatz, Strom und sonstiger Infrastruktur. Auch die Gefahr von Denial-of-Service-Attacken besteht beim Provider: Nutzlose Spam-Mails blockieren Speicherplatz mit dem Risiko, dass der Provider seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden nicht mehr nachkommen kann.
1344
Ein Eingriff in den Gewerbebetrieb des Providers lässt sich demnach ohne weiteres begründen. Dies gilt jedenfalls, soweit der Provider mit dem Empfang der Spam-Mails nicht einverstanden ist, wovon angesichts der bei ihm erfolgenden Schädigung auszugehen ist1.
1345
c) Double-Opt-In
Wie der BGH betont, hat der Werbende das Einverständnis des Empfängers zu beweisen2. Dieser Beweis wird dem Werbenden nur gelingen, wenn er nachweisen kann, dass der Empfänger der E-Mail tatsächlich in die Übersendung von Werbung per E-Mail eingewilligt hat.
1346
Bei der Bestellung eines Newsletters ist der Nachweis einer Eingabe der E-Mail-Adresse in ein Formular-Feld auf der Website des Versenders zum Beweis untauglich3. Die E-Mail-Adresse kann nämlich von jedermann in das entsprechende Feld eingetragen werden. Eine sinnvolle Variante ist es dagegen, wenn sich für die Bestellung ein E-Mail-Fenster öffnet und der Kunde an den Newsletter-Versender eine (vorformulierte) E-Mail unter Verwendung seiner eigenen E-Mail-Adresse absenden muss4.
1347
Weitgehend durchgesetzt hat sich das Double-Opt-In-Verfahren5: Die Anmeldemail wird vom Versender des Newsletters mit einer Mail beantwortet, die um Bestätigung der Anmeldung bittet. Nur bei „nochmaliger“ (d.h. „doppelter“) Anmeldung erfolgt tatsächlich ein Newsletter-Versand.
1348
Wer das Double-Opt-In-Verfahren verwendet, sollte sicherstellen, dass in der Bestätigungsmail noch keine Werbung für den angebotenen Dienst enthalten ist, da anderenfalls schon die Bestätigungsmail als unerbetene
1349
1 Vgl. Härting/Eckart, CR 2004, 119, 120 f. 2 BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = WRP 2004, 731 = MMR 2004, 386 mit Anm. Hoeren – E-Mail-Werbung. 3 Vgl. LG Berlin vom 19.9.2002, K&R 2002, 669; LG Essen vom 20.4.2009, NJW-RR 2009, 1556, 1557; kritisch Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 819. 4 Vgl. BGH vom 11.3.2004, NJW 2004, 1655, 1657 = CR 2004, 445, 447 f. = WRP 2004, 731, 732 f. = MMR 2004, 386, 388 f. mit Anm. Hoeren. 5 Vgl. AG Düsseldorf vom 14.7.2009, MMR 2009, 872 (Ls.); AG Berlin-Mitte vom 11.6.2008, MMR 2009, 144 (Ls.).
343
F. Wettbewerbsrecht
Werbung zu qualifizieren sein kann1. Allerdings ist es einem NewsletterVersender nicht zumutbar, in jedem Einzelfall sicherzustellen, dass das Double-Opt-In-Verfahren nicht missbraucht wird. Einzelne Missbrauchsfälle begründen daher noch kein (wettbewerbs- oder deliktsrechtlich) rechtswidriges Handeln des Newsletter-Anbieters2. d) Empfehlungsmarketing
1350
Empfehlungsmarketing durch Nutzung einer „Tell-a-Friend“-Funktion3 bedeutet, dass dem Nutzer auf der Website eines Unternehmens die Möglichkeit gegeben wird, ein konkretes Produkt an einen Bekannten weiterzuempfehlen. Dazu muss der Nutzer lediglich die E-Mail-Adresse des Empfängers und in der Regel seine eigene E-Mail-Adresse in ein Formular eintragen und die Nachricht abschicken. Der Empfänger bekommt eine E-Mail mit dem Link zu der entsprechenden Website, wobei die Mail häufig auch Werbung für das jeweilige Unternehmen enthält.
1351
Das Empfehlungsmarketing ist von der Rechtsprechung bislang unterschiedlich beurteilt worden4. Es ist unbestreitbar, dass diese Form der Werbung letztlich dem Unternehmer zu Gute kommt, der die Infrastruktur für den Service zur Verfügung stellt. Auch ein Eingriff in die Privatsphäre des Empfängers erfolgt. Dieser ist jedoch letztlich privat initiiert und deshalb mit der unaufgeforderten Werbung durch ein Unternehmen nicht in jeder Hinsicht zu vergleichen5. Dies spricht dafür, die „Tella-Friend“-Funktion jedenfalls dann für mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG vereinbar zu halten, wenn die versendete Mitteilung den Initiator der E-Mail als Absender ausweist und keine zusätzliche Werbung für den Unternehmer enthält6. In seiner Entscheidung „Freundschaftswerbung im Internet“ hat der BGH alle materiellrechtlichen Fragen offen gelassen und der Revision aus formalen, prozessrechtlichen Gründen stattgegeben7.
1 Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; KG vom 20.6.2002, CR 2003, 291, 292; vgl. auch LG Bonn vom 9.1.2007, K&R 2007, 225 ff. 2 Leible, K&R 2006, 485, 489; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 611; LG Berlin vom 23.1.2007, K&R 2007, 430 f.; LG München I vom 13.10.2009, K&R 2009, 824; AG München vom 30.11.2006, K&R 2007, 228. 3 Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 161; Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; Weber/Meckbach, MMR 2007, 482 ff. 4 Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; LG Berlin vom 18.8.2009, GRUR-Prax 2010, 207 mit Anm. Schirmbacher = K&R 2009, 823 f.; LG Nürnberg vom 4.3.2004, MMR 2004, 840; LG München vom 28.11.2002, WRP 2003, 905. 5 Leible, K&R 2006, 485, 487; Rösler, WRP 2005, 438, 440; Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56. 6 Vgl. Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 161; Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; Schirmbacher, GRUR-Prax 2010, 207, 207; Leible, K&R 2006, 485, 487 f.; Weber/Meckbach, MMR 2007, 482, 485; OLG Nürnberg vom 25.10.2005, CR 2006, 196, 197 f. 7 BGH vom 29.5.2008, K&R 2008, 742 ff. – Freundschaftswerbung im Internet.
344
VI. Online-Sachverhalte
e) E-Cards
Ein ähnlich gelagertes Problem besteht bei dem Versand von Grußkarten per E-Mail über ein Webinterface1. Auf etlichen Websites wird ein solcher (kostenfreier) Service angeboten und es lässt sich kaum vermeiden, dass die versandte E-Mail auch Werbung für den Anbieter des Service enthält. Aus diesem Grund sind solche Dienste wiederholt für unzulässig erachtet worden2. Diese Rechtsprechung ist indes mehr als fragwürdig, als das Argument einer Ausuferungsgefahr nicht greift, da der Versand der Grußkarten nur in sehr limitierten Umfang manuell möglich ist3.
1352
f) Fall „Hotmail“
Einen Unterlassungsanspruch von Microsoft gegen einen Spam-Mail-Versender aus § 14 Abs. 5 MarkenG hat das OLG Karlsruhe bejaht, da für die Spam-Mails „hotmail.de/hotmail.com“-Adressen verwendet wurden und Microsoft Inhaber der Marke „Hotmail“ ist4.
1353
g) Verschleierung kommerzieller Kommunikation
Um unerbetene Werbung per E-Mail behördlich verfolgen zu können, hat der Gesetzgeber in das Telemediengesetz (TMG) eine Bußgeldvorschrift einfügt5. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TMG dürfen in der Kopf- oder Betreffzeile von Werbemails („kommerzielle Kommunikation“) weder der Absender noch der kommerzielle Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht werden. Ein Verschleiern oder Verheimlichen liegt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 TMG vor, wenn die Kopf- und Betreffzeile absichtlich so gestaltet sind, dass der Empfänger vor Einsichtnahme in den Inhalt der Kommunikation keine oder irreführende Informationen über die tatsächliche Identität des Absenders oder den kommerziellen Charakter der Nachricht erhält. Nach § 16 Abs. 1 TMG handelt ordnungswidrig, wer absichtlich entgegen § 6 Abs. 2 TMG den Absender oder den kommerziellen Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht.
1354
aa) Hintergrund und Ziel der Regelung
§ 6 Abs. 2 TMG soll der Bekämpfung von Verschleierungs- und Verheimlichungshandlungen bei der E-Mail-Werbung dienen. Die Regelung soll diejenigen Anbieter erfassen, die den E-Mail-Versand durch gezielte Täu1 OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 324 mit Anm. Heidrich; LG München I vom 5.11.2002, CR 2003, 209; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282; vgl. Ernst/Seichter, MMR 2006, 779 ff. 2 KG vom 22.6.2004, NJW-RR 2005, 51 f.; OLG München vom 12.2.2004, MMR 2004, 324 mit Anm. Heidrich; LG München I vom 5.11.2002, CR 2003, 209; AG Rostock vom 28.1.2003, CR 2003, 621 = NJW-RR 2003, 1282. 3 Schirmbacher, VuR 2007, 54, 56; vgl. auch Leible, K&R 2006, 485, 488; Micklitz/ Schirmbacher, WRP 2006, 148, 161. 4 OLG Karlsruhe vom 25.10.2006, CR 2007, 105 ff. mit Anm. Utz. 5 Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 57.
345
1355
F. Wettbewerbsrecht
schungshandlungen besonders undurchsichtig gestalten. § 6 Abs. 2 TMG zielt auf E-Mails, bei denen es dem Empfänger erschwert wird, sich durch geeignete technische Maßnahmen vor unerwünschter Werbung zu schützen. Der Gesetzgeber hat dabei insbesondere den Einsatz von Spam-Filtern vor Augen1. 1356
Den Inhalt der Betreffzeile einer E-Mail kann der Versender selbst bestimmen. Der Irreführung des Empfängers ist damit Tür und Tor geöffnet. Von „Fehler in Ihrem Computer-System entdeckt“ über „Eine wichtige Nachricht Ihrer Bank“ zu „Nice to have met you again...“ und „Peter hat sich auch eine solche bestellt“: Betreffzeilen werden vielfach irreführend gestaltet, um den Empfänger zu veranlassen, sich die E-Mail genauer anzusehen2.
1357
Auch die Absenderangabe einer Mail lässt sich manipulieren3. Die Erkennbarkeit des Absenders an der Kopfzeile einer E-Mail ist für den Empfänger besonders wichtig. Es liegt auf der Hand, dass der Empfänger einer E-Mail eher bereit sein wird, sich mit der E-Mail genauer zu beschäftigen, wenn es sich um die E-Mail eines (vermeintlichen) Freundes oder Geschäftspartners handelt. Wird die Herkunft der Nachricht verheimlicht oder verschleiert, kann der Empfänger sein Verhalten nicht an die mit der E-Mail eventuell verbundenen Risiken anpassen4. bb) Absichtliches Verschleiern oder Verheimlichen
1358
Suggerieren die Absenderangaben, die Nachricht stamme von einer offiziellen Stelle (z.B. „Staatsanwaltschaft München“), von einem Geschäftspartner oder aus dem Freundeskreis des Empfängers, liegt ein Verschleiern des Absenders i.S.d. § 6 Abs. 2 TMG vor. Das Verbot der Verheimlichung des Absenders erfasst dagegen Nachrichten, die überhaupt keine Angaben zur Identität des Versenders enthalten5.
1359
Ein Fall des Verschleierns oder Verheimlichens des Werbecharakters der Mail liegt bei irreführenden Aussagen in der Betreffzeile vor (z.B. „letzte Mahnung“, „Achtung, besonders dringend!“, „Ihr Strafverfahren Aktenzeichen XY“)6.
1360
§ 6 Abs. 2 TMG bezieht sich nicht auf Bagatellfälle, in denen Unternehmen versehentlich irreführende Angaben machen, weil sie sich vorher
1 Vgl. Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 613 f.; BT-Drucks. 16/3078, S. 23; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. 2 Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. 3 Vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. 4 BT-Drucks. 16/3078, S. 24; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. 5 BT-Drucks. 16/3078, S. 24; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58 f. 6 BT-Drucks. 16/3078, S. 25; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58 f.
346
VI. Online-Sachverhalte
über die Anforderungen an Werbemails nicht hinreichend in Kenntnis gesetzt haben1. Sanktioniert werden sollen Wettbewerber, denen es gezielt auf eine Täuschung des Empfängers ankommt. Daher ist nur absichtliches Handeln von der Bußgeldnorm des § 16 Abs. 1 TMG erfasst2. Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 16 Abs. 1 TMG muss nachgewiesen werden, dass es dem Versender bei der Gestaltung der Kopf- und Betreffzeilen auf die Irreführung ankam. Der Nachweis absichtlichen Handelns dürfte in aller Regel unmöglich sein. Wer mit einem Bußgeldverfahren konfrontiert ist, wird mannigfaltige, schwer zu widerlegende Begründungen dafür vorbringen, dass es zu „Missverständnissen“ bei der Gestaltung der Absenderzeile gekommen ist. Man darf gespannt sein, ob es gelingen wird, auch nur in einem einzigen Fall ein Bußgeld (von bis zu 50.000 Euro, § 16 Abs. 3 TMG) durchzusetzen.3
1361
3. Online-Werbung a) Links und Frames
Vereinzelt sind Hyperlinks unter dem Gesichtspunkt der Irreführung problematisiert worden4. Denkbar ist, dass sich aus dem Zusammenhang von Kontext und Verlinkung eine Irreführung der Nutzer ergibt. So kann etwa die Aufnahme von Nichtkunden in die Referenz(link)liste eines Unternehmens irreführend sein. Auch wenn Links falsch gekennzeichnet werden, kann eine Irreführungsgefahr bestehen.
1362
Keine Irreführung liegt in einem kommentarlosen Link auf die Seiten eines Branchenverbandes. Der User verbindet mit einem solchen Link nicht notwendig die (im konkreten Fall unzutreffende) Vorstellung, dass der Betreiber der Website Verbandsmitglied ist5.
1363
Bei dem Einsatz von Deeplinks und Frames kann eine Irreführung vorliegen, wenn in die eigene Website fremde Inhalte eingebunden werden und auf diese Weise der unzutreffende Eindruck erweckt wird, diese Inhalte stammten vom Anbieter selbst. Darüber hinaus kommt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot (§ 4 Nr. 3 UWG und Nr. 11 der UWG-Anlage sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV6) in Betracht, wenn etwa
1364
1 Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590 593; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 614. 2 BT-Drucks. 16/3078, S. 25; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 59. 3 Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 593; vgl. Schirmbacher, VuR 2007, 54, 58. 4 OLG Jena vom 14.5.2003, WRP 2003, 1141 = NJW-RR 2003, 1199 = MMR 2003, 531; LG Erfurt vom 28.11.2002, WRP 2003, 414; LG Hamburg vom 2.1.2001, CR 2001, 265 = EWiR § 1 UWG 7/01, 501 (Hoeren). 5 OLG Jena vom 14.5.2003, WRP 2003, 1141, 1142 = NJW-RR 2003, 1199 = MMR 2003, 531, 532; a.A. LG Erfurt vom 28.11.2002, WRP 2003, 414. 6 Siehe Rz. 1109 ff.
347
F. Wettbewerbsrecht
durch die Form der Einbindung von Frames die Grenzen zwischen den redaktionellen und werbenden Inhalten verschwimmen1. 1365
Eine Irreführung oder unlautere Leistungsübernahme durch den Verweis auf fremde Inhalte per Deeplink liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Herkunft der Inhalte hinreichend deutlich gemacht wird und diese im Internet frei zugänglich sind2. b) Bannerwerbung
1366
Bannerwerbung ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt keine unangemessene Belästigung des Users vor (vgl. § 4 Nr. 1 UWG), da der Internetnutzer an Bannerwerbung gewöhnt ist und akzeptiert, dass die Bannerwerbung kostenlose Internetangebote überhaupt erst ermöglicht3. Auch ein Verstoß gegen das Trennungsgebot (§ 4 Nr. 3 UWG und Nr. 11 der UWG-Anlage sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und § 58 Abs. 1 RStV4) kommt nicht in Betracht, da Banner im Normalfall als Werbung unschwer zu erkennen sind5. c) Pop-Ups und Pop-Unders
1367
Zu den im Internet üblichen Werbemethoden gehört auch die Werbung über Pop-Up-Fenster6. Jeder Internetnutzer weiß zwar, dass die sich automatisch öffnenden Werbefenster beim Surfen sehr lästig sein können. Dies gilt insbesondere für Fenster, die sich erst beim Schließen des geöffneten Browser-Fensters öffnen (so genannte Exit-Pop-Ups). Hieraus jedoch – wie das LG Düsseldorf meint – eine generelle Wettbewerbswidrigkeit von Exit-Pop-Up-Fenstern unter dem Gesichtspunkt einer übermäßigen Belästigung abzuleiten7, geht viel zu weit8. Pop-Up-Fenster gehören genauso wie die Bannerwerbung zu den üblichen Gepflogenheiten im Internet, die jeder User kennt und – jedenfalls in Maßen – hinnimmt. Davon, dass der Empfänger die Werbung erkennbar nicht wünscht (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG), kann keine Rede sein. Dies gilt umso mehr, als es technisch ohne weiteres möglich ist, das Öffnen von Pop-Up-Fenstern zu verhindern. Die so genannten Pop-Up-Blocker sind ihrerseits aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wie der Vergleich mit 1 Hoeren, MMR 2004, 643, 645; vgl. LG Berlin vom 26.7.2005, MMR 2005, 778, 779. 2 Joppich, CR 2003, 504, 509; Ott, WRP 2004, 52, 57; BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408 = CR 2003, 920, 921 f. – Paperboy; LG München I vom 1.3.2002, CR 2002, 452, 454 f. 3 LG Frankfurt a.M. vom 13.9.2000, K&R 2001, 173 = MMR 2001, 560. 4 Siehe Rz. 1109 ff. 5 Vgl. Pierson, K&R 2006, 489, 492 f. 6 Vgl. Mankowski, K&R 2003, 526. 7 LG Düsseldorf vom 26.3.2003, MMR 2003, 486. 8 Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747, 752 f.; Micklitz/Schirmbacher, WRP 2006, 148, 166; Pierson, K&R 2006, 489, 494; a.A. Mankowski, K&R 2003, 526, 527; differenzierend: Leupold/Bräutigam/Pfeiffer, WRP 2000, 575, 591.
348
VI. Online-Sachverhalte
den (wettbewerbsrechtlich zulässigen) Werbeblockern für Fernsehprogramme1 zeigt. Für Pop-Unders (Pop-Down-Fenster), bei denen die Werbung in einem Fenster hinter dem geöffneten Fenster angezeigt wird, muss dasselbe gelten wie für Pop-Up-Werbung. Pop-Under- und Pop-Up-Werbung erfüllen auch nicht den Tatbestand eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs2 oder in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB)3.
1368
d) Kontextsensitive Werbung
Kontextsensitive Werbung ist so programmiert, dass sie in Abhängigkeit davon eingeblendet wird, was redaktioneller Inhalt der angezeigten Seite ist. Geht es in einer Online-Zeitung etwa um Hobbyradsport, wird Werbung für Radsportartikel eingeblendet. Problematisch kann diese Art der Werbung unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Abfangens von Kunden sein4, wenn beispielsweise in einem Bericht über den neuen BMW Bannerwerbung für Mercedes erscheint. Schon 1955 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass die gezielte Schaltung einer besonders auffälligen Anzeige im Telefonbuch auf der Seite mit dem Anfangsbuchstaben der Konkurrenz wettbewerbswidrig ist5.
1369
e) Spyware
Spyware-Programme werden von Internetnutzern oft unbewusst herunter geladen und können Einfluss auf die im Internet angezeigten Inhalte nehmen. So lässt sich Spyware beispielsweise so einstellen, dass sich bei Aufruf der Website eines Unternehmens ein Pop-Up-Fenster mit der Website eines Konkurrenten über die angewählte Seite schaltet. Wird die Software benutzt, um der Konkurrenz zu schaden, so ist darin eine gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) zu sehen6.
1370
4. Besondere Vertriebsformen im Netz a) Online-Auktionen
Bei Internetauktionen sind gelegentlich wettbewerbsrechtliche Bedenken geäußert worden gegen die Praxis, hochwertige (Marken-)Waren zu einem Mindestgebot von 1 Euro anzubieten. Denkbar ist, diese Praxis unter 1 BGH vom 24.6.2004, NJW 2004, 3032 – Fernsehfee; KG vom 24.7.2001, MMR 2002, 483LG; Frankfurt a.M. vom 8.4.1999, MMR 1999, 613; OLG Frankfurt a.M. vom 23.9.1999, MMR 1999, 720. 2 LG Berlin vom 13.5.2004, MMR 2004, 699 mit Anm. Berger. 3 Siehe Rz. 1336. 4 Vgl. LG Köln vom 12.3.2004, MMR 2004, 840 (Ls.). 5 OLG Düsseldorf vom 18.10.1955, NJW 1956, 64. 6 LG Köln vom 12.3.2004, MMR 2004, 840.
349
1371
F. Wettbewerbsrecht
dem Gesichtspunkt des Lockangebots1 als unzulässig anzusehen (§ 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 5 der UWG-Anlage)2. 1372
Dies übersieht jedoch die Besonderheiten, die bei Online-Auktionen bestehen. Zum einen erkennt der (durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige) Verbraucher ohne Weiteres, dass es bei einer Versteigerung in aller Regel nicht bei dem Anfangsgebot bleiben wird. Zum anderen fehlt es an der besonderen Lockwirkung des Mindestgebots. Viele der Ebay-Versteigerungen werden abgewickelt, ohne dass der Ersteigerer überhaupt auf die Website des Verkäufers gelangt. Der Kunde wird – anders als im Ladengeschäft – also überhaupt nicht auf andere Waren des Anbieters aufmerksam gemacht.
1373
Zutreffend ist der Irreführungsvorwurf, wenn die Auktion unter Angabe des Startpreises beworben wird, ohne dass deutlich darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Versteigerung handelt3. Wer etwa in einer Zeitschrift Anzeigen mit „Hochwertige Fernseher ab 1 Euro“ schaltet, handelt unlauter, wenn sich aus der Anzeige nicht zugleich ergibt, dass der genannte Preis lediglich der Startpreis ist4.
1374
Ein spezifisches Phänomen von Online-Versteigerungen sind Scheingebote. Gemeint sind Gebote auf eine konkrete Auktion, die der Anbieter selbst unter fremdem Namen abgibt oder durch Dritte abgeben lässt, um den Preis in die Höhe zu treiben oder um zu verhindern, dass die Ware zu dem bisher erzielten Preis veräußert wird. Ein solches Verhalten verstößt gegen die Nutzungsbedingungen vieler Internetauktionshäuser (vgl. z.B. § 10 Abs. 6 Ebay-AGB). Falls sich systematische Scheingebote nachweisen lassen, liegt eine Täuschung durch irreführende Praktiken vor, die den Tatbestand des § 4 Nr. 1 UWG erfüllt.
1375
Ein weiteres wettbewerbsrechtliches Problem der Online-Auktionen stellen Sniper-Programme dar. Diese Software wird von privaten Ersteigerern eingesetzt, um Sekunden vor Auktionsende noch ein (geringfügig) höheres Gebot automatisch abgeben zu können5. Die Bemühungen der Betreiber von Internetauktions-Plattformen, gegen die Anbieter und Händler solcher Software vorzugehen, waren teilweise wegen gezielter wettbewerbswidriger Behinderung (vgl. § 4 Nr. 10 UWG)6, unlauterem Verlei-
1 2 3 4 5 6
Vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 UWG Rdnr. 7.22 ff. Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rdnr. 25 f. OLG Hamburg vom 5.7.2001, MMR 2001, 748 = K&R 2001, 596. Vgl. OLG Hamburg vom 5.7.2001, MMR 2001, 748 = K&R 2001, 596. Vgl. Leible/Sosnitza, CR 2003, 344, 344 f. LG Hamburg vom 16.7.2002, CR 2002, 763 = MMR 2002, 755 = ITRB 2002, 283 (Günther).
350
VI. Online-Sachverhalte
ten zum Vertragsbruch1 oder eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß den §§ 823, 1004 BGB2 erfolgreich. b) Umgekehrte Versteigerungen
Gelegentlich findet man im Internet noch umgekehrte Versteigerungen (Reverse Auctions). Ein bestimmtes Produkt wird zum Verkauf angeboten zu einem Höchstpreis, der mit der Zeit immer weiter sinkt, bis sich ein Käufer gefunden hat3. Derartige Angebote leben von der Spiellust des Publikums, weswegen gelegentlich eingewendet wurde, es handele sich über einen übermäßigen und daher gemäß § 1 UWG a.F. unlauteren aleatorischen Anreiz4.
1376
Zu Recht hat der BGH den Versuchen, umgekehrte Versteigerungen im Internet wettbewerbsrechtlich pauschal zu untersagen, eine klare Absage erteilt5. Jedenfalls dann, wenn sich der Käufer mit dem „Zuschlag“ noch nicht bindet und noch frei über den Vertragsschluss entscheiden kann, liegt weder ein Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG a.F. noch ein unangemessen-unsachlicher Einfluss (§ 4 Nr. 1 UWG) vor6.
1377
c) Powershopping
Ein Beispiel dafür, dass ein Erfolg versprechendes Geschäftskonzept im Internet an den rechtlichen Rahmenbedingungen gescheitert ist, ist das so genannte Powershopping (auch Co- oder Community-Shopping). Auf meist unabhängigen Plattformen fanden sich hierbei virtuelle Einkauf1 LG Berlin vom 11.2.2003, CR 2003, 857; LG Hamburg vom 16.7.2002, CR 2002, 763 = MMR 2002, 755 = ITRB 2002, 283 (Günther); a.A. Leible/Sosnitza, CR 2003, 344, 348. 2 LG Hamburg vom 27.2.2003, K&R 2003, 296, 298 f.; a.A. Leible/Sosnitza, CR 2003, 344, 348 f. 3 Vgl. Schafft, CR 2001, 393 ff. 4 Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rdnr. 51 f.; Ernst, CR 2000, 304, 312; OLG Hamburg vom 7.12.2000, CR 2001, 340, 340 f. = MMR 2001, 539, 540 = ITRB 2001, 100 (Rössel); OLG Hamburg vom 25.4.2002, CR 2002, 753, 754 mit Anm. Leible/Sosnitza = NJW-RR 2002, 1042, 1043. 5 BGH vom 13.3.2003, CR 2003, 517 mit Anm. Lindenberg = MMR 2003, 465 mit Anm. Leible/Sosnitza – Umgekehrte Versteigerung II; BGH vom 13.11.2003, CR 2004, 290 mit Anm. Leible/Sosnitza = WRP 2004, 345, 347 = MMR 2004, 160 – Umgekehrte Versteigerung im Internet. 6 Huppertz, MMR 2000, 65, 68; Lindenberg, CR 2003, 517, 519; Schafft, CR 2001, 393, 398; BGH vom 13.3.2003, CR 2003, 517 mit Anm. Lindenberg = MMR 2003, 465 mit Anm. Leible/Sosnitza – Umgekehrte Versteigerung II; BGH vom 13.11.2003, CR 2004, 290 mit Anm. Leible/Sosnitza = WRP 2004, 345, 347 = MMR 2004, 160 – Umgekehrte Versteigerung im Internet; OLG München vom 14.12.2000, CR 2001, 338, 339 = MMR 2001, 233, 234; a.A. Ernst in Spindler/ Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rdnr. 55; OLG Hamburg vom 7.12.2000, CR 2001, 340, 340 f. = MMR 2001, 539, 540 = ITRB 2001, 100 (Rössel); OLG Hamburg vom 25.4.2002, CR 2002, 753, 754 mit Anm. Leible/Sosnitza = NJW-RR 2002, 1042, 1043.
351
1378
F. Wettbewerbsrecht
gemeinschaften mit dem Ziel zusammen, durch Mengenrabatte den Preis der Ware zu senken1. 1379
Verschiedene Gerichte haben dieses Geschäftsmodell vor allem mit Blick auf das – zwischenzeitlich längst aufgehobene2 – Rabattgesetz für unzulässig erklärt3. Doch auch lauterkeitsrechtlich wurden Bedenken geäußert. Insbesondere in dem übertriebenen Anlocken von Kunden, verbunden mit der Gefahr der Ausnutzung der Spiellust der Verbraucher, liege unlauterer Wettbewerb4. Auch der Gesichtspunkt der Laienwerbung spreche gegen die Zulässigkeit des Geschäftsmodells5.
1 Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen: Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap.1 Rdnr. 23 ff.; Huppertz, MMR 2000, 329, 330; Menke, WRP 2000, 337, 337 f.; Steinbeck, WRP 2002, 604; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35. 2 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Powershopping und Aufhebung des RabattG: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks. 14/3118, S. 2 ff. 3 OLG Hamburg vom 18.11.1999, NJW 2000, 2033, 2034 = CR 2000, 182, 182 f. = BB 2000, 115 = MMR 2000, 278 = K&R 2000, 135, 136; LG Hamburg vom 14.7.2000, CR 2000, 774, 774 f.; LG Nürnberg-Fürth vom 8.2.2000, MMR 2000, 640; offengelassen von LG Köln vom 10.10.2000, MMR 2001, 54; a.A. Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rdnr. 61; Ernst, CR 2000, 240, 240 f.; Huppertz, MMR 2000, 329, 331 f.; Menke, WRP 2000, 337, 341; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35, 38. 4 OLG Köln vom 1.6.2001, CR 2001, 545, 546 mit Anm. Leible/Sosnitza = MMR 2001, 523, 524 f.; LG Hamburg vom 14.7.2000, CR 2000, 774, 775; LG Köln vom 25.11.1999, CR 2000, 318, 318 f.; LG Köln vom 10.10.2000, MMR 2001, 54; LG Nürnberg-Fürth vom 8.2.2000, MMR 2000, 640; a.A. Huppertz, MMR 2000, 329, 332 f.; Leible/Sosnitza, CR 2001, 547, 548; Menke, WRP 2000, 337, 346; Steinbeck, WRP 2002, 604, 605 ff.; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35, 39; differenzierend Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rdnr. 64 ff.; Ernst, CR 2000, 240, 242. 5 LG Köln vom 25.11.1999, CR 2000, 318; zweifelnd Ernst in Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, Kap. 3 Rdnr. 67 f.; Stoffmehl, MMR Beilage 8/2001, 35, 39.
352
G. Domainrecht Rz. I. Domainnamen . . . . . . . . . . . . . 1382 II. Domainvergabe . . . . . . . . . . . . . 1391 III. 1. 2. 3.
Rechtsnatur der Domain . . . . 1401 Kein absolutes Recht . . . . . . . . 1402 Grundrechtsschutz . . . . . . . . . 1406 Schutz der Website . . . . . . . . . . 1408
IV. Anspruchsgrundlagen . . . . . . . 1412 1. § 826 BGB und § 4 Nr. 10 UWG – Domaingrabbing . . . . 1424 2. §§ 14, 15 MarkenG – Marken, Unternehmensbezeichnungen und Werktitel . . . . . . . . . . . . . . 1439 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 1440 b) Registrierung und Nutzung einer Domain . . . . . . . 1447 aa) Kennzeichenschutz . . . 1449 bb) Kennzeichenmäßige Nutzung . . . . . . . . . . . . 1456 cc) Nutzung im geschäftlichen Verkehr . . . . . . . 1471 dd) Identität oder Verwechslungsgefahr . . . . 1479
Rz. 3. § 12 BGB – Namensrechte . . . 1502 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 1502 b) Namen und Domains . . . . . 1515 c) Schutz des Nichtberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1527 4. Namens- und Kennzeichenrechte unter Gleichnamigen . 1531 5. Streit um Ortsbezeichnungen 1547 6. §§ 3, 5 UWG – Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1557 a) Gattungsbegriffe . . . . . . . . . 1559 b) Anwaltsdomains . . . . . . . . . 1569 c) Domainendungen . . . . . . . . 1579 d) Tippfehler und Umlaute . . 1583 V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . 1602 1. Anspruchsziele . . . . . . . . . . . . . 1602 2. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . 1617 3. Zuständiges Gericht und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen . . . . . . 1625
Das Internet setzt sich aus einer Vielzahl unabhängiger Netzwerke zusammen, die wiederum aus Millionen von Rechnern bestehen. Den Datenaustausch zwischen diesen Rechnern ermöglicht das Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP)1 . Um sich den Weg durch die Netzwerke zu bahnen, benötigt jeder Rechner eine Zieladresse – die so genannte IP-Adresse. Diese Adresse besteht aus Zahlen und ähnelt einer Telefonnummer. Um die Adressen benutzerfreundlich zu gestalten, lässt sich jede Adresse in einen Namen „übersetzen“ – den Domainnamen oder (gleichbedeutend) die Domain2.
1380
Aus der Identifikationsfunktion3 der Domains folgt, dass Internetadressen jeweils nur einmal vergeben werden können. Attraktive Domains sind somit ein knappes Gut, und der Handel mit Domains ist schon seit langem ein blühendes Geschäft. Die Kennzeichenfunktion erklärt auch, weshalb sich das Domainrecht mittlerweile neben dem Markenrecht als fester, eigenständiger Bereich des Kennzeichenrechts etabliert hat.
1381
1 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 5. 2 Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1062. 3 Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 58 f.
353
G. Domainrecht
I. Domainnamen 1382
Der Internetnutzer, der die Homepage des Bundesgerichtshofs aufrufen möchte, stellt durch Eingabe der Adresse bundesgerichtshof.de die Verbindung zu einem Rechner her, der die Daten für diese Homepage gespeichert hält. Dieser Rechner hat – gleich einer Hausnummer – eine IPAdresse, die aus einer Zahlenkombination besteht (bei bundesgerichtshof.de z.B. 77.87.229.73). Um das System benutzerfreundlich zu gestalten, hat man den Zahlenkombinationen Namen zugeordnet, die Domainnamen. Die Zuordnung von Domainnamen zu IP-Adressen erfolgt auf Name-Servern1. Befürchtungen, dass die Anzahl der möglichen IP-Adressen sich demnächst erschöpfen könnte, wird mit der Einführung einer neuen Version des Internetprotokolls (IPv6) begegnet2.
1383
Die Adresse setzt sich stets zusammen aus der Second-Level-Domain und der Top-Level-Domain (TLD). Bei bundesgerichtshof.de ist .de die TLD und bundesgerichtshof die Second-Level-Domain.
1384
Unterhalb der Second-Level-Domain ist es möglich, beliebig viele Subdomains zu bilden. De.eurosport.yahoo.com ist ein Beispiel für die Bildung einer Third- und Fourth-Level-Domain. Diese Subdomains kann der Inhaber der Domain (yahoo.com) selbst bilden.
1385
Die Top-Level-Domain ist die Domainendung. Dabei wird zwischen generischen und geographischen Domains unterschieden. Zu den am häufigsten verwendeten generischen Domains gehören die Domains mit den Endungen .com (commercial), .org (gemeinnützige Organisationen), .net (Netzwerkprovider), .info (Informationsdienste); die alle unbeschränkt registrierbar sind. Weitere TLDs sind beispielsweise .int (internationale Organisationen), .mil (US-military), .gov (US-governmental), .edu (US-educational), .aero (Luftfahrtindustrie), .biz (für Anbieter gewerblicher Websites), .coop (für genossenschaftliche Unternehmen), .mobi (für mobile Endgeräte), .museum (für Museen); .name (für natürliche Personen) sowie .pro (für Freiberufler)3.
1386
Die geographischen TLDs (gTLDs) lassen sich jeweils einem Staat zuordnen. So ist .de für Deutschland reserviert, .ch für die Schweiz, .at für Österreich, .fr für Frankreich und .uk für Großbritannien4.
1387
Eine Mischform zwischen geographischen und generischen Domains stellen die TLDs .ag (Antigua), .tv (Tuvalu) und .ws (West-Samoa) dar. Dem Ursprung nach handelt es sich um geographische Domains. Die Regierungen der jeweiligen Staaten haben jedoch die Domains an ame1 Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 6 ff; Schneider in Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rdnr. 666 ff.; Lewinski, VerwArch 2007, 473, 474 f. 2 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 8. 3 Vgl. für einen Überblick der derzeit bestehenden gTLDs: Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 15; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 16. 4 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 17.
354
II. Domainvergabe
rikanische Unternehmen verkauft, die die Adressen als .aktiengesellschaft, .television und .website vermarkten1. Einige Besonderheiten gelten für die von der Europäischen Union eingeführte TLD .eu. Die .eu-Domains werden durch die EURid (European Registry of Internet Domain Names)2 als zentrale Vergabestelle verwaltet. Die Vergabe erfolgt nach dem Prinzip „First Come, First Served“. Einzelheiten regelt eine EU-Verordnung, die im April 2004 verabschiedet wurde3 und die von den nationalen Gerichten als unmittelbar geltendes Recht angewendet werden kann4.
1388
Die EU-Verordnung sah zwei Sunrise-Perioden vor. Die erste Sunrise-Periode bevorzugte die Inhaber von registrierten nationalen Marken und Gemeinschaftsmarken, geographische Angaben sowie Namen öffentlicher Einrichtungen und öffentlicher Gebietskörperschaften. In der zweiten Sunrise-Phase kamen vor allem Handelsnamen, Geschäftsbezeichnungen, Familiennamen und Werktitel zum Zuge5.
1389
Bei Streitigkeiten um .eu-Domains besteht nach der EU-Verordnung die Möglichkeit eines Streitbeilegungsverfahrens (Alternative Dispute Resolution, ADR) beim Tschechischen Schiedsgericht. Dieses Verfahren, stellt eine Alternative zu einem aufwendigen gerichtlichen Verfahren dar, schließt ein solches aber nicht aus6.
1390
II. Domainvergabe Zuständig für die weltweite Koordinierung und Verwaltung von Domainnamen ist die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Kalifornien7. Der ICANN obliegt die technische Organisation des Domain-Name-Systems (DNS). Das Domain-Name-System beinhaltet die „Übersetzung“ von IPAdressen in Buchstabenkombinationen (Domains). 1 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 18. 2 www.eurid.org. 3 Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung. 4 OLG Düsseldorf vom 11.9.2007, MMR 2008, 107, 108 mit Anm. Goldberg = K&R 2008, 51, 52 - lastminute.eu; vgl. auch Eichelberger, K&R 2008, 410 ff. 5 Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 19; Jaeger-Lenz, WRP 2005, 1234, 1235 f.; Neubauer, K&R 2005, 343, 344 f. 6 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 20; Beier in Lehmann/ Meents, Kap. 19 Rdnr. 533 ff.; Bettinger, WRP 2006, 548; Eichelberger, K&R 2008, 410 ff.; Mietzel, MMR 2007, 282; Mietzel/Orth, MMR 2007, 757; Pothmann/Guhn, K&R 2007, 69; Remmertz, Cri 2006, 161; Sobola, ITRB 2007, 259. 7 Vgl. die Articles of incorporation des ICANN vom 28.1.1998, http://www.icann.org/general/articles.htm.
355
1391
G. Domainrecht
1392
Die ICANN hat die Vergabe der Domainnamen an so genannte Network Information Center (NIC) delegiert, die in jedem Land existieren.
1393
Die zentrale Vergabestelle für Domainnamen mit der Top-Level-Domain .de ist die DENIC e.G. mit Sitz in Frankfurt/Main. Mitglied der DENIC ist eine Vielzahl von Providern. Die DENIC betreibt den Nameserverdienst für alle .de-Domains und unterhält ein zentrales Registrierungssystem für diese Domains1.
1394
Bei der Registrierung von Domainnamen verfährt die DENIC nach dem Prioritätsgrundsatz – „First Come, First Served“. Eine Prüfung angemeldeter Domainnamen auf mögliche Kennzeichenrechtsverletzungen erfolgt nicht2. Der Antragsteller muss der DENIC gegenüber versichern, durch die Registrierung keine Rechte Dritter zu verletzen, und sich verpflichten, etwaige kennzeichenrechtliche Konflikte zu beheben und die DENIC von Rechtsverfolgungskosten freizustellen3.
1395
Dass die DENIC nach dem Prioritätsprinzip verfährt und Inhaber von Namens- und Kennzeichenrechten nicht bevorzugt, ist kartellrechtlich nicht zu beanstanden (§ 20 GWB)4.
1396
Durch die Registrierung wird der Anmelder Domaininhaber. Eine Vorstufe zur Registrierung existiert nicht. Insbesondere gibt es keine Möglichkeit, bei der DENIC eine Domain zu „reservieren“.
1397
Die Registrierung der Domain führt zu keinerlei Verpflichtung, unter der Adresse auch tatsächlich eine Website zu betreiben5. Durch die Registrierung wird die Domain indes blockiert und ist nur für den Inhaber verfügbar.
1398
Bei der Registrierung hat der Domaininhaber stets eine natürliche Person anzugeben, die für die Verwaltung der Domain zuständig ist – den administrativen Kontakt (admin-c)6 . Darüber hinaus bedarf es der Eintragung eines Providers, der für die Verbindung der Domain verantwortlich ist. Hierbei handelt es sich um den technischen Kontakt, den tech-c7.
1399
Seit dem 23.10.2009 vergibt die DENIC – anders als zuvor – auch einund zweistellige Domains (z.B. br.de) und reine Zifferndomains (z.B. 1 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 21 ff.; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 32. 2 Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 21; Ernst, MMR 2002, 714, 718; Jaeger/Lenz, K&R 1998, 9, 10; Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 288. 3 Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rdnr. 16; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 24. 4 LG Frankfurt a.M. vom 21.10.2009, MMR 2010, 254, 255 mit Anm. Welzel – tv.de. 5 Schafft, GRUR 2003, 664 ff. 6 DENIC-Domainrichtlinien, VIII. 7 DENIC-Domainrichtlinien, IX.
356
III. Rechtsnatur der Domain
0815.de), Domains, die einem Kfz-Kennzeichen entsprechen (z.B. hro.de oder rz.de1) sowie Domains, die einer bereits bestehenden Top-Level-Domain entsprechen (z.B. com.de)2. Das OLG Frankfurt hatte zuvor die DENIC als Normadressaten des § 20 GWB bezeichnet3 und kartellrechtlich für verpflichtet erachtet, der Volkswagen AG die Nutzung der Domains vw.de zu ermöglichen4. Daneben wird durch die ICANN an der Einführung eines erweiterten Systems internationalisierter Domainnamen (IDN) gearbeitet, welches auch solche Zeichen zulässt, die nicht auf dem lateinischen Alphabet beruhen und nationale Besonderheiten berücksichtigt5, wie bereits die Einführung von Umlautdomains6.
1400
III. Rechtsnatur der Domain Domains sind Wirtschaftsgüter. Sie haben einen in Geld messbaren Wert, sind veräußerbar und Gegenstand einer Vielzahl vertraglicher Transaktionen.
1401
1. Kein absolutes Recht
Immer wieder wird die Rechtsnatur der Domain diskutiert. Fest steht, dass der Domainnutzung ein schuldrechtlicher Anspruch des Domaininhabers gegen die Vergabestelle zugrunde liegt7.
1402
Unstreitig kommt dem Domainnamen eine Kennzeichnungs- und Identifikationsfunktion zu8. Ebay.de, amazon.de, yahoo.de und google.de sind Beispiele für Domains, die originär als Domains überragende Bekanntheit erlangt haben. Dies legt die Überlegung nahe, den Domainschutz gleichrangig neben den Schutz anderer absoluter Rechte – insbesondere das Namensrecht und das Markenrecht – zu stellen9.
1403
1 Vgl. LG Frankfurt a.M. vom 7.1.2009, MMR 2009, 274 ff. mit Anm. Welzel – rz.de. 2 Vgl. Reinholz, ITRB 2010, 138 ff. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2007, MMR 2008, 614 ff. – 11880.de; OLG Frankfurt a.M. vom 29.4.2008, CR 2008, 656, 657 – vw.de; LG Frankfurt a.M. vom 20.5.2009, MMR 2009, 703 – x.de; vgl. auch Dingeldey, K&R 2008, 453 ff. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 29.4.2008, CR 2008, 656 ff. – vw.de. 5 Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 19; Kleinwächter, MMR 2/2009, XXIII, XXIII. 6 Siehe Rz. 1589 ff. 7 Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 36. 8 Fezer, Markengesetz, Einl. G Rdnr. 24; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 38; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 58 f.; Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 290; Reinhart, WRP 2001, 13, 14; Welzel, MMR 2001, 131, 133. 9 Vgl. Nordemann, JZ 1997, 1891, 1892.
357
G. Domainrecht
1404
Gegen das Bestehen eines absoluten Rechts1 an einer Domain spricht das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage2. In der shell.de-Entscheidung3 hat der BGH zu Recht darauf hingewiesen, dass einer Annäherung des Domainrechts an das Markenrecht die Entscheidung des Gesetzgebers entgegensteht, das Domainrecht – anders als das Markenrecht – ungeregelt zu lassen.
1405
Eine Domain unterliegt dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger des Domaininhabers4. Der schuldrechtliche Anspruch des Domaininhabers gegen die Vergabestelle ist abtretbar, verpfändbar5 und auch pfändbar6. Es handelt sich bei der Domain nicht um ein absolutes oder gar unveräußerliches Recht (§ 857 Abs. 3 ZPO)7. Die Inhaberschaft an der Domain gründet sich vielmehr auf die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber gegenüber der DENIC oder einer anderen Vergabestelle als Drittschuldner zustehen8. Diese Ansprüche sind Gegenstand der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO9. Die Verwertung kann sodann durch Versteigerung10 oder auch durch Überweisung an Zahlung statt zu einem Schätzwert11 erfolgen, da § 844 Abs. 1 ZPO diese Möglichkeiten der Verwertung eröffnet, sofern der Gläubiger einen entsprechenden Antrag stellt.
1 Vgl. LG Hanau vom 10.8.2006, MMR 2006, 761 – rheinmain.de. 2 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 5 Rdnr. 37; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 57; Seifert, S. 46; a.A. Fezer, Markengesetz, Einl. G Rdnr. 14; Koos, MMR 2004, 359, 360. 3 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 4 Stöber in Zöller, § 857 Rdnr. 12c; Welzel, MMR 2001, 131; Viefhues, MMR 2000, 286; LG Düsseldorf vom 16.3.2001, CR 2001, 468; LG Essen vom 22.9.1999, CR 2000, 247; LG Mönchengladbach vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 439; LG Zwickau vom 12.8.2009, MMR 2010, 72; AG Langenfeld/Rhld. vom 21.12.2000, CR 2001, 477; a.A. LG München I vom 12.2.2001, CR 2001, 342 = MMR 2001, 319 = K&R 2001, 527. 5 OLG München vom 8.7.2004, K&R 2004, 496, 497 – sport.de. 6 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 37; Hanloser, CR 2001, 456 ff.; Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 290; Viefhues, MMR 2000, 286 ff.; Welzel, MMR 2001, 131 ff; LG Düsseldorf vom 16.3.2001, CR 2001, 469. 7 Vgl. AG Bad Berleburg vom 16.5.2001, MMR 2002, 848. 8 LG Zwickau vom 12.8.2009, MMR 2010, 72; AG Frankfurt a.M. vom 26.1.2009, MMR 2009, 709 f. mit Anm. Welzel – greencard-select.de; vgl. auch Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1086. 9 BGH vom 5.7.2005, NJW 2005, 3353 f. = CR 2006, 50 f. = MMR 2005, 685 ff. m. Anm. Hoffmann = K&R 2005, 464 ff.; LG Mönchengladbach vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 439; vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 87; Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 167 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rdnr. 716; Boecker, MDR 2007, 1234 ff. 10 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 174; LG Mönchengladbach vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 439. 11 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 87; Beier in Lehmann/ Meents, Kap. 19 Rdnr. 172; BGH vom 5.7.2005, NJW 2005, 3353, 3354 = CR 2006, 50, 51 = MMR 2005, 685, 687 = K&R 2005, 464, 466.
358
III. Rechtsnatur der Domain
2. Grundrechtsschutz
Der schuldrechtliche Anspruch gegen die DENIC, der jeder Domainnutzung zugrunde liegt, ist – wie jede einfache Forderung – durch Art. 14 GG grundrechtlich geschützt. Einen „Besitzstand“, der die Domain gegen Beeinträchtigungen durch Dritte schützt, schafft der Grundrechtsschutz jedoch nicht1. Dies spricht auch dagegen, die Inhaberschaft an der Domain als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB anzusehen2.
1406
In einem Beschluss zu der Domain ad-acta.de hat das BVerfG den Eigentumsschutz der Domain betont und darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Nutzungsrecht an einer Domain um einen rechtlich geschützten Vermögenswert handelt, der dem Inhaber ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie Eigentum an einer Sache. Der EGMR stellte zudem klar, dass das Domainrecht auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – als Eigentumsposition – geschützt wird3. Dennoch erwirbt der Inhaber der Domain zivilrechtlich weder Eigentum an der Internetadresse noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain4.
1407
3. Schutz der Website
Im Hinblick auf Domains können sich zwei unterschiedliche Fragen stellen, die oft nicht deutlich voneinander abgegrenzt werden. Zunächst einmal kann es um die Frage gehen, ob die Registrierung und Nutzung einer Domain die Kennzeichenrechte, Namensrechte oder andere Rechte Dritter verletzt. Diese Frage lässt sich beantworten, ohne dass es darauf ankommt, ob der Domainnutzung ein Ausschließlichkeitsrecht zugrunde liegt. Zum anderen kann sich aber auch die Frage stellen, ob und inwieweit der Inhaber einer Domain sich gegen Störungen der Domainnutzung wehren kann. Nur wenn es um diese Frage geht, kann sich das Fehlen eines Ausschließlichkeitsrechts als Schwachstelle erweisen5.
1408
Wer eine Domain lediglich registriert hat, ohne sie zu nutzen, ist Inhaber einer Adresse, die der Sache nach nicht viel mehr als eine Telefon- oder Telefaxnummer oder ein Postfach ist6. Aus rechtspolitischer Sicht wäre nicht einzusehen, weshalb die Domainregistrierung eine weiter reichende Rechtsposition gewähren soll als beispielsweise die Zuteilung einer Mobilfunknummer.
1409
Völlig anders stellt sich die Situation dar, wenn eine Domain tatsächlich als Adresse einer Website genutzt wird. Dann nämlich bildet die Domain eine organische Einheit mit der Website, die selbst ein Wirtschaftsgut ist.
1410
1 Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 608; a.A. Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287 ff. 2 A.A. OLG Köln vom 17.3.2006, MMR 2006, 469 mit Anm. Utz – investment.de, vgl. auch LG Köln vom 4.8.2005, K&R 2005, 471, 472 (Vorinstanz). 3 EGMR vom 18.9.2007, MMR 2008, 29 mit Anm. Kazemi. 4 BVerfG vom 24.11.2004, NJW 2005, 589 – ad-acta.de. 5 Vgl. Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 608. 6 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 37.
359
G. Domainrecht
Wird die Domainnutzung beeinträchtigt, indem etwa Traffic umgeleitet wird, so gilt der „Angriff“ letztlich der Website und nicht der Domain. Die Frage, die sich dann stellt, ist weniger die Frage nach dem Schutz der Domain als die Frage nach dem Schutz der Website, die über die Domain erreichbar ist1. 1411
Ob und inwieweit die Website selbst durch die Rechtsordnung geschützt ist, ist eine bislang viel zu selten gestellte Frage. Sowohl aus dem Urheber-2 als auch aus dem Kennzeichen- und Wettbewerbsrecht lassen sich indes wirksame Schutzinstrumente ableiten3.
IV. Anspruchsgrundlagen 1412
Seit Beginn des Internetzeitalters hat es eine Flut von Gerichtsentscheidungen zum Domainrecht gegeben. Dabei ist eine breite Palette von Rechtsfragen aufgetreten. Während es in der Anfangszeit meist darum ging, dass findige Domainhändler Internet-Domains reservierten, um sie gewinnbringend an Interessierte (meist die Kennzeichenrechtsinhaber) zu veräußern, sind die Domainstreitigkeiten inzwischen meist wesentlich diffiziler.
1413
Für erhebliche Klarheit hat eine ganze Reihe von Entscheidungen des BGH gesorgt. Nach den ersten Urteilen zu mitwohnzentrale.de4 und ambiente.de5, ergingen in rascher Folge Entscheidungen zu shell.de6, vossius.de7, rechtsanwaelte-notar.de8, presserecht.de9, maxem.de10, tauchschule-dortmund.de11, kurt-biedenkopf.de12 und ritter.de13. Später sind die Entscheidungen zu euro-telekom.de14, afilias.de15 sowie ahd.de16 in besonderer Weise hervorzuheben. Diese Fälle zeigen einen großen Teil der Bandbreite domainrechtlicher Streitigkeiten17. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Vgl. Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 605 f. Vgl. Härting/Kuon, CR 2004, 527 ff. Vgl. Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 605 ff. BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262 = CR 2002, 777 – mitwohnzentrale.de. BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671 – ambiente.de. BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 – vossius.de. BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256 – rechtsanwaelte-notar.de. BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252 – presserecht.de. BGH vom 26.6.2003, WRP 2003, 1215 – maxem.de. BGH vom 20.11.2003, Az. I ZR 117/03 – tauchschule-dortmund.de. BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769 – kurt-biedenkopf.de. BGH vom 4.3.2004, GRUR 2004, 622 – ritter.de. BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom. BGH vom 24.5.2008, NJW 2008, 3716 = MMR 2008, 815 = K&R 2008, 735 mit Anm. Rössel. 16 BGH vom 19.2.2009, CR 2009, 748 = WRP 2009, 803 = K&R 2009, 473 mit Anm. Rössel. 17 Vgl. auch Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606 ff.
360
IV. Anspruchsgrundlagen
Beim Streit um Domains geht es zumeist darum, dass sich Dritte durch die Registrierung und/oder Nutzung einer Domain in ihren Rechten beeinträchtigt sehen. Zumeist sind Namens- und Kennzeichenrechte betroffen. Der Dritte meint, „ein Recht auf die Domain“ geltend machen zu können, die sich der Domaininhaber gesichert hat.
1414
Wer „ein Recht auf die Domain“ geltend macht, möchte selbst Inhaber der Domain werden. Dass indes das geltende Recht einen entsprechenden Übertragungsanspruch von vornherein ausschließt, hat der BGH frühzeitig entschieden1. Folglich kann es beim Domainstreit im Normalfall nur darum gehen, ob der Domaininhaber zur Löschung (Freigabe) einer Domain verpflichtet ist oder ob dem Domaininhaber zumindest untersagt werden kann, die Domain zu Zwecken zu nutzen, die Namens- und Kennzeichenrechte oder andere Rechte Dritter verletzen2.
1415
In jüngerer Zeit hat sich der BGH mehrfach veranlasst gesehen, Löschungsansprüche nur unter engen Voraussetzungen zu bejahen3. Der wichtigste Anspruch ist daher der Anspruch auf Untersagung der Nutzung einer Domain für Websites mit rechtsverletzenden Inhalten.
1416
Übersicht
1417
Domainstreit: – Domaingrabbing: Anspruch aus §§ 1004, 826 BGB (sowie § 3 UWG). – Markenrecht (§§ 14 und 15 MarkenG): Schutz von Marken, geschäftlichen Bezeichnungen und Werktiteln (Schutzlücken bei privaten Homepages sowie bei branchen- oder ortsferner Domainnutzung). – Namensrecht (§ 12 BGB): Schutz des Namens natürlicher und juristischer Personen, der sich auch auf Gemeinden und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erstreckt (Schutzlücke bei Gleichnamigkeit: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“). – Wettbewerbsrecht (§§ 3 und 5 UWG): Allein in der Domainregistrierung liegt niemals eine Irreführung (§ 5 UWG). Eine Irreführung kann allenfalls in den Inhalten liegen, die über die Domain abrufbar sind. Angesichts des Prioritätsgrundsatzes bieten Domains auch im Übrigen wenig Angriffsfläche im Wettbewerbsrecht. 1 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 2 Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 78 ff; Beier in Lehmann/ Meents, Rdnr. 467 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rdnr. 701 3 Härting, ITRB 2008, 38, 39 ff.; BGH vom 22.7.2004, NJW 2005, 1198 ff. = CR 2005, 284 = MMR 2005, 191 = WRP 2005, 338 – soco.de; BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 = MDR 2005, 765 – mho.de; BGH vom 23.6.2005, CR 2006, 193 ff. – hufeland.de; BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom; Kazemi, MMR 2008, 31 f.; BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381 ff. – AIDA/AIDU; BGH vom 31.3.2010, WRP 2010, 880 ff. – Peek & Cloppenburg.
361
G. Domainrecht
Anspruchsgegenstand: – Übertragung der Domain: Ein Anspruch auf Domainübertragung ist stets zu verneinen, da es keine Anspruchsnorm gibt, die einen solchen Anspruch begründen kann. – Löschung der Domain: Ein Löschungsanspruch ist nur gegeben, wenn jedwede Nutzung der Domain durch deren Inhaber Rechte Dritter verletzen würde („Schlechthinbenutzungsverbot“)1. – Nutzung der Domain: Bestimmte Arten der Domainnutzung können Gegenstand eines Unterlassungs- und/oder Beseitigungsanspruchs sein. 1418
Beim Streit um Domains geht es nur vordergründig um „bessere Rechte“, da es an jeglicher Absolutheit eines Domainrechts fehlt2. Häufig stehen sich zwar zwei Parteien gegenüber, die jeweils Rechte an einem Domainnamen geltend machen. Der Domaininhaber benötigt indes zu seiner Legitimation gegenüber Dritten keine Rechtfertigung – es gilt der Prioritätsgrundsatz, sodass beispielsweise die Frage verfehlt ist, aus welchem Grund der Inhaber von „genuss.de“ diese Domain innehaben und „behalten“ darf. Allein die Schnelligkeit bei der Anmeldung und Registrierung verleiht dem Domaininhaber das Recht, Dritte von der Domainnutzung auszuschließen3.
1419
In der Legitimierungspflicht ist stets der Dritte, der sich durch die Domainnutzung in seinen Rechten verletzt sieht. Er muss darlegen und nachweisen können, dass er über eine Rechtsposition verfügt, die durch den Domaininhaber unzulässig beeinträchtigt wird. Als eine solche Rechtsposition kommen insbesondere Kennzeichen- und Namensrechte in Betracht, aber auch Rechte aus § 826 BGB bzw. den §§ 3 und 5 UWG. Nur wenn derartige Rechte bestehen, kommt es darauf an, ob der Domaininhaber seinerseits Rechte an der Domainbezeichnung geltend machen kann. Wenn dies der Fall ist, stellt sich tatsächlich die Frage nach dem „besseren Recht“.
1420
Nicht selten ist der Domaininhaber zu unterscheiden von dem Betreiber der Website, für die die Domain registriert wurde. Insbesondere in den frühen Jahren des Internet kam es oft vor, dass sich die von dem WebsiteBetreiber mit der Domainbeschaffung beauftragte Agentur selbst als Domaininhaber eintragen ließ. Im Streitfall stellt sich dann die Frage, ob sich der Domaininhaber auf Namens- und Kennzeichenrechte seines „Hintermannes“ (der Agentur) berufen kann. In seiner Entscheidung zu segnitz.de hat der BGH dies unter Hinweis auf § 26 Abs. 2 MarkenG für 1 Härting, ITRB 2008, 38, 39 ff.; Kazemi, MMR 2008, 31, 32. 2 Siehe Rz. 1402 ff. 3 Vgl. BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 = WRP 2002, 694, 698 – shell.de.
362
IV. Anspruchsgrundlagen
den Bereich des Markenrechts bejaht. Der Domaininhaber, der die Domain für den Inhaber eines Kennzeichenrechts mit dessen Zustimmung registrieren lässt, kann einem Dritten die Kennzeichenrechte entgegenhalten1. Von einem Lizenznehmer, der bei der Domainregistrierung die Lizenzmarke verwendet, kann nicht erwartet werden, dass er vorsorglich darauf hinweist, dass ihm Rechte an der Marke eingeräumt wurden2. Dies kann aber nicht mit dem bloßen Hinweis begründet werden, dass der Gesetzgeber auf einen Publizitätsakt für Markenlizenzen verzichtet hat3, sondern vielmehr erschließt sich dies aus dem Wesen einer Markenlizenz als Nutzungsrecht4.
1421
Auch Namensrechte eines Dritten (§ 12 BGB) kann ein Domaininhaber geltend machen, wenn eine wirksame Gestattung durch den Namensträger vorliegt5. Dies gilt allerdings nach Auffassung des BGH nur, wenn die Domain entweder für den Internetauftritt des Namensträgers genutzt wird oder wenn der Domaininhaber auf andere Weise – beispielsweise durch Vorlage einer notariellen Treuhandvereinbarung – verlässlich nachweisen kann, dass er die Domain als Treuhänder des Namensträgers registriert hat. Mit dieser einschränkenden Voraussetzung, die der BGH in seinen Entscheidungen zu grundke.de6 und raule.de7 aus der Taufe gehoben hat, sollen missbräuchliche Eintragungen verhindert werden. Insbesondere möchte der BGH Vorsorge dagegen schaffen, dass der Domaininhaber für einen Domainnamen erst nachträglich, nachdem ein Namensträger seine Rechte geltend macht, einen Auftrag eines anderen Namensträgers zur Registrierung einholt. Eine fundierte Begründung, weshalb im Bereich des Namensrechts strengere Maßstäbe gelten sollen, als dies im Markenrecht der Fall ist, lassen die Entscheidungen zu grundke.de und raule.de allerdings vermissen.
1422
1 BGH vom 9.6.2005, NJW 2006, 146 = MMR 2006, 104 = K&R 2006, 37 – segnitz.de. 2 LG Bremen vom 24.4.2008, MMR 2008, 479 f. winther.de. 3 Vgl. LG Bremen vom 24.4.2008, MMR 2008, 479, 480 winther.de. 4 Vgl. Bücker/Fürsen, MMR 2008, 719, 722 f. 5 BGH vom 8.2.2007, NJW 2007, 2633 = CR 2007, 590 = K&R 2007, 471 – grundke.de; BGH vom 23.10.2008, K&R 2009, 399 mit Anm. Recke – raule.de; OLG Celle vom 13.12.2007, K&R 2008, 111 – schmidt.de; OLG Hamm vom 25.4.2005, Az. 13 U 15/05; OLG Stuttgart vom 4.7.2005, MMR 2006, 41; LG Hannover vom 22.4.2005, CR 2005, 896 = MMR 2005, 550 – schmidt.de; LG München I vom 28.4.2005, MMR 2006, 56; a.A. OLG Celle vom 8.4.2004, CR 2004, 772 = K&R 2004, 396 – grundke.de; OLG Celle vom 8.12.2005, CR 2006, 697 – raule.de; LG Hamburg vom 26.1.2005 – CR 2005, 465 = MMR 2005, 254 – müller.de; LG Hamburg vom 23.6.2006, ITRB 2007, 109 (Dieselhorst); vgl. auch Viefhues, MMR 2005, 76 ff. 6 BGH vom 8.2.2007, NJW 2007, 2633 = CR 2007, 590 = K&R 2007, 471 – grundke.de; vgl. Reinholz, ITRB 2008, 69 ff. 7 BGH vom 23.10.2008, K&R 2009, 399 mit Anm. Recke – raule.de.
363
G. Domainrecht
1423
In seiner Entscheidung zu schmidt.de musste sich das OLG Celle1 mit der Frage befassen, wie sich der verlässliche Nachweis einer Treuhänderstellung erbringen lässt, wenn keine notarielle Vereinbarung vorliegt. Es ging um das Namensrecht des Entertainers Harald Schmidt und um die Eintragung der Domain durch den beklagten Fernsehsender SAT 1, der zum Zeitpunkt der Registrierung die Rechte an der „Harald-SchmidtShow“ innehatte. Das OLG Celle ließ es als Nachweis ausreichen, dass die Domain frühzeitig für ein Internetangebot genutzt wurde, das sich auf die „Harald-Schmidt-Show“ bezog2. 1. § 826 BGB und § 4 Nr. 10 UWG – Domaingrabbing
1424
Das Domaingrabbing war in der Anfangszeit des Internet weit verbreitet. Findige Geschäftsleute entdeckten frühzeitig das wirtschaftliche Potenzial von Domainnamen und registrierten attraktive Domains in der – oft berechtigten – Erwartung, zahlungskräftige Abnehmer zu finden. Ob Rolls-Royce3, Zwilling4 oder Ufa5: Zahlreiche Inhaber von Kennzeichenrechten mussten die Gerichte bemühen, um an „ihre“ Domains zu gelangen.
1425
In der Gerichtspraxis hat das Domaingrabbing nach und nach an Bedeutung verloren. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Rechtsprechung das Domaingrabbing einhellig für sittenwidrig erachtet6. Der Domaingrabber sieht sich daher dem Risiko von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen aus den §§ 826, 1004 BGB ausgesetzt.7 Soweit ein Wettbewerbsverhältnis besteht, erfüllt das Domaingrabbing auch den Tatbestand des § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Nr. 10 UWG8.
1426
Bei der Beurteilung, ob ein Fall des sittenwidrigen Domaingrabbing überhaupt vorliegt, ist das Prioritätsprinzip9 zu berücksichtigen. Jedermann steht es frei, Domains zu registrieren. Zu Recht hat beispielsweise das 1 OLG Celle vom 13.12.2007, K&R 2008, 111 – schmidt.de. 2 OLG Celle vom 13.12.2007, K&R 2008, 111, 112 f. – schmidt.de. 3 OLG München vom 12.8.1999, MMR 2000, 104 = K&R 1999, 569 – rollsroyce.de. 4 OLG Karlsruhe vom 24.6.1998, WRP 1998, 900 – zwilling.de. 5 OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de. 6 Sprau in Palandt, § 826 Rdnr. 46; OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; LG Düsseldorf vom 6.7.2001, CR 2002, 138 – literaturen.de. 7 Sprau in Palandt, § 826 Rdnr. 46; OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; LG Düsseldorf vom 6.7.2001, CR 2002, 138 – literaturen.de. 8 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 135; Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rdnr. 10.94; BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 mit Anm. Rössel – ahd.de; OLG Frankfurt a.M. vom 8.3.2001, CR 2001, 620; OLG Karlsruhe vom 24.6.1998, WRP 1998, 900 – zwilling.de; LG Hamburg vom 12.8.2008, Az. 312 O 64/08 – area45cycles.com. 9 Siehe Rz. 1532 ff.
364
IV. Anspruchsgrundlagen
OLG Frankfurt a.M. darauf hingewiesen, dass sich allein aus einer großen Zahl registrierter Domains nicht auf ein sittenwidriges Handeln schließen lässt1. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist erst überschritten, wenn die Registrierung von Domains in der ausschließlichen Absicht erfolgt, die Domains demjenigen zum Kauf anzubieten, der auf Grund von Namens- oder Kennzeichenrechten an der Domain interessiert ist2. Den Nachweis einer (ausschließlichen) Verkaufsabsicht muss derjenige führen, der Ansprüche aus den §§ 1004, 826 BGB und § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Nr. 10 UWG geltend macht3. Am leichtesten fällt der Beweis, wenn die Domain von dem Inhaber nicht genutzt wird und ein Verkaufsangebot vorliegt.
1427
➲ Praxistipp: Wer eine Domain zum Verkauf anbietet, sollte sich bewusst sein, dass das Verkaufsangebot als Anhaltspunkt gewertet werden kann für ein wettbewerbs- und sittenwidriges „Domaingrabbing“.
1428
In der Entscheidung zu weltonline.de4 ließ der BGH die Bemühungen des Axel-Springer-Verlages um eine Untersagung der Domainnutzung scheitern. In der Registrierung der Domain sah der BGH keine sittenwidrige Schädigung des Zeitungsverlages (§ 826 BGB), da die Registrierung von Gattungsbegriffen grundsätzlich keinen rechtlichen Schranken unterworfen ist5. Rechte an dem vom Axel-Springer-Verlag geltend gemachten Titel weltonline.de (§ 5 Abs. 3 und § 15 Abs. 2 MarkenG) seien nur bei einer Verwendung der Domain als Werktitel betroffen, eine entsprechende Nutzungsabsicht sei bei dem Domaininhaber indes nicht erkennbar. Eine Geltendmachung von Rechten aus bekannter Marke oder bekanntem Titel (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG) scheitere am fehlenden Nachweis einer geschäftlichen Nutzungsabsicht6. Namensrechtliche Ansprüche kämen nicht in Betracht, da es an einer Beeinträchtigung namensrechtlicher Befugnisse fehle7.
1429
Eine ganz besondere Variante des Domaingrabbing sind Unternehmen, die sich gezielt Domains registrieren lassen, wenn diese von ihrem bisherigen Inhaber aufgegeben werden. Die Domains werden sodann für Werbeseiten genutzt in der Hoffnung, dass sich zahlreiche Besucher auf diese Seiten „verirren“, die unter der Domain noch den Internetauftritt des früheren Domaininhabers erwarten. Das OLG München sah hierin eine
1430
1 OLG Frankfurt a.M. vom 12.9.2002, MMR 2002, 811, 812 = WRP 2002, 1452, 1455 – drogerie.de. 2 Kiethe/Groeschke, WRP 2002, 27; BGH vom 23.11.2000, WRP 2001, 160 ff. – Classe E; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, MMR 2000, 424. 3 BGH vom 23.11.2000, WRP 2001, 160 ff. – Classe E. 4 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893 ff. – weltonline.de. 5 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893, 894 – weltonline.de. 6 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893, 895 – weltonline.de. 7 BGH vom 2.12.2004, WRP 2005, 893, 895 – weltonline.de.
365
G. Domainrecht
„Negativwerbung“ für den vormaligen Inhaber der Domain und bejahte eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG1. Auf § 826 BGB hat das LG München I einen Unterlassungsanspruch in einem ähnlichen Fall gestützt, in dem es um feuerwehr-fehrbellin.de ging2. 1431
Ähnlich wie das OLG München hat das OLG Hamburg eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG in einem Fall bejaht, in dem dem beklagten Domaininhaber „offensichtlich“ ein „eigenes Interesse“ an der Nutzung der Domain ahd.de fehlte. Das OLG Hamburg bejahte daher einen Löschungsanspruch des klagenden Inhabers der Geschäftsbezeichnung ahd3.
1432
Der BGH hat der Ansicht des OLG Hamburg widersprochen und zu Recht auf das Proritätsprinzip hingewiesen. Der Umstand, dass ein Unternehmen wegen der Registrierung eines Domainnamens durch einen Konkurrenten daran gehindert ist, den Domainnamen für das eigene Unternehmen zu nutzen, ist Folge des Prioritätsprinzips. Die sich daraus ergebende Beeinträchtigung von wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten ist grundsätzlich hinzunehmen4.
1433
Ein Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 10 UWG ist nur dann zu bejahen, wenn die Domainregistrierung rechtsmissbräuchlich ist5. Hierfür reicht das bloße Fehlen eines ernsthaften Interesses, unter dem Domainnamen eigene Angebote oder Inhalte zu veröffentlichen, nicht aus. Zwar kann das Fehlen eines ernsthaften Benutzungswillens die Annahme nahelegen, der Domaininhaber wolle den Namen nur dazu verwenden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, in rechtsmissbräuchlicher Weise mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen. Für einen Benutzungswillen des Anmelders genügt aber die Absicht, den Domainnamen der Benutzung durch einen Dritten – im Wege der Lizenzerteilung oder nach einer Übertragung – zuzuführen. Ein ausreichender Benutzungswille ist daher bei Agenturen gegeben, die im Rahmen einer bestehenden oder potentiellen Beratungsleistung Domains anmelden, um diese ihren Kunden für deren spezielle Vermarktungsbedürfnisse zur Verfügung zu stellen. Für die Annahme eines berechtigten Interesses des Domaininhabers an dem Halten des Domainnamens reicht es aus, dass er diesen bei Gelegenheit an interessierte Dritte verkaufen oder ihnen zur entgeltlichen Nutzung überlassen möchte6. Einer
1 OLG München vom 5.10.2006, MMR 2007, 115 – fwt-koeln.de; vgl. auch LG München I vom 4.4.2006, MMR 2006, 484 (Vorinstanz). 2 LG München I vom 21.3.2006, CR 2006, 494 und LG München I vom 4.7.2006, K&R 2006, 530 – feuerwehr-fehrbellin.de. 3 OLG Hamburg vom 5.6.2006, CR 2007, 47, 49 f. – ahd.de; vgl. auch LG Hamburg vom 26.5.2005, MMR 2005, 781 (Vorinstanz); siehe auch Rz. 1607. 4 BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 mit Anm. Rössel – ahd.de. 5 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 68. 6 Vgl. BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 f. mit Anm. Rössel – ahd.de.
366
IV. Anspruchsgrundlagen
allzu pauschalen Einordnung des professionellen Domainhandels hat der BGH damit Grenzen gesetzt1. Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg2 liegt kein Fall des sittenwidrigen Domaingrabbing vor, wenn sich Kritiker eines Unternehmens für ihre „Meckerseiten“3 gleich mehrere Domains sichern. Aus dem Fehlen eines „schützenswerten Interesses“ an den Domains lässt sich keineswegs auf ein vorsätzlich sittenwidriges Schädigungsverhalten der Domaininhaber schließen.
1434
Ein rechtsmissbräuchliches Handeln ist zu bejahen, wenn für die Registrierung einer bestimmten Domain gar kein anderer plausibler Grund erkennbar ist als der beabsichtigte Verkauf an einen (späteren) Namensträger (§ 12 BGB)4.
1435
Gemäß Art. 21 Abs. 1 b i.V.m. Abs. 3 der EU-Verordnung zu den eu.-Domains5 führt ein bösgläubiges Verhalten bei der Registrierung von .eu-Domains zu einem Widerruf des Domainnamens, sofern er mit einem anderen Namen identisch ist oder diesem verwirrend ähnelt. In einem Grundsatzurteil hat der EuGH sich mit den Umständen beschäftigt, die zu berücksichtigen sind, um ein solches bösgläubiges Verhalten festzustellen. Danach sind für das Vorliegen von Bösgläubigkeit alle im Einzelfall erheblichen Faktoren zu berücksichtigen und nicht nur die in der Verordnung aufgeführten6. Bei der Entscheidung ging es zwar um die Registrierung von .eu-Domains während der ersten Sunrise-Periode, die Grundsätze dürften aber auch in späteren Fällen und bei anderen TLDs helfen. Es handelt sich dabei um eine ganze Reihe von Indizien, die nicht jeweils isoliert betrachtet werden dürfen, sondern im Wege einer Gesamtschau im Einzelfall geprüft werden müssen7.
1436
Zum einen sind die Umstände zu berücksichtigen, unter denen eine Marke eingetragen wurde, die der Domainregistrierung zugrunde liegt. Das sind ausdrücklich8:
1437
– die Absicht, die Marke nicht auf dem Markt zu benutzen, für den der Schutz beantragt wurde, 1 2 3 4 5
6 7 8
Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606, 610. OLG Hamburg vom 23.4.2004, MMR 2005, 117 – awd-aussteiger.us. Siehe Rz. 1462 ff. Vgl. OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195, 196 f. – stadtwerke-uetersen.de. Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung; siehe Rdnr. 1388 ff. EuGH vom 3.6.2010, Az. C-569/08 – reifen.eu. Vgl. auch Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 68. EuGH vom 3.6.2010, Az. C-569/08 – reifen.eu.
367
G. Domainrecht
– die Gestaltung der Marke, vorliegend eine widersinnige Verwendung von Sonderzeichen, – die Tatsache, dass die Eintragung einer großen Zahl von anderen Marken erwirkt wurde, die Gattungsbegriffen entsprechen, und – die Tatsache, dass die Eintragung der Marke kurz vor Beginn der ersten Sunrise-Periode erwirkt wurde. 1438
Zum anderen sind die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Domain selbst registriert wurde. Das sind1: – die missbräuchliche Verwendung von Sonderzeichen oder Interpunktionszeichen zum Zweck der Anwendung der in Art. 11 der Verordnung festgelegten Übertragungsregeln, wonach bestimmte Zeichen aus dem Domainnamen entfernt werden, – die Registrierung in der ersten Sunrise-Periode auf der Grundlage einer Marke, die unter Umständen wie den bereits genannten erlangt wurde2, und – die Tatsache, dass eine große Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domainnamen eingereicht wurde, die Gattungsbegriffen entsprechen. 2. §§ 14, 15 MarkenG – Marken, Unternehmensbezeichnungen und Werktitel
1439
Marken, Unternehmenskennzeichen und Werktitel sind durch das Markengesetz (MarkenG) geschützt. Aus den §§ 14 und 15 MarkenG können sich Ansprüche des Berechtigten gegen eine Nutzung des Kennzeichens als Domain ergeben3. a) Grundlagen
1440
Der Begriff der Marke ist in § 3 Abs. 1 MarkenG definiert. Markenschutz können danach alle Zeichen genießen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen, sofern die Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Voraussetzung für die Markenfähigkeit eines Kennzeichens gemäß § 3 MarkenG ist demnach primär dessen Unterscheidungskraft4 (vgl. auch § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG5). 1 2 3 4
EuGH vom 3.6.2010, Az. C-569/08 – reifen.eu. Siehe Rz. 1437. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1065. Fezer, Markengesetz, § 3 Rdnr. 316; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 3 Rdnr. 16; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, Rdnr. 2183; Hacker in Ströbele/ Hacker, Markengesetz, § 3 Rdnr. 4. 5 Zur Abgrenzung beider Normen vgl. Fezer, Markengesetz, § 3 Rdnr. 203.
368
IV. Anspruchsgrundlagen
Der Markenschutz entsteht regelmäßig erst mit der Eintragung eines Zeichens in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister (§ 4 Nr. 1 MarkenG), ausnahmsweise jedoch schon mit der Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb der maßgeblichen Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat (§ 4 Nr. 2 MarkenG).
1441
Wer Markenschutz genießt, kann Dritten die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens untersagen, sofern diese das Zeichen für Waren oder Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr verwenden, die mit denjenigen identisch sind, auf die sich der Markenschutz erstreckt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Liegt keine vollständige Identität sowohl der Zeichen als auch der betroffenen Waren bzw. Dienstleistungen vor, so kann der Markeninhaber von Dritten die Unterlassung der Benutzung eines Zeichens beanspruchen, wenn die jeweiligen Zeichen und Waren bzw. Dienstleistungen einander ähnlich sind und daher Verwechslungsgefahr besteht (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
1442
Bei Marken, die im Inland bekannt sind, besteht ein Unterlassungsanspruch bereits, wenn ein Zeichen für eine beliebige Ware oder Dienstleistung verwendet wird, das der geschützten Marke ähnlich ist. Bekannte Marken sind somit auch dann geschützt, wenn keine Ähnlichkeiten zwischen den jeweils gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen bestehen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).
1443
Ist eine Marke eingetragen, so bestehen die Ansprüche aus § 14 MarkenG unabhängig davon, ob Schutzhindernisse bestehen. Ist daher die Marke „Professional Nails“ im Markenregister des DPMA eingetragen, kann der beklagte Inhaber der Domain professional-nails.de nicht einwenden, dass es sich bei „Professional Nails“ um Gattungsbegriffe handelt, die der Verkehr nicht als Herkunftshinweis verstehe (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG)1. Im markenrechtlichen Verletzungsprozess ist der Verletzungsrichter an die Markeneintragung gebunden2.
1444
Gemäß § 5 Abs. 1 MarkenG sind neben Marken auch geschäftliche Bezeichnungen geschützt, sofern es sich um Unternehmenskennzeichen oder Werktitel handelt. Unternehmenskennzeichen sind nach § 5 Abs. 2 MarkenG Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäfts, eines Betriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. Als Werktitel gelten gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken.
1445
1 A.A. OLG Düsseldorf vom 28.11.2006, MMR 2007, 183 – professional-nails.de. 2 Fezer, Markengesetz, § 41 Rdnr. 10; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rdnr. 15; BGH vom 3.11.1999, NJW-RR 2000, 1485, 1486.
369
G. Domainrecht
1446
Die Schutzfähigkeit einer geschäftlichen Bezeichnung richtet sich ebenso wie die Schutzfähigkeit von Marken nach deren Unterscheidungskraft. § 15 MarkenG gewährt dem Inhaber einer Geschäftsbezeichnung einen Schutz, der dem Schutz des Markeninhabers gemäß § 14 MarkenG weitestgehend entspricht1. b) Registrierung und Nutzung einer Domain
1447
1448
Für den markenrechtlichen Schutz des Inhabers einer Marke oder Geschäftsbezeichnung gegen eine Domain gelten dieselben Voraussetzungen, die auch außerhalb des Internet gelten.
Übersicht Beseitigungs- und/oder Unterlassungsanspruch aus Markenrecht, wenn: – die Zeichenfolge Kennzeichenschutz (Marke, geschäftliche Bezeichnung oder Werktitel) genießt; – eine kennzeichenmäßige Benutzung vorliegt (bei Domainnutzung stets der Fall, nicht jedoch bei bloßer Domainregistrierung); – eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt und – Identität oder Verwechslungsgefahr (hinsichtlich des Kennzeichens und der Waren bzw. Dienstleistungen) besteht oder es sich um ein Kennzeichen mit überragender Bekanntheit handelt. aa) Kennzeichenschutz
1449
Kennzeichenschutz kommt nicht nur Marken, sondern auch geschäftlichen Bezeichnungen zu, sofern es sich um Unternehmenskennzeichen oder Werktitel handelt (§ 5 Abs. 1 MarkenG). Insbesondere bei Unternehmenskennzeichen kann die nachhaltige Nutzung eines Domainnamen dazu führen, dass der Name als geschäftliche Bezeichnung Kennzeichenschutz erhält. Google, Yahoo oder Amazon sind Beispiele für berühmte Kennzeichen, die ihre Kennzeichnungskraft maßgeblich dem Umstand verdanken, dass die entsprechenden Domains einen hohen Bekanntheitsgrad aufweisen.
1450
Eine Domain kann auch Gegenstand des Werktitelschutzes sein2. Wer unter der Bezeichnung „eifel-zeitung“ in der Schreibweise mit und ohne Bindestrich eine Internetzeitung verbreitet, kann dadurch Titelschutz erwerben, da der Verkehr in der als Domainnamen gewählten Bezeichnung ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks von einem anderen und 1 Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 185. 2 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 41; Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rdnr. 760 f.; Eichelberger, K&R 2009, 778 ff.
370
IV. Anspruchsgrundlagen
nicht nur eine Adressbezeichnung sieht1. Die – schwach unterscheidungskräftige – Domain oesterreich.de kann Werktitelschutz entfalten für ein Portal mit Informationen rund um Österreich2. Die Benutzung eines Domainnamens führt indes nicht bereits per se zu einem Kennzeichenschutz. Vielmehr tritt ein solcher Schutz nur ein, wenn der Verkehr in der für die Domain gewählten Bezeichnung einen Herkunftsnachweis sieht3, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat4, da geschäftliche Bezeichnungen auch ohne Verkehrsgeltung geschützt sind. Weicht die Domain von den Bezeichnungen ab, die das Inhaberunternehmen für seinen Geschäftsbetrieb verwendet, so hat die Domain ausschließlich Adressfunktion mit der Folge, dass ein Kennzeichenschutz kraft Domainnutzung nicht in Betracht kommt5.
1451
➲ Praxistipp: Allein die – nachhaltige und andauernde – Nutzung einer Domain kann dazu führen, dass ein Domainname zum Herkunftsnachweis wird und ein „Domainrecht“ entsteht. Auf eine derartige Entwicklung sollte man sich allerdings bei Einrichtung eines Internetauftritts nicht verlassen. Marken, Geschäftsbezeichnungen und Werktitel können sich grundsätzlich auch gegen prioritätsältere DomainRegistrierungen durchsetzen6. Es ist daher ratsam, den Domainnamen ergänzend durch die Eintragung von Marken zu sichern. Der Domainname ist als solcher – einschließlich der TLD – eintragungsfähig, sofern die Eintragungsvoraussetzungen – insbesondere die Unterscheidungskraft – vorliegen7.
1452
Insbesondere bei Unternehmenskennzeichen stellt sich vielfach die Frage nach der Kennzeichnungskraft. So ist der zusammengesetzte Begriff „Literaturhaus“8 als Unternehmenskennzeichen ebenso wenig schutzfähig wie der Begriff „Hockeystore“9, da es an einer hinreichenden Kennzeichnungskraft fehlt. Anderes gilt nach Ansicht des OLG München für die Geschäftsbezeichnung „Flüssiggas Bayern“. Die Verbindung der beiden „farblosen“ Begriffe „Flüssiggas“ und „Bayern“ reichte den Münchener
1453
1 BGH vom 18.6.2009, CR 2010, 112, 113 – EIFEL-ZEITUNG; vgl. Ellerbrock, ITRB 2010, 70, 71 f. 2 OLG München vom 20.10.2005, CR 2006, 414 – österreich.de. 3 BGH vom 24.2.2005, CR 2006, 54, 56 = MMR 2005, 761, 762 – Seicom; BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 737 mit Anm. Rössel – afilias.de. 4 A.A. OLG Köln vom 7.5.2007, MMR 2008, 119, 120 – 4e.de. 5 Vgl. BGH vom 24.2.2005, CR 2006, 54 = MMR 2005, 761; BGH vom 22.7.2004, NJW 2005, 1198 = CR 2005, 284 = MMR 2005, 171 – soco.de. 6 Vgl. OLG München vom 11.1.2001, CR 2001, 406 – kuecheonline.de. 7 Vgl. Reinholz/Schätzle, K&R 2008, 573, 575; EuG vom 12.12.2007, K & R 2008, 169, 170 – suchen.de. 8 BGH vom 16.12.2004, NJW 2005, 1503, 1504 = WRP 2005, 614, 615 – Literaturhaus. 9 LG Frankfurt a.M. vom 15.1.2003, Az. 2/6 O 374/02, JurPC Web-Dok. 161/2003 – hockeystore.de.
371
G. Domainrecht
Richtern für einen Schutz als unterscheidungskräftiges Unternehmenskennzeichen gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG aus1. Ebenso entschieden das OLG Nürnberg2 und das LG Bochum3 in Fällen, in denen es um die Geschäftsbezeichnungen „Leihhaus Nürnberg“ und „Großmarkt Dortmund“ ging. 1454
Ausreichend kennzeichnungskräftig ist nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. die Bezeichnung „fetenplaner.de“ für ein Event- und Veranstaltungsportal. Dabei stützte sich das Gericht – ohne nähere Erörterung – nicht auf den Werktitelschutz (§ 5 Abs. 3 MarkenG), sondern auf § 5 Abs. 2 MarkenG (Schutz des Unternehmenskennzeichens). „Fetenplaner“ habe in der „neueren Umgangssprache“ keinen klaren Bedeutungsgehalt und sei daher unterscheidungskräftig4.
1455
Der BGH hat entschieden, dass für die Domain „air-dsl.de“ Werktitelschutz erst mit Aufnahme der Benutzung des Domainnamens als Titel entsteht. Hierzu muss ein weitgehend fertig gestelltes, unter dem Domainnamen erreichbares Werk vorhanden sein5. Die bloße Ankündigung eines solchen Werks auf einem Internetportal genügt nicht, da eine Vorverlagerung des Werktitelschutzes aufgrund einer Titelschutzanzeige voraussetzt, dass das Werk in branchenüblicher Weise öffentlich angekündigt wird6. Für eine öffentliche Titelankündigung an interessierte Mitbewerber reicht jedoch die bloße Angabe auf einer eigenen Internetseite der Werktitelschutz beanspruchenden Partei nicht aus7. bb) Kennzeichenmäßige Nutzung
1456
Der Getränkehersteller Coca-Cola kann einem Dritten die Nutzung der Domain coca-cola.de nur untersagen, wenn die Nutzung der Domain eine Nutzung als Kennzeichen für eine Ware oder Dienstleistung darstellt. Hiergegen könnte von vornherein sprechen, dass eine Domain nichts anderes ist als eine Adresse und daher nicht auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen nach Art eines Kennzeichens Bezug nimmt.
1 OLG München vom 13.2.2003, MMR 2003, 397 – fluessiggas-bayeRdnr.de. 2 OLG Nürnberg vom 25.2.2002, MittdtschPatAnw 2004, 374 – leihhaus-nuernberg.de. 3 LG Bochum vom 10.12.2002, Az. 12 O 126/02, – grossmarkt-dortmund.de. 4 LG Frankfurt a.M. vom 22.4.2004, MMR 2005, 62, 63 – fetenplaner.de. 5 BGH vom 14.5.2009, CR 2009, 801, 802 mit Anm. Hackbarth – airdsl; vgl. Eichelberger, K&R 2009, 778, 779 f. 6 Vgl. Eichelberger, K&R 2009, 778, 779 f.; Hackbarth, CR 2009, 805 f.; BGH vom 22.6.1989, WRP 1990, 242, 244 – Titelschutzanzeige; BGH vom 15.1.1998, GRUR 1998, 1010, 1012 = WRP 1998, 877 – WINCAD. 7 BGH vom 14.5.2009, CR 2009, 801, 803 mit Anm. Hackbarth – airdsl; vgl. auch Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 41; Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rdnr. 760; Eichelberger, K&R 2009, 778, 779 f.
372
IV. Anspruchsgrundlagen
Zu der Parallelfrage, ob die Nutzung einer Domain als Namensanmaßung gemäß § 12 BGB angesehen werden kann, hat das LG Köln in einer älteren Entscheidung eingewendet, die Zahlen- und Buchstabenkombination einer Domain sei frei wählbar und habe daher – ähnlich wie Postleitzahlen und Telefonnummern – keine Kennzeichnungskraft1. Andere Gerichte sind dieser Auffassung in der Folgezeit zu Recht entgegengetreten2. Im Unterschied zu reinen Zahlenkombinationen – wie beispielsweise Postleitzahlen und Telefonnummern – sind die Domainnamen ohne weiteres dazu geeignet, eine gedankliche Verknüpfung zu dem Träger eines entsprechenden Namens bzw. zu einem Unternehmen mit gleicher oder ähnlicher Bezeichnung hervorzurufen. Zur Kennzeichnung eines Unternehmens bzw. einer Ware ist eine Domain somit geeignet. Dies ist heute allgemein anerkannt3.
1457
Domainnamen, die zu einer aktiven, im geschäftlichen Verkehr verwendeten Homepage führen, kommt in der Regel neben der Adressfunktion eine kennzeichnende Funktion zu4. Der Verkehr sieht in ihnen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter den Bezeichnungen im Internet angebotenen Waren oder Dienstleistungen5. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Domainnamen ausnahmsweise eine reine Adressfunktion zukommt oder wenn er vom Verkehr nur als beschreibende Angabe verstanden wird6. Nach Ansicht des OLG Hamburg kann sogar der gesamten URL eine kennzeichnende Funktion zukommen7.
1458
Von einer rein beschreibenden und somit nicht kennzeichnenden Verwendung ging der BGH in seiner Entscheidung zu metrosex.de aus. Die Begriffe „metrosexuell“ und „Metrosexualität“ beschreiben laut dem BGH einen neuen Männertyp – „heterosexuell veranlagt, modisch gekleidet, in Düfte gehüllt und vornehmlich in Metropolen lebend“8.
1459
Das Angebot einer Domain zum Verkauf stellt als solches keine kennzeichenmäßige Benutzung dar, da der Domainname nicht zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen gebraucht wird9.
1460
1 LG Köln vom 17.12.1996, CR 1997, 291 f. – pulheim.de. 2 OLG Brandenburg vom 12.4.2000, K&R 2000, 406 – luckau.de; OLG Hamm vom 13.1.1998, CR 1998, 241, 242; OLG Karlsruhe vom 9.6.1999, CR 1999, 783 – badwildbad.com; OLG Köln vom 18.12.1998, CR 1999, 385 – herzogenrath.de; LG Mannheim vom 26.6.1998, K&R 1998, 558 – brockhaus.de. 3 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15, Rdnr. 38; Fezer, WRP 2000, 669 670; Reinhart, WRP 2001, 13, 14; Sick/Richter, K&R 2000, 339, 345; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 4 Vgl. LG Hamburg vom 18.9.2008, CR 2009, 403, 404 – patmondial.de; LG Köln vom 3.9.2009, Az. 81 O 128/09 – joesnyder.de. 5 Vgl. OLG Köln vom 31.8.2007, CR 2008, 456, 457 – schutzengel.ws. 6 BGH vom 14.5.2009, CR 2009, 801, 802 mit Anm. Hackbarth– airdsl. 7 OLG Hamburg vom 2.3.2010, Az. 5 W 17/10. 8 BGH vom 13.3.2008, WRP 2008, 1353, 1355 – Metrosex. 9 OLG Nürnberg vom14.5.2009, MMR 2009, 768 f.
373
G. Domainrecht
1461
Das LG Hamburg hat in seiner Entscheidung zu patmondial.de sogar dem Namensteil einer E-Mail-Adresse ([email protected]) eine kennzeichnende Funktion zugesprochen1. Ob sich dies über den konkreten, sehr verwickelten Fall hinaus verallgemeinern lässt, erscheint zweifelhaft.
1462
Schwierigkeiten bereiten Fälle von „Meckerseiten“ in denen zwar ein fremdes Kennzeichen verwendet wird, der Kennzeichnungscharakter der Domain jedoch fraglich ist. Nicht recht ersichtlich ist beispielsweise wie die kennzeichenmäßige Nutzung im Falle der Domain scheiss-t-online.de zu begründen sein soll. Das LG Düsseldorf, das in einer Entscheidung zugunsten von T-Online einen Löschungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bejaht hat, hat sich mit der Frage einer kennzeichenmäßigen Nutzung irrigerweise nicht befasst2. „Scheiß T-Online“ enthält eine Aussage über T-Online und kennzeichnet keine Ware oder Dienstleistung des Betreibers der „Meckerseite“.
1463
In dem vergleichbaren Rechtsstreit um die Domain stopesso.de verwies das LG Hamburg zu Recht auf das Fehlen einer kennzeichenmäßigen Nutzung der Marke durch den Domaininhaber3. Ebenso verneinte das OLG Hamburg eine kennzeichenmäßige Nutzung bei der Domain awdaussteiger.de4.
1464
An einer kennzeichenmäßigen Verwendung der Domain fehlte es auch bei der Domain bund-der-verunsicherten.de. Das OLG Braunschweig verneinte zudem eine Verwechslungsgefahr mit dem Begriff „Bund der Versicherten“ und bezweifelte ein Handeln des Domaininhabers im geschäftlichen Verkehr, da die Domain für Internetseiten genutzt wurden, auf denen sich der Domaininhaber kritisch mit der Arbeit des Vorstandes des klagenden Vereins auseinandersetzte5.
1465
Der Versuch der Bremer Straßenbahn AG (BSAG), unter Hinweis auf die eingetragene Marke „BSAG“ eine Löschung der Domain bsagmeckerseite.de zu erwirken, schlug gleichfalls fehl. Nach Auffassung des LG Bremen handelt es sich nicht um eine berühmte Marke gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, da eine auf das Bundesland Bremen beschränkte Bekanntheit nicht ausreicht. Für einen Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 Mar-
1 LG Hamburg vom 18.9.2008, CR 2009, 403, 404 – patmondial.de. 2 LG Düsseldorf vom 30.1.2002, Az. 2a O 245/01, JurPC Web-Dok. 267/2002 – scheiss-t-online.de. 3 LG Hamburg vom 10.6.2002, MMR 2003, 53 – stopesso.de. 4 OLG Hamburg vom 18.12.2003, MMR 2004, 415 = K&R 2004, 348 – awd-aussteiger.de; vgl jedoch auch OLG Hamburg vom 23.4.2004, MMR 2005, 117 – awd-aussteiger.us. 5 OLG Braunschweig vom 10.11.2009, Az. 2 U 191/09 – bund-der-verunsicherten.de.
374
IV. Anspruchsgrundlagen
kenG fehle es an einer hinreichenden Branchennähe. Ob überhaupt eine kennzeichenmäßige Nutzung der Domain vorlag, blieb unerörtert1. Die Nutzung eines fremden Kennzeichens ist nach § 23 MarkenG in einigen Ausnahmefällen gestattet, in denen die Nutzung primär beschreibende Funktion hat. Dies gilt allerdings nur, soweit die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.
1466
§ 23 Nr. 2 MarkenG gestattet Dritten die Nutzung eines Kennzeichens zur Produktbeschreibung. Nach Auffassung des OLG Hamburg bedarf daher die Nutzung der Domain schufafreierkredit.de keiner Erlaubnis des Inhabers der Marke SCHUFA, wenn die Domain produktbeschreibend für eine Website verwendet wird, auf der Kredite angeboten werden2. Dasselbe gilt für die Verwendung der Domain tests.de für Internetseiten, auf denen die Ergebnisse vergleichender Waren- und Dienstleistungsuntersuchungen verschiedener Anbieter veröffentlicht werden. Eine solche Domainnutzung bedarf nach Auffassung des OLG Braunschweig nicht der Zustimmung der Stiftung Warentest, die Marken- und Werktitelrechte an der Bezeichnung „test“ innehat3.
1467
Einen strengeren Maßstab legte das LG Düsseldorf an die Verwendung der Domain hapimag-a-aktien.de an, unter der der Domaininhaber „gebrauchte“ Zeitwohnrechte des schweizerischen Markeninhabers Hapimag anbot. § 23 Nr. 3 MarkenG erlaubt zwar die (zustimmungsfreie) Kennzeichennutzung als Hinweis auf die Bestimmung eines Produkts. Dies gilt indes nur, wenn die Kennzeichennutzung als Hinweis auf die Produktbestimmung „notwendig“ ist. Das LG Düsseldorf vertrat die Auffassung, dass es zur Beschreibung des Charakters der „gebrauchten“ Rechte nicht erforderlich ist, eine Domain zu verwenden, die das geschützte Kennzeichen enthält4. Ähnlich argumentierte das OLG Düsseldorf im Fall der Domain peugeot-tuning.de und verneinte eine „notwendige“ Nutzung gemäß § 23 Nr. 3 MarkenG5.
1468
Dass für hapimag-a-aktien.de und peugeot-tuning.de nicht derselbe Maßstab gelten soll wie für schufafreierkredit.de, überrascht nur auf den ersten Blick: Die Kennzeichennutzung erfolgt bei happimag-a-aktien.de und bei peugeot-tuning.de, um darauf hinzuweisen, dass ein „Originalprodukt“ (der Firma Hapimag) bzw. Dienstleistungen am „Original“ (Peugeot) angeboten werden, während es bei schufafreierkredit.de um eine rein beschreibende Verwendung des Schlagworts „SCHUFA“ handelt. Daher ist in den ersten beiden Fällen § 23 Nr. 3 MarkenG mit dem Erfor-
1469
1 Härting/Reinholz, K&R 2003, 485, 486; LG Bremen vom 30.1.2003, Az. 12 O 383/02, JurPC Web-Dok. 69/2003 – bsagmeckerseite.de. 2 OLG Hamburg vom 6.11.2003, CR 2004, 846 – schufafreierkredit.de. 3 OLG Braunschweig vom 22.12.2009, K&R 2010, 194 f. (Ls.) – tests.de. 4 LG Düsseldorf vom 11.7.2007, CR 2007, 741 f. – hapimag-a-aktien.de. 5 OLG Düsseldorf vom 21.11.2006, K&R 2007, 101, 103 – peugeot-tuning.de; vgl. auch LG Düsseldorf vom 19.7.2006, CR 2007, 118 – cat-ersatzteile.de.
375
G. Domainrecht
dernis der „notwendigen“ Benutzung anwendbar, während für schufafreierkredit.de der Tatbestand des § 23 Nr. 2 MarkenG gilt, der ein solches Erfordernis nicht enthält. Im Hinblick auf das einschränkende Tatbestandsmerkmal der „Notwendigkeit“ lässt sich § 23 Nr. 3 MarkenG als lex specialis zu § 23 Nr. 2 MarkenG verstehen1. 1470
Auch kann sich ein Rechtsanwalt, der (unter anderem) die Domain anwalt-ebay.de nutzt, nicht auf § 23 Nr. 3 MarkenG berufen, da eine Benutzung des Zeichens „Ebay“ zur Beschreibung der anwaltlichen Dienstleistung weder naheliegt noch erforderlich ist2. cc) Nutzung im geschäftlichen Verkehr
1471
Unterlassungsansprüche nach den §§ 14 und 15 MarkenG können nur bei einer Nutzung der Domain im geschäftlichen Verkehr bestehen3. Erforderlich ist somit eine wirtschaftliche Tätigkeit, die der Förderung des eigenen oder fremden Geschäftszwecks zu dienen bestimmt ist4. Das Markenrecht liefert keine Handhabe gegen die Nutzung einer Domain für eine private Homepage5.
1472
Würde die Domain mcdonalds.de für eine private Homepage genutzt, könnte der Markeninhaber hiergegen aus Markenrecht nicht vorgehen. Dies ist eine erhebliche Schutzlücke des MarkenG im Domainrecht. Dem Markeninhaber bleibt nur der ergänzende Schutz durch § 12 BGB6 und – im Falle des Domaingrabbing – durch § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 UWG bzw. durch § 826 BGB7.
1473
In seiner Entscheidung zu afilias.de hat der BGH es für eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr nicht ausreichen lassen, dass die Domain für ein „Partnerprogramm“ genutzt wurde, das nur „zugelassenen Partnern“ zur Verfügung stand8.
1 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 23, Rdnr. 70. 2 LG Hamburg vom 17.6.2008, MMR 2009, 143 (Ls.) – anwalt-ebay.de. 3 Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rdnr. 66; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 15 Rdnr. 87; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 35 f.; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; OLG Frankfurt a.M. vom 27.3.2003, Az. 6 U 13/02, JurPC Web-Dok. 171/2003 – amex.de; OLG Schleswig vom 19.12.2000, MMR 2001, 399. 4 Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rdnr. 6; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 44. 5 Vgl. LG München I vom 18.4.2004, ZUM 2004, 683, 684 – sexquisit.de. 6 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; vgl. Biermann, WRP 1999, 997. 7 Härting, BB 2002, 2028, 2030; OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; LG Düsseldorf vom 6.7.2001, CR 2002, 138 – literaturen.de. 8 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 736 mit Anm. Rössel – afilias.de.
376
IV. Anspruchsgrundlagen
Für eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr reicht es dagegen aus, dass die Domain für eine Website verwendet wird, auf der sich Werbung befindet, beispielsweise in Form von „sponsored links“1. Allerdings genügt es nicht, dass sich auf den Seiten eines kostenfrei nutzbaren Onlinedienstes ein Button zu einer Sponsorseite befindet. Sponsorengelder, die zur Deckung der Kosten eines Internetdienstes benötigt werden, lassen noch nicht auf ein geschäftliches Handeln des Anbieters schließen2. Auch Hinweise auf kommerzielle Veranstaltungen genügen für ein geschäftliches Handeln nicht aus, wenn der Informations- und Hinweischarakter im Vordergrund steht3.
1474
Wegen der Kennzeichnungsfunktion einer Domain stellt jede Nutzung einer Marke oder Geschäftsbezeichnung als Domain zugleich eine Benutzung des geschützten Kennzeichens dar4. Wird die Domain für eine gewerbliche Website genutzt, liegt eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr vor.
1475
Schwierig zu beurteilen sind Fälle, in denen geschützte Marken oder Geschäftsbezeichnungen als Domains registriert sind, ohne dass die Domain auch tatsächlich für einen Internetauftritt genutzt wird5. Wenn sich aus den tatsächlichen Umständen ergibt, dass der Domaininhaber eine geschäftliche Nutzung beabsichtigt6, liegen die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage vor7. Gegen die beabsichtigte private Nutzung der Domains gibt es dagegen markenrechtlich keine Handhabe. Die Domainregistrierung allein kann noch nicht als Benutzung einer Marke oder Geschäftbezeichnung im geschäftlichen Verkehr angesehen werden8.
1476
Lässt sich eine juristische Person eine Domain registrieren, folgt daraus nicht zwingend die Absicht einer (kennzeichenverletzenden) geschäftli-
1477
1 OLG Hamburg vom 8.2.2007, K&R 2007, 271, 272 – test24.de. 2 LG München I vom 10.10.2007, MMR 2008, 267 f. – studi.de I. 3 LG München I vom 28.11.2007, Az. 1 HK O 22408/06, JurPC Web-Dok. 52/2008 – studi.de II. 4 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rdnr. 15 ff.; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 5 Vgl. Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rdnr. 7. 6 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 79; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 7 Foerstl, CR 2002, 518, 521; Kur, CR 1996, 325, 327; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; OLG Hamburg vom 28.7.2005, MMR 2006, 476, 477 f. – metrosex.de; LG Braunschweig vom 5.8.1997, MMR 1998, 272 – deta.com; LG Düsseldorf vom 4.4.1997, GRUR 1998, 159, 164 – epson.de; LG Düsseldorf vom 1.6.2005, MMR 2006, 121 – computer-partner.de. 8 LG Berlin vom 21.2.2008, MMR 2008, 484, 485 – naeher.de; vgl. auch Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 200; Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rdnr. 768 ff.; a.A. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1065.
377
G. Domainrecht
chen Nutzung1. Erst recht stellt die Registrierung einer Domain noch keine Benutzung der Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr dar2. Die Registrierung der Domain original-nordmann.eu durch einen Forstbetrieb begründet keine Löschungs- und Unterlassungsansprüche des Inhabers der Marke „Original Nordmann“, solange keine Erstbegehungsgefahr für eine geschäftliche, kennzeichenverletzende Nutzung der Domain besteht3.
Übersicht
1478
Registrierung und Nutzung von Domains – Benutzung eines geschützten Kennzeichens im geschäftlichen Verkehr? – Bei einer „aktiven“ Domain, über die Inhalte abrufbar sind, kommt es darauf an, ob es sich um „geschäftliche“ oder rein private Inhalte handelt. – Bei einer lediglich registrierten Domain (ohne Inhalte) fehlt es an einer kennzeichenmäßigen Nutzung, da die Registrierung noch keine Nutzungshandlung darstellt. – Bei einer bloßen Registrierung kommt allerdings eine vorbeugende Unterlassungsklage in Betracht, wenn sich nachweisen lässt, dass eine geschäftliche Nutzung beabsichtigt ist.
dd) Identität oder Verwechslungsgefahr
1479
Für die Reichweite des Schutzes von Marken gelten domainrechtlich dieselben Maßstäbe, die auch außerhalb des Internet gelten. Bei Zeichenidentität kommt es somit gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG darauf an, ob die Domain für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit den markenrechtlich geschützten Waren oder Dienstleistungen identisch sind4. Bei bloßer Ähnlichkeit der Zeichen kommt es gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darauf an, ob Verwechslungsgefahr besteht5. Einen weitergehenden Schutz erlangt die berühmte Marke, deren Unterscheidungskraft und Wertschätzung durch § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG auch dann geschützt wird, wenn eine Domain für Waren oder Dienstleistungen ge1 2 3 4
BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524, 525 – Euro Telekom. BGH vom 13.3.2008, WRP 2008, 1353, 1354 – Metrosex. OLG Hamburg vom 12.4.2007, K&R 2007, 414, 415 – original-nordmann.eu. Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 165; OLG Frankfurt a.M. vom 4.5.2000, MMR 2000, 486 – alcon.de; OLG Hamburg vom 21.9.2000, Az. 3 U 89/00 – derrick.de; OLG Köln vom 14.8.2002, WRP 2002, 249 – freelotto.de; LG Düsseldorf vom 4.4.1997, GRUR 1998, 159 – epson.de; LG Hamburg, vom 25.3.1998, K&R 1998, 365 – elteRdnr.de;. 5 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 165; OLG Hamburg vom 14.12.2000, CR 2001, 552 – buecher1001.de; LG Köln vom 10.6.1999, Az. 31 O 55/99 – ts-computer.de.
378
IV. Anspruchsgrundlagen
nutzt wird, die nicht den Waren oder Dienstleistungen ähnelt, für die die Marke Schutz genießt1. Geschäftliche Bezeichnungen sind durch § 15 Abs. 2 MarkenG dagegen geschützt, dass die Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen in einer Weise benutzt wird, dass Verwechslungsgefahr besteht. § 15 Abs. 3 MarkenG schafft zudem einen Schutz berühmter geschäftlicher Bezeichnungen, der § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entspricht2.
1480
Die Voraussetzungen für einen umfassenden Titelschutz gemäß § 15 Abs. 3 MarkenG liegen beispielsweise bei dem Titel „Freundin“ vor, der seit 1948 für eine Zeitschrift verwendet wird, die 14-tägig in hoher Auflage erscheint. Ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr besteht daher ein Unterlassungsanspruch gegen den Verwender der Domain freundin.de für einen Partnervermittlungsdienst3. Entsprechendes gilt für den Inhaber der Marke „Zwilling“, die einen inländischen Bekanntheitsgrad von 92 % aufweist, sodass ein Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 3 MarkenG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegen die unbefugte Benutzung der Domain zwilling.de besteht4. Eine überragende Bekanntheit kommt auch dem Namen „Aldi“ als Firmenschlagwort zu5.
1481
In domainrechtlichen Streitigkeiten geht es vorwiegend um die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 15 Abs. 2 MarkenG besteht. Eine solche Verwechslungsgefahr kann es in zwei Varianten geben: Im engeren Sinne besteht Verwechslungsgefahr, wenn eine Ware oder Dienstleistung auf Grund einer Zeichen- und Produktähnlichkeit fälschlich einem anderen Unternehmen zugerechnet werden kann. Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt dagegen vor, wenn die irrige Annahme erweckt werden kann, dass wirtschaftliche Beziehungen oder organisatorische Zusammenhänge zwischen dem Inhaber der Kennzeichenrechte und einem anderen Unternehmen bestehen6.
1482
Verwechslungsgefahr besteht beispielsweise bei der Verwendung der Domain eltern.de für einen Informationsdienst zu elternbezogenen Themen gegenüber dem Inhaber der Marke „Eltern“, der die Marke seit den 70er Jahren für eine entsprechende Monatszeitschrift verwendet7. Ähnliches
1483
1 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 166; OLG Hamm vom 19.6.2001, MMR 2001, 749 – veltins.com; OLG Karlsruhe vom 14.5.1997, MMR 1998, 148. 2 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 46. 3 Linke, CR 2002, 271, 273; OLG München vom 2.4.1998, K&R 1998, 363, 364 – freundin.de. 4 OLG Karlsruhe vom 24.6.1998, WRP 1998, 900 – zwilling.de; LG Mannheim vom 17.10.1997, WRP 1998, 920, 921 f; vgl. Nägele, WRP 2002, 138, 147. 5 OLG Hamm vom 1.4.2003, K&R 2003, 613 (Ls.) – aldireisen.de. 6 Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rdnr. 13. 7 LG Hamburg vom 25.3.1998, K&R 1998, 365, 366.
379
G. Domainrecht
gilt für die Domain eltern-online.de1. Der Internetnutzer wird geneigt sein, anzunehmen, dass der jeweilige Onlinedienst von dem Markeninhaber stammt. 1484
Die Verwendung der Domain lit.de durch ein Unternehmen, das auf dem Gebiet der Informationstechnologie tätig ist, soll nach der sehr weit gehenden Auffassung des LG Frankfurt a.M. den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, es bestünden geschäftliche Beziehungen oder organisatorische Zusammenhänge zu einem Speditionsunternehmen, das seit den 80er Jahren die Bezeichnung „L.I.T.“ führt, sodass eine Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 und § 15 Abs. 2 MarkenG zu bejahen sei2. Das OLG Karlsruhe entschied dagegen, dass zwischen der für alkoholfreie Getränke eingetragenen Wortmarke „Biovin“ und der Domain biovino.de eines Versandhandels von Wein keine Verwechslungsgefahr besteht. Beide Begriffe weisen eine offene Anlehnung an eine rein beschreibende Bezeichnung der Warengattung auf (vgl. auch § 23 Nr. 2 MarkenG)3. Das OLG Hamburg verneinte eine Verwechslungsgefahr zwischen der Marke „test“ der Stiftung Warentest und der Domain test24.de, die ausschließlich für „sponsored links“ verwendet wurde4. In einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit bejahte das BAG eine Verwechslungsgefahr der Domain results.de mit der geschäftlichen Bezeichnung „RESULTS Unternehmensberatung“ bei teilweiser Dienstleistungsidentität5.
1485
Je höher der Bekanntheitsgrad eines Kennzeichens ist, desto näher liegt es, trotz deutlicher Unterschiede der kollidierenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Daher waren die Inhaber der Kennzeichenrechte an „StudiVZ“ und „SchülerVZ“ mit ihrer Unterlassungsklagen erfolgreich gegen die Inhaber der Domains bewerbervz.de/bewerbervz.net6. Wenn die Entscheidung am Ende auch vertretbar sein mag, ist sie doch oberflächlich begründet7 und muss angesichts schwacher Kennzeichnungskraft und sehr geringer Überschneidungen der gegenüberstehenden Kennzeichen kritisch betrachtet werden8.
1486
Unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens konnten sich „StudiVZ“/„SchülerVZ“ unter anderem9 auch gegen die Inhaber der Domains boersevz.de/boersevz.ch/boersevz.eu/boersevz.at/boersevz.com/boersevz.net durchsetzen10. Ob dem Bestandteil „VZ“ jedoch tatsächlich die 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
OLG Hamburg vom 31.7.2003, MMR 2004, 174 – eltern-online.de. LG Frankfurt a.M. vom 10.9.1997, MMR 1998, 151, 152 f. – lit.de. OLG Karlsruhe vom 9.4.2003, MMR 2004, 108 – biovino.de. OLG Hamburg vom 8.2.2007, K&R 2007, 271 – test24.de. BAG vom 7.9.2004, MMR 2005, 173, 174 f. – results.de. LG Köln vom 2.5.2008, CR 2009, 57 – bewerbervz.de. Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606, 609. Vgl. Terhaag/Engels, K&R 2009, 647, 648. Eine Übersicht ähnlicher Verfahren findet sich bei Berlit, WRP 2009, 133, 135. LG Hamburg vom 24.2.2009, MMR 2010, 258 (Ls.) – BörseVZ; vgl. auch LG Hamburg vom 2.10.2008, MMR 2009, 135 – BörseVZ.
380
IV. Anspruchsgrundlagen
Qualität als Stamm einer Serienmarke zugesprochen werden kann, ist mehr als fraglich. Letztlich handelt es sich dabei um eine mögliche Abkürzung für das Wort „Verzeichnis“, die in diesem Sinne vielfach Verwendung in Domainnamen gefunden hat1. Die Marke „weg.de“ hat für ein Internet-Reisportal nur schwache Kennzeichnungskraft. Eine Verwechslungsgefahr mit der Domain mcweg.de besteht daher selbst bei Branchenidentität nicht2.
1487
Der Titel der Zeitschrift „Versicherungsrecht“ soll nach Auffassung des OLG Düsseldorf kraft Verkehrsdurchsetzung Titelschutz gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG genießen. Im Hinblick auf die Domain versicherungsrecht.de soll dennoch keine Verwechslungsgefahr bestehen, da der Internetnutzer mit dem Begriff „Versicherungsrecht“ als Internetdomain nicht ohne weiteres die gleichnamige Fachzeitschrift verbindet3. Das LG Frankfurt a.M. bezweifelte in einem Parallelverfahren, ob „Versicherungsrecht“ die Anforderungen des § 5 Abs. 3 MarkenG erfüllt und verneinte jedenfalls eine Verwechslungsgefahr bei einem über versicherungsrecht.de erreichbaren Portal mit Informationen rund um das Versicherungsrecht4.
1488
Der Titel „ComputerPartner“ für eine Computerzeitschrift hat nur schwache Kennzeichnungskraft, da er sich stark an beschreibende Elemente anlehnt5. Zwar gelten bei Zeitschriftentiteln nur geringe Anforderungen an die Kennzeichnungskraft, da auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seit jeher Publikationen unter vergleichsweise farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden, sodass beispielsweise der Titel „Der Allgemeinarzt“ als Werktitel gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG geschützt ist. Wegen der begrenzten Unterscheidungskraft fehlt es jedoch an einer Verwechslungsgefahr mit einem Diskussionsforum, das ein Arzt unter der Domain allgemeinarzt.de betreibt6.
1489
Allein auf Grund der Nutzung des Begriffs als Titel einer Website soll der Bezeichnung „dialerschutz“ Werktitelschutz gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG zukommen. Nach Auffassung des LG München I ergibt sich dies aus der „hohen Bekanntheit“ der Website7.
1490
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr gelten online keine anderen Regeln als offline. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marke „combit“ mit der Domain kompit.de spricht daher die klangliche Ähnlichkeit
1491
1 2 3 4
Vgl. Berlit, WRP 2009, 133, 135 ff.; Terhaag/Engels, K&R 2009, 647, 648 f. OLG Köln vom 22.1.2010, MMR 2010, 473 ff. – mcweg.de. OLG Düsseldorf vom 25.11.2002, MMR 2003, 177 f. – versicherungsrecht.de. LG Frankfurt a.M. vom 24.1.2003, NJW-RR 2004, 842, 843 – versicherungsrecht.de 5 LG Düsseldorf vom 1.6.2005, MMR 2006, 121 – computer-partner.de. 6 LG Hamburg vom 31.5.2005, MMR 2006, 252 – allgemeinarzt.de. 7 LG München I vom 27.12.2004, CR 2005, 683 (Ls.) – dialerschutz.
381
G. Domainrecht
für eine Verwechslungsgefahr1. Nicht überzeugend ist es, wenn das OLG Köln bei der Domain bit-bau.de eine Verwechslungsgefahr mit der für Baudienstleistungen eingetragenen Marke „BIT“ verneint mit der Begründung, dass von einem Internetnutzer erwartet werden könne, dass er die Unterscheidungskraft des Zusatzes „bau“ wahrnimmt2. 1492
Wegen der schwachen Kennzeichenkraft des Werktitels oesterreich.de besteht nach Auffassung des OLG München keine Verwechslungsgefahr zwischen oesterreich.de und österreich.de, wenn die eine Domain für ein Österreich-Informationsportal und die andere Domain für eine Website mit vielfältigen Reiseangeboten genutzt wird3. Keine Verwechslungsgefahr besteht auch zwischen der Wortmarke „ARD-Wahltipp“ und der Domain wahltipp.de4. Trotz Eintragung der Wortmarke „Print24“ scheiterte eine Klage des Markeninhabers gegen die Nutzung der Domain printshop24.de, da sich die Marke an der untersten Grenze der Schutzfähigkeit bewegt und daher der Zusatz „shop“ ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen5. Wegen der schwachen Kennzeichnungskraft der Wort-/Bildmarke „test“ und des gleichnamigen Zeitschriftentitels verneinte das OLG Braunschweig eine Verwechslungsgefahr mit der Domain tests.de6.
1493
Zu bejahen ist eine Verwechslungsgefahr bei den Domains abi-books.com und abe-books.com, wenn über beide Domains Internet-Marktplätze für Bücher betrieben werden7. Dasselbe gilt in Köln für die Marke AIDA und die Domain aidu.de, wenn sowohl die Marke als auch die Domain für Reisedienstleistungen registriert bzw. genutzt werden8.
1494
Der BGH bezweifelte dagegen eine Verwechslungsgefahr trotz klanglicher und schriftbildlicher Ähnlichkeit der Zeichen sowie hoher Dienstleistungsähnlichkeit9. Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit ist nämlich der Grundsatz zu beachten, dass eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen zu verneinen sein kann, wenn einem Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt10. Die Ähnlichkeit der Zeichen wird durch den ohne weiteres erkennbaren eindeutigen Bedeutungs1 2 3 4 5 6 7 8
OLG Hamburg vom 14.12.2005, NJW-RR 2006, 984, 985 – kombit.de. OLG Köln vom 9.7.2004, GRUR 2005, 82 – bit-bau.de. OLG München vom 20.10.2005, CR 2006, 414 – österreich.de. LG Düsseldorf vom 25.1.2006, MMR 2006, 412 – wahltipp.de. LG Leipzig vom 19.2.2004, ITRB 2004, 252 (Elteste) – printshop24.de. OLG Brraunschweig vom 22.12.2009, K&R 2010, 194 f. (Ls.) – tests.de. OLG Hamburg vom 25.11.2004, CR 2006, 278, 279 – abe-books.com. OLG Köln vom 1.6.2007, Az. 6 U 35/07 – AIDA/AIDU; vorhergehend LG Köln vom 8.2.2007, K&R 2007, 221. 9 BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381 ff. – AIDA/AIDU. 10 EuGH vom 12.1.2006 GRUR 2006, 237, 238 – PICASSO/PICARO; EuGH vom 23.3.2006, GRUR 2006, 413, 415 – ZIRH/SIR; EuGH vom 18.12.2008, GRUR-RR 2009, 356, 360 – MOBELIX/OBELIX; BGH vom 28.8.2003 GRUR 2003, 1047, 1049 = WRP 2003, 1439 – Kellogg’s/Kelly’s m.w.N.
382
IV. Anspruchsgrundlagen
gehalt der Marke AIDA aufgehoben. Der angesprochene Verkehr wird den Begriff AIDA nämlich in erster Linie mit der gleichnamigen Oper von Guiseppe Verdi assoziieren1. Die Richter beweisen dabei ein unglaubliches Vertrauen in den allgemeinen Kenntnisstand über musikalische Werke der vergangenen Jahrhunderte. In einer Reihe von Entscheidungen sah sich der BGH zur Korrektur untergerichtlicher Entscheidungen veranlasst – jeweils zugunsten des Domaininhabers. Dabei hat der BGH insbesondere eine gründlichere Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 14 und 15 MarkenG angemahnt und darauf hingewiesen, dass markenrechtliche Ansprüche am Fehlen einer Waren- bzw. Branchenähnlichkeit oder aber auch an einer fehlenden räumlichen Kollision scheitern können.
1495
Lässt sich eine Werbeagentur die Domain mho.de registrieren, um ihre Leistungen erstmalig mit der Bezeichnung MHO anzubieten, so begründet dies ein eigenes Kennzeichenrecht aus § 5 MarkenG2. Ein prioritätsälterer Inhaber eines gleichlautenden Kennzeichens kann hiergegen aus § 15 in Verbindung mit § 5 MarkenG nur vorgehen, wenn wegen einer Branchennähe Verwechslungsgefahr besteht. Eine solche Branchennähe hat der BGH im Verhältnis zwischen der beklagten Werbeagentur und dem klägerischen Krankenhaus verneint. Ebenso wie ein Krankenhaus es (generell) hinnehmen muss, dass eine Werbeagentur unter gleicher oder ähnlicher Bezeichnung geschäftlich tätig ist, muss das Krankenhaus sich auch damit abfinden, dass die Agentur eine gleichlautende Domain nutzt.
1496
Ähnliche Argumente finden sich in dem BGH-Urteil zu euro-telekom.de. Die Deutsche Telekom AG berief sich in diesem Prozess auf den Schutz ihrer Unternehmensbezeichnung aus § 15 in Verbindung mit § 5 MarkenG. Der beklagte Konkurrent hatte die streitigen Domains bislang nur registrieren lassen, ohne sie zu nutzen. Da sich der Schutz des Begriffs „Telekom“ als Unternehmensbezeichnung nach Auffassung des BGH auf die Bereiche der Telekommunikation und des Internet beschränkt und anderweitige Nutzungen durch den Domaininhaber denkbar waren, verneinte der BGH einen Löschungsanspruch3. Das LG Hamburg hatte zwei Jahre zuvor noch einer Klage der Deutsche Telekom AG auf Löschung der Domain t-markt.de stattgegeben im Hinblick auf die Bekanntheit des „T-“ als Stammbestandteil eines Serienzeichens, ohne die sachliche Reichweite des Markenschutzes überhaupt zu problematisieren4.
1497
1 BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381, 383 – AIDA/AIDU 2 BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 ff. = MDR 2005, 765 f. – mho.de. 3 BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 f. – Euro Telekom. 4 LG Hamburg vom 15.2.2005, MMR 2005, 783, 784 – t-markt.de.
383
G. Domainrecht
1498
In seiner Entscheidung zu soco.de1 hat der BGH die räumliche Überschneidung der Wirkungsbereiche als Voraussetzung für eine Kennzeichenrechtsverletzung nach § 15 MarkenG betont. Der BGH sah allein in der Tatsache, dass ein Unternehmen über eine Website seine Dienstleistungen anbietet, noch keine Erweiterung des räumlichen Tätigkeitsbereichs. Wirbt ein EDV-Dienstleister, der bisher nur im Rheinland tätig war, bundesweit über das Internet, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass er nunmehr auch in anderen Teilen Deutschlands aktiv werden möchte. Trotz Branchenähnlichkeit könne ein Unternehmen mit prioritätsälterem Kennzeichen und Sitz in Süddeutschland nicht gegen die Nutzung des Kennzeichens als Domain durch den Konkurrenten vorgehen, wenn sich die angesprochenen Kundenkreise nicht überschneiden.
1499
Auch in seiner Entscheidung zu hufeland.de2 hat der BGH betont, dass sich aus dem „ubiquitären Charakter des Internet“ keine Ausdehnung des räumlichen Tätigkeitsbereichs eines Unternehmens schließen lässt, wenn das Unternehmen im Übrigen nur lokal und regional tätig ist. Die Klage des Betreibers einer süddeutschen Klinik mit der Bezeichnung „Hufeland“ gegen den Betreiber eines gleichnamigen Krankenhauses in Thüringen auf Freigabe der Domain hufeland.de blieb damit erfolglos3.
1500
Aus ähnlichen Gründen versagte der BGH einer Münchener Sprachschule Ansprüche gegen Konkurrenten, die die Domain cambridgeinstitute.ch verwendeten. Die klagende Sprachschule verwendete zwar bereits seit 1996 die Bezeichnung „Cambridge Institut“ und nutzte den Domainnamen cambridgeinstitut.de, konnte aber nicht nachweisen, über Bayern hinaus tätig zu sein4.
1501
An einer hinreichenden Branchenähnlichkeit scheiterten nach (zutreffender) Ansicht des OLG Köln Ansprüche des Inhabers der Marke „Investment“ gegen den Inhaber der Domain investment.de. Die Marke war für Computerprodukte und -dienstleistungen eingetragen, wohingegen die Domain für ein Portal für Finanzdienstleistungen genutzt wurde5. An einer Branchenähnlichkeit fehlt es auch zwischen einem Händler für Elektronikprodukte und einem Fachverband für Ärzte, der Aus- und Fortbildungsmaßnahmen veranstaltet6. Zu bejahen ist dagegen eine Branchen-
1 BGH vom 22.7.2004, NJW 2005, 1198 ff. = CR 2005, 284 ff. = MDR 2005, 586 ff. = MMR 2005, 191 ff. = WRP 2005, 338 ff. – soco.de. 2 BGH vom 23.6.2005, CR 2006, 193 ff. – hufeland.de. 3 BGH vom 23.6.2005, CR 2006, 193 ff.; a.A. OLG Karlsruhe vom 9.10.2002, MMR 2003, 169. 4 BGH vom 28.6.2007, CR 2007, 655 ff. – Cambridge Institute. 5 OLG Köln vom 17.3.2006, MMR 2006 mit Anm. Utz – investment.de; vgl. auch LG Köln vom 4.8.2005, K&R 2005, 471, 472 (Vorinstanz). 6 LG München I vom 3.6.2008, MMR 2008, 857 – dgh.de.
384
IV. Anspruchsgrundlagen
ähnlichkeit bei chemischen Reinigungssubstanzen einerseits und Chemikalien sowie Reagenzien andererseits1. 3. § 12 BGB – Namensrechte a) Grundlagen
Für Privatpersonen, aber auch für Städte und Gemeinden ist § 12 BGB die Grundlage für Ansprüche auf Löschung einer Domain bzw. auf Unterlassung der Domainnutzung, wenn sich eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB nicht nachweisen lässt2. Dasselbe gilt für Unternehmen, deren Bezeichnungen nicht kennzeichenrechtlich geschützt sind oder deren markenrechtliche Ansprüche daran scheitern, dass eine Domain nicht im geschäftlichen Verkehr, sondern für eine private Homepage genutzt wird.
1502
Träger eines Namensrechts ist auch der eingetragene Verein3. Dasselbe gilt für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für nicht rechtsfähige Vereine und nach Auffassung des OLG Rostock auch für Bürgerinitiativen als „nicht rechtsfähige Vereinigung“4, wobei der Begriff der „nicht rechtsfähigen Vereinigung“ unglücklich vage ist.
1503
Das Namensrecht ist ein absolutes Recht, das neben dem so genannten Zwangsnamen (dem bürgerlichen Namen) auch den Wahlnamen erfasst5. Durch § 12 BGB werden somit Pseudonyme und Phantasienamen ebenso geschützt wie Unternehmens- und Ortsbezeichnungen6. Das Namensrecht erlischt bei natürlichen Personen mit dem Tod des Namensträgers. In seiner Entscheidung zu kinski-klaus.de hat der BGH betont, dass ein Toter nicht mehr Träger des Namensrechts sein kann, da er nicht mehr Rechtssubjekt ist7.
1504
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens bestritten (Namensleugnung) oder wird ein Name unbefugt gebraucht (Namensanmaßung), kann der Namensträger gemäß § 12 BGB Beseitigung (§ 12 Satz 1 BGB) und Unterlassung (§ 12 Satz 2 BGB) verlangen. Der Beseitigungsanspruch richtet sich auf die Löschung der Domain bei der DENIC bzw. der jeweils zu-
1505
1 OLG Köln vom 20.1.2006, CR 2006, 549, 550 f. – ecolab.de. 2 Vgl. Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, Rdnr. 45 f.; Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1063; Bücking, NJW 1997, 1886, 1886 f.; Ernst, NJW-CoR 1997, 426, 427; Nordemann, NJW 1997, 1891, 1895; Ubber, WRP 1997, 497, 507; LG Düsseldorf vom 18.6.1998, Az. 4 O 160/98 – jpnw.de; LG Köln vom 17.12.1996, CR 1997, 291 – pulheim.de; LG Köln vom 28.5.1998, Az. 15 O 15/98 – zivildienst.de. 3 Vgl. LG Schwerin vom 14.3.2008, K&R 2008, 320 f. – braunkohle-nein.de. 4 OLG Rostock vom 3.12.2008, MMR 2009, 417 – braunkohle-nein.de. 5 Saenger in Erman, § 12 Rdnr. 2; Jauernig in Jauernig, § 12 Rdnr. 1ff.; Ellenberger in Palandt, § 12 Rdnr. 2, 4; BGH vom 26.6.2003, CR 2003, 845, 846 – maxem.de. 6 Jauernig in Jauernig, § 12 Rdnr. 3; Ellenberger in Palandt, § 12 Rdnr. 4. 7 BGH vom 5.10.2006, NJW 2007, 684 = CR 2007, 101 = MMR 2007, 106 = K&R 2007, 38, 39 – kinski-klaus.de.
385
G. Domainrecht
ständigen Vergabestelle. Gegenstand des Unterlassungsanspruchs ist dagegen die (das Namensrecht verletzende) Nutzung der Domain. 1506
In der Anfangszeit des Domainrechts war noch unklar, ob die Nutzung einer Domain als Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB angesehen werden kann1. Manche Domainnutzer beriefen sich vor Gericht erfolgreich darauf, dass in der Nutzung einer Domain noch keine Anmaßung des Namens liege, da die Domain keine Namensfunktion habe, sondern lediglich – vergleichbar mit einer Telefonnummer – die Erreichbarkeit im Internet gewährleisten soll2. Die Parallele zur Telefonnummer hat sich jedoch nicht durchsetzen können3. Schon weil es üblich ist, Domainnamen zu wählen, die an Namen, Firmen und Geschäftsbezeichnungen anknüpfen, lässt sich die Namensfunktion von Domains nicht leugnen und wird inzwischen auch nicht mehr ernstlich bezweifelt4.
1507
Die Namensanmaßung liegt nicht erst in der Nutzung der Domain, sondern bereits in deren Registrierung. Da die Domain Adress- und Kennzeichnungsfunktion hat, ist schon deren Registrierung eine Anmaßungshandlung5. Durch die Registrierung setzt die den berechtigten Namensinhaber ausschließende Wirkung ein6.
1508
Ein Anspruch aus § 12 BGB setzt bei einer Namensanmaßung voraus, dass durch den Gebrauch des gleichen Namens die Gefahr einer Zuord1 Wilmer, CR 1997, 562; vgl. auch Kur, CR 1996, 590; Wiebe, CR 1998, 157. 2 LG Köln vom 17.12.1996, CR 1997, 291 – pulheim.de; LG Köln vom 17.12.1996, BB 1997, 1121 – kerpen.de; LG Köln vom 17.12.1996, GRUR 1997, 377 – huerth.de. 3 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; OLG Brandenburg vom 12.4.2000, MMR 2001, 174 – luckau.de; OLG Hamm vom 13.1.1998, CR 1998, 241 – krupp.de; OLG Karlsruhe vom 9.6.1999, CR 1999, 783 – baldwildbad.de; OLG München vom 23.9.1999, ZUM 2000, 69 – buecher.de; LG Braunschweig vom 28.1.1997, CR 1997, 414 – braunschweig.de; LG Düsseldorf vom 4.4.1997, CR 1998, 165 – epson.de; LG Frankfurt a.M. vom 26.2.1997, CR 1997, 287 – das.de. 4 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15, Rdnr. 55; Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 346; Fezer, WRP 2000, 669, 673; Bottenschein, MMR 2001, 286, 287; Nordemann, NJW 1997, 1891; Reinhart, WRP 2001, 13, 14; Völker/Weidert, WRP 1997, 652; Wielandt, CR 2001, 612, 613. 5 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 59; Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil C Rdnr. 773; Pahlow, WRP 2002, 1228, 1232; Strömer, K&R 2002, 306; BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; BGH vom 26.6.2003, CR 2003, 845 – maxem.de; OLG Brandenburg vom 12.4.2000, MMR 2001, 174 – luckau.de; OLG Hamm vom 13.1.1998, CR 1998, 241 – krupp.de; OLG Hamm vom 18.1.2005, MMR 2005, 381, 382 – juraxx.de; a.A. Becker, WRP 2010, 467, 472 f.; LG Braunschweig vom 29.9.2006, MMR 2007, 195, 196 – irrlicht.com; LG München I vom 18.3.2004, ZUM 2004, 683, 684 – sexquisit.de. 6 BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1197 = CR 2005, 362, 363 f. = MDR 2005, 765, 766 - mho.de; BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 737 mit Anm. Rössel – afilias.de; OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195, 196 – stadtwerke-uetersen.de.
386
IV. Anspruchsgrundlagen
nungsverwirrung entsteht1. Eine solche Zuordnungsverwirrung ist zu erwarten, wenn Dritte einen fremden Namen als Domain nutzen, ohne ein erkennbares, schutzwürdiges Eigeninteresse an dem Namen geltend machen zu können. Würde sich beispielsweise Otto Normalverbraucher die Domain lukas-podolski.de registrieren lassen, wäre die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung gegeben und ein Löschungsanspruch aus § 12 BGB zu bejahen2. An einer Zuordnungsverwirrung fehlt es bei der Domain emetro.de, da der Verkehr die Bezeichnung „emetro“ nicht als einen Gesamtbegriff aus „e“ und „metro“ auffasst und daher nicht mit den Unternehmensbezeichnungen des Metro-Konzerns in Verbindung bringt3.
1509
Eine Namensleugnung durch Registrierung und/oder Nutzung einer Domain ist schwer vorstellbar, da die Registrierung und Nutzung der Domain kein Bestreiten des Namensrechts beinhaltet4. Zwar genügt für die Namensleugnung eine Tätigkeit, die den Berechtigten an der Namensführung hindert. Gegen eine „partielle Namensleugnung“ in Form der Nutzung des Namens als Domain gewährt § 12 BGB jedoch keinen Schutz5.
1510
Gegenüber dem Markenrecht ist § 12 BGB im Bereich der geschäftlichen Namensnutzung grundsätzlich subsidiär. Wenn somit der Inhaber eines durch das Markenrecht geschützten Kennzeichens gegen die geschäftliche Nutzung einer Domain vorgeht, kommt ein Rückgriff auf § 12 BGB regelmäßig nicht in Betracht, falls – etwa wegen fehlender Branchennähe – markenrechtliche Ansprüche zu verneinen sind6. Anwendbar bleibt § 12 BGB allerdings, soweit es um eine Nutzung der Domain für private Zwecke geht7.
1511
Kein Grundsatz ohne Ausnahmen: In seiner Entscheidung zu mho.de hat der BGH angedeutet, dass namensrechtliche Ansprüche trotz eines gleichzeitig bestehenden Kennzeichenrechts schon dann in Betracht kommen, wenn der Domaininhaber kein Recht – gleich welcher Art – an
1512
1 Jauernig in Jauernig, § 12 Rdnr. 4 f.; Ellenberger in Palandt, § 12 Rdnr. 23 ff.; Saenger in Erman, § 12 Rdnr. 20 ff. 2 OLG Köln vom 27.11.2001, CR 2002, 538 – guenter-jauch.de. 3 OLG Hamburg vom 14.2.2008, Az. 3 U 152/05 – emetro.com. 4 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 73 Fn. 1; Viefhues, NJW 2000, 3239; BGH vom 22.11.2001, CR 2002, 525, 526 – shell.de; a.A. OLG Düsseldorf vom 17.11.1998, WRP 1999, 343 – ufa.de. 5 A.A. Kitz, CR 2006, 772, 773. 6 BGH vom 22.11.2001, CR 2002, 525, 526 = WRP 2002, 694 – shell.de. 7 Backhaus in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 25 Rdnr. 27; BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 736 mit Anm. Rössel – afilias.de; OLG Hamm vom 18.1.2005, MMR 2005, 381 – juraxx.de.; LG Hamburg vom 31.8.2006, NJW-RR 2007, 338 – bundesliga.de.
387
G. Domainrecht
dem Domainnamen geltend machen kann1. Der Inhaber von Namensrechten an der Bezeichnung MHO hätte demgemäß Unterlassungs- und Löschungsansprüche gegen den Inhaber der Domain mho.de, wenn der Domainnutzung weder Namens- noch Kennzeichenrechte zugrunde liegen, ohne dass es auf eine private oder gewerbliche Domainnutzung ankommt und ohne Rücksicht darauf, ob der Anspruchsteller seinerseits Inhaber von Kennzeichenrechten ist. Ähnlich weitreichend argumentiert das OLG Köln, das namensrechtliche Ansprüche schon dann bejaht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen konkurrierender markenrechtlicher Normen nicht erfüllt sind2 oder zumindest der „Schutzbereich des Kennzeichenrechts“ nicht betroffen ist3. 1513
1514
Das OLG Hamburg lässt es für einen Anspruch aus § 12 BGB ausreichen, dass eine Beeinträchtigung vorliegt, die außerhalb des „Schutzbereiches“ des Kennzeichenrechts liegt4. Dies sei der Fall, wenn der Funktionsbereich des Unternehmens durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des kennzeichenrechtlichen Anwendungsbereichs berührt wird, also bei Verwendung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche5.
Übersicht Beseitigungs- und/oder Unterlassungsanspruch aus Namensrecht, wenn: – die Zeichenfolge vom Anspruchsteller namensmäßig genutzt wird (Bestehen eines Namensrechts); – der Domaininhaber weder (eigene) Namens- noch (eigene) Kennzeichenrechte an dem Domainnamen geltend machen kann (keine eigenen Rechte des Domaininhabers). b) Namen und Domains
1515
Das Namensrecht wird von der Rechtsprechung oft großzügig bejaht, sodass beispielsweise der Bund die Nutzung von Domains wie deutschland.de6 und verteidigungsministerium.de7 gerichtlich unterbinden konnte. Das Land Hessen war erfolgreich in einem Rechtsstreit um die Domain hessentag2006.de8. 1 BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362, 363 f. = MDR 2005, 765, 766 – mho.de. 2 OLG Köln vom 14.7.2006, MMR 2007, 326, 327 – international-connection.de. 3 OLG Köln vom 20.1.2006, CR 2006, 549, 552 – ecolab.de. 4 OLG Hamburg vom 31.5.2007, CR 2007, 661, 662 = MMR 2008, 118 – mlpblog.de I. 5 OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195 – stadtwerke-uetersen.de. 6 LG Berlin vom 10.8.2000, CR 2000, 700 = MMR 2001, 57 = K&R 2001, 118 – deutschland.de. 7 LG Hannover vom 12.9.2001, K&R 2001, 652 – verteidigungsministerium.de. 8 LG Frankfurt a.M. vom 29.4.2005, MMR 2005, 782 – hessentag2006.de.
388
IV. Anspruchsgrundlagen
Bei marine.de blieben die Bemühungen des Bundes um Unterbindung der Domainnutzung ohne Erfolg1. Gleichfalls erfolglos waren die auf § 12 BGB gestützte Klage des Landes Nordrhein-Westfalen gegen die Nutzung der Domain mahngericht.de2 und die namensrechtliche Klage der Deutsche Bahn AG gegen die Registrierung und Nutzung der Domain bahnhoefe.de3.
1516
Um das Namensrecht ging es auch in der Auseinandersetzung um verona.tv4. Das OLG Hamburg vertrat die Auffassung, dass die Fernsehmoderatorin Verona Pooth es sich auf Grund eines Namensrechts (an dem bloßen Vornamen) nicht gefallen lassen muss, dass die Domain für eine Weiterverweisung auf die Website seitensprung.de genutzt wird. Weniger überraschend ist es, dass das LG Berlin in der Registrierung der Domain kanzler-schroeder.de bei der DENIC einen Verstoß gegen das Namensrecht des seinerzeitigen Bundeskanzlers sah5.
1517
Ein Vorname ist namensrechtlich geschützt, wenn entweder eine überragende Bekanntheit der betreffenden Person oder aber eine erhebliche Kennzeichnungskraft des Vornamens vorliegt. In seiner Entscheidung zu raule.de, in der es um den Internetauftritt der Tänzerin, Choreographin und Tanztherapeutin Raule H. ging, hielt der BGH den Vornamen für derart ausgefallen, dass er erhebliche Kennzeichnungskraft aufweist6.
1518
Keinen Erfolg hatte ein unbekannter Herr Süß, der einem Erotikanbieter die Nutzung der Domain süss.de untersagen wollte. Das OLG Nürnberg verneinte einen Unterlassungsanspruch: Das Wort „süß“ sei ein Adjektiv, das zum allgemeinen Sprachgebrauch gehöre und daher nicht als Hinweis auf einen Namensträger angesehen werde. Ein Unterlassungsanspruch bestehe nur insoweit, als der Domaininhaber eine Catch-AllFunktion geschaltet hatte, die zu einer Weiterleitung auf das Erotikangebot führte, wenn der Vorname des Klägers als Subdomain eingegeben wurde7.
1519
Ohne Erfolg blieb auch die Klage eines Herrn Netz gegen die Registrierung der Domain netz.de durch einen gewerblichen Anbieter. Das OLG Stuttgart konnte in der Registrierung und Nutzung der Domain keine Namensanmaßung sehen. Es fehle an einer namensmäßigen Nutzung des Sachbegriffs „Netz“, und auch von einer Namensleugnung könne
1520
1 LG Hamburg vom 13.10.2000, CR 2001, 131 – marine.de. 2 OLG Köln vom 30.9.2005, CR 2006, 493 – mahngericht.de; a.A. LG Köln vom 18.2.2005, MMR 2005, 621 (Vorinstanz). 3 LG Köln vom 22.12.2005, MMR 2006, 244 – bahnhoefe.de. 4 OLG Hamburg vom 27.8.2002, CR 2002, 910 – verona.tv. 5 LG Berlin vom 11.8.2003, VR 2004, 287 – kanzler-schroeder.de. 6 BGH vom 23.10.2008, K&R 2008, 399 mit Anm. Recke – raule.de. 7 OLG Nürnberg vom 12.4.2006, CR 2006, 485 mit Anm. Schirmbacher – suess.de.
389
G. Domainrecht
nicht die Rede sein1. Ähnlich argumentierten das LG Braunschweig in seiner Entscheidung zu irrlicht.com2 und das LG Berlin in seinem Urteil zu naeher.de3. 1521
Zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangte das OLG München in dem Rechtsstreit um die Domain duck.de4. Obwohl es sich bei dem Domainnamen um einen (englischsprachigen) Sachbegriff handelt, ist das OLG München der Auffassung, dem Namen komme eine „erhebliche Individualisierungsfunktion“ zu. Die Münchener Richter gaben der Klage des Architekten Duck statt, die sich gegen einen Domaininhaber richtete, der keine eigenen Namens- oder Kennzeichenrechte geltend machen konnte. Ähnlich argumentierte das LG München I bei der Entscheidung über eine Klage eines Herrn Fatum auf Freigabe der Domain fatum.de. Mangels hinreichender Lateinkenntnisse verbinde der Verkehr mit „fatum“ keinen Allgemeinbegriff (Schicksal), sondern einen Herkunftshinweis. Daher könne der Kläger gegen die Domainregistrierung aus § 12 BGB vorgehen5.
1522
Anders entschied das LG Hamburg einen Rechtsstreit um die Domain schaumburg-lippe.de. Dem klagenden Fürsten zu Schaumburg-Lippe stehe an dem Domainnamen zwar ein Namensrecht gemäß § 12 BGB zu. „Schaumburg-Lippe“ sei jedoch auch die Bezeichnung einer landschaftlichen Region, sodass es nicht die Interessen des Namensträgers verletze, wenn die Domain für eine Website mit landeskundlichen, touristischen, historischen und ähnlichen Inhalten genutzt werde6.
1523
Am Fehlen einer Namensleugnung oder -anmaßung ließ das LG Düsseldorf die Klage des Betreibers eines Restaurants mit dem klangvollen Namen „Zum Bootshaus Canal Grande“ gegen eine Privatperson scheitern, die sich die Domain canalgrande.de gesichert hatte7. Erfolgreich war dagegen die Klage des Schlossherrn gegen die Nutzung der Domain schlosseggersberg.de durch eine Dokumentarfilmerin, die einen Film über das Schloss drehen wollte8.
1524
Das LG Potsdam hatte den Streit zwischen dem Land Brandenburg und einer Bürgerinitiative um die Domain polizeibrandenburg.de zu entscheiden9. Das Gericht legte § 12 BGB großzügig aus, bejahte sowohl die Na1 OLG Stuttgart vom 7.3.2002, CR 2002, 529 = MMR 2002, 388 = K&R 2002, 377– netz.de. 2 LG Braunschweig vom 29.9.2006, MMR 2006, 295, 296 – irrlicht.com. 3 LG Berlin vom 21.2.2008, MMR 2008, 484 f. – naeher.de. 4 OLG München vom 10.1.2002, MMR 2002, 627 – duck.de. 5 LG München I vom 11.4.2005, ITRB 2006, 12 (Elteste) – fatum.de. 6 LG Hamburg vom 22.12.2003, MMR 2004, 557 – schaumburg-lippe.de. 7 LG Düsseldorf vom 12.6.2002, CR 2002, 839 ff. = MMR 2002, 756 ff. – canalgrande.de. 8 LG München I vom 1.4.2008, K&R 2008, 633 f. – schloss-eggersberg.de. 9 LG Potsdam vom 16.1.2002, Az. 2 O 566/01, JurPC Web-Dok. 85/2002 – polizeibrandenburg.de.
390
IV. Anspruchsgrundlagen
mensqualität von „Polizei Brandenburg“ als auch eine Zuordnungsverwirrung und gab der Klage des Landes statt. Auf derselben Linie liegt es, wenn das OLG Braunschweig ein Namensrecht der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel im Hinblick auf die Domain fh-wf.de bejaht1 und das OLG Rostock eine „Verkehrsgeltung“ des Namens der Bürgerinitiative „Braunkohle-Nein“ bejaht im Hinblick auf die Bekanntheit der Initiative in Mecklenburg-Vorpommern2. Da der Schutz des Namensrechts nur greift, wenn die Gefahr einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung besteht, konnten Kernkraftgegner, die unter der Domain castor.de eine Website betreiben, das Freigabebegehren des Atommüll-Lagerbehälter-Herstellers GNS/GNB abwehren3. Das LG Essen hatte in erster Instanz (zu Recht) bereits den Namensschutz verneint, da Castor als Marke die gleichnamigen Behälter bezeichnet, ohne jedoch auf den Hersteller hinzuweisen4.
1525
Das OLG Hamburg bejahte eine Zuordnungsverwirrung bei der Domain mlpblog.de, die für einen Internetblog von Kritikern des Unternehmens MLP genutzt wurde. Der Verkehr erwarte unter dieser Domain ein „offizielles Tagebuch des Unternehmens“ und kein Meinungsforum von MLP-Kritikern, sodass die Voraussetzungen des § 12 BGB erfüllt seien5.
1526
c) Schutz des Nichtberechtigten
Da das Prioritätsprinzip auch im Namensrecht gilt, ist grundsätzlich ungeschützt, wer – ohne eigenes Namensrecht – eine Domain anmeldet, für die bereits ein Namensrecht besteht. Aus Gründen der Priorität kann der Domainnutzer dann im Normalfall auch durch die Domainnutzung kein Kennzeichenrecht an dem Namen erwerben, das dem Namensrecht entgegengehalten werden kann. In seinen Entscheidungen zu mho.de6 und afilias.de7 hat der BGH allerdings Ausnahmen von diesem Grundsatz kreiert und die Auffassung vertreten, die nach § 12 BGB gebotene Interessenabwägung könne ausnahmsweise auch einmal zu Gunsten des kennzeichen- und namensrechtlich Nichtberechtigten ausfallen8.
1527
Eine Ausnahme gilt nach Auffassung des BGH für den Fall, dass die Registrierung des Domainnamens durch den Nichtberechtigten nur der erste Schritt im Zuge der – für sich genommen rechtlich unbedenklichen
1528
1 OLG Brauschweig vom 19.12.2003, Az. 2 W 233/02, JurPC Web-Dok. 254/2004 – fh-wb.de. 2 OLG Rostock vom 3.12.2008, MMR 2009, 417 – braunkohle-nein.de. 3 OLG Hamm vom 18.2.2003, NJW-RR 2003, 759 – castor.de. 4 LG Essen vom 23.5.2002, MMR 2002, 631 – castor.de. 5 OLG Hamburg vom 31.5.2007, CR 2007, 661, 662 – mlpblog.de. 6 BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 ff. = MDR 2005, 765 f. – mho.de. 7 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735 ff. mit Anm. Rössel – afilias.de. 8 Krit. Weisert, WRP 2009, 128 ff.
391
G. Domainrecht
– Aufnahme einer entsprechenden Benutzung als Unternehmenskennzeichen ist1. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es der Inhaber eines identischen Unternehmenskennzeichens im Allgemeinen nicht verhindern kann, dass in einer anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein Kennzeichenrecht an dem gleichen Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht erst einmal entstanden, muss nach Auffassung des BGH auch die Registrierung des entsprechenden Domainnamens hingenommen werden. Da es vernünftiger kaufmännischer Praxis entspreche, sich bereits vor der Benutzungsaufnahme den entsprechenden Domainnamen zu sichern, führe die gebotene Interessenabwägung dazu, dass eine der Benutzungsaufnahme unmittelbar vorausgehende Registrierung nicht als Namensanmaßung und damit als unberechtigter Namensgebrauch anzusehen sei2. 1529
Eine weitere Ausnahme gilt nach Ansicht des BGH, wenn das Kennzeichen- bzw. Namensrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung des Domainnamens durch den Domaininhaber entstanden ist3. Dies führt zu einer Blockierung der Domain für einen (späteren) Kennzeichen- oder Markeninhaber selbst dann, wenn die Domain nicht alsbald in einer Weise genutzt wird, die einen eigenständigen Kennzeichenschutz nach § 5 Abs. 2 MarkenG begründet. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass ein Unternehmer vor der Wahl einer Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internetadresse verwenden möchte, unschwer prüfen könne, ob der entsprechende Domainname noch verfügbar ist. Sei der gewünschte Domainname bereits vergeben, so werde es dem Unternehmer in der Regel möglich und zumutbar sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen4.
1530
Auf die Blockierung der Domain kann sich der Domaininhaber allerdings nur berufen, wenn er zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich die Domain in einer Weise nutzt, die Kennzeichenschutz begründet5. 4. Namens- und Kennzeichenrechte unter Gleichnamigen
1531
Der Fall shell.de6 ist ein Musterbeispiel für die Schwierigkeiten beim Streit um Domains zwischen Personen gleichen Namens bzw. zwischen Inhabern gleichlautender Kennzeichen. Ein Übersetzer, der mit Nachnamen Shell heißt, hatte die Domain shell.de registrieren lassen. Als der 1 BGH vom 9.9.2004, NJW 2005, 1196 f. = CR 2005, 362 ff. = MDR 2005, 765 f. – mho.de. 2 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 738 mit Anm. Rössel – afilias.de. 3 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 738 mit Anm. Rössel – afilias.de. 4 BGH vom 24.4.2008, K&R 2008, 735, 738 mit Anm. Rössel – afilias.de; krit. Weisert, WRP 2009, 128, 129 ff. 5 Vgl. Reinholz/Schätzle, K&R 2009, 606, 607; OLG Hamburg vom 24.9.2009, K&R 2010, 195, 196 – stadtwerke-uetersen.de. 6 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de, dazu Nägele, WRP 2002, 138, 144; Strömer, K&R 2002, 306 ff.
392
IV. Anspruchsgrundlagen
gleichnamige, weltweit operierende Mineralölkonzern hiergegen vorging, stritten zwei gleichnamige Parteien um eine Domain. Markenrechtliche Ansprüche griffen nicht durch, da Herr Shell die Domain (zuletzt) nicht geschäftlich, sondern für eine private Homepage nutzte. In seiner Entscheidung zu shell.de hat der BGH das Prinzip der Priorität betont1. Die Vergabestelle DENIC prüft nach der vom BGH gebilligten Vergabepraxis2 bei der Registrierung von Domains nicht, ob und inwieweit der Anmelder Rechte an dem Domainnamen geltend machen kann3. Daher ist unter Gleichnamigen der Schnellere im Vorteil4. Dies ist nach Auffassung des BGH weder namensrechtlich noch unter sonstigen Gesichtspunkten zu beanstanden.
1532
Auch verfassungsrechtlich begegnet das Prioritätsprinzip keinen Bedenken. Das BVerfG hält den Grundsatz der Priorität als Regel der Konfliktentscheidung zwar für verfassungsrechtlich nicht geboten, aber erlaubt5.
1533
Wie generell bei der Namensführung6, so ist auch bei der Wahl der Domain ein Interessenausgleich zwischen Gleichnamigen erforderlich, der den berechtigen Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt7. Zwar muss es wegen des Prioritätsprinzips grundsätzlich auch der bekanntere Namensinhaber hinnehmen, dass ihm ein anderer Namensträger die begehrte Domain wegschnappt8. Allerdings gilt das Prioritätsprinzip nicht grenzenlos. Im Fall von shell.de hat der BGH die Grenzen des Prioritätsprinzips für überschritten gehalten. Im Hinblick auf den überragenden Bekanntheitsgrad der Marke Shell und das sehr deutliche Überwiegen der Interessen des Mineralölkonzerns an der Domainnutzung war nach Auffassung des BGH ausnahmsweise eine Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes9 geboten. Den Domaininhaber treffe ein „namensrechtliches Rücksichtnahmegebot“, dem durch die Wahl einer anderen Domain – etwa bestehend aus Vor- und Zuname des Namensträgers – Rechnung getragen werden kann10.
1534
Das Erfordernis einer „überragenden Bekanntheit“ setzt einer Durchbrechung des Prioritätsprinzips enge Grenzen. Insbesondere verträgt es sich mit dem Prioritätsgrundsatz nicht, die Interessen der Gleichnamigen ab-
1535
1 BGH vom 22.11.2001, NJW 2001, 2031, 2034 – shell.de. 2 Vgl. BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671 – ambiente.de; BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769 – kurt-biedenkopf.de. 3 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671 – ambiente.de. 4 Härting, ITRB 2008, 38. 5 BVerfG vom 21.8.2006, CR 2006, 770 mit Anm. Kitz – maxem.de. 6 Ellenberger in Palandt, § 12 Rdnr. 30. 7 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 – shell.de. 8 OLG Koblenz vom 25.1.2002, CR 2002, 280 – vallendar.de; OLG Köln vom 6.7.2000, MMR 2001, 170 – maxem.de; OLG München vom 11.7.2001, CR 2002, 56 – boos.de; LG Erfurt vom 31.1.2002, MMR 2002, 396 – suhl.de. 9 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 – shell.de. 10 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031, 2034 – shell.de.
393
G. Domainrecht
zuwägen und einen Löschungsanspruch schon dann zu bejahen, wenn das Interesse des Anspruchsstellers an der Domain deutlich überwiegt1. Eine bloße Interessenabwägung reicht für eine Ausnahme von dem Prioritätsgrundsatz gerade nicht aus. 1536
Konnte sich die Shell AG noch auf Grund ihrer Größe und Bekanntheit gegen den unbekannten Herrn Shell durchsetzen, war die Ausgangsbasis beim Streit um die Domains vossius.de und vossius.com eine andere2. Hier standen sich zwei Anwaltskanzleien gegenüber, die jeweils Rechte aus § 5 Abs. 1 MarkenG (Unternehmenskennzeichen) bzw. § 12 BGB geltend machen konnten. Kläger war eine bekannte, alteingesessene Patentanwaltskanzlei, deren Namensgeber und Gründer die Sozien bei seinem Ausscheiden aus der Kanzlei ermächtigt hatte, weiter unter seinem Namen zu firmieren. Entgegen seiner ursprünglichen Absicht trat der Senior später der Kanzlei seines Sohnes bei, die Inhaber der Domains vossius.de und vossius.com wurde.
1537
Das Ziel einer Löschung der Domains erreichten die Kläger vor dem BGH nicht3. Nach Auffassung des BGH sind die Domaininhaber zwar auf Grund des längeren Bestehens der klägerischen Patentanwaltskanzlei verpflichtet, Verwechslungen entgegenzuwirken. Die Verwechslungsgefahr könne aber ausgeräumt werden, indem die Domaininhaber auf der Eingangsseite der Website deutlich machen, dass dort nicht die Kläger zu finden sind4. Da den Domaininhabern ein eigenes Recht zur Führung des Namens Vossius zukommt, mussten sie die Domain nicht aufgeben5.
1538
Die Entscheidung des BGH zu vossius.de stellt zwei Aspekte deutlich heraus: Beim Aufeinandertreffen (nahezu) gleichgewichtiger Interessen kann das Rücksichtnahmegebot den Domaininhaber zwingen, durch geeignete Maßnahmen auf der eigenen Internetseite Abstand zum Gleichnamigen einzuhalten. Die Nutzung der Domain kann dagegen demjenigen, der über ein eigenes Recht am Domainnamen verfügt, regelmäßig nicht untersagt werden.
1539
Das Abstandsgebot hat der BGH auch in seiner Entscheidung zu peekund-cloppenburg.de betont. Es ging um die beiden Handelsunternehmen, die seit vielen Jahrzehnten unter „Peek & Cloppenburg KG“ firmieren und ihre Kennzeichenrechte seit 1972 durch eine Abgrenzungsvereinbarung geregelt haben. Indem eines der beiden Unternehmen sich frühzeitig die Domains peek-und-cloppenburg.de und peek-und-cloppenburg.com sicherte, ohne auf den eigenen Internetseiten deutlich zu machen, dass es sich nicht um einen Internetauftritt des anderen 1 A.A. OLG Stuttgart vom 26.7.2007, K&R 2007, 657 – s.-unternehmensgruppe.de. 2 BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 – vossius.de. 3 BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 – vossius.de. 4 BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093, 2095 – vossius.de. 5 BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093, 2095 – vossius.de.
394
IV. Anspruchsgrundlagen
Unternehmens handelte, verletzte der Domaininhaber nach Auffassung des BGH seine Verpflichtung, redlich zu handeln und alles Erforderliche und Zumutbare zu unternehmen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen oder auf ein hinnehmbares Maß zu vermindern1. In einer weiteren Entscheidung des BGH ging es um den Domainnamen maxem.de2. Geklagt hatte Rechtsanwalt Maxem gegen den Domaininhaber, der nach eigenen Angaben bereits seit Beginn der 90er Jahre den Namen Maxem als Pseudonym in elektronischen Netzwerken benutzt. Nachdem der BGH klargestellt hatte, dass auch Pseudonymen grundsätzlich Namensfunktion zukommt, sprach er dem Beklagten ein solches Namensrecht ab, da er unter dem Pseudonym nicht hinreichend bekannt sei. Damit war der Ausgang der Entscheidung klar: Namensrecht schlägt gar kein Recht. Der Domaininhaber wurde verurteilt, die Nutzung der Domain zu unterlassen3. Auch die auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) gestützte Verfassungsbeschwerde scheiterte4.
1540
Das Prioritätsprinzip gilt auch im Verhältnis zwischen einer eingetragenen Marke und einem durch § 5 Abs. 2 MarkenG geschützten Unternehmenskennzeichen 5. Die Priorität eines Unternehmenskennzeichens ist indes an den Unternehmensträger gebunden mit der Folge, dass es für die Prioritätswahrung nicht ausreicht, wenn eine neue GmbH ein Kennzeichen fortführt mit Zustimmung des Einzelkaufmanns, der das Kennzeichen zuvor genutzt hatte, ohne dass die Voraussetzungen des § 22 HGB erfüllt sind6.
1541
Trotz Dienstleistungsähnlichkeit scheiterte eine Klage des Inhabers der Wortmarke „Ratio Soft“ auf Freigabe der Domain ratiosoft.com, da der beklagte Domaininhaber schon vor der Markenanmeldung „ratiosoft“ als Unternehmenskennzeichen nutzte7.
1542
Nicht mit den Vorgaben des BGH geht es überein, wenn das AG Köln der Klage der Anwaltskanzlei Görg gegen eine gleichnamige Spedition stattgab mit der Begründung, den Anwälten stünden „ältere Namensrechte“ zu, und es sei „reiner Zufall“, dass der Antrag der beklagten Namensträger auf Registrierung der Domain görg.de von der DENIC zuerst bearbeitet worden sei8. Richtigerweise hätte das Gericht prüfen müssen, ob eine
1543
1 BGH vom 31.3.2010, WRP 2010, 880, 886 f. – Peek & Cloppenburg. 2 BGH vom 26.6.2003, WRP 2003, 1215 – maxem.de. 3 BGH vom 26.6.2003, WRP 2003, 1215 – maxem.de; vgl. auch AG Nürnberg vom 29.6.2004, Az. 14 C 654/04 – kerner.de. 4 BVerfG vom 21.8.2006, CR 2006, 770 m. Anm. Kitz – maxem.de. 5 Vgl. OLG Karlsruhe vom 23.9.2009, Az. 6 U 90/09 – porta-patent.de/porta-marke.de. 6 LG Köln vom 20.11.2003, CR 2004, 853 – intermobil.de.; vgl. auch LG Aachen vom 8.5.2009, MMR 2010, 258 (Ls.). 7 LG Düsseldorf vom 25.2.2004, MMR 2004, 700, 701 – ratiosoft.com. 8 AG Köln vom 24.11.2004, CR 2005, 682.
395
G. Domainrecht
unlautere Behinderung gemäß den §§ 3 und 4 Nr. 10 UWG vorlag, da die Anwaltskanzlei bereits Inhaberin der Domain goerg.de war1. 1544
Kein Fall der Gleichnamigkeit liegt vor, wenn sich ein Unternehmen eine Domainbezeichnung reservieren lässt, die aus einer Abkürzung der Unternehmensbezeichnung besteht, von dem Unternehmen jedoch ansonsten nicht benutzt wird. Kollidiert die Abkürzung mit einem Namensrecht, das der Abkürzung entspricht, so kann der Namensträger die Unterlassung der Domainnutzung gemäß § 12 BGB verlangen2.
1545
In seinem Urteil zu Peek & Cloppenburg hat der BGH betont, dass die für Fälle der Gleichnamigkeit entwickelten Grundsätze entsprechend bei Gleichgewichtslagen gelten, die dadurch entstanden sind, dass die Rechte an verwechslungsfähigen Unternehmensbezeichnungen jahrelang unbeanstandet nebeneinander bestanden haben. Auf den markenrechtlichen Prioritätsgrundsatz kommt es dagegen nicht an, wonach bei Kollision von zwei Kennzeichen grundsätzlich jenes mit dem älteren Rang Vorrang vor dem jüngeren genießt3. Spiegelbildlich gegenüber standen sich die zwei rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängigen Unternehmen aus Düsseldorf und Hamburg mit der Unternehmensbezeichnung „Peek & Cloppenburg KG“, die aufgrund einer getroffenen Abgrenzungsvereinbarung seit Jahrzehnten auf dem deutschen Markt koexistieren und jeweils verschiedene Versionen des Firmenschlagwortes „Peek & Cloppenburg“ als Domain verwenden.
1546
Die Frage nach dem besseren Recht zur Registrierung der verschieden Domainnamen beurteilten die Richter allein danach, ob die Verwendung als Domainnamen die Verwechslungsgefahr erhöht und dadurch die bestehende Gleichgewichtslage zwischen den Parteien stört. In Abgrenzung zur hufeland.de-Entscheidung4 sah der BGH es für nicht ausreichend deutlich hervorgehoben, dass es sich um zwei unabhängige Unternehmen mit räumlich beschränktem Wirkungskreis handelt5. Auf der Linie seiner Entscheidung zu vossius.de6 ist es jedoch ausreichend, wenn auf der ersten Seite des Internetauftritts ausreichend deutlich gemacht wird, dass es sich nicht um den Internetauftritt des anderen Unternehmens handelt. Entsprechende Hinweise auf sämtlichen Seiten der Webseite sind dagegen nicht erforderlich7.
1 2 3 4 5 6
Siehe Rz. 1598. A.A. LG Bonn vom 22.09.1997, MMR 1998, 110, 111 – detag.de. BGH vom 31.3.2010, WRP 2010, 880, 884 ff. – Peek & Cloppenburg. BGH vom 23.6.2005, CR 2006, 193 – hufeland.de; siehe Rdnr. 1499. BGH vom 31.3.2010, WRP 2010, 880, 886 – Peek & Cloppenburg. BGH vom 28.2.2002, NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 – vossius.de; siehe Rdnr. 1536 ff. 7 BGH vom 31.3.2010, WRP 2010, 880, 886 f. – Peek & Cloppenburg.
396
IV. Anspruchsgrundlagen
5. Streit um Ortsbezeichnungen
Der Namensschutz gilt auch für Städte und Gemeinden1. Daher konnten beispielsweise die jeweiligen Städte und Gemeinden die Unterlassung der Verwendung der Domains heidelberg.de2, pulheim.de3, braunschweig.de4, celle.de, celle.com5 und ansbach.de6 verlangen. Wenn der Nutzer der Domain keine eigenen Rechte an dem Namen geltend machen kann, sind die Voraussetzungen des § 12 BGB erfüllt. Selbst wenn der Domaininhaber unter der Domain Informationen über die sich auf das Namensrecht berufende Gemeinde anbieten möchte, geht das Interesse der Gemeinde vor, da die Domain Kennzeichnungsfunktion hat und der Nutzer bei der Eingabe der Domain nicht nur Informationen über die Gemeinde erwartet, sondern Informationen, die von der Gemeinde selbst stammen7.
1547
Auch in dieser Konstellation sind gelegentlich Differenzierungen erforderlich. Die Stadt Solingen – im Internet unter solingen.de präsent – klagte beispielsweise gegen einen Portal-Betreiber, der neben der Domain solingen.info auch die Domain solingen-info.de innehatte und unter beiden Domains eine Website betrieb mit Informationen über die Stadt Solingen. Das OLG Düsseldorf kam zu dem Schluss, dass die Domain solingen.info der Stadt zustehe8. In der Benutzung der Domain durch den Beklagten liege eine rechtswidrige Namensanmaßung. Die Domain solingen-info.de dürfe der Beklagte dagegen weiter nutzen9. Während hinsichtlich Second-Level-Domains, die sich aus Städtenamen und kurzen Zusätzen zusammensetzen, kein Unterlassungsanspruch der Gemeinde bestehe, führe die alleinstehende Nutzung des Stadtnamens als SecondLevel-Domain unabhängig von der Top-Level-Domain zu einer Zuordnungsverwirrung. Die Zuordnungsverwirrung könne auch nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass auf der Startseite der Website ein klarstellender Hinweis angebracht wird, dass es sich nicht um eine Website der Stadt Solingen handelt10.
1548
Vor dem BGH blieb die Revision ohne Erfolg. Der BGH schloss sich der Auffassung des OLG Düsseldorf zu solingen.info in allen Punkten
1549
1 2 3 4 5 6 7
Lewinski, VerwArch 2007, 473, 479. LG Mannheim vom 8.3.1996, CR 1996, 353. A.A. LG Köln vom 17.12.1996 , CR 1997, 291. LG Braunschweig vom 28.1.1997, NJW 1997, 2687. LG Lüneburg vom 29.1.1997, CR 1997, 288. LG Ansbach vom 5.3.1997, NJW 1997, 2688. OLG Brandenburg vom 12.4.2000, MMR 2001, 174 – luckau.de; OLG Karlsruhe vom 9.6.1999, CR 1999, 783 – bad-wildbad.com; OLG Köln vom 18.12.1998, K&R 1999, 234 – herzogenrath.de. 8 OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254 = GRUR-RR 2003, 383 – solingen.info. 9 OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254 = GRUR-RR 2003, 383 – solingen.info. 10 OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254, 1255 – solingen.info.
397
G. Domainrecht
an1. Da die TLD .info weder branchen- noch länderbezogen sei, grenze sie den Kreis der Namensträger in keiner Weise ein, sodass der Internetnutzer davon ausgehen könne, dass die Domain für ein Informationsangebot des Namensträgers genutzt werde2. Klarstellende Hinweise zur Beseitigung der Zuordnungsverwirrung kommen nach Auffassung des BGH – als „milderes Mittel“ – nicht in Betracht, da es – anders als unter Gleichnamigen – nicht um eine Interessenabwägung gehe3. Dies ist wenig überzeugend, da es nicht einsichtig erscheint, weshalb eine Verwirrung des Internetusers nur dann durch klarstellende Hinweise zu beseitigen sein soll, wenn wechselseitige Interessen an einem Domainnamen zur Debatte stehen. 1550
Gleichfalls vor dem OLG Düsseldorf blieb eine Klage der Stadt Duisburg erfolglos, die einem gewerblichen Unternehmen die Nutzung der Domain duisburg-info.de untersagen wollte. Wie bei solingen-info.de vermochte das OLG Düsseldorf in der Domainnutzung weder eine Namensleugnung noch eine Namensanmaßung zu sehen4.
1551
Um insgesamt 18 Domains mit Stadtteilnamen der bayrischen Landeshauptstadt ging es bei einer Klage der Stadt München, über die das LG München I zu entscheiden hatte. Mangels jeglicher eigener Namensoder Kennzeichnungsrechte des beklagten Website-Betreibers hatte die auf § 12 BGB gestützte Klage Erfolg5. Ebenso erfolgreich war die Schwarzwaldgemeinde Baiersbronn in einem Rechtstreit um die Domain roet.de. Das LG Münster verurteilte den Domaininhaber zur Freigabe des Domainnamens unter Hinweis auf die Namensrechte der Gemeinde, die sich daraus ergeben sollen, dass es in Baiersbronn einen Ortsteil Röt mit stolzen 842 Einwohnern gibt6.
1552
Das LG Köln hat in einer Entscheidung zu der Domain welle.de ein „älteres Recht“ des Domaininhabers gegenüber der kleinen niedersächsischen Gemeinde Welle (1300 Einwohner) bejaht. Das „ältere Recht“ liege in der Registrierung der Domain7. Diese Begründung überzeugt nicht, da allein die Registrierung einer Domain keine Kennzeichen- oder Namensrechte begründet. Im Ergebnis kann die Kölner Entscheidung dennoch überzeugen, da der Verkehr den allgemeinen Begriff „Welle“ nicht mit einem kleinen Ort in Niedersachsen in Verbindung bringt und es daher an einer Namensanmaßung gemäß § 12 BGB fehlt. 1 BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682 = CR 2007, 36 = MMR 2007, 38 = K&R 2007, 41 – solingen.info. 2 BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682, 683 = CR 2007, 36, 37 = MMR 2007, 38, 39 = K&R 2007, 41, 42 – solingen.info. 3 BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682, 683 f. = CR 2007, 36, 38 = MMR 2007, 38, 39 = K&R 2007, 41, 42 – solingen.info. 4 OLG Düsseldorf vom 15.1.2002, CR 2002, 447 – duisburg-info.de. 5 LG München I vom 7.5.2002, CR 2002, 840 mit Anm. Eckhardt – lehel.de. 6 LG Münster vom 25.2.2002, Az. 12 O 417/01 – roet.de. 7 LG Köln vom 8.5.2009, K&R 2009, 511 f. – welle.de.
398
IV. Anspruchsgrundlagen
Das Kammergericht hatte über eine Klage der wesentlich größeren Tschechischen Republik gegen die Nutzung der Domains tschechische-republik.at, tschechische-republik.ch und tschechische-republik.com zu entscheiden und bejahte für alle Domains eine gemäß § 12 BGB unzulässige Namensanmaßung. Staaten wie Tschechien gehören nach Auffassung des KG zu den typischen Nutzern von .at-, .ch- und .com-Domains, sodass der Verkehr unter den Domains einen Internetauftritt des tschechischen Staates erwarte1.
1553
Probleme entstehen auch bei Ortsnamen in Fällen der Gleichnamigkeit. Seit der BGH-Entscheidung zu shell.de2 ist ein Trend zu beobachten, das Prioritätsprinzip zu Lasten klägerischer Gemeinden anzuwenden. So gelang es der rheinischen Stadt Vallendar nicht, einer gleichnamigen Brennerei die Nutzung der Domain vallendar.de zu untersagen3. Da auch der Brennerei ein Recht an dem Begriff „Vallendar“ zukam, standen sich gleichrangige Rechte gegenüber. Zu Gunsten des beklagten Unternehmens sprach nach der überzeugenden Auffassung des OLG Koblenz der domainrechtliche Prioritätsgrundsatz. Dass die Stadt einen historischen Namen trägt, während die Brennerei einen Wahlnamen führt, verschafft der Klägerin keine Sonderrechte4.
1554
Ähnlich wie im Fall vallendar.de schlug auch der Versuch der Gemeinde Hasselberg fehl, einer gleichnamigen Privatperson die Nutzung der Domain hasselberg.de streitig zu machen5. Unter Hinweis auf das Prioritätsprinzip und das Fehlen einer überragenden Bekanntheit der Gemeinde wies das LG Flensburg die Unterlassungsklage der Gemeinde ab6. Gleichfalls auf der Linie der BGH-Entscheidung zu shell.de wies das LG Erfurt die Klage der Stadt Suhl ab, die sich gegen die Nutzung der Domain suhl.de durch ein Unternehmen richtete, das Suhl als Bestandteil seines Names führt7. Ebenso entschied das LG Flensburg in dem Prozess um die Domain sandwig.de, als es die Klage der Stadt Glücksburg gegen einen Privatmann namens Sandwig abwies8. Die norddeutschen Stadtväter konnten das Gericht nicht davon überzeugen, dass ihnen im Hinblick auf die Namensrechte für den Glücksburger Stadtteil Sandwig bessere
1555
1 KG vom 29.5.1007, MMR 2007, 600, 601 – tschechische-republik.com; vgl. auch LG Berlin vom 29.6.2006, MMR 2007, 60 (Vorinstanz). 2 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 = K&R 2002, 206 mit Anm. Strömer = BB 2002, 1167 mit Anm. Ubber – shell.de. 3 OLG Koblenz vom 25.1.2002, CR 2002, 280 mit Anm. Eckhardt = WRP 2002, 340 = MMR 2002, 466 = K&R 2002, 201 – vallendar.de. 4 OLG Koblenz vom 25.1.2002, CR 2002, 280 mit Anm. Eckhardt = WRP 2002, 340 = MMR 2002, 466 = K&R 2002, 201 – vallendar.de; vgl. Lewinski, VerwArch 2007, 473, 481 f. 5 LG Flensburg vom 18.10.2001, MMR 2002, 700 (Ls.) – hasselberg.de. 6 LG Flensburg vom 18.10.2001, MMR 2002, 700 (Ls.) – hasselberg.de. 7 LG Erfurt vom 31.1.2002, MMR 2002, 396 – suhl.de; dazu Linke, CR 2002, 271, 275. 8 LG Flensburg vom 8.1.2002, CR 2002, 537 = MMR 2002, 247 = K&R 2002, 204 – sandwig.de.
399
G. Domainrecht
Rechte an der Domain zustanden als dem Domaininhaber1. Ebensowenig Erfolg hatte die Klage der Stadt Melle gegen ein gleichnamiges Unternehmen, das die Domain melle.de innehat2. 1556
Mit umgekehrten Vorzeichen prozessierten ein gewerbliches Unternehmen und die Gemeinde Markt Bad Bocklet um die Domain bocklet.de. Die Gemeinde hatte sich die Domain bereits 1997 gesichert und wurde von einem Unternehmen verklagt, das die Bezeichnung Bocklet als Namensbestandteil blickfangmäßig verwendet. Das LG Düsseldorf wies die Klage unter Hinweis auf den Grundsatz der Priorität ab3. 6. §§ 3, 5 UWG – Wettbewerbsrecht
1557
Vielfach stellt sich die Frage, ob die Registrierung und Nutzung einer Domain mit dem allgemeinen Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Besonders viele Streitfälle gab und gibt es bei attraktiven Domains mit Gattungsbegriffen, bei Anwaltsdomains und bei Domains, die trickreich Tippfehler oder Umlaut-Variationen verwenden, um Internetnutzer gezielt zur eigenen Website „umzuleiten“.
1558
Gelegentlich kann eine Domain auch aus anderen Gründen irreführend sein (§ 5 UWG) und zu einem Wettbewerbsverstoß beitragen4. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich ein Abschleppunternehmen durch die Domain parkplatz-polizei.de Hoheitsbefugnisse anmaßt5. a) Gattungsbegriffe
1559
Bis zu der Entscheidung des BGH zu mitwohnzentrale.de6 war streitig, ob und unter welchen Voraussetzungen die Registrierung und Nutzung einer beschreibenden Domain bzw. einer Domain mit einem Gattungsbegriff als irreführend gemäß § 5 UWG und/oder als unlauter gemäß § 3 UWG angesehen werden kann. Die mitwohnzentrale.de-Entscheidung hat die Fronten weitgehend geklärt.
1560
In dem Mitwohnzentrale-Urteil hat der BGH das Prioritätsprinzip zum Leitprinzip des Domainrechts erhoben. Im Leistungswettbewerb wird Schnelligkeit belohnt und nicht bestraft. Daher sieht der BGH es nicht als unlauter gemäß § 3 UWG an, wenn sich ein Konkurrent eine besonders attraktive Domain zum Missvergnügen der Mitbewerber sichert7. 1 LG Flensburg vom 8.1.2002, CR 2002, 537 = MMR 2002, 247 = K&R 2002, 204 – sandwig.de. 2 LG Osnabrück vom 23.9.2005, CR 2006, 283 – melle.de. 3 LG Düsseldorf vom 16.1.2002, MMR 2002, 398 f. – bocklet.de. 4 Vgl. Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 368 ff. 5 LG Augsburg vom 8.9.2009, K&R 2010, 285 f. – parkplatz-polizei.de. 6 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262 = CR 2002, 777 – mitwohnzentrale.de; vgl. Abel, WRP 2001, 1426; Renck, WRP 2000, 264. 7 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3264 – mitwohnzentrale.de; vgl. Strömer, Online-Recht, S. 119; Abel, WRP 2001, 1426.
400
IV. Anspruchsgrundlagen
Überzeugend hat der BGH ausgeführt, dass die Registrierung einer beschreibenden Domain nicht als unlautere Behinderung bzw. Abwerbung von Kunden angesehen werden kann1. Zwar leitet derjenige, der einen Gattungsbegriff als Domain registriert, Kunden auf die eigene Website und somit zu seinem eigenen Waren- und Dienstleistungsangebot. Hierdurch macht sich jedoch der schnellere Konkurrent lediglich die Vorteile des auf dem Prinzip der Priorität beruhenden Registrierungssystems der DENIC zu nutze und stellt sich nicht in wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Weise zwischen den Kunden und die Konkurrenz, um gezielt Kunden zu sich zu lenken, die die Angebote der Mitbewerber ansteuern2.
1561
Nicht ganz so klar ist die Mitwohnzentrale-Entscheidung im Hinblick auf § 5 UWG. Der BGH hat eine gegen § 5 UWG verstoßende Irreführung durch eine Domainnutzung für denkbar gehalten, wenn die Eingangsseite der Website, die über die Domain erreichbar ist, einen unzutreffenden Eindruck erweckt. Wenn die Eingangsseite den irreführenden Eindruck einer Vorzugs-, Spitzen- oder Alleinstellung des Domainnutzers erwecke, seien die Voraussetzungen des § 5 UWG erfüllt3.
1562
Zur Prüfung einer möglichen Irreführung verwies der BGH den Rechtsstreit in die Vorinstanz zurück, sodass das OLG Hamburg das letzte Wort hatte4. Auf den Seiten, die unter mitwohnzentrale.de erreichbar sind, konnte das OLG Hamburg keine Irreführung erkennen. Insbesondere fehlte es nach Auffassung des Gerichts an einer (unzutreffenden) Alleinstellungsbehauptung der Website-Betreiber5.
1563
Nach der – mit der mitwohnzentrale.de-Entscheidung nicht zu vereinbarenden – Auffassung des OLG Hamm erweckt die Inhaberin der Domain tauchschule-dortmund.de, eine von mehreren Tauchschulen in Dortmund, allein durch die Domainnutzung den irreführenden Eindruck einer Spitzenstellung in Dortmund6. Der Verbraucher verbinde mit
1564
1 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3263 - mitwohnzentrale.de; vgl. Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rdnr. 42; Sosnitza, K&R 2000, 209, 210; Thiele/Rohlfing, MMR 2000, 591, 593. 2 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3264; vgl. OLG Hamm vom 2.11.2000, MMR 2001, 237 – sauna.de; OLG Braunschweig vom 22.12.2009, K&R 2010, 194 f. (Ls.) – tests.de; OLG München vom 19.4.2001, CR 2001, 463 – autovermietung.com; LG Hamburg vom 30.6.2000, CR 2000, 617 – lastminute.com; a.A. LG Köln vom 10.10.2000, CR 2001, 193 – zwangsversteigerungen.de; LG München I vom 16.11.2000, K&R 2001, 108 – rechtsanwaelte.de. 3 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3262, 3265 – mitwohnzentrale.de; vgl. Abel, WRP 2001, 1426; Ernst, DuD 2001, 212, 214; Härting/Reinholz, K&R 2003, 485, 489. 4 OLG Hamburg vom 6.3.2003, CR 2003, 605 = MMR 2003, 537 – mitwohnzentrale.de II. 5 OLG Hamburg vom 6.3.2003, CR 2003, 605, 606 = MMR 2003, 537 f. – mitwohnzentrale.de II. 6 OLG Hamm vom 18.3.2003, CR 2003, 522 – tauchschule-dortmund.de.
401
G. Domainrecht
tauchschule-dortmund.de von vornherein nicht irgendeine Tauchschule, sondern die „erste Tauchschule am Platze“. Das OLG ließ eine Revision zum BGH nicht zu; die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen1. 1565
In seiner Entscheidung zu anwaltskanzlei-dortmund.de ist das OLG Hamm auf die Linie der mitwohnzentrale.de-Entscheidung des BGH eingeschwenkt und hat eine irreführende Spitzenstellungswerbung verneint. Dem Verkehr sei bekannt, dass eine Domain nur einmal vergeben werden könne und dass die Vergabe nach dem Prioritätsprinzip erfolgt. Von daher wisse der Verkehr, dass eine Domain als solche noch nichts darüber besagt, ob der „Aussagegehalt der Domain“ zutrifft2.
1566
Einen großzügigen Maßstab legte das OLG Frankfurt a.M. für die Domain drogerie.de an. Unter der Domain waren keinerlei Informationen abrufbar, die mit einer Drogerie in Verbindung gebracht werden können. Unter Hinweis auf „sehr unterschiedliche Präsentationen“ im Internet und „diffuse“ Erwartungen der Internetnutzer verneint das OLG Frankfurt a.M. eine wettbewerbswidrige Irreführung3.
1567
Die mitwohnzentrale.de-Entscheidung hat einen Weg gewiesen, jegliche unlautere Irreführung gemäß § 5 UWG durch eine Domainnutzung zu verhindern. Ein Hinweis auf der Eingangsseite einer Website auf vorhandene Mitbewerber schließt jegliche Fehlvorstellung über den Kreis dieser Mitbewerber aus. Daher hat das OLG Hamburg einem Unternehmer, der unter der Domain deutsches-handwerk.de unter anderem eine Suchmaschine für Handwerker betrieb, diese Art der Domainnutzung zwar wegen Irreführung (§ 5 UWG) untersagt, einschränkend jedoch auf die Möglichkeit eines „deutlichen Hinweises auf der Startseite“ verwiesen, die die Irreführung beseitigen kann4. Schwer zu vereinbaren mit dem mitwohnzentrale.de-Urteil des BGH ist dagegen die Entscheidung des OLG Hamburg zu tipp.ag, in der eine Irreführung gemäß § 5 UWG bejaht wurde, ohne die Möglichkeit klarstellender Hinweise auf der Startseite vertieft zu behandeln5.
1568
➲ Praxistipp: Bei der Nutzung von Domains, die Gattungsbegriffe enthalten, ist Sorgfalt ratsam, wenn es um die Gestaltung der Eingangsseite der Website geht. Wettbewerbswidriges Verhalten kann sich insbesondere aus dem Hervorrufen des unzutreffenden Eindrucks einer Spitzen-, Vorzugs- oder Alleinstellung ergeben. Durch wahrheitsgemäße, klarstellende Hinweise lässt sich jeder Vorwurf einer Irreführung abwehren. 1 BGH vom 20.11.2003, Az. I ZR 117/03 – tauchschule-dortmund.de. 2 OLG Hamm vom 19.6.2008, MMR 2009, 50 f. mit Anm. Kuhr – anwaltskanzleidortmund.de. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 12.9.2002, WRP 2002, 1452, 156 f. = MMR 2002, 811, 812 f. – drogerie.de. 4 OLG Hamburg vom 15.11.2006, CR 2007, 158 – deutsches-handwerk.de. 5 OLG Hamburg vom 16.6.2004, CR 2004, 769 – tipp.ag.
402
IV. Anspruchsgrundlagen
b) Anwaltsdomains
Ein gewisses Eigenleben führten die Auseinandersetzungen um Domains unter Rechtsanwälten. Die Gerichte entschieden mit durchaus widersprüchlichen Ergebnissen.
1569
In dem Streit um die Domains von Kanzlei-Websites ging es im Wesentlichen darum, ob sich aus § 43 b BRAO Beschränkungen ableiten lassen, die über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinausgehen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei das berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot1.
1570
Der BGH hat in drei Entscheidungen deutlich Position zu dieser Problematik bezogen: In seiner Entscheidung zu den Vanity-Nummern hatte der BGH über die Wettbewerbswidrigkeit berufsbezeichnender bzw. tätigkeitsbeschreibender Begriffe wie „Rechtsanwalt“, „Anwaltskanzlei“ bzw. „Rechtsanwaltskanzlei“ zu entscheiden, die im Zusammenhang mit der Bewerbung von Telefonnummern verwendet wurden2. Der BGH billigte die „Monopolisierung“ einer attraktiven Nummer wie 0800-Rechtsanwalt durch eine einzelne Kanzlei. Eine Irreführung liege in der Verwendung einer solchen Nummer nicht, da der Verkehr mit der Nutzung einer solchen Nummer nicht die Vorstellung einer Vorzugsstellung der betreffenden Kanzlei verbinde. Daher fehle es auch an einem Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43 b BRAO3. Obwohl dem Verfahren kein Domainrechtsstreit zugrunde lag, ist der Inhalt der Entscheidung auf die Streitigkeiten um die „Berufsdomains“ ohne weiteres übertragbar, da bei der Vergabe von Vanity-Nummern durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) gleichfalls das Prioritätsprinzip gilt4.
1571
In seiner Entscheidung zu der von einem Rechtsanwalt genutzten Domain presserecht.de hat der BGH seine Auffassung zu den Gattungsdomains konsequent weiterverfolgt5. Die „Monopolisierung“ einer attraktiven Domain ist nach Ansicht des BGH auch unter Rechtsanwälten erlaubt. Auf Grund des Prioritätsprinzips wisse der Internetnutzer, dass er bei Eingabe eines Gattungsnamens auch zum Informationsangebot eines Website-Betreibers gelangen könne, der sich gewerblich oder freiberuflich mit dieser Materie befasst und an der Herstellung eines geschäftlichen Kontakts zum Internetnutzer interessiert ist. Daher irritiere es einen durchschnittlichen Nutzer nicht, wenn er unter dem Domainnamen presserecht.de auf eine Homepage stößt, die Informationen über eine einzelne Anwaltskanzlei enthält6. Etwaige Fehlvorstellungen über die Person des Anbieters könnten auf der Eingangsseite des Internetauftritts
1572
1 Vgl. Kleine-Cosack, BRAO, § 43 b Rdnr. 5. 2 BGH vom 21.2.2002, NJW 2002, 2642 = BB 2002, 1716 = BGH-R 2002, 853 mit Anm. Härting – 0800-RECHTSANWALT. 3 BGH vom 21.2.2002, NJW 2002, 2642, 2645. 4 Härting, K&R 2002, 561, 565. 5 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252 – presserecht.de. 6 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252, 254 – presserecht.de.
403
G. Domainrecht
ausgeräumt werden1. Letztlich sind nach der überzeugenden Linie des BGH aus § 43 b BRAO keine Anforderungen abzuleiten, die über die in dem mitwohnzentrale.de-Urteil entwickelten Grundsätze des allgemeinen Wettbewerbsrechts hinausgehen2. 1573
Mit ähnlicher Begründung verneinte der BGH eine Irreführung bei der Verwendung der Domain rechtsanwaelte-notar.de durch zwei Rechtsanwälte, von denen einer zugleich Notar war3. Schon die ungewöhnliche Begriffskonstruktion mache es unwahrscheinlich, dass Nutzer über die Browsereingabe zur Seite des Domaininhabers gelangen, sodass die Gefahr einer Kanalisierung von Kundenströmen von vornherein nicht bestehe4. Auch sei es wenig wahrscheinlich, dass Nutzer unter der Domain einen Überblick über das gesamte Angebot anwaltlicher und notarieller Dienstleistungen erwarten oder irrig von einer Allein- oder Spitzenstellung der Kanzlei ausgehen. Etwaige Fehlvorstellungen über die Größe der Kanzlei könnten ohne weiteres auf der Eingangsseite der Website ausgeräumt werden5.
1574
Unzulässig ist es, für die Website einer Anwalts- und Notarskanzlei die Domain anwaltskanzlei-notariat.de zu verwenden6. § 2 Satz 2 BNotO schreibt Notaren die Verwendung der Amtsbezeichnungen Notarin oder Notar vor. Der Begriff des „Notariats“ weicht hiervon in unzulässiger Weise ab.
1575
Vor (und nach) den BGH-Urteilen gab es eine ganze Reihe widersprüchlicher Entscheidungen der Instanzgerichte. Während das LG München I die Nutzung der Domain rechtsanwaelte.de7 durch eine Münchener Anwaltskanzlei als berufs- und wettbewerbswidrig einstufte und das OLG Celle dieselbe Auffassung hinsichtlich der Domain anwalt-hannover.de8 vertrat, verneinte das OLG Braunschweig unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil zu mitwohnzentrale.de einen Wettbewerbsverstoß bei der Domain pruefungsrecht.de9. Obwohl die Domain von einem Rechtsanwalt für ein Informationsportal genutzt wurde, das sich nicht schwerpunktmäßig mit Fragen des Prüfungsrechts befasste, konnte das OLG Braunschweig in der Verwendung der Domain weder eine Irreführung noch eine gemäß § 3 UWG unlautere Absatzbehinderung erkennen10. In 1 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252, 254 – presserecht.de. 2 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 252, 254 – presserecht.de. 3 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256 – rechtsanwaelte-notar.de; vgl. auch Schmittmann, K&R 2006, 67 f. 4 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256, 257 – rechtsanwaelte-notar.de. 5 BGH vom 25.11.2002, MMR 2003, 256, 258 – rechtsanwaelte-notar.de. 6 BGH vom 11.7.2005, NJW 2005, 2693 = CR 2005, 878 = MMR 2005, 759 = K&R 2005, 423 – anwaltskanzlei-notariat.de; vgl. auch Schmittmann, K&R 2006, 67, 68. 7 LG München I vom 16.11.2000, K&R 2001, 108 – rechtsanwaelte.de. 8 OLG Celle vom 29.3.2001, MMR 2001, 531 – anwalt-hannover.de. 9 OLG Braunschweig vom 21.6.2002, MMR 2002, 754 – pruefungsrecht.de. 10 OLG Braunschweig vom 21.6.2002, MMR 2002, 754 – pruefungsrecht.de.
404
IV. Anspruchsgrundlagen
diesem Sinne entschied auch das LG Berlin bezüglich der Domain rechtsbeistand.info1: Eine wettbewerbswidrige Behinderung im Wege einer „Kanalisierung von Kundenströmen“ scheide ebenso wie eine Irreführung aus, da der Internetnutzer spätestens beim Aufruf der Website erkennen könne, dass darin keinesfalls ein umfassendes und endgültiges Verzeichnis der Berufsgruppe zu finden sei2. Auf derselben Linie liegt die Entscheidung des OLG Hamm zu anwaltskanzlei-dortmund.de3. Anders entschied das OLG Hamburg den Streit um die Domain rechtsanwalt.com und bejahte eine Irreführung, da der Domaininhaber kein Rechtsanwalt war4. Unerheblich war nach Auffassung des OLG Hamburg, dass unter der Domain eine Datenbank mit rund 50.000 Anwaltsadressen und eine Vielzahl weiterer rechtlicher Informationen abrufbar waren. Die Irreführung und damit der Verstoß gegen § 5 UWG lag nach Auffassung des OLG Hamburg darin, dass der Nutzer unter einer Domain, die eine geschützte Berufsbezeichnung beinhaltet, „Homepages von Berufsangehörigen oder deren Berufs- oder Standesvertretungen“ erwarte5.
1576
Einen strengen Maßstab, der mit der BGH-Rechtsprechung nicht zu vereinbaren ist, legte auch das OLG München an bei der Domain rechtsanwaelte-dachau.de6. Der OLG-Senat meinte, „aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung“ davon ausgehen zu können, dass der Internetnutzer unter einer derartigen Domain ein örtliches Anwaltsverzeichnis erwartet, und stützte die Auffassung maßgeblich auf den Plural („Rechtsanwälte“) in der Domain.
1577
Um Fragen des Berufsrechts der Notare ging es in der Entscheidung des BGH zu notar-in-X-stadt.de. Der BGH vertrat die Auffassung, dass eine Notarkammer, die ein online abrufbares Notarverzeichnis führt, jeden Notar aufnehmen und einen Link zur Homepage des Notars setzen muss, auch wenn die Kammer der Auffassung ist, dass die Homepage unter einer berufsrechtlich unzulässigen Domain betrieben wird7.
1578
c) Domainendungen
In seiner Entscheidung zu versicherungsrecht.de hat das OLG Düsseldorf die fehlende Verwechslungsgefahr maßgeblich damit begründet, dass der 1 LG Berlin vom 18.6.2003, NJW 2004, 1254 = MMR 2004, 47 – rechtsbeistand.info. 2 LG Berlin vom 18.6.2003, MMR 2004, 47, 48 – rechtsbeistand.info. 3 OLG Hamm vom 19.6.2008, MMR 2009, 50 f. mit Anm. Kuhr – anwaltskanzleidortmund.de. 4 OLG Hamburg vom 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1582 – rechtsanwalt.com. 5 OLG Hamburg vom 2.5.2002, NJW-RR 2002, 1582 – rechtsanwalt.com. 6 OLG München vom 18.4.2002, K&R 2002, 608 – rechtsanwaelte-dachau.de. 7 BGH vom 11.5.2009, WRP 2009, 953, 956 – www.notar-in-X-stadt.de.
405
1579
G. Domainrecht
Domainendung .de eine „nicht zu unterschätzende Bedeutung“ zukomme1. Damit betrat das Gericht Neuland, entsprach es doch bis dato der einhelligen Auffassung von Literatur und Rechtsprechung2, dass die Domainendung bei der Beurteilung einer Verwechslungsgefahr außer Betracht zu bleiben hat. 1580
Daran ist auch weiterhin grundsätzlich festzuhalten. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich die Second-Level-Domain unter Einbeziehung etwaiger Subdomains, nicht jedoch die Domainendung maßgebend3. Gegenüber einem deutschen Markeninhaber lässt sich daher nicht einwenden, durch die Registrierung einer Domain mit der Endung .com sei eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, da eine Verwechslung nur im Falle der Verwendung der deutschen Endung .de drohe. Den Endungen .com und .de fehlt es ebenso an einer hinreichenden Unterscheidungskraft4 wie der Endung .at5 und anderen TLDs. TLDs stellen auch nach Auffassung des BPatG lediglich regionale oder organisatorische Zuordnungskriterien dar, die innerhalb der Internetadresse keine eigenständig kennzeichnende Bedeutung haben und bei der verkürzten Benennung sogar oft weggelassen werden6.
1581
Je mehr TLDs es gibt, desto fraglicher wird allerdings, ob die Domainendungen bei der Beurteilung der Identität bzw. Verwechslungsgefahr in bestimmten Fällen nicht doch zu berücksichtigen sind7. Ob beispielsweise der Inhaber der Marke „Freundin“ gegen die Nutzung der Domains freundin.info oder freundin.ag vorgehen könnte, ist zweifelhaft. Insbesondere wenn mit der Domainendung inhaltliche Assoziationen ausgelöst werden (info = Information und ag = Aktiengesellschaft), wird man von einer Zeichenidentität nicht mehr sprechen können8. Anderenfalls gelangt man zu wenig überzeugenden Differenzierungen, wie die Entscheidungen
1 OLG Düsseldorf vom 25.11.2002, MMR 2003, 177, 178 – versicherungsrecht.de. 2 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 99; Bottenschein, MMR 2001, 286, 289; OLG Hamburg vom 14.12.2005, NJW-RR 2006, 984, 985 – kombit.de; OLG Stuttgart vom 3.2.1998, K&R 1998, 263, 265 – steiff.com; LG Braunschweig vom 5.8.1997, CR 1998, 364 = MMR 1998, 272 – deta.com; LG Hamburg vom 13.1.1999, Az. 315 O 478/98, JurPC Web-Dok. 57/2001 – welt-online.de. 3 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 99; Bottenschein, MMR 2001, 286, 289; Perrey, CR 2002, 349, 353; LG Hamburg vom 21.2.2003, MMR 2003, 599 – handy.de; LG Mannheim vom 10.9.1999, MMR 2000, 47. 4 Vgl. OLG Hamburg vom 28.7.2005, MMR 2006, 476, 477 f. – metrosex.de; OLG München vom 16.6.2005, MMR 2005, 608, 610 – 1-800-FLOWERS.COM; OLG Stuttgart vom 3.2.1998, K&R 1998, 263, 265 – steiff.com; LG Braunschweig vom 5.8.1997, CR 1998, 364 = MMR 1998, 272 – deta.com. 5 LG Hamburg vom 10.12.2004, CR 2005, 207, 208 – sartorius.at. 6 BPatG vom 29.1.2008, 27 W (pat) 134/07 – theartofmicrophones.com. 7 Bottenschein, MMR 2001, 286, 289; LG Hamburg vom 21.2.2003, MMR 2003, 599 – handy.de. 8 Vgl. LG Hamburg vom 2.9.2003, MMR 2003, 796 – tipp.ag.
406
IV. Anspruchsgrundlagen
des BGH1 und des OLG Düsseldorf2 zu solingen-info.de und solingen.info zeigen. Ob allerdings der Internetnutzer unter der Domain tipp.ag – wie das OLG Hamburg3 meint – tatsächlich den Internetauftritt einer Aktiengesellschaft erwartet (§ 5 UWG), ist zumindest zweifelhaft. Keine Verwechslungsgefahr besteht nach Ansicht des LG Hamburg bei der Verwendung der Domain bike.de für einen Online-Dienst für Mountainbiker gegenüber einer Zeitschrift für Mountainbike-Interessierte, die den Titel „Bike“ führt, wenn die Zeitschrift noch keinen erheblichen Bekanntheitsgrad erlangt hat, der gegenüber dem Freihaltebedürfnis an dem Allgemeinbegriff „Bike“ ins Gewicht fallen könnte4. Die Domainendung reichte den Hamburger Richtern aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
1582
d) Tippfehler und Umlaute
Tippfehler- und Umlautdomains stellen einen Sonderfall dar, in dem es darum geht, ob eine Website nebst Domain dagegen geschützt ist, dass Traffic auf eine andere Domain umgeleitet wird. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht Abwehrrechte gegen eine Domainnutzung. Es geht vielmehr um die Frage, ob sich aus der Nutzung einer Domain Abwehrrechte ableiten lassen5.
1583
Besonders brisant sind Tippfehler-Domains unter Konkurrenten. Dort mag ein Anbieter ein Interesse daran haben, Kunden der Konkurrenz durch Reservierung ähnlicher Domains auf seine Seiten umzuleiten (z.B. yawho.de). In einem solchen Fall liegt neben möglichen markenrechtlichen Verstößen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) ein wettbewerbswidriges Verhalten vor. In der Reservierung der Tippfehlerdomain liegt ein unlauteres Abfangen von Kunden und unter Umständen auch eine Rufausbeutung6.
1584
Wer ein Veranstaltungszentrum unter der Bezeichnung „Ringlokschuppen“ führt und unter der Domain ringlokschuppen.com bewirbt, braucht es nicht hinzunehmen, dass sich ein Konkurrent die Domain ringlockschuppen.de registrieren lässt. Jedenfalls dann wenn die Tippfehler-Domain in der Vergangenheit für Werbezwecke verwendet wurde und somit eine Wiederholungsgefahr vorliegt, bestehen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche (§ 8 in Verbindung mit §§ 3 und 4 Nr. 8 und 9
1585
1 BGH vom 21.9.2006, NJW, 2007, 682 = CR 2007, 36 = MMR 2007, 38 = K&R 2007, 41 – solingen.info. 2 OLG Düsseldorf vom 15.7.2003, WRP 2003, 1254 = GRUR-RR 2003, 383 – solingen.info; siehe Rz. 1548 f. 3 OLG Hamburg vom 16.6.2004, CR 2004, 769, 770 f. – tipp.ag. 4 LG Hamburg vom 13.8.1997, MMR 1998, 46 – bike.de. 5 Vgl. KG vom 4.4.2003, CR 2004, 301 – arena-berlin.de. 6 Vgl. Viefhues, MMR Beilage 8/2001, 25, 27.
407
G. Domainrecht
UWG). Ob daneben auch Ansprüche aus § 12 BGB bestehen1, ist unerheblich. Namensrechtliche Ansprüche der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat das LG Hamburg im Hinblick auf die Domain bundesliag.de bejaht2. 1586
Besteht eine Firma im Kern aus drei Gattungsbegriffen („AMS Advanced Microwave Systems GmbH“), so liegt eine unlautere Behinderung (§§ 3 und 4 Nr. 10 UWG) vor, wenn sich ein Konkurrent mehrere Domains registrieren lässt, die aus diesen Gattungsbegriffen bestehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Domains genutzt werden zur Weiterleitung auf eine Website mit Konkurrenzangeboten3. Eine unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 in Verbindung mit § 3 UWG liegt auch vor, wenn sich ein Domaininhaber bei der Registrierung der Domain an die Domain eines Konkurrenten gezielt annähert und dabei darauf spekuliert, dass Internetnutzern bei der Eingabe der Adresse Fehler unterlaufen mit der Folge einer „Umleitung“ der Nutzer auf das eigene Angebot4.
1587
Wer die Domain wwwmoebel.de registrieren lässt, legt es darauf an, dass Internetnutzer die eigene Website erreichen, obwohl sie die unter der Domain moebel.de betriebenen Internetseiten aufrufen wollten. Es mutet daher blauäugig an, wenn das LG Hamburg5 hierin keine gezielte Behinderung des Inhabers der Domain moebel.de sehen wollte und es für nicht feststellbar erachtete, dass die Eingabe der Adresse moebel.de dem Zweck dient, zu den Internetseiten des Unternehmens zu gelangen, dem diese Domain gehört.
1588
Eine Haftung der DENIC für Tippfehlerdomains, die sich an berühmte Kennzeichen anlehnen, hat das LG Frankfurt a.M. unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH zu ambiente.de6 verneint7.
1589
Seit dem 1.3.2004 können Internetnutzer Domainnamen mit Umlauten verwenden8. Die Registrierung der so genannten IDN (Internationalized Domain Names) ist nicht nur unter den TLDs der deutschsprachigen Länder Deutschland (.de) Österreich (.at) und der Schweiz (.ch) möglich. Auch unter generic-Top-Level-Domains (gTLD) wie .info, .net oder .com können Domainnamen mit bis zu 94 zusätzlichen Zeichen angemeldet werden9.
1 Vgl. OLG Hamm vom 27.11.2006, MMR 2006, 391 – ringlockshuppen.com. 2 LG Hamburg vom 31.8.2006, NJW-RR 2007, 338 – bundesliga.de. 3 OLG Hamburg vom 14.4.2005, MMR 2006, 328, 329 f. – advanced-microwavesystems.de. 4 OLG Jena vom 23.3.2005, MMR 2006, 776, 777 f. – deutsche-anwalthotline.de; vgl. auch LG Erfurt vom 21.10.2004, MMR 2005, 121 (Vorinstanz). 5 LG Hamburg vom 16.7.2009, K&R 2009, 745, 746 f. – wwwmoebel.de. 6 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671, 673 - ambiente.de; siehe Rz. 1619. 7 LG Frankfurt a.M. vom 15.4.2009, MMR 2009, 704 ff. – Lufthansa. 8 Vgl. Reinholz/Härting, CR 2004, 603 ff. 9 Vgl. http://www.denic.de/de/domains/idns/liste.html.
408
IV. Anspruchsgrundlagen
Dass die IDN-Einführung Domaingrabber auf den Plan rief, zeigt eine Entscheidung des LG Köln zur Domain touristikbörse24.de1. Das LG erließ eine einstweilige Verfügung gegen den Domaininhaber. Dieser hatte die Domain einem Reisevermittler angeboten, der über lange Jahre hinweg einen Internetauftritt unter der Domain touristikboerse24.de aufgebaut hatte. Als „Gegenleistung“ für die Herausgabe der Domain verlangte der Inhaber die Finanzierung eines 21-tägigen „all inclusive“-Urlaubs in die Dominikanische Republik für vier Personen in einem Luxushotel samt Mietwagen. Als der Reisevermittler nicht mitspielte, versuchte der Inhaber, die Domain bei Ebay zu versteigern.
1590
Ein weiterer denkbarer Konfliktfall ist der Fall des Herrn Krüger, der seit Jahren unter der Domain herr-krueger.de eine private Website betreibt. Nun kommt Frau Krueger und verlangt unter Hinweis auf ihr Namensrecht die Löschung der Domain. Herr Krüger heißt nicht Krueger, sodass er hinsichtlich der Domain krueger.de keine eigenen Namensrechte (§ 12 BGB) geltend machen kann, seit es die IDN-Domains gibt.
1591
Bis zur Einführung der Umlaut-Domains wäre niemand auf die Idee gekommen, in der Registrierung der Domain krueger.de durch Herrn Krüger etwas anderes zu sehen als die Nutzung des eigenen Namens als Domain. Wenn Herr Krüger seinen eigenen Namen als Domain verwenden wollte, blieb ihm nur die Möglichkeit, auf die übliche Umlaut-Umschreibung („ue“) auszuweichen. Demnach lag in der Domainregistrierung und –nutzung keine Anmaßung eines fremden Namens, sondern die Benutzung des eigenen Namens2. Bis sich die Nutzung von Umlaut-Domains deutlich verbreitet und die Internetnutzer die Umlaute (und nicht deren Umschreibung) als Normalfall ansehen, ist eine Namensanmaßung durch Herrn Krüger jedenfalls zu verneinen. Ein Löschungsanspruch aus § 12 BGB besteht nicht3.
1592
Schwieriger zu beurteilen ist der (hypothetische) Fall des Betreibers eines Internetshops, der über die Domain guenstigepreise.de erreichbar ist. Dem Shopinhaber wird es nicht gefallen, wenn ein Konkurrent unter günstigepreise.de ein ähnliches Angebot einrichtet.
1593
Hat der Inhaber des Internetshops die Internetadresse nicht als Marke schützen lassen, kommen markenrechtlich nur Ansprüche aus § 15 Abs. 4 MarkenG in Betracht. Dass ein Domainname wie guenstigerkaufen.de Kennzeichnungsfunktion hat, ist unbestritten4. Unbestreitbar ist zudem, dass die Domain jedenfalls die Website kennzeichnet, die über die Domain abrufbar ist. So kennzeichnet yahoo.de nicht nur Yahoo als
1594
1 LG Köln vom 12.03.2004 – Az. 31 O 155/04 – touristikbörse24.de. 2 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 98; OLG Rostock vom 16.2.2000, K&R 2000, 303 – mueritz-online.de. 3 Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 606. 4 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 78.
409
G. Domainrecht
Unternehmen, sondern auch die gleichnamige Website, die jeder Internetnutzer kennt. 1595
Gegen eine Herleitung des Kennzeichenschutzes aus der Kennzeichnung der Website (und nicht des Geschäftsbetriebs als Ganzes) ließe sich einwenden, dass § 5 MarkenG nur den Schutz des Unternehmenskennzeichens und den Schutz des Werktitels kennt, nicht jedoch den Schutz von Adressen, die ein Unternehmen für seine Außenkommunikation verwendet. Dies ist jedoch nur insoweit richtig, als sich aus § 5 MarkenG gewiss kein Schutz der „nackten“ (unbenutzten und nur registrierten) Domain ableiten lässt1. Dies bedeutet jedoch nicht, dass § 5 MarkenG nicht auch (mittelbar) eine Website schützen kann, wenn es um eine Domain geht, die – wie im Fall guenstigerkaufen.de – für eine nachhaltig gewachsene Website verwendet wird2. Zum einen handelt es sich bei der Domain in einem solchen Fall um den Titel der Website und somit um den Titel eines Werkes, das in der Regel urheberrechtlich geschützt ist3. Bei Erfüllung der Mindestanforderungen an die Unterscheidungskraft des Domainnamens entsteht somit Werktitelschutz nach § 5 Abs. 3 MarkenG4. Zum anderen ordnen Internetnutzer eine Domain stets dem Unternehmen zu, das die Website betreibt, sodass sich ein Kennzeichenschutz auch aus § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG ableiten lässt5. Der Inhaber der Domain guenstigerkaufen.de kann somit aus § 15 Abs. 4 MarkenG die Unterlassung einer kennzeichenverletzenden Domainnutzung verlangen.
1596
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche können neben markenrechtliche Ansprüche aus § 15 Abs. 4 MarkenG treten. Dies ergibt sich aus § 2 MarkenG. Auch nach dem neuen UWG setzt dies indes ein Wettbewerbsverhältnis voraus (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Dieses kann allerdings bereits durch die (behindernde) Registrierung der Domain entstehen6. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich im Fall von guenstigerkaufen.de ein Wettbewerbsverhältnis bejahen unabhängig davon, welche Waren bzw. Dienstleistungen unter den beiden Domains angeboten werden.
1 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 79. 2 Härting/Reinholz, CR 2004, 603, 605 f. 3 Vgl. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 116; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 201; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 Rdnr. 104; Härting/Kuon, CR 2004, 527; siehe auch Rz. 894 ff. 4 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 112 ff.; BGH vom 2.12.2004, NJW 2005, 2315 = CR 2005, 593 = MMR 2005, 534 – weltonline.de; OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2000, CR 2001, 412 – mediafacts.de; OLG München vom 11.1.2001, MMR 2001, 381 – kuecheonline.de; OLG München vom 20.10.2005, CR 2006, 414 – österreich.de. 5 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 5 Rdnr. 28, § 15 Rdnr. 33, nach § 15 Rdnr. 107 f.; KG vom 4.4.2003 CR 2004, 301 – arena-berlin.de; OLG München vom 23.9.1999, MMR 2000, 100 – buecherde.com. 6 Vgl. BGH vom 12.1.1972, GRUR 1972, 553 – „Statt Blumen ONKO-Kaffee“.
410
IV. Anspruchsgrundlagen
Die Rechtsprechung zur ergänzenden Anwendung des UWG im Kennzeichenrecht ist durch das MarkenG keineswegs „überholt“1. § 2 MarkenG lässt vielmehr die ergänzende Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts ausdrücklich zu.
1597
Ein Wettbewerbsverstoß gemäß § 3 UWG kommt bei Umständen in Betracht, die auf eine bewusste Anlehnung des Wettbewerbers an die Ausgangsdomain des Anspruchstellers hinweisen2, wie dies beispielsweise bei einer erst kurze Zeit vor Registrierung des IDN aufgenommenen konkurrierenden Geschäftstätigkeit der Fall ist. Darüber hinaus kann eine unlautere Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) vorliegen. Wer eine Domain anmeldet mit einem Namen, der einer Domain zum Verwechseln ähnelt, die bereits seit längerer Zeit für eine Website genutzt wird, behindert die Erreichbarkeit dieser Website. Auch wenn eine solche Behinderung nicht die (alleinige) Absicht des Anmelders sein mag, so nimmt der Anmelder eine solche Behinderung doch zumindest in Kauf3. Wenn zudem – wie im Fall von guenstigerkaufen.de – zumutbare Ausweichmöglichkeiten bei der Wahl des Domainnamens bestehen, ist schon das Festhalten an einer die Website des Konkurrenten beeinträchtigenden Domain als gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG und somit als unlauter gemäß § 3 UWG anzusehen4. Der Sache nach bedeutet dies die Anerkennung des wirtschaftlichen Besitzstandes an einer Website. Dieser Besitzstand entsteht durch den nachhaltigen Betrieb der Website unter Nutzung einer bestimmten Domain und überlagert das Prioritätsprinzip, indem dem Wettbewerber auferlegt wird, auf eine andere Domain auszuweichen5.
1598
Eine besondere Variante des Umlautproblems tritt unter Gleichnamigen auf, wenn beispielsweise der Stuttgarter Zahnarzt Knöpfle seit Jahr und Tag eine aufwendige Website unter der Adresse zahnarzt-knoepfle.de betreibt und ein gleichnamiger Flensburger Kollege sich die Domain zahnarzt-knöpfle.de sichert. Betreibt der schwäbische Zahnarzt seine Praxis seit eh und je unter der Bezeichnung „Zahnarzt Knöpfle“, so genießt diese Bezeichnung Kennzeichenschutz nach § 5 Abs. 2 MarkenG. An der notwendigen Unterscheidungskraft fehlt es der Bezeichnung jedenfalls nicht. Allerdings liegt ein Fall der Gleichnamigkeit vor, sodass nach § 23 MarkenG ein Unterlassungsanspruch nur besteht, wenn die Nutzung der Umlautdomain durch den norddeutschen Zahnarzt als sittenwidrig anzusehen ist. Ein gewichtiges Argument gegen einen Sittenverstoß ist der do-
1599
1 Vgl. OLG Dresden vom 7.3.2006, MMR 2006, 685, 686 – kettenzüge.de; LG Leipzig vom 24.11.2005, MMR 2006, 113 (Vorinstanz). 2 OLG München vom 23.9.1999, MMR 2000, 100 – buecherde.com. 3 Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 607. 4 A.A. OLG Köln vom 2.9.2005, CR 2005, 880 – schlüsselbänder.de; vgl. auch LG Frankenthal vom 29.9.2005, MMR 2006, 116 – günstig.de; LG München I vom 27.2.2007, K&R 2007, 336, 337 – neu.eu. 5 Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 607; vgl. BGH vom 10.8.2000, GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI; OLG Hamburg vom 21.9.1996, WRP 1996, 215, 216 – Kinder-Schoko-Bons.
411
G. Domainrecht
mainrechtliche Prioritätsgrundsatz1. Hätte der Stuttgarter Zahnarzt zahnarzt-knoepfle.de nur registriert, ohne die Domain zu nutzen, würde ein Löschungsanspruch an § 23 MarkenG scheitern, da es an einem Sittenverstoß fehlt. 1600
Eine Website ist ein – oft wertvolles – Wirtschaftsgut. Dies bezweifelt niemand. Außer Frage steht gewiss auch, dass es für den Wert der Website schädlich ist, wenn User, die zu der Website gelangen möchten, auf den Internetseiten eines (norddeutschen) Konkurrenten landen. Dies gilt umso mehr, wenn aus der Website E-Mail-Adressen ([email protected]) abgleitet werden und die Gefahr entsteht, dass sensible Patienteninformationen auf Grund von irrtümlich eingegebenen Umlauten bei dem falschen Arzt landen. Berücksichtigt man jetzt noch ergänzend das Gebot der Rücksichtnahme, das unter Gleichnamigen gilt, so liegt es alles andere als fern, ein sittenwidriges Handeln des norddeutschen Zahnarztes zu bejahen, zumal es diesem ohne weiteres zuzumuten ist, auf Adressen wie zahnarztpraxis-knöpfle.de oder praxis-knöpfle.de auszuweichen, um ausreichend Abstand von dem schwäbischen Kollegen zu halten2.
1601
Neben Ansprüchen aus § 15 Abs. 4 MarkenG kommen auch in dem Zahnarzt-Beispiel wettbewerbsrechtliche Ansprüche in Betracht. Im Hinblick auf die Gleichnamigkeit scheidet zwar eine unlautere Anlehnung aus, aus den gleichen Gründen wie im Fall von günstigerkaufen.de liegt jedoch eine wettbewerbswidrige Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) vor3.
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner 1. Anspruchsziele
1602
Liegen die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 14, 15 MarkenG, §§ 12, 826 BGB bzw. § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 UWG vor, fragt sich, worauf sich die Ansprüche richten.
1603
Problemlos lassen sich aus den genannten Normen Ansprüche auf Unterlassung der Nutzung einer bestimmten Domain ableiten4. Daneben tritt ein Anspruch auf Beseitigung der durch die rechtswidrige Domainnutzung entstehenden Störung. Beseitigen lässt sich die Störung durch eine Löschung der Registrierung. Daher besteht neben einem Anspruch auf Unterlassung der Domainnutzung auch ein Anspruch auf Abgabe einer Löschungserklärung gegenüber der DENIC5. Allerdings setzt ein solcher 1 2 3 4 5
Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 606. Reinholz/Härting, CR 2004, 603, 606. Siehe Rdnr. 1256. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 78. OLG Frankfurt a.M. vom 12.4.2000, CR 2000, 615 – weideglueck.de; OLG Hamm vom 13.1.1998, CR 1998, 214 – krupp.de; OLG München vom 25.3.1999, CR 1999, 382 – shell.de.
412
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
Anspruch im Bereich des Kennzeichenrechts voraus, dass keine Nutzung durch den Domaininhaber denkbar ist, die die Rechte des Kennzeicheninhabers nicht verletzt1. Markenrechtlich sind daher Löschungsansprüche keineswegs die Regel, sondern die (seltene) Ausnahme, die im Normalfall nur bei bekannten Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG) in Betracht kommt2. Ein kennzeichenrechtlicher Löschungs- bzw. Freigabeanspruch besteht nur, wenn jede Verwendung des Domainnamens durch den Anspruchsgegner notwendig die Voraussetzungen einer Verletzung der Marken oder des Unternehmenskennzeichens des Kennzeicheninhabers erfüllt. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn jede Verwendung des Domainnamens eine Rechtsverletzung nach § 14 Abs. 2 bzw. § 15 Abs. 2 MarkenG darstellen würde3. Auch die Annahme, der Verkehr könne den unzutreffenden Eindruck gewinnen, zwischen den beteiligten Unternehmen bestünden vertragliche, organisatorische oder sonstige wirtschaftliche Verbindungen, setzt eine hinreichende Branchennähe voraus. Eine solche Verwechslungsgefahr kann daher nicht schon allein wegen der von der von einem Reiseveranstalter geltend gemachten erhöhten Kennzeichnungskraft ihres bekannten Unternehmenskennzeichens („AIDA“) und einer Ähnlichkeit der beiden Zeichen („AIDU“) angenommen werden4.
1604
Ein Löschungs- bzw. Freigabeanspruch lässt sich keineswegs schon daraus ableiten, dass der Domaininhaber eine Kennzeichenrechtsverletzung begangen hat5. Zwar ergibt sich hieraus eine Wiederholungsgefahr – dies jedoch nur im Hinblick auf die von dem Domaininhaber begangene Nutzung des Kennzeichens, nicht – „schlechthin“ – auf jede denkbare Nutzung der Domain.
1605
Unzutreffend und ohne ersichtliche rechtliche Grundlage ist es, einen Freigabeanspruch aus „gewohnheitsrechtlicher Verankerung und analog § 1004 BGB“ abzuleiten6.
1606
Das OLG Hamburg hat in seiner Entscheidung zu ahd.de einen Löschungsanspruch des Inhabers der Geschäftsbezeichnung ahd mit der Begründung bejaht, dass ein „eigenes Interesse“ des Beklagten an der Domain nicht ersichtlich sei. Daher sei dem Beklagten nicht nur – markenrechtlich – die Domainnutzung für Angebote konkurrierender Produkte
1607
1 Vgl. BGH vom 19.7.2007, CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 – Euro Telekom; BGH vom 26.6.2008, WRP 2008, 1319, 1323 – EROS; LG Hamburg vom 18.7.2008, K&R 2009, 61, 63 – wachs.de. 2 Becker, WRP 2010, 467, 468; BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381, 383 f. – AIDA/AIDU; vgl. auch LG Köln vom 8.2.2007, K&R 2007, 221, 223 (Vorinstanz). 3 Vgl. OLG Hamburg vom 14.2.2008, Az. 3 U 152/05 – emetro.com. 4 BGH vom 29.7.2009, WRP 2010, 381, 383 – AIDA/AIDU. 5 A.A. LG Düsseldorf vom 20.6.2008, Az. 2a O 333/07 – bimota.de. 6 A.A. LG Hamburg vom 17.6.2008, MMR 2009, 143 (Ls.) – anwalt-ebay.de.
413
G. Domainrecht
untersagt. Vielmehr bestehe ein „Schlechthinverbot“, das sich aus einer unlauteren Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG ableiten lasse1. Dies überzeugt indes nicht. Aus dem domainrechtlichen Prioritätsgrundsatz lässt sich ableiten, dass es zur Legitimation der Registrierung und Nutzung einer Domain keineswegs erforderlich ist, dass ein „eigenes Interesse“ an der Domain besteht. Ein Löschungsanspruch lässt sich aus § 4 Nr. 10 UWG nur ableiten, wenn ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Domaininhabers (ausnahmsweise) bejaht werden kann2. 1608
Im Namensrecht (§ 12 BGB) sind die Anforderungen an einen Löschungsanspruch wesentlich geringer, da das Namensrecht keine – branchenmäßigen oder auch räumlichen – Abstufungen kennt. Die Registrierung einer Domain ohne eigenes Namens- oder sonstiges Recht des Domaininhabers genügt, um Löschungsansprüche der Namensträger aus § 12 BGB zu begründen3. Für ein „eigenes Recht“ des Domaininhabers genügt auch ein Markenrecht4. Ein Löschungsanspruch aus § 12 BGB lässt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, dass sich der Anspruchssteller bereits eine Domain gesichert habe, die seinen Namen enthält (dsds.de), und daher durch eine ähnlich lautende Domain (dsds-news.de) keine schutzwürdigen Interessen des Anspruchsstellers berührt seien5.
1609
Im Ergebnis eigenwillig entschied das OLG Oldenburg die Klage der Gemeinde Schulenberg (Harz) gegen die Registrierung und Nutzung der Domain schulenburg.de durch einen gleichnamigen Privatmann6. Die Domain dürfe zwar („schlechthin“) nicht genutzt werden, müsse aber auch nicht gelöscht werden. Ein Löschungsanspruch komme nur in Betracht, wenn der klagende Namensträger überragend bekannt sei. Die Entscheidung ist inkonsequent, da es bei einem „Schlechthinverbot“ keinen ersichtlichen Grund gibt, der gegen einen Löschungsanspruch spricht. Ein Löschungsanspruch steht jedoch – ebenso wie das vom OLG Oldenburg bejahte Nutzungsverbot – im Widerspruch zu der shell.de-Entscheidung des BGH7, da es an einer „überragenden Bekanntheit“ der Gemeinde Schulenburg fehlt.
1 OLG Hamburg vom 5.7.2006, CR 2007, 47 – ahd.de; vgl. auch LG Hamburg vom 26.5.2005, MMR 2005, 780 (Vorinstanz); LG Hamburg vom 12.8.2008, Az. 312 O 64/08 – area45cycles.com; siehe auch Rz. 1431. 2 BGH vom 19.2.2009, K&R 2009, 473, 477 f. mit Anm. Rössel – ahd.de; LG Hamburg vom 18.7.2008, K&R 2009, 61, 63 – wachs.de; siehe auch Rz. 1432 f. 3 Vgl. Becker, WRP 2010, 467, 468 f.; OLG Hamburg vom 31.5.2007, CR 2007, 661 = K&R 2007, 413 – mlpblog.de I; OLG Hamm vom 18.1.2005, MMR 2005, 381 – juraxx.de; LG Hamburg vom 26.1.2005, CR 2005, 465 = MMR 2005, 254 – müller.de; LG Hannover vom 22.4.2005, CR 2005, 896 = MMR 2005, 550 – schmidt.de. 4 OLG Köln vom 20.1.2006, CR 2006, 549, 552 – ecolab.de. 5 A.A. OLG Köln vom 19.23.2010, K&R 2010, 429, 430 – dsds-news.de. 6 OLG Oldenburg vom 30.9.2003, MMR 2004, 34 – schulenberg.de. 7 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de.
414
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
Versuchen, aus gewagten marken- oder gar grundstücksrechtlichen Analogien Ansprüche auf Übertragung einer Domain abzuleiten1, hat der BGH in seiner Entscheidung zu shell.de einen klaren Riegel vorgeschoben2. Eine Übertragung der Domain lässt sich aus keiner der Anspruchsgrundlagen herleiten, die im Domainrecht in Betracht kommen3. Der Weg zur Erlangung einer .de-Domain, die ein Dritter rechtswidrig registriert hat, führt über einen Dispute-Eintrag bei der DENIC, der verhindert, dass in einem laufenden Domainstreit Domains an andere Personen übertragen werden4. Anders sieht dies im WIPO-Schiedsgerichtsverfahren aus, wo nach der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (§ 3 UDRP) auch der Transfer einer Domain ein möglicher Schiedsspruch ist5.
1610
➲ Praxistipp: Ist man der Meinung, dass eine bei der DENIC registrierte Domain eigene Rechte verletzt, ist es ratsam, zunächst bei der DENIC einen Dispute eintragen zu lassen6. Die DENIC ist in diesem Fall gehindert, eine Domain zu übertragen. Der Dispute empfiehlt sich, weil ein Titel gegen den Domaininhaber nichts wert ist, wenn dieser die Domain zwischenzeitlich auf einen Dritten übertragen hat.
1611
Erst nach Eintragung des Disputes sollte der Domaininhaber abgemahnt und zur Übertragung der Domain aufgefordert werden. Gibt der Verletzer eine entsprechende Erklärung nicht ab, bleibt dem Rechteinhaber nur der Klageweg. Wenn es – etwa im Bereich der .eu-Domains – kein Dispute-Verfahren gibt, kann im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Verfügungsverbot in Betracht kommen, um den Antragssteller davor zu bewahren, dass seine Rechte durch eine Übertragung der Domain an Dritte vereitelt werden7.
1612
Da es für einen Dispute-Eintrag nur des Nachweises einer (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Streitigkeit über die Domain bedarf und die DENIC keine rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten des Dispute-Anmelders vornimmt, lädt das Dispute-Verfahren gelegentlich zum Missbrauch
1613
1 Vgl. OLG München vom 25.3.1999, CR 1999, 382 – shell.de; LG München I vom 15.1.1997, CR 1997, 479 – juris.de; LG München I vom 19.10.2000, CR 2001, 191 – champagner.de. 2 BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de. 3 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 144, Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rdnr. 134 f.; Strömer, Online-Recht, S. 92; OLG Hamburg vom 21.9.2000, MMR 2001, 196 – derrick.de; OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 825 – motoradmarkt.de; a.A. Fezer, Markengesetz, § 3 Rdnr. 351. 4 Vgl. § 2 Abs. 3 der DENIC-Domainbedingungen; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 81; Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rdnr. 122; Fezer, Markengesetz, Einl. G Rdnr. 120; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 144. 5 Vgl. http://www.icann.org/udrp/udrp-policy-24oct99.htm; Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rdnr. 142 ff. 6 Vgl. § 2 Abs. 3 DENIC-Domainbedingungen. 7 KG vom 10.8.2007, CR 2007, 735 = MMR 2008, 53; vgl. Reinholz/Schätzle, K&R 2008, 573, 578.
415
G. Domainrecht
ein. Gegen einen rechtsmissbräuchlichen Eintrag kann sich ein Domaininhaber wehren, da ein solcher Eintrag einen Eingriff in Kennzeichenrechte oder in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen kann1. Ob die Inhaberschaft an der Domain als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden kann2, ist allerdings im Hinblick auf die fehlende dingliche Natur des „Rechts an der Domain“ zweifelhaft3. 1614
Um ein befremdlich anmutendes Ansinnen ging es in dem Rechtsstreit um die Domain kurt-biedenkopf.de4. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf wollte der DENIC untersagen lassen, den Domainnamen kurt-biedenkopf.de zu vergeben. Es ging ihm um eine Sperrung des Domainnamens, selbst benutzen wollte er die Domain nicht. Dem erteilte der BGH jedoch eine Absage. Eine Sperrung komme nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Dritter gleichen Namens die Domain registrieren möchte5.
1615
In einem einstweiligen Verfügungsverfahren kann die Löschung der Domain – als Vorwegnahme der Hauptsache – regelmäßig nicht erreicht werden6. Der einstweilige Rechtsschutz beschränkt sich somit auf die Nutzung der Domain, die per einstweilige Verfügung untersagt werden kann.
1616
Sofern nachweisbar ist, dass durch eine rechtswidrige Domainnutzung ein Schaden entstanden ist, kommen Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 12 BGB, aus § 9 UWG i.V.m. § 3 UWG sowie aus § 14 Abs. 6 und § 15 Abs. 5 MarkenG in Betracht. Die Fälle, in denen Schadensersatzansprüche wegen einer rechtswidrigen Domainnutzung gerichtlich geltend gemacht worden sind, sind allerdings bislang selten7. 2. Anspruchsgegner
1617
Richtiger Anspruchsgegner ist zunächst der Verletzer. Dies ist im Regelfall derjenige, der bei der DENIC als Domaininhaber eingetragen ist und
1 OLG München vom 15.2.2007, WRP 2007, 560, 565 – der-andechser.de; LG Köln vom 8.5.2009, K&R 2009, 511 f. – welle.de. 2 Vgl. OLG Köln vom 17.3.2006, MMR 2006, 469 mit Anm. Utz – investment.de; LG Düsseldorf vom 19.8.2009, Az. 34 O 16/09 – cola.de. 3 Siehe Rz. 1402 ff. 4 BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769 – kurt-biedenkopf.de. 5 BGH vom 19.2.2004, NJW 2004, 1793 = CR 2004, 531 = BGHReport 2004, 967 mit Anm. Reinholz – kurt-biedenkopf.de. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2000, MMR 2000, 752 – mediafacts.de; OLG München vom 20.4.2000, ITRB 2001, 127 – intersearch.de. 7 Vgl. BGH vom 22.11.2001, NJW 2002, 2031 = WRP 2002, 694 – shell.de; LG Hamburg vom 15.5.2001, CR 2002, 296.
416
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
auf der Website Inhalte bereithält1. Dies gilt auch dann, wenn er nicht zugleich Betreiber der Website ist, für die die Domain genutzt wird2. Als Mitstörer kommen die mit den Domaininhabern oft nicht identischen Personen in Betracht, die bei der DENIC als „Administrative Contact“ registriert sind3.
1618
Löschungsansprüche gegen die DENIC bestehen nach der überzeugenden Entscheidung des BGH zu ambiente.de regelmäßig nicht4. Die Praxis der DENIC, die Berechtigung einer Domainregistrierung und -nutzung grundsätzlich nicht zu prüfen, hat der BGH in der Ambiente-Entscheidung gebilligt. Nur in offenkundigen Fällen einer missbräuchlichen Domainnutzung ist die DENIC nach Auffassung des BGH zum Einschreiten verpflichtet5. Welche Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen, damit eine derartige Handlungspflicht der DENIC entsteht, blieb nach der Ambiente-Entscheidung zunächst offen.
1619
Im Fall kurt-biedenkopf.de orientierte sich der BGH sich an seiner Ambiente-Entscheidung und bestätigte, dass die DENIC grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die Rechtmäßigkeit registrierter Domains zu prüfen. Während man der Entscheidung zu ambiente.de noch entnehmen konnte, dass die Vergabestelle bei offenkundigen Rechtsverstößen einschreiten muss, entschied der BGH zu kurt-biedenkopf.de, dass selbst bei Rechtsverletzungen, die jedermann sofort ins Auge fallen, keine Prüfpflicht besteht6.
1620
In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das OLG Frankfurt a.M. hinsichtlich der Domains viagratip.de, viagrabestellung.de und viagra-dheamelantonin.de die Auffassung vertreten, dass die Prüfungspflichten der DENIC erst eingreifen können, wenn sie auf eine Rechtsverletzung hingewiesen worden ist7. Allein die Registrierung der Domains könne somit keine Störerhaftung der DENIC auslösen. Auch nach erfolgtem Hinweis durch die Markeninhaberin seien Löschungsansprüche hinsichtlich der Domain im konkreten Fall noch nicht so offenkundig, dass sie sich der DENIC aufdrängen mussten. Eine Störerhaftung der DENIC komme nur
1621
1 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, nach § 15 Rdnr. 150; Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rdnr. 184. 2 Vgl. OLG Celle vom 8.4.2004, CR 2004, 772 = K&R 2004, 396 – grundke.de. 3 Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rdnr. 21, 186; Hellmich/Jochheim, K&R 2007, 494; vgl. DENICDomainrichtlinien, VIII; siehe Rz. 1406 ff. 4 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671, 673 – ambiente.de; vgl. Bettinger/Freytag, CR 1999, 28, 33. 5 BGH vom 17.5.2001, MMR 2001, 671, 673 – ambiente.de; vgl. Schäfer in Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet, § 6 Rdnr. 184. 6 BGH vom 19.2.2004, WRP 2004, 769, 771 – kurt-biedenkopf.de. 7 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2003, MMR 2003, 333, 334 – viagratip.de.
417
G. Domainrecht
dann in Betracht, wenn die Vergabestelle ohne weitere Nachforschung zweifelsfrei feststellen kann, dass ein registrierter Domainname die Rechte Dritter verletzt1. Im Übrigen sei der Interessent an einer Domain durch die von der DENIC vorgesehene Möglichkeit des Dispute-Eintrages ausreichend geschützt2. 1622
In einem anderen Verfahren sahen die Richter dagegen die Voraussetzungen einer Störerhaftung der DENIC als gegeben an. Das OLG Frankfurt a.M. gab einer Klage des Freistaats Bayern gegen die DENIC statt, in der es um die von dem Freistaat begehrte Löschung der Domains regierungmittelfranken.de, regierung-oberfranken.de, regierung-unterfranken.de und regierung-oberpfalz.de ging3. Domaininhaber war jeweils ein Unternehmen mit Sitz in Panama; als Admin-Cs waren natürliche Personen mit Sitz in Deutschland eingetragen. Der Freistaat hatte für eine der Domains bereits mehrere Versäumnisurteile gegen die Admin-Cs erwirkt, die teilweise nicht zugestellt werden konnten. Die Vorinstanz hielt angesichts der bereits ergangenen Urteile die Rechtslage für so offenkundig, dass eine Störerhaftung der DENIC zu bejahen war4. Dem trat das OLG Frankfurt a.M. entgegen. Das Gericht betonte, dass es – wie auch der BGH – von einer „äußerst eingeschränkten Nachprüfungspflicht“ der DENIC ausgeht und eine Haftung der DENIC daher nur im Ausnahmefall bestehen kann. Eine Störerhaftung der DENIC wegen Vorliegens eines rechtskräftigen Titels ist demnach denkbar, setzt aber voraus, dass sich dieser Titel gegen den Domaininhaber selbst richtet. Ein rechtskräftiges Urteil gegen den Admin-C ist dagegen nicht ausreichend5. Das OLG Frankfurt a.M. begründete die Störerhaftung der DENIC vielmehr damit, dass angesichts der Verwendung offizieller Regierungsbezeichnungen eine Namensrechtsverletzung offenkundig ist6.
1623
In seiner Entscheidung zu primavita.de hat das LG Hamburg betont, dass die DENIC nur bei offenkundigen Rechtsverstößen haftbar sein könne. Eine Offenkundigkeit sei bereits dann zu verneinen, wenn es theoretisch denkbare Umstände gebe, bei denen ein Rechtsverstoß zu verneinen wäre7. Dies läuft – anders als die Erwägungen des LG Frankfurt/Main zu regierung-mittelfranken.de – auf einen Freibrief für die DENIC hinaus.
1 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2003, MMR 2003, 333, 335 – viagratip.de; OLG Frankfurt vom 17.6.2010, Az. 16 U 239/09 – regierung-oberbayern.de. 2 OLG Frankfurt a.M. vom 13.2.2003, MMR 2003, 333, 334 – viagratip.de. 3 OLG Frankfurt vom 17.6.2010, Az. 16 U 239/09 – regierung-oberbayern.de; Vorinstanz: LG Frankfurt a.M. vom 16.11.2009, K&R 2010, 358 – regierung-mittelfranken.de. 4 LG Frankfurt a.M. vom 16.11.2009, K&R 2010, 358 – regierung-mittelfranken.de. 5 OLG Frankfurt vom 17.6.2010, Az. 16 U 239/09 – regierung-oberbayern.de. 6 OLG Frankfurt vom 17.6.2010, Az. 16 U 239/09 – regierung-oberbayern.de. 7 LG Hamburg vom 26.3.2009, MMR 2009, 708 – primavita.de.
418
V. Anspruchsziele und Anspruchsgegner
Als Mitstörer können grundsätzlich auch die Provider in Anspruch genommen werden, über die die Domainregistrierung erfolgt ist1. Die Provider leisten zu einer rechtswidrigen Domainregistrierung einen ursächlichen Beitrag, sodass die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Provider als Mitstörer grundsätzlich erfüllt sind2.
1624
3. Zuständiges Gericht und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen
In der Regel wird das LG das für den Rechtstreit zuständige Gericht sein. Für Markenrechtsstreitigkeiten ergibt sich dies aus § 140 MarkenG; im Übrigen wegen der zumeist hohen Streitwerte aus den §§ 23 Nr. 1, 71 GVG3.
1625
Geht es um generische TLDs wie etwa .com-Domains, kann sich das ICANN-Schiedsverfahren zur Streitbeilegung anbieten. Auf Beschluss der ICANN traten im Dezember 1999 eine Schiedsordnung („Uniform Dispute Resolution Policy“ - UDRP) sowie eine Verfahrensordnung („Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy“ - RUDRP) in Kraft. Die Schiedsordnung gilt weltweit für alle Registrierungen, die nach ihrem Inkrafttreten vorgenommen worden sind. Von den bislang existierenden vier Schiedsgerichten ist das bekannteste das der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf mit ca. 150 Schiedsrichtern (Anwälten, Richtern, Professoren) aus unterschiedlichen Ländern. Die Vorteile eines Schiedsgerichtsverfahrens sind vor allem die vergleichsweise niedrigen Kosten und die relativ kurze Dauer der Verfahren (in der Regel wenige Monate)4.
1626
Die Einleitung eines UDRP-Verfahrens schließt ein gleichzeitiges Klageverfahren nicht aus5.
1627
Bei Streitigkeiten um .eu-Domains besteht nach der EU-Verordnung 874/20046 die Möglichkeit eines Streitbeilegungsverfahrens (Alternative Dispute Resolution, ADR) beim Tschechischen Schiedsgericht7. Dieses
1628
1 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 86; OLG Hamburg vom 4.11.1999, K&R 2000, 143 – goldenjackpot.com mit Anm. Härting. 2 Siehe Rz. 1646 ff. 3 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 91. 4 Zu den Einzelheiten des Verfahrens: Beier in Lehmann/Meents, Kap. 19 Rdnr. 486 ff.; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 94 ff.; Bettinger, CR 2000, 34; Reinholz, ITRB 2001, 190 ff.; Strömer, K&R 2000, 587. 5 Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 95; LG Köln vom 16.6.2009, K&R 2009, 817 f. 6 Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „.eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung. 7 Im Internet zu finden unter www.arbcourt.cz.
419
G. Domainrecht
Verfahren, das eine Alternative zu einem aufwendigen gerichtlichen Verfahren darstellt, wird rege in Anspruch genommen1. 1629
Wer rechtskräftig zur Löschung einer Domain verurteilt ist, darf nicht einfach die Hände in den Schoß legen und seinem Provider die Löschung überlassen. Wenn die Löschung wegen der Untätigkeit des Providers mehr als drei Monate nach Rechtskraft des Urteils noch nicht erfolgt ist und der Vollstreckungsschuldner dies nicht bemerkt, liegt ein schuldhafter Verstoß gegen die Löschungspflicht vor, die die Verhängung eines Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO2 bzw. § 890 ZPO3 rechtfertigt. Besteht eine zeitlich befristete Verpflichtung zur Abgabe der Löschungserklärung, so hat der Schuldner seinen Provider hiervon rechtzeitig vor Ablauf der Frist zu unterrichten4. Ein tituliertes Nutzungsverbot lässt sich nicht dadurch umgehen, dass eine Subdomain verwendet wird („m.gmail.com“), die der Weiterleitung eingehender E-Mails an eine andere Domain dient5.
1630
Wenn ein „Schlechthinverbot“ in einem Urteil ausgesprochen wird, ohne dass zugleich eine Verurteilung zur Freigabe der Domain erfolgt, so ergibt sich aus dem Titel kein Verbot, die Domain konnektiert zu halten mit einem „Baustellen-Hinweis“. Ein solcher Hinweis stellt keine Nutzung der Domain dar6.
1631
Wird ein Domaininhaber verurteilt, die Nutzung der Tippfehler-Domains gübstiger.de und günstigert.de zu unterlassen, so erstreckt sich die Verurteilung nicht auch auf ähnliche Tippfehler-Domains (günstigef.de; günstiher.de; günatiger.de; günstger.de)7.
1 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 20; Beier in Lehmann/ Meents, Kap. 19 Rdnr. 533 ff.; Bettinger, WRP 2006, 548; Eichelberger, K&R 2008, 410 ff.; Mietzel, MMR 2007, 282; Mietzel/Orth, MMR 2007, 757; Pothmann, K&R 2007, 69; Remmertz, Cri 2006, 161; Sobola, ITRB 2007, 259. 2 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 17.1.2002, MMR 2002, 471 – drogerie.de. 3 Vgl. OLG Hamm vom 26.3.2002, CR 2002, 752; LG Berlin vom 6.2.2001, MMR 2001, 323. 4 OLG Hamburg vom 10.3.2005, K&R 2006, 286, 287; vgl. auch LG Frankfurt a.M. vom 17.11.2005, MMR 2006, 114 – fetenplaner II. 5 OLG Hamburg vom 18.9.2007, Az. 5 W 102/07, JurPC Web-Dok. 63/2008. 6 OLG Hamburg vom 28.8.2007, MMR 2008, 113 – mlpblog.de II. 7 OLG Hamburg vom 8.1.2009, K&R 2009, 345 f. – günatiger.de.
420
H. Haftung im Netz Rz. I. Tele- und Mediendienste . . . . 1635 II. Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . . 1642 III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1646 1. Eigene und fremde Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1653 a) Zueigenmachen . . . . . . . . . . 1654 b) Disclaimer . . . . . . . . . . . . . . 1664 c) Kontrolle eingestellter Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1668 2. Access Provider (§ 8 TMG) . . . 1676 3. Host Provider (§ 10 TMG) . . . . 1680 4. Caching (§ 9 TMG) . . . . . . . . . 1688 5. Hyperlinks und Suchmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1689 IV. Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . 1692 1. Reichweite der Haftungsprivilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1692 2. Prüfungs- und Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1705 a) Prüfungspflichten: die Rechtsprechung des BGH . 1707 b) Prüfungspflichten: Praxisfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1712
Rz. c) Verkehrspflichten: die Rechtsprechung des BGH . 1718 d) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . 1728 aa) Access Provider . . . . 1729 bb) Diskussionsforen und Blogs . . . . . . . . . . 1732 cc) Foto-Communities und Videoportale . . . 1736 dd) Hyperlinks . . . . . . . . . 1738 ee) Suchmaschinen . . . . 1743 ff) Admin-C . . . . . . . . . . 1746 gg) Domainpacht . . . . . . 1752 hh) Domain Parking . . . . 1755 ii) Werbetreibende . . . . . 1758 jj) Affiliate-Werbung . . . 1762 kk) Identitätsklau . . . . . . 1769 ll) Filesharing . . . . . . . . . 1772 mm) Nutzung eines fremden Accounts . . . . . . 1777 nn) Nutzung des Internetanschlusses durch Dritte . . . . . . . 1781 oo) Ungesichertes WLAN . . . . . . . . . . . . 1784 pp) Einzelfälle . . . . . . . . . 1785
Rechtsverstöße gehören zum Alltag des Internet. Das Recht am eigenen Bild, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Urheberrechte, Markenrechte, das Recht des Jugendschutzes: In keiner Weise lässt sich verhindern, dass geltendes Recht und Rechte Dritter im Internet verletzt werden. Bei den vielen Akteuren, die an der Kommunikation im World Wide Web beteiligt sind, stellt sich immer wieder die Frage, welcher dieser Akteure für Rechtsverstöße verantwortlich gemacht werden kann. Jeder Provider, Plattformbetreiber und Diensteanbieter stellt sich die Frage, ob und inwieweit er haftbar gemacht werden kann für Rechtsverletzungen, die Dritte auf „seinen Seiten“ begehen bzw. auf Internetseiten, die über „seine Seiten“ erreichbar sind. Die Haftung im Netz ist ein facettenreiches Thema, das für die gesamte Internetwirtschaft von vitaler Bedeutung ist.
1632
Der E-Commerce ist auf einheitliche wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen angewiesen. Um solche Rahmenbedingungen gerade auch in Haftungsfragen zu schaffen, gab es seit 1997 das Teledienstege-
1633
421
H. Haftung im Netz
setz (TDG)1 und den Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)2. Zur Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie3 wurden das TDG4 und der MDStV5 Ende 2001 grundlegend reformiert6. Seit dem 1.3.2007 ist das Telemediengesetz (TMG) in Kraft.7 Ohne grundlegende materielle Änderungen sind durch das TMG die Bestimmungen für Tele- und Mediendienste zusammengefasst worden8. 1634
E-Commerce-Richtline, TDG, MDStV, TMG: Zu den zentralen Anliegen der Normgeber zählt es, für die Diensteanbieter im Netz Rechtssicherheit zu schaffen durch Haftungsbestimmungen, die die Verantwortlichkeit für Rechtsverstöße Dritter einschränken. Provider und andere Diensteanbieter sollten insbesondere Gewissheit darüber erlangen, welchen Kontroll- und Handlungspflichten sie unterliegen im Hinblick auf Inhalte, die Dritte ins Netz stellen9.
I. Tele- und Mediendienste 1635
Websites können höchst unterschiedliche Inhalte enthalten. Unterscheiden lassen sich Informations- und Kommunikationsdienste, die sich an ein allgemeines Publikum richten, von Diensten, bei denen die individuelle Kommunikation im Vordergrund steht. Richtet sich ein Informationsangebot an die Allgemeinheit, so handelt es sich um einen Mediendienst, der Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen vergleichbar ist. Während die Bundesländer für das Medienrecht zuständig sind,
1 Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz – TDG) vom 22.7.1997, BGBl. I 1997, S. 1870. 2 Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag – MDStV) vom 2.6.1997, GVBl Berlin 1997, S. 360. 3 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 4 Art. 1 des Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) vom 14.12.2001, BGBl. I 2001, S. 3721. 5 Art. 3 des 6. Staatsvertrages zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und des Mediendienste-Staatsvertrages (6. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 20.12.2001, GVBl. Berlin 2002, S. 162. 6 Vgl. Bröhl, MMR 2001, 67 ff.; Härting, CR 2001, 271 ff.; Härting, DB 2001, 80 ff.; Nickels, CR 2002, 302 ff.; Spindler, ZRP 2001, 203 ff. 7 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Elektronischer-GeschäftsverkehrVereinheitlichungsgesetzes vom 1.3.2007, BGBl. I 2007, S. 251. 8 Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 590 ff; Engels/Jürgens/Fritsche, K&R 2007, 57, 57 ff.; Hoeren, NJW 2007, 801 ff.; Rössel, ITRB 2007, 158 ff.; Schmitz, K&R 2007, 135 ff.; Spindler, CR 2007, 239, 240 ff. 9 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rdnr. 742 ff.; Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 592 f.
422
I. Tele- und Mediendienste
ist der Bund zuständig für Dienste, die keine Mediendienste sind (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11 und 73 Abs. 1 Nr. 7, 9 GG)1. Das TDG war Bundesrecht und enthielt Regelungen für Internetangebote ohne Mediencharakter. Um die Zuständigkeit der Bundesländer zu wahren und zugleich bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen, wurde der MDStV geschaffen, der für Internet-Medienangebote galt. Die Regelungen, die das TDG und der MDStV enthielten, waren in weiten Bereichen inhaltsgleich2. Sie sind durch das TMG zusammengefasst und vollständig vereinheitlicht worden3. Die im MDStV enthaltenen inhaltsbezogenen Regelungen für Mediendienste (z.B. der Gegendarstellungsanspruch) finden sich nunmehr als Regelungen für Telemedien mit journalistisch-redaktionellem Angebot in dem Rundfunkstaatsvertrag (RStV) der Bundesländer, der jetzt „Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien“ heißt4.
1636
Der Begriff der Telemedien wird in § 1 TMG definiert. Danach gilt das TMG für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 des RStV sind. Eine entsprechende Definition findet sich in § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV5.
1637
Zu den Telemedien gehören demnach zum Einen die Teledienste, bei denen es sich gemäß § 2 Abs. 1 TDG um elektronische Informations- und Kommunikationsdienste handelte, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt. Dies trifft auf jeden Onlineshop und jede Auktionsplattform6 zu, aber auch auf Diskussionsforen7 und private Homepages8.
1638
Zum Anderen fallen auch die Mediendienste unter den Begriff der Telemedien. Hierbei handelte es sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 MDStV um Infor-
1639
1 Vgl. Martenczuk, ZUM 1999, 104, 106 ff. 2 Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 3. 3 Vgl. Bender/Kahlen, MMR 2006, 590, 590 ff; Engels/Jürgens/Fritsche, K&R 2007, 57, 57 ff.; Hoeren, NJW 2007, 801, 801 ff.; Rössel, ITRB 2007, 158, 158 ff; Schmitz, K&R 2007, 135, 135 ff.; Spindler, CR 2007, 239, 239 ff. 4 Vgl. Engels/Jürgens/Fritsche, K&R 2007, 57, 57 f.; Kitz, ZUM 2007, 368, 369 ff.; Schmitz, K&R 2007, 135, 136; Spindler, CR 2007, 239, 240. 5 Kitz, ZUM 2007, 368, 369. 6 Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 593; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 628 = MMR 2004, 330 mit Anm. Spindler; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 213 = MMR 2003, 120, 122 f.; LG Potsdam vom 10.10.2002, CR 2003, 217, 218 = MMR 2002, 829, 830 = ITRB 2003, 6 (Häuser). 7 OLG München vom 17.5.2002, NJW 2002, 2398 = MMR 2002, 611; LG Köln vom 5.10.2001, MMR 2002, 254. 8 Vgl. Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 4 ff.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 41; Flechsig/ Gabel, CR 1998, 351, 354; LG Trier vom 16.5.2001, MMR 2002, 694 mit Anm. Gercke.
423
H. Haftung im Netz
mations- und Kommunikationsdienste, die sich an die Allgemeinheit richten und unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen verbreitet werden1. Insbesondere Online-Zeitungen und vergleichbare Publikationen fielen unter diesen Begriff2. 1640
Die Abgrenzung zwischen Tele- und Mediendiensten bereitete oft Schwierigkeiten3. Wegen des weitgehenden Gleichlaufs der Regelungswerke bedurfte es jedoch vielfach keiner Entscheidung darüber, ob ein Mediendienst oder ein Teledienst vorliegt, sodass Gerichte diese Frage häufig offen ließen4.
1641
Durch das Inkrafttreten des TMG und die Änderung des RStV ist die Abgrenzung nicht völlig obsolet geworden, da für Telemedien mit „journalistisch-redaktionellen Angeboten“ neben dem TMG auch die §§ 54 ff. RStV gelten5.
II. Haftungsfragen 1642
Haftungsfragen können sich in einer Vielzahl von Konstellationen stellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Haftung eines Diensteanbieters für eigene Inhalte und der Haftung für Inhalte, die Dritte ins Netz stellen (fremde Inhalte). Die Frage der Haftung für fremde Inhalte kann sich stellen bei Host- und Zugangsprovidern, aber auch bei Plattformbetreibern oder bei Betreibern von Diskussionsforen oder Social Networks. Um die Verantwortlichkeit für fremde Inhalte geht es auch, wenn Hyperlinks verwendet werden, über die fremde Inhalte zugänglich gemacht werden. Parallelfragen stellen sich bei der Haftung von Suchmaschinenbetreibern oder auch bei der Haftung des Admin-C für Inhalte, die über die jeweilige Domain verbreitet werden. Nicht fremde Inhalte, wohl aber Rechtsverstöße Dritter sind das Thema, wenn der Inhaber eines Internetanschlusses verantwortlich gemacht wird für einen Rechtsverstoß, den Dritte (insbesondere minderjährige Kinder) unter Nutzung des Anschlusses begangen haben.
1 Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 42. 2 Podehl, MMR 2001, 17 f. 3 Vgl. Freytag, Haftung im Netz, S. 40 ff.; Escher-Weingart in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 34 Rdnr. 9; Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 4 ff.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 43 ff.; Brunst, MMR 2004, 8, 9; Engels, AfP 2000, 524, 526; Engels, K&R 2001, 338, 340; Mann, AfP 1998, 129; VG Düsseldorf vom 19.12.2002, MMR 2003, 205, 206 mit Anm. Stadler. 4 Vgl. BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 889, 901 – Schöner Wetten; OLG München vom 17.5.2002, NJW 2002, 2398 = MMR 2002, 611, 612; OLG München vom 11.9.2003, CR 2004, 53 mit Anm. Schulte = MMR 2004, 36, 37. 5 Vgl. Rumyantsev, ZUM 2008, 33 ff.
424
II. Haftungsfragen
Übersicht
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Haftung für fremde Inhalte bzw. fremde rechtswidrige Handlungen: – Haftung der Provider: Access Provider und Host Provider; – Haftung von Plattformbetreibern: Internet-„Marktplätze“ (z.B. Internetauktionen); – Haftung der Betreiber von Diskussionsforen: Verantwortlichkeit für die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter; – Haftung der Betreiber von Social Networks: Verantwortlichkeit insbesondere für die Verletzung des Rechts am eigenen Bild und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie für die Verletzung von Urheberrechten; – Haftung für Links: Verantwortlichkeit des Linksetzenden für Rechtsverstöße auf „verlinkten“ Seiten; – Haftung des Suchmaschinenbetreibers: Haftung für Rechtsverstöße auf Seiten, die als Suchergebnis angezeigt werden; – Haftung des Admin-C: Haftung für Rechtsverstöße auf den Seiten, die über die jeweilige Domain abrufbar sind; – Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses: Haftung für Rechtsverstöße, die Dritte (z.B. minderjährige Kinder) unter Nutzung des Anschlusses begehen. Wenn sich die Frage der „Haftung im Netz“ stellt, geht es nur selten um Schadenersatzansprüche Dritter. Weit überwiegend stellt sich die Frage nach Ansprüchen auf Beseitigung des Zugangs zu rechtswidrigen Inhalten sowie auf Unterlassung zukünftigen Zugangs zu identischen oder vergleichbaren Inhalten. Untrennbar verknüpft mit Beseitigungs- und Unterlassungsfragen ist die Frage nach den Kontroll-, Sperr- und sonstigen Handlungspflichten des Diensteanbieters.
Übersicht
1644
1645
Haftungsfragen in der Praxis: – Haftung auf den Ersatz des Schadens, der durch rechtswidrige Handlungen bzw. Inhalte Dritter entstanden ist (selten); – Haftung auf Beseitigung der Folgen rechtswidrigen Handelns Dritter (insbesondere auf Beseitigung des Zugangs zu rechtswidrigen Inhalten), z.B. Sperrpflichten; – Haftung auf Unterlassung zukünftiger Mitwirkung an Rechtsverstößen Dritter (insbesondere Zugänglichmachung rechtswidriger Handlungen) – Kontroll- bzw. Prüfpflichten.
425
H. Haftung im Netz
III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG) 1646
Bei aller Vielfalt der Nutzungsarten des Internet lassen sich drei verschiedene Formen unterscheiden, in denen Provider im Internet in Erscheinung treten1. Der Content Provider stellt eigene Inhalte zum Abruf über das World Wide Web bereit. Der Host Provider (Service Provider)2 stellt Dritten auf einem Server Speicherplatz zur Verfügung zur Einstellung von Internetseiten in das World Wide Web. Der Access Provider schließlich stellt weder eigene Inhalte noch Speicherplatz, sondern lediglich den Zugang in das Internet bereit.
1647
Die Schaffung von transparenten Haftungsregeln und -privilegien für Provider gehört zu den zentralen Anliegen des TMG. Bereits 1997 wurde ein gestuftes System eingeführt, das (in § 5 TDG a.F. und § 5 MDStV a.F.3) zwischen eigenen und fremden Inhalten unterschied4. Für eigene Inhalte war eine unbeschränkte Haftung vorgesehen; es galt insoweit nichts anderes als außerhalb des Netzes (§ 5 Abs. 1 TDG/MDStV a.F.). Eine Sonderregelung gab es dagegen bei der Haftung für fremde Inhalte. Der reine Zugangsprovider war von einer solchen Haftung vollständig befreit (§ 5 Abs. 3 TDG/MDStV a.F.). Für Host Provider setzte eine Haftung die Kenntnis von den fremden Inhalten und die technische Möglichkeit und Zumutbarkeit voraus, die Nutzung dieser Inhalte zu verhindern (§ 5 Abs. 2 TDG/MDStV a.F.).
1648
Die Abgrenzung zwischen Content Providern, Host Providern und Access Providern ist nicht so zu verstehen, dass ein und derselbe Provider stets nur entweder Content Provider oder Host Provider oder Access Provider sein kann. Vielmehr erfüllen Provider häufig alle drei Funktionen gleichzeitig. So hält beispielsweise T-Online im Netz eine vielfältige Palette eigener Informationsangebote bereit und erfüllt insoweit die Funktion eines Content Providers. Gleichzeitig nutzen zahlreiche Website-Betreiber Speicherplatz, den sie bei T-Online angemietet haben, sodass T-Online auch als Host Provider in Erscheinung tritt. Schließlich erfüllt T-Online gegenüber Kunden, die über T-Online Zugang zum Internet erhalten, die Funktion eines Access Providers.
1649
Die §§ 8 und 10 TMG enthalten Haftungsprivilegien für Access Provider und Host Provider. § 8 TMG stellt Access Provider von einer Haftung für „durchgeleitete“ Informationen weitgehend frei. Die Host Provider sind 1 Vgl. Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, Rdnr. 274 ff.; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 697 ff.; Koch, Internet-Recht, S. 2 ff.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 8 ff.; Pichler, MMR 1998, 79, 80. 2 Der Begriff des Service Provider wird nicht durchgängig als mit dem Host Provider deckungsgleich verstanden, vgl. Koch, Internet-Recht, S. 10; Pichler, MMR 1998, 79, 80. 3 Vgl. Müller-Terpitz, MMR 1998, 478, 479 ff.; Podehl, MMR 2001, 17, 18 ff. 4 Umfassend zum Haftungssystem des § 5 TDG a.F.: Altenhain, AfP 1998, 457, 458 ff.; Freytag, ZUM 1999, 188 ff.; Hoeren, PHi 1999, 86, 86 ff.; Hoffmann, MMR 2002, 284, 285 ff.; Sieber, MMR-Beilage 2/1999, 1, 11 ff.
426
III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
nach § 10 TMG jedenfalls dann von einer Haftung für fremde Informationen frei gestellt, wenn sie keine Kenntnis von Rechtsverstößen haben und die Rechtsverstöße auch nicht „offensichtlich“ sind. Bereits die Ursprungsfassung des TDG und des MDStV sahen in § 5 Abs. 2 und 3 ähnliche Privilegien für Access Provider und Host Provider vor. Über die Reichweite der Normen und über deren dogmatische Funktion und Einordnung konnte bis zuletzt keine Einigkeit erzielt werden1. Dies führte zu einer höchst uneinheitlichen Spruchpraxis der Gerichte, wobei der BGH für ein wenig Klarheit sorgte, als er – zu Recht2 – die Auffassung vertrat, dass die §§ 5 Abs. 2 und 3 TDG/MDStV in ihrer Ursprungsfassung den Tatbestand privatrechtlicher Haftungsnormen nach Art eines Filters modifizieren3. Darüber hinaus entschied der BGH, dass die Voraussetzungen des § 5 TDG in seiner Ursprungsfassung haftungsbegründend waren, mit der Folge, dass der Anspruchsteller deren Vorliegen beweisen muss4. Um einen Host Provider in Anspruch zu nehmen, muss man auch nach geltendem Recht beweisen, dass die haftungsbegründenden Voraussetzungen des § 10 TMG vorliegen5.
1650
Die zur Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie notwendige Reform des TDG und des MDStV brachten mit den §§ 8 ff. TDG und den §§ 6 ff. MDStV wesentlich umfangreichere Haftungsnormen, ohne die Grundstruktur des früheren Rechts zu ändern. Dogmatisch werfen die neuen Bestimmungen einige neue Fragen auf, ohne die alten Fragen nach der Funktion, Reichweite und Einordnung der Haftungsprivilegien zu beantworten. Die unveränderte Übernahme der Normen in die §§ 7 bis 10 TMG hat hieran nichts geändert.
1651
1 Vgl. Freytag, Haftung im Netz, S. 132 ff.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 21; Engels, AfP 2000, 524, 526 ff.; Haedicke, CR 1999, 309, 130 ff.; Sieber, MMR-Beilage 2/1999, 1, 5 ff.; Vassilaki, MMR 2002, 659, 659 f. 2 Vgl. Escher-Weingart in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 34 Rdnr. 22; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 21; Hoeren, MMR 2004, 168; Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 100. 3 Vgl. Backu/Hertneck, ITRB 2008, 35, 36; BGH vom 23.9.2003, NJW 2003, 3764 = CR 2004, 48 mit Anm. Spindler = MMR 2004, 166 mit Anm. Hoeren = MDR 2004, 92 = K&R 2004, 29; kritisch Spindler, CR 2004, 50, 51. 4 Vgl. Gercke, MMR 2003, 602; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 593; Pankoke, MMR 2004, 211, 215 ff.; BGH vom 23.9.2003, NJW 2003, 3764, 3765 = CR 2004, 48, 49 mit Anm. Spindler = MMR 2004, 166, 167 mit Anm. Hoeren = MDR 2004, 92 = K&R 2004, 29 zu § 5 Abs. 2 TDG a.F.; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 635 = MMR 2004, 315, 317 mit Anm. Leupold; zweifelnd, Engels, K&R 2001, 338, 342; Spindler, CR 2004, 50, 51; Spindler, MMR 2004, 440, 444. 5 Vgl. Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 593; Pankoke, MMR 2004, 211, 215 ff.; BGH vom 23.9.2003, NJW 2003, 3764, 3765 = CR 2004, 48, 49 mit Anm. Spindler = MMR 2004, 166, 167 mit Anm. Hoeren = MDR 2004, 92 = K&R 2004, 29 zu § 5 Abs. 2 TDG a.F.; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 635 = MMR 2004, 315, 317 mit Anm. Leupold.
427
H. Haftung im Netz
1652
Anders als die Ursprungsfassung von § 5 TDG/MDStV a.F. beziehen sich die §§ 7 ff. TMG auf (eigene oder fremde) „Informationen“ und nicht auf (eigene oder fremde) „Inhalte“. Damit steht fest, dass auch nicht-kommunikative Inhalte von den Haftungsprivilegierungen erfasst sind1, wie beispielsweise die Übermittlung von Daten oder Software2. 1. Eigene und fremde Informationen
1653
Da das Internet kein rechtsfreier Raum ist, gibt es keinen Grund, die Haftung für eigene Informationen im Netz einzuschränken. Dementsprechend hält § 7 Abs. 1 TMG daran fest, dass Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereit halten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind. Dies entspricht der Ursprungsfassung von § 5 Abs. 1 TDG/MDStV sowie den späteren § 8 Abs. 1 TDG/§ 6 Abs. 1 MDStV3. Den Content Providern hat der Gesetzgeber seit 1997 jegliche Haftungsprivilegien verwehrt4. a) Zueigenmachen
1654
Eigene Informationen sind nicht nur Informationen, die der Diensteanbieter selbst erstellt hat. Auch Inhalte, die von Dritten stammen, sind als eigene Informationen des Anbieters anzusehen, wenn der Anbieter sich die Informationen zueigen macht5. Abwegig ist es allerdings, wenn Beiträge in einem Diskussionsforum als eigene Informationen des Forenbetreibers angesehen werden mit der schlichten Begründung, die Beiträge seien über das von dem Betreiber unterhaltene Internetforum verbreitet worden6. Auch ist es bei Foren unerheblich, ob es sich um ein kommerzielles oder nicht-kommerzielles Angebot handelt7.
1 Hoffmann in Spindler/Schuster, Vorb. §§ 7 TMG ff. Rdnr. 12; BT-Drucks. 14/6098, S. 23; a.A. für § 5 TDG a.F.: Völker/Lühring, K&R 2000, 20, 21 f.; Waldenberger, MMR 1998, 124, 126 f.; OLG München vom 8.3.2001, NJW 2001, 3553, 3553 f. = CR 2001, 333, 334 = MMR 2001, 375, 376 mit Anm. Waldenberger und Hoeren = K&R 2001, 471, 474. 2 Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 14 f.; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 63; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 594. 3 Vgl. Begründung des IuKDG-Entwurfes der Bundesregierung, BR-Drucks. 966/96, S. 18, 28; Engel-Flechsig, ZUM 1997, 231, 235; Pelz, ZUM 1998, 530, 532; Pichler, MMR 1998, 79; Spindler, MMR 1998, 23, 23 f.; Spindler, NJW 1997, 3193. 4 Vgl. Koch, Internet-Recht, S. 7; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 23. 5 Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 282 f.; BGH vom 12.11.2009, WRP 2010, 922, 924 f. – marions-kochbuch.de. 6 LG Hamburg vom 27.4.2007, MMR 2007, 450, 451; vgl. Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, 65, 72. 7 Vgl. Lober/Karg, CR 2007, 647, 648 f.
428
III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
Bei der Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Informationen ist auf den Horizont eines verständigen Internetnutzers abzustellen1. Wer daher Inhalte auf seine eigenen Internetseiten übernimmt, ohne die Inhalte als fremde Inhalte zu kennzeichnen, kann sich nicht darauf berufen, dass er für diese Inhalte nicht gemäß § 7 Abs. 1 TMG ohne Einschränkung verantwortlich ist2. Wer für seine Website Texte schreiben oder Fotos anfertigen lässt, stellt diese als eigene Inhalte ins Netz.
1655
Kommt es bei der Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Informationen maßgeblich auf die Sicht eines verständigen Internetnutzers an, so bedeutet dies, dass der innere Wille des Diensteanbieters allenfalls indizielle Bedeutung hat. Ob der Anbieter für Inhalte eines Dritten Verantwortung übernehmen möchte, ist unerheblich, solange ein solcher Wille nicht nach außen zum Vorschein tritt. Bereits die Ursprungsfassung des TDG und des MDStV sah in § 5 eine Abgrenzung zwischen fremden und eigenen „Inhalten“ vor3.
1656
Viel zu weit ging das OLG Frankfurt a.M., das in der Schaltung von Werbung auf einer Interseite ein Zueigenmachen der Inhalte sah, die sich auf der Website befanden4. Eine solche Sichtweise ist haltlos, zumal sie darauf hinausläuft, dass es auf werbefinanzierten Websites keine fremden Inhalte geben kann. Ebenso abwegig ist es, wenn das LG Berlin Nachrichten als eigene Inhalte eines Website-Betreibers ansieht, obwohl die Nachrichten durch den (automatisierten) RSS-Feed einer Zeitung auf die Website gelangen, worauf der Website-Betreiber in einem auf seiner Website befindlichen Hinweis verweist5.
1657
Durch das Framing fremder Internetseiten macht sich ein Website-Betreiber die Inhalte auf diesen Seiten zueigen6 und kann für Rechtsverstöße haftbar gemacht werden, die auf diesen Seiten begangen werden.
1658
Das LG Köln hat den Standpunkt vertreten, der Betreiber einer Personensuchmaschine mache sich sämtliche Treffer zueigen, indem er die Treffer
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1 Hoffmann in Spindler/Schuster, § 7 TMG Rdnr. 15; Engels/Köster, MMR 1999, 522, 523; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 595; Spindler, MMR 2004, 333; BGH vom 12.11.2009, WRP 2010, 922, 924 f. – marions-kochbuch.de; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 628 = MMR 2004, 330 mit Anm. Spindler; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 635 = MMR 2004, 315, 317 mit Anm. Leupold; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 213 = MMR 2003, 120, 123; LG Potsdam vom 10.10.2002, CR 2003, 217, 218 f. = MMR 2002, 829, 830 = ITRB 2003, 6 (Häuser). 2 Vgl. Hoffmann in Spindler/Schuster, § 7 TMG Rdnr. 18; LG Hamburg vom 12.5.1998, MMR 1998, 547, 548. 3 Vgl. Freytag, Haftung im Netz, S. 171 ff.; Spindler, NJW 2002, 921, 923; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 635 = MMR 2004, 315, 317 mit Anm. Leupold. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 12.2.2008, GRUR-RR 2008, 385 f. 5 LG Berlin vom 27.4.2010, Az. 27 O 190/10. 6 Engels, AfP 2000, 524, 527.
429
H. Haftung im Netz
übersichtlich nach Kategorien sortiert1. Mit dieser – überzogenen – Sichtweise ließe sich sogar begründen, dass sich alle Betreiber von Suchmaschinen einschließlich Google die Suchergebnisse zueigen machen. 1660
Zu einem anderen Ergebnis gelangte das Kammergericht bei der Klage gegen den Betreiber einer Online-Community, auf der ein Dritter unter dem Namen der Klägerin eine Kontaktanzeige („Online-Steckbrief“) veröffentlicht hatte. Das Kammergericht vermochte nicht zu erkennen, dass der Betreiber sich die Angaben aus dem „Steckbrief“ zueigen gemacht hatte2. Ein Zueigenmachen verneint hat auch das OLG Hamburg in einem Fall, in dem es darum ging, dass in dem Benutzerforum einer Rezepte-Plattform ein urheberrechtlich geschütztes Foto gepostet worden war3. Zu Recht hat das LG Köln kein Zueigenmachen von Wikipedia-Inhalten durch die Betreiber der Internet-Enzyklopädie erkennen können4.
1661
Das LG Hamburg hat für einen Blog ein Zueigenmachen durch den Betreiber daraus geschlossen, dass der Blog wie ein journalistisches OnlineMagazin aufgemacht war und auf der Internestseite unter anderem für verschiedene Städte und Staaten „Ständige Mitarbeiter“ aufgelistet waren5. Zum selben Ergebnis kam das LG Köln in einem Fall, in dem es um urheberrechtsverletzende Inhalte in einem „Online-Rotlichführer“ ging. Allerdings schloss das LG Köln das Zueigenmachen maßgeblich auf eine AGB-Klausel, die dem Website-Betreiber umfangreiche urheberrechtliche Nutzungsrechte an den eingestellten Inhalten einräumte6. Auf eine solche Klausel kann es schon deshalb nicht ankommen, weil sie keinen gewichtigen Einfluss auf den (allein) maßgeblichen Horizont eines Lesers der Inhalte hat.
1662
Nach Auffassung des OLG Hamburg7 kann sich ein Zueigenmachen auch daraus ergeben, dass ein Plattformbetreiber die von Nutzern hochgeladenen Inhalte zu gewerblichen Zwecken verwendet. Auch hier ging es um eine Foto-Community, die unter anderem die Möglichkeit vorsah, Abzüge von Fotos bei dem Plattformbetreiber käuflich zu erwerben. Bei diesem Angebot handele es sich nicht um ein Angebot der Person, die die Fotos hochgeladen hat, sondern um ein Angebot des Plattformbetreibers. Der Betreiber „überführe“ die hochgeladenen Bilddateien in sein eigenes Angebot auf seiner Internetseite und setze diese unmittelbar zur Gewinnerzielung ein. In rechtlicher Hinsicht unterscheide sich diese Situation nicht von derjenigen eines Antiquitätenhändlers, der in seinem
1 2 3 4 5 6 7
LG Köln vom 17.6.2009, CR 2010, 271, 272. KG vom 28.6.2004, CR 2005, 62, 63. OLG Hamburg vom 4.2.2009, MMR 2009, 479 ff. LG Köln vom 14.5.2008, MMR 208, 768 f. LG Hamburg vom 17.10.2008, ZUM-RD 2009, 217 ff. LG Köln vom 9.4.2008, ZUM-RD 2008, 437 ff. OLG Hamburg vom 10.12.2008, ZUM 2009, 642 ff.
430
III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
Schaufenster ungewollt auch einen Gegenstand präsentiere, der verbotene nationalsozialistische Symbole zeige1. Im Ergebnis wird man dem OLG Hamburg zustimmen können, da ein Angebot von Inhalten zum käuflichen Erwerb die Übernahme einer inhaltlichen Verantwortung impliziert. Dennoch zeigt die Argumentation, wie problematisch Parallelen zur Offline-Welt gelegentlich sein können. Es geht um ein Haftungsprivileg (§ 10 TMG), das Telemediendienste fördern soll, die der Verbreitung fremder Inhalte dienen. In Antiquitätenläden gibt es hierzu keine Parallele.
1663
b) Disclaimer
Die Verwandlung fremder Informationen in eigene Informationen ist eine Einbahnstraße. Informationen, die vom Diensteanbieter stammen, werden daher nicht zu fremden Informationen, wenn sich der Anbieter von diesen Informationen distanziert und beispielsweise angibt, sich auf Drittquellen zu verlassen.
1664
Werden Inhalte von dem Diensteanbieter erst ausgewählt und dann ins Netz gestellt, spricht dies dafür, dass es sich um eigene Inhalte handelt. Dies schließt indes nicht aus, dass ein Anbieter fremde Informationen auf seine eigene Website stellt, ohne sich diese Informationen zueigen zu machen. Zur Distanzierung bedarf es indes in einem solchen Fall eines ausdrücklichen Hinweises2. Verwendet der Anbieter einen solchen Hinweis (Disclaimer)3, gilt die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG.
1665
Distanzierungsklauseln können nicht in jedem Fall gewährleisten, dass fremde Inhalte nicht als „zueigen“ gemacht gelten, da es stets auf den Gesamteindruck ankommt, der bei dem Nutzer erweckt wird. Mit anderen Worten kommt es nicht primär darauf an, ob sich der Diensteanbieter fremde Inhalte „zu eigen machen will“. Maßgeblich ist vielmehr die (objektive) Perspektive des Rezipienten. Wegen ihrer Klarstellungswirkung sind Distanzierungsklauseln dennoch sinnvoll, zumal sie die Rezipientenperspektive fraglos (mit) beeinflussen4.
1666
➲ Praxistipp: Wer auf seiner Website Inhalte bereit hält, die von Dritten stammen, kann sich von diesen Inhalten beispielsweise durch folgenden Hinweis distanzieren:
1667
„Wir stellen auf dieser Website Beiträge Dritter zusammen. Soweit einzelne Beiträge die Rechte Dritter verletzen oder aus anderen Gründen 1 OLG Hamburg vom 10.12.2008, ZUM 2009, 642, 645. 2 Vgl. Engels, AfP 2000, 524, 527; OLG Köln vom 28.5.2002, CR 2002, 678, 679 mit Anm. Eckhardt = NJW-RR 2002, 1700 = MMR 2002, 548, 549 mit Anm. Spindler = K&R 2002, 424, 425. 3 Spindler, MMR 2004, 440, 442; OLG München vom 17.5.2002, NJW 2002, 2398 = CR 2002, 141 = MMR 2002, 611, 612. 4 Vgl. Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181, 182.
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H. Haftung im Netz
rechtswidrige Inhalte enthalten, ist für den Rechtsverstoß der jeweils genannte Verfasser verantwortlich. Eine inhaltliche Verantwortung – gleich welcher Art – übernehmen wir nicht.“ c) Kontrolle eingestellter Inhalte
1668
Die Haftungsprivilegien, die mit einer deutlichen Distanzierung verbunden sind, stehen vielfach in einem Spannungsverhältnis zu dem Bedürfnis des Anbieters, die Einstellung rechtswidriger Inhalte im Interesse des eigenen guten Rufs zu verhindern1. Wenn sich beispielsweise Ebay durch den Einsatz geschulter „Kontrolleure“ um eine Eindämmung von Rechtsverstößen bemüht, begibt sich das Auktionshaus in einen problematischen Spagat: Wer mit systematischen Kontrollen wirbt, läuft Gefahr, aus Sicht der User Verantwortung für die Inhalte zu übernehmen und damit die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG zu verlieren2.
1669
Der Konflikt zwischen den Haftungsprivilegien und den Kontrollbedürfnissen von Portalbetreibern ist besonders deutlich zutage getreten in einem Fall, den das LG Köln im Jahre 2003 zu entscheiden hatte3. Dort ging es um ein Kleinanzeigenportal für Gebrauchtwagen, auf dem etwas mehr als eine Stunde lang ein Inserat zu lesen war, demzufolge ein Porsche „wegen privater Insolvenz“ preisgünstig abzugeben sei. Der Inhaber der angegebenen Telefonnummer war zwar Porschefahrer, wusste jedoch nichts von der Anzeige und verklagte den Portalbetreiber, der nach einem Hinweis des Betroffenen die Anzeige binnen Minuten aus dem Netz genommen hatte, erfolgreich auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. In der Urteilsbegründung stützte sich das LG Köln maßgeblich darauf, dass der Portalbetreiber angegeben hatte, alle Anzeigen durchzusehen, bevor sie für das Portal freigegeben werden4. Allein durch die nach außen beworbene Vorkontrolle der Anzeigen soll sich der Portalbetreiber nach Auffassung des Kölner Gerichts deren Inhalte zueigen gemacht haben5.
1670
Bejaht hat das Kammergericht ein Zueigenmachen bei einer Foto-Community unter Hinweis darauf, dass der Plattformbetreiber der Veröffentlichung jedes einzelnen Fotos ein Auswahl- und Prüfungsverfahren vorgeschaltet hatte. Hierdurch werde bei einem objektiven Betrachter nach1 Christiansen, MMR 2004, 185, 185 f. 2 Vgl. Christiansen, MMR 2004, 185; Eck/Ruess, MMR 2003, 363, 365; Jürgens/ Veigel, AfP 2007, 181, 184 f.; Gounalakis/Rhode, NJW 2000, 2168, 2170; Hoeren, MMR 2004, 168; Lober/Karg, CR 2007, 647, 649; LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304 = MMR 2004, 183 mit Anm. Christiansen; LG München I vom 30.3.2000, NJW 2000, 2214, 2216 = CR 2000, 389, 391. 3 LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304 = MMR 2004, 183 mit Anm. Christiansen; vgl. auch LG München I vom 30.3.2000, NJW 2000, 2214, 2216 = CR 2000, 389, 391 und Gounalakis/Rhode, NJW 2000, 2168, 2170. 4 LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304, 305 = MMR 2004, 183, 184 mit Anm. Christiansen. 5 LG Köln vom 26.11.2003, CR 2004, 304, 305 = MMR 2004, 183, 184 mit Anm. Christiansen; ähnlich OLG Hamburg vom 14.7.2004, CR 2004, 836.
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III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
haltig der Eindruck erweckt, dass sich der Betreiber der Plattform mit den veröffentlichten Fotos identifiziere. Dieser Eindruck werde durch die Aufmachung der vom Antragsgegner betriebenen Internetseiten bestätigt. Dort werde zwar auf die Urheber der einzelnen Fotoaufnahmen hingewiesen, allerdings geschehe dies lediglich in unauffälliger und sehr dezenter Form. Im Vordergrund stehe vielmehr die von dem Plattformbetreiber beschriebene „Firmenphilosophie“, die darin liege, „moderne und zeitgeistige Fotografie zu veröffentlichen“1. Ähnlich hat das OLG Hamburg argumentiert in einer Entscheidung, in der es um die Haftung des Betreibers des Portals chefkoch.de ging für Urheberrechtsverletzungen durch Bilder, die Dritte auf die Portalseiten geladen hatten. Das Gericht vertrat die Auffassung, der Portalbetreiber mache sich die auf die Portalseiten gestellten Inhalte durch den Hinweis zueigen, dass die „Redaktion“ Inhalte „sorgfältig überprüft“2, sowie dadurch, dass nach den eigenen Angaben des Betreibers eine regelmäßige Prüfung „von rund 30 ehrenamtlichen Moderatoren auf kritische Themen und Bilder regelmäßig“ erfolge.
1671
Der BGH hat sich der Argumentation des OLG Hamburg angeschlossen. Zwar habe der Betreiber der Rezepte-Plattform die streitigen Lichtbilder nicht selbst auf die Plattform eingestellt. Er habe diese Bilder aber nebst den jeweiligen Rezepten nach einer redaktionellen Kontrolle als eigenen Inhalt auf seiner Internetseite öffentlich zugänglich gemacht. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Nutzer, die ein bestimmtes Rezept verwenden wollen, es regelmäßig für den Gebrauch in der Küche ausdrucken werden. In der Druckansicht erscheine das Rezept unter dem „Chefkoch-Emblem“. Für ein Zueigenmachen spreche zudem, dass die Kochrezepte den redaktionellen Kerngehalt der Plattform bilden und dass der Betreiber in seinen Nutzungsbedingungen auf die vor dem Einstellen in das Internet durchgeführte Kontrolle der Rezepte durch seine Redaktion hinweist. Zudem habe der Plattformbetreiber in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Einverständnis der Nutzer damit verlangt, dass alle von ihnen zur Verfügung gestellten Daten (Rezepte, Bilder, Texte usw.) von „Chefkoch“ selbst oder durch Dritte vervielfältigt und in beliebiger Weise weitergegeben werden dürfen3.
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Der BGH hält es für unerheblich, dass die Nutzer von chefkoch.de ohne weiteres erkennen können, dass die Rezepte nicht vom Plattformbetreiber, sondern von Dritten stammen. Bei einer Gesamtbetrachtung reiche angesichts der inhaltlichen Kontrolle durch den Betreiber sowie der Art der Präsentation der Hinweis auf den unter einem Aliasnamen auftretenden Einsender des Rezepts nicht aus, um aus der Sicht eines objektiven Nutzers eine ernsthafte und genügende Distanzierung des Diensteanbie-
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1 KG vom 10.7.2009, MMR 2010, 203, 204. 2 OLG Hamburg vom 26.9.2007, CR 2008, 453 ff. 3 BGH vom 12.11.2009, WRP 2010, 922, 925 – marions-kochbuch.de.
433
H. Haftung im Netz
ters von den auf seiner Webseite eingestellten Inhalten deutlich zu machen. Allein die Kenntlichmachung eines fremden Inhalts als solchen schließe dessen Zurechnung zu dem Anbieter nicht aus1. 1674
Das Urteil zieht die Grenzen der Haftungsprivilegien bedenklich eng. Ob dies mit dem Sinn und Zweck des § 10 TMG vereinbar ist, ist zweifelhaft2. Portalbetreiber müssen aus diesem Urteil dennoch Konsequenzen ziehen und zumindest jeden Hinweis auf inhaltliche Kontrollen mit der Einschränkung verbinden, dass die Kontrollen nicht so zu verstehen sind, dass eine inhaltliche Verantwortung für die Beiträge übernommen wird.
1675
➲ Praxistipp: Ein einschränkender Hinweis kann wie folgt lauten, wenn Kontrollmaßnahmen vorgenommen werden: „Wir stellen auf dieser Website Beiträge Dritter zusammen. Soweit einzelne Beiträge die Rechte Dritter verletzen oder aus anderen Gründen rechtswidrige Inhalte enthalten, ist für den Rechtsverstoß der jeweils genannte Verfasser verantwortlich. Wir sind zwar um eine regelmäßige Kontrolle der Beiträge bemüht. Eine inhaltliche Verantwortung – gleich welcher Art – übernehmen wir jedoch nicht.“ 2. Access Provider (§ 8 TMG)
1676
§ 8 TMG regelt die Haftung des Zugangsproviders. Wer als Provider den Zugang zur Nutzung fremder Informationen vermittelt, haftet für diese Informationen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG nicht, wenn er die Übermittlung der Informationen nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und auch die übermittelten Informationen weder ausgewählt noch verändert hat. Eine Haftung des Zugangsproviders wird gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 TMG auch nicht bereits durch eine aus technischen Gründen unvermeidbare Zwischenspeicherung fremder Informationen auf eigenen Servern des Providers begründet3.
1677
Wer als reiner Access Provider seinen Kunden die Möglichkeit gibt, Zugriff auf rechtswidrige Inhalte zu nehmen, die auf einer (beliebigen) Seite des Internet zu finden sind, war bereits durch die Ursprungsfassung von § 5 Abs. 3 TDG/MDStV a.F. von jedweder Verantwortung für diese Inhalte befreit4. Aus § 8 TMG ergibt sich nichts anderes: Selbst wenn die Deutsche Telekom AG (DTAG) beispielsweise Kenntnis davon hat, dass über das Internet Seiten abrufbar sind, die beleidigende Äußerungen ent1 BGH vom 12.11.2009, WRP 2010, 922, 925 – marions-kochbuch.de. 2 Vgl. Christiansen, MMR 2004, 185, 186. 3 Vgl. Begründung des IuKDG-Entwurfes der Bundesregierung, BR-Drucks. 966/96, S. 18, 22; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 279; Engel-Flechsig/ Maennel/Tettenborn, NJW 1997, 2981, 2985; Koch, CR 1997, 193, 198; Pelz, ZUM 1998, 530, 533; Pichler, MMR 1998, 79, 87; Spindler, NJW 1997, 3193, 3198. 4 Vgl. Koch, CR 1997, 193, 198; Spindler, NJW 1997, 3193, 3198.
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III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
halten, ist die DTAG als Access Provider in keiner Weise zur Unterbindung der Zugangsmöglichkeit zu diesen Seiten verpflichtet. Entgegen dem spektakulären CompuServe-Urteil des AG München1 befreit § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG (damals noch: § 5 Abs. 3 Satz 1 TDG) jeden Provider bereits dann von einer zivil- und strafrechtlichen Haftung für fremde Inhalte, wenn sich der Provider darauf beschränkt, den Zugang zu diesen Inhalten zu ermöglichen. Wenn daher die CompuServe GmbH als Access Provider ihren Kunden lediglich die Möglichkeit bot, Daten auf Servern der US-amerikanischen Muttergesellschaft CompuServe Inc. abzurufen, so betrieb die deutsche Tochtergesellschaft nichts anderes als einen Zugangsdienst, der die Privilegierungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 TDG erfüllte2. Dass CompuServe Inc. die Dienste der CompuServe GmbH nutzte, um deutschen Kunden den Abruf von Daten zu ermöglichen, die auf Servern der CompuServe Inc. gespeichert sind, führte dazu, dass die amerikanische Muttergesellschaft für diese Daten unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 TDG als Host Provider haftete. Die Stellung der CompuServe Inc. als Host Provider änderte indes nichts daran, dass sich die CompuServe GmbH auf die Funktion eines Access Providers beschränkte. Die pauschale „Gesamtbetrachtungsweise“ der beiden Gesellschaften, die das AG München vornahm3, war weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik oder dem Sinn des § 5 Abs. 2 und 3 TDG vereinbar4.
1678
Eine „Gesamtbetrachtungsweise“ kommt nur dann in Betracht, wenn ein deutscher Zugangsprovider gezielt mit ausländischen Anbietern zusammenwirkt, um eine Haftung für Inhalte zu umgehen, die auf dem ausländischen Server gespeichert sind5. Arbeiten beispielsweise ein deutscher und ein russischer Provider gezielt dergestalt zusammen, dass strafbare Inhalte auf dem Server des russischen Providers gespeichert werden und der deutsche Provider seinen Kunden den Zugriff auf die Inhalte des Server des russischen Unternehmens ermöglicht, findet die Haftungsprivilegierung des § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG keine Anwendung, da der Umgehungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG erfüllt ist.
1679
3. Host Provider (§ 10 TMG)
Dem Wortlaut nach ist § 10 TMG – ebenso wie sämtliche Vorläufernormen – auf den „klassischen“ Host Provider zugeschnitten, dessen Ge1 AG München vom 28.5.1998, NJW 1998, 2836 ff. = CR 1998, 500 ff. = MMR 1998, 429 ff. 2 Eichler, K&R 1998, 412, 413; Moritz, CR 1998, 505, 507; Sieber, MMR 1998, 438, 439. 3 AG München vom 28.5.1998, NJW 1998, 2836, 2839 = CR 1998, 500, 503 = MMR 1998, 429, 432. 4 Vgl. Eichler, K&R 1998, 412, 413; Hoeren, NJW 1998, 2792, 2792 f.; Sieber, MMR 1998, 438, 439 f. 5 Sieber, MMR 1998, 438, 439; vgl. auch BT-Drucks. 13/7385, S. 51 f.
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1680
H. Haftung im Netz
schäft darin liegt, Speicherplatz für die Websites seiner Kunden bereitzuhalten. Allerdings besteht schon lange Einigkeit darüber, dass § 10 TMG nicht nur auf den Host Provider anwendbar ist, sondern auch auf andere Diensteanbieter, die im Internet fremde Informationen speichern und verbreiten. § 10 TMG ist somit für Internetplattformen wie Auktionsplattformen1 und andere „Online-Marktplätze“ zu beachten. Gleiches gilt für Blogs2 und Internetforen3, die einen Meinungsaustausch ermöglichen. Im Zeitalter von Web 2.0 ist mit den Social Networks (z.B. YouTube und StudiVZ) ein weiterer Anwendungsbereich des § 10 TMG hinzugekommen4. 1681
Nach § 10 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben (Nr. 1) oder wenn sie unverzüglich tätig werden, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben (Nr. 2). Nr. 2 hat eigenständige Bedeutung nur ab Kenntniserlangung durch den Anbieter5. Erlangt der Provider Kenntnis von den Inhalten, soll er vor dem Wegfall der Haftungsprivilegierung die Möglichkeit haben, den Zugang zu den Informationen zu sperren6.
1682
Bei Schadensersatzansprüchen gelten insofern verschärfte Maßstäbe, als es keiner positiven Kenntnis der rechtswidrigen Informationen bedarf. Vielmehr tritt eine Schadensersatzhaftung auch ein, wenn dem Provider Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird (§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG)7. Die Einschränkung der Haftungsprivilegierung für Schadensersatzansprüche ist bei der TDG-Reform 2001 neu eingeführt worden.
1 Vgl. Koch, Internet-Recht, S. 608; Freytag in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 123; Strömer, Online-Recht, S. 283 f.; Lehmann/ Rein, CR 2008, 97, 98; BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 764 ff. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 669 f. = K&R 2004, 486, 488 f. – Internet-Versteigerung; BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 759 = CR 2007, 728, 729 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 518 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 2 Vgl. Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1106; Koch, ITRB 2006, 260, 261 f.; LG Hamburg vom 4.12.2007, MMR 2008, 265 f.; AG Mitte vom 20.10.2004, MMR 2005, 639, 640. 3 Vgl. Strömer, Online-Recht, S. 284 ff.; Schmitz/Laun, MMR 2005, 208, 209 ff.; Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 444; Stadler, K&R 2006, 253 ff.; BGH vom 27.3.2007, NJW 2007, 2558 f. = CR 2007, 586 f. mit Anm. Schuppert = K&R 2007, 396 f. mit Anm. Volkmann; OLG Düsseldorf vom 7.6.2006, CR 2006, 682 ff.; OLG Hamburg vom 22.8.2006, CR 2007, 44 ff. 4 Vgl. Fülbier, CR 2007, 515 ff.; Wimmers/Schulz, CR 2008, 170, 175. 5 Vgl. LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197; LG Potsdam vom 10.10.2002, CR 2003, 217, 219 = MMR 2002, 829, 831 = ITRB 2003, 6 (Häuser). 6 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6098, S. 25; Alpert, CR 2001, 604, 610; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004; WRP 2004, 631, 634. 7 Vgl. Eck/Ruess, MMR 2003, 363, 365.
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III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
Dies war der einzige grundlegende Unterschied zur Ursprungsfassung von § 5 Abs. 2 TDG/MDStV. Nach der Ursprungsfassung von § 5 Abs. 2 TDG/MDStV waren Diensteanbieter, die fremde Internet-Inhalte zur Nutzung bereithalten, für diese Inhalte nur dann haftbar, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis hatten und es ihnen möglich und zumutbar war, deren Nutzung zu verhindern. Technisch möglich war eine solche Sperre, wenn fortschrittliche Verfahren oder Einrichtungen zur Verfügung standen, die eine praktische Eignung zu der Durchführung der Sperrung als gesichert erscheinen ließen1.
1683
Das Kriterium der Zumutbarkeit2 schränkte die Anwendung dahingehend ein, dass ein Diensteanbieter nicht jeden nur denkbaren Aufwand betreiben musste, um einen Zugang zu rechtwidrigen Inhalten zu vermeiden. Aufwand und Wirksamkeit der Maßnahme mussten in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen3. Bei den Grenzen der technischen Möglichkeit und Zumutbarkeit der Sperrung ist es auch nach geltendem Recht geblieben4. Die Möglichkeit und Zumutbarkeit rechtlich angeordneten Verhaltens ist ein übergeordneter Grundsatz, dessen ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz es nicht bedarf5.
1684
Für den Host Provider hat § 10 Satz 1 TMG die Folge, dass er keiner rechtlichen Verpflichtung unterliegt, die auf seinen Servern gespeicherten Inhalte auf mögliche Rechtsverletzungen zu untersuchen6. Erhält der
1685
1 Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, Neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Multimedia, S. 18; Freytag, Haftung im Netz, S. 187 f. 2 Vgl. Altenhain, AfP 1998, 457, 461 ff. 3 Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, Neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Multimedia, S. 18; Freytag, Haftung im Netz, S. 190 ff.; OLG München vom 3.2.2000, CR 2000, 541, 542 f. = MMR 2000, 617, 619 mit Anm. Hoffmann = K&R 2000, 356, 357. 4 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6098, S. 25; Escher-Weingart in Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch Electronic Business, § 38 Rdnr. 24; Hoffmann, MMR 2002, 284, 289; Leupold, MMR 2004, 318; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627 = MMR 2004, 332 mit Anm. Spindler; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 216 = MMR 2003, 120, 126; LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197. 5 Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6098, S. 25; Hoffmann, MMR 2002, 284, 289; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 4; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 630 = MMR 2004, 330, 332 mit Anm. Spindler; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 216 = MMR 2003, 120, 126. 6 Alpert, CR 2001, 604, 610; Christiansen, MMR 2004, 185, 186; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 596 f.; Pelz, ZUM 1998, 530, 534; Pichler, MMR 1998, 79, 88; Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 630 = MMR 2004, 330, 332 mit Anm. Spindler; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 634; LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197; a.A. LG Düsseldorf vom 14.8.2002, MMR 2003, 61 (Ls.); LG München I vom 30.3.2000, NJW 2000, 2214, 2216 = CR 2000, 389, 390 = K&R 2000, 307, 308 f. mit Anm. Moritz; LG Trier vom 16.5.2001, MMR 2002, 694, 695 mit Anm. Gercke.
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H. Haftung im Netz
Provider jedoch – insbesondere auf Grund einer Mitteilung des Geschädigten1 – Kenntnis von einem konkreten Rechtsverstoß, muss er Maßnahmen ergreifen, um die beanstandeten Seiten aus dem Netz zu nehmen2. Kenntnis ist dabei im Sinne positiver Kenntnis von dem konkreten Inhalt zu verstehen3. Für eine Kenntnisverschaffung nicht genügend ist ein pauschaler Hinweis, dass sich auf den Servern des Providers urheberrechtsverletzende Informationen befinden4. 1686
Erlangt der Provider durch eine Abmahnung Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten, hat § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG zur Folge, dass Kostenersatz erst für die zweite Abmahnung verlangt werden kann5.
1687
Zu der Ursprungsfassung von § 5 Abs. 2 TDG/MDStV wurde überwiegend die Auffassung vertreten, eine Sperrpflicht bestehe schon bei Kenntnis von den beanstandeten Inhalten und nicht erst bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Inhalte6. Der Wortlaut des § 10 TMG legt demgegenüber die Deutung nahe, dass die Kenntnis der Rechtswidrigkeit nur dann entbehrlich ist, wenn sich der Rechtsverstoß auf konkrete Informationen bezieht, während sich bei Handlungen (z.B. Spamming7 oder Versand virenverseuchter E-Mails8) die Kenntnis des Providers auch auf die Rechtswidrigkeit erstrecken muss9. 4. Caching (§ 9 TMG)
1688
Eine Sonderregelung gilt für das automatische Zwischenspeichern von Websites, das den Abruf der Websites erleichtert (Caching). Die Haftung für das Caching ist seit der TDG-Reform 2001 im jetzigen § 9 TMG (früher: § 10 TDG und § 8 MDStV) ausdrücklich geregelt. Sofern beim Caching die üblichen technischen Standards eingesetzt werden, haftet ein 1 Vgl. Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; LG Berlin vom 25.2.2003, MMR 2004, 195, 197. 2 Koch, CR 1997, 193, 200; Pelz, ZUM 1998, 530, 534; Pichler, MMR 1998, 79, 88; Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; vgl. auch LG Trier vom 16.5.2001, MMR 2002, 694 mit Anm. Gercke. 3 Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 596; Leupold, MMR 2004, 318; Spindler, CR 2004, 50; Spindler, MMR 2004, 333; BGH vom 23.9.2003, NJW 2003, 3764, 3765 = CR 2004, 48, 49 mit Anm. Spindler = MMR 2004, 166, 167 mit Anm. Hoeren = MDR 2004, 92 = K&R 2004, 29; OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 630 = MMR 2004, 330, 331 mit Anm. Spindler; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 634; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 215 = MMR 2003, 120, 125; a.A. Hoeren, MMR 2002, 113. 4 Spindler, CR 2004, 50, 51. 5 Spindler, NJW 2002, 921, 925; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 635; für die Störerhaftung: OLG Hamburg vom 4.11.1999, MMR 2000, 92, 97 = K&R 2000, 138, 143 mit Anm. Härting. 6 Pichler, MMR 1998, 79, 88; Spindler, NJW 1997, 3193. 7 Vgl. Flechsig, MMR 2002, 347, 348 f. 8 Vgl. Koch, NJW 2004, 801; LG Hamburg vom 18.7.2001, CR 2001, 667. 9 A.A. Hoffmann, MMR 2002, 284, 288.
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III. Haftungsprivilegien (§§ 7 bis 10 TMG)
Provider für zwischengespeicherte Inhalte nicht1. Allerdings ist der Provider zu unverzüglichem Handeln verpflichtet, sobald er Kenntnis davon erlangt, dass Informationen am Ursprungsort aus dem Netz entfernt oder gesperrt wurden oder dass eine entsprechende behördliche oder gerichtliche Anordnung vorliegt (§ 9 Nr. 5 TMG)2. 5. Hyperlinks und Suchmaschinen
Für das Linking hat der BGH einer – vielfach geforderten3 – (analogen) Anwendung der Haftungsprivilegien des TDG4 und des MDStV5 (jetzt: des TMG) eine klare Absage erteilt6.
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Gegen eine Anwendung der §§ 7 bis 10 TMG auf Hyperlinks spricht der Wortlaut der Normen7. Wer durch einen Link auf fremde Internetseiten verweist, „speichert“ diese Seite nicht (§ 10 TMG)8 und „vermittelt“ auch nicht gemäß § 8 TMG den Zugang zu diesen Seiten9. Der Wortlaut der Normen ist auf Provider zugeschnitten und passt nicht auf den Fall eines bloßen Seitenverweises, wie ihn ein Hyperlink ermöglicht10. Gegen eine analoge Anwendung der Haftungsprivilegien spricht zudem, dass die ECRL eine Regelung für Hyperlinks nicht vorsieht11 und der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der ECRL bewusst auf eine Regelung der Haftung für Links verzichtet hat12.
1690
1 Vgl. Hoffmann, MMR 2002, 284, 287. 2 Hoffmann, MMR 2002, 284, 287. 3 Bettinger/Freytag, CR 1998, 545, 546 ff.; v. Bonin/Köster, ZUM 1997, 821, 823; Freytag, ZUM 1999, 185, 199; Koch, MMR 1999, 704, 707; Schütze/Attendorn, MMR 2001, 401, 404; Waldenberger, AfP 1998, 373, 374; Waldenberger, MMR 1998, 124, 128. 4 Vgl. OLG Braunschweig vom 19.7.2001, MMR 2001, 608, 609 = ITRB 2002, 5 (Dieselhorst); LG Frankenthal vom 28.11.2000, MMR 2001, 401 mit Anm. Schütze/Attendorn. 5 Vgl. LG München I vom 2.12.2003, MMR 2004, 261, 262 mit Anm. Bahr. 6 BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158 = WRP 2004, 899 – Schöner Wetten; vgl. auch Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 80 ff., 177 f.; Koch, CR 2004, 213, 214. 7 Attendorn, MMR 6/2002, V, VII; Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747, 749; Koch, CR 2004, 213, 214; Spindler, MMR 2004, 440; vgl. Flechsig/Gabel, CR 1998, 351, 354 zu § 5 TDG a.F.; a.A. für § 5 TDG a.F. Bettinger/Freytag, CR 1998, 545, 547 ff.; Gercke, ZUM 2001, 34, 35. 8 Spindler, MMR 2002, 495, 496 f. 9 Spindler, MMR 2002, 495, 496. 10 Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 81; OLG Hamm vom 4.2.2004, NJW-RR 2004, 919, 922. 11 Vgl. Freytag, CR 2000, 600, 604; Koch, CR 2004, 213, 214; Spindler, MMR 2002, 495, 497 f.; Spindler, MMR 2004, 440. 12 Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil D Rdnr. 70; Koch, CR 2004, 213, 214; Ernst/Seichert, WRP 2006, 810, 811; Spindler, MMR 2002, 495, 498; Spindler, MMR 2004, 440.
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H. Haftung im Netz
1691
Dem Wortlaut der Normen nach sind auch Suchmaschinen nicht von den §§ 7 bis 10 TMG erfasst1. Gegen eine analoge Anwendung spricht zwar der entgegenstehende Wille des Gesetzgebers, der von einer Anwendung der Haftungsprivilegien auf Suchmaschinen ausdrücklich abgesehen hat2. Allerdings ergibt sich aus der „Google AdWords“-Entscheidung des EuGH3 die Notwendigkeit einer Einbeziehung der Suchmaschinen in den Anwendungsbereich des § 10 TMG kraft europarechtskonformer Auslegung. Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie (ECRL) ist nämlich nach Auffassung des EuGH dahin auszulegen, dass die darin aufgestellte Regel auf den Anbieter einer Suchmaschine Anwendung findet, wenn dieser keine aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der gespeicherten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Habe dieser Anbieter keine derartige Rolle gespielt, könne er für die Daten, die er auf Anfrage eines Werbenden gespeichert hat, nicht zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, er hat die Informationen nicht unverzüglich entfernt oder den Zugang zu ihnen gesperrt, nachdem er von der Rechtswidrigkeit dieser Informationen oder Tätigkeiten des Werbenden Kenntnis erlangt hat4.
IV. Störerhaftung 1. Reichweite der Haftungsprivilegien
1692
Für erhebliche dogmatische Unstimmigkeiten sorgt § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG. Danach bleiben Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit nach den §§ 8 bis 10 TMG.
1693
Unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien wird aus § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG (ebenso wie aus den identischen Vorläufernormen) immer wieder – nicht zuletzt auch (erstmalig) vom BGH in der „Internet-Versteigerung I“-Entscheidung5 – der Schluss gezogen, die §§ 8 bis 10 TMG regelten lediglich die Schadensersatzhaftung. Auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche – die verschuldensunabhängige Störerhaftung, aus der sich Sperrpflichten ergeben können – sei ausschließlich allgemeines Recht anwendbar6. 1 Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 239; Spindler, MMR 2004, 440; anders wohl LG Frankfurt a.M. vom 10.11.2000, MMR 2001, 405, 405 f.; a.A. für § 5 TDG a.F., v. Lackum, MMR 1999, 697, 700. 2 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6098, S. 37. 3 EuGH vom 23.3.2010, MMR 2010, 315 ff. = CR 2010, 318 ff. 4 EuGH vom 23.3.2010, MMR 2010, 315 ff. = CR 2010, 318 ff. 5 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 ff. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 ff. = K&R 2004, 486 ff. – Internet-Versteigerung. 6 Vgl. Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 26; Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747, 749 f.; Lehment, WRP 2003, 1058, 1063; Spindler, MMR 2004, 333, 334; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 3 ff.; Volkmann, CR 2003, 440, 441.
440
IV. Störerhaftung
In der BGH-Entscheidung zu „Internet-Versteigerung I“1 ging es um einen einfachen Sachverhalt: Der Inhaber der Marke ROLEX stellte fest, dass auf einer Internet-Auktionsplattform gefälschte Ware angeboten wurde. Der Plattforminhaber entfernte die Angebote. Dies reichte jedoch dem Markeninhaber nicht aus. Er wollte den Plattformbetreiber verpflichten, die Plattform in Zukunft „sauber zu halten“ und keine weiteren Angebote von gefälschten Produkten zuzulassen.
1694
Aus Sicht des Plattformbetreibers war das Anliegen, das der Markeninhaber verfolgte, eine erhebliche Zumutung: Ebenso wenig wie bei den meisten anderen Plattformen können bei Auktionsplattformen Produktangebote vor deren Einstellung in das Internet geprüft werden. Rein faktisch lässt sich somit das Angebot von Produktfälschungen nicht verhindern. Darüber hinaus ist es für den Plattformbetreiber wesentlich schwerer zu beurteilen, ob es sich bei einem bestimmten Warenangebot um eine Fälschung handelt. Der Markeninhaber kennt die Merkmale seines Produktes wesentlich besser als der Plattformbetreiber.
1695
Notice and Take Down - § 10 Satz 1 TMG löst den Interessenkonflikt zwischen Plattformbetreiber und Rechteinhaber ebenso klar wie angemessen: Sobald der Betreiber Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, ist er zur Beseitigung verpflichtet. Eine Verpflichtung zur laufenden Überwachung der Plattform im Hinblick auf mögliche Rechtsverletzungen soll nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG nicht bestehen2.
1696
Der BGH verschließt sich den Zugang zu § 10 Satz 1 TMG und vertritt den Standpunkt, die Haftungsprivilegierung sei zivilrechtlich lediglich auf Schadensersatzansprüche, nicht jedoch auf Unterlassungsansprüche anwendbar. Entgegen dem klaren Anliegen der E-Commerce-Richtlinie (ECRL)3 wird die Haftungsprivilegierung für Internetanbieter weitgehend außer Kraft gesetzt. Dass der BGH in seinen Folgeentscheidungen die fundierte europarechtliche Kritik4 nicht einmal erwähnt, ist bemerkenswert.
1697
Die §§ 7 bis 10 TMG setzen die entsprechenden Haftungsnormen der E-Commerce-Richtlinie (ECRL) um. Wer die BGH-Rechtsprechung zur Störerhaftung für richtig erachtet, muss daher die – gewagte5 – These aufstellen, die ECRL habe Beseitigungs- und Unterlassungspflichten nicht
1698
1 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 ff. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 ff. = K&R 2004, 486 ff. – Internet-Versteigerung. 2 Härting/Linden in Hoffmann/Leible/Sosnitza, S. 51; Härting, BGH Report 2007, 825, 828. 3 Richtlinie 2000/31/EG vom 8. Juni 2000; vgl. Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 98. 4 Vgl. Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 101; Leible/Sosnitza, NJW 2007, 3324, 3324 f.; Leible/Sosnitza WRP 2004, 592, 598; Volkmann, CR 2004, 767, 768. 5 Vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, Rdnr. 775f.; Sobola/Kohl, CR 2005, 443; vgl. auch OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627 = MMR 2004, 330 mit Anm. Spindler; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631 = MMR 2004, 315 mit Anm. Leupold.
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H. Haftung im Netz
regeln wollen, und der deutsche Gesetzgeber habe nicht über die von der Richtlinie vorgeschriebenen Regelungen hinausgehen wollen1. 1699
Dass dies nicht stimmig ist, zeigt schon die Sonderregelung für Schadensersatzansprüche in § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG, die fast wortgleich ist mit Art. 14 Abs. 1 lit. a) ECRL. Wenn eine solche Sonderregelung gilt, muss § 10 TMG auch auf andere als Schadensersatzansprüche anwendbar sein. Bei diesen anderen Ansprüchen kann es sich nur um Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche handeln2.
1700
§ 7 Abs. 2 Satz 2 TMG regelt nur die Pflicht zur Entfernung und Sperrung von Informationen. Dies sind Handlungen, die der Beseitigung einer bereits eingetretenen Rechtsverletzung dienen. Eine Erstreckung auf Unterlassungsansprüche, die in die Zukunft reichen, gibt die Norm nicht her.3
1701
Eine weitere Überlegung belegt, dass mit den Sperrpflichten nach allgemeinen Gesetzen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG die zivilrechtliche Störerhaftung nicht gemeint sein kann: Aus Sicht des Diensteanbieters geht es in den §§ 8 bis 10 TMG darum festzulegen, wie er sich verhalten muss, um eine Haftung zu vermeiden. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Fragen, nämlich zum einen die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Prüfungspflichten bestehen4, und zum anderen die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anbieter zur Sperrung von Informationen verpflichtet werden kann. Nimmt man das Ziel der Rechtssicherheit ernst, das das TMG verfolgt, so kann man sich nicht damit abfinden, dass Diensteanbieter, die die Verhaltensregeln der §§ 8 bis 10 TMG befolgen, dennoch unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in Anspruch genommen werden können5. Die §§ 8 bis 10 TMG modifizieren und konkretisieren die allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung6 und verweisen für die daraus folgenden Ansprüche nicht lediglich auf das allgemeine Recht.
1702
Wird § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG nicht auf die zivilrechtliche Störerhaftung angewendet, bleibt dennoch ein nicht zu unterschätzender Anwendungsbereich: Alle öffentlich-rechtlichen – insbesondere polizeirechtlichen –
1 Spindler, JZ 2005, 37, 37. 2 Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 598; Leible/Sosnitza, NJW 2004, 3225, 3226; Ott, WRP 2006, 691, 693. 3 Leible/Sosnitza NJW 2004, 3225, 3226. 4 Vgl. Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 8 ff. 5 Vgl. Härting, K&R 2000, 143, 144; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 633 = MMR 2004, 315, 316 mit Anm. Leupold. 6 Leupold, MMR 2004, 318; OLG Düsseldorf vom 26.2.2004, WRP 2004, 631, 633 = MMR 2004, 315, 316 mit Anm. Leupold; vgl. auch OLG Brandenburg vom 16.12.2003, WRP 2004, 627, 631 = MMR 2004, 330, 332 mit Anm. Spindler; LG Düsseldorf vom 29.10.2002, CR 2003, 211, 213 = MMR 2003, 120, 123; a.A. Spindler, MMR 2004, 333, 334.
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IV. Störerhaftung
Sperrpflichten bleiben ohne die in den §§ 8 bis 10 TMG geregelten Einschränkungen bestehen1. im Hinblick auf die Zweifel an der Richtigkeit der vom BGH zur Störerhaftung vertretenen Auffassung ist es bedauerlich, dass der BGH die Möglichkeit nicht genutzt hat, die Frage dem EuGH vorzulegen2. Zumindest für die Praxis muss die Frage jedoch als vorläufig geklärt gelten, da sich die Untergerichte dem BGH angeschlossen haben.3
1703
Die Beschränkung der §§ 8 bis 10 TMG auf Schadenersatzansprüche läuft in der Praxis darauf hinaus, dass die Haftungsprivilegien – entgegen der ECRL – leer laufen. Geht es nämlich um Haftungsfragen im Internet, so sind Schadenersatzfälle die ganz seltene Ausnahme und Fälle der Störerhaftung die weit überwiegende Regel.
1704
2. Prüfungs- und Verkehrspflichten
Ohne die Beschränkungen der §§ 8 bis 10 TMG besteht bei der Störerhaftung die Gefahr einer endlos weiten Haftungskette bei Rechtsverstößen. Dies immerhin hat der BGH erkannt und bemüht sich um eine internetspezifische Eingrenzung der Störerhaftung auf Fälle, in denen Diensteanbieter Prüfungspflichten verletzt haben4. Als weiteres Eingrenzungskriterium zieht der BGH die Frage heran, ob der Anbieter Verkehrspflichten missachtet hat5.
1705
Wenn eine Internetseite rechtswidrige Inhalte enthält, so fällt es schwer, nach allgemeinem Haftungsrecht eine Begründung dafür zu finden, warum keine Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen sämtliche Diensteanbieter bestehen, die den Zugriff auf die betreffende Seite ermöglichen. Für die Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gemäß § 1004 BGB ist ein Verschulden des Providers nicht notwendig. Äußert sich der Verfasser einer privaten Homepage, die auf
1706
1 Vgl. Koenig/Loetz, CR 1999, 438; Mankowski, MMR 2002, 277; OVG Münster vom 19.3.2003, NJW 2003, 2183; VG Düsseldorf vom 19.12.2002, MMR 2003, 205, 206 mit Anm. Stadler; VG Minden vom 31.10.2002, MMR 2003, 135. 2 Vgl. Leible/Sosnitza, NJW 2007, 3324, 3324 f. 3 Übersicht bei Volkmann, K&R 2006, 245, 246. 4 BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 526 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 510 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 827 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531= K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III; jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. vom 25.1.2005, CR 2005, 285, 286 f.; OLG Hamburg vom 4.5.2006, MMR 2006, 754, 756; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739, 740 f.; LG Hamburg vom 4.1.2005, CR 2005, 680, 681 = MMR 2005, 326, 327 f. mit Anm. Rachlock = ITRB 2005, 200 f. (Rössel); LG Köln vom 12.9.2007, MMR 2008, 197, 198. 5 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 761 f. = CR 2007, 728, 731 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay; vgl. auch Leistner/Stang, WRP 2008, 533; Volkmann, CR 2008, 232.
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H. Haftung im Netz
einem fremden Server gespeichert ist, in beleidigender Weise über seinen Nachbarn, so wirkt der Host Provider, bei dem die Homepage gespeichert ist, in adäquat-ursächlicher Weise an der Beleidigung mit. Die Voraussetzungen einer Haftung des Providers als Mitstörer1 gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 185 StGB sind erfüllt. Eine Haftung als Mitstörer gemäß § 1004 BGB lässt sich darüber hinaus auch gegenüber sämtlichen Access Providern begründen, die ihren Kunden den Zugang zum Internet und damit auch den Zugriff auf die beleidigenden Homepage-Äußerungen ermöglichen2. Hier wäre im Einzelfall lediglich zu entscheiden, ob dem Access Provider die Einrichtung von Zugangssperren möglich und zumutbar3 ist. a) Prüfungspflichten: die Rechtsprechung des BGH
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Erstmals in der (domainrechtlichen) ambiente.de-Entscheidung4 hat der BGH für die Störerhaftung im Internet (einschränkend) verlangt, dass der Störer eine Prüfungspflicht verletzt hat5. Damit soll vermieden werden, dass die Störerhaftung „über Gebühr“ auf Dritte erstreckt wird, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben6. Die Notwendigkeit einer solchen Einschränkung ist bei dem weiten Ansatz der Störerhaftung, den der BGH verfolgt, nicht von der Hand zu weisen7. Ob das Kriterium der Verletzung der Prüfungspflichten dafür allerdings der richtige Weg ist, erscheint zweifelhaft.
1708
Der BGH geht davon aus, dass derjenige, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Soweit in der neueren Rechtsprechung eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Institut der Störerhaftung zum Ausdruck komme und erwogen werde, die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch allein nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme zu begründen8, betreffe dies Fälle des Verhaltensunrechts, in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede stehe. Im Falle der Verletzung 1 Vgl. Bassenge in Palandt, § 1004 Rdnr. 16 ff., m.w.N. 2 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 25.1.2005, CR 2005, 285, 286 f.; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739, 740 f.; LG Köln vom 12.9.2007, MMR 2008, 197, 198. 3 Vgl. Bassenge in Palandt, § 1004 Rdnr. 43, m.w.N. 4 Siehe Rz. 1619. 5 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265 = MMR 2001, 671 – ambiente.de; zur Entwicklung im sonstigen Wettbewerbsrecht siehe Jergolla, WRP 2004, 655, 656 f. 6 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265, 3266 f. = MMR 2001, 671, 673 f. – ambiente.de. 7 Jergolla, WRP 2004, 655, 659. 8 Vgl. BGH vom 15.5.2003, NJW-RR 2003, 1685, 1686 – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; BGH vom 24.6.2003, NJW 2003, 2525, 2526 – Buchpreisbindung; jeweils m.w.N.
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IV. Störerhaftung
von Immaterialgüterrechten, die als absolute Rechte auch nach § 823 Abs. 1, § 1004 BGB Schutz genießen, seien dagegen die Grundsätze der Störerhaftung uneingeschränkt anzuwenden1. Die Störerhaftung darf nach Auffassung des BGH nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben. Aus diesem Grund setze die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten sei2.
1709
Einem Unternehmen, das im Internet eine Plattform für Fremdversteigerungen betreibt, ist es nach Ansicht des BGH nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Eine solche Obliegenheit würde das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen und entspräche auch nicht den Grundsätzen, nach denen Unternehmen sonst für Rechtsverletzungen haften, zu denen es auf einem von ihnen eröffneten Marktplatz – etwa in den Anzeigenrubriken einer Zeitung oder im Rahmen einer Verkaufsmesse – kommt3. Allerdings sei zu bedenken, dass der Betreiber der Plattform durch die ihm geschuldete Provision an dem Verkauf der Piraterieware beteiligt sei. Unter diesen Umständen komme dem Interesse der Plattformbetreibers an einem möglichst kostengünstigen und reibungslosen Ablauf ihres Geschäftsbetriebs ein geringeres Gewicht zu als beispielsweise dem Interesse der Registrierungsstelle für Domainnamen an einer möglichst schnellen und preiswerten Domainvergabe4. Dies wiederum bedeute, dass der Plattformbetreiber immer dann, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG), sondern auch Vorsorge treffen müsse, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Markenverletzungen kommt.
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1 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 766 f. mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung. 2 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 f. = K&R 2004, 486, 491 f. – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 527 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 511 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 827 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 763 = CR 2007, 728, 733 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 523 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531 = K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 3 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 527 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 511 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 827 mit Anm. Härting – InternetVersteigerung II. 4 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung.
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H. Haftung im Netz
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Wie genau der Hinweis sein muss, der die Prüfungspflichten begründet, ist unklar. Zu verlangen ist jedenfalls, dass die Angaben so genau sind, dass der Betreiber der Plattform imstande ist, konkret angeführte Inhalte auf der Plattform zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu sperren1. b) Prüfungspflichten: Praxisfolgen
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In der Praxis besteht das Problem, dass niemand voraussagen kann, welchen Umfang die Prüfungspflichten haben, bevor nicht die Gerichte über den Fall entschieden haben. Denn diese bestimmen den Umfang der Prüfungspflichten immer nach den „Umständen des Einzelfalles“ unter Berücksichtigung der Funktion und der Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie der Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat.2 Diese sehr vage Umschreibung ermöglicht es den Gerichten im Einzelfall, unter Heranziehung der unterschiedlichsten Gesichtspunkte, das für richtig erachtete Ergebnis zu begründen. Diejenigen, die im Internet unternehmerisch tätig sind, finden in dieser Formulierung jedoch keine Antwort auf die Frage, wie sie eine Haftung vermeiden können.
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Ob auf „geparkten“ Domains Werbung geschaltet wird3 oder auf einer Auktionsplattform Angebote aufgenommen werden: Diensteanbieter sind im Netz vielfach auf automatisierte Verfahren angewiesen. Dabei kann nie hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass die Unternehmen an einem Rechtsverstoß i.S.d. Störerhaftung „mitwirken“. Doch welche technischen Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Haftung abzuwenden? Wie viel Personal muss abgestellt werden, um den Prüfungspflichten zu genügen? Auf solche Fragen kann man in der Rechtsprechung keine befriedigenden Antworten finden.
1714
Der Begriff der „Prüfungspflicht“ ist im Übrigen denkbar unscharf. Hinter dem Begriff der „Prüfung“ kann sich eine tatsächliche oder auch eine rechtliche Prüfung verbergen. Die tatsächlichen Prüfungspflichten zielen darauf ab, ob und inwieweit der Betreiber einer Plattform verpflichtet ist, diese – ggf. unter Anwendung von Filter-Software – zu „durchforsten“. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Betreiber auch die Rechtmäßigkeit von Inhalten prüfen muss, wenn sich Dritte durch diese Inhalte in ihren Rechten verletzt fühlen.
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Um Prüfungspflichten kann es nur gehen, wenn Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden. Bei Beseitigungsansprüchen besteht dagegen Einigkeit über die Geltung des „Notice-and-Take-Down“-Prinzips: Der 1 Vgl. OLG Düsseldorf vom 24.2.2009, CR 2009, 391, 393. 2 Vgl. nur BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 889, 901 – Schöner Wetten; BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265, 3267 = MMR 2001, 671, 674 – ambiente.de. 3 Härting/Linden in Hoffmann/Leible/Sosnitza, S. 48 ff.; OLG Hamburg vom 14.7.2004, CR 2004, 836.
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IV. Störerhaftung
Diensteanbieter ist zur Beseitigung rechtswidriger Inhalte verpflichtet, sobald er Kenntnis von dem Rechtsverstoß erlangt (vgl. § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG). Diese Beseitigungspflicht besteht ohne Rücksicht darauf, ob dem Anbieter die Verletzung von Prüfungspflichten zur Last gelegt werden kann1. Es ist demnach zumindest verkürzt, für die Störerhaftung stets die Verletzung einer Prüfungspflicht zu verlangen. Der BGH hat das „Notice-and-Take-Down“-Prinzip zu einem „Noticeand-Scan“-Prinzip2 erweitert und – jedenfalls für kommerzielle Diensteanbieter – die Kenntnis von einem (einmaligen) Rechtsverstoß genügen lassen, um für die Zukunft Prüfungspflichten und damit einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Wer als Plattformbetreiber von rechtswidrigen Inhalten erfährt, soll in Zukunft verpflichtet sein, gleichartige Rechtsverstöße zu unterbinden3. Prozessual bedeutet dies, dass der Betreiber zur Unterlassung verurteilt wird4. Den Einwand, alles Zumutbare unternommen zu haben, um (wiederholte) Rechtsverletzungen zu vermeiden, kann der Anbieter dann erst im Vollstreckungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des (fehlenden) Verschuldens erheben (§ 890 ZPO)5. Die Zumutbarkeitsprüfung wird auf diese Weise in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Dogmatisch stimmig ist dies nicht.6 Bei Lichte betrachtet, lässt sich die BGH-Rechtsprechung so verstehen, dass nicht die Verletzung von Prüfungspflichten, sondern die Kenntnis von einem Rechtsverstoß die Störerhaftung begründet mit der Folge, dass in Zukunft Kontroll- bzw. Prüfungspflichten bestehen und ein Unterlassungsanspruch zu bejahen ist.
1716
Ein Vergleich des ambiente.de-Urteils7 mit der Entscheidung zu „Internet-Versteigerung I“8 zeigt, dass der BGH von einer Intensivierung der
1717
1 Vgl. Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rdnr. 711 ff.; Neubauer in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Rdnr. 64; Redeker, IT-Recht, Rdnr. 1097. 2 Vgl. Härting, CR 2007, 734, 735. 3 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 f. = K&R 2004, 486, 491 f. – Internet-Versteigerung; BGH vom19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 527 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 511 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 828 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 523 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531 = K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 4 Vgl. LG Köln vom 21.3.2007, ZUM 2007, 568 ff.; LG Köln vom 21.3.2007, MMR 2007, 806 ff. 5 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 672 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung. 6 Vgl. Jergolla, WRP 2004, 655, 659; Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 102 f.; Leible/ Sosnitza, NJW 2007, 3323, 3326. 7 BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265 = MMR 2001, 671 – ambiente.de. 8 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung.
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H. Haftung im Netz
Prüfungspflichten ausgeht, wenn der Diensteanbieter mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.1 Im Ansatz ist dies nicht zu kritisieren.2 Es erscheint sachgerecht, dass diejenigen, die aus dem Internet Profit schlagen, auch zur verstärkten Kontrolle herangezogen werden. Problematisch wird dies nur, wenn die Grenzen der Prüfungspflichten nicht klar gezogen werden und sich die Unternehmen nicht darauf einstellen können, was von ihnen erwartet wird. Diese Ungewissheit hat sich nur verschärft, seitdem der BGH in seiner Entscheidung „Internet-Versteigerung I“ betont hat, dass ein Unterlassungsanspruch sich auch auf gleichartige Rechtsverletzungen bezieht.3 Die Schwierigkeiten, die sich dabei für die Unternehmen ergeben, hat der BGH zwar gesehen, sie jedoch nur mit einem Hinweis auf § 890 ZPO vertröstet.4 Nicht nur § 10 TMG, sondern auch das „kryptische Verbot“5 proaktiver Überwachungspflichten, das § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG in Anschluss an Art. 15 ECRL statuiert, droht leer zu laufen, wenn der BGH bei seiner Auffassung bleibt, dass die Unternehmen „gleichartige Rechtsverstöße“ verhindern müssen6. c) Verkehrspflichten: die Rechtsprechung des BGH
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Gut drei Jahre nach „Internet-Versteigerung I“ war der BGH in seiner Entscheidung zu „Jugendgefährdende Medien bei Ebay“7 um ein weiteres Grundsatzurteil bemüht. In dieser Entscheidung ging es ein weiteres Mal um die Haftung einer Internetauktions-Plattform. Der Rechtsverstoß lag diesmal aber nicht in der Verletzung von Markenrechten, sondern in einem Wettbewerbsverstoß: Über die Plattform Ebay waren unter Verletzung des Jugendschutzrechts jugendgefährdende Medien angeboten worden. Der Plattformbetreiber wurde daraufhin auf Unterlassung derartiger Angebote verklagt.
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Die Frage einer Störerhaftung des Plattformbetreibers thematisierte der BGH in seiner Entscheidung nicht und geht statt dessen von einem „täterschaftlichen Verstoß der Beklagten gegen die Generalklausel des § 3 UWG“ aus. Derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise die Gefahr eröffne, dass Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, begehe eine unlautere Wettbewerbshandlung, wenn er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenze. Ebay habe im eigenen geschäftlichen Interesse eine allgemein zugängliche 1 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 f. = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung. 2 Spindler, JZ 2005, 37, 39. 3 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 f. = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung. 4 Vgl. Spindler, JZ 2005, 37, 39. 5 So Spindler, CR 2005, 741, 746. 6 Härting/Linden in Hoffmann/Leible/Sosnitza, S. 50 f. 7 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758 = CR 2007, 728 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay.
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IV. Störerhaftung
Handelsplattform geschaffen, deren Nutzung in naheliegender Weise mit der Gefahr verbunden sei, schutzwürdige Interessen von Verbrauchern zu beeinträchtigen. Da Ebay zudem bekannt sei, dass Versteigerer unter Nutzung ihrer Handelsplattform mit konkreten Angeboten gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen, sei Ebay verpflichtet, im Hinblick auf die konkret bekannt gewordenen Verstöße zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um derartige Rechtsverletzungen künftig so weit wie möglich zu verhindern1. Aus dem Gesichtspunkt der „Gefahreröffnung“ leitet der BGH eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht ab. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schaffe, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, sei wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Insoweit bestehe eine Parallele zu den Verkehrssicherungspflichten, die eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB begründen können. Im Kern gehe es um den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen müsse, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind2.
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Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telemedienanbieters hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte „konkretisiert“ sich nach Auffassung des BGH als Prüfungspflicht. Damit ist die Brücke zu „Internet-Versteigerung I“ geschlagen: Voraussetzung einer Haftung des Anbieters sei – wie bei der Störerhaftung – eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen und Umfang richte sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Wie bei der Störerhaftung komme es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten sei3.
1721
Bei der „gebotenen Abwägung“ könne die Bereitstellung der InternetPlattform durch Ebay für sich allein nicht schon Prüfungspflichten begründen. Dem Plattformbetreiber sei es nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Eine Handlungspflicht entstehe jedoch, sobald der Betreiber der Plattform Kenntnis von konkreten jugendgefährdenden Angeboten erlangt habe. Ab Kenntniserlangung könne sich Ebay sich nicht mehr auf eine „medienrechtliche Freistellung von einer Inhaltskontrol-
1722
1 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 f. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 2 Vgl. BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 759 ff. = CR 2007, 728, 730 ff. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 519 ff. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 3 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762. = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay.
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H. Haftung im Netz
le“ berufen1. Es sei mit der Lauterkeit des Wettbewerbs nicht zu vereinbaren, wenn man es bei Ebay bewusst in Kauf nehme, Umsätze mit Provisionen für Geschäfte zu erzielen, die auf Grund von Angeboten abgeschlossen worden sind, die gegen das Jugendschutzrecht verstoßen. Die Gewinnerzielungsabsicht wird somit abermals als haftungsbegründendes Argument bemüht2. 1723
Nach dem Schwenk von den Verkehrspflichten zu den Prüfungspflichten überrascht das Ergebnis des Urteils nicht: Der Plattformbetreiber sei nicht nur verpflichtet, das konkrete jugendgefährdende Angebot, von dem er Kenntnis erlangt hat, unverzüglich zu sperren. Er müsse vielmehr auch Vorsorge dafür treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt3. Neben der Beseitigungspflicht bejaht der BGH somit abermals einen Unterlassungsanspruch und somit eine künftige Kontrollpflicht.
1724
Die Kontrollpflicht soll sich auf „gleichartige Rechtsverletzungen“ beschränken. Diese seien jedoch nicht nur Angebote, die mit den bekannt gewordenen Fällen identisch sind, also das Angebot des gleichen Artikels durch denselben Versteigerer betreffen. Vielmehr habe die Beklagte auch zu verhindern, dass die konkret bekannten jugendgefährdenden Medien durch andere Bieter erneut über ihre Plattform angeboten werden. Und mehr noch: Als „gleichartig“ mit einem bestimmten Verstoß gegen das Jugendschutzrecht kommen nach Auffassung des BGH auch solche Angebote in Betracht, bei denen derselbe Versteigerer auf demselben Trägermedium (z.B. Bildträger, Tonträger, Printmedium, Computerspiel) Inhalte derselben jugendgefährdenden Kategorie (z.B. Verherrlichung der NSIdeologie, Anreize zur Gewalttätigkeit, Pornographie) anbietet4.
1725
Auch in der Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei Ebay“ lässt der BGH im Ergebnis die Kenntnis des Plattformbetreibers von Rechtsverstößen für einen Unterlassungsanspruch ausreichen. Auch wenn der Diensteanbieter in der Vergangenheit keinerlei „Prüfungspflichten“ verletzt hat, wird er ab Kenntnis eines Rechtsverstoßes handlungspflichtig. Die Haftung hängt – entgegen mancher irreführender Urteilsformulierungen – keineswegs von einer Verletzung von „Prüfungspflichten“ ab. Die „Prüfungspflichten“ sind vielmehr die Folge der haftungsbegründenden Kenntnis. „Notice, Take Down and Scan“ statt „Notice and Take Down“. 1 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 f. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 2 Vgl. BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 521 f. – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 3 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 = CR 2007, 728, 732 f. mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 522 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 4 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758, 762 f. = CR 2007, 728, 733 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517, 522 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay.
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IV. Störerhaftung
Die Haftung von Ebay begründet der BGH nicht unmittelbar mit den Grundsätzen der Störerhaftung, sondern wendet diese Grundsätze „entsprechend“ an, um eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht zu kreieren, deren Verletzung zu einem Verstoß gegen § 3 UWG führen soll. Die einzige wettbewerbsrechtliche Entscheidung, auf die sich der BGH in diesem Zusammenhang beruft, ist eine Entscheidung zu einem völlig anderen Sachverhalt1: Im Jahre 1995 ging es darum, ob die Deutsche Bahn als Bahnhofsbetreiber wettbewerbsrechtlich verantwortlich gemacht werden kann wegen eines Verstoßes von Ladenpächtern gegen das Ladenschlussgesetz. Es stellte sich die (vom BGH bejahte) Frage, ob die Bahn Verstöße gegen das Ladenschutzgesetz unterbinden muss, nicht jedoch die Frage, ob die Bahn – wegen einer „Prüfungspflicht“ – verpflichtet ist, derartige Verstöße überhaupt erst festzustellen. Mit anderen Worten: Es ging um die Beseitigungspflicht („Take Down“), nicht jedoch um die Unterlassungspflicht („Scan“).
1726
Dass es auf die Reichweite der „Prüfungspflichten“ nur auf der Rechtsfolgenseite ankommt, scheint der BGH zunehmend zu erkennen. Hatte er noch in dem „Internet-Versteigerung I“-Urteil geradezu schulterzuckend auf § 890 ZPO verwiesen, erkennt er in dem Jugendschutz-Urteil etwas genauer die Folgen der eigenen Rechtsprechung: Ebay uneingeschränkt zur Unterlassung jugendgefährdender Angebote zu verurteilen, würde dazu führen, dass Ebay nur noch mit unkalkulierbaren Risiken an dem Verzicht auf jedwede Vorkontrolle von Angeboten festhalten könnte. Um Ebay nicht zu einem Pflegefall werden zu lassen, bemüht sich der BGH daher um abgestufte Kriterien für die „Prüfungspflichten“. Der einzige Maßstab, mit dem der BGH die feinsinnigen Abstufungen begründet, ist das denkbar vage Kriterium der Zumutbarkeit. Letztlich ist dies Einzelfalljudikatur, die keinerlei Rechtssicherheit schafft.
1727
d) Einzelfälle
Die Fülle der instanzgerichtlichen Entscheidungen zum Haftungsrecht2 aus den Jahren nach „Internet-Versteigerung I“3 belegt, dass die Rechtsprechung des BGH zur Rechtssicherheit wenig beigetragen hat. Die Grundsätze des BGH zur Störerhaftung im Netz werden von der Rechtsprechung in immer neuen Zusammenhängen angewendet4.
1728
aa) Access Provider
Dass die Haftungsprivilegierung des § 10 Satz 1 TMG nicht für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gilt, macht der BGH an § 7 Abs. 2 1 BGH vom 23.3.1995, NJW 1995, 2168 – Bahnhofs-Verkaufsstellen. 2 Vgl. Engels/Jürgen/Fritsche, K&R 2007, 57, 64 ff.; Engels/Jürgens/Kleinschmidt, K&R 2008, 65, 69 ff.; Volkmann, K&R 2007, 289 ff. 3 BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung. 4 Vgl. Lehmann/Rein, CR 2008, 97, 103.
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1729
H. Haftung im Netz
TMG (bzw. § 8 Abs. 2 TDG) fest. Dieser gilt nicht nur für den Host Provider, sondern auch für den Access Provider. Demnach ist nach der Argumentation des BGH auch für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen Access Provider die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG1 nicht anwendbar. Daher überrascht es nicht, dass sich in jüngerer Zeit Klagen gegen Zugangsprovider häufen, beispielsweise auf Sperrung pornographischer Inhalte2. Das OLG Frankfurt a.M. hat eine Sperrpflicht verneint mit der Begründung, dass ein Access Provider – anders als Ebay – keine Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße eröffne, sondern lediglich den „Zugang zu etwaigen Wettbewerbsverstößen“ schaffe. Daher sei der Fall nicht mit dem Fall vergleichbar, der der BGH-Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei Ebay“3 zugrunde lag4. Ähnlich argumentierte das LG Düsseldorf in Fällen, in denen von Access Providern verlangt wurde, den Zugang zu jugendschutzwidrigen Erotikseiten von Konkurrenten zu sperren5. Gescheitert ist auch eine Klage gegen einen Access Provider auf Sperrung des Zugangs zur Suchmaschine Google wegen pornographischer Bilder, die über die Suchmaschine auffindbar waren6. 1730
Das LG Hamburg hatte zu entscheiden, ob ein Access Provider zur Sperrung einer Internetseite verpflichtet ist, auf der umfangreich Raubkopien von Filmen zum Download angeboten werden. Das Gericht verneinte eine Verpflichtung zur Sperrung mit der Begründung, dass der Access Provider nur einen „passiv neutralen automatischen Beitrag“ zu den Rechtsverletzungen leiste. Dieser Beitrag sei nicht mit dem eines Plattformbetreibers vergleichbar. Der beträchtliche Aufwand, der mit einer Sperrung verbunden wäre, sei dem Access Provider nicht zumutbar7. Zudem vertritt das LG Hamburg die – fragwürdige8 – Auffassung, dass Filter- und Sperrmaßnahmen des Access Providers in rechtlich unzulässiger Weise in das Fernmeldegeheimnis eingreifen würden9.
1731
An den Access Providern zeigt sich besonders deutlich, wie fragwürdig die BGH-Rechtsprechung ist, die an „Prüfungspflichten“ und „Verkehrspflichten“ anknüpft. Weshalb Access Provider keinen Prüfungspflichten unterliegen sollen, wenn sie Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten im 1 Vgl. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 765 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 670 = K&R 2004, 486, 489 – Internet-Versteigerung. 2 Vgl. Schnabel, K&R 2008, 26 ff. 3 BGH vom 12.7.2007, NJW 2008, 758 = CR 2007, 728 mit Anm. Härting = K&R 2007, 517 – Jugendgefährdende Medien bei Ebay. 4 OLG Frankfurt a.M. vom 22.1.2008, CR 2008, 242 f. 5 LG Düsseldorf vom 13.12.2007, CR 2008, 183, 184; LG Düsseldorf vom 12.12.2007, MMR 2008, 189, 190 mit Anm. Schnabel; vgl. auch LG Kiel vom 23.11.2007, MMR 2008, 123 f. mit Anm. Schnabel. 6 LG Frankfurt a.M. vom 5.12.2007, MMR 2008, 121 f. mit Anm. Schnabel. 7 LG Hamburg vom 12.11.2008, CR 2008, 398, 400 f. = ZUM 2009, 587, 589 f. mit Anm. Schnabel; LG Hamburg vom 12.3.2010, MMR 2010, 488, 490. 8 Siehe Rz. 18. 9 LG Hamburg vom 12.3.2010, MMR 2010, 488, 489 f.
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IV. Störerhaftung
Netz haben, und weshalb die Schaffung des Internetzugangs keine – Verkehrspflichten begründende – „Gefahrerhöhung“ für die Verbreitung rechtswidriger Inhalte sein soll1, lässt sich nicht mit zwingenden Argumenten begründen. bb) Diskussionsforen und Blogs
Der BGH hat es abgelehnt, die Störerhaftung bei Diskussionsforen abzumildern. Ein Forenbetreiber ist nach Auffassung des BGH zur Beseitigung ehrverletzender Beiträge und zur zukünftigen Unterlassung sogar dann verpflichtet, wenn dem Kläger die Identität der Autoren bekannt ist und somit ohne weiteres die Möglichkeit besteht, gegen den jeweiligen Autor vorzugehen. Die vielfach unter dem Stichwort des „Marktes der Meinungen“ geforderte Anwendung der (milderen) Haftungskriterien, die für Fernseh-Live-Diskussionen gelten2, lehnte der BGH ab3. Dass der BGH das „bestechende Argument“4 einer Haftungserleichterung für den Fall einer Identifizierbarkeit des unmittelbaren Verletzers verworfen hat, ist bedauerlich.
1732
Das OLG Düsseldorf hat Prüfungspflichten verneint bei einem Forenbetreiber, der „nicht professionell“ handelte und daher nicht mit vertretbarem Aufwand Forenbeiträge im Hinblick auf (wiederholte) Persönlichkeitsrechtsverletzungen sichten konnte5. Einen solchen Einwand hat das LG Hamburg nicht gelten lassen bei dem Betreiber eines umfangreichen Blogs, den das Gericht wegen der Verletzung von Prüfungspflichten als Störer ansah. Trotz des großen Umfangs des Blogs (13.000 Kommentare in einem Jahr) sei eine Kontrolle zumutbar. Wer einen Blog eröffne, könne sich seiner Überwachungspflicht nicht dadurch entziehen, dass er diese auf ein nicht mehr angemessen kontrollierbares Maß anwachsen lasse6.
1733
Das LG Hamburg hat die Auffassung vertreten, dass ein Forenbetreiber, der das Heraufladen von Fotos ermöglicht, für Urheberrechtsverletzungen auch ohne konkrete Kenntnis von früheren Verletzungen hafte, weil er durch die Eröffnung des Forums eine Gefahr für die Urheberrechte
1734
1 Vgl. Volkmann, CR 2008, 232, 233. 2 Vgl. BGH vom 6.4.1976, BGHZ 66, 182; OLG Düsseldorf vom 26.4.2006, CR 2006, 482, 483 f.; OLG Hamburg vom 22.8.2006, CR 2006, 44, 45 f. 3 BGH vom 27.3.2007, CR 2007, 586 ff. mit Anm. Schuppert. 4 Lober/Karg, CR 2007, 647, 652. 5 OLG Düsseldorf vom 7.6.2006, CR 2006, 682, 684; vgl. auch Jürgens/Veigel, AfP 2007, 181, 184; AG Frankfurt a.M. vom 16.7.2008, CR 2009, 60 f.; AG München vom 6.6.2008, CR 2008, 671 ff. 6 LG Hamburg vom 4.12.2007, MMR 2008, 265, 266; vgl. auch LG Düsseldorf vom 25.1.2006, CR 2006, 563 f.; LG Hamburg vom 8.9.2008, MMR 2009, 143 (Ls.); LG Hamburg vom 2.12.2005, MMR 2006, 491 ff. mit Anm. Gercke = ZUM 2006, 485 ff. mit Anm. Libertus/Schneider; AG Winsen/Luhe vom 6.6.2005, MMR 2005, 722; a.A. AG Berlin-Mitte vom 20.10.2004, MMR 2005, 639, 640.
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H. Haftung im Netz
Dritter geschaffen habe1. Dies geht viel zu weit, weil nicht einmal das vom BGH (haftungsbeschränkend) eingeführte Kriterium der Verletzung einer Prüfungspflicht angewendet wird. 1735
Weit eher auf der Linie des BGH bewegt sich das LG Berlin, das bei einer Meinungs- und Bewertungplattform (meinprof.de) eine anlassunabhängige Prüfungspflicht des Plattformbetreibers verneint hat2. cc) Foto-Communities und Videoportale
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Um eine Foto-Community ging es in einem Fall, den das OLG Zweibrücken zu entscheiden hatte. Das Gericht verneinte einen Unterlassungsanspruch für urheberrechtliche Fotos, die auf die Plattform hochgeladen worden waren. Es fehle an einer „konkreten Gefahr einer (weiteren) Rechtsverletzung“, nachdem der Betreiber der Community die streitigen Fotos von der Plattform genommen hatte3. Ähnlich argumentierte das OLG Hamburg in einem Fall, in dem es um ein Foto ging, das in einem Benutzerforum verbreitet worden war. Das OLG Hamburg verneinte einen Unterlassungsanspruch gegen den Forenbtreiber unter Hinweis auf die fehlende Erstbegehungsgefahr4.
1737
In einem Fall, in dem es um einen Fernsehmitschnitt ging, der das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzte, hat das LG Köln eine Störerhaftung des Betreibers eines Videoportals bejaht, auf dem der Mitschnitt zu sehen war5. In einem Fall, in dem Google als Betreiber von YouTube nicht auf die Beanstandung („Flagging“) eines Hetzvideos gegen den früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland reagiert hatte, bejahte das LG Hamburg die Verletzung einer Prüfungspflicht und ein Verschulden von Google. Google wurde zur Unterlassung und zum Schadensersatz verurteilt6. dd) Hyperlinks
1738
Schon in der Paperboy-Entscheidung lehnte es der BGH ab, allein in der Verlinkung einen adäquat-kausalen Beitrag zu einer Rechtsverletzung zu sehen, die auf der Zielseite begangen wird7. Sehr überzeugend verwies der BGH darauf, dass die Verlinkung mit einer Adressangabe in einem Telefonbuch vergleichbar sei und lediglich die Auffindbarkeit einer Internet1 LG Hamburg vom 24.8.2007, CR 2008, 328, 329 mit Anm. Eichelberger = MMR 2007, 726, 727 mit Anm. Mantz. 2 LG Berlin vom 31.5.2007, CR 2007, 742, 743. 3 OLG Zweibrücken vom 14.5.2009, MMR 2009, 541, 542. 4 OLG Hamburg vom 4.2.2009, MMR 2009, 479, 481 f. 5 LG Köln vom 10.6.2009, MMR 2009, 778, 779 f. 6 LG Hamburg vom 5.3.2010, MMR 2010, 433, 434 f.; LG Hamburg vom 5.12.2008, MMR 2008, 870 f. (Ls.). 7 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408 = MMR 2003, 719 = WRP 2003, 1341 = K&R 2003, 554 – Paperboy; a.A. Ernst/Wiebe, MMR Beilage 8/2001, 20, 21.
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IV. Störerhaftung
seite erleichtert, ohne dass ein Beitrag zu einer rechtswidrigen Handlung auf der Zielseite feststellbar ist1. Eine Haftung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn über den bloßen Link hinaus ein Beitrag zu einer Rechtsverletzung geleistet wird, die sich auf der Zielseite findet2. Ein solcher Beitrag kann beispielsweise darin liegen, dass der Hyperlink mit Äußerungen versehen wird, die den Rechtsverstoß unterstützen3 („Hier hat jemand Mut zur Wahrheit“ bei einem Link, der auf eine Seite mit volksverhetzenden Äußerungen führt, § 130 StGB).
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Auch bei Hyperlinks kann nach den Maßstäben der Rechtsprechung des BGH4 eine Prüfungspflicht entstehen, wenn der Linksetzende durch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung Kenntnis von einem Rechtsverstoß erlangt5.
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Unter Hinweis auf die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) hat der BGH die Verletzung einer Prüfungspflicht verneint bei einem Mediendienst, der einen Link auf eine Website veröffentlichte, auf der ein ausländisches Unternehmen unter Verletzung des § 284 StGB Glücksspiele anbot („Schöner Wetten“)6. Angesichts der Tatsache, dass Hyperlinks in der unübersehbaren Informationsfülle im World Wide Web eine überragende Funktion aufweisen, müssen die Anforderungen an Prüfungspflichten streng sein7. Wegen der seinerzeit unübersichtlichen Rechtslage war es
1741
1 BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406 = MMR 2003, 719 = WRP 2003, 1341 = K&R 2003, 554 – Paperboy. 2 Vgl. Plaß, WRP 2000, 599, 602; a.A. Ernst/Wiebe, MMR Beilage 8/2001, 20, 21; OLG München vom 15.3.2002, MMR 2002, 625 = NJW-RR 2002, 1048 = MMR 2002, 625; LG München I vom 7.10.2004, K&R 2005, 184. 3 Engels, K&R 2001, 338, 341; Spindler, MMR 2002, 495, 503; vgl. auch LG Berlin vom 14.6.2005, MMR 2005, 718 f.; LG München I vom 7.10.2004, K&R 2005, 184, 187. 4 Vgl. BGH vom 17.5.2001, NJW 2001, 3265, 3266 = BGHZ 148, 13, 17 = MMR 2001, 671 – ambiente.de; BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763, 767 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, 671 = K&R 2004, 486, 491 – Internet-Versteigerung; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 f. = WRP 2004, 899, 901 – Schöner Wetten; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636, 2639 = CR 2007, 523, 526 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507, 510 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825, 827 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; vgl. Ott, WRP 2006, 691, 700 f. 5 Ernst/Wiebe, MMR Beilage 8/2001, 20, 21; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2159 = WRP 2004, 899, 901 – Schöner Wetten; vgl. auch OLG München vom 29.4.2008, 191, 193. 6 BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2160 = WRP 2004, 899, 902 f. – Schöner Wetten; vgl. auch BGH vom 17.7.2003, NJW 2003, 3406, 3408 = MMR 2003, 719 = WRP 2003, 1341 = K&R 2003, 554 – Paperboy. 7 Koch, CR 2004, 213, 215; Spindler, MMR 2002, 495, 502; BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2160 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten.
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H. Haftung im Netz
nach Auffassung des BGH dem Betreiber des Mediendienstes nicht zumutbar, die Rechtswidrigkeit des Glücksspielangebots zu erkennen1. 1742
Bei offensichtlichen Rechtsverstößen auf der über den Link erreichbaren Seite trägt die vom BGH in seiner Entscheidung zu „Schöner Wetten“ vertretene Argumentation nicht. Daher ist es folgerichtig, dass das OLG Hamburg eine Störerhaftung bejaht hat in einem Fall, in dem ein Internetanbieter einen Link zu einer offensichtlich illegalen Glücksspielseite in einen Webkatalog aufgenommen hatte2. Ebenso mit der „Schöner Wetten“-Entscheidung vereinbar ist es, dass das OLG München eine Störerhaftung3 bzw. sogar eine Teilnehmerhaftung4 der Betreiber von heise.de bejaht hat für einen Link, der zu einem Erzeugnis zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen i.S.d. § 95 Abs. 3 UrhG führte. Dass die Entscheidung die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) in durchaus bedenklicher Weise relativiert5, ist eine Konsequenz des „Schöner Wetten“-Urteils6, das Prüfungspflichten auch in dem durch Art. 5 GG geschützten Bereich grundsätzlich bejaht. ee) Suchmaschinen
1743
Während Hyperlinks lediglich eine Adressfunktion haben, kommt den Suchmaschinen die Funktion eines reinen Wegweisers durch das Internet zu – vergleichbar einem Stadtplan oder Navigationssystem. Dies spricht dafür, dass ein Suchergebnis, das zu einer Website mit rechtswidrigen Inhalten führt, für sich allein keine Störerhaftung des Betreibers der Suchmaschine begründen kann7. Jedenfalls bei Suchmaschinen, die – wie Google – systematisch und automatisch ohne Durchsicht von Inhalten das Internet durchforsten, scheidet eine Störerhaftung aus, sofern der Betreiber der Suchmaschine nicht – etwa im Zusammenhang mit der Schal-
1 BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158, 2160 = WRP 2004, 899, 902 – Schöner Wetten. 2 OLG Hamburg vom 8.9.2005, MMR 2006, 37, 38. 3 OLG München vom 28.7.2005, CR 2005, 821, 823 ff. mit Anm. Scheja; MMR 2005, 768, 771 f. mit Anm. Hoeren; vgl. auch LG München I vom 14.11.2007, CR 2008, 186, 190 f.; LG München I vom 11.10.2006, MMR 2007, 128, 129 f.; LG München I vom 7.3.2005, MMR 2005, 385, 387 mit Anm. Hoeren. 4 OLG München vom 23.10.2008, CR 2009, 33, 35 ff. 5 Hoeren, MMR 2005, 773, 773; vgl. auch Stadler, K&R 2006, 253, 256 f. 6 BGH vom 1.4.2004, NJW 2004, 2158 = WRP 2004, 899 – Schöner Wetten 7 Vgl. Backu/Hertneck, ITRB 2008, 35, 37; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 243; LG Frankfurt a.M. vom 5.9.2001, CR 2002, 220 = NJW-RR 2002, 545; vgl. auch LG Frankfurt a.M. vom 10.11.2000, MMR 2001, 405, 405 f.; LG München I vom 20.9.2000, CR 2001, 46, 46 f.; a.A. v. Lackum, MMR 1999, 697, 700 f.
456
IV. Störerhaftung
tung bezahlter Werbung1 – einen Tatbeitrag leistet, der über das bloße Erzielen eines Suchergebnisses hinausgeht2. Mit sehr kurzer und daher wenig überzeugender Begründung hat das Kammergericht die Auffassung vertreten, eine Schauspielerin könne auf Grund ihres Persönlichkeitsrechts von einem Suchmaschinenbetreiber verlangen, dass ihr Name bei den Suchergebnissen nicht mit dem Begriff „nackt“ in Verbindung gebracht wird3. Das OLG Hamburg hat dagegen eine Störerhaftung von Google für Suchergebnisse, die das Persönlichkeitsrecht verletzen, mit der Begründung verneint, Google sei es trotz Kenntnis von entsprechenden Vorkommnissen nicht zumutbar, von sich aus ständig zu prüfen, ob es Suchergebnisse mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten gibt4. Das OLG Nürnberg hat eine Prüfungspflicht des Suchmaschinenbetreibers für die Zeit ab Kenntnis von einem Rechtsverstoß bejaht5.
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Auch bei Persönlichkeitsverletzungen durch Snippets in Suchmaschinendarstellungen gehen die Ansichten über die Haftung von Google auseinander. Nach Ansicht des OLG Hamburg ist davon auszugehen, dass der Nutzer dem Inhalt des Snippets wegen dessen bekannter Verkürzung keine Bedeutung beimisst. Daher komme eine Haftung des Betreibers der Suchmaschine für Snippets mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten nicht in Betracht6. Das Kammergericht sieht dies anders: Eine Haftung von Google komme in Betracht, wenn die verkürzte, zusammenfassende Darstellung im Snippet derartig sinnentstellend sei, dass ihr ein eigener Unrechtsgehalt zukomme. In diesen Fällen treffe das Snippet trotz der automatischen Erstellung eine eigene Aussage, für die der Suchmaschinenbetreiber verantwortlich ist7.
1745
ff) Admin-C
Das OLG Hamburg hatte über einen einstweiligen Verfügungsantrag gegen den Admin-C der Website google.de zu entscheiden, in dem es um den Zugang von google.de zum Usenet ging. Im Usenet war unter dem Namen des Antragsgegners ein gefälschter Beitrag über den Prozess gegen den Holocaust-Leugner Zündel verbreitet worden. Nach Auffassung des OLG Hamburg war für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch 1 Vgl. Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rdnr. 247; LG Hamburg vom 16.9.2004, CR 2005, 534, 535. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 20.2.2007, CR 2007, 330, 331; LG Frankenthal vom 16.5.2006, CR 2006, 698 ff.; LG München I vom 2.12.2003, MMR 2004, 261, 262 mit Anm. Bahr. 3 KG vom 4.9.2006, MMR 2006, 817. 4 OLG Hamburg vom 13.11.2009, K&R 2010, 63, 64 f. = IPRB 2010, 104 f. (Schuhmacher). 5 OLG Nürnberg vom 23.6.2008, CR 2008, 654, 655 f. 6 OLG Hamburg vom 2.3.2010, MMR 2010, 490, 492 mit Anm. Rössel. 7 KG vom 3.11.2009, MMR 2010, 495, 496.
457
1746
H. Haftung im Netz
maßgebend, ob dem Admin-C eine ständige Prüfung des Usenets im Hinblick auf das (erneute) Erscheinen des Beitrags zumutbar war. Dies verneinte das Gericht1. 1747
Das Kammergericht hat eine Störerhaftung des Admin-C grundsätzlich bejaht. Im konkreten Fall ging es jedoch um die Website einer MetaSuchmaschine, deren Suchergebnisse der Admin-C nach Auffassung des Kammergerichts nur durch Löschung der Domain und Kündigung des Domainvertrages unterbinden konnte. Dies jedoch ist dem Admin-C nach Ansicht des Gerichts jedenfalls solange nicht zumutbar, wie nicht der Betreiber der Suchmaschine erfolglos aufgefordert worden ist, die rechtswidrigen Suchergebnisse zu löschen2. Noch weiter ging das LG Dresden, das die Haftung eines Admin-C für rechtswidrige Website-Inhalte verneinte mit der Begründung, dass der Admin-C keinen inhaltlichen Einfluss auf die Inhalte nehmen könne3. Das OLG München verneinte jegliche „proaktive Prüfungspflichten“ und verwies – schwer nachvollziehbar – auf das Stellvertretungsrecht (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB)4.
1748
Das OLG Stuttgart zog eine Parallele zur Haftung der DENIC5 und vertrat die Auffassung, der Admin-C sei nur bei einer sich aufdrängenden Rechtsverletzung haftbar6. Noch weiter ging das OLG Düsseldorf, das gleichfalls eine Parallele zur DENIC zog und meinte, der Admin-C hafte für eine Markenrechtsverletzung nicht einmal bei Kenntnis von dem Rechtsverstoß7. Das OLG Köln sah gleichfalls Ähnlichkeiten zu den Haftungsfragen, die sich gegenüber der DENIC stellen, und verneinte – jedenfalls bis zur Kenntniserlangung durch den Admin-C – jegliche Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen gleich welcher Art8.
1749
Das OLG Koblenz lehnte Parallelen zur Haftung der DENIC mit dem zutreffenden Hinweis ab, dass es bei einem Admin-C an der Wahrnehmung einer Aufgabe fehle, die im öffentlichen Interesse liegt. Der Admin-C hafte daher jedenfalls dann für eine Namensrechtsverletzung, wenn er Kenntnis von allen Umständen hatte, aus denen sich die konkrete Gefahr einer Namensrechtsverletzung ergab9. 1 OLG Hamburg vom 22.5.2007, CR 2007, 797, 798 f. 2 KG vom 20.3.2006, CR 2006, 778, 779; vgl. auch KG vom 10.2.2006, ZUM 2006, 403 ff. mit Anm. Stenzel; LG Berlin vom 22.2.2005, MMR 2005, 314 ff.; LG Berlin vom 9.9.2004, MMR 2005, 786 ff. 3 LG Dresden vom 9.3.2007, CR 2007, 462, 463 mit Anm. Wimmer; vgl. Engels/ Jürgens/Kleinschmidt, K &R 2008, 65, 75. 4 OLG München vom 30.7.2009, MMR 2010, 261 f. 5 Siehe Rz. 1619. 6 OLG Stuttgart vom 24.9.2009, K&R 2010, 197, 200 f.; a.A. LG Stuttgart vom 27.1.2009, MMR 2009, 271 (Vorinstanz). 7 OLG Düsseldorf vom 3.2.2009, CR 2009, 534 f. 8 OLG Köln vom 15.8.2008, K&R 2008, 692, 694 f. mit Anm. Stadler. 9 OLG Koblenz vom 23.4.2009, K&R 2009, 493, 494 f.
458
IV. Störerhaftung
Anders entschied das LG Hamburg in einem Fall, in dem ein Rechtsanwalt in seiner Funktion als Admin-C der Website casino.xxx.de aus Störerhaftung wegen der Werbung für unerlaubte Glücksspiele in Anspruch genommen wurde. Der Anwalt fungierte bei mehreren Tausend Websites als Admin-C und wandte ein, eine Überprüfung all dieser Websites sei ihm nicht möglich. Dennoch bejahte das LG Hamburg die Verletzung einer Prüfungspflicht, die sich aus der Verantwortlichkeit für die Domain gegenüber der DENIC ergebe1. Dieselbe Auffassung haben das LG Bonn vertreten und die Haftung eines Admin-C wegen wettbewerbswidriger2 bzw. urheberrechtswidriger3 Inhalte auf einer vom Admin-C betreuten Website bejaht.
1750
Das LG Berlin hat einen Admin-C wegen der „Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Immaterialgüterrecht“ zum Schadensersatz für eine Markenrechtsverletzung verurteilt und ging dabei von einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Admin-C aus, da der Admin-C durch die Übernahme seiner Funktion „objektiv in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle geschaffen“ habe4. Dies steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der im Markenrecht eine täterschaftliche Verantwortung Dritter verneint5.
1751
gg) Domainpacht
In einem Fall, den der VI. Zivilsenat des BGH6 zu entscheiden hatte, ging es um Aussagen einer Journalistin in dem Nachrichtendienst „FOCUS online“. Die Rechtswidrigkeit der Äußerungen war unstreitig. Es gab zudem keinen Streit mit der Tomorrow Focus AG, die den Online-Nachrichtendienst betreibt. Die Focus Tomorrow AG hatte den streitigen Beitrag frühzeitig gelöscht und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
1752
Die Unterlassungserklärung des Dienstebetreibers reichte dem Kläger nicht. Er verlangte vielmehr eine weitere Unterlassungserklärung der Focus Magazin Verlag GmbH. Diese Gesellschaft ist zum einen für die Printausgabe des FOCUS verantwortlich und zum anderen Inhaberin der
1753
1 LG Hamburg vom 5.4.2007, MMR 2007, 608, 609; a.A. LG Dresden vom 9.3.2007, CR 2007, 462, 463 mit Anm. Wimmer. 2 LG Bonn vom 23.2.2005, CR 2005, 527, 528 f.; vgl. auch LG München I vom 10.2.2005, CR 2005, 532 f. 3 LG München I vom 4.12.2008, ZUM-RD 2009, 220 ff. 4 LG Berlin vom 13.1.2009, MMR 2009, 348, 349 f. 5 Vgl. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636 = CR 2007, 523 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 30.4.2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531= K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 6 BGH vom 30.6.2009, NJW-RR 2009, 1413 ff. – Focus Online.
459
H. Haftung im Netz
Domain focus.de. Im Hause Focus hat man die etwas verschachtelte Konstellation geschaffen, dass bei focus.de der Domaininhaber und der Diensteanbieter nicht identisch sind. Der Domaininhaber – die Focus Magazin Verlag GmbH – hat mit dem Diensteanbieter – der Tomorrow Focus AG – einen Vertrag über eine Domainpacht geschlossen. 1754
Nach den vom I. Zivilsenat entwickelten „allgemeinen Grundsätzen“ der Störerhaftung sprach alles für eine Prüfungspflicht und damit eine Haftung des Domaininhabers, der unstreitig per Abmahnung Kenntnis von dem Rechtsverstoß erhalten hatte. Um die Klage nichtsdestotrotz abzuweisen, griff der BGH zu einem erstaunlichen Kunstgriff1: Ohne sich in diesem Zusammenhang überhaupt mit der Rechtsprechung des I. Senats auseinanderzusetzen, berief sich der VI. Senat auf ein älteres Urteil des OLG Karlsruhe2 und eine Entscheidung des LG Berlin3 und behauptete – wie selbstverständlich –, dass eine Prüfungspflicht nicht bereits bei Kenntnis von einer Rechtsverletzung entstehe, sondern erst, „wenn der Störer nach Kenntniserlangung und Prüfung die Störung nicht unverzüglich beseitigt“4. hh) Domain Parking
1755
Das Domain Parking ist ein Dienst, der es Kunden ermöglicht, nicht genutzte Domains zum Verkauf anzubieten und zugleich bis zum erfolgreichen Verkauf Gewinn mit der ungenutzten Domain durch Konnektierung einer Website zu erzielen, die ausschließlich der Platzierung von Werbung („Sponsored Links“) dient. Begeht ein Kunde entweder durch die Nutzung der Domain oder durch Inhalte auf der Website einen Rechtsverstoß, stellt sich die Frage einer Haftung des Diensteanbieters5.
1756
Das LG Düsseldorf und das LG Berlin wiesen markenrechtliche Unterlassungsklagen gegen den Diensteanbieter zurück mit der Begründung, dieser habe jeweils nach Erhalt eines Abmahnschreibens die fragliche Domain aus ihrem Dienst entfernt und die Domain auf eine Sperrliste gesetzt. Zu Recht meinten die Gerichte, dass man von dem Diensteanbieter keine weiteren Maßnahmen erwarten könne6. Ähnlich argumentierte das OLG Frankfurt a.M., das eingehende Prüfungstätigkeiten des Diensteanbietes für unzumutbar erachtete und darauf verwies, dass anderenfalls Aufwand entstehe, der das gesamte Geschäftsmodell in 1 2 3 4
Vgl. Härting, K&R 2009, 647, 647. OLG Karlsruhe vom 22.10.2003, CR 2004, 535 = WRP 2004, 507. LG Berlin vom 31.5.2007, CR 2007, 742. BGH vom 30.6.2009, NJW-RR 2009, 1413, 1416 – Focus Online; vgl. auch OLG Köln vom 19.3.2010, CR 2010, 403 (Ls.). 5 Vgl. Engels/Seichter, WRP 2006, 810, 811; Härting/Linden in Hoffmann/Leible/ Sosnitza, S. 48 ff.; OLG Hamburg vom 14.7.2004, CR 2004, 836. 6 LG Berlin vom 3.6.2008, MMR 2009, 218; LG Düsseldorf vom 26.11.2008, MMR 2009, 435 (Ls.); LG Düsseldorf vom 5.11.2008, CR 2009, 45, 47; LG Düsseldorf vom 20.8.2008, MMR 2009, 218 (Ls.).
460
IV. Störerhaftung
Frage stellen würde1. Auch das OLG München hat eine Störerhaftung verneint für den Fall, dass der Diensteanbieter die Domain nach Erhalt einer Abmahnung aus dem eigenen Dienst entfernt und auf eine Sperrliste setzt2. In einer älteren Entscheidung, durch die das OLG Hamburg eine Haftung des Domain Parking-Anbieters bejahte, ging es darum, dass eine „geparkte“ Domain zur Schaltung von Werbung für illegale Glücksspiele verwendet worden war3.
1757
ii) Werbetreibende
Sehr weit geht das LG Frankfurt a.M., wenn es die Störerhaftung eines Telekommunikationsunternehmens bejaht, das Werbung auf Seiten geschaltet hatte, auf denen jugendgefährdende, gewaltverherrlichende und volksverhetzende Filme angeboten wurden. Eine Abmahnung genügte dem Gericht, um einen Unterlassungsanspruch zu bejahen4.
1758
Es ist mehr als fraglich, ob der Werbetreibende durch seine Werbung in irgendeiner Weise (adäquat-kausal) an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Zutreffend hat das LG München I daher in einem ähnlichen Fall darauf hingewiesen, dass sich eine Störerhaftung nicht auf jeden zwar nicht kausalen, aber unterstützenden Effekt für einen Rechtsverstoß stützen lässt5.
1759
Der Betrieb einer Website ist vollkommen unabhängig von der darauf geschalteten Werbung. Während dem Suchmaschinenbetreiber, dem LinkSetzenden oder dem Access Provider noch vorzuwerfen sein mag, dass er – unter vielen – den Zugang zu der betreffenden Seite konkret ermöglicht oder erleichtert, hat der Werbetreibende mit dem Betrieb der Website und dem Zugang zu möglicherweise rechtswidrigen Inhalten nichts zu tun. Soweit das LG Frankfurt a.M. darauf verweist, dass die Werbung den Betrieb der Website ermögliche, geht dies an der eigentlichen Rechtsverletzung vorbei. Mit der gleichen Argumentation könnte auch der Hausbank des Website-Betreiber und die Graphikagentur des Werbetreibenden als Störer in Anspruch genommen werden. Auch diese profitieren von der Tätigkeit des Website-Betreibers6.
1760
Unter Berufung auf die BGH-Rechtsprechung zur Störerhaftung im Netz lehnte das OLG Dresden eine Haftung des Auftraggebers einer Werbeaktion für Spam-Mails ab, die ein Subunternehmen der Agentur versendet
1761
1 2 3 4
OLG Frankfurt a.M. vom 8.2.2010, MMR 2010, 417 f. OLG München vom 13.8.2009, CR 2010, 396 ff. = MMR 2010, 100 ff. OLG Hamburg vom 14.7.2004, CR 2004, 836, 837 f. LG Frankfurt a.M. vom 2.1.2008, CR 2008, 324, 325 mit Anm. Schirmbacher = K&R 2008, 315, 316 mit. Anm. Witzmann = ITRB 2008, 98 f. (Engels). 5 LG München I vom 31.3.2009, ZUM 2009, 592, 593. 6 Schirmbacher, CR 2008, 325, 326.
461
H. Haftung im Netz
hatte, die mit der Aktion beauftragt war. Vom Auftraggeber könne nicht mehr verlangt werden, als Vorsorge zu treffen gegen weitere rechtswidrige Werbemaßnahmen. Da der Auftraggeber die Werbeaktion abgebrochen habe, habe er seine Pflichten ausreichend erfüllt1. Nicht ganz auf dieser Linie liegt es, wenn das OLG Düsseldorf eine persönliche Haftung des Geschäftsführers eines Unternehmens für Spam-Mails bejaht mit der Begründung, den Geschäftsführer treffe – in Person – eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht2 zur Verhinderung unlauterer Werbung. Diese Pflicht habe der Geschäftsführer dadurch verletzt, dass er keine Vorsorge dagegen getroffen habe, dass der Adressbestand, der für die Werbeaktion verwendet wurde, dahingehend geprüft wurde, ob bei den Empfängern tatsächlich das nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erforderliche ausdrückliche Einverständnis3 vorlag4. jj) Affiliate-Werbung
1762
Affiliate-Werbung ist die Werbung mit Hilfe einer Vielzahl von Partnern, die auf ihren eigenen Websites Links zu Bestellseiten schalten und an Bestellungen durch Provisionen partizipieren5. Für die Markenverletzung eines Affiliate-Partners haftet der Werbetreibende („Merchant“) nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. und des LG Hamburg unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung. Die Haftung setze allerdings eine Kenntnis von einem Rechtsverstoß voraus, da ohne eine solche Kenntnis keine Kontrollpflicht bestehe6. Das OLG München bejaht eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Merchants zur Verhinderung von Werbung auf Seiten mit jugendgefährdenden Inhalten, wenn klar erkennbar ist, dass Affiliates beabsichtigen, derartige Seiten zur Schaltung von Werbung zu nutzen7.
1763
Ohne sich mit der BGH-Rechtsprechung zur Störerhaftung zu befassen, hat das LG Köln eine Haftung des Werbetreibenden für Markenrechtsverletzungen durch Affiliate-Partner bejaht und es für eine Haftungsvermeidung nicht ausreichen lassen, dass der Werbetreibende seine Partner vertraglich zur „Einhaltung“ von Markenrechten Dritter verpflichtet hatte8.
1764
Nach Auffassung des OLG Köln besteht auch ohne Kenntnis von einem Rechtsverstoß eine Haftung des Werbetreibenden für Markenrechtsver1 2 3 4 5 6
OLG Dresden vom 10.3.2009, MMR 2009, 773. Siehe Rz. 1718. Siehe Rz. 1323. OLG Düsseldorf vom 24.11.2009, MMR 2010, 99 f. = IPRB 2010, 129 f. (Mulch). Vgl. Engels/Seichter, WRP 2006, 810, 810 f. LG Frankfurt a.M. vom 15.12.2005, MMR 2006, 247; LG Hamburg vom 3.8.2005, CR 2006, 130, 131; vgl. auch AG Pforzheim vom 20.12.2005, K&R 2006, 144. 7 OLG München vom 11.9.2008, WRP 2008, 1471, 1473 f. = K&R 2008, 756, 758 f. 8 LG Köln vom 6.10.2005, CR 2006, 64, 66 mit Anm. Ernst; vgl. auch Ernst/Seichert, WRP 2006, 810, 814.
462
IV. Störerhaftung
letzungen („ROSE“), die der Affiliate-Partner begeht, da der AffiliatePartner als Beauftragter gemäß § 14 Abs. 7 MarkenG anzusehen sei1. Mit gleicher Begründung haben das LG Berlin2 und das LG Potsdam3 eine strenge Haftung für Wettbewerbsverstöße von Affiliate-Partnern aus § 8 Abs. 2 UWG abgeleitet. Der BGH4 hat sich in seiner Entscheidung zu dem Fall „ROSE“ der Auffassung angeschlossen, dass ein Affiliate-Partner grundsätzlich als Beauftragter auf dem Gebiet der Werbung i.S.v. § 14 Abs. 7 MarkenG anzusehen ist. Die Affiliates seien in der Weise in die betriebliche Organisation des Merchants eingegliedert, dass der Erfolg der Werbung der Affiliates dem Merchant zugute komme. Die Werbepartner hätten es nicht nur übernommen, durch einen Hinweis auf ihrer eigenen Website für den Werbetreibenden zu werben. Sie hätten es außerdem durch Bereitstellung eines Links zu der Internetseite des Merchants ermöglicht, dass Interessenten unmittelbar auf dessen Angebot stoßen konnten. Diese Werbepartnerschaft sei grundsätzlich auf Dauer angelegt gewesen, die Provisionszahlungen richteten sich nach der Anzahl der zu einem Kauf führenden Weiterleitungen in dem jeweiligen Abrechnungszeitraum. Der Merchant habe auch über einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf die Werbetätigkeit der Affiliates verfügt. Ein interessierter Werbepartner musste sich zunächst auf der Internetseite des Merchants für dessen Partnerprogramm anmelden.
1765
Im konkreten Fall bedürfe es allerdings des Nachweises, dass der Affiliate auch insoweit als Beauftragter des Merchants gehandelt hat, als er die Verletzungshandlungen begangen hat. Eine Haftung des Betriebsinhabers für Personen, die er i.S.v. § 14 Abs. 7 MarkenG mit Tätigkeiten für seinen Betrieb beauftragt hat, scheide nicht nur dann aus, wenn diese außerhalb des Auftragsverhältnisses im privaten Bereich handeln. Der Auftraggeber hafte vielmehr auch dann nicht als Betriebsinhaber i.S.v § 14 Abs. 7 MarkenG, wenn der von ihm Beauftragte im konkreten Fall zwar geschäftlich tätig geworden ist, das betreffende geschäftliche Handeln jedoch nicht der Geschäftsorganisation des Auftraggebers, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist. Die Verletzungshandlungen des Affiliates seien nach den Angaben des Merchants über Domains begangen worden, die nicht zum Partnerprogramm des Merchants angemeldet waren. Wenn dies der Fall sei, scheide eine Haftung nach § 14 Abs. 7 MarkenG aus5.
1766
Die Entscheidung des BGH ermöglicht es, auch in Zukunft Affiliate-Werbung zu betreiben, ohne dass erdrückende Haftungsrisiken entstehen. Al-
1767
1 2 3 4 5
OLG Köln vom 24.5.2006, CR 2007, 184, 185 f. LG Berlin vom 16.8.2005, MMR 2006, 118 mit Anm. Herrmann. LG Potsdam vom 12.12.2007, K&R 2008, 117. BGH vom 7.10.2009, CR 2009, 794, 797 f. mit Anm. Rössel – Partnerprogramm. BGH vom 7.10.2009, CR 2009, 794, 798 f. mit Anm. Rössel – Partnerprogramm; a.A. OLG Köln vom 8.2.2008, CR 2008, 521, 522.
463
H. Haftung im Netz
lerdings werden Merchants darauf achten müssen, ihre Vertragsbeziehungen1 zu den Werbepartnern so auszugestalten, dass die Spielräume bestmöglich genutzt werden, die der BGH eröffnet. Wird beispielsweise schon der Werbeauftrag auf eine bestimmte Website beschränkt, haftet der Merchant nach den Maßgaben des BGH nur für diese Website betreffenden Rechtsverstöße des Werbepartners, sofern er nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird2. 1768
➲ Praxistipp: Haftungsrisiken lassen sich begrenzen durch die konkrete Auswahl und Freigabe der Websites, auf der der Werbepartner Werbemittel des Merchants Advertisers verwenden darf. Aus der Ausgestaltung des Portals des Affiliate-Netzwerks sollte sich daher zweifelsfrei ergeben, dass der Werbeauftrag an den Affiliate auf die von ihm angegebenen und vom Netzwerk ggs. freigegebenen Websites beschränkt ist: „Geben Sie hier die Domain ein, auf der die Werbung des Advertisers ausschließlich erscheinen soll: . . . Ihre Befugnis, die im Rahmen dieses Partnerprogramms zur Verfügung gestellten Werbemittel zu nutzen, beschränkt sich auf Websites, die unter dieser Domain im Internet erreichbar sind.“ In den programmspezifischen Teilnahmebedingungen sollte zudem klargestellt werden, welche Werbeformen von dem Auftrag erfasst sind: „Falls Ihre Teilnahme an dem Partnerprogramm bestätigt wird, sind Sie mit folgenden Werbemitteln beauftragt: ...“3 kk) Identitätsklau
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Nach Auffassung des OLG Brandenburg haftet Ebay als Störer bei wiederholtem „Identitätsklau“. Mehrfach waren die Personalien des Klägers verwendet worden, um Ebay-Accounts einzurichten. Das Gericht bejahte eine rechtswidrige Namensanmaßung (§ 12 Satz 1, 2. Alt. BGB) und bejahte unter Anwendung der BGH-Rechtsprechung eine Störerhaftung des Plattformbetreibers4.
1770
Der BGH5 hat das Urteil des OLG Brandenburg dennoch aufgehoben und bemängelt, dass nicht festgestellt sei, inwieweit es Ebay technisch möglich und zumutbar war, eine weitere Verletzung des Namensrechts des Klägers zu verhindern. Trotz Kenntnis von Rechtsverletzungen eröffnet der BGH Ebay somit den Einwand, eine Verhinderung künftiger Verletzungen sei nicht möglich oder zumutbar. Wie sich das mit der strikteren 1 Vgl. Schirmbacher/Ihmor, CR 2009, 245 ff.; LG Berlin vom 15.10.2009, CR 2010, 129 f.; LG Berlin vom 23.10.2008, CR 2009, 262 ff. = ITRB 2009, 104 f. (Intveen). 2 Schirmbacher, IPRB 2010, 41, 42. 3 Schirmbacher, IPRB 2010, 41, 42. 4 OLG Brandenburg vom 16.11.2005, CR 2006, 124, 125 f. 5 BGH vom 10.4.2008, CR 2008, 727, 728 mit Anm. Rössel – Namensklau im Internet.
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IV. Störerhaftung
Linie verträgt, die der BGH mit dem Urteil zu „Internet-Versteigerung I“ eingeschlagen hat1, ist nicht ersichtlich. Die Darlegungs- und Beweislast für die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Verhinderung künftiger Rechtsverletzungen liegt nach Auffassung des BGH grundsätzlich beim Kläger. Allerdings werde die Darlegungsund Beweislast dadurch gemildert, dass den Beklagten insoweit eine sekundäre Darlegungslast treffe. Der Kläger habe keinen Einblick in die technischen Möglichkeiten und könne von sich aus nicht erkennen, ob Ebay der Einsatz einer bestimmten Maßnahme im Hinblick auf ihre internen Betriebsabläufe zumutbar sei. Unter diesen Umständen sei Ebay gehalten, im Einzelnen vorzutragen, welche Schutzmaßnahmen möglich und weshalb ihr – falls diese Maßnahmen keinen lückenlosen Schutz gewährleisten – weitergehende Maßnahmen nicht zuzumuten seien. Erst aufgrund eines solchen Vortrags der Beklagten werde der Kläger in die Lage versetzt, seinerseits darzulegen, ob aus seiner Sicht weitergehende Schutzmaßnahmen möglich seien. Außerdem werde er aufgrund eines solchen Vortrags in die Lage versetzt, seinen Antrag entsprechend zu konkretisieren und dabei die aus seiner Sicht bestehenden und zumutbaren technischen Möglichkeiten zu benennen2.
1771
ll) Filesharing
Das Usenet ist ein weltweites Netz von Servern, das zum Austausch von Nachrichten und Dateien genutzt wird3. Da sich das Usenet vielfach zum illegalen Tausch von Musik und Filmen genutzt wird, haben sich Verfahren gehäuft, in denen Usenet Provider auf Unterlassung verklagt wurden. Das OLG Düsseldorf wies eine solche Klage ab mit der Begründung, dass dem Provider die ständige Kontrolle des eigenen Newsservers nicht zumutbar sei. Es gehe nicht an, ein Verbot erst einmal zu erlassen und die Entscheidung, ob der Schuldner alles Zumutbare tut, in das Vollstreckungsverfahren zu übertragen4. Dies ist zwar überzeugend, aber kaum mit den Argumenten des BGH zu § 890 ZPO5 in Einklang zu bringen. Die gegenteilige Auffassung vertreten das LG Düsseldorf6 und das LG Hamburg7 und bejahen – bedenklich weitgehend8 – eine Störerhaftung des Usenet Providers9. 1 Siehe Rdnr. 1706 ff. 2 BGH vom 10.4.2008, CR 2008, 727, 728 mit Anm. Rössel – Namensklau im Internet. 3 Hütten, K&R 2007, 554, 554 f. 4 OLG Düsseldorf vom 15.1.2008, CR 2008, 183, 184. 5 Siehe Rdnr. 1716. 6 LG Düsseldorf vom 23.5.2007, CR 2007, 601, 602 f. mit Anm. Kitz. 7 LG Hamburg vom 15.6.2007, Az. 308 O 325/07, MMR 2008, 136 (Ls.); LG Hamburg vom 19.2.2007, MMR 2007, 333 f. mit Anm. Hoeren. 8 Vgl. Lober/Karg, CR 2007, 647, 650. 9 Vgl. auch Hütten, K&R 2007, 554, 557 ff.
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H. Haftung im Netz
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Das LG München I hat die Auffassung vertreten, dass bei einem UsenetNewsserver die Voraussetzungen des § 9 TMG (Caching)1 vorliegen, der allerdings auf die Störerhaftung nicht anwendbar sei. Eine Störerhaftung sei zu verneinen, da dem Provider eine Kontrolle des umfangreichen Datenbestandes nicht zumutbar sei2.
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Anders als ein Proxy-Server, auf den § 9 TMG Anwendung findet, dient der Usenet-Server nicht ausschließlich der Beschleunigung der Kommunikation. Vielmehr ist der Usenet-Server zwingend notwendig, damit der Nutzer Inhalte aus dem Usenet herunterzuladen. Dies spricht dafür, auf den Usenet Provider § 10 TMG und nicht § 9 TMG anzuwenden3.
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Ein Sharehoster-Dienst ermöglicht dem Nutzer, auf einfache Weise große Dateien abzuspeichern und Dritten die Dateien (durch Übersendung eines Download-Links) zum Download zur Verfügung zu stellen. Das OLG Köln hat einen Sharehoster in Anwendung der BGH-Rechtsprechung zur Störerhaftung zur regelmäßigen Überprüfung einer Reihe von Links verurteilt, da diese Links zur illegalen Verbreitung von Musik genutzt worden waren4. Das LG Düsseldorf und das LG Frankfurt a.M. haben die Auffassung vertreten, dass Sharehoster-Dienste für eine Verletzung von Urheberrechten besonders gut geeignet seien mit der Folge, dass den Diensteanbieter „sehr hohe“ 5bzw. „erhöhte“6 Prüfungspflichten treffen. Dies gilt nach Auffassung des OLG Hamburg auch für Usenet Provider, und zwar insbesondere, wenn der Provider mit der Möglichkeit von Rechtsverletzungen wirbt („Also selbst wenn unser Service illegal wäre, wären Sie sicher.“)7. Das LG Düsseldorf8 und das OLG Düsseldorf9 haben dieser Auffassung widersprochen und für das Filesharing-System eDonkey eine Störerhaftung des Providers unter dem Gesichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit verneint. Das LG Frankfurt a.M. hat in einem anderen eDonkey-Fall aus den eigenen Angaben des Serverbetreibers geschlossen, dass die konkret verlangte Sperrung möglich und zumutbar war10.
1776
Das LG Hamburg erachtet einen IP-Provider, der Transitleistungen für die Torrent-Suchmaschine The Pirate Bay erbringt, für Urheberrechts1 2 3 4 5 6 7
Siehe Rz. 1688. LG München I vom 19.4.2007, MMR 2007, 453, 454 ff. mit Anm. Mantz. Hütten, K&R 2007, 554, 555 f. OLG Köln vom 21.9.2007, MMR 2007, 786, 787 f. LG Düsseldorf vom 23.1.2008, ZUM 2008, 338, 341 f. LG Frankfurt a.M. vom 19.6.2008, ZUM 2008, 996, 998. OLG Hamburg vom 28.1.2009, MMR 2009, 405 ff.; vgl. auch OLG Hamburg vom 30.9.2009, MMR 2010, 51 ff. mit Anm. Breyer; OLG Hamburg vom 2.7.2008, MMR 2008, 823 ff.; LG Hamburg vom 12.6.2009, ZUM 2009, 863 ff. 8 LG Düsseldorf vom 12.9.2008, CR 2009, 404, 405 f. = ZUM 2008, 882, 883 f. = MMR 2008, 759, 760 f. 9 OLG Düsseldorf vom 20.5.2008, CR 2009, 40 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf vom 15.1.2008, K&R 2008, 183, 184 OLG Düsseldorf vom 27.4.2010, MMR 2010, 483 ff. mit Anm. Schröder. 10 LG Frankfurt a.M. vom 30.9.2008, MMR 2009, 70 (Ls.).
466
IV. Störerhaftung
verletzungen verantwortlich unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung1. mm) Nutzung eines fremden Accounts
Das OLG Stuttgart hat unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen fehlender fernabsatzrechtlicher Widerrufsbelehrung bejaht, obwohl die Beklagte eingewendet hatte, der streitige Ebay-Account sei nicht von ihr selbst, sondern von ihrem Lebensgefährten genutzt worden. Nach Auffassung des Gerichts traf die Beklagte wegen der Weitergabe ihrer Accountdaten eine „gesteigerte Prüfungspflicht“ im Hinblick auf die Einhaltung der „gesetzlich geltenden Regelungen“ durch ihren Lebensgefährten2. Ähnlich hatte bereits das OLG Frankfurt a.M. in einem Fall entschieden, in dem der Beklagte seiner Ehefrau die Accountdaten überlassen hatte und es zu Markenrechtsverletzungen gekommen war3. Das LG Dortmund vertrat einen ähnlichen Standpunkt in einem Fall, in dem um eine unzureichende fernabsatzrechtliche Widerrufsbelehrung und ein fehlendes Impressum bei einem Ebay-Powerseller ging. Der Beklagte, der behauptet hatte, den Ebay-Shop „im Auftrag der Firma“ zu betreiben, hafte als Störer4.
1777
Das LG Köln ließ es für eine Störerhaftung ausreichen, dass ein Rechtsanwalt seinen Nutzernamen und sein Passwort für ein Anwaltsforum (frag-einen-anwalt.de) auf seinem Rechner gespeichert und es hierdurch (mutmaßlich) seinen Söhnen ermöglicht hatte, in dem Forum beleidigende Äußerungen über einen Anwaltskollegen zu verbreiten5. Das LG Bonn hat die BGH-Grundsätze zur Störerhaftung nicht angewendet und eine strenge Haftung des Accountinhabers für Wettbewerbsverstöße eines Verkaufsagenten bejaht mit der Begründung dass jegliche Werbung aus Sicht der Adressaten Werbung für den Accountinhaber sei6.
1778
Benutzt ein Dritter (im konkreten Fall die Ehefrau) ein fremdes Mitgliedskonto bei Ebay, nachdem er an die Zugangsdaten dieses Mitgliedskontos gelangt ist, weil der Inhaber diese nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter gesichert hat, muss der Inhaber des Mitgliedskontos sich nach Auffassung des BGH7 so behandeln lassen, wie wenn er selbst gehandelt hätte. Eine insoweit bei der Verwahrung der Zugangsdaten für das Mitgliedskonto gegebene Pflichtverletzung stelle einen eigenen, gegenüber den eingeführten Grundsätzen der Störerhaftung8 und den gege-
1779
1 LG Hamburg vom 6.5.2010, Az. 310 O 154/10. 2 OLG Stuttgart vom 16.4.2007, K&R 2007, 468, 469. 3 OLG Frankfurt a.M. vom 13.6.2005, NJW-RR 2005, 1204 f. = CR 2005, 655; vgl. auch AG München vom 24.4.2007, CR 2007, 816, 817. 4 LG Dortmund vom 8.5.2008, WRP 2008, 1396 (Ls.). 5 LG Köln vom 18.10.2006, MMR 2007, 337, 338. 6 LG Bonn vom 7.12.2004, WRP 2005, 640, 641. 7 BGH vom 11.3.2009, CR 2009, 450, 451 f. mit Anm. Rössel – Halzband. 8 Siehe Rz. 1692 ff.
467
H. Haftung im Netz
benenfalls bestehenden Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts1 selbständigen Zurechnungsgrund dar. Soweit es um den Unterlassungsanspruch gehe, setze die Haftung keinen Verstoß gegen weitere Prüfungspflichten voraus. Insbesondere sei die Haftung nicht davon abhängig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Pflicht des Beklagten bestanden habe, das Verhalten seiner Ehefrau auf mögliche Verletzungen der Rechte Dritter zu überprüfen, und ob er diese Prüfungspflicht verletzt hat. Anders als bei den Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts2 greife der Zurechnungsgrund auch nicht erst dann ein, wenn der Kontoinhaber die unzureichende Sicherung der Kontaktdaten andauern lasse, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat, dass ein Dritter sie unberechtigterweise benutzt hat. 1780
Die Grundüberlegung des BGH überzeugt: Wer seine Accountdaten nicht unter Verschluss hält, begründet damit die Gefahr, dass für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden Mitgliedsnamen gehandelt hat. Darüber hinaus erschweren entwendete Zugangsdaten die Möglichkeiten, den Handelnden zu identifizieren und gegebenenfalls (rechtsgeschäftlich oder deliktisch) in Anspruch zu nehmen. Dies spricht für eine generelle Verantwortung und Verpflichtung des Inhabers eines passwortgeschützten Accounts, seine Kontaktdaten so unter Verschluss zu halten, dass von ihnen niemand Kenntnis erlangt3. nn) Nutzung des Internetanschlusses durch Dritte
1781
Das OLG Frankfurt a.M. hat die BGH-Grundsätze zur Störerhaftung auf einen Fall angewandt, indem es darum ging, ob der Inhaber eines Internetanschlusses für den illegalen Musikdownload durch Familienangehörige haftet. Das Gericht verneinte eine Haftung mit der Begründung, dass im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für eine solche Gefahr vorgelegen hätten und ohne solche konkreten Anhaltspunkte keine Verpflichtung („Prüfungspflicht“) bestehe, Familienangehörige bei der Internetnutzung zu überwachen4. Mit derselben Begründung verneinte das LG München I eine Haftung des Arbeitgebers für Urheberrechtsverletzungen, die ein Arbeitnehmer per Internet am Arbeitsplatz begangen hatte5.
1 2 3 4
Siehe Rz. 1718 ff. Siehe Rz. 1720 ff. BGH vom 11.3.2009, CR 2009, 450, 452 mit Anm. Rössel – Halzband. OLG Frankfurt a.M. vom 20.12.2007, CR 2008, 243 f. mit Anm. Stang/Hübner; vgl. auch LG Mannheim vom 30.1.2007, CR 2007, 394, 396; LG Mannheim vom 29.9.2006, ZUM-RD 2007, 252 ff.; LG Mannheim vom 29.9.2006, MMR 2007, 267 f. mit Anm. Solmecke; vgl. auch Volkmann, CR 2008, 232, 237. 5 LG München I vom 4.10.2007, K&R 2007, 667, 668 f.
468
IV. Störerhaftung
Das LG Frankfurt a.M.1,das LG Köln2, das LG Leipzig3, das LG Düsseldorf4, das LG München I5 und das LG Hamburg6 haben die Störerhaftung des Anschlussinhabers dagegen bejaht in Fällen, in denen Anschlüsse von Familienangehörigen oder Besuchern genutzt wurden und illegale Downloads von Computerspielen bzw. Musikdateien erfolgten. Das Überlassen eines Internetzugangs an Dritte – insbesondere an Jugendliche – schaffe bereits eine erhöhte Gefahr von Urheberrechtsverletzungen. Dies reiche für eine Störerhaftung aus7. Die nach der BGH-Rechtsprechung maßgebende Frage der Kenntnis von (früheren) Verletzungshandlungen stellten die Gerichte zumeist nicht einmal.
1782
Das LG Düsseldorf hat in einer jüngeren Entscheidung sogar eine täterschaftliche Haftung des Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen bejaht, die mittels des Anschlusses begangen werden. Die Haftung des Anschlussinhabers richte sich nach den Kriterien, die der BGH in seiner „Halzband“-Entscheidung8 aufgestellt habe. Eltern treffe eine verdachtsunabhängige Pflicht zur Überwachung der Internetaktivitäten ihrer Kinder9. Dass das LG Düsseldorf den Zugang zu einem Internetanschluss auf eine Gefahrenstufe mit der unsorgfältigen Aufbewahrung von Zugangsdaten stellt, ist befremdlich und nicht überzeugend10.
1783
oo) Ungesichertes WLAN
Wer das eigene WLAN nicht sichert, schafft nach Auffassung des OLG Düsseldorf eine Gefahrenquelle für Urheberrechtsverletzungen Dritter und haftet daher als Störer auf Unterlassung11. Dieselbe Ansicht vertreten
1 LG Frankfurt a.M. vom 12.4.2007, MMR 2007, 804, 805; LG Frankfurt a.M. vom 22.2.2007, CR 2007, 670, 671; vgl. auch AG Frankfurt a.M. vom 29.1.2010, CR 2010, 273 f.; AG Frankfurt a.M. vom 5.6.2009, MMR 2010, 263 (Ls.). 2 LG Köln vom 21.4.2010, Az. 28 O 586/09; LG Köln vom 13.5.2009, CR 2009, 684 ff.; LG Köln vom 28.2.2007, ZUM-RD 2008, 93 ff.; LG Köln vom 22.11.2006, CR 2008, 184, 185 f. 3 LG Leipzig vom 8.2.2008, MMR 2009, 219 (Ls.). 4 LG Düsseldorf vom 26.8.2009, GRUR-RR 2010, 173 (Ls.). 5 LG München I vom 19.6.1008, K&R 2008, 474 ff. = MMR 2008, 619 ff. = CR 2008, 661 ff. = ZUM 2008, 805 ff. 6 LG Hamburg vom 5.3.2010, Az. 308 O 691/09; LG Hamburg vom 15.7.2008, MMR 2008, 685, 686 f. = ITRB 2008, 275 (Hüsch); LG Hamburg vom 2.8.2006, CR 2006, 780, 781 f.; LG Hamburg vom 21.4.2006, CR 2007, 121 f. mit Anm. Grosskopf; LG Hamburg vom 25.1.2006, MMR 2006, 700. 7 Vgl. auch OLG Köln vom 23.12.2009, CR 2010, 336 ff. mit Anm. Kremer = IPRB 2010, 107 f. (Vohwinkel). 8 BGH vom 11.3.2009, CR 2009, 450, 451 f. mit Anm. Rössel – Halzband; siehe Rdnr. 1779. 9 LG Düsseldorf vom 27.5.2009, MMR 2009, 780 f. mit Anm. Solmecke/Müller. 10 Solmecke/Müller, MMR 2009, 781 f. 11 OLG Düsseldorf vom 27.12.2007, CR 2008, 182 f.; a.A. Gietel, MMR 2007, 630, 632; OLG Frankfurt a.M. vom 1.7.2008, CR 2008, 582 ff. mit Anm. Hornung.
469
1784
H. Haftung im Netz
das LG Mannheim1, das LG Düsseldorf2 und das LG Hamburg3. Der BGH hat sich dieser Auffassung angeschlossen4. pp) Einzelfälle
1785
Unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht hat das OLG Frankfurt a.M. den Betreiber eines Portals für Kleinanzeigen für verpflichtet erachtet, dafür Sorge zu tragen, dass gewerbliche Inserenten ihrer Impressumspflicht (§ 5 TMG)5 nachkommen6. Ähnlich hat das OLG Köln argumentiert und die Haftung eines Internetauktionsportals für Urheberrechtsverletzungen bejaht, die im Zusammenhang mit Kunstauktionen begangen wurden7. Das OLG Hamburg bejaht – anders als der BGH8 – eine Teilnehmerhaftung des Betreibers einer Versteigerungsplattform für Markenrechtsverletzungen und stützt sich dabei auf eine Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten9. Die Entscheidung des OLG Hamburg ist 72 Seiten lang, obwohl sie sich mit einem Sachverhalt befasst, den der BGH bereits mehrfach entschieden hat. Allein dies zeigt, dass der BGH durch seine Rechtsprechung zur Störerhaftung und zu Prüfungs- und Verkehrspflichten mehr für Verwirrung als für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesorgt hat.
1786
Das LG Berlin hat den Betreiber einer Website mit integrierter GoogleSuche für haftbar gehalten, wenn durch Suchergebnisse Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Das Gericht ging dabei davon aus, dass es dem Website-Betreiber „ohne größeren Aufwand durch eigene Software“ mögliche sein müsse, die streitigen Inhalte herauszufiltern.
1787
Das LG Düsseldorf hat jegliche Störerhaftung eines Online-Buchhändlers für Inhalte eines Buches, die Persönlichkeitsrechte verletzten, mit der Begründung abgelehnt, eine allgemeine Prüfungspflicht würde die tägliche Arbeit des Händlers über Gebühr erschweren10. 1 LG Mannheim vom 25.1.2007, MMR 2007, 537 f. mit Anm. Ernst. 2 LG Düsseldorf vom 16.7.2008, K&R 2008, 546, 547 f. = ZUM 2008, 797, 798 = MMR 2008, 684, 685. 3 LG Hamburg vom 26.7.2006, MMR 2006, 763, 764 mit Anm. Mantz 4 BGH vom 12.5.2010, GRUR-Prax 2010, 269 mit Anm. Obergfell = WRP 2010, 912 – Sommer unseres Lebens. 5 Siehe Rz. 1180 ff. 6 OLG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008, K&R 2008, 60 f. 7 OLG Köln vom 26.9.2008, ZUM 2009, 68 ff. 8 Vgl. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636 = CR 2007, 523 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 30.4.2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531= K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 9 OLG Hamburg vom 24.7.2008, WRP 2008, 1569 ff. 10 OLG Düsseldorf vom 18.3.2009, MMR 2009, 505 (Ls.)
470
IV. Störerhaftung
Der Betreiber der Handelsplattform restposten.de haftet nach Auffassung des LG Düsseldorf nicht für Markenrechtsverletzungen einzelner Nutzer, wenn er nach Mitteilung eines Gesetzesverstoßes das Angebot unverzüglich entfernt. Die – vom BGH1 bejahte – Frage, ob sich aus der Kenntnis der Verstöße für die Zukunft Prüfungspflichen ableiten lassen, stellte das LG Düsseldorf gar nicht erst2.
1 Vgl. BGH vom 11.3.2004, CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668, = K&R 2004, 486 – Internet-Versteigerung; BGH vom 19.4.2007, NJW 2007, 2636 = CR 2007, 523 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507 mit Anm. Spindler = BGH Report 2007, 825 mit Anm. Härting – Internet-Versteigerung II; BGH vom 30.4 2008, CR 2008, 579 = GRUR 2008, 702 = NJW-RR 2008, 1136 = WRP 2008, 1104 = MMR 2008, 531= K&R 2008, 435 mit Anm. Dittrich – Internet-Versteigerung III. 2 LG Düsseldorf vom 19.3.2008, MMR 2008, 625 f.
471
1788
J. Kollisionsrecht Rz. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1797 Die Rom-I-VO . . . . . . . . . . . . . . 1798 Rechtswahlklauseln . . . . . . . . 1801 Schranken der Rechtswahl . . . 1809 a) Willkürliche Rechtswahl . . 1810 b) Umgehung von inländischem Verbraucherschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1813 c) Umgehung von EU-Verbraucherschutzrecht . . . . . . 1819 d) Zwingende Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1824 4. Vertragsstatut bei fehlender Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . 1827 a) Vertragscharakteristische Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . 1827 b) Verbraucherverträge . . . . . . 1832 5. Sonderanknüpfungen . . . . . . . . 1835 6. Das UN-Kaufrecht . . . . . . . . . . 1839 I. 1. 2. 3.
II. Außervertragliches Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1842 1. Allgemeines Deliktsrecht . . . . 1843 2. Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . 1850 3. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1857 a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip . . . . . . . . 1858 b) Handlungsort im Internet . 1864 c) Reichweite des deutschen Urheberrechts . . . . . . . . . . . 1870
Rz. 4. Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1873 a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip . . . . . . . . 1874 b) Handlungsort im Internet . 1875 5. Herkunftslandprinzip . . . . . . . 1878 III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte . . . . . . . . . . 1885 1. Vertragliche Ansprüche . . . . . . 1889 a) Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1891 b) Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . 1897 c) Weitere Gerichtsstände . . . 1900 d) Verbraucherverträge . . . . . . 1901 2. Außervertragliche Ansprüche 1912 a) Deliktische Ansprüche . . . 1916 aa) Erfolgsort . . . . . . . . . . . 1922 bb) Abrufbarkeit von Internetseiten im Inland 1927 cc) „Kollisionslage“ bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen . . . . . . . . . 1929 dd) Bestimmungsgemäße Abrufbarkeit . . . . . . . . . 1934 b) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . 1940 c) Urheberrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1944 d) Markenrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1946
1789
Das Internet stellt Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vor immer neue Herausforderungen. Auch das Recht sieht sich mit der Aufgabe konfrontiert, neue Sachverhalte in bewährte Strukturen einzuordnen und hergebrachte Denkweisen fortzuentwickeln.
1790
Zu den Herausforderungen an die Rechtsordnungen zählt die Frage nach dem (nationalen) Recht, das auf Internet-Sachverhalte anwendbar ist. Das Internationale Privatrecht beantwortet diese Frage.
1791
Das Internationale Privatrecht ist kein „internationales“ Recht. Vielmehr handelt es sich um innerstaatliche Normen1. Diese regeln, welches materielle Recht auf einen Sachverhalt anwendbar ist, der Auslandsberührung aufweist2. 1 Vgl. Kegel/Schurig, IPR, S. 9; Kropholler, IPR, S. 8. 2 Thorn in Palandt, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rdnr. 1.
472
J. Kollisionsrecht
Das Internationale Privatrecht wird relevant, wenn der Bezug eines Sachverhalts zu mehreren Staaten kollidierende Rechtsordnungen auf den Plan ruft. Wegen dieser Kollisionslage, um die es im Internationalen Privatrecht geht, spricht man auch von Kollisionsrecht1.
1792
Das Internet bietet mannigfaltige Beispielsfälle der Auslandsberührung, die zu kollisionsrechlichen Fragen führen: Der deutsche Nutzer ruft die Internetseiten eines US-amerikanischen Unternehmens auf. Das amerikanische Unternehmen bietet Bücher zum Kauf an, die aus den USA, Großbritannien oder Australien geliefert werden. Der Server, den der amerikanische Anbieter zur Speicherung seiner Internetseiten nutzt, kann in den USA, ebenso aber auch in China oder Mexiko stehen. In die Kommunikation zwischen dem deutschen Nutzer und dem amerikanischen Anbieter können Server zwischengeschaltet sein, die sich in Norwegen oder Kanada befinden.
1793
Die Frage nach dem anwendbaren Recht kann sich beim Abschluss und bei der Abwicklung von Verträgen, aber auch außerhalb vertraglicher Beziehungen stellen. Wenn ein deutscher Verbraucher bei einem koreanischen Unternehmen über das Internet Waren bestellt, ist die Anwendung deutschen Rechts auf den Kaufvertrag keine Selbstverständlichkeit. Entsprechendes gilt, wenn ein spanisches Unternehmen über das Internet geschäftsschädigende Aussagen über die Produkte eines deutschen Konkurrenten verbreitet oder dessen Urheberrechte verletzt. Fraglich ist dann, ob spanisches oder deutsches Recht oder gar das Recht eines Drittstaates zur Anwendung kommt.
1794
Soweit es um vertragliche Schuldverhältnisse geht, bestimmt sich das anwendbare Recht seit dem 17.12.2009 nach der Rom I-Verordnung der EU (Rom-I-VO)2. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse ist seit dem 11.1.2009 die Rom-II-VO der EU (Rom-II-VO) anzuwenden3. Beide Verordnungen beanspruchen auch dann Geltung, wenn das nach den Verordnungen anwendbare Recht nicht das Recht eines Mitgliedsstaates der EU ist (universelle Geltung gemäß Art. 2 Rom-I-VO4 und Art. 3 Rom-II-VO5).
1795
Ein deutsches Gericht steht erst dann vor der Frage, welches materielle Recht auf einen Sachverhalt anwendbar ist, wenn es seine Zuständigkeit bejaht hat. Ob und inwieweit deutsche Gerichte in Fällen eingeschaltet
1796
1 V. Hoffmann/Thorn, IPR, § 1 Rdnr. 34. 2 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. EG Nr. L 177/6 vom 4.7.2008; vgl. Brödermann, NJW 2010, 807 ff.; Lejeune, ITRB 2010, 66 ff. 3 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. EG Nr. L 199/40 vom 31.7.2007; vgl. Brödermann, NJW 2010, 807 ff.; Junker, NJW 2007, 3675 ff. 4 Vgl. Brödermann, NJW 2010, 807, 809; Lejeune, ITRB 2010, 66, 66. 5 Vgl. Brödermann, NJW 2010, 807, 809; Junker, NJW 2007, 3675, 3677.
473
J. Kollisionsrecht
werden können, die Auslandsberührung aufweisen, regelt das Internationale Zuständigkeitsrecht. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen (deutschen) Gerichts lässt sich als Vorfrage des Kollisionsrechts bezeichnen1.
I. Vertragsrecht 1797
Übersicht Rechtswahl (Art. 3 Rom-I-VO): – ausdrückliche Rechtswahl: Wirksamkeit der Rechtswahlklausel (insbesondere AGB-Recht, Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Rom-I-VO); – stillschweigende Rechtswahl: Indizien wie Gerichtsstand, Schiedsklausel, Vertragssprache, Erfüllungsort; – zwingendes Recht: Verbraucherschutzrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 RomI-VO und Art. 46 b EGBGB) und sonstige Eingriffsnormen (Art. 9 RomI-VO). Keine Rechtswahl (Art. 4 Rom-I-VO): – Verträge zwischen Unternehmern: maßgeblich primär die vertragscharakteristische Leistung (Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom-I-VO); – Verbraucherverträge: maßgeblich primär der gewöhnliche Aufenthaltsort des Verbrauchers (Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO). Sonderanknüpfungen (Art. 11 und 13 Rom-I-VO): – Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit (Art. 13 Rom-I-VO); – Formwirksamkeit (Art. 11 Rom-I-VO; Ausnahme für Verbraucherverträge gemäß Art. 11 Abs. 4 Rom-I-VO). UN-Kaufrecht: – nicht anwendbar bei vertraglichem Ausschluss sowie bei Verbraucherverträgen und bei Lieferung nicht-physischer Sachen. 1. Die Rom-I-VO
1798
Art. 3 und 4 Rom-I-VO sind an die Stelle von Art. 27 und 28 EGBGB getreten und regeln die Frage, welches Recht auf grenzüberschreitende Verträge anwendbar ist. Die Art. 27 und 28 EGBGB beruhten auf dem Römischen EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (EVÜ). Die Rom-I-VO entwickelt das nach dem EVÜ geltende Recht behutsam fort, ohne grundlegende Änderungen einzuführen2. 1 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 25 Rdnr. 17. 2 Lejeune, ITRB 2010, 66 ff.
474
I. Vertragsrecht
Die Rom-I-VO gilt für Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen worden sind (Art. 28 Rom-I-VO). Auf ältere Verträge bleiben die Art. 27 und 28 EGBGB anwendbar1.
1799
Das nach der Rom-I-VO auf einen Vertrag anzuwendende Recht ist nach Art. 12 Abs. 1 Rom-I-VO insbesondere maßgebend für die Vertragsauslegung, für die Vertragserfüllung und die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung sowie für das Erlöschen von Verpflichtungen, für die Verjährung und andere Einreden. Dasselbe gilt für Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo). Art. 1 Abs. 2 lit. i Rom-I-VO enthält zwar eine Ausnahme für diese Ansprüche, die aus Sicht des Verordnungsgebers nicht zu den Ansprüchen aus vertraglichen Schuldverhältnissen zählen. Die Rückverweisung in Art. 12 Abs. 1 RomII-VO hebt Art. 1 Abs. 2 lit. i Rom-I-VO jedoch faktisch weitestgehend auf2.
1800
2. Rechtswahlklauseln
Vertragliche Rechtswahlklauseln werden in den allermeisten Rechtsordnungen seit jeher als bindend anerkannt. Bis zum Inkrafttreten der RomI-VO war dies in Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB geregelt3. Nach der RomI-VO ergibt sich die Bindung aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1. Der Vertrag unterliegt danach dem von den Parteien gewählten Recht. Erwägungsgrund 11 der Rom-I-VO bezeichnet die freie Rechtswahl der Parteien als einen der „Ecksteine“ des in der Verordnung geregelten (vertraglichen) Kollisionsrechts.
1801
Fehlt es an einer ausdrücklichen Rechtswahl, kann die Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO (vormals: Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) auch konkludent erfolgen. Wird beispielsweise in einem Vertragsformular wiederholt auf deutsche Rechtsnormen verwiesen, kann dies eine stillschweigende Vereinbarung der Geltung deutschen Rechts beinhalten4.
1802
Erforderlich für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl ist ein entsprechender Parteiwille, der aus den Bestimmungen des Vertrages
1803
1 Thorn in Palandt, Vorb. Rom I Rdnr. 1. 2 Vgl. Lejeune, ITRB 2010, 66, 66 f. 3 Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 1; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 182 f.; Koch, Internet-Recht, S. 828; BGH vom 26.10.1993, NJW 1994, 262. 4 Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 58; v. Hoffmann/ Thorn, IPR, § 10 Rdnr. 32; Kegel/Schurig, IPR, S. 657; Mehrings, CR 1998, 613, 616; OLG Köln vom 8.1.1993, MDR 1993, 315, 315 f.
475
J. Kollisionsrecht
oder den sonstigen Umständen des Falles hervorgeht1. Mögliche Anhaltspunkte für einen solchen Parteiwillen können auch die Vertragssprache2, eine vorherige Praxis der Parteien3 oder eine Gerichtsstandsvereinbarung4 oder Schiedsgerichtsklausel5 sein. Erwägungsgrund 12 der Rom-I-VO erwähnt ausdrücklich eine ausschließliche Gerichtsstandvereinbarung als einen der Faktoren, die für eine Rechtswahl sprechen können6. 1804
Gemäß Art. 3 Abs. 2 Rom-I-VO (vormals: Art. 27 Abs. 2 EGBGB) kann die Rechtswahl auch nach Vertragsschluss erfolgen bzw. geändert werden7. Eine nachträgliche stillschweigende Rechtswahl kann sich daraus ergeben, dass die Parteien im Laufe einer gerichtlichen Auseinandersetzung übereinstimmend von der Geltung der Vorschriften einer bestimmten Rechtsordnung ausgehen8.
1805
➲ Praxistipp: Internetanbietern ist die Aufnahme von Rechtswahlklauseln in die Vertragsbedingungen (AGB) nachdrücklich zu empfehlen. Rechtswahlklauseln sind der einzig mögliche Schutz gegen eine ungewollte Inanspruchnahme durch den Vertragspartner auf der Basis von unbekannten Bestimmungen ausländischen Rechts.
1806
Nach Art. 3 Abs. 5 Rom-I-VO (vormals: Art. 27 Abs. 4 EGBGB) findet Art. 11 Rom-I-VO (vormals: Art. 11 EGBGB) auf die Formwirksamkeit von Rechtswahlklauseln Anwendung. Es reicht aus, wenn die Formvorschriften des Rechts eingehalten werden, das auf den Vertrag (im Übrigen) anwendbar ist, oder wenn die Form gewahrt wird, die das Recht des Staates vorschreibt, in dem der Vertrag geschlossen wird (Art. 11 Abs. 1 Rom-I-VO). Halten sich die Vertragspartner bei Vertragsschluss in verschiedenen Staaten auf, genügt es nach Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO, dass die Formerfordernisse des Rechts eines der Staaten beachtet werden, in denen sich einer der Vertragspartner befindet oder in denen einer der Vertragspartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn somit ein spanischer Verkäufer mit einem niederländischen Käufer einen Vertrag 1 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 46; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rdnr. 33; Mehrings, CR 1998, 613, 616; Thorn in Palandt, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 6; Rauscher, IPR, Rdnr. 1085. 2 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 45; Mehrings, CR 1998, 613, 616; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2370; BGH vom 28.1.1997, NJW-RR 1997, 686, 687. 3 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 66; Mehrings, CR 1998, 613, 616. 4 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 48; Kegel/Schurig, IPR, S. 658; Junker, RIW, 1999, 809, 817; Mehrings, CR 1998, 613, 616; BGH vom 4.2.1991, NJW 1991, 1420, 1420 f. 5 Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 42; Junker, RIW 1999, 809, 817. 6 Vgl. Lejeune, ITRB 2010, 66, 67. 7 Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 78 ff.; Thorn in Palandt, Art. 3 Rom I Rdnr. 11; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rdnr. 40. 8 Kropholler, IPR, S. 460; Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 78; Mehrings, CR 1998, 613, 616.
476
I. Vertragsrecht
schließt und mündlich die Anwendung französischen Rechts vereinbart, reicht es für die Formwirksamkeit der Rechtswahl aus, wenn das spanische, das niederländische oder das französische Recht eine formfreie Rechtswahl anerkennen1. Nach Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 Rom-I-VO (vormals: Art. 27 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 EGBGB) beurteilen sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit von Rechtswahlklauseln im Übrigen nach dem Recht, das auf den Vertrag nach der Rechtswahlklausel anwendbar sein soll2. Nimmt ein Internetanbieter somit in seine Geschäftsbedingungen die Festlegung auf, dass deutsches Recht anwendbar ist, so gelten für die Einbeziehung und die Wirksamkeit der Klausel die §§ 305 ff. BGB3.
1807
Der Schutz, den Rechtswahlklauseln gegen die ungewollte Anwendung fremder Rechtsnormen bieten, ist nicht lückenlos. Für die Auslegung und Anerkennung einer Rechtswahlklausel gilt das Internationale Privatrecht des Staates, in dem das angerufene Gericht ansässig ist4. Es lässt sich nie ausschließen, dass ein ausländisches Gericht nach seinem eigenen Kollisionsrecht zu einer Anwendung ausländischer Vorschriften gelangt, nach denen eine Rechtswahlklausel nicht oder nur eingeschränkt anerkannt wird.
1808
3. Schranken der Rechtswahl
Das anwendbare Recht steht nicht grenzenlos zur Disposition der Parteien5. Insbesondere verbraucherschutzrechtliche Normen, aber auch andere Schutzvorschriften des nationalen Rechts können durch eine Rechtswahl nicht umgangen werden. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 und 4 RomI-VO sowie aus den Art. 6, 9 und 21 Rom-I-VO und aus Art. 46 b EGBGB (vormals: Art. 27 Abs. 3, 29, 29 a und 34 EGBGB).
1809
a) Willkürliche Rechtswahl
Ist ein Sachverhalt nur mit einem Staat verbunden, so sind dessen zwingende Vorschriften gemäß Art. 3 Abs. 3 Rom-I-VO (vormals: Art. 27 Abs. 3 EGBGB6) auch dann anwendbar, wenn eine anderweitige Rechtswahl getroffen wurde7. Ein entsprechender Vorbehalt gilt nach Art. 3 1 Vgl. zu Art. 11 EGBGB: Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 40; v. Mohrenfels in Staudinger, Art. 11 EGBGB Rdnr. 216 ff. 2 Spellenberg in MünchKomm-BGB, Art. 10 Rom II-VO Rdnr. 6; Thorn in Palandt, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 9; Rauscher, IPR, Rdnr. 1091. 3 Thorn in Palandt, Art. 10 Rom I Rdnr. 3; vgl. zu Art. 31 EGBGB: Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 39. 4 Mehrings, CR 1998, 613, 616; BGH vom 26.10.1993, BGHZ 123, 380, 382. 5 Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 87 ff.; Thorn in Palandt, Art. 3 Rom I Rdnr. 4 f.; Mehrings, CR 1998, 613, 615. 6 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rdnr. 29. 7 Vgl. Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 94.
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1810
J. Kollisionsrecht
Abs. 4 Rom-I-VO für zwingendes EU-Recht, wenn trotz der Verbundenheit des Sachverhalts mit einem oder mehreren EU-Mitgliedsstaaten das Recht eines Staates gewählt wird, der nicht EU-Mitglied ist1. 1811
Schließt ein französischer Käufer mit einem französischen Verkäufer per Internet einen Vertrag über die Lieferung von Musik-CDs, sind zwingende Bestimmungen des französischen Rechts auch dann anwendbar, wenn die Anwendbarkeit des Rechts eines anderen Staates (z.B. spanisches Recht) vereinbart wird.
1812
Wegen des Schutzcharakters des Art. 3 Abs. 3 Rom-I-VO und zur Vermeidung willkürlicher Zufallsergebnisse gilt Art. 3 Abs. 3 Rom-I-VO auch dann, wenn die Kommunikation der inländischen Vertragspartner über Server erfolgt, die sich in einem Drittstaat (z.B. Spanien) befinden, und die Verbindung zu dem Drittstaat auf die bloße Durchleitung elektronischer Daten beschränkt ist2. Dass der französische Käufer einen spanischen Internet-Provider benutzt, reicht demnach nicht aus, um die Anwendbarkeit zwingenden französischen Rechts durch Rechtswahl ausschließen zu können. Entsprechendes gilt für Art. 3 Abs. 4 Rom-I-VO, wenn sich die Berührung zu einem Staat, der nicht EU-Mitgliedsstaat ist, darauf beschränkt, dass Server genutzt werden, die sich in diesem Staat befinden. b) Umgehung von inländischem Verbraucherschutzrecht
1813
Die Rechtswahl ist auch bei Verbraucherverträgen grundsätzlich zulässig3. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO stellt dies klar.
1814
Unabhängig von der getroffenen Rechtswahl kann sich der Verbraucher gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO auf die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates berufen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn sein Vertragspartner ein Unternehmer ist, der entweder seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausübt (Art. 6 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO) oder eine solche Tätigkeit jedenfalls (auch) auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausrichtet (Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom-I-VO).
1815
Nach dem früheren Art. 29 Abs. 1 EGBGB war maßgeblich, ob der Vertragsschluss auf einem ausdrücklichen Angebot oder einer Werbung im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers beruhte und der Verbraucher in seinem Aufenthaltsstaat die zum Vertragsschluss erforderlichen Rechts-
1 Vgl. Lejeune, ITRB 2010, 66, 67. 2 Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 884 f. 3 Thorn in Palandt, Art. 6 Rom I Rdnr. 1.
478
I. Vertragsrecht
handlungen vorgenommen hatte1. Ob es eines „Ausrichtens“ auf deutsche Verbraucher bereits nach altem Recht bedurfte, war streitig2. Vielfach wurde ein ausdrückliches Angebot an deutsche Verbraucher oder eine Werbung in Deutschland schon dann bejaht, wenn Waren oder Dienstleistungen über das Internet weltweit angeboten wurden3 oder wenn die Website keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthielt, dass ein Vertragsschluss mit deutschen Verbrauchern unerwünscht war4. Das „Ausrichten“ einer Website auf inländische Verbraucher ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom-I-VO jetzt für eine Anwendung inländischen Verbraucherschutzrechts erforderlich. Für den inländischen Verbraucher muss erkennbar sein, dass sich die Website auch an inländische Kunden richtet. Kriterien sind etwa Sprache, Ansprechpartner oder die Ausrichtung der Vertragsbedingungen auf das Inland5. Die „Zugänglichkeit einer Website“ allein ist jedenfalls nicht ausreichend für eine „Ausrichtung“ auf inländische Verbraucher (Erwägungsgrund 24 der Rom-I-VO).
1816
Das nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO maßgebliche zwingende Recht ist das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Deutsches Verbraucherschutzrecht kann somit nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO auch dann anwendbar sein, wenn ein deutscher Verbraucher während seines Urlaubes in Spanien die Internet-Bestellung tätigt. Nach Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB konnte das Heimatrecht des Verbrauchers dagegen nur angewendet werden, wenn der Verbraucher in seinem Heimatstaat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hatte6.
1817
Zu den zwingenden Vorschriften des Heimatrechts, die gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO trotz anderweitiger Rechtswahl auf Verbraucherverträge anwendbar sind, gehört insbesondere auch das AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB)7.
1818
1 Vgl. Borges, ZIP 1999, 565, 567 f.; Mehrings, CR 1998, 613, 617; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2370. 2 Vgl. Giuliano/Lagarde, BT-Drucks. 10/503, S. 36, 56; Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 243; Spindler, MMR 2000, 18, 21 ff. 3 Hohloch in Erman, Art. 29 EGBGB Rdnr. 11; Thorn, IPRax 1999, 1, 4; Mankowski, RabelsZ 1999, 203, 248; vgl. auch Thorn in Palandt, Art. 6 Rom I Rdnr. 6. 4 Lüderitz, FS Riesenfeld, S. 158; Mehrings, CR 1998, 613, 619; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2371. 5 Vgl. Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 712; Rüßmann, K&R 1998, 129, 134, a.A. Thorn in Palandt, Art. 6 Rom I Rdnr. 6. 6 Vgl. Mehrings, CR 1998, 613, 620 m.w.N. 7 LG Hamburg vom 7.8.2009, K&R 2009, 735, 738 mit Anm. Wieduwilt.
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J. Kollisionsrecht
c) Umgehung von EU-Verbraucherschutzrecht
1819
Bei der Verwendung von Rechtswahlklauseln gegenüber Verbrauchern aus Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) setzt Art. 46 b EGBGB (vormals: Art. 29 a EGBGB) der Wirksamkeit der Rechtswahl Schranken. Dies gilt für Klauseln, die die Anwendbarkeit eines Rechts außerhalb des EWR vorsehen, obwohl der Vertrag einen engen Zusammenhang zu dem Gebiet eines Staates aus dem EWR aufweist1. In einem solchen Fall bleiben die nationalen Bestimmungen anwendbar, die der Umsetzung europäischer Verbraucherschutzrichtlinien dienen. Der deutsche Verbraucher wird auf diese Weise gegen eine Umgehung des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB), des Fernabsatzrechts (§§ 312 b ff. BGB), des Rechts des Time-Sharing (§§ 481 ff. BGB), des Rechts über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) sowie des Verbraucherkreditrechts (§§ 491 ff. BGB) geschützt2.
1820
Die Richtlinien, die dem Umgehungsverbot des Art. 46 b EGBGB unterliegen, sind in Art. 46 b Abs. 4 Nr. 1 bis 6 EGBGB aufgezählt. Die Aufzählung ist abschließend3, sodass beispielsweise die Bestimmungen des Haustürwiderrufsrechts (§§ 312 f. BGB) von dem Umgehungsverbot nicht erfasst sind.
1821
Ein enger Zusammenhang mit dem Gebiet eines EWR-Staates ist gemäß Art. 46 b Abs. 2 EGBGB insbesondere anzunehmen, wenn der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EWR-Staat hat und einen Vertrag schließt mit einem Unternehmer, der seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit (auch) auf diesen Staat „ausgerichtet“ hat. Ob eine solche „Ausrichtung“ vorliegt, entscheidet sich nach den Kriterien, die auch für Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO gelten4.
1822
Anders als nach Art. 29 a EGBGB kommt es nicht mehr darauf an, ob der Verbraucher den Vertrag auf Grund eines „öffentlichen Angebots“ oder einer „öffentlichen Werbung“ geschlossen hat. Wie bei Art. 29 EGBGB war auch bei der Auslegung des Art. 29 a EGBGB streitig, ob es hierfür ausreichte, dass die Website des Unternehmers im EWR-Gebiet abrufbar war5.
1823
Liegen die Voraussetzungen eines Verbrauchervertrages gemäß Art. 46 b Abs. 2 EGBGB vor und ist eine Rechtswahl getroffen worden, so wird die Rechtswahl nur durch die Schutzvorschriften durchbrochen, die in Art. 46 b Nr. 1 bis 6 EGBGB aufgeführt sind. Ebenso wie bei Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO geht die Rechtswahl nicht vollständig ins Leere. 1 2 3 4 5
Vgl. Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 343. Vgl. Thorn in Palandt, Art. 46b EGBGB Rdnr. 6 f. Thorn in Palandt, Art. 46b EGBGB Rdnr. 2. Siehe Rz. 1816. Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 257; Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 345.
480
I. Vertragsrecht
d) Zwingende Eingriffsnormen
Art. 9 Rom-I-VO erlaubt die Anwendung zwingender Eingriffsnormen des inländischen Rechts trotz abweichender Rechtswahl1. Die Norm ist an die Stelle des Art. 34 EGBGB getreten, ohne dass inhaltliche Neuregelungen ersichtlich sind2.
1824
Eine Eingriffsnorm ist nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe der Rom-I-VO für den Vertrag geltenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist.
1825
Als Generalklausel bedarf Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO einer fallweisen Konkretisierung, bei der es einerseits auf die Stärke des Inlandbezuges des zu entscheidenden Falles und andererseits auf den Gerechtigkeitsgehalt der betreffenden Eingriffsnorm ankommt3. Typische Anwendungsfälle sind das Außenwirtschafts- und Devisenrecht oder auch das Kartell- oder Wohnraummietrecht. Bei Internet-Versandapotheken kann sich die Frage stellen, ob die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) als Eingriffsnormen gemäß Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO anzusehen sind4.
1826
4. Vertragsstatut bei fehlender Rechtswahl a) Vertragscharakteristische Leistung
Haben die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart, welches Recht auf ihre Vertragsbeziehung Anwendung finden soll, so bestimmt sich das Vertragsstatut nach Art. 4 Rom-I-VO (vormals: Art. 28 EGBGB). Gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO unterliegt der Vertrag in einem solchen Fall – wie bereits nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB5 – dem Recht des Staates, in dem die Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, die die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat.
1827
Art. 4 Abs. 1 Rom-I-VO ist neu und stellt für eine Reihe von Vertragstypen klar, welcher der Vertragspartner die für das anwendbare Recht maßgebliche, vertragscharakteristische Leistung erbringt. Beim Kaufvertrag über bewegliche Sachen ist dies – wie bereits aus altem Recht ableit-
1828
1 Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 9 Rom I-VO Rdnr. 1. 2 Vgl. Thorn in Palandt, Art. 9 Rom I Rdnr. 1; Lejeune, ITRB 2010, 66, 68. 3 Vgl. Hohloch in Erman, Art. 34 EGBGB Rdnr. 13; Thorn in Palandt, Art. 9 Rom I Rdnr. 6. 4 Vgl. LG München I vom 18.6.2008, MMR 2008, 782 (Ls.). 5 Thorn in Palandt, Art. 4 Rom I Rdnr. 1; vgl. zu Art. 28 EGBGB: Hohloch in Erman, Art. 28 EGBGB Rdnr. 1; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 183; Koch, Internet-Recht, S. 830; Strömer, Online-Recht, S. 300 f.; Mehrings, CR 1998, 613, 616.
481
J. Kollisionsrecht
bar1 – der Verkäufer (Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO) und bei Dienstleistungen der Dienstleister (Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom-I-VO). 1829
Art. 4 Abs. 1 Rom-I-VO führt dazu, dass Verträge, die deutsche Käufer mit ausländischen Leistungsanbietern abschließen, regelmäßig nach ausländischem Recht zu beurteilen sind, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde und wenn der Käufer kein Verbraucher ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 RomI-VO). Dasselbe gilt bei Dienstleistungen. Bucht ein deutscher Kunde bei einem polnischen Internetanbieter eine Flugreise, so ist die Leistung des polnischen Anbieters für den Vertrag kennzeichnend. Wenn keine Rechtswahl erfolgt und der deutsche Kunde nicht Verbraucher ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO), findet polnisches Recht Anwendung.
1830
Ähnlich wie nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB2 gilt für das nach Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom-I-VO anwendbare Recht nur eine (widerlegbare) Vermutung der Anwendbarkeit. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Art. 4 Abs. 1 oder 2 Rom-I-VO bestimmten Staat aufweist, so ist nach Art. 4 Abs. 3 Rom-I-VO das Recht des Staates anzuwenden, zu dem die engere Verbindung besteht. Nach Art. 4 Abs. 4 Rom-I-VO gilt dasselbe, wenn sich aus Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom-I-VO nicht ableiten lässt, welches Recht Anwendung findet.
1831
Eine von Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO abweichende Beurteilung kann geboten sein, wenn der ausländische Internetanbieter sein Warenangebot gezielt auf den deutschen Markt ausrichtet und für dieses Angebot beispielsweise ausschließlich in deutscher Sprache wirbt. In einem solchen Fall liegt der Schluss nahe, dass der Vertrag engere Verbindungen zu Deutschland aufweist als zu dem Herkunftsstaat des ausländischen Vertragspartners. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO ist entkräftet und deutsches Recht nach Art. 4 Abs. 3 Rom-I-VO anwendbar. b) Verbraucherverträge
1832
Bei Verträgen ohne Rechtswahlklausel gelten erhebliche Besonderheiten, wenn es sich um Verbraucherverträge i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO (vormals: Art. 29 Abs. 1 EGBGB3) handelt. Ein Verbrauchervertrag liegt vor, wenn sich eine ausländische Website auf inländische Verbraucher „ausrichtet“4 .
1 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rdnr. 45; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 183; Kegel/Schurig, IPR, S. 662; Kropholler, IPR, S. 468; Reithmann/ Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 122; Mehrings, CR 1998, 613, 617. 2 Vgl. Magnus in Staudinger, Art. 28 Rdnr. 126 ff. 3 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rdnr. 66; Kegel/Schurig, IPR, S. 673 ff.; Kropholler, IPR, S. 480 f.; Rauscher, IPR, Rdnr. 1145a. 4 Siehe Rz. 1816.
482
I. Vertragsrecht
Nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO gilt für Verbraucherverträge bei fehlender Rechtswahl das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat1. Somit sind nicht nur die Vorschriften des inländischen Verbraucherschutzrechts (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 RomI-VO und Art. 46 b Abs. 4 Nr. 1 bis 6 EGBGB) anwendbar. Vielmehr gilt insgesamt deutsches Recht, wenn ein deutscher Verbraucher im Ausland Waren oder Dienstleistungen bestellt.
1833
➲ Praxistipp: Nur eine Rechtwahlklausel kann den Internetanbieter vor einer uferlosen Anwendung des Heimatrechts seiner ausländischen Kunden schützen.
1834
5. Sonderanknüpfungen
Lässt sich das allgemeine Vertragsstatut durch eine Anwendung der Art. 3, 4 und 6 Rom-I-VO bestimmen, so sind daneben noch die Sonderanknüpfungen zu beachten, die für einzelne vertragsrechtliche Aspekte in den Art. 11 und 13 Rom-I-VO enthalten sind.
1835
Die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit der Vertragspartner beurteilt sich gemäß Art. 13 Rom-I-VO grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem sich beide Vertragspartner befinden. Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass es bei der Beurteilung der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person ausschließlich auf deren Heimatrecht ankommt, wenn die Vertragspartner sich bei Vertragsschluss in unterschiedlichen Staaten befinden2. Das deutsche Minderjährigenrecht ist demnach bei Verträgen, die ein 14-jähriger deutscher Internetnutzer mit einem ausländischen Vertragspartner schließt, auch dann zu beachten, wenn im Übrigen ausländisches Recht auf die Vertragsbeziehung Anwendung findet (Art. 3, 4 und 6 Rom-I-VO). Dies entspricht der Rechtslage nach Art. 7 EGBGB3.
1836
Bei der Beurteilung der Formwirksamkeit von Verträgen ist Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO zu berücksichtigen. Danach ist ein Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wird, die sich in verschiedenen Staaten befinden, nicht nur dann formgültig, wenn er die Formerfordernisse des nach den Art. 3, 4 und 6 Rom-I-VO anwendbaren Rechts erfüllt. Die Formwirksamkeit des Vertrages ist vielmehr auch zu bejahen, wenn die Formvorschriften des Aufenthaltstaates eines Vertragspartners eingehalten werden. Dies entspricht der Rechtslage nach Art. 11 Abs. 2 EGBGB4.
1837
Auf Verbraucherverträge findet Art. 11 Rom-I-VO keine Anwendung (Art. 11 Abs. 4 Rom-I-VO). Die Form eines Verbrauchervertrages bestimmt
1838
1 2 3 4
Martiny in MünchKomm-BGB, Art. 6 Rom I-VO Rdnr. 40. Thorn in Palandt, Art. 13 Rom I, Rdnr. 1. Vgl. Kropholler, IPR, S. 317 f. Vgl. Spellenberg in MünchKomm-BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 8; v. Mohrenfels in Staudinger, Art. 11 EGBGB Rdnr. 216 ff.
483
J. Kollisionsrecht
sich ausschließlich nach dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies entspricht der Rechtslage nach dem früheren Art. 29 Abs. 3 EGBGB1. 6. Das UN-Kaufrecht
1839
Die seit 1991 in Deutschland geltende Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG; UN-Kaufrecht) ist grundsätzlich anwendbar, wenn die Parteien eines Kaufvertrages über bewegliche Sachen ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben oder wenn die Anwendung der Regeln des Internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führt (Art. 1 Abs. 1 lit. a und b CISG)2. Das UN-Kaufrecht darf daher bei Internet-Sachverhalten nicht vergessen werden.
1840
In vielen Fällen scheitert die Anwendung des UN-Kaufrechts an den Ausnahmeklauseln der CISG3. So ist die Anwendung des UN-Kaufrechts beispielsweise ausgeschlossen, wenn der Warenkauf für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt erfolgt und der Verkäufer dies weiß oder wissen muss (Art. 2 lit. a CISG)4. Gegenüber Verbrauchern gilt das UN-Kaufrecht daher regelmäßig nicht. Die Anwendung des UN-Kaufrechts kann zudem gemäß Art. 6 CISG von den Parteien ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen werden, wobei bereits eine klar gefasste Klausel über die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts als Ausschluss der Anwendung des UN-Kaufrechts zu werten sein kann5. Das UN-Kaufrecht gilt zudem nur für Verträge, die die physische Lieferung einer Sache beinhalten6. Auf den Online-Kauf von Software bei deren gleichzeitiger elektronischer Übermittlung ist daher das UN-Kaufrecht nicht anwendbar7, sofern man nicht – ähnlich wie im deutschen Kaufrecht8 und Fernabsatzrecht9 – den Software-Download der Warenlieferung gleichstellen möchte. 1 Vgl. Hohloch in Erman, Art. 29 EGBGB Rdnr. 21; Magnus in Staudinger, Art. 29 Rdnr. 116 ff. 2 Vgl. Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 1 Rdnr. 10; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 1 Rdnr. 4; Schlechtriem, Internationales UNKaufrecht, Rdnr. 9 f. 3 Vgl. Mehrings, CR 1998, 613, 615. 4 Vgl. Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 2 Rdnr. 7; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 2 Rdnr. 12 ff.; Koch, Internet-Recht, S. 824. 5 Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 6 Rdnr. 18; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 6 Rdnr. 6; Mehrings, CR 1998, 613, 615. 6 Ferrari in v. Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 1 Rdnr. 13 f.; Siehr in Honsell, UN-Kaufrecht, Art. 2 Rdnr. 1; Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, Rdnr. 31. 7 Vgl. Terlau in Moritz/Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Teil C Rdnr. 59; OLG Köln vom 26.8.1994, RIW 1994, 970. 8 Siehe Rz. 337. 9 Siehe Rz. 728.
484
II. Außervertragliches Haftungsrecht
➲ Praxistip: Internetanbietern, die die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts zweifelsfrei ausschließen möchten, ist eine entsprechende AGBKlausel zu empfehlen. Üblich sind Klauseln, die die Anwendbarkeit deutschen Rechts „unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“ vorsehen.
1841
II. Außervertragliches Haftungsrecht Seit dem 11.1.2009 gilt für das Kollisionsrecht bei außervertraglichen Schuldverhältnissen die Rom II-Verordnung der EU (Rom-II-VO)1. Die Verordnung ist auch dann anwendbar, wenn das nach der Verordnung anwendbare Recht nicht das Recht eines Mitgliedsstaates der EU ist (universelle Geltung gemäß Art. 3 Rom-II-VO).
1842
1. Allgemeines Deliktsrecht
Die wichtigste Vorschrift der Rom-II-VO ist die „allgemeine Kollisionsnorm“ des Art. 4 Rom-II-VO. Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO bestimmt die „lex loci damni“ zur Grundregel (vgl. Erwägungsgrund 18 der Rom-II-VO). Das anzuwendende Recht ist das Recht des Staates, in dem der Schaden eintritt, und zwar unabhängig von dem Staat oder den Staaten, in dem bzw. denen die indirekten Folgen auftreten (vgl. Erwägungsgrund 17 der Rom-II-VO). Maßgeblich ist allein der Erfolgsort2.
1843
Die Rom-II-VO ist anwendbar, wenn das schadensbegründende Ereignis nach dem 11.1.2009 eingetreten ist. Für Altfälle gilt daher weiterhin das Tatortprinzip3, das seit 1999 in Art. 40 EGBGB kodifiziert ist. Gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB beurteilen sich die Haftungsvoraussetzungen ebenso wie die Haftungsfolgen grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem die Verletzungshandlung begangen wurde (Handlungsort). Alternativ kann der Verletzte gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB verlangen, dass das Recht des Staates angewendet wird, in dem der Verletzungserfolg eingetreten ist (Erfolgsort)4.
1844
In Internetfällen tritt der Erfolg eines Delikts vielfach nicht in dem Staat ein, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist. Wird beispielsweise eine virenverseuchte E-Mail von Berlin nach Paris versandt, so liegen der Handlungsort in Deutschland und der Erfolgsort in Frankreich. Nach Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO ist allein französisches Recht maß-
1845
1 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. EG Nr. L 199/40 vom 31.7.2007; vgl. Brödermann, NJW 2010, 807 ff.; Junker, NJW 2007, 3675 ff.; Wagner, IPRax 2008, 1 ff. 2 Junker in MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom II-VO Rdnr. 18; Rauscher, IPR, Rdnr. 1271 ff. 3 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rdnr. 21; Kegel/Schurig, IPR, S. 720 ff.; Kropholler, IPR, S. 522; Ehmann/Thorn, AfP 1996, 20, 22. 4 Vgl. Kegel/Schurig, IPR, S. 725; Kropholler, IPR, S. 524; Ehmann/Thorn, AfP 1996, 20, 22.
485
J. Kollisionsrecht
gebend. Nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB hatte der Geschädigte dagegen die Wahl, ob er gegen den Schädiger nach deutschem oder nach französischem Recht vorgehen mochte1. 1846
Wenn es um Rechtsverletzungen geht, die auf Websites begangen werden, kommt es für die Beurteilung eines inländischen Erfolgsortes auf die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit der Website im Inland an. Wenn daher ein lettisches Luftfahrtunternehmen eine – nach Auffassung des Klägers rechtswidrige – „Reiseinformation“ auf ihren deutschsprachigen Internetseiten verwendet, ist ein deutscher Erfolgsort zu bejahen. Verwendet wird die „Reiseinformation“ dort, wo sie (potenziellen) Fluggästen zur Kenntnis gegeben wird; dies geschieht bei einer Verwendung im Internet überall dort, wo sich Verbraucher bestimmungsgemäß mit Hilfe des Internetauftritts über die Bedingungen unterrichten, die der Website-Betreiber den von ihm angebotenen Beförderungsverträgen zugrunde legen möchte2.
1847
Ohne Belang für die Bestimmung des Erfolgsortes ist der Standort des Servers, auf dem eine Website, eine E-Mail oder andere Inhalte abgespeichert sind. Der Standort des Servers lässt sich willkürlich festlegen und ist als Bezugspunkt für eine rechtliche Bewertung ungeeignet3. Wird für den Versand einer virenverseuchten E-Mail ein Server in Panama verwendet, reicht dies für eine Anwendung panamaischen Rechts nicht aus.
1848
Eine Ausnahme von der „lex loci damni“ gilt nach Art. 4 Abs. 2 Rom-IIVO, wenn der Geschädigte und der Schädiger ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. In einem solchen Fall ist ausschließlich das Recht des gemeinsamen Aufenthaltsstaates anwendbar. Dies entspricht Art. 40 Abs. 2 EGBGB4.
1849
Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO entspricht Art. 41 EGBGB5 und ordnet eine weitere Ausnahme für Fälle an, in denen zu dem Recht eines anderen Staates eine offensichtlich engere Verbindung besteht. Eine engere Verbindung zu einem anderen Staat kann sich insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis der Parteien ergeben, das mit der unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. 2. Wettbewerbsrecht
1850
Auch bei Wettbewerbsverstößen galt bis zum Inkrafttreten der RomII-VO das Tatortprinzip. Allerdings wurde als Tatort nur der Ort angese1 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rdnr. 23; Kegel/Schurig, IPR, S. 725; Kropholler, IPR, S. 524. 2 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3372. 3 Rauscher, IPR, Rdnr. 1266; vgl. LG Köln vom 26.8.2009, MMR 2010, 512 (Ls.). 4 Vgl. Kropholler, IPR, S. 527. 5 Vgl. Kegel/Schurig, IPR, S. 738; Kropholler, IPR, S. 529.
486
II. Außervertragliches Haftungsrecht
hen, an dem die wettbewerblichen Interessen der Konkurrenten aufeinandertreffen1. Maßgeblich war somit das Recht des Marktortes2. In der Rom-II-VO ist das Marktortprinzip kodifiziert worden. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist nach Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Die Vorschrift des Art. 6 Rom-II-VO stellt keine Ausnahme dar von der allgemeinen Regel der „lex loci damni“ nach Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO, sondern eine Präzisierung dieser Regel (vgl. Erwägungsgrund 21 der Rom-II-VO)3.
1851
Offen gelassen hat der BGH, ob Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO auf den Fall einer Unterlassungsklage eines Verbraucherverbands wegen der Verwendung missbräuchlicher Allgemeiner Geschäftsbedingungen Anwendung findet. Bei einer AGB-rechtlichen Unterlassungsklage sei anzuknüpfen an das Recht des Staats, in dem der Schaden eintritt (Art. 4 Abs. 1 RomII-VO) oder wahrscheinlich eintritt (vgl. Art. 2 Abs. 3 lit. b Rom-II-VO). Dies sei der Ort, an dem die von der Rechtsordnung missbilligten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet worden sind oder wahrscheinlich verwendet werden, an dem also die von der Rechtsordnung geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder zu beeinträchtigt werden drohen4. Dies ist jedenfalls im Ergebnis von einer Anwendung des Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO nicht zu unterscheiden.
1852
Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, gilt nach Art. 6 Abs. 2 RomII-VO eine Ausnahme vom Marktortprinzip. Statt Art. 6 Abs. 1 RomII-VO ist Art. 4 Rom-II-VO anwendbar. Erfüllt somit ein Wettbewerbsverhalten den Tatbestand der gezielten Behinderung eines Mitbewerbers (vgl. § 4 Nr. 10 UWG), ist das Recht des Sitzstaates des Mitbewerbers als Recht des Erfolgsortes (Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO) maßgeblich.
1853
1 Vgl. Hohloch in Erman, Art. 40 EGBGB Rdnr. 51; Fezer/Koos in Staudinger, IntWirtschR Rdnr. 407; Dethloff, NJW 1998, 1596, 1599; Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 294; BGH vom 30.6.1961, BGHZ 35, 329, 334; BGH vom 20.12.1963, GRUR 1964, 316, 318; BGH vom 11.3.1982, GRUR 1982, 495, 497; BGH vom 4.6.1987, NJW 1988, 645, 646; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren; BGH vom 5.10.2006, CR 2007, 34, 35 – Pietra di Soln; LG Stuttgart vom 15.5.2007, MMR 2007, 668, 669. 2 Vgl. Hohloch in Erman, Art. 40 EGBGB Rdnr. 51; Drexl in MünchKomm-BGB, 4. Aufl., IntUnlWettbR Rdnr. 2; v. Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rdnr. 51; Dethloff, NJW 1998, 1596, 1599; Kotthoff, CR 1997, 676, 677; OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998, NJW 1999, 302, 303. 3 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3372; vgl. Sack, WRP 2008, 845, 847. 4 BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3372.
487
J. Kollisionsrecht
1854
Wird der Markt in mehr als einem Staat beeinträchtigt oder wahrscheinlich beeinträchtigt, so kann ein Geschädigter, der vor einem Gericht im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Beklagten klagt, seinen Anspruch auf das Recht des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts stützen, sofern der Markt in diesem Mitgliedstaat zu den Märkten gehört, die unmittelbar und wesentlich durch das den Wettbewerb einschränkende Verhalten beeinträchtigt sind (Art. 6 Abs. 3 lit. b Rom-II-VO).
1855
Wegen der Globalität des Internet könnte eine allzu großzügige Auslegung des Marktortprinzips dazu führen, dass der Internetanbieter den wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen einer unüberschaubaren Vielzahl von Staaten unterworfen wird1. Wer über das Internet Software weltweit anbietet, tritt auf allen Märkten der Welt in Erscheinung, in denen Zugang zum Internet besteht. Ein Konkurrent, der in gleicher Weise über das Internet Software anbietet, könnte bei einer großzügigen Handhabung des Marktortprinzips Ansprüche geltend machen, wenn der Mitbewerber sich beispielsweise nach den Grundsätzen estnischen oder neuseeländischen Wettbewerbsrechts rechtswidrig verhält2.
1856
Um einer Uferlosigkeit des Internationalen Wettbewerbsrechts entgegenzuwirken, bedarf das Marktortprinzip im Internet einer zurückhaltenden Anwendung3. Der richtige Ansatzpunkt ist dabei die Zielrichtung, die der jeweilige Wettbewerber mit seinem Internetangebot verfolgt4. Zielt das Angebot ersichtlich (auch) auf einen bestimmten Staat ab, so ist eine Anwendung der Regelungen des betreffenden innerstaatlichen Wettbewerbsrechts angemessen und zumutbar5. Der kleine Softwareanbieter in Colorado/USA muss sich daher an deutsches Wettbewerbsrecht halten, wenn er durch eine entsprechende Gestaltung seiner Internetseiten gezielt an deutsches Publikum herantritt. Geht dagegen aus der Gestaltung des Internetangebots hervor, dass der Anbieter sich primär an Kunden in seiner räumlichen Nähe wendet, so tritt er auf dem deutschen Markt nicht bewusst in Erscheinung. Die Abrufbarkeit der Internetseiten in Deutschland stellt sich in einem solchen Fall lediglich als unvermeidbare Neben-
1 Vgl. Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, S. 149; Glöckner, ZVglRWiss 2000, 278, 285; Kotthoff, CR 1997, 676, 678. 2 Vgl. Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 294. 3 Naskret, Herkunftslandprinzip und Internationales Privatrecht, S. 191; Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 294; Glöckner, ZVglRWiss 2000, 278, 288; LG Köln vom 20.4.2001, MMR 2002, 60. 4 Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 453; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 f. – Hotel Maritime; BGH vom 5.10.2006, CR 2007, 34, 35 – Pietra di Soln; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739, 740. 5 Vgl. Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 295; Kotthoff, CR 1997, 676, 680.
488
II. Außervertragliches Haftungsrecht
folge des Internetangebotes dar und vermag keinen hinreichenden Inlandsbezug begründen1. 3. Urheberrecht
Übersicht
1857
Internationales Urheberrecht – Territorialitäts-/Schutzlandprinzip: anwendbares Recht bestimmt sich nach dem Recht des Ortes der Verwertungshandlung (Art. 8 Abs. 1 Rom-II-VO); – Handlungsort im Internet: Handlungsort ist neben dem Einspeisungsstaat auch jeder (weitere) Staat, in dem die betreffende Website bestimmungsgemäß abrufbar ist („Bogsch-Theorie“); – §§ 120 ff. UrhG: kein Kollisionsrecht, sondern deutsches Sachrecht, das die Anwendbarkeit deutschen Rechts voraussetzt; Bestimmung der Reichweite des deutschen Urheberrechts. a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip
Nach dem urheberrechtlichen Territorialitätsprinzip ist der Urheber nicht Inhaber eines einheitlichen, weltweit anerkannten Urheberrechts. Stattdessen besitzt er ein Bündel von nationalen Urheberrechten, die sich nach Inhalt, Umfang und Schutzdauer unterscheiden2.
1858
Das Territorialitätsprinzip ist der Ausgangspunkt für das Kollisionsrecht im Bereich des Urheberrechts. Es verweist auf das Recht des Staates, für dessen Gebiet der Schutz des Urheberrechts in Anspruch genommen wird – das Recht des Schutzlandes3. Das Schutzlandprinzip („lex loci protectionis“, vgl. Erwägungsgrund 26 der Rom-II-VO) ist jetzt in Art. 8 Abs. 1 Rom-II-VO kodifiziert und gilt – wie bereits nach altem Recht4 – sowohl bei deliktischen Ansprüchen als auch bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. Art. 13 Rom-II-VO).
1859
Das Territorialitäts- und Schutzlandprinzip bedeutet nicht nur eine territoriale Beschränkung der Anwendbarkeit ausländischen Urheberrechts.
1860
1 Vgl. BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime. 2 Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 121; Thum, GRUR Int. 2001, 9, 20. 3 Hohloch in Erman, Art. 40 EGBGB Rdnr. 54; Drexl in MünchKomm-BGB, 4. Aufl., IntImmGR Rdnr. 9; Schack, Zur Anknüpfung des Urheberrechts im internationalen Privatrecht, S. 19 f.; Dieselhorst, ZUM 1998, 293, 298; BGH vom 2.10.1997, BGHZ 136, 380 – Spielbankaffaire; BGH vom 7.11.2002, GRUR Int. 2003, 470, 471 – Sender Felsenberg; OLG München vom 10.1.2002, MMR 2002, 312. 4 Vgl. OLG München vom 10.1.2002, MMR 2002, 312.
489
J. Kollisionsrecht
Auch das deutsche Sachrecht ist nur auf Handlungen anwendbar, die in Deutschland begangen werden1. Werden im Ausland Handlungen vorgenommen, die den deutschen Urheber in seinen Interessen beeinträchtigen, kann der deutsche Urheber nur nach ausländischem Recht, nicht jedoch nach deutschem Sachrecht gegen diese Handlungen vorgehen. 1861
Typisch für das Internet sind „Multistate-Verwertungshandlungen“2, die es mit sich bringen, dass potenziell das Urheberrecht vieler verschiedener Staaten zu beachten ist. Dies führt zu der Frage, ob sich Staaten ausgrenzen lassen, die nicht als Schutzländer anzusehen sind, weil dort keine gezielte Verwertungshandlung stattfindet, sondern nur eine zwangsläufige Verbindung feststellbar ist, die auf der weltweiten Abrufbarkeit von Internetseiten beruht3.
1862
Nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Rom-II-VO ist stets das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Der Wortlaut der Norm legt es nahe, dass es bei Verwertungshandlungen im Internet keinen Unterschied geben soll zwischen Staaten, in denen eine „gezielte“ Verwertung erfolgt, und anderen Staaten, in denen die Verwertung zwangsläufigen, „zufälligen“ Charakter hat4. Dies würde bedeuten, dass Einschränkungen der Normanwendung eine Frage der Auslegung des jeweiligen Sachrechts wären5.
1863
Blieben Einschränkungen stets dem Sachrecht überlassen, würde dies zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Die Unterschiede im Urheberrecht verschiedener Staaten können beträchtlich sein. Dies spricht dafür, bereits kollisionsrechtlich zu differenzieren zwischen Staaten, in denen sich ersichtlich Schutzfragen stellen, und anderen Staaten, in denen es keinen Schutzbedarf gibt, weil die Berührung mit diesen Staaten „zufällig“ erscheint. Da zudem keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verordnungsgeber entsprechende Einschränkungen ausschließen wollte, sollte es bei einem maßvoll-einschränkenden Verständnis des Schutzlandprinzips bleiben. b) Handlungsort im Internet
1864
Der Anknüpfungspunkt für das Schutzlandprinzip ist seit jeher der Handlungsort6 und nicht der Erfolgsort7. Maßgeblich ist, ob nach dem Recht 1 Junker, Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 233; Sack, WRP 2000, 269, 271; BGH vom 10.6.1994, BGHZ 126, 252, 256. 2 Vgl. Sack, WRP 2008, 1405, 1419. 3 Vgl. Sack, WRP 2008, 1405, 1417 f. 4 Sack, WRP 2008, 1405, 1417. 5 Vgl. Sack, WRP 2008, 1405, 1417 f. 6 Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff., Rdnr. 130. 7 Vgl. Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff., Rdnr. 30; Strömer, Online-Recht, S. 207; Sack, WRP 2000, 269, 271; BGH vom 2.10.1997, BGHZ 136, 380, 386.
490
II. Außervertragliches Haftungsrecht
des Ortes der Verwertungshandlung die Verletzung eines Urheberrechts feststellbar ist. Bei der Verletzung von Urheberrechten im Internet lässt sich der Ort der Einspeisung rechtsverletzender Inhalte von den unzähligen Orten unterscheiden, an denen die Inhalte über das Internet abrufbar sind1. Dabei ist als Ort der Einspeisung der Ort zu verstehen, an dem der Betreiber einer Website ansässig ist2. Irrelevant ist der Standort des Servers, auf dem die Website abgespeichert ist, da dieser Standort willkürlich gewählt werden kann und keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Bewertung bietet3.
1865
Dass am Einspeisungsort eine Verwertungshandlung stattfindet, steht außer Zweifel. Der Urheber kann sich somit in jedem Fall auf das Recht des Einspeisungsstaates berufen, wenn er Ansprüche aus der Verletzung seiner Urheberrechte geltend macht4. Werden auf einer französischen Website Inhalte eines deutschen Urhebers ohne dessen Zustimmung veröffentlicht, kann sich der Urheber auf die Rechte berufen, die ihm nach französischem Urheberrecht zustehen.
1866
Für das urheberrechtliche Senderecht (§ 20 UrhG) gelten nach der „Bogsch-Theorie“ neben dem Ausstrahlungsland auch alle weiteren Länder als Handlungsort, in denen die Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen bestimmungsgemäß empfangen werden können5. Nur auf diese Weise lässt sich verhindern, dass ein Ausstrahlungsland mit schwachem Urheberschutz gezielt gewählt wird, um dem Urheber durch eine grenzüberschreitende Ausstrahlung Schaden zuzufügen6.
1867
Für die Verbreitung über das Internet gilt nicht das Senderecht (§ 20 UrhG), sondern das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG). Die enge Anlehnung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung an das Senderecht spricht indes dafür, die „Bogsch-Theorie“ auch auf die Verbreitung über das Internet anzuwenden7. Nur so lässt sich verhindern, dass beispielsweise aus China gezielt Inhalte in das Internet eingespeist werden, die nach chinesischem Urheberrecht nicht zu beanstanden sind und zugleich die Rechte nicht-chinesischer Urheber massiv beeinträchtigen.
1868
1 2 3 4
Vgl. Sack, WRP 2008, 1405, 1417. Sack, WRP 2008, 1405, 1417. Rauscher, IPR, Rdnr. 1266. Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 145; Sack, WRP 2000, 269, 277. 5 Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 141; Sack, WRP 2000, 269, 275; BGH vom 2.10.1997, BGHZ 136, 380; BGH vom 7.11.2002, GRUR Int. 2003, 470, 472. 6 Sack, WRP 2008, 1409, 1415; Sack, WRP 2000, 269, 275. 7 Junker, Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, S. 215; Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 145; Sack, WRP 2000, 269, 277.
491
J. Kollisionsrecht
1869
Die Erweiterung des Urheberschutzes durch die „Bogsch-Theorie“ bedarf der sachgerechten Eingrenzung auf die Staaten, in denen die Inhalte bestimmungsgemäß verbreitet werden1. Auf eine chinesische Website ist deutsches Urheberrecht daher nur anwendbar, wenn sich die Website erkennbar (auch) an deutsches Publikum richtet. Dies ist insbesondere bei Verwendung der deutschen Sprache der Fall. Wird dagegen ausschließlich die chinesische Sprache benutzt und ist auch sonst kein Bezug zu Deutschland erkennbar, fehlt es an einem hinreichenden Inlandsbezug2, und eine Geltendmachung von Ansprüchen nach deutschem Urheberrecht kommt nicht in Betracht. c) Reichweite des deutschen Urheberrechts
1870
Nicht um die Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts, sondern um den Schutz durch das deutsche Urheberrecht geht es in den §§ 120 ff. UrhG. Die §§ 120 ff. UrhG enthalten kein Kollisionsrecht, sondern setzen die Anwendbarkeit deutschen Rechts voraus. Sie bestimmen die Reichweite des deutschen Urheberrechts3.
1871
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 UrhG genießen deutsche Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz ihrer Werke nach dem (deutschen) UrhG unabhängig davon, ob und wo ihr Werk erschienen ist. Dies gilt im Falle der Miturheberschaft (§ 8 UrhG) auch dann, wenn ein Miturheber Deutscher ist (§ 120 Abs. 1 Satz 2 UrhG). § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG stellt die Staatsangehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten und anderer Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gleich4.
1872
§ 121 UrhG regelt die Reichweite des Schutzes durch das UrhG für ausländische Staatsangehörige, die nicht Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates sind5. Ein solcher Urheber kann nach § 121 Abs. 1 Satz 1 UrhG den Schutz des deutschen Urheberrechts für jedes Werk beanspruchen, das in Deutschland im Original oder in Übersetzung erscheint, sofern er nicht das Werk selbst oder eine Übersetzung früher als 30 Tage vor dem inländischen Erscheinen im Ausland hat erscheinen lassen6. Bilaterale oder multilaterale Staatsverträge erweitern vielfach den Schutz ausländischer Urheber (§ 121 Abs. 4 UrhG)7. Von Bedeutung sind insbesondere das TRIPS-Übereinkommen (TRIPS)8, die Revidierte Berner 1 Vgl. Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 141. 2 Vgl. BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG München vom 21.9.2006, MMR 2006, 739. 3 V. Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 3. 4 V. Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 120 Rdnr. 1; vgl. LG München I vom 18.9.2008, MMR 2008, 137. 5 V. Welser in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 121 Rdnr. 1. 6 Vgl. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 121 Rdnr. 8. 7 Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 121 Rdnr. 16. 8 BGBl. II 1994, S. 1730.
492
II. Außervertragliches Haftungsrecht
Übereinkunft (RBÜ)1, das Welturheberrechtsabkommen (WUA)2 und der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT)3. 4. Markenrecht
Übersicht
1873
Internationales Markenprivatrecht – Territorialitäts-/Schutzlandprinzip: anwendbares Recht bestimmt sich nach dem Recht des Ortes der Nutzungshandlung (Art. 8 Abs. 1 RomII-VO); – Handlungsort im Internet: Handlungsort ist neben dem Einspeisungsstaat auch jeder (weitere) Staat, in dem die betreffende Website bestimmungsgemäß abrufbar ist.
a) Territorialitäts- und Schutzlandprinzip
Auch im Internationalen Markenprivatrecht gelten das Territorialitätssowie nach Art. 8 Abs. 1 Rom-II-VO das Schutzlandprinzip4. Das Schutzrecht, das für eine Marke besteht, ist somit räumlich beschränkt5. Die Marke ist nur gegen Verletzungen geschützt, die in dem Hoheitsgebiet des Staates begangen werden, in dem der Markenschutz besteht6. Eine Verletzungshandlung ist regelmäßig gegeben, wenn im Schutzland unter der Marke Waren oder Dienstleistungen angeboten werden (§ 14 Abs. 3 Nr. 2 und 3 MarkenG)7. Eine Anknüpfung an das Recht des Erfolgsortes (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) ist dem Internationalen Markenprivatrecht fremd8.
1 Nachweise bei Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 41. 2 Nachweise bei Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, vor §§ 120 ff. Rdnr. 58. 3 BGBl. II 2003, S. 754; vgl. Lührig in Ensthaler/Weidert, Handbuch Urheberrecht und Internet, S. 9 f. 4 Fezer, Markengesetz, Einl. H. Rdnr. 7 und 17 ff.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einl. Rdnr. 15; v. Schultz in v. Schultz, Markenrecht, Einf. Rdnr. 78; Ubber, WRP 1997, 497, 502; Kur, WRP 2000, 935, 936; BGH vom 22.1.1964, BGHZ 41, 84, 87 – Maja; BGH vom 29.6.1979, GRUR 1980, 52; BGH vom 2.5.2002, GRUR Int. 2003, 71, 72 = WRP 2002, 1156 - FROMMIA; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG München vom 16.6.2005, CR 2006, 347, 348. 5 Fezer, Markengesetz, Einl. H. Rdnr. 17; v. Schultz in v. Schultz, Markenrecht, Einl. Rdnr. 78; Kort, DB 2001, 249, 256. 6 Hoffman in Staudinger, Art. 40 Rdnr. 388; Freitag in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 494; Ubber, Markenrecht im Internet, S. 215. 7 Vgl. BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime. 8 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einl. Rdnr. 50; Kort, DB 2001, 249, 257; vgl. BGH vom 2.10.1997, BGHZ 136, 380 385.
493
1874
J. Kollisionsrecht
b) Handlungsort im Internet
1875
Auch im Internationalen Markenprivatrecht bedarf es einer einschränkenden Auslegung des Art. 8 Abs. 1 Rom-II-VO. Die Anwendung des Sachrechts eines Schutzlandes setzt daher voraus, dass mehr als eine „zufällige“ Berührung mit diesem Land feststellbar ist1. Jedenfalls am Ort der Einspeisung in das Internet lässt sich ein relevanter Handlungsort bejahen, dagegen ist der Standort des Servers, auf dem eine Website abgespeichert ist, irrelevant2.
1876
Ähnlich wie im Urheberrecht können auch im Internationalen Markenprivatrecht Schutzlücken entstehen, wenn beispielsweise von einer afrikanischen Website Inhalte verbreitet werden, die inländische Markenrechte gezielt beeinträchtigen3. Derartige Schutzlücken können nur dadurch geschlossen werden, dass man einen relevanten Handlungsort auch in allen Staaten bejaht, in denen Inhalte über das Internet bestimmungsgemäß verbreitet werden4.
1877
Nicht jede Kennzeichenbenutzung im Internet ist jedoch dem Schutz von Kennzeichen gegen Verwechslungen nach der nationalen Rechtsordnung unterworfen. Ansonsten würde dies zu einer uferlosen Ausdehnung des Schutzes nationaler Kennzeichenrechte und – im Widerspruch zur Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG5 – zu einer unangemessenen Beschränkung der Selbstdarstellung ausländischer Unternehmen führen6. Damit einhergehen würde eine erhebliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten von Kennzeichen im Internet, weil die Inhaber verwechslungsfähiger Kennzeichenrechte, die in verschiedenen Ländern geschützt sind, unabhängig von der Prioritätslage wechselseitig beanspruchen könnten, dass die Benutzung des Kollisionszeichens unterbleibt. Die Anwendung des Kennzeichenrechts in solchen Fällen darf nicht dazu führen, dass jedes im Inland abrufbare Angebot ausländischer Dienstleistungen im Internet bei Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche auslöst. Erforderlich ist vielmehr, dass das Angebot einen hinreichenden, wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweist7. Ein solcher Bezug ist jedenfalls dann zu beja1 2 3 4
Siehe Rdnr. 1858; a.A. Sack, WRP 2008, 1405, 1417. Fezer, Markengesetz, Einl. H. Rdnr. 38. Kort, DB 2001, 249, 257; Thum/Torsten, GRUR Int. 1999, 659, 672. Hoffmann in Staudinger, Art. 40 Rdnr. 390; OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 822. 5 Vgl. EuGH vom 6.11.2003, NJW 2004, 139, 140 – Gambelli. 6 Vgl. Fezer, Markengesetz, Einl. I. Rdnr. 3; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einl. Rdnr. 54; Omsels, GRUR 1997, 328, 337; Völker/Weidert, WRP 1997, 652, 662; Kur, WRP 2000, 935, 937; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG Düsseldorf vom 22.4.2008, MMR 2008, 748, 748. 7 Vgl. Fezer Markengesetz Einl. I. Rdnr. 1 ff.; Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 673 f.; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1436 – Hotel Maritime; OLG Düsseldorf vom 22.4.2008, MMR 2008, 748, 748; OLG München vom 16.6.2005, CR 2006, 347, 348; OLG Karlsruhe vom 10.7.2002, MMR 2002, 814, 816; Kur, WRP 2000, 935, 937.
494
II. Außervertragliches Haftungsrecht
hen, wenn sich ein Unternehmen über seine Website in deutscher Sprache erkennbar (auch) an deutsche Kunden wendet1. 5. Herkunftslandprinzip
Übersicht
1878
Herkunftslandprinzip Reichweite – Telemedien: Das Herkunftslandprinzip gilt für den gesamten elektronischen Geschäftsverkehr (§ 3 TMG). – E-Commerce-Richtlinie: Das Herkunftslandprinzip gilt nur innerhalb der Europäischen Union (EU). Auswirkungen – Allgemeines Deliktsrecht: ausschließlich Recht des Herkunftsstaates anwendbar; das Tatortprinzip gilt nicht. – Wettbewerbsrecht: ausschließlich Recht des Herkunftsstaates anwendbar; keine Anknüpfung an den Marktort. – Urheberrecht und Markenrecht: Herkunftslandprinzip nicht anwendbar (§ 3 Abs. 4 Nr. 6 TMG). In Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie (ECRL)2 gilt nach § 3 TMG für den elektronischen Geschäftsverkehr das Herkunftslandprinzip. Materiell handelt es sich hierbei um Kollisionsrecht, auch wenn § 1 Abs. 5 TMG den kollisionsrechtlichen Gehalt der Bestimmungen des TMG leugnet3, wobei der BGH diese Frage offen gelassen4 und dem EuGH im Falle Sedlmayr per Vorlagebeschluss zur Entscheidung vorgelegt hat5. 1 OLG Düsseldorf vom 22.4.2008, MMR 2008, 748 f. 2 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 3 Vgl. Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz im Internet, Rdnr. 28; Naskret, Herkunftslandprinzip und Internationales Privatrecht, S. 114; Spickhoff in Leible, Bedeutung des IPR, S 117 ff.; Hoffmann in Staudinger, Art. 40 EGBGB Rdnr. 299; Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 196; Mankowski, IPrax 2002, 257, 262; KG vom 24.3.2006, AfP 2006, 258, 259; a.A. Fezer/ Koos, IPrax 2000, 349 ff.; Grützmacher, ITRB 2005, 34, 35; Ohly, GRUR Int. 2001, 899, 902; Sack WRP 2002, 271, 277; OLG Hamburg vom 24.7.2007, K&R 659, 660; OLG Hamburg vom 29.7.2008, Az. 7 U 22/08; OLG Hamburg vom 8.4.2009, MMR 2010, 185, 186; vgl. auch Glöckner, WRP 2005, 795, 801. 4 BGH vom 30.3.2006, NJW 2006, 2630, 2633 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH vom 5.10.2006, CR 2007, 34, 35 - Pietra di Soln. 5 BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261 ff.
495
1879
J. Kollisionsrecht
1880
Das Herkunftslandprinzip bedeutet eine Beschränkung auf eine einzige nationale Rechtsordnung, deren Vorschriften im elektronischen Geschäftsverkehr anzuwenden sind. Es dient der Vereinfachung der Rechtsanwendung und Erleichterung des elektronischen Geschäftsverkehrs innerhalb der Europäischen Union. Wenn die Vorschriften des Herkunftslandes eingehalten werden, handeln die Betreiber von Telemedien europaweit rechtmäßig und müssen sich nicht an die Bestimmungen anderer EU-Mitgliedstaaten halten1.
1881
Dem Kerngedanken des Herkunftslandprinzip entsprechend, gilt für deutsche Betreiber von Telemedien nach § 3 Abs. 1 TMG ausschließlich deutsches Recht, selbst wenn die Telemediendienste (auch) in anderen EU-Mitgliedstaaten angeboten oder erbracht werden. Umgekehrt findet gemäß § 3 Abs. 2 TMG auf die Anbieter von Telemedien aus anderen EUMitgliedstaaten ausschließlich das jeweilige Heimatrecht Anwendung, selbst wenn die Dienste (auch) in Deutschland angeboten oder erbracht werden2.
1882
Im allgemeinen Deliktsrecht verdrängt das Herkunftslandprinzip das Prinzip der „lex loci damni“ (Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO)3. Ob eine spanische Website das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Deutschen verletzt, bestimmt sich gemäß § 3 Abs. 2 TMG ausschließlich nach spanischem Recht. Eine Anwendung deutschen Rechts als Recht des Erfolgsortes (Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO) kommt nicht in Betracht.
1883
Im Wettbewerbsrecht verdrängt das Herkunftslandprinzip die Anknüpfung an den Marktort4. Der deutsche Internetanbieter braucht das Wettbewerbsrecht der anderen EU-Mitgliedstaaten nach § 3 Abs. 1 TMG nicht zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn die Wettbewerbsaktivitäten des Anbieters auf Staaten außerhalb Deutschlands abzielen. Umgekehrt lässt sich das deutsche Wettbewerbsrecht nicht anwenden, wenn es darum geht, gegen die Aktivitäten von Internetanbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten vorzugehen (§ 3 Abs. 2 TMG).
1884
§ 3 Abs. 3 bis 5 TMG klammert etliche Gebiete aus dem Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips aus. Insbesondere gilt das Herkunftslandprinzip weder für das Vertrags- und Verbraucherschutzrecht (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG) noch für das Urheberrecht und das Markenrecht (§ 3 Abs. 4 Nr. 6 TMG)5. Das urheberrechtliche bzw. markenrechtliche Territorialitäts- und Schutzlandprinzip (Art. 8 Abs. 1 Rom-I-VO) bleibt erhal1 Vgl. Thorn in Palandt, Art. 6 Rom II Rdnr. 15. 2 Vgl. Thorn in Palandt, Art. 6 Rom II Rdnr. 15. 3 Vgl. KG vom 24.3.2006, AfP 2006, 258 ff.; OLG Hamburg vom 9.6.2006, K&R 2007, 659, 660. 4 Vgl. Spindler in Baur/Mansel, Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 133; Mankowski, ZVglRWiss 2001, 137, 157; a.A. Kropholler, IPR, S. 544. 5 Vgl. Mankowski, ZVglRWiss 2001, 137, 153; Nickels, CR 2002, 302, 304.
496
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
ten. Abgrenzungsprobleme können sich zwischen gewerblichen Schutzrechten und dem Recht des unlauteren Wettbewerbs ergeben1.
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte Ebenso brisant wie die Frage nach dem anwendbaren Recht ist die Frage, wie weit die Zuständigkeit deutscher Gerichte bei grenzüberschreitenden Internet-Sachverhalten reicht. Auszugehen ist dabei vom deutschen Internationalen Zivilprozessrecht. Danach richtet sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte primär nach internationalen Verträgen, insbesondere nach den Vorschriften der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)2. Außerhalb des Geltungsbereichs internationaler Verträge finden die innerstaatlichen Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) entsprechende Anwendung3.
1885
Die EuGVVO regelt die gesetzliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO) für Gerichtsverfahren, an denen Bürger eines EU-Mitgliedstaates beteiligt sind, sei es als Beklagter oder auch als Kläger (vgl. Art. 4 Abs. 2 EuGVVO).
1886
Einfach zu beurteilen sind Fälle, in denen der Beklagte in Deutschland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Sowohl für vertragliche Streitigkeiten als auch für außervertragliche Haftungsfälle ergibt sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 2 Abs. 1 EuGVVO sowie aus den §§ 12 bis 19 a ZPO4. Wer als deutscher Internetanbieter ausländische Konkurrenten beleidigt, deren Urheber- oder Markenrechte verletzt oder bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber einem ausländischen Vertragspartner säumig bleibt, muss damit rechnen, dass der ausländische Konkurrent bzw. Vertragspartner problemlos deutsche Gerichte anrufen kann.
1887
Schwieriger zu beurteilen ist der umgekehrte Fall, dass ein deutscher Internetanbieter ein ausländisches Unternehmen oder einen ausländischen Verbraucher verklagen möchte. Werden vor deutschen Gerichten natürliche oder juristische Personen verklagt, die in der Bundesrepublik Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, so muss das angerufene Gericht in jedem Einzelfall prüfen, ob sich aus einer zivilprozessualen Vorschrift (ausnahmsweise) ein besonderer internationaler deutscher Gerichtsstand herleiten lässt.
1888
1 Vgl. Naskret, Herkunftslandprinzip und Internationales Privatrecht, S. 31. 2 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Übers. § 12 Rdnr. 6 f. 4 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Übers. § 12 Rdnr. 6 f.; Kropholler, IPR, S. 614.
497
J. Kollisionsrecht
1. Vertragliche Ansprüche
1889
Übersicht Internationale Zuständigkeit im Vertragsrecht: – Allgemeiner Gerichtsstand des Beklagten: Art. 2 EuGVVO und §§ 12 bis 19 a ZPO); – Gerichtsstandsvereinbarungen: Art. 23 EuGVVO und § 38 ZPO sowie Art. 15 bis 17 EuGVVO; – Besondere Gerichtsstände: Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO und § 29 ZPO); Niederlassung des Beklagten (Art. 5 Nr. 5 EuGVVO und § 21 ZPO); inländisches Vermögen des Beklagten (§ 23 ZPO).
1890
In Fällen, in denen vertragliche Ansprüche geltend gemacht werden, kann sich ein deutscher Gerichtsstand aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergeben, sofern die Parteien eine solche Vereinbarung unter Beachtung der Anforderungen des Art. 23 EuGVVO und der Art. 15 bis 17 EuGVVO bzw. des § 38 ZPO geschlossen haben1. Auch ein inländischer Erfüllungsort kann die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen, wobei der Erfüllungsort vertraglich festgelegt werden kann (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, § 29 ZPO). a) Gerichtsstandsvereinbarung
1891
Art. 23 EuGVVO gilt für alle Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen Parteien, von denen mindestens eine ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat2. Derartige Gerichtsstandsvereinbarungen sind bindend, wenn sie schriftlich bzw. mündlich mit schriftlicher Bestätigung abgeschlossen werden (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a EuGVVO). Es reicht aber auch die Form aus, die den „Gepflogenheiten“ der Parteien entspricht (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. b EuGVVO), bzw. eine nach internationalem Handelsbrauch übliche Form (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. c EuGVVO). Art. 23 Abs. 2 EuGVVO stellt zudem die elektronische Übermittlung der Schriftform gleich, sofern – wie beispielsweise bei einer E-Mail3 – eine dauerhafte Aufzeichnung möglich ist.
1892
Angesichts der möglichen Folgen einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Parteien im Prozess sind die in Art. 23 Abs.1 Satz 3 EuGVVO aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklausel eng auszulegen. Der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung setzt gemäß Art. 23 Abs.1 Satz 3 lit. a EuGVVO voraus, dass die die Zu1 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 38 Rdnr. 21 ff.; Strömer, OnlineRecht, S. 498. 2 Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 135, 138; Kropholler, IPR, S. 628. 3 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 153.
498
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
ständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien gewesen sein muss, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist1. § 38 Abs. 1 ZPO lässt ausdrückliche oder auch stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarungen zu, wenn die Vertragspartner Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind. Dasselbe gilt nach § 29 Abs. 2 ZPO für die Vereinbarung eines Erfüllungsortes.
1893
Hat einer der Vertragspartner in Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand, erlaubt § 38 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO darüber hinaus eine schriftliche oder auch (einseitig) schriftlich bestätigte mündliche Gerichtsstandsvereinbarung2. Dies setzt allerdings nach § 38 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Wahl eines Gerichtes voraus, bei dem eine Partei ihren allgemeinen oder einen besonderen Gerichtsstand hat, sofern eine der Parteien über einen allgemeinen deutschen Gerichtsstand verfügt.
1894
Gerichtsstandsklauseln, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, erfüllen die Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 lit. a EuGVVO und des § 38 Abs. 1 ZPO3. Gegenüber kaufmännischen Kunden kann der Internetanbieter daher durch Bestimmung eines deutschen Gerichtsstandes in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sicherstellen, dass er vertragliche Ansprüche vor einem deutschen Gericht geltend machen kann.
1895
Die Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, kann für eine Gerichtsstandsvereinbarung nur ausreichen, wenn die Zustimmung der anderen Partei zu der von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Zuständigkeitsregelung tatsächlich feststeht4.
1896
b) Erfüllungsort
Auch ein inländischer Erfüllungsort5 kann die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, § 29 ZPO)6. Nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn es um vertragliche Ansprüche geht und in 1 OLG Celle vom 24.7.2009, CR 2010, 17, 18; OLG Oldenburg vom 20.12.2007, OLGR 2008, 694, 696. 2 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 38 Rdnr. 26; Hüßtege in Thomas/ Putzo, § 38 Rdnr. 15. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 38 Rdnr. 10. 4 OLG Celle vom 24.7.2009, CR 2010, 17, 18; OLG Oldenburg vom 20.12.2007, OLGR 2008, 694, 696. 5 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 41. 6 Vgl. Strömer, Online-Recht, S. 498.
499
1897
J. Kollisionsrecht
dem anderen Mitgliedsstaat ein Erfüllungsort besteht. Als Erfüllungsort gilt beim Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem die Sachen geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen (Art. 5 Nr. 1 lit. b, 1. Spiegelstrich EuGVVO). Beim Versendungskauf ist dies im Zweifel der endgültige Bestimmungsort, an dem die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen. Der Ort der Übergabe an den Beförderer ist dagegen nicht maßgebend1. 1898
Bei Dienstleistungen ist Erfüllungsort der Ort, an dem die Dienstleistungen erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen (Art. 5 Nr. 1 lit. b, 2. Spiegelstrich EuGVVO). Zu beachten ist – bei Warenlieferungen ebenso wie bei Dienstleistungen, dass den Vertragspartnern die Wahl des Erfüllungsortes freisteht2.
1899
➲ Praxistipp: Internetanbietern ist die Aufnahme von Gerichtsstandsklauseln in die eigenen Vertragsbedingungen zu empfehlen. Gegenüber Vertragspartnern, die keine Verbraucher sind, ermöglichen Gerichtsstandsklauseln eine Klage vor deutschen Gerichten. Die Mühe, die Kosten und die Unwägbarkeiten, die mit der Führung eines Auslandsprozesses verbunden sind, bleiben dem deutschen Anbieter hierdurch erspart. Es ist zudem ratsam, in Gerichtsstandsklauseln auch den Erfüllungsort festzulegen, um auszuschließen, dass sich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ein unerwünschter Gerichtsstand herleiten lässt. c) Weitere Gerichtsstände
1900
Außer aus einer Gerichtsstandsvereinbarung und aus einem inländischen Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO) kann sich bei einem ausländischen Beklagten die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts auch daraus ergeben, dass der ausländische Beklagte inländisches Vermögen hat (§ 23 ZPO)3. Unterhält der ausländische Vertragspartner in Deutschland eine Niederlassung4, so kann sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zudem aus Art. 5 Nr. 5 EuGVVO und § 21 ZPO ergeben. d) Verbraucherverträge
1901
Die Art. 15 bis 17 EuGVVO enthalten Sonderbestimmungen für Verbraucherverträge und schränken insbesondere die Prorogationsfreiheit weitgehend ein (vgl. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO). 1 EuGH vom 25.2.2010, NJW 2010, 1059, 1061 mit Anm. Piltz. 2 Vgl. EuGH vom 25.2.2010, NJW 2010, 1059, 1060 mit Anm. Piltz. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartman, § 23 Rdnr. 3; Vollkommer in Zöller, § 23 Rdnr. 1. 4 Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 78.
500
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
Nach Art. 16 Abs. 2 EuGVVO kann der Verbraucher von seinem Vertragspartner nur in dem Staat verklagt werden, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Umgekehrt hat der Verbraucher bei Klagen gegen seinen Vertragspartner die Wahl zwischen den Gerichten seines Heimatlandes und den Gerichten des Sitzstaates seines Vertragspartners (Art. 16 Abs. 1 EuGVVO).
1902
Nach Art. 17 EuGVVO sind Gerichtsstandsvereinbarungen bei Verbraucherverträgen nur in wenigen Ausnahmefällen wirksam. Eine Gerichtswahl kann mit Verbrauchern nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart werden (Art. 17 Nr. 1 EuGVVO). Im Übrigen sind Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen nur zulässig, wenn sie dem Verbraucher über die sich aus Art. 16 EuGVVO ergebenden Gerichtsstände hinaus einen weiteren Gerichtsstand eröffnen1.
1903
Unter den Begriff des Verbrauchervertrages fallen nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO alle Verträge, die ein Unternehmer mit einem Verbraucher schließt, solange der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit (auch) auf das Heimatland des Verbrauchers ausrichtet und der Vertragsschluss im Rahmen dieser Tätigkeit erfolgt. Der Begriff der „Ausrichtung“ in Art. 15 Abs. 1 lit. c EUGVVO ist eng auszulegen2. Ein überzogener Verbraucherschutz war mit der Schaffung dieser Vorschrift nicht beabsichtigt3.
1904
Kernstück der Regelung des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist der Begriff des Ausrichtens einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Hierdurch soll neben der gezielt auf den Wohnsitzstaat des jeweiligen Verbrauchers gerichteten Werbung vor allem auch der elektronische Handel über das Internet erfasst werden, bei dem ein Vertragsschluss auf ausschließlich elektronischem Wege zustande kommt4. Insbesondere bei der Verwendung einer interaktiven Website, bei der der Verbraucher auf einer Website des Vertragspartners die von ihm gewünschten Leistungen bestellt, etwa durch Anklicken eines dort enthaltenen Symbols, besteht das Problem, dass oftmals kaum oder gar nicht zu klären wäre, wo diese Handlung vorgenommen worden ist. Zudem ist sie rechtlich nicht relevant für die Schaffung einer Verbindung zwischen dem Vertrag und dem Staat des Verbrauchers. Deshalb kommt es auf den Ort des Vertragsschlusses oder der Vornahme der dafür erforderlichen Rechtshandlungen nicht an; nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO wird die notwendige Verbindung zum Staat des Verbrauchers
1905
1 Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 133. 2 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298 f.; a.A. OLG Dresden vom 15.12.2004, IPRax 2006, S. 44, 47. 3 Vgl. Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 505; OLG Karlsruhe vom 24.8.2007, NJW 2008, 85, 86. 4 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298, 298.
501
J. Kollisionsrecht
schon dadurch geschaffen, dass der Vertragspartner seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet1. 1906
Allerdings ist allein die Zugänglichkeit einer Website nicht ausreichend, um den Tatbestand des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO zu erfüllen2. Dies wurde bereits in der gemeinsamen Erklärung des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission zu Art. 15 EuGVVO betont3. Rat und Kommission hielten es für erforderlich, dass die betreffende Website auch zum Vertragsschluss im Fernabsatz „auffordert“ und dass tatsächlich ein Vertragsschluss im Fernabsatz erfolgt. Dabei seien die auf einer Website benutzte Sprache oder die Währung nicht von Bedeutung4. Nicht einmal die deutschsprachige Website eines griechischen Anwalts wäre danach für eine Anwendung des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ausreichend.
1907
Wenn ein griechischer Rechtsanwalt seine Kontaktadresse durch Dritte auf deren Homepage als Serviceleistung für deren deutsche Kunden angibt, reicht dies nach Auffassung des BGH für ein „Ausrichten“ der Tätigkeit auf Deutschland nicht aus. Obwohl der griechische Anwalt auf der Internetseite der deutschen Botschaft in Athen als deutschsprachiger, im Amtsbezirk der Botschaft niedergelassener Rechtsanwalt verzeichnet ist, auf der deutschsprachigen Internetseite eines Immobilienunternehmens sowie auf der Homepage von drei deutschen Rechtsschutzversicherern aufgeführt gewesen sei und die Annahme nahe liege, dass seine Erwähnung jedenfalls auf der Website der deutschen Botschaft nicht ohne seine Kenntnis und Zustimmung erfolgte, bleibe diese Fallgestaltung noch hinter der des Unterhaltens einer eigenen (deutschsprachigen) Website zurück. Für die Haftungsklage eines deutschen Verbrauchers fehle es daher an einem deutschen Gerichtsstand (Art. 16 Abs. 1 EuGVVO)5.
1908
Ausschlaggebend war für den BGH, dass der Kläger unstreitig nicht in Deutschland oder über das Internet auf den griechischen Anwalt aufmerksam geworden war; er kannte die Websites nicht, auf denen der Beklagte verzeichnet war. Der behauptete Anwaltsvertrag kam zustande, weil ihm der Beklagte vor Ort als Anwalt empfohlen worden war. Würde man selbst bei dieser Sachlage noch ein „Ausrichten“ bejahen, würde die 1 Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 23; BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298, 298. 2 BR-Drucks. 543/99, S. 16; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 5; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 15 Rdnr. 38; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 115; BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298, 298; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 23 ff.; Gottwald in MünchKommZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 5; Dörner in Saenger; ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 16; BGH vom 30.3.2006, NJW 2006, 1672, 1673; OLG Karlsruhe vom 24.8.2007, NJW 2008, 85, 86. 3 Abgedruckt in IPRax 2001, 259, 261. 4 Abgedruckt in IPRax 2001, 259, 261. 5 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298 f.
502
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
Zuständigkeitsvorschrift des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO nach der überzeugenden Auffassung des BGH ihren Ausnahmecharakter vollständig verlieren1. Zur Erfüllung des Merkmals des „Ausrichtens“ der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers sei erforderlich, dass er dort zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem Wohnsitzstaat erfolgt. Im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter und die Notwendigkeit einer autonomen und engen Auslegung der Voraussetzungen sei Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO nicht anwendbar, wenn ein Verbraucher auf Auslandsreisen „zufällig“ Verträge mit einem Unternehmer abschließt2. Ähnlich argumentierte das OLG Karlsruhe in einem Fall, in dem es um die Honorarklage einer deutschen Anwaltskanzlei gegen eine spanische Mandantin ging3. Das AG Kehl4 war als Vorinstanz von einer ausschließlichen Zuständigkeit spanischer Gerichte nach Art. 15 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 EuGVVO ausgegangen, da die deutsche Kanzlei über eine „Internetpräsenz“ verfügt und ihre berufliche Tätigkeit „auf irgendeinem Wege“ – auch – auf das Mitgliedsland Spanien ausgerichtet habe. Dabei ging das AG Kehl nicht einmal davon aus, dass die Kanzlei-Website (auch) in spanischer Sprache abgefasst war.
1909
Das OLG Karlsruhe folgte der uferlosen Auslegung, die das AG Kehl befürwortete, nicht. Für eine Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist nach der überzeugenden Auffassung des OLG Karlsruhe zu verlangen, dass zwischen der Präsentation des Leistungsanbieters im Internet und dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags ein innerer Zusammenhang besteht. Dieser innere Zusammenhang war nicht gegeben, da die Beklagte – unstreitig – jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinen Zugang zum Internet hatte und – ebenfalls unstreitig – die Website der Kläger nicht kannte, so dass der Vertragsschluss völlig unabhängig vom Internetauftritt der Kläger zustande gekommen war5. Daher bestand in Deutschland der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO.
1910
Gegenüber Verbrauchern lässt § 38 Abs. 3 ZPO – wie Art. 17 Nr. 1 EuGVVO – Gerichtsstandsvereinbarungen nur zu, wenn sie nach dem Entstehen einer Streitigkeit schriftlich (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) oder für den Fall geschlossen werden, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in das Ausland verlegt oder an einen unbekannten Ort verzieht (§ 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
1911
1 BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298 f. 2 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 15 EuGVVO, Rdnr 8; BGH vom 17.9.2008, NJW 2009, 298. 3 OLG Karlsruhe vom 24.8.2007, NJW 2008, 85 f. 4 AG Kehl vom 28.2.2006, 4 C 487/05. 5 OLG Karlsruhe vom 24.8.2007, NJW 2008, 85 f.
503
J. Kollisionsrecht
2. Außervertragliche Ansprüche
1912
Die zentralen internationalen Zuständigkeitsnormen für außervertragliche Haftungsklagen sind Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und § 32 ZPO. Danach ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht des Ortes zuständig, an dem das schädigende Ereignis eingetreten (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) bzw. in dessen Bezirk die Handlung begangen worden (§ 32 ZPO) ist1.
1913
Sowohl durch Art. 5 Nr. 3 EuGVVO als auch durch § 32 ZPO werden besondere Gerichtsstände begründet, die neben den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (Art. 2 EuGVVO und §§ 12 bis 19 a ZPO) treten2.
1914
Aus § 32 ZPO ergibt sich eine internationale Zuständigkeit sowohl für das Gericht des Ortes der Verletzungshandlung (Handlungsort) als auch – alternativ – für das Gericht des Ortes, an dem der Verletzungserfolg eingetreten ist (Erfolgsort)3. Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist dagegen der Erfolgsort maßgebend, der sich – ebenso wie nach § 32 ZPO – ausschließlich nach dem Ort des Primärschadens bestimmt, d.h. nach dem Ort, an dem der Eingriff in das geschützte Rechtsgut erfolgt ist. Der Ort, an dem auf Grund einer Rechtsgutsverletzung (Vermögensfolge-)Schäden eingetreten sind, ist für die Bestimmung besonderer Gerichtsstände gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und § 32 ZPO ohne Belang4.
1915
Übersicht Internationale Zuständigkeit im außervertraglichen Haftungsrecht: – Art. 5 Abs. 3 EuGVVO: besonderer Gerichtsstand des Erfolgsortes; – § 32 ZPO: besonderer Gerichtsstand des Tatortes (Handlungsort oder Erfolgsort); – Wettbewerbsrecht: § 14 UWG verdrängt § 32 ZPO. – Markenrecht: Art. 22 Nr. 4 EuGVVO verdrängt Art. 5 Abs. 3 EuGVVO bei Streit um die Eintragung und Gültigkeit von Marken;
a) Deliktische Ansprüche
1916
Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer 1 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rdnr. 1 ff.; Strömer, OnlineRecht, S. 495. 2 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 39. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rdnr. 17 f. 4 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rdnr. 23; Geimer in Zöller, Anh. I Art. 5 EuGVVO Rdnr. 26.
504
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Der EuGH legt den Begriff der „unerlaubten Handlung“ und der „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ autonom und sehr weit aus. In diesem Gerichtsstand sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft1. Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen unter anderem auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen2. Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Unterlassungsansprüche3. Ausweislich des Wortlauts des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen auch vorbeugende Klagen in den Anwendungsbereich der Bestimmung4. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist bereits dann begründet, wenn die Verletzung eines geschützten Rechtsguts im Inland behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann; die Zuständigkeit ist nicht davon abhängig, dass eine Rechtsverletzung tatsächlich eingetreten ist5.
1917
Seit dem Inkrafttreten der Rom-II-VO führt Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO zu einem Parallellauf der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts („lex loci damni“, vgl. Erwägungsgrund 18 der Rom-II-VO). Ein deutscher Geschädigter kann gegen einen Schädiger aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat vor einem deutschen Gericht deliktische Ansprüche geltend machen, wenn der Verletzungserfolg in Deutschland eingetreten ist. Wird somit das Persönlichkeitsrecht einer in Deutschland ansässigen Person im Internet verletzt, so reicht der in Deutschland eingetretene Verletzungserfolg aus, um die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Klage gegen den ausländischen Schädiger nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zu begründen.
1918
Der Begriff des „schädigenden Ereignisses“ im Sinne des Art. 5 Abs. 3 EuGVVO erfasst auch Angriffe auf die Rechtsordnung durch die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
1919
1 Vgl. EuGH vom 1.10.2002 – Henkel, NJW 2002, 3617, 3618; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 262. 2 Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rdnr. 178; Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 149; EuGH vom 7.3.1995 – Shevill, NJW 1995, 1881, 1882. 3 Gottwald in MünchKomm-ZPO“ Art. 5 EuGVVO, Rdnr. 56; Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 146; EuGH vom 1.10.2002 – Henkel, NJW 2002, 3617, 3618; BGH vom 24.10.2005, NJW 2006, 689, 689. 4 EuGH vom 1.10.2002 – Henkel, NJW 2002, 3617, 3618; BGH vom 24.10.2005, NJW 2006, 689, 689. 5 BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435 ff. – Hotel Maritime; BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3371 f.
505
J. Kollisionsrecht
Auf den Eintritt eines konkreten Schadens kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die Kenntnis von einem beabsichtigten Vertragsschluss oder das Vorliegen einer konkreten Verbraucherbeschwerde. Deutsche Gerichte können somit zuständig sein für die Unterlassungsklage eines deutschen Verbraucherschutzvereins gegen ein lettisches Luftfahrtunternehmen, dessen Website sich (auch) an deutsche Verbraucher richtet1. 1920
Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nicht maßgeblich, ob das von den Klägern gerügte Verhalten der Beklagten nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts ist keine Voraussetzung für die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO2. Dies gilt auch für die Klage eines Verbraucherschutzvereins auf Unterlassung der Verwendung angeblich missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen3.
1921
Art. 5 Abs. 3 EuGVVO setzt voraus, dass eine Person verklagt werden soll, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedsstaates hat. Ist dies nicht der Fall, ist für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte § 32 ZPO entsprechend anwendbar4. Die Zuständigkeit kann sich dann nicht nur aus einem inländischen Erfolgsort, sondern auch aus einem inländischen Handlungsort ergeben5. aa) Erfolgsort
1922
Der EuGH hat noch nicht entschieden, welche Anknüpfungskriterien für die Bestimmung und Abgrenzung des Ortes maßgeblich sind, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht, wenn die behauptete Schädigung durch auf einer Internet-Website eingestellte Inhalte eintritt oder einzutreten droht. Den BGH hat dies – im Falle Sedlmayr – zu einem umfassenden Vorlagebeschluss veranlasst6. Kurze Zeit später musste sich der BGH mit parallelen Fragen bei der Auslegung des § 32 ZPO in seinem Urteil in Sachen New York Times befassen7.
1923
Zu § 32 ZPO hat der BGH schon in den 70er-Jahren entschieden, dass eine auf Äußerungen in einem Presseerzeugnis beruhende Persönlichkeitsrechtsverletzung an dem Ort begangen wird, an dem das Erzeugnis verbreitet wird8. Von einem Verbreiten könne allerdings nur dann die 1 2 3 4 5 6 7
BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3371 f. Geimer in Zöller, Anh. I Art. 5 EuGVVO Rdnr. 24. BGH vom 9.7.2009, NJW 2009, 3371, 3371. Gottwald in MünchKomm-ZPO, Vorbem. EuGVO Rdnr. 26 f. Patzina in MünchKomm-ZPO, § 32 Rdnr. 20; Schack, IntZivilVerfR, Rdnr. 334. BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261 ff. BGH vom 2.3.2010, NJW 2010, 1752 ff. mit Anm. Staudinger = WRP 2010, 653 ff. 8 BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590.
506
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
Rede sein, wenn der Inhalt des Presseerzeugnisses dritten Personen bestimmungsgemäß und nicht bloß zufällig zur Kenntnis gebracht werde. Es könne nicht ausreichen, dass nur hier und da einmal durch Dritte ein oder mehrere Exemplare in ein Gebiet gelangten, das von der Betriebsorganisation des Verlegers oder Herausgebers nicht erfasst und in das das Druckerzeugnis nicht regelmäßig geliefert werde1. Internet-Inhalte werden nicht „verbreitet“, sondern zum Abruf bereit gehalten2. Im Gegensatz zu Druckerzeugnissen lässt sich im Internet auch ein räumlich abgegrenztes Verbreitungsgebiet einer Website nur schwer bestimmen3
1924
Ob und inwieweit sich bei der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und des § 32 ZPO eine Parallele zu Druckerzeugnissen ziehen lässt, ist streitig. Teilweise wird vertreten, dass die bloße Abrufbarkeit rechtsverletzender Inhalte im Gerichtsstaat eine Zuständigkeit begründet mit der Folge, dass sich regelmäßig eine Zuständigkeit in jedem EU-Mitgliedstaat begründen lässt4. Überwiegend wird dagegen ein Erfolgsort im Internet nur dort bejaht, wo der Internetauftritt gemäß der zielgerichteten Bestimmung des Betreibers abrufbar ist5.
1925
Parallel zu der Diskussion um eingrenzende Kriterien zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Internet-Sachverhalten ist in jüngster Zeit eine Diskussion entbrannt um die Auslegung des § 32 ZPO bei Fragen der örtlichen Zuständigkeit in Fällen, in denen sich eine Klage gegen Rechtsverletzungen richtet, die im Internet begangen worden sind. Streitig ist, ob an der bisherigen Praxis des „fliegenden Gerichtsstandes“ festzuhalten ist oder § 32 ZPO auch für die örtliche Zuständigkeit einschränkend auszulegen und die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts nur anzunehmen ist, wenn eine besondere Bezie-
1926
1 2 3 4
BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590, 1590. Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rdnr. 210. Vgl. Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 254 f. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 23; Damm/ Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, Rdnr. 831; Bachmann, IPrax 1998, 179, 184 ff.; Schack; MMR 2010, 135, 138 f.; KG vom 24.3.2006, AfP 2006, 258, 258; OLG Hamburg vom 2.5.2002 – Hotel Maritime, MMR 2002, 822, 823; OLG Karlsruhe vom 10.7.2002, MMR 2002, 814, 815; OLG München vom 15.11.2001 – Literaturhaus, MMR 2002, 166, 167. 5 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rdnr. 207 ff.; BGH vom 13.10.2004 – Hotel Maritime, NJW 2005, 1435, 1436 = CR 2005, 359 = K&R 2005, 178; BGH vom 30.3.2006 – Arzneimittelwerbung im Internet, MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren = CR 2006, 539 = WRP 2006, 736; KG vom 25.3.1997, NJW 1997, 3321, 3321; OLG Düsseldorf vom 30.12.2008, NJW 2009, 701, 702; OLG Köln vom 30.10.2007, MMR 2008, 342, 342 f. = K&R 2008, 115; LG Düsseldorf vom 4.4.1997, GRUR 1998, 159, 160; LG Krefeld vom 14.9.2007, MMR 2007, 798, 798 f. = K&R 2007, 662; AG Charlottenburg vom 19.12.2005, MMR 2006, 254, 255.
507
J. Kollisionsrecht
hung des Sachverhalts zu dem jeweiligen Gerichtsbezirk bejaht werden kann1. bb) Abrufbarkeit von Internetseiten im Inland
1927
Zu Recht lehnt der BGH in seinem Vorlagebeschluss eine weite Auslegung des Art. 5 Abs. 3 EuGVVO ab2. Die Ansicht, die die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte für zuständigkeitsbegründend hält, widerspricht dem Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind die besonderen Zuständigkeitsregeln der Art. 5 und 6 EuGVVO eng auszulegen. Denn sie stellen Ausnahmen von dem Grundsatz dar, dass der Beklagte vor den Gerichten seines Wohnsitzstaats zu verklagen ist3. Ließe man die bloße Abrufbarkeit einer Website für eine Zuständigkeit inländischer Gerichte genügen, so käme es zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten, die den zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzipien der Vermeidung beziehungsarmer Gerichtsstände, der Reduzierung konkurrierender Zuständigkeiten und der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit der potentiellen Gerichtspflichtigkeit eklatant zuwiderliefe4.
1928
Ähnliche Argumente finden sich in dem BGH-Urteil in Sachen New York Times, in dem es um die Anwendung des § 32 ZPO auf InternetSachverhalte ging5. Die in § 32 ZPO geregelte Tatortanknüpfung stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die Klage am Gerichtsstand des Beklagten zu erheben ist (actor sequitur forum rei)6. Ihre Rechtfertigung liegt in der durch den Handlungs- oder Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum7. Eine besondere Beziehung zu einem bestimmten Forum wird durch die bloße Abrufbarkeit einer Internetseite jedoch nicht begründet.
1 Vgl. Laucken/Oehler, ZUM 2009, 824 ff.; Mühlberger, WRP 2008, 1419 ff.; Ulmer, ITRB 2009, 252 ff.; OLG München vom 7.5.2009, K&R 2009, 489 f.; OLG Rostock vom 20.7.2009, Az. 2 W 41/09; LG Frankfurt a.M., MMR 2010, 142 f.; AG Frankfurt a.M. vom 21.8.2009, IPRB 2010, 35 f. (Luckhaus). 2 BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 263 f. 3 Vgl. EuGH vom 27.11.1988, NJW 1988, 3088, 3089 – Kalfelis; EuGH vom 10.6.2004, NJW 2004, 2441, 2442 – Kronhofer. 4 Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rdnr. 198; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 263. 5 BGH vom 2.3.2010, NJW 2010, 1752 ff. mit Anm. Staudinger = WRP 2010, 653 ff. 6 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rdnr. 10; BGH vom 2.7.1991, NJW 1991, 3092, 3093. 7 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rdnr. 180, 195; Roth, Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 276 f.; Vollkommer in Zöller, § 32 Rdnr. 1; Bachmann, IPRax 1998, 179, 181; BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590, 1591.
508
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
cc) „Kollisionslage“ bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Nach Auffassung des BGH kommt es bei (angeblichen) Persönlichkeitsrechtsverletzungen – wie im Fall Sedlmayr und im Fall New York Times – darauf an, ob die im Internet abrufbaren Informationen objektiv einen Bezug zum Inland aufweisen. Dabei sei darauf abzustellen, ob im Inland eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts bzw. Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung – tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann1.
1929
Das einschränkende Kriterium der „bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit“ der Website im Inland hält der BGH bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen für ungeeignet. Dieses Kriterium habe zwar bei marktbezogenen Delikten wie Wettbewerbsverletzungen seine Berechtigung, nicht jedoch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung setze keine Marktbeeinflussung voraus, sondern trete unabhängig von den Intentionen des Verletzers mit der Kenntnisnahme des rechtsverletzenden Inhalts durch Dritte ein2. Diese Differenzierung überzeugt nicht. Es trägt nicht zur Rechtssicherheit bei, bei Zuständigkeitsfragen unterschiedliche Kriterien zu verwenden je nachdem, ob es um eine marktbezogene Handlung geht, zumal die Abgrenzung schwierig sein dürfte3.
1930
Wie problematisch es ist, statt auf eine „bestimmungsgemäße Abrufbarkeit“ darauf abzustellen, ob eine inländische „Kollisionslage“ feststellbar ist, zeigt sich an der Argumentation des BGH im Falle der New York Times: Eine inländische „Kollisionslage“ sei anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Zeitungsmeldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde4. Eine solche Argumentation läuft darauf hinaus, das deutsche Sachrecht in die Beurteilung einer „Kollisionslage“ einfließen zu lassen. Wenn dann im Inland eine Persönlichkeitsrechtsverletzung (nach deutschem Sachrecht) feststellbar ist, führt dies zur Zuständigkeit deutscher Gerichte.
1931
Es ging im Falle der New York Times um einen englischsprachigen Beitrag über den in Deutschland wohnhaften Kläger. Dem Kläger wurden in dem Bericht verschiedene Straftaten aus dem Bereich der organisierten
1932
1 BGH vom 2.3.2010, WRP 2010, 653, 655; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 264. 2 BGH vom 2.3.2010, WRP 2010, 653, 655; BGH vom 10.11.2009, GRUR 2010, 261, 263 f.; vgl. auch Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Teil 25 Rdnr. 229, 251. 3 Vgl. Degmair, K&R 2010, 341, 342 f. 4 BGH vom 2.3.2010, WRP 2010, 653, 656.
509
J. Kollisionsrecht
Kriminalität vorgeworfen. Ein Inländer, der solche Vorwürfe im Internet liest, wird sich stets in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sehen; nach Auffassung des BGH wäre für eine entsprechende Klage offenkundig stets ein deutsches Gericht zuständig. Würde man stattdessen – zutreffend – darauf abstellen, ob sich die betreffende Internet-Publikation ersichtlich (auch) – bestimmungsgemäß – an deutsches Publikum wendet, führt dies zu einer differenzierenden Betrachtung, die tatsächlich das vom BGH postulierte Augenmaß bei der Auslegung der zuständigkeitserweiternden Normen des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und des § 32 ZPO verwirklicht. 1933
Besonders kritikwürdig an dem Urteil des BGH in Sachen New York Times ist, dass der BGH ein zentrales Argument außer Acht lässt, das nach Auffassung der Vorinstanz für eine „Lokalisierung“ äußerungsrechtlicher Streitigkeiten und eine restriktive Auslegung des § 32 ZPO spricht. Das OLG Düsseldorf hatte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bejahung der internationalen Zuständigkeit im Bereich von Presseveröffentlichungen nicht selten das materielle Recht präjudiziert. Das Gericht betonte, dass unterschiedliche Rechtsordnungen bei der Auflösung des Konflikts zwischen Ehrschutz und Meinungs- und Pressefreiheit oft zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Die Anknüpfung an den Ort der bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit für die Annahme der internationalen Zuständigkeit gewährleiste einerseits einen realen Bezug zum Forumstaat, weil sie sicherstelle, dass die Entscheidungsgewalt einem Gericht mit einem Mindestbezug zu der klärenden Sachfrage zufällt, und wahre zum anderen die nötige Fairness gegenüber dem Beklagten, weil sie ein vorhersehbares und kalkulierbares Kriterium darstelle, anhand dessen der Beklagte sein Gerichtspflichtigkeitsrisiko durch sein eigenes Verhalten objektiv eingrenzen könne1. dd) Bestimmungsgemäße Abrufbarkeit
1934
Entgegen der Auffassung des BGH kommt es bei allen unerlaubten Handlungen – auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen – für die Zuständigkeit deutscher Gerichte darauf an, ob die Webseite, gegen die der Verletzte vorgehen möchte, in Deutschland bestimmungsgemäß abrufbar ist. Dies ist nur der Fall, wenn sie hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Es muss daher ermittelt werden, ob sich die auf einer Webseite präsentierten Informationen bei einer objektiven Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erkennbar an deutsche Nutzer richten2.
1 OLG Düsseldorf vom 30.12.2008, NJW-RR 2009, 701, 702 f. 2 Vgl. Pichler in Hoeren/Sieber, Handbuch des Multimediarechts, Teil 25 Rdnr. 262; Bettinger, GRUR Int. 1997 402, 416; Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 672; Danckwerts, GRUR 2007, 104, 107; Degmair, K&R 2010, 341, 342 f.; LG Düsseldorf vom 9.1.2008, AfP 2008, 224, 226; LG Köln vom 26.8.2009, MMR 2010, 512 (Ls.).
510
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
Anhaltspunkte dafür, ob eine Webseite hinreichenden Inlandsbezug aufweist, können der sprachlichen Fassung, der inhaltlichen Gestaltung der Webseite, der Zahl der Zugriffe auf die Webseite durch inländische Internetnutzer und der Art der auf der Webseite angebotenen Produkte entnommen werden1.
1935
Wenn sich eine Website an Kunden des Internetanbieters wendet, ist für deren bestimmungsgemäße Abrufbarkeit maßgebend, ob sich im Inland – nach vernünftigen Maßstäben gemessen – Kunden befinden. Wenn ein Internetanbieter keinen Vertrieb seiner Waren oder Dienstleistungen über das Internet mit entsprechendem Postversand anbietet, so ist auf das realistische Einzugsgebiet potentieller Kunden abzustellen. Dies ist der Lebenserfahrung nach danach zu bemessen, was für ein Produkt bzw. was für eine Dienstleistung angeboten wird und wie die Versorgung mit dem Produkt, bzw. der Dienstleistung üblicherweise stattfindet. Für den Internetauftritt eines Übernachtungsbetriebes wird die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit in aller Regel sehr weitreichend sein, für kleinere Ladengeschäfte eher gering. Für sehr spezialisierte Waren oder Dienstleistungen ist von einer weiterreichenden bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit auszugehen2.
1936
Ein starkes Indiz für eine Ausrichtung auf den deutschen Markt ist die Wahl der deutschen Sprache. Daher genügt es für die Annahme eines deutschen Erfolgsortes, wenn der Internetauftritt eines ausländischen Wettanbieters in deutscher Sprache gehalten ist und für die Zahlungen der Wetteinsätze ein Konto eines deutschen Bankinstitutes genannt wird3.
1937
Für einen hinreichenden Inlandsbezug genügt es nicht, dass auf einer englischen Website eine weltweite Belieferung von Kunden angeboten und die Bezahlung der Produkte außer in englischen Pfund auch in USDollar und Euro ermöglicht wird. Dies gilt jedenfalls, wenn die Internetseite mit einer .uk-Domain ausgestattet ist und neben der englischen nur die arabische, französische, polnische, russische, spanische und ukrainische Sprache verwendet wird4.
1938
Wenn der Internetauftritt eines niederländischen Anbieters international ausgerichtet, in deutscher Sprache gehalten und an deutschsprachige Europäer gerichtet ist, spricht dies ebenso für einen deutschen Erfolgsort. Unbeachtlich ist in einem solchen Fall der Hinweis auf „deutschsprachige Europäer“, der mit dem Zusatz „aber nicht an deutsche Adressen“ und der österreichischen Nationalflagge versehen ist. Zwar kann ein Disclaimer, mit dem der Werbende ankündigt, Adressaten in einem be-
1939
1 Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 672; LG Düsseldorf vom 9.1.2008, AfP 2008, 224, 226; LG Köln vom 26.8.2009, MMR 2010, 512 (Ls.). 2 LG München I vom 30.7.2009, Az. 7 O 13895/08, MMR 2010, 72 (Ls.). 3 Vgl. OLG Köln vom 21.4.2006, ZUM 2006, 648, 649. 4 OLG Köln vom 11.10.2007, K&R 2008, 115, 116.
511
J. Kollisionsrecht
stimmten Land nicht zu beliefern, ein Indiz für eine Einschränkung des Verbreitungsgebiets sein1. Ein wirksamer Disclaimer setzt aber voraus, dass er klar und eindeutig gestaltet und auf Grund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen ist. Erheblich ist der Disclaimer zudem nur, wenn ihn der Werbende auch tatsächlich beachtet und nicht entgegen seiner Ankündigung gleichwohl in das vom Vertrieb (angeblich) ausgenommene Absatzgebiet liefert2. b) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche
1940
Im Bereich des Wettbewerbsrechts bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und nach § 14 UWG3.
1941
Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sind deutsche Gerichte für wettbewerbsrechtliche Prozesse international zuständig, wenn der gerügte Wettbewerbsverstoß in Deutschland begangen worden ist. Hierfür genügt es, dass das schädigende Ereignis, das den Gegenstand des Prozesses bildet, in Deutschland eingetreten ist und somit der Erfolgsort in Deutschland liegt4. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, dass sich eine (beliebige) Schadensfolge in Deutschland verwirklicht hat5.
1942
Auch bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll6. Die Zuständigkeit hängt allerdings nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist7. 1 Vgl. Ubber, Markenrecht im Internet, S. 214; Fezer, Lauterkeitsrecht, Einl. I. Rdnr. 410; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 919; Hoeren, WRP 1997, 993, 998; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren; OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998, CR 1999, 450, 451; KG vom 20.12.2001, GRUR Int. 2002, 448, 449 f. 2 BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rdnr. 3; Köhler in Köhler/Bornkamm, Einl. Rdnr. 5.50 ff.; OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 822, 823; OLG Köln vom 17.12.1969, NJW 1970, 476, 477. 4 Köhler in Köhler/Bornkamm, Einl. Rdnr. 5.54. 5 Köhler in Köhler/Bornkamm, Einl. Rdnr. 5.54. 6 Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 14 Rdnr. 64; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435 ff. – Hotel Maritime; OLG München vom 15.11.2001, CR 2002, 449, 451; OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998, K&R 1999, 138 f. mit Anm. Kotthoff. = MMR 1999, 427 = CR 1999, 450 f. = NJW-CoR 1999, 302 f. mit Anm. Ernst; OLG Bremen vom 17.2.2000, CR 2000, 770, 771. 7 BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435 ff. – Hotel Maritime; BGH vom 30.3.2006, WRP 2006, 736, 738 – Arzneimittelwerbung im Internet = MMR 2006, 461, 462 mit Anm. Hoeren.
512
III. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Wettbewerbssachen nach § 14 UWG. Hat der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung bzw. seinen Wohnsitz in Deutschland, so ergibt sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte aus § 14 Abs. 1 Satz 1 UWG. Ist dies nicht der Fall, so ist es für die Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 UWG ausreichend, dass sich der Beklagte dauerhaft oder vorübergehend in Deutschland aufhält1. Fehlt es an einem inländischen Aufenthaltsort des Beklagten, so kann sich ein inländischer Gerichtsstand aus einem inländischen Tatort ergeben (§ 14 Abs. 2 Satz 1 UWG).
1943
c) Urheberrechtliche Ansprüche
Auch im Bereich des Urheberrechts finden Art. 5 Nr. 3 EuGVVO2 und § 32 ZPO3 Anwendung. Wird ein in Deutschland geschütztes Urheberrecht verletzt und tritt somit in Deutschland der Verletzungserfolg gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und § 32 ZPO ein, so kann der deutsche Verletzte gegen den ausländischen Schädiger seine Rechte vor einem deutschen Gericht geltend machen. Wird ein Urheberrecht verletzt, das durch eine ausländische Rechtsordnung geschützt ist, so tritt der Verletzungserfolg stets im Ausland ein, sodass sich eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nur dann bejahen lässt, wenn der Schädiger seinen Wohnsitz in keinem EU-Mitgliedsstaat hat und die Schädigungshandlung im Inland begangen worden ist (§ 32 ZPO).
1944
Die unberechtigte öffentliche Zugänglichmachung eines urheberrechtlich geschützten Werkes (vgl. § 19 a UrhG) stellt eine unerlaubte Handlung dar. Der Erfolgsort ist dort, wo die Internetseite nach der Intention des für die Internetseite Verantwortlichen bestimmungsgemäß aufgerufen wird. Um die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit bestimmen zu können, ist auf die Sichtweise eines neutralen und vernünftigen Beobachters abzustellen. Kriterium ist die aus der Ausgestaltung des Internetauftritts ersichtliche Zielrichtung. Besondere Konstellationen, die jemanden dazu veranlassen könnten, nach dem Internetauftritt eines bestimmten Unternehmens zu suchen, sind nicht zu berücksichtigen4.
1945
1 Vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 14 Rdnr. 5 ff.; OLG Hamburg vom 18.12.1986, GRUR 1987, 403, 403 f. 2 Vgl. Glöckner, WRP 2005, 795, 798. 3 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 32 Rdnr. 13; BGH vom 7.12.1979, GRUR 1980, 227, 229 f.; OLG München vom 15.2.1990, GRUR 1990, 677. 4 LG München I vom 30.7.2009, NJOZ 2010, 449.
513
J. Kollisionsrecht
d) Markenrechtliche Ansprüche
1946
Auch für Ansprüche, die sich auf die Verletzung von Markenrechten stützen, gilt § 32 ZPO1. Vorrangig zu beachten sind allerdings Art. 22 Nr. 4 und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO2.
1947
Nach Art. 22 Nr. 4 EuGVVO sind für markenrechtliche Klagen ausschließlich die Gerichte des Staates zuständig, in dem die Eintragung der Marke erfolgt ist3. Der Anwendungsbereich des Art. 22 Nr. 4 EuGVVO ist jedoch eng4. Unter die Zuständigkeitsnorm fallen lediglich Klagen, die die Eintragung oder Gültigkeit von Marken betreffen, nicht jedoch beispielsweise Streitigkeiten über die Frage, welchem von mehreren angemeldeten Schutzrechten Priorität gebührt5.
1948
Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 22 Abs. 4 EuGVVO ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte immer dann zu bejahen, wenn ein deutscher Erfolgsort gegeben ist (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO6 und § 32 ZPO). Deutsche Gerichte sind demnach international zuständig, wenn entweder ein deutsches Markenrecht verletzt ist und somit ein deutscher Erfolgsort vorliegt oder die Handlung, durch die ein (ausländisches) Markenrecht verletzt wurde, in Deutschland begangen wurde und der Schädiger seinen Wohnsitz in keinem EU-Mitgliedsstaat hat.
1949
Auch für die Begründung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und § 32 ZPO auf Grund einer Kennzeichenverletzung im Internet ist erforderlich, dass sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auch an inländisches Publikum richtet7.
1 Haecker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, § 140 Rdnr. 22, § 141 Rdnr. 1; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, § 141 Rdnr. 2; Vollkommer in Zöller, § 32 Rdnr. 9; Ubber, WRP 1997, 497, 502. 2 Vgl. OLG Hamburg vom 2.5.2002, MMR 2002, 822, 823. 3 Vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 3 Rdnr. 195; OLG München vom 16.6.2005, CR 2006, 347, 347. 4 Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 22 EuGVVO Rdnr. 45. 5 Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 22 EuGVVO Rdnr. 46. 6 Vgl. Glöckner, WRP 2005, 795, 798; BGH vom 13.10.2004, NJW 2005, 1435, 1435 – Hotel Maritime. 7 Fezer, Markenrecht, Einl. I. Rdnr. 4; v. Schultz in v. Schultz, Markenrecht, Anh. zu § 5 Rdnr. 26; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einl. Rdnr. 48; Ubber, Markenrecht im Internet, S. 209; Bettinger/Thum, GRUR Int. 1999, 659, 669; Hoeren, NJW 1998, 2849, 2851; KG vom 25.3.1997, NJW 1997, 3321, 3321; OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998, K&R 1999, 138 f. mit Anm. Kotthoff = MMR 1999, 427 = CR 1999, 450 f. = NJW-CoR 1999, 302 f. mit Anm. Ernst; OLG Bremen vom 17.2.2000, CR 2000, 770 ff.; OLG Bremen vom 17.2.2000, CR 2000, 770 , 771; OLG München vom 8.10.2009, IPRB 2010, 105 f. (Luckhaus): LG Düsseldorf vom 4.4.1997, GRUR 1998, 159, 160; a.A. OLG Karlsruhe vom 10.7.2002, MMR 2002, 814, 815; OLG München vom 15.11.2001, CR 2002, 449, 450.
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Rechtsprechungsübersicht1 A. Datenschutz EuGH vom 16.12.2008 CR 2009, 229 mit Anm. Härting Gegenstand von Art. 9 der Datenschutzrichtlinie ist der Einklang von einerseits dem Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung von Daten und andererseits dem Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung. (Datenschutz; Medienprivileg) EuGH vom 6.11.2003 MMR 2004, 95 Die Handlung, die darin besteht, auf einer Internetseite auf verschiedene Personen hinzuweisen und diese entweder durch ihren Namen oder auf andere Weise, etwa durch Angabe ihrer Telefonnummer oder durch Informationen über ihr Arbeitsverhältnis oder ihre Freizeitbeschäftigungen, erkennbar zu machen, stellt eine „ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie dar. (Datenschutzrecht; Internetveröffentlichungen) BVerfG vom 2.3.2010 NJW 2010, 833 – Vorratsdatenspeicherung Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar. (Speicherungspflicht; Telekommunikationsdaten) BVerfG vom 18.2.2010 GRUR 2010, 544 Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben stellt einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) dar. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es dem Betroffenen selbst genehm ist. Daher begegne bereits die Annahme, dass die Veröffentlichung des Zitats das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Anwalts beeinträchtige, erheblichen Bedenken. (wörtliche Zitate aus Anwaltsschreiben; Informationsinteresse) 1 Die Übersicht erstreckt sich auf sämtliche Kapitel des Buchs und enthält die gerichtlichen Entscheidungen, auf die sich die einzelnen Kapitel beziehen. Wegen der Fülle der Entscheidungen beschränkt sich die Übersicht auf die Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte sowie auf Entscheidungen des BVerfG und des EuGH.
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Rechtsprechungsübersicht BVerfG vom 16.6.2009 NJW 2009, 2431 – E-Mail-Beschlagnahme Die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers sind am Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG zu messen. §§ 94 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine gesetzliche Ermächtigung für solche Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis zu stellen sind. (Beschlagnahme von E-Mails beim Provider) BVerfG vom 10.6.2009 MMR 2009, 683 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen beeinträchtigt wird. (Online-Archiv; Straftäter) BVerfG vom 17.2.2009 NJW 2009, 1405 – Kreditkartendaten Für die Annahme eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung genügt es nicht, dass Daten bei einem Kreditkartenunternehmen in einen maschinellen Suchlauf mit eingestellt werden, wenn die Daten anonym und spurenlos aus dem Suchlauf ausscheiden und nicht im Zusammenhang mit dieser Ermittlungsmaßnahme behördlich zur Kenntnis genommen wurden. (Datenschutzrecht; Anwendungsbereich) BVerfG vom 27.2.2008 NJW 2008, 822 = CR 2008, 306 – Online-Durchsuchung Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen und ist grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen. (Computergrundrecht) BVerfG vom 2.3.2006 CR 2006, 383 – Handydaten Die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten werden nicht durch
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A. Datenschutz Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt. (Telekommunikationsüberwachung; Fernmeldegeheimnis) BGH vom 9.2.2010 WRP 2010, 642 Zur Zulässigkeit des Bereithaltens von sogenannten Dossiers zum Abruf im Internet, in denen den Täter identifizierende alte Wort- und Bildberichterstattungen über eine schwere Straftat zusammengefasst sind. (Spiegel-Dossiers; Straftäter) BGH vom 15.12.2009 Az. VI ZR 228/08 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls beeinträchtigt wird und gegebenenfalls hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung zurücktritt. (Online-Archiv; Straftäter) BGH vom 15.12.2009 CR 2010, 184 mit Anm. Kaufmann Die Frage, ob eine Rundfunkanstalt nicht mehr aktuelle Rundfunkbeiträge, in denen ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird, in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil ihres Internetportals weiterhin zum Abruf bereit halten darf, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit dem Recht der Rundfunkanstalt auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Dabei fließt zugunsten der Rundfunkanstalt mit erheblichem Gewicht in die Abwägung ein, dass die Veröffentlichung der Meldung ursprünglich zulässig war, die Meldung nur durch gezielte Suche auffindbar ist und erkennen lässt, dass es sich um eine frühere Berichterstattung handelt. (Online-Archiv; Straftäter) BGH vom 11.11.2009 CR 2010, 87 – HappyDigits Statt eines Ankreuzkästchens im Rahmen einer Einwilligung zur Datenverarbeitung in Form einer Opt out-Erklärung reicht es auch aus, wenn fettgedruckt auf die Möglichkeit der Streichung der Einwilligungsklausel hingewiesen wird. (Opt out; Streichung)
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Rechtsprechungsübersicht BGH vom 23.6.2009 NJW 2009, 2888 – spickmich.de Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des „schutzwürdigen Interesses“ i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG verlangt eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte. Dabei sind Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten an den Aufgaben und Zwecken zu messen, denen die Datenerhebung und -speicherung dient. (geschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung; schutzwürdiges Interesse) BGH vom 31.3.2009 CR 2009, 446 Die Sicherstellung von E-Mails beim E-Mail-Provider ist entsprechend den Voraussetzungen des § 99 StPO mit der Herausgabepflicht nach § 95 Abs. 2 StPO anzuordnen. (Beschlagnahme von E-Mails beim Provider) BGH vom 16.7.2008 CR 2008, 720 – Payback Aus § 4 a BDSG ergibt sich nicht, dass eine Einwilligung in die Datenverarbeitung nur dann wirksam sein soll, wenn der Nutzer eine gesonderte Einwilligungserklärung unterzeichnen oder ein für die Erteilung der Einwilligung vorzusehendes Kästchen ankreuzen muss. Vielmehr ergibt sich aus § 4 a Abs. 1 Satz 4 BDSG, dass die Einwilligung auch zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werden kann, sofern sie in diesem Fall besonders hervorgehoben wird. (Einwilligung; Datenschutzbestimmung)
B. Vertragsrecht BGH vom 17.2.2010 CR 2010, 386 Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird. Dazu ist es erforderlich, dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen. (AGB-Recht; Anwendbarkeit)
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B. Vertragsrecht BGH vom 11.10.2007 K&R 2007, 650 = BB 2007, 2644 mit Anm. Härting Zur unangemessenen Benachteiligung durch Anpassungs- und Änderungsklauseln in einem Internet-Service-Provider-Vertrag. (Anpassungsvorbehalt; Änderungsklauseln) BGH vom 29.11.2006 NJW 2007, 1346 mit Anm. Gutzeit = MMR 2007, 311 mit Anm. Hoffmann Zur Unterscheidung zwischen Beschaffenheitsgarantie und Beschaffenheitsvereinbarung ist auf die beim Kaufvertrag gegebene Interessenlage abzustellen. Beim Kauf eines Kraftfahrzeugs von einem Privatanbieter ist von einer stillschweigenden Garantieübernahme nur in Ausnahmefällen auszugehen. Allein die Tatsache, dass das Fahrzeug über Ebay verkauft wurde und so keine Besichtigungsmöglichkeit bestand, genügt hierfür nicht. (stillschweigende Garantieübernahme, Ebay) BGH vom 14.6.2006 NJW 2006, 2976 = CR 2006, 773 = MMR 2006, 73 = K&R 2006, 460 Für die Möglichkeit der Kenntnisverschaffung kann es genügen, wenn bei einer Bestellung über das Internet die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters über einen auf der Bestellseite gut sichtbaren Link aufgerufen und ausgedruckt werden können. (Einbeziehung von AGB; Kenntnisverschaffung) BGH vom 16.3.2006 NJW 2006, 1971 = MMR 2006, 453 Vertragspartner kann bei anonymisierten Telekommunikationsdienstleistungen aus der (maßgeblichen) Sicht des Dienstleisters nur der Anschlussinhaber sein. Der Tastendruck eines Dritten ist nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zu beurteilen. Allerdings kann die Unterhaltung eines funktionstüchtigen Telefonanschlusses keinen Vertrauenstatbestand schaffen. (R-Gespräche; Anscheinsvollmacht) BGH vom 5.10.2005 CR 2006, 120 = K&R 2006, 33 Die Klausel „Wenn Sie uns keinen bestimmten Wunsch mitteilen, wird der Wert der Rücksendung Ihrem Kundenkonto gutgeschrieben oder Sie erhalten beim Nachnahmekauf einen Verrechnungsscheck“ in AGB für den Versandhandel verstößt gegen das Transparenzgebot. (AGB; Transparenzgebot) BGH vom 21.9.2005 NJW 2005, 3567 = MMR 2005, 833 = K&R 2006, 559 Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versandhandelsunternehmens gegenüber Verbrauchern verwendete Klausel „Sollte ein bestimmter Artikel
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Rechtsprechungsübersicht nicht lieferbar sein, senden wir Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Ersatzartikel) zu“, ist unter Berücksichtigung der sich daran anschließenden Sätze „Auch diesen können Sie bei Nichtgefallen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Sollte ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel nicht lieferbar sein, sind wir berechtigt, uns von der Vertragspflicht zur Lieferung zu lösen; . . .“ gemäß §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam. (AGB; Unwirksamkeit eines Änderungsvorbehalts) BGH vom 26.1.2005 NJW 2005, 976 = CR 2005, 355 = MMR 2005, 233 = K&R 2005, 171 Zum Vorliegen eines Erklärungsirrtums im Falle einer falschen Kaufpreisauszeichnung im Internet, die auf einen im Bereich des Erklärenden aufgetretenen Fehler im Datentransfer zurückzuführen ist. (Erklärungsirrtum; fehlerhafter Datentransfer) BGH vom 5.10.2004 NJW 2004, 3623 Wird zeitnah nach dem Diebstahl einer ec-Kare unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl (PIN) an Geldautomaten Bargeld abgehoben, spricht grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der ec-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn andere Ursachen für den Missbrauch nach der Lebenserfahrung außer Betracht bleiben. (Anscheinsbeweis für eine sorgfaltswidrige Aufbewahrung von ec-Karte und PIN) BGH vom 4.3.2004 NJW 2004, 1590 = CR 2004, 355 Der Telefonnetzbetreiber und nicht der Anschlussinhaber trägt das Risiko der heimlichen Installation eines automatischen Einwahlprogramms (sogenannter Dialer) in einen Computer, das für den durchschnittlichen Anschlussnutzer unbemerkbar die Verbindungen in das Internet über eine Mehrwertdienstnummer herstellt, sofern der Anschlussnutzer dies nicht zu vertreten hat. (Haftungsrisiko bei automatisch installierenden Einwahlprogrammen – Dialer) BGH vom 13.11.2003 CR 2004, 294 mit Anm. Leible/Sosnitza Eine Internet-Auktion in Form der umgekehrten Versteigerung ist keine Versteigerung im Sinne der Gewerbeordnung. (umgekehrte Versteigerung) BGH vom 7.11.2001 NJW 2002, 363 = CR 2002, 213 mit Anm. Wiebe = MMR 2002, 95 = K&R 2002, 85 Wird bei Freischaltung der Angebotsseite vom Bieter zugleich die Erklärung abgegeben, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt die Annahme des höchsten wirksamen
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B. Vertragsrecht Angebots erklärt, so stellt diese Erklärung eine Willenserklärung und keine invitatio ad offerendum dar. (ricardo.de) OLG Köln vom 22.1.2010 K&R 2010, 204 Anwendbar ist bei Telekommunikationsdienstleistungen als einem praktisch vollständig technisierten, anonymen Massengeschäft der Rechtsgedanke, dass ein Teilnehmer am Rechtsverkehr für das seiner Risikosphäre zuzurechnende Verhalten Dritter vertraglich einzustehen hat. (verhalten Dritter; Zurechnung) OLG Hamburg vom 26.11.2009 MMR 2010, 400 Beinhaltet das im Rahmen der Internet-Auktions-Plattform Ebay abgegebene rechtsgeschäftlich bindende Verkaufsangebot eine unselbständige Garantie, so muss Abfassung und Inhalt des Verkaufsangebots § 477 BGB genügen. (Garantieerklärung; Ebay) OLG Celle vom 24.7.2009 CR 2010, 17 =NJW-RR 2010, 136 = K&R 2009, 655 Der in einer Auftragsbestätigung enthaltene Hinweis auf die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Einsehbarkeit auf der Internetseite des Verwenders oder in dessen Geschäftsräumen genügt auch im kaufmännischen Rechtsverkehr den Formerfordernissen an den Abschluss einer Vereinbarung über einen internationalen Gerichtsstand nicht, wenn der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht zugleich übersandt wird oder ihm im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung aufgrund vorangegangener Verträge bereits vorliegt. (AGB; Gerichtsstandsvereinbarungen) OLG Brandenburg vom 17.6.2009 K&R 2009, 592 Ebay ist zur Sperrung von Mitgliedskonten berechtigt, wenn entgegen seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und seinen Grundsätzen die Sperrung des Accounts umgangen und auf eigene Angebote geboten wird. (Shill Bidding, Kontosperrung) OLG Nürnberg vom 10.6.2009 MMR 2010, 31 = K&R 2010, 58 Waren die bei Onlineshops präsentiert werden sind keine Angebote, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum. Erhält der Angebotsabgebende kurz nach seiner Abgabe des Angebots eine Bestätigungsmail, so ist diese als Eingangsbestätigung des Angebots zu verstehen und nicht als Annahme. (Antrag; Bestätigungsmail)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Koblenz vom 3.6.2009 CR 2010, 49 = MDR 2009, 1412 = MMR 2009, 630 Grundsätzlich kann sich ein Verkäufer von seinen auf einer Internetauktionsplattform eingestellten Angeboten nur lösen, wenn ihm ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht zusteht. Hat der Verkäufer sich von seinem Angebot unberechtigt gelöst, hat der zu diesem Zeitpunkt Höchstbietende grundsätzlich ein Anspruch nach § 433 Abs. 1 BGB gegen Zahlung des Höchstgebots. Etwas anderes kann sich nur in Ausnahmesituationen ergeben, wenn sich die Inanspruchnahme des Verkäufers als eine öffentlich unzulässige Rechtsausübung darstellt, weil sich das tatsächliche Geschehen außerhalb der von beiden Beteiligten erkennbaren Risiken und Chancen bewegt. (Vertragsschluss; Auktionsabbruch) OLG Düsseldorf vom 26.3.2009 ITRB 2010, 129 (Intveen) Weil derjenige, der in geschäftlichen Beziehungen eine E-Mail-Adresse benennt, damit rechnen muss, dass diese für die Übersendung von Nachrichten und anderen Mitteilungen genutzt wird, kann beim Nichtabruf von E-Mails konkludent ein Vertrag zustanden kommen. (Vertragsschluss; Schweigen) OLG Brandenburg vom 15.1.2009 MMR 2009, 262 Die Sperrklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Ebay sind zulässig. Dies gilt insbesondere in den Fällen einer Umgehung der Sperrung eines anderen Nutzers. (Ebay; Sperrklauseln) OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2008 CR 2009, 253 Werden im Internet kostenpflichtige Angebote unterbreitet, bei denen der durchschnittlich verständige Internetnutzer wegen der Art dieses Angebots und wegen der weiteren Umstände der Präsentation mit einer Kostenpflichtigkeit nicht rechnet, sind an den erforderlichen Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit erhöhte Anforderungen zu stellen. (Kostenfalle; Hinweispflicht) OLG Brandenburg vom 12.11.2008 MDR 2009, 526 Die alleinige Behauptung, der gewählte Ebay-Name verstoße gegen die AGB, ist kein ausreichender Grund für eine sofortige Sperrung des jeweiligen Accounts. (Ebay-Account; Sperrung)
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B. Vertragsrecht OLG Saarbrücken vom 18.4.2008 Az. 4 W 93/08-17 Ein Kaufvertrag über ein Pkw für zwei E kommt mangels korrespondierender Willenserklärung trotz eines Kaufangebots zum Sofort-Kauf für zwei E, das über Ebay via E-Mail abgegeben wird, nicht zustande, wenn in der E-Mail des Verkäufers der Wert „8.900 E“ genannt wird. (Sofort-Kauf; klarstellende E-Mail) OLG Jena vom 9.6.2007 WRP 2007, 1008 Bei einem Sofortkauf über Ebay kommt der Vertrag dadurch zustande, dass der Käufer die angebotene Sofort-Kaufen-Option betätigt, ohne dass es einer weiteren Bestätigung durch den Verkäufer bedarf. (Sofort-Kauf; Vertragsschluss) Kammergericht vom 3.4.2007 NJW 2007, 2266 Die Lieferfristangabe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen „in der Regel...“ ist nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam gem. § 308 Nr. 1 BGB. (Bestimmtheitsgebot, Lieferfristen, AGB) OLG Karlsruhe vom 25.1.2007 NJW-RR 2007, 1211 = MMR 2007, 794 Werden im Internet im Rahmen einer Ebay-Versteigerung gestempelte Briefmarken mit einem den Stempel zeigenden Bild angeboten, handelt es sich um einen Stückkauf im Sinne des § 243 Abs. 2 BGB. Die Angabe eines Satzwertes von Briefmarken aus dem Michel-Briefmarken-Katalog in einem Ebay-Angebot stellt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine Beschaffenheitsgarantie-Erklärung des Anbietenden im Sinne des § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. (Stückkauf; Beschaffenheitsgarantie) OLG Köln vom 8.12.2006 CR 2007, 598 = MMR 2007, 446 Ein über eine Internetauktionsplattform abgeschlossener Kaufvertrag ist nicht allein wegen eines besonders krassen Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung unwirksam. (wirksamer Kaufvertrag bei niedrigem Höchstgebot bei Ebay) OLG Hamm vom 16.11.2006 NJW 2007, 611 = MMR 2007, 449 = ZUM 2007, 395 Die Beweislast dafür, dass ein Angebot angenommen worden ist, liegt auch bei Ebay beim Verkäufer; es kann sich nicht auf die Grundsätze der Anscheins-/oder Duldungsvollmacht aufgrund der Verwendung des Passworts gestützt werden. (Anscheinsbeweis oder Rechtsscheinhaftung beim Ebay-Kauf)
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Rechtsprechungsübersicht OLG München vom 28.9.2006 MMR 2007, 47 = ITRB 2007, 30 mit Anm. Rössel Eine AGB-Klausel, welche eine Opt-Out-Regelung (Ankreuzlösung) enthält und die Einwilligung in Werbung und Marktforschung betrifft, ist grundsätzlich wirksam. (datenschutzrechtliche Einwilligung; Transparenzgebot) OLG Oldenburg vom 27.9.2006 CR 2007, 462 = NJW-RR 2007, 268 Auch die Einstellung eines Gegenstandes mit einem bestimmten Startpreis auf der Angebotsseite einer Ebay-Versteigerung ist wegen Erklärungsirrtum anfechtbar. (Erklärungsirrtum bei Ebay-Angebot) OLG Stuttgart vom 12.7.2006 MMR 2006, 819 Ein Onlineangebot stellt aus rechtlicher Sicht eine invitatio ad offerendum dar. Die Weigerung zur Lieferung kann eine konkludente Anfechtungserklärung darstellen. Ein wegen falscher Preisangabe in Betracht kommender Schadensersatz ist lediglich auf das Vertrauensinteresse gerichtet. (invitatio; Preisirrtum) OLG Oldenburg vom 3.4.2006 CR 2006, 694 = NJW-RR 2006, 1204 = MMR 2006, 556 Die Bewertung „Bietet, nimmt nicht ab“ nach einer bei Ebay durchgeführten Auktion ist unwahr und führt zu einem Anspruch auf deren Rücknahme, wenn der Käufer Mängel der gelieferten Ware beanstandet und der Verkäufer sich mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages einverstanden erklärt hatte. (Negativbewertungen; § 823 Abs. 1 BGB; Widerruf; Ebay) OLG Köln vom 13.1.2006 NJW 2006, 1676 = CR 2006, 489 = MMR 2006, 321 Nutzt jemand einen fremden Computer berechtigterweise unter einer bestimmten Ebay-Bezeichnung, die seine wahre Identität nicht erkennen lässt, ändert dies nichts daran, dass derjenige, der sich auf einen wirksamen Vertragsschluss beruft, darlegen und beweisen muss, dass die hinter der jeweiligen Bezeichnung stehende Person tatsächlich Vertragspartner geworden ist. (Handeln unter fremden Namen; Duldungs-/Anscheinsvollmacht) OLG Brandenburg vom 11.1.2006 CR 2006, 490 = MMR 2006, 405 = K&R 2006, 234 Wird der Kunde in den AGB eines Internetauktionshauses zu der Erklärung aufgefordert, er sei volljährig und unbeschränkt geschäftsfähig, bewirkt dies keine Veränderung der Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils. Einwil-
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B. Vertragsrecht ligungsklauseln in die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind zulässig, wenn die Einwilligung im Bewusstsein der Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung erfolgt und sich ein durchschnittlicher verständiger Nutzer den Inhalt der Datenschutzerklärung vor Augen führen kann. (Erklärungsangabe über die Geschäftsfähigkeit in AGB) Kammergericht vom 5.8.2005 CR 2005, 818 = NJW-RR 2005, 1630 = MMR 2005, 764 Führt ein Ebay-Mitglied den Handel eines bereits gesperrten Mitglieds weiter, ist Ebay zur Sperrung des Accounts berechtigt. Eine Sperrung bedarf der vorherigen Abmahnung. Wird dieses Erfordernis in den AGB von Ebay nicht vorgesehen, könnten die Ebay-AGB unwirksam sein. Zwischen dem Nutzer und Ebay besteht ein Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungselementen. Eine ordentliche Kündigung ist jederzeit möglich. (Internethandel: Sperrung eines Ebay Nutzers) OLG Oldenburg vom 28.7.2005 NJW 2005, 2556 = CR 2005, 828 = MMR 2005, 766 = MDR 2006, 80 Das Einstellen eines Warenangebots auf der Website von eBay zwecks Durchführung einer Online-Auktion begründet ein verbindliches Angebot. Die Wirksamkeit eines solchen verbindlichen Angebots wird durch die nach den eBay-Grundsätzen mögliche vorzeitige Beendigung der Auktion nicht berührt. Seine Willenserklärung kann der Anbieter nur im Wege der Anfechtung beseitigen. (Angebot; Wirksamkeit; Anfechtung) OLG Frankfurt a.M. vom 13.6.2005 NJW-RR 2005, 1204 = CR 2005, 655 Wer seinen eBay-Account einem Dritten zur Verfügung stellt, kann für markenverletzende Internet-Angebote verantwortlich sein, wenn er sich nicht darum kümmert, welche Waren unter seinem Account durch den Dritten angeboten werden. (Account-Überlassung; Haftung) OLG Koblenz vom 2.6.2005 CR 2005, 655 AGB der Provider, mit denen diese AGB der Registrierungsstellen an den Kunden durchreichen, sind grundsätzlich nicht gem. § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle entzogen. Das Fehlen jeglicher Begrenzung eines Aufwendungsersatzanspruchs verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot (Inhaltskontrolle; Anwendungsbereich; Bestimmtheitsgebot; Aufwendungsersatz) OLG Brandenburg vom 18.5.2005 CR 2005, 662 = MMR 2005, 698 = K&R 2005, 424 Ebay ist aufgrund der Vertragsfreiheit berechtigt, in den AGB ein ordentliches Kündigungsrecht aufzunehmen. Die Berechtigung zur ordentlichen Kündigung er-
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Rechtsprechungsübersicht folgt unabhängig von der Rechtmäßigkeit einer vorherigen Sperrung des Mitgliedskontos des Nutzers durch Ebay. (Rechtmäßigkeit der ordentlichen Kündigung durch Ebay) Kammergericht vom 25.1.2005 NJW 2005, 1053 = MMR 2005, 709 Die Regelungen in den Ebay-Grundsätzen, die eine vorzeitige Angebotsbeendigung und das Streichen bereits vorliegender Gebote betreffen, stellen lediglich einen Hinweis auf die gesetzlich vorgesehene Anfechtungsmöglichkeiten wegen Irrtums dar. Sie begründen jedoch kein Widerrufsrecht des Anbieters. (Anfechtung; Angebot; Widerrufsrecht; vorzeitige Angebotsbeendigung) Kammergericht vom 10.1.2005 NJW-RR 2006, 1213 Angebote in einer Internetauktion über Ebay müssen eine zutreffende Objektbeschreibung enthalten. Auch die Möglichkeit der Nachfrage schützt den Anbietenden bei irreführenden Angaben nicht vor dem Vorwurf arglistigen Verhaltens. (irreführende Objektbeschreibung bei Internetauktion) OLG Naumburg vom 2.3.2004 Az. 9 U 145/03 Bei Internetversteigerungen gilt kein Anscheinsbeweis dafür, dass tatsächlich derjenige an einer Versteigerung teilnimmt, dem das entsprechende Passwort zugeordnet ist. Es ist technisch möglich, ein ordnungsgemäß geschütztes Passwort „auszuspähen“. (Internetauktionen; Ebay; Anscheinsbeweis; Passwort) OLG München vom 5.2.2004 NJW 2004, 1328 = CR 2004, 352 = K&R 2004, 352 Wer bei Internetauktionen die Kennung eines anderen benutzt, handelt nicht „in“ fremdem Namen sondern „unter“ fremdem Namen. Die §§ 164 ff. BGB sind analog anwendbar. (Handeln unter fremden Namen) OLG Hamm vom 12.1.2004 NJW 2004, 2601 Die Präsentation von Waren im Internet stellt eine invitatio ad offerendum dar. Dennoch besteht hinsichtlich der späteren Annahmeerklärung ein Anfechtungsrecht gemäß § 120 BGB, wenn die Ware auf der Website infolge eines Rechenfehlers falsch ausgepreist war, da der Fehler bei der Annahmeerklärung fortwirkt. (invitatio, Annahme, Anfechtung)
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B. Vertragsrecht OLG Oldenburg vom 30.10.2003 NJW 2004, 168 = CR 2004, 298 Zur Frage des Abschlusses eines Kaufvertrages im Rahmen einer Internetauktion, wenn die Vertragsparteien während der laufenden Bietzeit mit deutlich unterschiedlichen Preisvorstellungen erfolglos über einen Vertragsschluss verhandelt haben. (Erklärungsirrtum bei Internetauktion) OLG Frankfurt a.M. vom 20.11.2002 MMR 2003, 405 = MDR 2003, 677 = CR 2003, 450 Die Präsentation von Waren im Internet ist mit der Präsentation in Prospekten oder Katalogen vergleichbar und stellt eine invitatio ad offerendum dar. Wird eine Bestellung mittels automatisierter Erklärung eine Minute später unter Zusage der „Ausführung“ des „Auftrages“ bestätigt, so handelt es sich bei der Bestätigung nicht nur um eine bloße Eingangsbestätigung gemäß § 312 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB, sondern zugleich um eine Annahmeerklärung. Die Annahmeerklärung ist gemäß § 120 BGB anfechtbar, wenn die Ware auf der Website infolge eines Rechenfehlers falsch ausgepreist war und der Rechenfehler bei der Übermittlung der Daten vom Website-Betreiber an den Shop-Provider erfolgt ist. (invitatio ad offerendum, Annahme, Anfechtung) OLG München vom 15.11.2002 NJW 2003, 367 = CR 2003, 532 = MMR 2003, 274 mit Anm. Hoffmann Bei einer offensichtlich fehlerhaften Auspreisung eines auf einer Website beworbenen Fluges besteht im Falle der Buchung ein Anfechtungsrecht des Anbieters wegen Erklärungsirrtums. Der Schadensersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB ist gemäß § 122 Abs. 2 BGB wegen der Kenntnis des Vertragspartners von der Anfechtbarkeit ausgeschlossen. Wer in Kenntnis der Fehlerhaftigkeit des Angebots dieses nur annimmt, um den Anbieter für die Nichtinanspruchnahme zu einer Zahlung zu veranlassen, handelt rechtsmissbräuchlich. (Anfechtung, Erklärungsirrtum) OLG Hamburg vom 13.6.2002 CR 2002, 915 = MMR 2002, 677 = K&R 2002, 666 Keine Möglichkeit der Kenntnisnahme bei Online-AGB, wenn sich die AGB auf einer unteren Ebene der Website befinden, die nicht zwangsläufig von jedem Kunden wahrgenommen wird. (AGB, Kenntnisnahme) OLG Köln vom 9.6.2002 CR 2003, 55 = MMR 2002, 813 Der Sicherheitsstandard im Internet ist derzeit nicht ausreichend, um aus der Verwendung eines geheimen Passwortes auf denjenigen als Verwender zu schließen, dem dieses Passwort ursprünglich zugeteilt worden ist.
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Rechtsprechungsübersicht Kammergericht vom 15.8.2001 NJW 2002, 1583 = CR 2002, 604 = MMR 2002, 326 = K&R 2002, 146 Zeitablaufklauseln in den AGB eines Anbieters einer Auktionsplattform sind zulässig. (Zeitablaufklauseln) Kammergericht vom 11.5.2001 NJW 2001, 3272 = CR 2002, 47 = MMR 2001, 764 = K&R 2001, 519 = ITRB 2001, 230 (Rössel) Einer Internet-Langzeitauktion fehlt das wesensnotwendige Merkmal einer zeitlichen und örtlichen Begrenztheit der Versteigerung im Sinne des § 34 GewO, sodass sie nicht der gewerberechtlichen Erlaubnis bedarf. (Internetauktion, Gewerbeerlaubnis) OLG Hamm vom 14.12.2000 NJW 2001, 1142 = CR 2001, 117 = MMR 2001, 105 Bei einer Internetauktion ohne herkömmlichen Auktionator ist auf der Grundlage entsprechender AGB die Freischaltung der Angebotsseite bereits verbindliches Angebot und keine invitatio ad offerendum. Der Vertrag kommt durch die Annahme des Höchstbietenden zustande. (ricardo.de)
C. Verträge über Internet-Dienstleistungen BGH vom 4.3.2010 BB 2010, 1047 mit Anm. Schirmbacher Zur rechtlichen Einordnung eines „Internet-System-Vertrags“, der die Erstellung und Betreuung einer Internetpräsentation (Website) des Kunden sowie die Gewährleistung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet für einen festgelegten Zeitraum zum Gegenstand hat sowie zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet. (Internet-System-Vertrag) BGH vom 11.10.2007 MMR 2008, 36 = BB 2007, 2644 Zur Wirksamkeit von AGB-Klauseln eines Internet-Service-Providers über Anpassungsvorbehalte und Leistungs- und Preisänderungen. (AGB bei Providerverträgen) BGH vom 15.11.2006 NJW 2007, 2394 = CR 2007, 75 mit Anm. Lejeune = MMR 2007, 243 Auf den ASP-Vertrag, dessen charakteristische Leistung die Softwareüberlassung ist, findet Mietvertragsrecht Anwendung. (ASP-Vertrag; Rechtsnatur)
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C. Verträge über Internet-Dienstleistungen BGH vom 23.3.2005 NJW 2005, 2076 = CR 2005, 816 = MMR 2005, 373 = ZUM 2005, 158 Auf den Access-Provider-Vertrag findet Dienstvertragsrecht Anwendung. Der Access Provider schuldet die ständige Bereithaltung der technischen Möglichkeiten für den Zugang in das Internet und sachgerechte Bemühungen um eine dauerhafte Erreichbarkeit des World Wide Web. (Access-Provider-Vertrag; Rechtsnatur) BGH vom 12.12.2000 MMR 2001, 225 = K&R 2001, 217 mit Anm. Härting Die verschuldensunabhängige Haftungsfreizeichnung für sämtliche technisch oder betrieblich bedingten zeitweiligen Zugangsstörungen im Online-Service einer Bank ist nach § 11 Nr. 7 AGBG unwirksam. (Online-Banking; Haftungsausschluss) OLG Karlsruhe vom 10.1.2005 CR 2005, 288 Als Rechtfertigungsgründe für Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis kommen Erlaubnissätze in Betracht, die in einer gesetzlichen Vorschrift, d.h. in einem formellen Gesetz oder einer Rechtsverordnung niedergelegt sind, und die sich ausdrücklich auf Postsendungen, den Postverkehr oder Telekommunikationsvorgänge beziehen. Auch ein Rückgriff auf allgemeine Rechtfertigungsgründe ist möglich, sodass das technische Herausfiltern einer E-Mail gerechtfertigt sein kann, wenn ansonsten Störungen oder Schäden der Telekommunikations- und Datenverarbeitungssysteme eintreten können. (Mail-Account; Filtermaßnahmen) OLG Düsseldorf vom 26.2.2003 MMR 2003, 474 Die von einem Provider automatisch erstellten Logfiles reichen als Beweis für den Datenverkehr nicht aus, wenn der Provider ein bestimmtes Trafficvolumen in Rechnung stellt. Da sich Logfiles noch nicht als zuverlässiges Datenaufzeichnungsmittel bewährt haben, muss der Provider stets auch ihre Richtigkeit beweisen. (Vergütungsanspruch eines Presence-Providers aus Webhosting-Vertrag) OLG München vom 5.12.2002 NJW-RR 2003, 1423 = MMR 2003, 795 = K&R 2003, 415 Verpflichtet sich ein Provider dazu, eine Domain „zu besorgen“ und dem Kunden zur Verfügung zu stellen, so ist damit auch eine Verpflichtung verbunden, den Kunden als Domaininhaber bei der Vergabestelle eintragen zu lassen. (ritter.de)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Köln vom 13.5.2002 CR 2002, 832 = MMR 2003, 191 mit Anm. Runte Ein Webhosting-Vertrag ist jederzeit nach den gesetzlichen Vorschriften kündbar, wenn keine anderweitige Laufzeit vertraglich bestimmt wurde. Die im Voraus entrichtete Vergütung ist vom Host Provider an den Website-Betreiber zurückzuerstatten. (Kündigung eines Webhosting-Vertrages) OLG Köln vom 25.8.2000 MMR 2001, 52 Der Betreiber einer Internetplattform hat ein „virtuelles Hausrecht“. Ebenso wie der Betreiber eines Einkaufszentrums mit mehreren Geschäften kann der Plattformbetreiber in Nutzungsbedingungen festlegen, wer zum Besuch der Plattform berechtigt ist. (Internetplattform; virtuelles Hausrecht)
D. Fernabsatzrecht EuGH vom 15.4.2010 NJW 2010, 1941 = K&R 2010, 394 mit Anm. Ultsch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt. (Hinsendekosten; Widerruf) EuGH vom 3.9.2009 CR 2009, 671 = MMR 2009, 744 mit Anm. Damm = K&R 2009, 703 mit Anm. Ballhausen = BB 2009, 2164 mit Anm. Schirmbacher Grundsätzlich steht die Fernabsatzrichtlinie einer generellen Wertersatzpflicht für die bloße Nutzung der Ware durch den Käufer entgegen. Dies gilt nicht, wenn der Verbraucher die Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (wie denen von Treu und Glauben oder ungerechtfertigten Bereicherung) unvereinbare Art und Weise genutzt hat und zugleich die Zielsetzung der Richtlinie nicht beeinträchtigt werde. (Ingebrauchnahme; Wertersatz) EuGH vom 10.3.2005 NJW 2005, 3055 Auf im Internet geschlossene Automietverträge findet die Fernabsatzrichtlinie keine Anwendung, weil die Ausnahmebestimmung des Art. 3 Abs. 2 Fernabsatzrichtlinie eingreift. (Automietverträge im Internet)
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D. Fernabsatzrecht BGH vom 7.7.2010 Az. VIII ZR 268/07 Ein Verkäufer von Waren im Fernabsatzgeschäft darf einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware an den Verbraucher belasten, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat. (Hinsendekosten; Widerruf) BGH vom 9.12.2009 NJW 2010, 989, = ZGS 2010, 136 mit Anm. Härting/Schätzle, ZGS 2010, 168 Zu den Belehrungspflichten über das Rückgaberecht bei Ebay und der Unwirksamkeit von Klauseln zum Beginn der Rückgabefrist sowie der Wertersatzpflicht des Verbrauchers. (Rückgabebelehrung; Fristbeginn; Wertersatz) BGH vom 18.3.2009 WRP 2009, 735 Vorlage an den EuGH zu der Frage, ob ein Widerrufsrecht bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz über die leitungsgebundene Lieferung von Strom und Gas besteht. (Strom und Gas; Sammelausnahme) BGH vom 10.3.2009 NJW 2009, 3572 = ZGS 2009, 333 Eine einem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung, die von einem unbefangenen rechtsunkundigen Leser dahin verstanden werden kann, die Widerrufsfrist werde unabhängig von der Vertragserklärung des Verbrauchers bereits durch den bloßen Zugang des von einer Widerrufsbelehrung begleiteten Vertragsangebots des Vertragspartners in Gang gesetzt, entspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB. (Widerrufsbelehrung; Fristbeginn) BGH vom 4.12.2008 CR 2009, 753 = K&R 2009, 467 – Ohrclips Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internet-Plattform im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist aufgrund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Dazu können wiederholte, gleichartige Angebote, gegebenenfalls auch von neuen Gegenständen, Angebote erst kurz zuvor erworbener Waren, eine ansonsten gewerbliche Tätigkeit des Anbieters, häufige sogenannte Feedbacks und Verkaufsaktivitäten für Dritte rechnen. (Unternehmereigenschaft) BGH vom 1.10.2008 NJW 2009, 66 Vorlagebeschluss an den EuGH zu der Frage, ob die Kosten der Zusendung der Ware auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat. (Hinsendekosten; Widerruf)
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Rechtsprechungsübersicht BGH vom 4.10.2007 NJW 2008, 1595 = K&R 2008, 372 Wer im Fernabsatz für Waren oder Leistungen unter Angabe von Preisen wirbt, muss darauf hinweisen, dass der geforderte Preis die Umsatzsteuer enthält. Gelten bei einem Fernabsatzgeschäft über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften, braucht ein Unternehmer den Verbraucher nicht nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 b BGB-InfoV auf diesen Umstand und auf den Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen hinzuweisen. (Umsatzsteuerhinweis, Hinweis auf Gewährleistungsrechte) BGH vom 12.4.2007 NJW 2007, 1946 = CR 2007, 529 = WRP 2007, 794 = MMR 2007, 514 = ITRB 2007, 203 Eine Widerrufsbelehrung, welche nicht über die wesentlichen Rechte des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, sondern lediglich über dessen Pflichten informiert, entspricht nicht den Anforderungen des Gesetzes. (Inhalt der Widerrufsbelehrung) BGH vom 20.07.2006 CR 2006, 850 Die Pflicht zur mediengerechten vorvertraglichen Information des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen setzt nicht voraus, dass die Informationen auf der Startseite des Internetangebotes bereit gehalten werden. Auch eine Zwangsführung dergestalt, dass der Verbraucher die Informationen während des Bestellvorgangs zwingend aufrufen muss, ist nicht erforderlich. (Informationspflichten; Mediengerechtheit) BGH vom 29.3.2006 NJW 2006, 2250 Das Vorliegen eines Gewerbes und die Unternehmerstellung des Verkäufers setzen beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) nicht voraus, dass dieser mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. (Unternehmereigenschaft; Gewinnerzielungsabsicht) BGH vom 16.3.2006 NJW 2006, 1971 = CR 2006, 454 = MMR 2006, 453 = K&R 2006, 281 Ein Recht auf Widerruf der Verbrauchererklärung, die zum Abschluss eines R-Gesprächs führt, besteht gem. § 312 d Abs. 3 BGB nicht, wenn der Angerufene das Gespräch durch Wahl einer Tastenkombination am Telefon annimmt. (Abbruch eines R-Gesprächs)
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D. Fernabsatzrecht BGH vom 5.10.2005 NJW 2006, 211 Eine klare und verständliche Information des Verbrauchers über zusätzlich zum Warenpreis anfallende Versandkosten kann auch erfolgen, ohne dass die Versandkosten in der Bestell-Übersicht eines Online-Versandhändlers gesondert neben dem Warenpreis ausgewiesen werden. (Versandkostenangabe im Online-Shop) BGH vom 24.2.2005 K&R 2005, 326 Bereits wenn ein Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen wird, liegt Unternehmerhandeln nach § 14 BGB vor. (Unternehmereigenschaft des Existenzgründers) BGH vom 3.11.2004 CR 2005, 53 = MMR 2005, 37 = K&R 2005, 33 Bei einem Kaufvertrag, der bei einer Internetauktion geschlossen wird, gilt Fernabsatzrecht. Die Ausnahmevorschrift des § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB greift nicht ein, sodass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht. (Versteigerung eines Diamanten-Armbandes auf Ebay) BGH vom 21.10.2004 NJW 2004, 3699 = CR 2005, 126 = MMR 2005, 44 Das Verbraucherwiderrufsrecht gilt auch bei Verträgen, die mit der Unterschrift des Verbrauchers an dessen Haustür zustande kommen, wenn dies im Postident 2-Verfahren geschieht und der Postbote keinerlei Auskünfte zu dem Vertrag geben kann und soll. (Mobilfunkverträge im Postident 2-Verfahren) BGH vom 17.3.2004 NJW-RR 2004, 1058 Bei einem Kauf auf Probe beginnt die Widerrufsfrist des Verbrauchers nach § 312 d BGB nicht vor dem Zeitpunkt, in dem der Kaufvertrag durch Billigung für den Käufer bindend geworden ist. (Kauf einer Kunstgrafikmappe auf Probe) BGH vom 19.3.2003 NJW 2003, 1665 = CR 2003, 480 = MMR 2003, 463 = VuR 2003, 353 Ein nach Kundenwünschen aus Standardbauteilen zusammengesetztes Notebook ist nicht nach „Kundenspezifikationen angefertigt“ im Sinne des § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB. (Built-to-order-Notebook)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Frankfurt vom 15.4.2010 Az. 6 U 49/09 Wird über das Internet eine Bahnfahrkarte vertrieben, die den Käufer innerhalb eines Zeitraums von 11 Wochen zu zwei einfachen Bahnfahrten seiner Wahl berechtigen, steht dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu, da die Bereichsausnahme des § 312 b Abs. 3 Nr. 6 BGB eingreift. (Widerrufsrecht; Auschluss wegen Beförderungsdienstleistung) OLG Hamm vom 30.3.2010 K&R 2010, 411 mit Anm. Dehißelles Das Widerrufsrecht des Verbrauchers im Fernabsatz wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Cellophanhülle einer CD aufgerissen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auf der Hülle ein Hinweis auf den Ausschluss des Widerrufsrechts angebracht ist. (Ausschluss des Widerrufsrechts; Cellophanhülle) OLG Koblenz vom 8.3.2010 CR 2010, 392 Eine Widerrufsfolgenbelehrung, die die Kosten der Rücksendung betrifft, verstößt gegen § 4 Nr. 11 UWG, wenn es an einer Vereinbarung über die Kostenpflicht im Sinne von § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB fehlt. Die Belehrung über die Widerrufsfolgen stellt keine vertragliche Vereinbarung im Sinn dieser Vorschrift dar, sondern bezieht sich auf die gesetzlichen Folgen des Widerrufs. Eine vertragliche Vereinbarung läge nur dann vor, wenn sich die Klausel außerhalb der Belehrung über die Widerrufsfolgen befände. (Rücksendekosten; Widerrufsbelehrung) OLG Hamburg vom 17.2.2010 MMR 2010, 320 mit Anm. Föhlisch Die in § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelte Abwälzung der Rücksendekosten auf den Verbraucher kann im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorgenommen werden. Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setzt aber voraus, dass der Verbraucher nach den Gesamtumständen mit der erforderlichen Gewissheit erkennen kann, dass hierüber mit ihm eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen und er nicht lediglich entsprechend den Vorgaben der BGB-InfoV über die objektive Rechtslage belehrt werden soll. (Rücksendekosten; Belehrung in AGB) OLG Hamm vom 5.1.2010 K&R 2010, 354 Im Grundsatz können dem Verbraucher ein Widerrufs- und ein Rückgaberecht durch entsprechende Belehrungen nebeneinander eingeräumt werden. Das Bestimmungsrecht, von welchem Recht Gebrauch gemacht werden soll verbleibt auch dann beim Verbraucher, wenn der Verbraucher die Ware kommentarlos zurücksendet. Es muss dann ausgelegt werden, ob der Unternehmer die Rücksendung der
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D. Fernabsatzrecht Ware als Widerruf oder als Rückgabe verstehen durfte. Diese Auslegung ist danach zu richten, was für den Verbraucher die günstigste Rechtsausübung darstellt. (Widerrufsrecht; Rückgaberecht) Kammergericht vom 8.9.2009 MMR 2010, 27 Der Verbraucher ist über die auch für den Unternehmer geltende 30-Tage-Frist (zur Erstattung von Zahlungen des Verbrauchers nach Ausübung des Widerrufsrechts) und die Gefahrtragung des Unternehmers bei Rücksendung der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts - entsprechend der Neufassung der Musterbelehrung in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV - gem. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zu informieren. Dies gilt jedenfalls nach Ablauf der Umstellungsfrist des § 16 BGBInfoV zum 30. September 2008. Insoweit kann nunmehr auch nicht mehr von einem Bagatellverstoß im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG ausgegangen werden. (Musterbelehrung; Übergangsfrist) OLG Hamm vom 2.7.2009 K&R 2009, 727 Die Belehrung über das Widerrufsrecht des Verbrauchers darf nicht durch Zusätze verunklart werden. Eine solche gesetzeswidrige Irritierung kann auch durch die Hinzufügung einer Telefonnummer bewirkt werden, wenn dadurch für den Verbraucher der Eindruck erweckt wird, er könne den Widerruf entgegen § 355 BGB auch telefonisch erklären und nicht nur in Textform. (Widerrufsbelehrung; Telefonnummer) OLG Frankfurt a.M. vom 22.6.2009 MMR 2009, 695 Die – unberichtigte – Musterwiderrufsbelehrung nach dem Muster zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV vermag die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB nur dann nicht in Gang zu setzen, wenn sich der Mangel der Musterwiderrufsbelehrung im konkreten Fall ausgewirkt hat. (Musterbelehrung; Widerrufsfrist) OLG Hamm vom 16.6.2009 K&R 2009, 813 Enthält eine für Handy und Smartphones optimierte Internetadresse eines OnlineVersandhändlers anders als die über Computer abrufbare Internetadresse des Versandhändlers bei Aufruf von Bestellseiten weder eine Belehrung über das Widerrufs- bzw. das Rückgaberecht noch eine (vollständige) Angabe zu Versandkosten, sondern nur den Hinweis „Diese Seite stellt das Angebot nicht vollständig dar. Um das Angebot mit allen Details zu sehen, gegen sie bitte zu ...“(andere InternetAdresse)“... um sich vollständig zu informieren, bevor Sie ein Gebot abgeben, oder einen Artikel kaufen“, kann der Versandhändler dies nicht damit rechtfertigen, dass es aus technischen Gründen nicht möglich sei, alle Einzelheiten eines über Mobiltelefon abrufbaren Angebots wiederzugeben. (Widerrufsbelehrung; M-Commerce)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamm vom 12.3.2009 VuR 2009, 353 Die Musterbelehrung nach der BGB-InfoV regelt nur die Belehrung in Textform, nicht die Vorausbelehrung nach § 312c Abs. 1 BGB. Eine Berufung auf die Musterbelehrung ist nicht möglich, wenn es in einer Klausel heißt, die Widerrufsfrist beginne mit dem Erhalt dieser Belehrung, was der Kunde nur auf die Vorausbelehrung beziehen kann, die er bei dem Internetangebot sieht, die aber eben keine Belehrung in Textform darstellt. (Musterbelehrung; Vorausbelehrung) OLG Brandenburg vom 11.2.2009 K&R 2009, 408 Die Vorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB regelt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei einer Dienstleistung erlischt, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. Für eine teleologische Reduktion des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB dahin, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nur bei unteilbaren Dienstleistungen zu gelten habe, besteht kein Bedürfnis. (Dienstleistungen; Erlöschen des Widerrufsrechts) OLG Dresden vom 30.1.2009 Az. 8 U 1540/08 Bei der Bürgschaft eines Verbrauchers handelt es sich nicht um ein Fernabsatzgeschäft im Sinne des § 312 b BGB. (Fernabsatzgeschäft; Bürgschaft) OLG München vom 26.6.2008 MMR 2008, 677 = K&R 2008, 620 Zu den Belehrungspflichten über das Rückgaberecht bei Ebay und der Unwirksamkeit von Klauseln zum Beginn der Rückgabefrist sowie der Wertersatzpflicht des Verbrauchers. (Rückgabebelehrung; Fristbeginn; Wertersatz) Kammergericht 25.3.2008 MMR 2009, 363 (Ls.) Eine Widerrufsbelehrung in Fernabsatzverträgen über die Internet-Handelsplattform Ebay, in der der Verbraucher im Rahmen der Hinweise auf die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht auch auf seine Verpflichtung, Wertersatz bei Verschlechterung der Ware im Falle der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme zu leisten, und eine Möglichkeit, dies zu vermeiden, hingewiesen wird, ist unvollständig. (Widerrufsbelehrung; Wertersatz bei Verschlechterung)
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D. Fernabsatzrecht OLG Hamm vom 28.2.2008 MMR 2008, 469 = K&R 2008, 379 Grundsätzlich kann ein Verkaufsangebot bei Ebay auf Gewerbetreibende beschränkt werden. Allerdings muss eine solche Beschränkung transparent und klar sein. (Verkauf ausschließlich an Gewerbetreibende) OLG Stuttgart vom 4.2.2008 MMR 2008, 616 Die Verpflichtung zur Belehrung über die „Bedingungen“ und „Einzelheiten der Ausübung“ des Widerrufs umfasst den Hinweis darauf, dass die Widerrufsfrist nicht vor dem Zugang einer Widerrufsbelehrung in Textform beginnt. Den Anforderungen an die Belehrung in Textform ist durch das (bloße) Bereithalten einer einsehbaren und vom Verbraucher herunterladbaren und/oder ausdruckbaren Online-Belehrung nicht genügt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Verbraucher die Belehrung tatsächlich herunterlädt oder ausdruckt; die bloß temporäre Zwischenspeicherung während des Aufrufs der Seite genügt nicht. (Beginn der Widerrufsfrist) OLG München vom 31.1.2008 WRP 2008, 1396 (Ls.) Eine Widerrufsbelehrung bei Verkaufsangeboten auf der Internetplattform Ebay, die vorsieht, dass das Widerrufsrecht nicht für Versteigerungen gelten soll, ist zur Irreführung geeignet, da der Begriff Versteigerung im allgemeinen Sprachgebrauch auch für Verkäufe gegen Höchstgebot verwendet wird. Der Begriff ist mehrdeutig und irreführend, wenn nicht erläutert wird, um welche Art von Versteigerung es sich handelt. (Widerrufsbelehrung; Versteigerungsbegriff) OLG Hamburg vom 24.1.2008 CR 2008, 396 Eine Belehrung eines Anbieters auf einer Internethandelsplattform über das Widerrufs- und Rückgaberecht des Kunden, die darauf hinweist, dass unfrei versandte Rücksendungen vom Verwender nicht angenommen werden, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht und ist daher unlauter. (Rücksendung unfreier Sendungen) OLG Düsseldorf vom 29.11.2007 MMR 2008, 171 Das wirtschaftliche Interesse eines Shop-Betreibers daran, dass ein Konkurrent eine korrekte Widerrufsbelehrung verwendet, ist wegen der Vielzahl von Angeboten ähnlicher Produkte in Onlineshops eher als gering einzuschätzen. Es dürfte nur eine Frage des Zufalls sein, dass ein Kaufinteressent sich wegen der fehlerhaften Belehrung für das Angebot entscheidet. Allerdings ist diese Situation nicht mit der Geltendmachung von Ansprüchen durch einen Verbraucherverband zu vergleichen, da der Konkurrent keine Verbraucherinteressen wahrnimmt. (Streitwertbemessung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Celle vom 19.11.2007 MMR 2008, 172 = K&R 2008, 116 Bei einstweiligen Verfügungsverfahren in Wettbewerbssachen, in denen die Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312 c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung untersagt werden soll, kann bei der Bemessung des Streitwerts von einem Richtwert von 3.000 EUR ausgegangen werden. (Streitwert bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung) Kammergericht vom 16.11.2007 MMR 2008, 341 Wer im Rahmen der gemäß § 312 c Abs. 1 und 2 BGB erforderlichen Widerrufsbelehrungen nicht darauf hinweist, dass die Ware im Fall des Widerrufs auf Gefahr des Verkäufers zurückgesandt werden kann, handelt grundsätzlich dann nicht unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, wenn auf der Grundlage des § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB die Übernahme der Versandkosten durch den Verbraucher vereinbart ist. Ein etwaiger Verstoß gegen § 312 c Abs. 1 und 2 BGB kann als unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 3 UWG angesehen werden. (Widerrufsfolgenbelehrung) Kammergericht vom 9.11.2007 GRUR-RR 2008, 129 Wer im Rahmen der gemäß § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Widerrufsbelehrung als Widerrufsfolgen die sich aus §§ 357, 346 BGB ergebenden Rückgewährs- und Herausgabeverpflichtungen benennt, handelt unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, wenn hierbei jeglicher Hinweis auf eine mögliche Haftung auf Wertersatz wegen Verschlechterung oder Untergangs der empfangenen Sache fehlt. (Widerrufsfolgenbelehrung) OLG Düsseldorf vom 30.10.2007 VuR 2008, 55 Eine Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist dahingehend, dass die Frist frühestens mit Erhalt einer in Textform noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung beginnt, ist nicht ausreichend, da die Frist nicht vor Zugang der Ware zu laufen beginnt. (Beginn der Widerrufsfrist) OLG Schleswig vom 25.10.2007 MDR 2008, 254 Die deutliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung i.S.v. § 355 Abs. 2 BGB erfordert, dass dem Verbraucher bei der Betrachtung der Vertragsunterlagen ins Auge fällt, dass es ihm nach dem Gesetz freisteht, sich von dem Vertrag ohne weiteres wieder zu lösen, dass also das Widerrufsrecht als solches augenfällig hervorsticht. Eine Widerrufsbelehrung, die den Beginn der Widerrufsfrist als „frühestens mit Erhalt der Belehrung“ angibt, macht dem Verbraucher inhaltlich nicht i.S.v. § 355 Abs. 2
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D. Fernabsatzrecht BGB seine Rechte deutlich. Die Wirksamkeit einer solchen Klausel ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs. 1 BGB-InfoV i.V.m. der Musterbelehrung nach dessen Anlage 2, die nichtig sind. (Widerrufsbelehrung) OLG Hamm vom 15.10.2007 MMR 2008, 178 Werden bei Internetangeboten Wettbewerbsverstöße durch deutschlandweit tätige Unternehmen begangen, ist nicht nur der Ort des Erscheinens, sondern grundsätzlich auch jeder Verbreitungsort als Begehungsort anzusehen. (Begehungsort bei Wettbewerbsverstößen) OLG Hamburg vom 12.9.2007 CR 2008, 116 = MMR 2008, 44 = K&R 2007, 655 Die Widerrufsfrist bei einem Fernabsatzgeschäft im Ebay-Angebotsformat „Sofort kaufen“ beträgt einen Monat. Verwendet ein Verkäufer für den Beginn der Widerrufsfrist die Formulierung aus der Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGBInfo-V („Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“), liegt zumindest kein erheblicher Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 3 UWG vor, auch wenn diese Belehrung unvollständig ist, weil sie § 312 d Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt. (Widerrufsfrist; Sofort-Kaufen) Kammergericht vom 7.9.2007 NJW-RR 2008, 352 = MMR 2008, 116 = K&R 2007, 530 Ein Bagatellverstoß nach § 3 UWG kann vorliegen, wenn ein nicht als marktstark erkennbarer Händler von Elektro-Haushaltsgeräten in einem deutschsprachigen Internet-Auftritt unter der Top-Level Domain „de“ einen „Versand nach Europa“ anbietet, ohne die Kosten entgegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV der Höhe nach zu beziffern oder entgegen § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV die Einzelheiten der Berechnung anzugeben. (Bagatellverstoß bei fehlender Angabe der Auslandsversandkosten) OLG Karlsruhe vom 5.9.2007 CR 2008, 118 = MMR 2008, 46 = K&R 2007, 586 Bei einem Fernabsatzgeschäft verstößt die Belastung des Verbrauchers mit Versandkosten für die Hinsendung der Ware gegen verbraucherschützende Vorschriften im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG, wenn der Verbraucher von seinem Rückgaberecht Gebrauch macht und die Ware vollständig an den Lieferer zurücksendet. Bei richtlinienkonformer Auslegung der §§ 312 d Abs. 1 Satz 2, 356 Abs. 1, 357 Abs. 1 Satz 1, 346 BGB anhand der Fernabsatzrichtlinie hat der Verbraucher auch einen Anspruch auf Rückerstattung verauslagter Hinsendekosten. (Versandkostentragung bei Widerruf)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Köln vom 3.8.2007 MMR 2007, 713 Grundsätzlich beträgt die Widerrufsfrist im Fernabsatz gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB zwei Wochen. Sie verlängert sich jedoch auf einen Monat, wenn dem Verbraucher die Belehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB). Für die kürzere Fristdauer ist es nicht ausreichend, dass der Verbraucher bis zum Vertragsschluss formlos belehrt wurde. Vielmehr bildet § 355 Abs. 2 BGB eine zusammengehörige Regelung, woraus sich ergibt, dass es auch im zweiten, die Verlängerung der Widerrufsfrist betreffenden Satz um die Belehrung in Textform geht. (Widerrufsfrist bei Ebay) OLG Naumburg vom 13.7.2007 CR 2008, 247 Die Möglichkeit, eine im Internet veröffentlichte Widerrufsbelehrung zu speichern und zu reproduzieren, reicht nicht aus, um die Textform des § 126 b BGB zu wahren. (Widerrufsbelehrung in Textform) OLG Hamburg vom 5.7.2007 ITRB 2008, 129 (Stadler) Eine Widerrufsbelehrung, die eine Rückerstattung auf den niedrigsten Satz beschränkt, verstößt gegen das Wettbewerbsrecht. Denn es sind Konstellationen im Interesse von Unternehmer und Verbraucher denkbar, die eine Rücksendung nicht nach dem niedrigsten Satz gebieten. (Versandkosten, Rückerstattung, niedrigster Satz) OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2007 K&R 2007, 585 Eine Verkaufstätigkeit über die Handelsplattform Ebay ist regelmäßig als gewerblich anzusehen, wenn der Anbieter als „PowerSeller“ registriert ist. Umgekehrt ist jedoch die freiwillige Registrierung als „PowerSeller“ keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung einer Internet-Verkaufstätigkeit als unternehmerisch. Die Einstufung als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ergibt sich auch aus den Umständen des Einzelfalls, wobei Dauer und Umfang der Verkaufstätigkeit, sowie deren geschäftsbezogener Ausgestaltung wesentliche Bedeutung zukommt. (Unternehmereigenschaft bei Ebay) OLG Zweibrücken vom 28.6.2007 WRP 2007, 1005 Lässt sich ein Anbieter bei dem Internetauktionshaus Ebay als Privatverkäufer registrieren, schließt dies nicht aus, dass auf ihn gleichwohl der Unternehmerbegriff des § 14 BGB anzuwenden ist. Indizien für die Unternehmereigenschaft sind Zahl und Häufigkeit der vom Verkäufer durchgeführten Auktionen, wonach auch der Geschäftsgegenstand, der Auktionsumsatz, der Auftritt oder die Verwendung von professionellen Werbebeschreibungen eine Rolle spielen kann. (Unternehmereigenschaft bei Ebay)
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D. Fernabsatzrecht OLG Hamburg vom 19.6.2007 CR 2007, 659 = MMR 2007, 660 Eine Belehrung im Fernabsatz, wonach der Käufer im Zusammenhang mit der Information zum fernabsatzrechtlichen Widerrufs- bzw. Rückgaberecht darauf hingewiesen wird, es könne eine Wertersatzpflicht vermieden werden, indem die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch genommen werde, verstößt nicht gegen die Informationspflichten des Fernabsatzes. (Widerrufsbelehrung; Wertersatzpflicht) OLG Hamburg vom 20.4.2007 CR 2008, 183 = MMR 2008, 57 Nimmt ein Versandhändler in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine „Frankierbitte“ auf: „Bitte frankieren Sie das Paket ausreichend, um Strafporto zu vermeiden. Wir erstatten Ihnen den Portobetrag dann umgehend zurück“, täuscht er den Verbraucher nicht darüber, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Ein Wettbewerbsverstoß kann daher nicht festgestellt werden. (Frankierbitte für Warenrücksendung) Kammergericht vom 3.4.2007 NJW 2007, 2266 Die Lieferfristangabe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen „in der Regel...“ ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 308 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Gesetzliche Regelungen zur AGB-Kontrolle sind zumindest dann Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, wenn sie eine hinreichende Transparenz gewährleisten sollen. (Bestimmtheit einer Klausel zu Lieferfristen in den AGB) OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007 MMR 2007, 378 Für das bei einer gewerblichen Tätigkeit geforderte Maß an Planmäßigkeit und Dauerhaftigkeit der Verkaufstätigkeit auf der Ebay-Plattform ist auch die Funktion der Abgrenzung zwischen privater und gewerblicher Tätigkeit zu beachten. Dabei ist eine Verkaufstätigkeit über die Handelsplattform Ebay regelmäßig als gewerblich anzusehen, wenn der Anbieter als „PowerSeller“ registriert ist. Für die Gewerblichkeit einer Tätigkeit ist es dabei unbeachtlich, ob die zum Verkauf gestellten Sachen aus einer privaten Sammlung stammen oder zuvor eingekauft wurden. (Unternehmereigenschaft bei Ebay) OLG Hamm vom 15.3.2007 CR 2007, 387 = MMR 2007, 377 = K&R 2007, 234 Aus § 312 c Abs. 2 BGB ergibt sich zwingend, dass die Widerrufsfrist nicht vor Erhalt der Ware beginnt. Wird im Rahmen eines Internetangebots darauf hingewiesen, dass die Frist frühestens mit dem Erhalt der Ware beginnt, verstößt dies folglich gegen die Belehrungspflichten nach §§ 312 c, 312 d, 355 BGB. (Beginn der Widerrufsfrist im Fernabsatz)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamburg vom 27.2.2007 WRP 2008, 522 Wirbt ein Verkäufer bei Ebay mit Behauptungen wie „Gebrauchte Hardware in Massen“, „Tonnenweise Hardware“ bzw. „eine Riesen-Menge Hardware“, wird den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck vermittelt, dass der Verkäufer in großem Umfang Ware zum Verkauf anbietet und damit eine planvolle, auf gewisse Dauer angelegte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Hieran hat er sich jedenfalls dann festhalten zu lassen, wenn auch 242 Bewertungen als Verkäufer innerhalb von 2 Jahren auf eine erhebliche Geschäftstätigkeit hindeuten. (Unternehmereigenschaft bei Ebay) OLG Hamburg vom 14.2.2007 CR 2007, 455 = MMR 2007, 530 = WRP 2007, 674 Der von einem Internetshop im Rahmen seines Internetauftritts in Bezug auf das gesetzliche Widerrufsrecht gegebene Hinweis, dass unfrei zurückgesandte Ware nicht angenommen werde, widerspricht der Regelung in § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der die Kosten der Rücksendung bei Widerruf und Rückgabe der Unternehmer zu tragen hat. (Widerrufsbelehrung; Rücksendekosten; Frankierung) Kammergericht vom 13.2.2007 MMR 2007, 440 = K&R 2007, 212 = ITRB 2007, 204 = WRP 2007, 570 Ein Unternehmer hat im Rahmen eines Angebots bei Internetauktionen stets seinen Namen anzugeben, welcher aus dem Familiennamen und dem Vornamen besteht. Wird lediglich der erste Buchstabe des Vornamens angegeben, liegt darin ein Verstoß gegen die aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV folgende Pflicht zur Angabe der Identität des Unternehmers. (Angabe des Vornamens) OLG Hamburg vom 12.1.2007 MMR 2007, 320 Die Abrufbarkeit der Widerrufsbelehrung im Rahmen eines Angebotes bei Ebay stellt keine Mitteilung in Textform dar. Dies gilt insbesondere, wenn die Belehrung in der Rubrik „Mein Ebay“ abgelegt ist. (Widerrufsfrist bei Ebay) OLG Hamburg vom 20.12.2006 WRP 2007, 1121 Das Widerrufs- und Rückgaberecht nach § 312 d BGB kann bei dem Verkauf von Kontaktlinsen und Kontaktlinsenpflegemitteln nicht auf ungeöffnete OriginalUmverpackungen beschränkt werden. (Rücksendung in ungeöffneter Originalverpackung)
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D. Fernabsatzrecht OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006 MMR 2007, 322 = NJW-RR 2007, 482 Die Widerrufsbelehrung muss hinreichend klar und verständlich erteilt worden sein. Sie darf nicht unauffällig in die AGB eingebettet sein. Auch ein Ausschluss des Widerrufsrechts für bestimmte Waren ist unwirksam, sofern dadurch den Anforderungen an eine klare und eindeutige Belehrung widersprochen wird. (Informationspflichten im Internet-Versandhandel) Kammergericht vom 5.12.2006 CR 2007, 331 = MMR 2007, 185 = K&R 2007, 104 Eine Widerrufsbelehrung, in der nur eine Zweiwochenfrist angegeben wird, ist nicht richtig, da die Widerrufsfrist in Wirklichkeit einen Monat beträgt. Zu unbestimmt ist des Weiteren die Angabe, die Widerrufsfrist beginne frühestens mit dem Erhalt „dieser“ Belehrung. Diese hat in Textform zu erfolgen. (Widerrufsbelehrung bei Ebay) OLG Hamburg vom 24.8.2006 CR 2006, 854 Bei professionellen Ebay-Geschäften muss der Unternehmer gem. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Verbraucher ein einmonatiges Widerrufsrecht einräumen. Wird lediglich über ein Widerrufsrecht von zwei Wochen belehrt, ist die Widerrufsbelehrung unrichtig, was wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche auslöst. Die Bereithaltung der Information auf der Ebay-Website genügt nicht den Anforderungen an eine Belehrung in Textform. (einmonatige Widerrufsfrist bei Online-Auktionen) Kammergericht vom 18.7.2006 CR 2006, 680 = K&R 2006, 415 = WRP 2006, 1145 Bei professionellen Ebay-Geschäften muss der Unternehmer gem. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Verbraucher ein einmonatiges Widerrufsrecht einräumen. Die Bereithaltung der Information auf der Ebay-Website genügt nicht den Anforderungen an eine Belehrung in Textform. Die Informationen nach § 312 c Abs. 1 BGB dürfen in die AGB des Unternehmers integriert werden. Wer in seine Widerrufsbelehrung den Satz aufnimmt: „Die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware“ gibt zwar die Gesetzeslage wieder, handelt jedoch dennoch irreführend, weil die Widerrufsfrist erst mit Erhalt einer Belehrung in Textform beginnt. (Widerrufsbelehrung bei Ebay) OLG Brandenburg vom 13.6.2006 WRP 2006, 1035 = MDR 2007, 43 Es fehlt an einer klaren und verständlichen Information über das Widerrufsrecht, wenn vor dem Erreichen der Belehrung umfangreich gescrollt und dann ein doppelter Link angeklickt werden muss. Ein Verstoß gegen § 312 c BGB ist zugleich ein Wettbewerbsverstoß. (Klarheit, Verständlichkeit, Scrollen)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Karlsruhe vom 27.4.2006 CR 2006, 689 Ein Ebay Powerseller ist Unternehmer und folglich verpflichtet den Verbraucher rechtzeitig über das Bestehen eines Widerrufsrechts zu informieren, sowie seinen Namen und seine Anschrift in den Angeboten anzugeben. (Informationspflichten eines Ebay Powersellers) OLG Düsseldorf vom 13.4.2006 CR 2007, 51 = GRUR 2006, 482 = K&R 2006, 409 Werden die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten lediglich in einem PopUp-Fenster dargestellt, entspricht dies nicht den Anforderungen an eine mediengerechte Information des Verbrauchers vor Vertragsschluss, weil eine Vielzahl von Nutzern so genannten PopUp-Blocker verwendet, die eine ordnungsgemäße Darstellung von Informationen in PopUp-Fenstern ausschließen. (Informationen in PopUp-Fenstern) OLG Oldenburg vom 9.3.2006 NJW 2006, 3076 Wird eine Widerrufsbelehrung „Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs ...“ mit dem Klammerzusatz versehen: „(Datum des Poststempels)“ ist die Belehrung nicht in der gebotenen Weise eindeutig, sondern missverständlich und löst daher nicht den Beginn der Widerrufsfrist aus. (missverständliche Widerrufsbelehrung) OLG Koblenz vom 9.1.2006 NJW 2006, 919 Die Widerrufsbelehrung hat eine ladungsfähige Anschrift des Widerrufsempfängers zu enthalten. (ladungsfähige Anschrift in Widerrufsbelehrung) OLG Hamburg vom 16.11.2005 ITRB 2006, 104 In Werbeanzeigen, die beim Keyword-Advertising erscheinen, muss nicht schon über die anfallenden Versandkosten belehrt werden. (keine Angabe von Versandkosten in AdWords) OLG Frankfurt a.M. vom 10.11.2005 CR 2006, 195 = WRP 2006, 290 Die im Rahmen eines Rückgaberechts aufgenommene Verpflichtung, die Ware in der Originalverpackung zurückzusenden, ist unwirksam, wenn dadurch bei dem Verbraucher der Eindruck erweckt wird, das Rückgaberecht sei nur unter dieser Bedingung auszuüben. (keine Rückgabepflicht in Originalverpackung)
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D. Fernabsatzrecht OLG Koblenz 17.10.2005 MMR 2006, 236 = K&R 2006, 48 = BB 2006, 126 Wer bei Ebay als Powerseller auftritt, muss im Streitfall darlegen und beweisen, dass er nicht als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB anzusehen ist. Gelingt ihm dies nicht, steht dem Ersteigerer, der Verbraucher ist, ein Widerrufsrecht nach §§ 355, 312 d BGB zu. (Powerseller als Unternehmer) OLG Koblenz vom 21.7.2005 NJW 2005, 3430 Die Anschrift des Widerrufsempfängers im Sinne des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB kann auch eine Postfachanschrift sein. Eine von dem Muster nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV abweichende Widerrufsbelehrung ist nicht schon wegen der Abweichung wirkungslos. (Widerrufsbelehrung von NISSAN-Bank) OLG Hamm vom 14.4.2005 CR 2005, 666 = MMR 2005, 540 = GRUR-RR 2005, 285 Es genügt nicht den fernabsatzrechtlichen Anforderungen, wenn die Widerrufsbelehrung bei einer gewerblichen Ebay-Versteigerung auf der MICH-Seite platziert wird, ohne dass darauf gesondert hingewiesen wird. (MICH-Seite; Widerrufsbelehrung; Ebay) OLG Hamburg vom 3.2.2005 CR 2005, 366 = MMR 2005, 467 Auf Versandkosten müssen Online-Händler bei Angeboten oder Preiswerbung leicht erkennbar, deutlich lesbar und gut wahrnehmbar hinweisen. Ein link „mehr info“ unterhalb des Preises, über den man am Ende einer weiteren Internetseite zu einer Information über zusätzliche Versandkosten gelangt, genügt diesen Anforderungen nicht. (Versandkosten für ISDN-Karte) OLG Hamburg vom 23.12.2004 MMR 2005, 318 = GRUR-RR 2005, 236 Ein Versandhandelsunternehmen muss nicht bereits in der Werbung über die Einzelheiten gem. § 1 BGB-InfoV informieren. Wenn es dem Unternehmer gelingt, zwischen die Werbung und den Vertragsschluss noch eine Verbraucherinformation zu schalten, die im Sinne des § 312 c Abs. 1 BGB rechtzeitig ist, liegt ein Verstoß gegen die Informationsverpflichtung nicht vor. Allerdings sind die Pflichten nach der Preisangabenverordnung zu beachten. (Umfang der Informationspflichten bei Werbemaßnahmen)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Frankfurt a.M. vom 22.12.2004 ITRB 2006, 53 Ein registrierter „PowerSeller“ mit knapp 3.800 Bewertungen, der mit dem Hinweis auf Erhalt von wöchentlich neuer Ware wirbt, bietet am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt an und handelt damit im geschäftlichen Verkehr. (Unternehmereigenschaft von Powersellern) OLG Hamm vom 10.12.2004 NJW-RR 2005, 1582 Eine Klausel in den AGB, welche für eine kostenfreie Rücksendung der Ware die Verwendung der Originalverpackung, des Rücksendescheins und des Retourenaufklebers verlangt, ist unwirksam. (Warenrücksendung in Originalverpackung) OLG Nürnberg vom 5.10.2004 NJW-RR 2005, 1581 Der Unternehmer darf dem Verbraucher die Hinsendekosten in Rechnung stellen. (Kosten der Hinsendung) OLG München vom 22.6.2004 NJW-RR 2005, 573 Es bedarf bei einer Widerrufsbelehrung ein Haustürgeschäft betreffend keiner Erklärung, was unter dem Begriff der „Textform“ gem. § 355 BGB zu verstehen sei. (keine Erläuterung der „Textform“ bei Haustürgeschäft) OLG Oldenburg vom 8.1.2004 NJW-RR 2004, 701 Dem Verbraucher wird im Telefonvertrieb kein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht nach fernabsatzrechtlichen Vorschriften eingeräumt, auch wenn der Gesamtbetrag des Vertrages 200 E deutlich unterschreitet. Die ansonsten erforderliche Schriftform ist daher entbehrlich. (Zeitschriftenabo-Verträge) OLG Schleswig vom 28.8.2003 NJW 2004, 231 = CR 2004, 300 Auch bei einer Lieferung im Postident-Verfahren liegt ein Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln vor. Der Vertrag kommt nach der Bestellung des Kunden durch den Versand der Ware zustande. Der Verbraucher ist daher über sein Widerrufsrecht zu belehren. (Multimediapakete im Postident-Verfahren)
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E. Urheberrecht OLG Oldenburg vom 20.1.2003 CR 2003, 374 = NJW-RR 2003, 1061 = K&R 2003, 243 Ein gewerblich tätiger Anbieter ist nicht verpflichtet, bei Internetauktionen, wie sie auf Ebay stattfinden, potenzielle Kunden auf sein gewerbliches Handeln hinzuweisen. (Gebrauchtwagenhändler bei Ebay) OLG Karlsruhe vom 27.3.2002 CR 2002, 682 = NJW-RR 2002, 1127 = WRP 2002, 849 = MMR 2002, 618 Für die Erfüllung der fernabsatzrechtlichen Informationspflichten genügt es nicht, ein jederzeit zugängliches „Impressum“ bereitzuhalten. (Lottotipps) OLG Frankfurt a.M. vom 28.11.2001 CR 2002, 638 mit Anm. Schirmbacher = ITRB 2002, 261 (Intveen) Wird eine Sache in mehreren Teilen geliefert, kommt es für den Beginn der Widerrufsfrist auf den Eingang des letzten Teils der Bestellung bei dem Verbraucher an. Dem Verbraucher sind im Falle des Widerrufs auch die Versandkosten zu erstatten. (Computerkauf im Fernabsatz) OLG Dresden vom 23.8.2001 CR 2002, 180 = NJW-RR 2001, 1710 = MMR 2002, 172 = ITRB 2002, 27 (Rössel) Computerersatzteile unterfallen regelmäßig keiner der Ausnahmevorschriften des Fernabsatzgesetzes. (RAM-Bausteine und Motherboards im Fernabsatz) OLG Frankfurt a.M. vom 17.4.2001 CR 2001, 782 = MMR 2001, 529 = K&R 2002, 43 = ITRB 2002, 54 (Niclas) Die Abrufbarkeit über einen Hyperlink genügt regelmäßig nicht den Anforderungen an eine transparente Information vor Vertragsschluss. Der Verbraucher muss regelmäßig über die Internetseite, die die Informationen enthält, geführt werden. (Informationspflichten, Hyperlink)
E. Urheberrecht EuGH vom 16.7.2009 K&R 2009, 707 – Elektronischer Pressespiegel Eine Handlung, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens vorgenommen wird, das darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, kann unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie fallen, wenn die so wiedergegebenen Bestandteile die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Aus-
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Rechtsprechungsübersicht druck bringen. Das Ausdrucken des Auszugs erfüllt nicht die Voraussetzung der Flüchtigkeit und daher darf dieses Verfahren nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte durchgeführt werden. (Urheberrechtsfähigkeit von Auszügen) EuGH vom 5.3.2009 CR 2009, 724 = GRUR 2009, 572 mit Anm. Eickenmeier = K&R 2009, 320 – Datenbank-Entnahme Vorabentscheidung über den Begriff der „ständigen Übertragung“ und der „vorübergehenden Übertragung“; zu der Entnahme bzw. der Weiterverwendung eines quantitativ wesentlichen Teils des Inhalts einer Datenbank oder von Elementen von Untergruppen des Gesamtbestandes bei nicht öffentlich zugänglichen bzw. amtlich und öffentlich zugänglichen Daten sowie zu materiellen und technischen Übereinstimmungen bei Datenbanken als Indiz für eine Entnahme. (Schutz von Datenbanken) EuGH vom 9.10.2008 CR 2009, 4 mit Anm. Milbradt/Hülseweg = K&R 2008, 673 Die Übernahme von Elementen aus einer geschützten Datenbank in eine andere Datenbank aufgrund einer Bildschirmabfrage der ersten Datenbank und einer im Einzelnen vorgenommenen Abwägung der darin enthaltenen Elemente kann eine „Entnahme“ im Sinne des Artikel 7 der Datenbankrichtlinie sein, soweit es sich bei dieser Operation um die Übertragung eines in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentlichen Teils des Inhalts der geschützten Datenbank oder um die Übertragung unwesentlicher Teile handelt, die durch ihren wiederholten und systematischen Charakter möglicherweise dazu geführt hat, dass ein wesentlicher Teil dieses Inhalts wiedererstellt wird. (Schutz von Datenbanken; manuelle Entnahme) EuGH vom 9.11.2004 CR 2005, 10 mit Anm. Lehmann = MMR 2005, 29 Der Begriff der mit der Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investition im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Datenbankrichtlinie ist dahin zu verstehen, dass er die Mittel bezeichnet, die der Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Zusammenstellung in dieser Datenbank gewidmet werden. Er umfasst nicht die Mittel, die eingesetzt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus denen der Inhalt einer Datenbank besteht. Der Begriff der mit der Überprüfung des Inhalts der Datenbank verbundenen Investition im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie ist dahin zu verstehen, dass er die Mittel erfasst, die, um die Verlässlichkeit der in dieser Datenbank enthaltenen Information sicherzustellen, der Kontrolle der Richtigkeit der ermittelten Elemente bei der Erstellung der Datenbank und während des Zeitraums des Betriebs der Datenbank gewidmet sind. Die Mittel, die Überprüfungsmaßnahmen im Stadium der Erzeugung von Elementen gewidmet werden, die anschließend in einer Datenbank gesammelt werden, fallen nicht unter diesen Begriff. (Datenbankschutz; Investitionsschutz)
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E. Urheberrecht BGH vom 29.4.2010 WRP 2010, 916 = MMR 2010, 475 mit Anm. Rössel – Vorschaubilder Ein rechtswidriger Eingriff in urheberrechtliche Befugnisse ist nicht nur dann zu verneinen, wenn der Berechtigte rechtsgeschäftlich entweder durch Einräumung entsprechender Nutzungsrechte über sein Recht verfügt oder dem Nutzer die entsprechende Werknutzung schuldrechtlich gestattet hat. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ein ausschließliches Verwertungsrecht auch dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte in die rechtsverletzende Handlung eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung setzt keine auf den Eintritt dieser Rechtsfolge gerichtete rechtsgeschäftliche Willenserklärung voraus. (Thumbnails; Einwilligung) BGH vom 29.4.2010 WRP 2010, 927 Erstattet ein Sachverständiger im Auftrag eines Unfallgeschädigten ein Gutachten über den Schaden an einem Unfallfahrzeug, das dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners vorgelegt werden soll, ist der Haftpflichtversicherer grundsätzlich nicht berechtigt, im Gutachten enthaltene Lichtbilder ohne Einwilligung des Sachverständigen in eine Restwertbörse im Internet einzustellen, um den vom Sachverständigen ermittelten Restwert zu überprüfen. (Restwertbörse; Einwilligung) BGH vom 13.8.2009 NJW 2010, 778 = CR 2010, 190 = MMR 2010, 41 = K&R 2009, 710 Werden etwa 2/3 einer Gedichtstitelliste entnommen, so ist ein, sowohl in qualitativer als auch quantitativer Sicht, wesentlicher Teil einer Datenbank entnommen. (Datenbankrecht; Entnahme) BGH vom 20.5.2009 NJW 2009, 3509 = CR 2009, 642 = GRUR 2009, 864 = WRP 2009, 1143 = MMR 2009, 756 = K&R 2009, 586 Wer ein fremdes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm zum Herunterladen ins Internet einstellt, darf sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte um ein Programm handelt, mit dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte das Programm zur öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat. (CAD-Software; Sorgfaltsanforderungen) BGH vom 30.4.2009 CR 2009, 735 = NJW-RR 2009, 1558 = K&R 2009, 579 mit. Anm. Stadler – Elektronischer Zolltarif Aufwendungen für den Erwerb einer fertigen Datenbank oder einer Lizenz an einer solchen Datenbank können keine Rechte als Datenbankhersteller begründen. Es kann das Vervielfältigungsrecht des Datenbankherstellers verletzen, wenn eine auf CD-ROM gespeicherte Datenbank vollständig auf die Festplatte eines Compu-
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Rechtsprechungsübersicht ters kopiert wird, um die aufgrund eines elektronischen Datenabgleichs ermittelten Daten dazu zu verwenden, ein Wettbewerbsprodukt zu aktualisieren. Schon die einmalige Entnahme aller geänderten Daten aus einer CD-ROM – durch Erstellung einer Änderungsliste oder unmittelbare Übernahme – kann das Tatbestandsmerkmal der qualitativen Wesentlichkeit der Entnahme erfüllen. (wesentliche Investition; Entnahme) BGH vom 22.4.2009 K&R 2009, 573 = ZUM 2009, 765 – save.tv Hersteller der Vervielfältigung einer Funksendung durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger ist derjenige, der die körperliche Festlegung der Funksendung technisch bewerkstelligt. Hat derjenige, der die Vervielfältigung selbst vorgenommen hat, die Vervielfältigungsstücke für den eigenen Gebrauch angefertigt, kann dieser Vervielfältigungsvorgang keinem anderen zugerechnet werden. (Online-Videorecorder; Hersteller) BGH vom 22.4.2009 NJW 2009, 3511 mit Anm. Rössel = CR 2009, 598 = GRUR 2009, 845 = WRP 2009, 1001 = MMR 2009, 620 mit Anm. Brisch/Laue – shift.tv Hersteller der Vervielfältigung einer Funksendung durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger ist allein derjenige, der die körperliche Festlegung der Funksendung technisch bewerkstelligt, selbst wenn er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, die Dritte zur Verfügung gestellt haben. Eine Funksendung wird nicht öffentlich zugänglich gemacht, wenn jeweils nur eine einzelne Aufnahme einer Sendung auf Bild- oder Tonträger jeweils nur einer einzelnen Person zugänglich gemacht wird, selbst wenn diese einzelnen Personen in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden. (Online-Videorecorder; Hersteller) BGH vom 17.7.2008 NJW 2008, 3565 = MMR 2008, 811 mit Anm. Arnold = K&R 2008, 686 = ZUM 2008, 781 Bei der Bestimmung des § 95 a Abs. 3 UrhG handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB zugunsten der Inhaber von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten, die wirksame technische Maßnahmen zum Schutz ihrer urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen einsetzen. Der Begriff der Werbung im Hinblick auf den Verkauf im Sinne des § 95 a Abs. 3 UrhG umfasst jegliche Äußerung mit dem Ziel, den Absatz der in dieser Regelung näher bezeichneten Umgehungsmittel zu fördern. Er ist nicht auf ein Handeln zu gewerblichen Zwecken beschränkt und erfasst auch das private und einmalige Verkaufsangebot. Ein Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG setzt kein Verschulden des Verletzers voraus. (Clone-CD; Schutz technischer Maßnahmen)
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E. Urheberrecht BGH vom 20.12.2007 NJW 2008, 2345 = MMR 2008, 536 = K&R 2008, 442 Auch Teile von auf Filmträgern aufgenommenen Filmwerken und Laufbildern genießen Leistungsschutz nach §§ 94, 95 UrhG. Eine entsprechend § 24 Abs. 1 UrhG zulässige freie Benutzung fremder Laufbilder setzt voraus, dass ein selbständiges Werk geschaffen wird. Ein Geschehen, bei dem es der Öffentlichkeit nicht auf eine aktuelle Berichterstattung ankommt, ist kein Tagesereignis im Sinne des § 50 UrhG. Ein Zitat ist nach § 51 UrhG nur zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen der zitierten Stelle und eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird. (Lizenzgebühr für Laufbilder; TV-Total) BGH vom 24.5.2007 K&R 2007, 468 Vorlage an den EuGH: Setzt eine Entnahme von Daten im Sinne des Art. 7 Abs. 2 a) Datenbankrichtlinie einen Vorgang des physischen Kopierens eines Datenbestandes voraus? (Gedichtetitelliste II; Entnahme) BGH vom 24.5.2007 K&R 2007, 465 Für den Schutz einer Sammlung als Datenbankwerk reicht es aus, dass die Sammlung in ihrer Struktur, die durch Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank geschaffen worden ist, einen individuellen Charakter hat. Die Verkörperung der auf persönlicher geistiger Schöpfung beruhenden Konzeption in einer Datenbank ist zwar Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz als Datenbankwerk; der Urheber muss die dafür notwendigen nichtschöpferischen Arbeiten aber nicht selbst erbracht haben. Das Recht des Urhebers an einem Datenbankwerk und das Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers bestehen unabhängig voneinander mit verschiedenem Schutzgegenstand. (Gedichtetitelliste I; Datenbankwerk) BGH vom 28.9.2006 MMR 2007, 374 Vorlage an den EuGH: Stehen Art. 7 Abs. 1 und 5, Art. 9 der Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der eine im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlichte amtliche Datenbank keinen Sui-generis-Schutz im Sinne der Richtlinie genießt? Wenn nicht, gilt dies auch, wenn die (amtliche) Datenbank nicht von einer staatlichen Stelle, sondern in deren Auftrag von einem privaten Unternehmen erstellt worden ist, dem sämtliche ausschreibenden Stellen dieses Bundeslandes ihre Ausschreibungsunterlagen unmittelbar zur Veröffentlichung zur Verfügung stellen müssen? (sächsischer Ausschreibungsdienst)
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Rechtsprechungsübersicht BGH vom 20.7.2006 NJW-RR 2007, 342 = WRP 2007, 88 Die von einem Gutachterausschuss zur Ermittlung von Bodenrichtwerten herausgegebene Bodenrichtwertsammlung ist weder eine amtliche Bekanntmachung noch eine anderes amtliches Werk i.S.d. § 5 Abs. 1, Abs. 2 UrhG. (Bodenrichtwertsammlung; rechtlicher Schutz von Datenbanken) BGH vom 3.11.2005 CR 2006, 438 = NJW-RR 2006, 1132 Der Verleger eines als Buch und als CD-Rom erschienenen Briefmarkenkatalogs, in dem die katalogisierten Briefmarken nach einem bestimmten, in der Branche durchgesetzten Nummernsystem geordnet sind, kann von einem Konkurrenten, der einen entsprechenden Katalog mit einem eigenen Nummernsystem auf CDRom vertreibt, nicht beanspruchen, dass der Konkurrent sein Produkt nur ohne eine Import- und Exportfunktion für eingegebene Benutzerdaten vertreibt. Dies gilt auch dann, wenn diese Funktion es dem Katalogbenutzer ermöglicht, selbst erstellte Konkordanzlisten, in denen für jede Briefmarke der Nummer des einen Systems die Nummer des anderen Systems zugeordnet wird, zu exportieren oder zu importieren und diese Liste anderen Benutzern des Konkurrenzkatalogs als Datei zur Verfügung zu stellen. (Michel-Nummern; Briefmarkenkatalog; Datenbank, § 87 a UrhG) BGH vom 6.10.2005 NJW 2006, 615 – Pressefotos Bei der Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr ist es naheliegend, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem entsprechenden Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat. (Lizenzanalogie; MFM-Empfehlungen) BGH vom 21.7.2005 CR 2005, 849 = WRP 2005, 1267 = MMR 2005, 754 mit Anm. Manne = K&R 2006, 38 = ZUM 2005, 731 – Hit Bilanz Ein Verstoß gegen das ausschließliche Recht eines Datenbankherstellers, die Datenbank insgesamt oder in einem nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, kann auch gegeben sein, wenn Daten entnommen und auf andere Weise zusammengefasst werden. Auf die Übernahme der Anordnung der Daten in der Datenbank des Herstellers kommt es für den Schutz nach § 87 b Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht an. (Unbeachtlichkeit der Anordnung der aus einer Datenbank entnommenen Daten) BGH vom 23.6.2005 WRP 2005, 1173 Die in einem digitalen Datenbestand verkörperte Vorstufe für einen Stadtplan kann ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk sein. Kartografische Gestaltungen
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E. Urheberrecht können selbst dann, wenn sie in der Gesamtkonzeption keine schöpferischen Züge aufweisen, urheberrechtliche schutzfähig sein. (urheberrechtlicher Schutz von Kartenmaterial in seiner Grundsubstanz) BGH vom 21.4.2005 CR 2006, 51 = WRP 2005, 1538 = K&R 2005, 515 = ZUM 2005, 888 Werden Daten aus einer vom Hersteller veräußerten Datenbank in einer Zeitschrift öffentlich verfügbar gemacht und liegt eine wesentliche Handlung i.S.v. § 87 b Abs. 1 UrhG vor, ist ein Eingriff in das Recht des Datenbankherstellers nach § 87 b UrhG gegeben, wenn die Veröffentlichung in der Zeitschrift ohne Zustimmung des Datenbankherstellers erfolgt. Der Erstverkauf eines Vervielfältigungsstücks der Datenbank durch den Rechtsinhaber erschöpft gemäß § 87 b Abs. 2, § 17 Abs. 2 UrhG nur das Recht, den weiteren Vertrieb dieses Vervielfältigungsstücks zu kontrollieren, nicht aber das Recht, die Entnahme und Weiterverwendung des Inhalts dieses Vervielfältigungsstücks zu unterbinden. (Marktstudien; Veröffentlichung von Datenbankinhalten in einer Zeitschrift; Erschöpfungsgrundsatz) BGH vom 27.1.2005 NJW 2005, 2698 = MMR 2005, 601 mit Anm. Obergfell Zeitungen i.S.v. § 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG können auch wöchentlich oder gar monatlich erscheinende Periodika sein, die nach ihrem Gesamtcharakter im Wesentlichen lediglich der aktuellen Information dienen. (Zeitungsbegriff im Sinne des Pressespiegelprivilegs – WirtschaftsWoche) BGH vom 17.7.2003 NJW 2003, 3406 = CR 2003, 920. mit Anm. Nolte = WRP 2003, 1341 = MDR 2004, 346 = MMR 2003, 719 mit Anm. Wiebe = BGH-R 2003, 1294 mit Anm. Elßner Ein Suchdienst, der online veröffentlichte Zeitungsartikel aufspürt, verletzt keine Urheberrechte. Dies gilt auch bei der Verwendung von Deeplinks. Ein Hyperlink ist lediglich eine technische Erleichterung für den Abruf einer Datei und schafft keinen urheberrechtlichen Störungszustand. Wer einen Hyperlink setzt, hält zudem weder das Werk, zu dem der Link führt, zum Abruf bereit, noch übermittelt er das Werk auf Abruf an Dritte. Soweit es sich bei dem Artikel-Verzeichnis um eine Datenbank gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG handelt, stellt das Setzen von Deeplinks keine unter § 87 b UrhG fallende Nutzungshandlung dar. Soweit kleinere Bestandteile der Artikel an Nutzer übermittelt werden, läuft dies einer normalen Auswertung der Datenbank nicht zuwider (§ 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG). (Paperboy) BGH vom 11.7.2002 CR 2002, 827 = WRP 2002, 1296 = MDR 2003, 283 = MMR 2002, 739 mit Anm. Hoeren u. Waldenberger = K&R 2002, 599 mit Anm. Stögmüller Ein elektronisch übermittelter Pressespiegel kann nicht generell vom Privileg des § 49 Abs. 1 UrhG ausgeschlossen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn die elektronische Übermittlung keine weiteren Nutzungsmöglichkeiten eröffnet und sich lediglich als Substitut eines herkömmlichen Pressespiegels darstellt. (Berliner Verlag ./. VG Wort)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Schleswig vom 5.2.2010 GRUR 2010, 533 Das Merkmal einer Rechtsverletzung „gewerblichen Ausmaßes“ setzt nicht eine bestimmte Anzahl von einzelnen Rechtsverletzungen, sondern eine Rechtsverletzung von erheblicher Schwere voraus, die über den Bereich einer Nutzung zum privaten Gebrauch hinausgeht. Bereits ein einmaliges Herauf- und Herunterladen eines Musikalbums in der verkaufsrelevanten Phase kann daher eine Rechtsverletzung im „gewerblichen Ausmaß“ begründen. (gewerbliches Ausmaß; Auskunftsanspruch) OLG Karlsruhe vom 14.4.2010 GRUR-RR 2010, 234 Die Gestaltung einer Bildschirmmaske ist nicht nach § 69 a UrhG als Computerprogramm geschützt. Eine Bildschirmmaske kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG Schutz genießen, wenn ihre graphische Gestaltung im Vordergrund steht. (Bildschirmmaske; Computerprogramm) OLG Brandenburg vom 16.3.2010 GRUR-RR 2010, 273 Für den urheberrechtlichen Schutz von Vertragswerken ist es nicht genügend, dass die Verträge individuell, zweckmäßig und möglicherweise sogar gelungen sind, vielmehr ist es erforderlich, dass es sich um Spitzen- bzw. Ausnahmeprodukte handelt. (Schutz von Vertragswerken) OLG Köln vom 8.2.2010 MMR 2010, 487 Der Inhaber ausschließlicher Rechte zum öffentlichen Zugänglichmachen bleibt auch nach der Einräumung exklusiver Lizenzrechte an einen Dritten für die Geltendmachung von Schutzrechtsverletzungen betreffenden Auskunftsansprüchen legitimiert, soweit er ein eigenes schutzwürdiges Interesse verfolgt. Ein derartiges Interesse ist zu bejahen, wenn er an den Lizenzgewinnen prozentual beteiligt ist. (Auskunftsberechtigte, Lizenzerteilung) OLG Hamburg vom 8.2.2010 MMR 2010, 418 Ein urheberrechtlich geschützter Kartenausschnitt ist bereits dann im Internet öffentlich zugänglich gemacht i.S.d. § 19 a UrhG, wenn er durch Eingabe einer URL erreichbar ist. Eine Verlinkung mit der Homepage des Verletzers ist nicht notwendig. (Kartenausschnitt; öffentliche Zugänglichmachung)
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E. Urheberrecht OLG Hamburg vom 2.9.2009 MMR 2010, 196 mit Anm. Möller Es bestehen grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Eignung der MFM-Empfehlungen als Bemessungsgrundlage eines Schadensersatzanspruchs bei unberechtigter Verwendung von Lichtbildern. Als Bemessungsgrundlage zur Schätzung der Höhe des einem Lichtbildner zustehenden Schadensersatzes sind vorrangig frühere vertragliche Regelungen der Parteien heranzuziehen. Ein gesonderter Schadensersatz für die unterbliebene Urhebernennung ist nicht zu leisten, wenn die zur Berechnung herangezogenen Vereinbarungen bereits eine Verwendung der Lichtbilder ohne Urheberbenennung vorsehen. (Lichtbilder; Schadensberechnung) OLG Brandenburg vom 15.5.2009 GRUR-RR 2009, 413 Die Berechnung des Schadens wegen unberechtigter Verwendung von Lichtbildern kann durch die Ermittlung des konkreten Schadens (insbesondere des entgangenen Gewinns), der Ermittlung des Verletzergewinns und im Wege der Lizenzanalogie erfolgen. Als Ausgangspunkt für die richterliche Schadensschätzung können regelmäßig die MFM-Bildhonorartabellen herangezogen werden. (Lizenzanalogie; MFM-Empfehlungen) OLG Köln vom 5.5.2009 MMR 2009, 547 Der am erstinstanzlichen Auskunftsverfahren gem. § 101 Abs. 2 u. Abs. 9 UrhG nicht beteiligte, vom Provider nach richterlicher Gestattung benannte Anschlussinhaber ist nicht berechtigt, den Gestattungsbeschluss nach § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG anzufechten. (Auskunftsverfahren, Anschlussinhaber, Beschwerderecht) OLG Hamburg vom 16.4.2009 CR 2009, 526 = MMR 2009, 770 Der Vertreib einer Software, die es ermöglicht, in einem automatisierten Verfahren in sehr kurzen Zeitabständen Suchanfragen bei mehreren Online-Automobilbörsen gleichzeitig durchzuführen, und die dort Daten über die gefundenen Fahrzeuge entnimmt und dem Nutzer anzeigt, sodass dieser nicht mehr die Internetseiten der Onlineauktionsbörse aufsuchen muss, verletzt nicht das Datenbankherstellerrecht des Betreibers der Online-Automobilbörse. (Datenbank; Entnahme) OLG Köln vom 20.3.2009 CR 2010, 223 Computergrafiken können als angewandte Werke der bildenden Kunst nach § 2 I Nr. 4 UrhG Schutz genießen. Das danach erforderliche deutliche Überragen der Durchschnittsgestaltung setzt - ohne Rücksicht auf den mit der Grafik erfolgten praktischen Zweck - voraus, dass das Werk künstlerische Individualität erkennen
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Rechtsprechungsübersicht lässt. Der Umstand, dass die computergestützte Erstellung nicht völlig automatisiert abläuft und mit beträchtlichem Aufwand bei manuell einzugebenden Befehlen verbunden ist, genügt allein nicht. (Computergrafiken, Schutzfähigkeit) OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009 CR 2009, 390 = K&R 2009, 343 Die Vermittlung von Flugtickets durch ein anderes Unternehmen im Wege des sogenannten Screen-Scrapings ist grundsätzlich auch dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Flugunternehmen diesen Vertriebsweg nicht wünscht; insbesondere kann hierin weder eine Verletzung des „virtuellen Hausrechts“ des Flugunternehmens an seiner Internetseite noch ein Verstoß gegen die Datenbankrechte (§ 87b UrhG) des Flugunternehmens gesehen werden. (Screen-Scraping; virtuelles Hausrecht; Datenbankrechte) OLG Köln vom 27.2.2009 K&R 2009, 488 AGB können eine Form einer geistigen Schöpfung darstellen und urheberrechtlich geschützt sein, die kann insbesondere der Fall sein, wenn die AGB aufgrund der Art der inneren Gedankenführung und der Formulierung von dem allgemein Üblichen abgrenzen. (AGB; Urheberrechtsschutz; Sprachwerke) OLG Hamburg vom 11.2.2009 MMR 2009, 560 = K&R 2009, 410 = ZUM 2009, 414 Ein Angebot, bei dem Tonaufnahmen im Internet im sog. Streaming-Verfahren für Dritte, die bei ihm ein Abonnement unterhalten, hörbar gemacht werden, wird nicht i.S.v. § 78 Abs. 2 Nr. 3 UrhG „öffentlich wahrnehmbar“ gemacht. (Staytuned; Recht der öffentlichen Zugänglichmachung; Streaming-Verfahren) OLG Brandenburg vom 3.2.2009 CR 2009, 251 = MMR 2009, 258 = K&R 2009, 271 = ZUM 2009, 412 Die Verwendung urheberrechtlich geschützter Fotos eines Produktes für den privaten Verkauf dieses Produktes kann dazu führen, dass der Fotograf im Rahmen der Lizenzanalogie eine angemessene Lizenzgebühr verlangen kann. (Lichtbilder; Internetauktion; Schadensberechnung) OLG Zweibrücken vom 2.2.2009 MMR 2009, 702 Die erforderliche Schwere der Rechtsverletzung für eine Auskunftsgestattung liegt beim Download einer vier Jahre alten Softwareversion vor, deren aktuelle Version einen Marktpreis von etwa 400,- Euro hat. (Auskunftsgestattung; illegaler Softwaredownload)
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E. Urheberrecht OLG Düsseldorf vom 8.1.2009 CR 2009, 182 = MMR 2009, 186 = K&R 2009, 112 Ein Provider hat ein Beschwerderecht, wenn einem Urheberrechtsinhaber per Antrag gestattet wurde, vom Provider eine Auskunft über Bestandsdaten unter Verwendung von Verkehrsdaten zu verlangen. (Auskunft; Verkehrsdaten) OLG Oldenburg vom 1.12.2008 CR 2009, 104 = MMR 2009, 188 Das Erfordernis einer Verletzung des Urheberrechts „in gewerblichem Ausmaß“ gilt nicht nur für die Ansprüche gegen den Verletzer aus § 101 Abs. 1 UrhG, sondern auch für die Ansprüche gegen Dritte, die das Gesetz in § 101 Abs. 2 UrhG zur Verfügung stellt. Solange nur feststeht, dass von einer IP-Adresse ein einziger Download eines Musikalbums stattgefunden hat, ist eine einschränkende Interpretation des Begriffs „gewerbliches Ausmaß“ geboten und diese Voraussetzung des Auskunftsanspruch nicht als erfüllt anzusehen. (gewerbliches Ausmaß) OLG Köln vom 14.11.2008 K&R 2009, 52 = ZUM 2009, 578 Im Rahmen des § 87 b Abs. 1 UrhG reicht eine Wesentlichkeit in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht aus. Hierbei ist in quantitativer Hinsicht allein auf das Verhältnis zwischen Umfang der in der Datenbank enthaltenen und der entnommen Daten abzustellen. Im qualitativen Sinne ist die Wesentlichkeitsschwelle jedenfalls überschritten, wenn sich in dem übernommenen Teil der Datenbank eine wesentliche Investition des Herstellers niederschlägt. In der Übernahme eines quantitativ unwesentlichen Teils von Daten kann nicht ohne weiteres ein relevanter Eingriff in qualitativer Hinsicht gesehen werden. (Datenbank; unwesentliche Übernahme) OLG Zweibrücken vom 27.10.2008 CR 2009, 31 Zur Ermittlung des Namens und der Anschrift von Internetnutzern notwendigerweise verwendete dynamische IP-Adressen sind Verkehrsdaten i.S.v. § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG. Eine Verletzungshandlung im gewerblichen Ausmaß zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werde. Handlungen, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden, werden in der Regel nicht erfasst, es müsse vielmehr eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität vorliegen. Deren Umfang muss über das hinausgehen, was einer Nutzung zum privaten oder sonstigen Gebrauch entspricht. (Auskunftsanspruch; gewerbliches Ausmaß; Verkehrsdaten) OLG Köln vom 21.10.2008 CR 2009, 107 = MMR 2008, 820 = K&R 2008, 751 Eine einstweilige Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG kann grundsätzlich nicht auf die Verpflichtung des Telekommunikationsanbieters (Internet-Providers) ge-
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Rechtsprechungsübersicht richtet sein, die Auskunft über die Daten eines, einer bestimmten IP-Adresse zugeordneten Anschlussinhabers zu erteilen. Eine solche einstweilige Anordnung würde die Hauptsache vorwegnehmen und das weitere Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG hinfällig machen. Es ist ausreichend dem Provider – entgegen der üblichen Praxis (Löschung nach 7 Tagen) – die Löschung der fraglichen Daten einstweilen zu untersagen. (Auskunftsanspruch; einstweilige Anordnung) OLG Köln vom 28.8.2008 WRP 2009, 96 = MMR 2009, 198 = K&R 2008, 691 Nichtamtliche Leitsätze von Gerichtsentscheidungen können urheberrechtlichen Schutz genießen. Für die Bestimmung als Werk gem. §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG ist es im Hinblick auf die erforderliche Schöpfungshöhe ausreichend, wenn im Hinblick auf die Vorlage der Entscheidung eine Gliederung und Auswahl der für Leitsätze geeigneten Entscheidungsgründe vorgenommen wurde, ohne dass sich die Leitsätze in einer wörtlichen Wiedergabe der Entscheidungsgründe erschöpfen. (Leitsätze im Internet) OLG Düsseldorf vom 7.8.2008 ZUM-RD 2008, 598 Im Rahmen des Investitionsschutzes (§§ 87 a ff. UrhG) ist das Kriterium der wesentlichen Investition das Pendant zur Schöpfungshöhe beim Schutz des Urhebers. Bei den Investitionen für die Darstellung des Datenbankinhaltes muss u.a. festgestellt werden, ob und in welchem Umfang Aufwendungen für die Aufbereitung und Erschließung des Datenbankinhaltes, die erst die für eine Datenbank charakteristische Einzelzugänglichkeit ihrer Elemente ermöglichen getätigt wurden. Diese Aufwendungen sind abzugrenzen von unbeachtlichen Investitionen in die Datenerzeugung. (Datenbankschutz; wesentliche Investitionen; Investitionsschutz) OLG Hamburg vom 25.7.2008 ZUM 2009, 575 § 19 a UrhG fordert nicht, dass Musikaufnahmen durch Herunterladen in den Besitz des Nutzers gelangen. Dies zeigt auch die systematische Einordnung des § 19 a UrhG zwischen den Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrechten (§ 19 UrhG) und dem Senderecht (§ 20 UrhG). In allen Fällen geht es um Formen der öffentlichen Wiedergabe, ohne dass dem Rezipienten der Verwertungshandlung etwas verbleiben muss. (Streaming-on-Demand; öffentliche Zugänglichmachung) OLG Hamburg vom 21.5.2008 ZUM-RD 2009, 382 Haben die Parteien für die Nutzung eines Lichtbildes in der Printausgabe einer Zeitschrift eine (angemessene) Vergütungsregelung getroffen, stellt sich die spätere, bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht vorhersehbare öffentliche Zugänglichmachung der digitalisierten Zeitschriften-Jahrgänge auch zur Online-Nutzung jedenfalls lizenzrechtliche nicht als vollständig neue Nutzungsart, sondern als An-
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E. Urheberrecht nex zu der bereits vergüteten Nutzung dar. Hierfür ist (lediglich) ein Erhöhungsbetrag geschuldet, den verständige Lizenzvertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie diese zusätzliche Art der Publikation vorhergesehen hätten. (neue Nutzungsart; Online-Veröffentlichung; Lizenz) OLG Hamburg vom 9.4.2008 MMR 2009, 133 Für ein öffentliches Zugänglichmachen gemäß § 19 a UrhG reicht es aus, wenn Inhalte durch Eingabe einer URL erreichbar sind. Eine Verlinkung mit einer Website ist nicht erforderlich. Zwar erfordert § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG für die öffentliche Widergabe, dass die Widergabe für die Öffentlichkeit „bestimmt“ sein muss. Hierfür reicht es jedoch aus, dass Inhalte objektiv für Mitglieder der Öffentlichkeit auffindbar sind. (Link; öffentliche Zugänglichmachung) OLG Hamburg vom 2.4.2008 GRUR-RR 2008, 378 Der Vertragszweck des für eine Unfallgeschädigte zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung erstellten Kfz-Sachverständigengutachtens umfasst ohne ausdrückliche Einwilligung nicht die Befugnis der Versicherung, die in Papierform im Ausdruck des Gutachtens übergebenen Lichtbilder des Unfallfahrzeugs zu digitalisieren und ins Internet in eine sog. Restwertbörse einzustellen, u.a. um die Angaben des von dem Sachverständigen zu Grunde gelegten Restwerts zu überprüfen. (Restwertbörse; Einwilligung) OLG Jena vom 27.2.2008 MMR 2008, 408 mit Anm. Schack = K&R 2008, 301 mit Anm. Ott = ZUM 2008, 522 Das Erstellen und anschließende Anzeigen von Thumbnails in der Trefferliste einer Suchmaschine stellt ein sonstiges Umgestalten des Originalwerks i.S.v. § 23 UrhG dar. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs kann aber als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Rechteinhaber im Wege der Suchmaschinenoptimierung den Zugriff auf die Bilder erleichtert. (Thumbnails; Einwilligung) OLG Hamm vom 26.2.2008 CR 2008, 517 = NJW-RR 2008, 1264 = MMR 2008, 827 = ZUM 2008, 598 Eine Zeitschrift kann ein Sammelwerk im Sinne von § 4 Abs. 1 UrhG darstellen. Die systematische Online-Veröffentlichung der veröffentlichten Artikel gegen den Willen des Herausgebers kann dessen Recht am Sammelwerk verletzen. (Zeitschrift als Sammelwerk) OLG Hamburg vom 20.2.2008 CR 2010, 125 Der Umstand, dass eine technische Schutzmaßnahme vorgenommen worden ist, macht nicht jede Umgehung oder Überwindung des Schutzes rechtswidrig. Es
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Rechtsprechungsübersicht kommt vielmehr darauf an, ob eine konkrete Art der Nutzung vorliegt, die der Berechtigte durch wirksame technische Maßnahmen unterbinden wollte. (Schutzmaßnahmen; Umgehung) OLG München vom 7.2.2008 CR 2009, 500 Wird ein ASP-Betrieb nur auf Live-Projekte beschränkt, so ist eine Archivierung von Altdaten nicht gestattet. Ist der ASP-Betrieb ohne Zustimmung des Rechteinhabers eines Computerprogrammes öffentlich zugänglich gemacht worden, so liegt ein Verstoß gegen § 69c Nr. 4 UrhG auch ohne Übermittlung der Programmdaten vor. (Software-Nutzung; ASP; öffentliche Zugänglichmachung) OLG Stuttgart vom 21.1.2008 MMR 2008, 474 Der Betreiber eines Music-On-Demand-Dienstes macht Tonträger auch dann öffentlich zugänglich, wenn nur die Möglichkeit zum Anhören und nicht zum Download besteht. (Music on Demand; öffentliches Zugänglichmachen) OLG Frankfurt a.M. vom 11.12.2007 NJW 2008, 770 = ZUM 2008, 233 Die Wiedergabe einer Kurzfassung von Buchrezensionen Dritter (Abstracts) kann zulässig sein, wenn das Abstract einen eigenständigen schöpferischen Gehalt aufweist. Dies hängt vor allem davon ab, wie weit sich das Abstract in Aufbau und Gliederung vom Original unterscheidet und in welchem Umfang Passagen aus dem Originaltext übernommen werden. (Buchrezensionen Dritter) OLG München vom 16.10.2007 ZUM 2008, 991 Anwaltsschriftsätze sind als Schriftwerke grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dem Urheberrechtsschutz zugänglich. Die Einhaltung der „formalen“ (zwingenden) Anforderungen an ein presserechtliches Warnschreiben stellt für sich genommen keinen Umstand dar, der ein deutliches Überragen des Handwerklichen und eine schöpferische Leistung begründen könnte, wenn ein solches Schreiben ohne die Einhaltung dieser Anforderungen seine Funktion nicht – vollständig – erfüllen könnte und handwerklich misslungen wäre. Keinesfalls kommt es für die urheberechtliche Beurteilung eines solchen Schreibens darauf an, dass die Kategorie des presserechtlichen Warnschreibens nicht alltäglich sein mag. Aus der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergibt sich kein generelles Verbot, aus Schriftsätzen von Rechtsanwälten zu zitieren. (Anwaltsschreiben; presserechtliche Warnschreiben; Schutzfähigkeit)
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E. Urheberrecht OLG Rostock vom 27.6.2007 CR 2007, 737 = ITRB 2007, 249 Die technische Realisierung der Gestaltung von Webseiten ist urheberrechtsfähig, wenn der Webdesigner die Internetseite durch gezielte Verwendung von Sprache so optimiert, dass sie bei der Eingabe von Alltagsbegriffen in eine Suchmaschine unter den ersten Suchergebnissen erscheint. (Urheberrechtsschutz von Webseiten) OLG München vom 26.6.2007 CR 2007, 739 = MMR 2007, 659 = K&R 2007, 531 mit Anm. Wimmers/Schulz Mit der Linksetzung auf eine Website werden dort enthaltene Bildnisse eines Dritten veröffentlicht. Diese Veröffentlichung ohne Zustimmung des Abgebildeten kann auch dann unzulässig sein, wenn der Abgebildete seiner Zustimmung zur Veröffentlichung auf einer anderen Website, die sich mit seiner Freizeitgestaltung befasst, erteilt hatte. (Veröffentlichung von Bildnissen eines Dritten; Linksetzung) OLG München vom 10.5.2007 MMR 2007, 525 mit Anm. Gausling = K&R 2007, 418 Der Versand urheberrechtlich geschützter Aufsätze aus Zeitschriften in elektronischer Form verletzt das Vervielfältigungsrecht des Urheberrechtsinhabers. (subito; elektronischer Versand von Aufsätzen) OLG Erfurt vom 15.3.2007 CR 2007, 391 mit Anm. Berberich = MMR 2007, 393 = K&R 2007, 325 mit Anm. Roggenkamp = ZUM 2007, 566 Die Abbildung von Thumbnails stellt eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG dar. Die Anzeige solcher Thumbnails durch eine Suchmaschine ist jedoch nicht rechtswidrig, wenn der Urheber die Kunstwerke im Rahmen seines Internetauftritts allgemein und kostenlos zugänglich macht. Bei reinen Verlinkungen gelten die Grundsätze der Paperboy-Entscheidung. (Thumbnails in Suchmaschine) OLG Hamburg vom 9.1.2007 CR 2007, 487 Der Auskunftsanspruch aus § 101 a Abs. 1 UrhG erfasst auch urheberpersönlichkeitsrechtliche Ansprüche, sofern diese mit der Vervielfältigung bzw. Verbreitung des Werks im Zusammenhang stehen. (urheberrechtlicher Auskunftsanspruch) OLG München vom 7.12.2006 CR 2007, 389 Zwar ist die Unternehmensbezogenheit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 100 UrhG grundsätzlich vom Anspruchdarsteller darzulegen. Steht der Anspruchsteller jedoch außerhalb des Geschehensablaufes und kann er von sich aus
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Rechtsprechungsübersicht nicht den Sachverhalt ermitteln, so muss sich der Unternehmensinhaber nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast an der Sachverhaltsaufklärung beteiligen. (Beweis- bzw. Behauptungslast bei der Frage der Unternehmensbezogenheit) OLG Dresden vom 5.12.2006 ITRB 2007, 230 = ZUM 2007, 385 Das Speichern von Sendungen im Rahmen eines werbefinanzierten Onlinevideorecorders wird nicht von der Privilegierung des § 53 Abs. 1 UrhG erfasst. (Betreiben eines Internet-Videorekorders) OLG Dresden vom 28.11.2006 CR 2007, 458 = K&R 2007, 278 = ZUM 2007, 203 Das kostenpflichtige Angebot von Speicherplatz für Fernsehsendungen auf einem Internetserver zum individuellen Abruf stellt einen Eingriff in das dem Fernsehsender zustehende Senderecht dar. Danach hat dieser die ausschließliche Befugnis, über die Vervielfältigung seiner Sendungen zu disponieren. (Online-Videorekorder; Senderecht) OLG Hamburg vom 13.9.2006 MMR 2007, 533 Bei aus einer „anonymen Tauschbörse“ herunter geladenen Prominenten-Lichtbildern erschließt sich auch jugendlichen Nutzern ohne große Mühe, dass mit den erhaltenen Gütern selbst dann ohne Einwilligung keine Geschäfte gemacht bzw. versucht werden dürfen, wenn ein ausdrücklicher „Copyright“-Vermerk nicht angebracht ist. (Fotos aus Tauschbörse) OLG Düsseldorf vom 9.5.2006 NJW-RR 2007, 486 Bei Onlineveröffentlichungen von Werbefotos ohne Einwilligung des Urhebers ist das Unterlassen des Bildquellennachweises bei der Berechnung des Schadensersatzes umfangerhöhend mit einzubeziehen, z.B. durch Verdopplung der Lizenzgebühr. (Schadenshöhe bei Verwendung von Fotos im Internet) OLG Hamburg vom 28.4.2006 K&R 2006, 528 Das Verwenden eines Stadtplanausschnittes auf einer Homepage ist unzulässig, wenn nicht die ausdrückliche Genehmigung des Urheberrechtsinhabers vorliegt. (Stadtplanausschnitt)
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E. Urheberrecht OLG Köln vom 28.10.2005 CR 2006, 368 Eine CD-ROM, welche die Daten des elektronischen Zolltarifs mit einigen Besonderheiten in der Darstellung enthält, fällt unter den Begriff der Datenbank. Dabei erfasst der Investitionsbegriff in § 87 a Abs. 1 S. 1 UrhG sämtliche Aufwendungen, die dem Aufbau, der Darstellung oder der auswählenden und aktualisierenden Überprüfung der Datenbank dienen. § 5 UrhG ist bei richtlinienkonformer Auslegung des Urheberrechts auf Datenbanken nicht anwendbar, sodass einem Verstoß gegen das eines Datenbankherstellers zustehende Vervielfältigungsrecht nicht entgegen steht, dass die fraglichen Daten nicht schutzwürdig wären. (Datenbank; amtliche Werke) OLG Köln vom 9.9.2005 K&R 2005, 570 Ein Onlinevideorekorder verstößt gegen § 19 a UrhG und greift in das Vervielfältigungsrecht der betroffenen Fernsehsender nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG ein, wenn er dem Nutzer die von ihm vorher ausgewählte Sendung online zur Verfügung stellt. Allerdings greift die Privilegierung des § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG bei unentgeltlicher Bereitstellung und es entfallen die Unzulässigkeit des Inverkehrbringens i.S.d. § 53 Abs. 1 UrhG, sowie die „Widerrechtlichkeit“ nach § 97 Abs. 1 UrhG. (Personal Video Recorder) OLG Hamburg vom 7.7.2005 CR 2005, 512 = MMR 2006, 173 = ZUM 2005, 749 Das Internetangebot eines Musikdienstes, durch welches den Nutzern gegen Entgelt Tonaufnahmen von im Handel erworbenen Tonträgern im sog. Streamingverfahren online in der Weise übermittelt werden, dass jeder Nutzer sich individuell ein Programm verschiedener Musiktitel zusammenstellen kann und dieses Programm innerhalb des bezahlten Nutzungszeitraums zu einer Zeit und von einem Ort seiner Wahl beliebig oft abrufen und anhören kann, verletzt die ausschließlichen Rechte des Tonträgerherstellers gemäß den §§ 85, 19 a UrhG. § 19 a UrhG fordert nicht, dass die Musikaufnahmen durch Herunterladen in den Besitz des Nutzers gelangen. (Streaming; öffentliche Zugänglichmachung) OLG Frankfurt a.M. vom 22.3.2005 CR 2006, 198 = MMR 2005, 705 Das Ergebnis der Umschreibung in Form einer Word-Datei zur Verfügung gestellten Texten, Bildern, Logos und Design in einer HTML-Datei für eine einzelne Website des Auftraggebers durch einen Webdesigner oder Programmierer ist als digitaler Herstellungsprozess nicht urheberrechtsfähig. (kein Urheberschutz für digitale Herstellungsprozesse)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Köln vom 25.2.2005 CR 2005, 557 = MMR 2005, 616 = K&R 2005, 328 Der Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer zur Erstellung eines Computerprogramms von sonstigen Tätigkeiten sowie der betrieblichen Anwesenheitspflicht zeitweilig freigestellt hat, ist auch dann Inhaber der in § 69 b UrhG beschriebenen Rechte an dem Programm, wenn dessen Entwicklung überwiegend außerhalb der regulären Arbeitszeit vorangetrieben worden ist. (Urheberrechte des Arbeitgebers bei Entwicklung durch Arbeitnehmer in der Freizeit) OLG Hamburg vom 24.2.2005 K&R 2006, 46 Die Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Werken in Form von digitalisierten Zeitungen bzw. Zeitschriften im Internet stellte sich spätestens im Jahr 1993 nicht mehr als eine „noch nicht bekannte Nutzungsart“ dar. Wird eine im Jahr 1986 zwischen dem Urheber und dem Verwertungsberechtigten getroffene Nutzungsvereinbarung durch Nachtragsvereinbarungen modifiziert, so bleibt für die Bekanntheit einer Nutzungsart grundsätzlich weiterhin der Zeitpunkt der ursprünglichen Vereinbarung ausschlaggebend. (Yacht-Archiv; Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Werke in Zeitschriften im Internet) Kammergericht vom 19.11.2004 CR 2005, 672 Ist zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbart, dass im Fall der wirtschaftlichen Verwertung eines Designentwurfs eine Nutzungsvereinbarung getroffen werden muss, hat der Entwerfer einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung seines Entwurfs, solange eine Nutzungsvereinbarung nicht zustande gekommen ist. (Vorbehalt einer Nutzungsvereinbarung; Wirksamkeit unabhängig von Schutzfähigkeit Unterlassungsanspruch) OLG Hamm vom 24.8.2004 MMR 2005, 106 = K&R 2005, 141 = ZUM 2004, 927 Eine Webseite kann als Werk der bildenden Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG angesehen werden, wenn ihr auf Grund der speziellen Ausgestaltung die erforderliche Schöpfungshöhe nach § 2 Abs. 2 UrhG zugebilligt werden kann. Grafiken auf der Kopfzeile einer Internetseite, die mittels des Computers verfremdete Fotos enthalten, fehlt jedoch mangels der erforderlichen Schöpfungshöhe die urheberrechtliche Schutzfähigkeit. Computergrafiken unterfallen nicht dem Lichtbildschutz des § 72 UrhG, denn Schutzgegenstand von programmierten Grafiken kann nur das Programm selbst sein, nicht aber die Visualisierung des Programms. (Urheberrechtsschutzfähigkeit und Lichtbildschutz einer Computergrafik auf der Kopfzeile einer Webseite)
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E. Urheberrecht OLG Köln vom 13.8.2004 MMR 2005, 185 = ZUM 2005, 235 Hat der Produzent eines Fernsehfilms nach den zu Grunde liegenden Verträgen räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte ausschließliche Nutzungsrechte der auftraggebenden Fernsehgesellschaft eingeräumt und ihr gestattet, die „Produktion ganz oder teilweise im In- und Ausland beliebig oft zu verwerten“, so ist die Fernsehgesellschaft berechtigt, auch einzelne Bilder zu zeigen und ins Internet zu stellen. Bei einer derartigen Vertragsgestaltung ist der Produzent grundsätzlich nicht aktivlegitimiert, gegen Dritte einzuschreiten, welche die Bilder ebenfalls nutzen. (Übertragung der Nutzungsrechte an Fernsehfilm auf den Sender) Kammergericht vom 30.4.2004 MMR 2004, 540 Ein elektronisch übermittelter Pressespiegel wird durch § 49 Abs. 1 UrhG nicht privilegiert, wenn es sich nicht um einen lediglich betriebsinternen Pressespiegel handelt. (E-Mail-Ausschnittdienst) OLG Hamburg vom 25.2.2004 MMR 2004, 407 Ob Handy-Logos als Werke der bildenden Kunst geschützt sind, richtet sich nach den Kriterien der sog. „Kleinen Münze“. Für die Einordnung als Kunstwerk ist nur das Ergebnis entscheidend, wie es dem Betrachter gegenüber tritt, nicht der Arbeitsaufwand, der zu seiner Herstellung erforderlich war. In welcher Weise Software bei der Erstellung behilflich war, ist daher nicht maßgeblich. (Handy-Logos; Kunstwerk) OLG Köln vom 19.12.2003 CR 2004, 533 = NJW-RR 2004, 692 = MMR 2004, 253 = ITRB 2004, 245 (Elteste) Der Besteller eines Bildes hat nach § 60 UrhG nicht das Recht, das Bild öffentlich wiederzugeben. Eine Verwendung im Internet ist daher untersagt. (Portraitfoto im Internet) OLG München vom 21.11.2002 CR 2003, 564 Die Anwendung eines üblichen Gliederungsschemata folgenden Nummerierungssystems auf ein möglicherweise urheberrechtlich geschütztes Ordnungssystem ist keine persönliche geistige Schöpfung. (Briefmarken-Katalog) OLG München vom 10.10.2002 MMR 2003, 593 Werden Daten aus Chart-Listen, in denen Musiktitel mit Begleitinformationen nach Positionen (Rangplätzen) aufgeführt sind, in der Weise neu zusammen-
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Rechtsprechungsübersicht gestellt, dass sie nach anderen Kriterien sortiert und für einen längeren Zeitraum aufbereitet werden, so liegt in dieser Neuzusammenstellung weder ein unzulässiger Eingriff in das Recht des Datenbankherstellers. (Chart-Listen; Datenbankschutz) OLG Hamburg vom 13.6.2002 MMR 2002, 677 Die Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing können bei der Beurteilung der Üblichkeit eines Bildhonorars als Indiz herangezogen werden, wenn die Vertragsparteien nicht Mitglieder dieser Gemeinschaft sind. Für die Zugänglichmachung eines Fotos im Internet für vier Tage bei 1.100 Abrufen kommt ein Honorar i.H.v. über 100 DM je Bild nicht in Betracht. (Lizenzanalogie; MFM-Empfehlung) Kammergericht vom 24.7.2001 CR 2002, 127 = K&R 2002, 148 mit Anm. Welker Die Einstellung eines Fotos in das Online-Angebot einer Tageszeitung im Internet stellt eine eigene Nutzungsart dar. Eine Erlaubnis des Abdrucks in der Printausgabe der Zeitung umfasst diese Nutzungsart nicht, wenn bei Vertragsschluss keine entsprechende Branchenübung feststellbar ist (§ 31 Abs. 5 UrhG). (Nutzungsart; Online-Veröffentlichung) OLG Hamburg vom 22.2.2001 CR 2001, 704 mit Anm. Dieselhorst = NJW-RR 2001, 1198 = MMR 2001, 533 Ein Online-Lexikon mit 60.000 Stichwörtern und 40.000 englischen Übersetzungen ist ein Datenbankwerk gemäß § 4 Abs. 2 UrhG. Das Framing eines solchen Angebots bedarf der Zustimmung des Urhebers (§ 16 UrhG). (Datenbankwerk; Online-Lexikon) OLG Köln vom 27.10.2000 CR 2001, 708 = NJW-RR 2001, 904 = MMR 2001, 387 = K&R 2001, 327 Ein Suchdienst, der online veröffentlichte Zeitungsartikel aufspürt, verletzt weder Rechte an einem Sprachwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG noch Rechte an einer Datenbank gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 UrhG, wenn es zu keiner Vervielfältigung vollständiger Artikel kommt. (Paperboy) OLG Hamburg vom 11.5.2000 CR 2000, 522 = NJW-RR 2001, 123 = MMR 2000, 702 = K&R 2001, 266 Die Einstellung von Agenturmeldungen in das Internetangebot einer Tageszeitung stellt eine eigene Nutzungsart dar. Eine Erlaubnis des Abdrucks der Nachrichten in der Printausgabe der Zeitung umfasst diese Nutzungsart nicht, wenn die Nutzungsart bei Vertragsschluss unbekannt war (§ 31 Abs. 5 UrhG). (Nutzungsart; Online-Veröffentlichung)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Hamburg vom 6.4.2000 CR 2000, 658 Der Gesetzeszweck von UrhG § 49 liegt gerade nicht in der kommerziellen Folgeverwertung von Presseerzeugnissen in Wirtschaftsunternehmen, sondern in der Erleichterung der Berichterstattung, sodass sich neben einer schon deutlich im Randbereich des Normzwecks liegenden Erstellung von Papierpressespiegeln für Wirtschaftsunternehmen eine Ausdehnung auf elektronische Pressespiegel verbietet. (elektronsicher Pressespiegel) OLG Düsseldorf vom 29.6.1999 CR 2000, 184 mit Anm. Leistner = MMR 1999, 729 mit Anm. Gaster = NJW-CoR 1999, 501 Kein urheberechtlicher Schutz einer Website, wenn weder die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 UrhG noch die Voraussetzungen des § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG erfüllt sind und mangels ausreichender Gestaltungshöhe (§ 2 Abs. 2 UrhG) auch kein Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG in Betracht kommt. Ein Schutz nach § 69 a Abs. 2 Satz 1 UrhG scheidet aus, da die „Abbildung auf dem Bildschirm“ keine Ausdrucksform eines Computerprogramms darstellt. (konkurrierende Websites aus dem Bereich der Bau- und Heimwerkerbranche; zulässiges Framing)
F. Wettbewerbsrecht EuGH vom 26.3.2010 K&R 2010, 397 – Bananabay Der Inhaber einer Marke darf einem Werbenden verbieten, auf ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort, das von diesem Werbenden ohne seine Zustimmung im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt wurde, für Waren oder Dienstleistungen, die mit den von der Marke erfassten identisch sind, zu werben, wenn aus dieser Werbung für einen Durchschnittsinternetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder doch von einem Dritten stammen. (Keyword Advertising) EuGH vom 25.3.2010 CR 2010, 325 = K&R 2010, 318 – BergSpechte Der Inhaber einer Marke darf einem Werbenden verbieten, anhand eines mit der Marke identischen oder ihr ähnlichen Schlüsselwortes, das der Werbende ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt hat, für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, zu werben, sofern für den Durchschnittsinternetnutzer nur schwer zu erkennen ist, dass die beworbenen Waren oder Dienstleitungen von einem Dritten stammen. (Keyword Advertising)
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Rechtsprechungsübersicht EuGH vom 23.3.2010 CR 2010, 318 = K&R 2010, 320 – Google AdWords Der Inhaber einer Marke darf einem Werbenden verbieten, anhand eines mit dieser Marke identischen Schlüsselwortes, das der Werbende ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt hat, für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, zu werben, sofern für den Durchschnittsinternetnutzer nur schwer zu erkennen ist, dass die beworbenen Waren oder Dienstleitungen von einem Dritten stammen. (Keyword Advertising) EuGH vom 16.10.2008 NJW 2008, 3553 = MMR 2009, 25 = K&R 2008, 670 Art. 5 Abs. 1 lit. c der E-Commerce-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Diensteanbieter verpflichtet ist, den Nutzern des Dienstes vor Vertragsschluss mit ihnen neben seiner Adresse der elektronischen Post weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, die eine schnelle Kontaktaufnahme und eine unmittelbare und effiziente Kommunikation ermöglichen. Diese Informationen müssen nicht zwingend eine Telefonnummer umfassen. (Impressumspflicht; Telefonnummer) BVerfG vom 19.2.2008 NJW 2008, 1298 = CR 2008, 384 = MMR 2008, 453 = K&R 2008, 236 Die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus zielt auf die Gewinnung eines konkreten Mandats aus einem zuvor nicht bekannten Beratungsbedarf ab und ist somit nicht als Werbung um ein Mandat im Einzelfall zu bewerten. Ebenso wenig ist die Versteigerung aufgrund gebührenrechtlicher Regelungen (§ 14 RVG) oder wegen der Verletzung berufsständischer Verbote (§ 3 Abs. 1, § 49 b Abs. 3 S. 1 RABerufsO) berufsrechtswidrig. Das Ansehen eines Berufes wird lediglich dann in verfassungsrechtlich relevanter Weise beeinträchtigt, sofern es über bloße berufsständische Belange hinaus das Allgemeininteresse berührt. (Anwaltswerbung im Internet) BVerfG vom 12.9.2001 NJW 2001, 3324 = MMR 2002, 45 Die Überschrift „So kommen Sie zu Ihrem Recht“ über der Wegbeschreibung auf einer Anwalts-Website ist nicht berufswidrig. (Wegbeschreibung auf Anwalts-Website) BGH vom 10.12.2009 MMR 2010, 183 = K&R 2010, 115 Bereits nach dem UWG 2004 kann E-Mail-Werbung nicht durch ein mutmaßliches, sondern nur durch ein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis gerechtfertigt sein. Eine Interessenabwägung dahin, ob in der Werbemaßnahme auf Grund einer Interessenabwägung eine unzumutbare Belästigung im Einzelfall zu verneinen sein könnte, scheidet in diesem Bereich aus. Gleiches gilt nach der
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F. Wettbewerbsrecht Bejahung einer unzumutbaren Belästigung bezüglich der Frage eines Bagatellverstoßes. (E-Mail-Werbung; Einverständnis) BGH vom 10.12.2009 Az. I ZR 149/07 Wer in einer an die Allgemeinheit gerichteten Werbung für einen Telefon-Tarif oder eine Internet-Flatrate unter Angabe von Preisen wirbt, muss, wenn die Inanspruchnahme dieser Leistungen einen Kabelanschluss des Anbieters voraussetzt, in der Werbung hinreichend deutlich auf die Kosten des Kabelanschlusses hinweisen. (Werbung für Internet-Flatrate; Kabelanschluss) BGH vom 16.7.2009 CR 2010, 192 = MMR 2010, 245 = K&R 2010, 187 Bei einer Werbung für Waren in Preisvergleichslisten einer Preissuchmaschine dürfen die zum Kaufpreis hinzukommenden Versandkosten nicht erst auf der eigenen Internetseite des Werbenden genannt werden, die mit dem Anklicken der Warenabbildung oder des Produktnamens erreicht werden kann. (Preissuchmaschine; Versandkosten) BGH vom 16.7.2009 WRP 2010, 370 = MMR 2010, 237 = K&R 2010, 189 Beim Internetvertrieb reicht es aus, unmittelbar bei der Werbung für das einzelne Produkt den Hinweis „zzgl. Versandkosten“ aufzunehmen, wenn sich bei Anklicken oder Ansteuern dieses Hinweises ein Bildschirmfenster mit einer übersichtlichen und verständlichen Erläuterung der allgemeinen Berechnungsmodalitäten für die Versandkosten öffnet und außerdem die tatsächliche Höhe der für den Einkauf anfallenden Versandkosten jeweils bei Aufruf des virtuellen Warenkorbs in der Preisaufstellung gesondert ausgewiesen wird. (Werbung; Versandkosten) BGH vom 9.7.2009 NJW 2010, 616 Ist die Teilnahme des Verbrauchers an einem Gewinnspiel noch nicht ohne Weiteres – etwa auf Grund der Angabe einer Rufnummer – möglich, kann es in der Fernsehwerbung genügen, für die Teilnahmebedingungen auf eine Internetseite oder im Handel erhältliche Teilnahmekarten zu verweisen; der Hinweis muss so gestaltet sein, dass er vom Verbraucher ohne Schwierigkeiten erfasst werden kann. (Gewinnspiel; Fernsehwerbung; Teilnahmebedingungen) BGH vom 10.6.2009 WRP 2010, 100 Eine Berufung auf die Bagatellklausel des § 3 Abs. 1 UWG kommt nicht in Betracht, wenn der Website-Betreiber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab-
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Rechtsprechungsübersicht gegeben hat, ohne dass eine – jedenfalls konkludente – Beschränkung der Erklärung auf „spürbare“ Verstöße erkennbar ist. (Unterlassungserklärung; Vertragsstrafe; Bagatellklausel) BGH vom 20.5.2009 NJW 2009, 2958 = CR 2009, 733 = GRUR 2009, 980 = WRP 2009, 1246 = MDR 2009, 1234 = K&R 2009, 649 Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit Werbung kann einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. (E-Mail-Werbung; Rechtsverletzung) BGH vom 11.3.2009 NJW 2010, 612 = CR 2009, 742 = MMR 2009, 840 Bei Verkaufsförderungsmaßnahmen muss der Verbraucher Gelegenheit haben, sich vor der Kaufentscheidung über zeitliche Befristungen der Aktion, über eventuelle Beschränkungen des Teilnehmerkreises, über Mindest- oder Maximalabnahmemengen sowie über mögliche weitere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahme zu informieren. In der Fernsehwerbung kann es genügen, die Bedingungen der Inanspruchnahme einer Verkaufsförderungsmaßnahme nicht vollständig zu nennen, sondern insoweit auf eine Internetseite zu verweisen; der Hinweis muss so gestaltet sein, dass er vom Verbraucher ohne Schwierigkeiten erfasst werden kann. (Verkaufsförderungsmaßnahmen; Fernsehwerbung; Teilnahmebedingungen) BGH vom 26.2.2009 NJW 2009, 3095 = CR 2009, 746 = GRUR 2009, 982 = WRP 2009, 1247 = MDR 2009, 1294 = MMR 2009, 690 = K&R 2009, 651 Im Rahmen der Preisangabenverordnung stellt die Werbung im Verhältnis zum Angebot kein Aliud, sondern ein Minus im Sinne einer Vorstufe dar. Der Grundpreis ist dann i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV in unmittelbarer Nähe des Endpreises angegeben, wenn beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden können. Die Regelung in § 4 Abs. 4 PAngV über die Preisauszeichnung bei Waren, die nach Katalogen oder Warenlisten oder auf Bildschirmen angeboten werden, kann nicht auf die bereits bei der Werbung bestehende Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises gem. § 2 PAngV übertragen werden. (Werbung; Preisangaben) BGH vom 22.1.2009 CR 2009, 323 mit Anm. Backu = GRUR 2009, 502 = WRP 2009, 441 = MDR 2009, 704 = MMR 2009, 331 mit Anm. Hoeren = K&R 2009, 328 = MarkenrR 2009, 218 – pcp Wird bei einer Internetsuchmaschine eine Keyword angemeldet, welches von den angesprochenen Verkehrskreisen als eine beschreibende Angabe von Merkmalen und Eigenschaften von Waren verstanden wird, allerdings einer geschützte Marke ähnelt, ist ein Unterlassungsanspruch zu verneinen, wenn bei Eingabe der geschützten Marke in die Suchmaschine auf der darauffolgenden Internetseite neben
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F. Wettbewerbsrecht der Trefferliste unter einer Rubrik wie „Anzeige“ eine Werbeanzeige des KeywordAnmelders erscheint, diese das geschützte Zeichen aber selbst nicht verwendet. (Keyword Advertising) BGH vom 22.1.2009 NJW 2009, 2382 CR 2009, 328 = GRUR 2009, 500 = WRP 2009, 435 = MMR 2009, 329 mit Anm. Hoeren = K&R 2009, 326 = MarkenR 2009, 210 = ZUM 2009, 562 mit Anm. Kummermehr – Beta Layout Die Anmeldung eines fremden Unternehmenskennzeichens als Keyword in einer Internetsuchmaschine schließt eine Verwechslungsgefahr aus, wenn bei Eingabe des Begriffs in der Suchmaschine auf der darauf folgenden Internetseite die Werbeanzeige des Anmelders getrennt von der Trefferliste in einer Sonderrubrik wie „Anzeige“ angezeigt wird und in der Werbeanzeige das geschützte Kennzeichen selbst nicht verwendet wird. (Keyword Advertising) BGH vom 21.1.2009 GRUR 2009, 498 = WRP 2009, 451 = MMR 2009, 326 mit Anm. Hoeren = K&R 2009, 262 = MarkenR 2009, 213 – Bananabay Die Anmeldung eines mit einer fremden Marke identisches Zeichen durch einen Dritten, als Schlüsselwort bei Suchmaschinenbetreibern, ohne Zustimmung des Markeninhabers, damit bei Eingabe des mit der Marke identischen Zeichens als Suchwort in der Suchmaschine ein absatzfördernder Link zur Website des Dritten, der als Werbung für identische Waren und Dienstleistungen in einem von der Trefferliste räumlich abgetrennten „Anzeigen“ Werbeblog erscheint und weder das Zeichen selbst, noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber und dessen Produkte enthält, kann mit dem Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a MarkenRL unvereinbar sein, dies hat der EuGH durch die Auslegung der MarkenRL in einer Vorabentscheidung zu treffen. (Bananabay) BGH vom 4.12.2008 CR 2009, 753, WRP 2009, 967 = MMR 2009, 538 = K&R 2009, 467 Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internet-Pattform im geschäftlichen Verkehr oder im Privaten Bereich handelt, ist aufgrund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Die Werbung „a la Cartier“ in einem Verkaufsangebot für Schmuckstücke von Drittunternehmen ist eine unlautere vergleichende Werbung. (Ohrclips; vergleichende Werbung) BGH vom 11.9.2008 NJW 2009, 1504 = CR 2009, 175 = GRUR 2009, 173 = WRP 2009, 177 = MDR 2009, 459 = MMR 2009, 108 = K&R 2009, 110 Verkauft ein Erwerber den gekauften Gegenstand vertragswidrig weiter, steht dem Verkäufer kein vertraglicher Anspruch auf Unterlassung möglicher weiterer Verstöße nach zukünftigen, noch nicht erfolgten Vertragsabschlüssen zu. Wer gegenüber einem Anbieter, der sein Produkt ausschließlich selbst vermarktet und sei-
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Rechtsprechungsübersicht nen Abnehmern den gewerblichen Weiterverkauf verbietet, seine Wiederverkäufereigenschaft verschweigt handelt nicht nur vertrags-, sondern unter dem Gesichtspunkt des Schleichbetrugs auch wettbewerbswidrig nach §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Wer in Anzeigen gegenüber der Allgemeinheit seine Bereitschaft bekundet, Eintrittskarten zu Sportveranstaltungen anzukaufen, verleitet damit in der Regel nicht zum Vertragsbruch, auch wenn er weiß, dass potentiellen Verkäufern der Weiterverkauf der Karten nach den Geschäftsbedingungen der Veranstalter untersagt ist. (bundesligakarten.de) BGH vom 17.7.2008 NJW 2008, 2997 = CR 2008, 708 = GRUR 2008, 923 mit Anm. Köhler = WRP 2008, 1328 = MMR 2008, 661 mit Anm. Schulze zu Wiesche = K&R 2008, 603 mit Anm. Wäßle § 7 Abs. 2 UWG erfasst als Werbung grundsätzlich auch Nachfragehandlungen. Veröffentlicht ein Unternehmen die Nummer seines Telefaxanschlusses in allgemein zugänglichen Verzeichnissen, so erklärt es damit sein konkludentes Einverständnis, dass potentielle Kunden den Anschluss bestimmungsgemäß insbesondere für Kaufanfragen nutzen, die sich auf die übliche Verkaufstätigkeit des Unternehmens beziehen. (Telefax-Werbung; unmittelbare Belästigung; Einverständnis) BGH vom 17.7.2008 NJW 2008, 2999 = CR 2008, 718 = GRUR 2008, 925 = WRP 2008, 1330 = MDR 2008, 1288 = MMR 2008, 662 = K&R 2008, 600 Gibt ein Sportverein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins auf seiner Website einer E-Mail-Adresse an, so liegt darin keine konkludente Einwilligung, gewerblichen Anfragen nach Dienstleistungen des Vereins mittels E-Mail zu empfangen. (E-Mail-Werbung; Einverständnis) BGH vom 16.7.2008 NJW 2008, 3055 = CR 2008, 720 = GRUR 2008, 1010 = WRP 2009, 56 = MMR 2008, 731 = BB 2008, 2426 mit Anm. Schirmbacher – Payback In Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der Betreiber eines Kundenbindungsund Rabattsystems für Verträge mit Verbrauchern über die Teilnahme an dem System verwendet, hält eine Klausel, bei der der Kunde sich einverstanden erklärt, dass die Daten die er angegeben hat für an ihn gerichtete Werbung gespeichert und genutzt werden können, wenn er seine Einwilligung durch Ankreuzen eines Kästchens verweigert, der Kontrolle aus § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, falls sie die Zusendung von Werbung per SMS oder E-Mail-Newsletter betrifft. (Opt-out; E-Mail/SMS-Werbung; Einwilligung) BGH vom 26.6.2008 GRUR 2008, 917 = NJW-RR 2009, 114 = WRP 2008, 1319 = MDR 2008, 1350 Ist die Absicht, die mit Eintragung eines Zeichens entstehende Sperrwirkung zweckwidrig als Mittel des Wettbewerbskampfes gegen einen Mitbewerber ein-
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F. Wettbewerbsrecht zusetzen, zwar ein wesentlicher Beweggrund für die Anmeldung einer Marke, will der Anmelder die Marke aber auch für eigene Waren benutzen, ist aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob in der Anmeldung der Marke eine wettbewerbswidrige Behinderung liegt. (Markenanmeldung; Behinderung) BGH vom 5.6.2008 WRP 2008, 1175 Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der eine Geschäftspraktik, bei der die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, grundsätzlich unzulässig ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die Werbemaßnahme im Einzelfall Verbraucherinteressen beeinträchtigt? (Millionen-Chance) BGH vom 29.5.2008 NJW 2008, 3711 = CR 2008, 797 = GRUR 2008, 1121 = MDR 2008, 1415 = MMR 2009, 115 = K&R 2008, 742 Bei einem Wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtfolge in dem Verbot der bestimmten als rechtswidrig angegriffenen Verhaltensweise, die der Kläger in seinem Antrag und seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat; es kommt nicht darauf an, ob sich in anderer Weise ein wettbewerbswidriges Verhalten aus einer mit der Klage zum Beweis der beanstandeten Verletzungshandlung vorgelegten Anlage – wie einer E-Mail oder einem mehrseitigen Werbeprospekt – ergeben kann. (E-Mail-Werbung; Produktempfehlung) BGH vom 14.2.2008 ZUM 2008, 594 Werden durch private Sportwettveranstaltungen im Internet die Tatbestände von § 284 StGB erfüllt, so ist dieser dennoch nicht anwendbar, wenn die Regelung über die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen gegen nationales Verfassungsrecht und gegen Gesellschaftsrecht verstoßen. Daher fehlt es in einem solchen Fall auch an einer unlauteren Wettbewerbshandlung im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. (Sportwetten; Marktverhaltensregelungen) BGH vom 10.1.2008 NJW 2008, 2509 = GRUR 2008, 724 = WRP 2008, 1069 = MDR 2008, 1114 Kann ein Verbraucher aufgrund einer Werbung noch nicht ohne weiteres – etwa mittels einer angegebenen Rufnummer oder einer beigefügten Teilnahmekarte – an einem Gewinnspiel teilnehmen, reicht es aus, ihm unter Berücksichtigung der räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des verwendeten Werbemediums diejenigen Informationen zu geben, für die bei ihm nach den Besonderheiten eines Einzelfalls schon zum Zeitpunkt der Werbung ein aktuelles Aufklärungsbedürfnis
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Rechtsprechungsübersicht besteht. Bei einer Anzeigenwerbung für ein Gewinnspiel, das aus Verbrauchersicht keine unerwarteten Teilnahmebeschränkungen aufweißt, reicht es grundsätzlich aus, wenn mitgeteilt wird, bis wann wie teilgenommen werden kann und wie die Gewinner ermittelt werden; gegebenenfalls ist auf besondere Beschränkung des Teilnehmerkreises wie den Ausschluss Minderjähriger hinzuweisen. (Gewinnspiel-Werbung; Teilnahmebedingungen) BGH vom 6.12.2007 WRP 2008, 930 = MDR 2008, 1055 = GRUR 2008, 628 Verwendet ein Dritter für seine Produkte Bezeichnungen, in denen der Inhaber einer bekannten Marke eine Darstellung der so bezeichneten Produkte als Imitation oder Nachahmung der unter seiner bekannten Marke vertriebenen Waren sieht, so ist die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche wegen einer unzulässigen vergleichenden Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG nicht wegen eines Vorrangs markenrechtlicher Ansprüche nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ausgeschlossen. (Imitationswerbung) BGH vom 18.10.2007 WRP 2008, 771 = MMR 2008, 400 = BGH-Report 2008, Heft 14 mit Anm. Härting Wer ein unzureichendes Altersverifikationssystem vertreibt, das für pornographische Angebote im Internet bestimmt ist, haftet wettbewerbsrechtlich als Teilnehmer für Verstöße gg. § 4 Abs. 2 JMStV, die seine Abnehmer mit der Verwendung des Systems für entsprechende Angebote begehen, wenn ihm bekannt ist, dass die jugendschutzrechtliche Unbedenklichkeit des Systems ungeklärt ist. (Altersverifikationssystem; ueber18.de) BGH vom 4.10.2007 NJW 2008, 1384 = CR 2008, 108 = MMR 2008, 39 mit Anm. Hoffmann = K&R 2008, 34 = BB 2008, 74 mit Anm. Hullen Ein Unterlassungsantrag, der auf das Verbot gerichtet ist, Artikel des Sortiments ohne den eindeutig zuzuordnenden und leicht erkennbaren Hinweis darauf zu bewerben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe zusätzlich Liefer- und Versandkosten anfallen und ob die Preise einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile gelten, ist grundsätzlich unbestimmt, weil er ohne konkrete Bezeichnung einer zu verbietenden Verletzungsform lediglich auf die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 6 PAngV Bezug nimmt. Gegen die Preisangabenverordnung wird bei Internetangeboten nicht bereits dann verstoßen, wenn auf einer Internetseite neben der Abbildung einer Ware nur deren Preis genannt wird und nicht schon auf derselben Internetseite darauf hingewiesen wird, dass der Preis die Umsatzsteuer enthält und zusätzlich zu dem Preis Lieferund Versandkosten anfallen. (Informationspflichten; Versandkosten)
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F. Wettbewerbsrecht BGH vom 4.10.2007 NJW 2008, 1595 = CR 2008, 446 mit Anm. Schirmbacher = K&R 2008, 372 Wer im Fernabsatz für Waren oder Leistungen unter Angabe von Preisen wirbt, muss darauf hinweisen, dass der geforderte Preis die Umsatzsteuer enthält. (Umsatzsteuerhinweis, Preisangabe) BGH vom 20.9.2007 MMR 2008, 164 = WRP 2008, 224 Ein unaufgeforderter Anruf bei einem Gewerbetreibenden zu Werbezwecken kann als eine wettbewerbswidrige unzumutbare Belästigung zu beurteilen sein, wenn der Anrufer zuvor nicht annehmen durfte, der Anzurufende werde mit dem Anruf, so wie er geplant war, einverstanden sein. Der kostenlose Eintrag eines Gewerbetreibenden im Verzeichnis einer Internetsuchmaschine, die nur eine unter einer Vielzahl gleichartiger Suchmaschinen ist, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, der Gewerbetreibende werde mit einem Anruf zur Überprüfung des über ihn eingespeicherten Datenbestandes einverstanden sein, wenn der telefonische Weg gewählt wurde, um zugleich das Angebot einer entgeltlichen Leistung zu unterbreiten. (Suchmaschineneintrag; Telefonwerbung; unzumutbare Belästigung) BGH vom 8.2.2007 CR 2007, 589 = NJW-RR 2007, 1262 = MMR 2007, 648 = K&R 2007, 474 Verwendet ein Händler zu Werbezwecken eine fremde Marke als Metatag im HTML-Code oder in „Weiß-auf-Weiß-Schrift“, kann er sich nur dann auf die Erschöpfung der Rechte aus der Marke berufen, wenn sich die Werbung auf konkrete Originalprodukte dieser Marke bezieht. (AIDOL; Markenrechtserschöpfung) BGH vom 20.7.2006 WRP 2006, 1507 Die Angabe einer Anbieterkennzeichnung bei einem Internetauftritt, die über zwei Links erreichbar ist (hier: die Links „Kontakt“ und „Impressum“), kann den Voraussetzungen entsprechen, die an eine leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit im Sinne von § 6 TDG und § 10 Abs. 2 MDStV zu stellen sind (Anbieterkennzeichnung; Links) BGH vom 1.6.2006 NJW 2006, 3781 mit Anm. Ernst = MMR 2007, 46 = K&R 2007, 42 Der Umstand, dass Telefaxsendungen immer häufiger unmittelbar auf einen PC geleitet und nicht mit einem herkömmlichen Faxgerät ausgedruckt werden, ändert nichts daran, dass eine per Telefax unaufgefordert übermittelte Werbung auch gegenüber Gewerbetreibenden grundsätzlich als wettbewerbswidrig anzusehen ist. (Telefax-Werbung II)
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Rechtsprechungsübersicht BGH vom 18.5.2006 NJW 2007, 153 = CR 2007, 103 = MMR 2006, 812 Im geschäftlichen Verkehr stellt die Verwendung eines fremden Kennzeichens als verstecktes Suchwort (Metatag) eine kennzeichenmäßige Benutzung dar. Wird das fremde Zeichen dazu eingesetzt, den Nutzer zu einer Internetseite des Verwenders zu führen, weist es – auch wenn es für den Nutzer nicht wahrnehmbar ist – auf das dort werbende Unternehmen und sein Angebot hin. Eine Verwechslungsgefahr kann sich in diesem Fall – je nach Branchennähe – bereits daraus ergeben, dass sich unter den Treffern ein Hinweis auf eine Internetseite des Verwenders findet, nachdem das fremde Zeichen als Suchwort in eine Suchmaschine eingegeben worden ist. (Impuls; kennzeichenmäßige Benutzung eines fremden Zeichens bei dessen Verwendung als Metatag) BGH vom 30.3.2006 NJW 2006, 2631= CR 2006, 539 = MMR 2006, 461 mit Anm. Hoeren Der Werbende kann das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet durch einen sog. Disclaimer einschränken, in dem er ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern. Um wirksam zu sein, muss ein Disclaimer eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen sein und vom Werbenden auch tatsächlich beachtet werden. (Arzneimittelwerbung im Internet; Einschränkung durch Disclaimer) BGH vom 7.4.2005 NJW 2005, 2229 = CR 2005, 591 = MMR 2005, 531 = K&R 2005, 373 Der von der Werbung eines Internet-Versandhauses angesprochene Durchschnittsverbraucher erwartet in der Regel, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, wenn nicht auf das Bestehen einer abweichenden Lieferfrist unmissverständlich hingewiesen wird. (Internet-Versandhandel) BGH vom 27.1.2005 NJW 2005, 1644 Ist in einer Werbung für eine Rechtsanwaltskanzlei die Angabe über eine „optimale Vertretung“ eingebettet in eine Reihe von Sachangaben, kann nach dem Kontext der gesamten Werbeaussage ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot nach § 43 b BRAO, § 6 BORA zu verneinen sein. (Anwaltswerbung; Optimale Interessenvertretung) BGH vom 22.12.2004 NJW 2005, 1045 Dem Käufer, der dem Verkäufer einen gewerblichen Verwendungszweck der Kaufsache vortäuscht, ist die Berufung auf die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) verwehrt. (Verbrauchereigenschaft; Täuschung)
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F. Wettbewerbsrecht BGH vom 16.12.2004 CR 2005, 357 Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung im Internet irreführende Angaben enthält, ist wie auch sonst auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Die besonderen Umstände der Werbung im Internet wie insbesondere der Umstand, dass der interessierte Internet-Nutzer die benötigten Informationen selbst nachfragen muss, sind bei der Bestimmung des Grades der Aufmerksamkeit zu berücksichtigen. Ob mehrere Angaben auf verschiedenen Seiten eines Internet-Auftritts eines werbenden Unternehmens von den angesprochenen Verkehrskreisen als für den maßgeblichen Gesamteindruck der Werbung zusammengehörig aufgefasst werden, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. (Epson-Tinte; wettbewerbswidrige Internetwerbung) BGH vom 17.6.2004 MMR 2004, 606 Zu den Voraussetzungen, unter denen Allein- und Spitzenstellungsberühmungen eines Online-Dienstes irreführend sind. (irreführende Werbung) BGH vom 1.4.2004 NJW 2004, 2158 = CR 2004, 613 mit Anm. Dietlein = MMR 2004, 529 = WRP 2004, 899 Ein Link zu einem wettbewerbswidrigen Angebot eines Dritten ist jedenfalls dann nicht unlauter, wenn die Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, nicht feststeht. Bei einem Presseunternehmen besteht in dieser Hinsicht keine Vermutung. (Schöner Wetten) BGH vom 11.3.2004 NJW 2004, 1655 = CR 2004, 445 = MMR 2004, 386 = K&R 2004, 290 Die Zusendung einer unverlangten E-Mail zu Werbezwecken verstößt grundsätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb, falls nicht ein Einverständnis vorliegt oder ein solches aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände vermutet werden kann. Ein die Wettbewerbswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Empfängers der E-Mail hat der Werbende darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Werbende hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu einer fehlerhaften Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken aufgrund des Schreibversehens eines Dritten kommt. (unaufgeforderte Werbung per E-Mail) BGH vom 13.11.2003 CR 2004, 290 mit Anm. Leible/Sosnitza = WRP 2004, 345 Die Durchführung einer umgekehrten Versteigerung von Gebrauchtfahrzeugen im Internet verstößt jedenfalls dann nicht gegen §§ 1, 7 Abs. 1 UWG a.F., wenn sich der Sieger der Auktion nach Abschluss der Veranstaltung ohne finanzielle Nach-
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Rechtsprechungsübersicht teile erkennbar frei entscheiden kann, ob er das ersteigerte Fahrzeug zu dem erzielten Preis erwerben will. Die mit der Auktion verbundenen aleatorischen Reize führen nicht zur Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG a.F. (umgekehrte Versteigerung im Internet) BGH vom 9.10.2003 WRP 2004, 221 Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Arzt-Websites ist zu berücksichtigen, dass diese niemandem unverlangt als Werbung aufgedrängt werden. (Inhalt von Arztwerbung im Internet) BGH vom 17.7.2003 NJW 2003, 3406 = CR 2003, 920 mit Anm. Nolte = MMR 2003, 719 mit Anm. Wiebe = WRP 2003, 1341 = MDR 2004, 346 = BGH-Report 2003, 1294 mit Anm. Elßner Das Angebot eines Online-Pressespiegels, bei dem die vollständigen Artikel dergestalt dargestellt werden, dass sie als Deeplinks auf frei zugängliche Internetangebote von Online-Ausgaben von Tageszeitungen verweisen, verstößt nicht wegen unmittelbarer Leistungsübernahme gegen § 1 UWG a.F. (Paperboy) OLG Hamburg vom 2.6.2010 Az. 5 W 59/10 Auch ein Internethändler, der Motorenöle im Versandhandel vertreibt, muss private Endverbraucher gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO darauf hinweisen, dass das Altöl bei einer von ihm zu bezeichnenden Annahmestelle kostenlos zurückgegeben werden kann. (Hinweispflicht nach Altölverordnung) OLG Hamburg vom 25.3.2010 MMR 2010, 408 Beinhaltet eine blickfangmäßige Preisangabe nicht alle nach § 1 PAngV erforderlichen Informationen, können die fehlenden Angaben durch klare und unmissverständliche Sternchenhinweise erfolgen, wenn ihre Zuordnung zum Preis gewahrt bleibt. (Preisangaben; Sternchenhinweis) OLG Hamm vom 28.1.2010 MMR 2010, 330 Es ist fraglich, ob es für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 7 UWG überhaupt erforderlich ist, dass bestimmte Mitbewerber in einem herabsetzenden Ratgeber im Internet als Betroffene erkennbar gemacht werden. Ausreichend ist jedenfalls die Schilderung des Verhaltens eines bestimmten Konkurrenten. (Herabsetzung von Mitbewerbern)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Hamm vom 26.1.2010 Az. 4 U 141/09 Wird der Verbraucher mit einem Link, den er benutzen muss, um Näheres über das Angebot zu erfahren, zu dem aufklärenden Hinweis geführt, dass nur eine Bestellung zu dem beworbenen Preis erfolgen kann, ist nicht von einer Irreführung auszugehen, wenn die verknappte schlagwortartige Werbung in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit der klarstellenden Werbeaussage auf den Angebotsseiten steht, auf die der Verbraucher stets gelangt, wenn er sich näher auf das Angebot einlassen will. (Abgabemenge; Irreführung) OLG Hamm vom 10.12.2009 K&R 2010, 279 Der Grundpreis wurde vorliegend pro 100ml anstatt pro Liter angegeben. Der Verbraucher muss den angegebenen Grundpreis lediglich mit 10 multiplizieren, um zu dem von der Preisangabenverordnung eigentlich geforderten Grundpreis pro Liter zu kommen. Daher liegt nur ein Bagatellverstoß vor, denn solche einfachen Rechenoperationen sind dem Verbraucher zuzumuten. (Grundpreis; Literpreis) OLG München vom 10.12.2009 WRP 2010, 671 Das Setzen von Links, die zu Unterseiten mit werbenden Texten weiterleiten in einem Internetportal mit redaktionell gestalteten Onlineangeboten stellt eine Verschleierung i. S. des § 4 Nr. 3 UWG dar. (Schleichwerbung; Links) OLG Hamburg vom 26.11.2009 MDR 2010, 154 = ITRB 2010, 131 (Stadler) § 477 Abs. 1 BGB, der Anforderungen an Abfassung und Inhalt einer Garantieerklärung im Sinne des § 433 BGB enthält, ist jedenfalls auch dazu bestimmt, gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG im Interesse der Mitbewerber und Verbraucher das Marktverhalten zu regeln. Beinhaltet das im Rahmen der Internet-Auktions-Plattform Ebay abgegebene rechtsgeschäftlich bindende Verkaufsangebot eine unselbständige Garantie, so muss Abfassung und Inhalt des Verkaufsangebots § 477 BGB genügen. (Garantieerklärung; Internetauktion) OLG Karlsruhe vom 25.11.2009 CR 2010, 116 = WRP 2010, 412 = K&R 2010, 53 Selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, sind als ein mit EG-Recht vereinbarter Bestandteil des Wettbewerbs und damit nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sofern sich die Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wie-
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Rechtsprechungsübersicht derverkäufers und seines Personals und auf seine sachliche Ausstattung bezogen sind; sie müssen ferner einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden. Die Anwendung der genannten Grundsätze ist nicht auf den Vertrieb von Luxuswaren beschränkt, die eine „Aura des Exklusiven“ für sich beanspruchen. Sie gelten z.B. auch dann, wenn ein Hersteller von Markenartikeln diese unter Anknüpfung an objektive Produkteigenschaften als hochpreisige Spitzenprodukte positioniert und deshalb Anforderungen an die Wiederverkäufer stellt, die auf eine angemessene Präsentation der Sortimentstiefe, eine fachkundige Beratung und eine Pflege des Markenimage zielen. (Selektives Vertriebssystem; Internethandel; Ebay; Vertriebsausschluss) OLG Dresden vom 24.11.2009 MMR 2010, 465 Es wird nur dann i.S.v. § 5 EnVKV sichergestellt, dass den Interessenten vor Vertragsabschluss die dort genannten erforderlichen Angaben zur Kenntnis gelangen, wenn sämtliche Angaben im Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot erscheinen. Die Hinterlegung auf Unterseiten und ohne konkreten Bezug zu dem jeweiligen beworbenen Gerät genügt nicht. (Energieverbrauchskennzeichnungspflicht) OLG Düsseldorf vom 24.11.2009 MMR 2010, 100 = K&R 2010, 62 Der Geschäftsführer eines Betriebes hat diesen so zu organisieren, dass sichergestellt ist, dass Werbe-E-Mails lediglich an Personen verschickt werden, von denen eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Tut er das nicht, verletzt er seine wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten. Ist der Werbende Betrieb durch Kauf einer Adressdatenbank von einem Dritten an die Adressdaten gekommen, so hat er nachzuprüfen ob eine Einwilligung tatsächlich vorlag. Eine Überprüfung ist ohne weiteres möglich, besonders im Hinblick darauf, dass die Einwilligung ausdrücklich erfolgt sein muss, was regelmäßig auf irgendeine Weise dokumentiert bzw. anderweitig nachvollziehbar sein dürfte. (E-Mail Werbung; Adressdatenbanken; wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht) Kammergericht vom 18.9.2009 WRP 2010, 164 (Ls.) Bei Tests und Gewinnspielen im Internet, bei denen der Nutzer seine persönlichen Daten preiszugeben hat, müssen Kosten die anfallen deutlich kenntlich gemacht werden. Sie sind für Verbraucher nicht deutlich Wahrnehmbar, wenn sie erst am Ende der Seite angegeben sind und man zu ihnen herunterscrollen muss. (Abo-Fallen; Preisangaben) OLG Köln vom 18.9.2009 ITRB 2010, 159 (Engels) Nicht ausreichend ist es, wenn Pflichtangaben über einen Hyperlink zu erreichen sind, der sich am unteren Ende der Seite nicht eindeutig hervorgehoben neben anderen Links befindet. (Pflichtangaben, Link)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Brandenburg vom 17.9.2009 WRP 2009, 1420 Fehlt im Impressum einer Internetpräsentation die vollständige Firma der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG und der Geschäftsführer dieser Firma, so ist ein Mitbewerber nicht spürbar beeinträchtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass das Verbraucherverhalten durch das Fehlen der Angaben im besonderen Maße beeinflusst wird. (Impressumspflicht; fehlende Angaben) OLG Stuttgart vom 20.8.2009 WRP 2009, 1580 Ein überwiegender, jedenfalls aber wettbewerbsrechtlich nicht zu vernachlässigender Teil des maßgeblichen Verkehrs wird bei einem Internetshop, der die Aussage „Ihre 24 h Internet Tierapotheke“ enthält, annehmen, es mit einer zugelassenen Apotheke zu tun zu haben, die Arzneimittel für den Veterinärbereich vertreiben dürfe. Eine solche Werbung ist daher irreführend i.S.d. § 5 UWG, wenn der Inhaber nicht über eine solche Zulassung verfügt. (irreführende Werbung; Tierapotheke ) OLG Hamm vom 13.8.2009 MMR 2010, 28 Wird für ein bestimmtes Angebot im Internet geworben, so ist mit dem Garantiehinweis gleichzeitig eine Erklärung zu dessen Bedienung und Wirkung abzugeben. (Werbung; Garantieerklärung) Kammergericht vom 11.8.2009 MMR 2010, 799 (Ls.) Die werbende Bezeichnung maßkonfektionierter Bekleidung als „Maßhemd“ bei über das Internet zu beziehenden Angeboten ist jedenfalls dann nicht irreführend, wenn der Verbraucher unter diversen Stoffen, Schnitten, Farbkombinationen usw. wählen und er weiterhin eine Vielzahl seiner individuellen Körpergröße (Halsumfang, Brustumfang, Bauchumfang usw.) vorgeben kann. Die werbende Bezeichnung derart maßkonfektionierter Bekleidung als „maßgeschneiderte Hemden“ ist hingegen irreführend. (irreführende Werbung) OLG Hamm vom 4.8.2009 MMR 2009, 29 = K&R 2009, 814 Hat der Betreiber einer Internetseite auf seiner Seite eine Verweis mit „Rechtlichen Informationen des Verkäufers“ und befindet sich das Impressum dort nicht, sonder in einer „Mich-Seite“, so sind Klarheit und Verständlichkeit der Informationen im Sinne des § 5 TMG nicht gegeben. (Impressum; Inhalt; Mich-Seite)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamburg vom 29.7.2009 Az. 5 U 43/08 Bei vorformulierten Einverständniserklärungen in die Zusendung von Werbung im Rahmen von Internet-Angeboten handelt es sich um Vertragsklauseln, auf die die für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Rechtsgrundsätze der §§ 305 ff BGB entsprechend anzuwenden sind. (E-Mail-Werbung; Einverständnis; AGB) OLG Hamm vom 2.7.2009 MMR 2009, 850 Auch wenn noch keine verbindliche Vertragserklärung durch den Verbraucher abgeben wurde müssen Versandkosten vor Einleitung des Bestellvorgangs angegeben werden. Werden bei Möbel die Versandkosten nur pro Kubikmeter angegeben, so liegt darin keine ausreichende Versandkostenangabe. (Versandkosten; Angabe in Kubikmetern) OLG München vom 2.7.2009 CR 2009, 810 = MMR 2010, 35 = K&R 2009, 729 = GRUR-RR 2009, 394 Untersagt ein Unternehmen seinen Händlerkunden den Weitervertrieb seiner Waren über Internet-Auktionsplattformen, so liegt darin keine Beschränkung des Kundenkreises i.S.d. Art. 4 lit. b) der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung. (Vertriebsverbot; Internetauktionsplattform) OLG Hamm vom 18.6.2009 CR 2010, 196 = MMR 2010, 36 Macht sich ein Suchmaschinenoptimierer Verfahren zu Nutze, die nicht mehr als Suchmaschinenoptimierung, sonder eher als Suchmaschinenmanipulation angesehen werden können zu Nutze, so ist darin eine gezielte Behinderung der Mitbewerber zu sehen. (Suchmaschinenoptimierung; Suchmaschinenmanipulation) OLG Koblenz vom 17.6.2009 MMR 2010, 38 = K&R 2009, 812 Wird eine bereits widerrufene Ware an einen Verbraucher versendet, liegt darin eine unlautere Wettbewerbshandlung. (Warenübersendung; Widerrufserklärung) OLG Hamm vom 16.6.2009 K&R 2009, 813 Es reicht auf einer Handy-Internetseite nicht aus den User mit der Begründung von technischen Kapazitäten darauf hinzuweisen, dass er bestimmte Informationen, zu denen der Portalbetreiber verpflichtet ist, auf einer normalen Internetseite findet, um der Informationspflicht nachgekommen zu sein. (Preisangaben; M-Commerce)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Köln vom 5.6.2009 CR 2009, 576 = K&R 2009, 588 Werden Internetnutzern im Rahmen einer Mitgliedschaft einer Internetgemeinschaft die Möglichkeiten eingeräumt, den Breitbandinternetzugang eines Dritten, der auch Mitglied in der Gemeinschaft ist, zu nutzen, ist dies wettbewerbswidrig, besonders wenn der Dritte Kunde eines Mitglieds der Gemeinschaft ist. (Access-Providing-Vertrag; Internetgemeinschaft) OLG Hamm vom 4.6.2009 NJW-RR 2010, 344 = MMR 2009, 861 = GRUR-RR 2010, 36 Erweckt eine Anzeige im Internet aufgrund ihrer verkürzten Darstellung eine zunächst „irreführende“ Vorstellung, so kann eine nachträgliche Aufklärung erfolgen, wenn der Nutzer durch die Anzeige auf die Homepage des Werbenden geführt wird, auf der sofort ein Hinweis mit entkräftende Wirkung befindet. Wer mit „beste Preise“ wirbt, meint damit „sehr gute Preise“. (Irreführende Werbung; Lieferung innerhalb 24 Stunden; „beste Preise“) OLG Frankfurt a.M. vom 4.6.2009 MMR 2009, 577 (Ls.) Das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet ist mit dem verfassungsrecht und dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Wer über das Internet die Möglichkeit anbietet oder verschafft, Sportwetten zu festen Gewinnquoten einzugehen, verstößt gegen § 4 Abs. 4 GlüStV und handelt auch noch wettbewerbswidrig (§ 4 Nr. 11 UWG). (Glücksspiel; Markenverletzungsregelung; § 4 Abs. 4 GlüStV) OLG Köln vom 3.6.2009 MMR 2010, 103 Fehlt in einer Neufahrzeugwerbung auf einer Internetplattform der nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Pkw-EnVKV i.V.m. Abschnitt II Nr. 1 der Anl. 4 vorgeschriebene Hinweis auf den „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen“, sind die Interessen der Verbraucher im Regelfall spürbar beeinträchtigt. (Internetwerbung; Beeinträchtigung des Verbrauchers; Pkw-EnVKV) OLG Hamburg vom 28.5.2009 CR 2009, 609 = MMR 2010, 178 Bietet ein Luftfahrtunternehmen ein internetgestütztes Flugbuchungssystem an, dessen Nutzung zum Zweck des kommerziellen Weiterverkaufs gebuchter Flüge es nicht gestattet, so stellt die Vornahme von kommerziellen Buchungen zwecks Weiterverkaufs in Kenntnis des entgegenstehenden Willens des Luftfahrtunternehmens eine unlautere Mitbewerberbehinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG in der Form des Schleichbezugs dar. Die von § 21 Abs. 2 S. 3 LuftVG den Luftfahrtunternehmen im Linienflugverkehr auferlegte Verpflichtung, mit jedermann Beförderungsverträge abzuschließen und zu befördern, beinhaltet einen Kontrahierungszwang lediglich hinsichtlich solcher Verträge, die die Beförderung der anderen vertragsschließenden Partei zum Gegenstand haben, nicht aber hinsichtlich
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Rechtsprechungsübersicht solcher Beförderungsverträge, die ein Pauschalreiseveranstalter zugunsten Dritter abzuschließen beabsichtigt. (Screen Scraping; unlautere Behinderung; Schleichbezug) OLG Hamm vom 14.5.2009 MMR 2009, 769 Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen unerlaubter E-Mail-Werbung, die nur für einen bestimmten Personenkreis abgegeben wurde, beseitigt keine Wiederholungsgefahr für nicht in diesem Kreis erfassten Personen. (E-Mail-Werbung; Wiederholungsgefahr; Unterlassungserklärung) OLG Köln vom 29.4.2009 MMR 2009, 470 = WRP 2009, 1416 AGB sind auch Teilnahmebedingungen an Gewinnspielen und Felder die der Nutzer anklicken muss, welches die Einwilligung in Werbung betrifft. Klauseln in AGB durch die man in den Erhalt von Werbung jeder Art einwilligt, halten einer AGB-Kontrolle nicht stand. (E-Mail-Werbung; Einwilligung; AGB) OLG Hamburg vom 16.4.2009 CR 2009, 526 = MMR 2009, 770 Der Vertreib einer Software, die es ermöglicht, in einem automatisierten Verfahren in sehr kurzen Zeitabständen Suchanfragen bei mehreren Online-Automobilbörsen gleichzeitig durchzuführen, und die dort Daten über die gefundenen Fahrzeuge entnimmt und dem Nutzer anzeigt, sodass dieser nicht mehr die Internetseiten der Onlineauktionsbörse aufsuchen muss, verletzt nicht das Datenbankherstellerrecht des Betreibers der Online-Automobilbörse. Der Betreiber der Online-Automobilbörse kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG die Unterlassung des Vertriebs der Software beanspruchen. Insbesondere stellt es keine gezielte Behinderung, sondern nur eine indirekte Folge des Vertriebs der Software dar, wenn es durch ihren Einsatz zu einem erhöhten Datenverkehr kommt und damit die technische Funktionsfähigkeit der Online-Automobilbörse beeinträchtigt werden kann. (Datenbank; Vervielfältigung; gezielte Behinderung; erhöhter Datenverkehr) OLG Hamburg vom 8.4.2009 WRP 2009, 1305 = MMR 2010, 185 Eine blickfangmäßig hervorgehobene Aussage „100 SMS gratis“ ist ausschließlich für das Anlocken des Kunden auf eine Anmeldeseite ursächlich, nicht jedoch auf den daraufhin erfolgten Vertragsschluss, wenn der Verbraucher vor Absenden der Registrierung über den bevorstehenden Vertragsschluss ausreichend aufgeklärt worden ist. (Gratis-SMS; Irreführung; Blickfang)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Hamm vom 2.4.2009 MMR 2009, 552 = K&R 2009, 504 Das Fehlen der Angabe des Handelsregisters und der Registernummer im Impressum einer Internethändlers kann seit Inkrafttreten der UGP-RL nicht mehr als wettbewerbsrechtliche Bagatelle angesehen werde. Für die Ust.-ID-Nummer oder die Wirtschafts-ID-Nummer gilt dasselbe, auch wenn dadurch keine nennenswertern oder ersichtlichen wettbewerblichen Vorteile resultieren. (Impressumspflicht; Wettbewerbsverstoß; Handelsregister; Ust.-ID-Nr.) OLG Frankfurt a.M. vom 26.3.2009 MMR 2009, 553 Für eine Irreführung (§ 5 UWG) kann ausnahmsweise auch die Täuschung eines eher geringen Teils des angesprochenen Verkehrs ausreichen, wenn nach den Gesamtumständen die Werbung gezielt auf eine solche Täuschung angelegt ist und schützenswerte Interessen des Unternehmens, in dieser Weise werben zu dürfen, nicht ersichtlich, weil die Werbeadressaten, die das Angebot richtig verstehen, eine Inanspruchnahme der angebotenen Leistung nicht ernsthaft in Betracht ziehen werden. Wird das mit dem Unterlassungsantrag begehrte Verbot der konkreten Verletzungshandlung auf mehrere darin verwirklichte Wettbewerbsverstöße geschützt, haben die Klage oder der Eilantrag schon dann in vollem Umfang Erfolg, wenn die Verletzungshandlung nur einen der gerügten Wettbewerbsverstöße enthält. (Irreführung; Vermarktungsformular als Werbung) OLG Koblenz vom 18.3.2009 MMR 2009, 475 = K&R 2009, 502 Eine Werbung die dem Kunden vorspiegelt, er erhalte ein kostenloses Geschenk, obwohl er nur ein kostenlosen Probeabo erhält, welches sich nach nicht rechtzeitiger Kündigung verlängert ist irreführend und verstößt gegen das UWG. (Blickfangwerbung; Preisangaben; PAngV) OLG Hamm vom 17.3.2009 K&R 2009, 500 Ein Versandhandel kann nicht damit werben, dass er eine Lieferung versichere, wenn er die Ware tatsächlich gar nicht liefern kann. Daher ist eine Werbung mit „Lieferung nach Nachfrage“ irreführend. Der Händler muss dem Kunden immer genau informieren, wann der Kunde mit der Lieferung rechnen kann. (irreführende Werbung; Lieferzeit auf Nachfrage) OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2009 CR 2009, 390 = K&R 2009, 343 Die durch das Flugunternehmen aufgestellte pauschale Behauptung, die Vermittlung von Flugtickets im Wege des Screen-Scrapings sei rechtswidrig, stellt daher ebenso eine wettbewerbswidrige Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) dar wie die Ankündigung, auf diese Weise erworbene Flugtickets zu stornieren, und die Stornierung solcher Flugtickets. (Screen-Scraping; Behinderung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Bremen vom 5.3.2009 MMR 2009, 701 Das in § 4 Abs. 4 GlückStV festgeschriebene Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele gilt auch für das Internet. Es könnte allerdings der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG entgegenstehen. (Glücksspiel; Dienstleistungsfreiheit) OLG Hamburg vom 4.3.2009 CR 2009, 437 = MMR 2009, 557 = K&R 2009, 414 Die Verwendung einer vorformulierten Klausel, mit der die Einwilligung des Verbrauchers in Werbeanrufe eingeholt wird, ist grundsätzlich zulässig. Die Verwendung einer Klausel auf der Teilnehmerkarte für einer Zeitschrift beigefügtes Gewinnspiel, welche sich unter der Rubrik „Telefonnr.“ befindet und lautet: „zur Gewinnbenachrichtigung und für weitere interessante telefonische Angebote der Z GmbH, freiwillige Angabe, das Einverständnis kann jederzeit widerrufen werden“ verstößt gegen die § 3,4 Nr. 11, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie inhaltlich über den erkennbaren Zweck eines derartigen Gewinnspiels hinaus geht. (Telefonwerbung; Einwilligung; Gewinnspiel; AGB) OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2009 MMR 2009, 401 In der Verwendung einer fremden Marke als Metatag liegt dann keine markenmäßige Benutzung, wenn sich bereits aus einem Kurzhinweis in der nach Eingabe des Suchworts erscheinenden Trefferliste ergibt, dass der Begriff nicht auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen hinweisen soll. (Metatags; Trefferliste) Kammergericht vom 27.2.2009 NJW-RR 2009, 1344 = MMR 2009, 773 = GRUR-RR 2009, 316 Es liegt eine Irreführung vor, wenn eine Konzertagentur auf ihrer Internetseite für Karten von Konzerten einer anderen Veranstalterin der Ticketpreis mit zusätzlichen Buchungsgebühren angegeben ist. (Ticketverkauf im Internet; Bearbeitungsgebühr) OLG Hamm vom 29.1.2009 MMR 2009, 774 Werden in einem Onlineangebot unter „Modellbezeichnung“ zahlreiche fremde Markenbezeichnungen aufgeführt, zugleich aber der richtige Hersteller ausdrücklich angegeben, so liegt weder eine irreführende Werbung noch eine Rufausbeutung vor. (Modellbezeichnung; irreführende Werbung; Rufausbeutung)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Braunschweig vom 16.12.2008 CR 2009, 334 Wer bei Google ein generisches Wort als Keyword im Rahmen der AdWords-Werbung durch die Option „weitgehend passende Keywords“ erweitert, ist Täter einer Markenrechtsverletzung, weil eine Verwechslungsgefahr für den Verbraucher schon dann gegeben ist, wenn dieser die Kurzhinweise der Trefferliste mit dem Angebot des Werbers verwechseln kann. (Keyword Advertising; Täter) OLG Köln vom 12.12.2008 MMR 2009, 267 = K&R 2009, 126 Eine „Werbung mit Telefonanrufen“ i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist zu bejahen, wenn sich ein Demoskopie-Institut telefonisch an Verbraucher wendet, um im Auftrag eines Unternehmens deren Zufriedenheit mit dessen Leistungen zu erfragen. (Telefon-Werbung; Meinungsforschung) OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2008 CR 2009, 253 = MMR 2009, 341 = K&R 2009, 197 Werden im Internet kostenpflichtige Angebote unterbreitet, bei denen der durchschnittlich verständige Internetnutzer wegen der Art dieses Angebots und wegen der weiteren Umstände seiner Präsentation mit einer Kostenpflichtigkeit nicht rechnet (sog. „Kostenfalle“), sind an den erforderlichen Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit (§ 1 Abs. 1 und Abs. 6 S. 2 PAngV; § 5 UWG) erhöhte Anforderungen zustellen. Der Verpflichtung zur hinreichenden Anbieterkennzeichnung (§ 5 TMG) wird nicht entsprochen, wenn der mit dem Begriff „Impressum“ gekennzeichnete Link nur in sehr kleiner Schrift und drucktechnisch nicht hervorgehoben am rechten unteren Ende der Homepage platziert ist. Zur Frage eines Wettbewerbsverstoßes durch Verwendung einer AGB Klausel, die den Verbraucher durch Auferlegung einer sachlich nicht gerechtfertigten Vorleistungspflicht unangemessen benachteiligt. (Abofallen; AGB; Impressum; PAngV) OLG Stuttgart vom 27.11.2008 NJW-RR 2009, 917 Wird ein Pkw mit Bezeichnungen wie „Neuwagen“, „Überführung Neuwagen“ und einem Kilometerstand von „0“ beworben gilt er als neu im Sinne von § 2 PkwEnVKV, unabhängig davon ob der Zustand wirklich der ist, der beschrieben wird. Er unterliegt deshalb der Kennzeichnungspflicht. (Neuwagenwerbung; Pflichtangabe) OLG Stuttgart vom 27.11.2008 NJW-RR 2009, 913 § 1 I Pkw-EnVKV verpflichtet auch den der für einen Pkw wirbt, dass er den Pkw ordnungsgemäß kennzeichnen muss, dabei kommt es nicht darauf an, ob er den Pkw auch verkauft oder nur für ihn wirbt. (Neuwagenwerbung; Pflichtangabe)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Düsseldorf vom 4.11.2008 MMR 2009, 266 = K&R 2009, 125 Wird die Impressumsseite eines Internetauftritts bearbeitet und ist sie während dieser Bearbeitung für eine kurze Zeit nicht aufrufbar, so liegt darin kein Verstoß gegen das Verfügbarkeitsgebot und ist auch nicht dazu geeignet andere Marktteilnehmer zu beeinträchtigen. Ist im Impressum der Vorname des Geschäftsführers nicht ausgeschrieben liegt darin ein relevanter Wettbewerbsverstoß. (Impressum; Vorname; Bagatellverstoß) OLG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008 CR 2009, 189 = MMR 2009, 194 = K&R 2009, 60 Der Betreiber eines Internetportals für kostenlose anonyme Kleinanzeigen hat aufgrund einer ihn treffenden wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht Vorkehrungen dafür zu treffen, dass gewerbliche Anbieter ihrer Verpflichtung zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift nachkommen. An die insoweit erforderlichen Maßnahmen sind jedoch keine allzu hohen Anforderung zu stellen; es kann ausreichen, dass die Anzeigenkunden vor Abgabe ihres Anzeigenauftrags in geeigneter Form über die Impressumspflicht belehrt, zur Preisgabe der Gewerblichkeit ihres Angebots bei der Anmeldung nachdrücklich angehalten und in diesem Fall zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift gezwungen werden. (Belehrung über Impressumspflichten; Kleinanzeigen-Portal) Kammergericht vom 26.9.2008 MMR 2009, 69 (Ls.) Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als Keyword für eine AdWord-Werbung in einer Suchmaschine ist in der Regel keine relevante Kennzeichenbenutzung, wenn bei der Eingabe des Kennzeichens in die Suchmaschine die Werbeanzeige deutlich getrennt von der Suchergebnisliste erscheint. Dies gilt umso mehr, wenn das Schlüsselwort ein Gattungsbegriff ist und die geringe Bekanntheit des Kennzeichens darauf schließen lässt, dass es an einer kennzeichenrechtlichen Rufausbeutung fehlt. (Keyword Advertising; Gattungsbegriff; Verwechslungsgefahr; Kennzeichenbenutzung) OLG Oldenburg vom 18.9.2008 CR 2009, 43 = GRUR-RR 2009, 67 Die Aufforderung, vor Begin der Urlaubszeit an den Mehrwochenschein zu denken, stellt eine gegen den GlüStV verstoßende Aufforderungswerbung dar. Lottowerbung ist im Internet verboten. (Internetwerbung; Glücksspiel) OLG München vom 11.9.2008 CR 2009, 111 = WRP 2008, 1471 = MMR 2009, 126 Ist für ein Unternehmen, das im Rahmen eines Affiliate-Programms im Internet werben will, klar erkennbar, dass Inhalte der für seine Werbung vorgesehenen Internetseiten dauerhaft und in erheblichem Ausmaß jugendgefährdend sind, so
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F. Wettbewerbsrecht trifft es eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, seine Werbung auf diesen Seiten zu verhindern. Kann sich das Unternehmen die gebotenen Einflussnahmemöglichkeiten auf die Affiliates nicht im Rahmen seines Werbevertrages verschaffen, so obliegt es ihm, die von ihm hervorgerufene Gefahr der Wettbewerbswidrigen Werbung durch Kündigung des Werbevertrags zu beseitigen. (Affiliate-Werbung; Jugendschutz) OLG Düsseldorf vom 9.9.2008 NJW 2009, 789 = GRUR-RR 2009, 71 Erweckt eine Kartenlegerin in der Werbung für ihre Dienste mit einer falschen Angabe die Vorstellung einer besonderen „Macht über die Karten“, kann die Relevanz der Irreführung nicht mit der Begründung verneint werden, ein „informierter und verständiger Verbraucher“ lasse sich in seiner Nachfrageentscheidung durch eine solche Vorstellung nicht beeinflussen. Vielmehr ist der Prüfung die Bereitschaft der angesprochenen Verkehrskreise zu Grunde zu legen, sich auf Unvernunft einzulassen. (Irreführung; verständiger Verbraucher und Verkehrskreis beim Kartenlegen) Kammergericht vom 9.9.2008 CR 2009, 113 = MMR 2009, 47 Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als Keyword für eine AdWord-Werbung in einer Suchmaschine ist in der Regel keine relevante Kennzeichenbenutzung, wenn bei der Eingabe des Kennzeichens in die Suchmaschine die Werbeanzeige deutlich getrennt von der Suchergebnisliste erscheint und sie als Anzeige bezeichnet ist. Jedenfalls fehlt es dann regelmäßig an einer Verwechselungsgefahr. Auch eine wettbewerbsrechtliche unlautere Rufausbeutung und ein unlauteres Abfangen von Kunden ist dann in der Regel zu verneinen. (Keyword Advertising; Verwechslungsgefahr; Kennzeichenbenutzung) OLG Stuttgart vom 26.8.2008 NJW 2008, 3071 = CR 2008, 711 = MDR 2008, 1383 = MMR 2008, 128 Der Basisvertrag, mit dem sich der Betreiber eines Call Centers gegenüber einem Auftraggeber verpflichtet, bei Dritten ohne deren Einwilligung Telefonwerbung zu betreiben ist nach § 134 BGB nichtig. Dem Betreiber des Call Centers stehen auch keine Ansprüche nach § 683 BGB oder § 812 BGB auf Aufwendungsersatz zu, namentlich im Hinblick darauf, dass er seine Telefonisten bezahlt hat. (Cold Calling; nichtiger Basisvertrag) Kammergericht vom 15.8.2008 CR 2008, 799 = MMR 344 = K&R 2008, 623 Es kann bei der Verwendung einer unzulässige AGB-Klausel für Ebay-Angebote an einer Wiederholungs- und Erstbegehungsgefahr fehlen, wenn die Klausel von Beginn an irrelevant für das Warensortiment des Klauselverwenders ist. (AGB; Wiederholungsgefahr; Begehungsgefahr; Ebay)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Frankfurt a.M. vom 4.7.2008 MMR 2009, 869 Die Verwendung unwirksamer AGB erfüllt stets den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG. (Wettbewerbsverstoß; unwirksame AGB) OLG Hamm vom 24.6.2008 MMR 2009, 435 (Ls.) = ZUM 2009, 159 Bei einer Urheberrechtsverletzung kann der Verletzer die Urheberschaft des Gläubigers nicht mit bloßem Nichtwissen bestreiten. Er muss – parallel zu seiner materiellrechtlichen Erkundigungspflicht – substantiiert darlegen, wen er für den Urheber hält, und die Gründe hierfür darlegen. Der Gläubiger kann nur den Verletzergewinn herausverlangen, der durch die Urheberrechtsverletzung erzielt worden ist. Dabei sind aber auch – bei fehlender Direktvermarktung des geschützten Werkes – mittelbare Gewinne herausgegeben, wenn der Verletzer das Werk als bloße Aufmerksamkeitswerbung für seine Produkte oder Dienstleistungen einsetzt. (fahrlässige Urheberrechtsverletzung; Verletzergewinn) OLG Hamburg vom 11.6.2008 Az.: 5 U 95/07 Bietet ein Internet-Dienstleister kostenlos und ohne Vorbedingungen einen Versicherungsvergleich an und bezeichnet er sich hierbei als „Ihr unabhängiger Versicherungsvergleich“ u.a. mit der Ankündigung, dass 300 Versicherer und 30000 Tarife verglichen werden, so erwarten die angesprochenen Verkehrskreise auf Grund ihnen bekannter anderer kostenloser (bzw. werbefinanzierter) Dienstleistungen im Internet eine Zusammenstellung der preisgünstigsten Angebote durch ein neutrales Bewertungsportal. Will der Anbieter eines derartigen Vergleichs hingegen mit unmittelbarem Abschlussinteresse dem Interessenten als Versicherungsmakler gegenübertreten und bezieht er in seinen Vergleich ausschließlich solche Anbieter ein, von denen er Provisionen erhält, berücksichtigt aber günstigere Direktversicherer nicht, so bedarf es einer unmissverständlichen Aufklärung hierüber. Andernfalls stellt sich das Angebot als irreführende (vergleichende) Werbung dar. (irreführende Werbung; Preisvergleichsseiten) OLG Hamm vom 10.6.2008 CR 2009, 121 = MMR 2009, 269 = K&R 2009, 48 Es gibt keinen Anspruch auf die Unterlassung einer automatischen IP-Sperrung durch das Sicherheitssystem eines Gewerbetreibenden für dessen Konkurenten, wenn sich dieser auf der Internetseite nicht wie ein normaler Kunde verhält und die Gefahr einer Betriebsstörung hervorruft. (IP-Sperrung; Testmaßnahmen; Mitbewerber; Behinderung) OLG Karlsruhe vom 21.5.2008 MMR 2009, 363 (Ls.) Hängt das Vorliegen einer unlauteren Wettbewerbsverbotshandlung davon ab, ob sich die Angebote des Kfz-Händlers nur an andere Händler oder auch an Privatkun-
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F. Wettbewerbsrecht den richten, kommt es nicht darauf an, welche subjektiven Vorstellung der Händler mit seiner Werbung verbunden hatte. Entscheidend ist allein, das die Werbung objektiv geeignet ist, den Absatz von Fahrzeugen an Privatkunden zu fördern. (Preisangaben; irreführende Werbung) OLG Hamburg vom 20.5.2008 CR 2009, 683 = GRUR-RR 2009, 268 Wird im Internetversandhandel der Hinweis, dass der Preis die Umsatzsteuer enthält und dass Versandkosten hinzukommen, ohne Zuordnung zu den Warenangeboten nur am unteren Ende der Internetseite gegeben, so sind die nach §§ 1 Abs. 2 PAngV erforderlichen Angaben nicht leicht „erkennbar und gut wahrnehmbar“ (§ 1 Abs. 6 PAngV), wenn man sie nur beim Herabscrollen zum Seitenende sichtbar sind. Der Nutzer wird vor Einleitung des Bestellvorgangs nicht notwendigerweise zu diesem Hinweis geführt. (Preisangaben; Fernabsatz; Gestaltung) OLG Köln vom 16.5.2008 MMR 2008, 540 AGB besitzen keine Rechtsnormqualität. Die AGB von Ebay stellen keinen Hinderungsgrund für eigene AGB eines Händlers über Ebay dar, auch wenn die AGB beider Parteien nicht miteinander übereinstimmen. (Abweichungen von den Ebay-AGB) OLG München vom 6.5.2008 MMR 2008, 541 Die Nutzung rein beschreibender Begriffe als Keywords für Anzeigen bei Google stellt keinen Verstoß gegen das Markenrecht dar, auch wenn die Einstellung „weitgehend passende Keywords“ dazu führt, dass die Anzeige auch bei Eingabe eines geschützten Kennzeichens, das aus den beschreibenden Begriffen besteht, erscheint. (Keyword Advertising; weitgehend passende Keywords; Gattungsbegriffe) Kammergericht vom 11.4.2008 K&R 2008, 375 Der fehlende Vornamen der Vertretungsperson einer juristischen Person im WebImpressum und die Weiterverwendung der alten, lückenhaften Musterwiderrufsbelehrung können wettbewerbsrechtlich als Bagatellverstoß zu beurteilen sein. (Bagatellverstoß, Impressum, Musterwiderrufsbelehrung) OLG Hamm vom 13.3.2008 MMR 2008, 469 Das völlige Fehlen von Handelsregister und Registernummer im Impressum ist spätestens seit Inkrafttreten der UP-Richtlinie kein bloßer wettbewerbsrechtlicher Bagatellverstoß mehr. Dies gilt gerade bei registrierten Gesellschaften. (Impressum; Bagatelle)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamm vom 11.3.2008 MMR 2009, 69 (Ls.) Die EnVKV und besonders ihre Informationsverpflichtungen sind auf Internetangebote anwendbar. (Informationsverpflichtung; Marktverhaltensregelung; EnVKV) OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2008 K&R 2008, 462 Bei Verstößen gegen die PAngV kann ein nicht nur unerheblicher Nachteil i.S.v. § 3 UWG angenommen werden bei unzulänglichen Angaben über Liefer- und Versandkosten, nicht aber im Hinblick auf den fehlenden Hinweis, dass der angegebene Preis die Umsatzsteuer enthält. (Verstöße gegen die Preisangabenverordnung) OLG Hamm vom 28.2.2008 K&R 2008, 379 = MMR 2008, 469 Es ist wettbewerbswidrig, wenn ein Ebay-Händler im Kleingedruckten unter der Überschrift „Garantie“ einen Verkauf an Verbraucher und ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht ausschließt. (Wettbewerbsverstoß; Ausschluss des Widerrufsrechts; Fernabsatz) OLG Frankfurt a.M. vom 26.2.2008 WRP 2008, 830 = MMR 2008, 471 = K&R 2008, 309 = GRUR-RR 2008, 304 Die Verwendung eines fremden Kennzeichens oder eines glatt beschreibenden Begriffs als Adword Keyword in Verbindung mit der Standardoption „weitgehend passende Keywords“ stellt keine kennzeichenrechtlich relevante Benutzungshandlung dar, wenn die Werbeanzeige unter einem anderen Zeichen klar von der Trefferliste abgetrennt ist. (Keyword Advertising; markenmäßige Benutzung) OLG Frankfurt a.M. vom 14.02.2008 Az. 14 O 564/06 Ein sog. Sternchen-Hinweis zu einer Blickfangwerbung kann einer durch die Blickfangaussage hervorgerufenen Irreführung nicht entgegenwirken, wenn der Zusatz die Blickfangaussage aus der Sicht des Verkehrs nicht erläutert oder ergänzt, sondern korrigiert. (Blickfangwerbung) OLG Hamm vom 7.2.2008 MMR 2008, 750 Wird ein Gerichtsurteil ungeschwärzt im Internet öffentlich zugänglich gemacht, liegt darin eine wettbewerbswidrige unlautere Handlung, wenn in diesem Urteil eine wettbewerbswidrige Handlung des Prozessgegners festgestellt wird. Eine derartige Handlung kann auch von dem Herausgeber des Internet-Auftritts begangen werden, selbst wenn er kein Wettbewerber des Prozessgegners ist. (Urteilsveröffentlichung; Herabsetzung und Verunglimpfung)
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F. Wettbewerbsrecht OLG München vom 31.1.2008 WRP 2008, 1396 (Ls.) Wird in einem Angebot über ein Internetauktionsplattform das Widerrufsrecht bei Versteigerungen ausgeschlossen, so ist dies zur Irreführung des Käufers geeignet. (Ebay; „Widerrufsrecht gilt nicht für Versteigerungen“) Kammergericht vom 25.1.2008 WRP 2008, 383 § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB/§ 309 Nr. 2 a BGB enthalten Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Unwirksamkeit der AGB-Regelung zugleich zu einem Verstoß gegen die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten führt. (Informationspflichten als Marktverhaltensregelung) OLG Stuttgart vom 24.1.2008 NJW 2008, 1326 Die in Werbung verwendete Bezeichnung eines Rechtsanwaltes als „Spezialist für Mietrecht“ verstößt gegen §§ 7 Abs. 1 S. 2 BORA i.V.m. 4 Nr. 11 UWG, wenn der Rechtsanwalt nicht nachweisen kann, dass er - der dadurch ausgelösten Verkehrserwartung entsprechend - im Mietrecht über den Durchschnitt weit übersteigende Kenntnisse verfügt und in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Bei gleichem Defizit ist die genannte Bezeichnung auch irreführend i.S.d. § 7 Abs. 2 BORA und der §§ 3, 5 UWG. (Werbung eines Rechtsanwalts) OLG Stuttgart vom 17.1.2008 MMR 2008. 754 § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV ist Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Dem durchschnittlichen Internetnutzer ist geläufig, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehrere u.U. durch Links verbundene Internetseiten verteilt sein können. Beim eigenen Internetauftritt des werbenden Unternehmens genügt es dem durchschnittlichen Versandhandelskäufer, wenn die zusätzlichen Liefer- und Versandkosten alsbald und leicht erkennbar auf einer gesonderten Seite angegeben werden, die noch vor der Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss. Wird jedoch eine Preisangabe ohne diese Zusatzkosten in eine Preissuchmaschine eingestellt, wird der Zweck der Preisvergleichbarkeit verfehlt, und der Verbraucher erliegt der bloßen Preisangabe bereits dadurch, dass er sich über einen Link in das virtuelle Ladenlokal des Werbenden begibt. (Preisangaben) OLG Hamburg vom 16.1.2008 MMR 2008, 681 Wird im Internet für einen Internetzugangsvertrag mit einer Preisangabe geworben und zugleich für eine ISDN-Karte als frei wählbare Zusatzleistung, für die Versandkosten anfallen, so kann noch innerhalb des bereits eingeleiteten Bestellvorgangs für den Internetzugangsvertrag auf die Versandkosten für die ISDN-Karte
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Rechtsprechungsübersicht hingewiesen werden. Informationen sind nach § 1 Abs. 2 PAngV verspätet, wenn sie nach Aufruf einer mit „Bestellung“ oder „Bestellen“ gekennzeichneten Seite gegeben werden. (Preisangabe; Zeitpunkt) OLG Frankfurt a.M. vom 10.1.2008 CR 2008, 741 (Ls.) = GRUR 2008, 800 Ob in der Verwendung einer fremden Marke als sogenannte Metatag eine markenmäßige Benutzung, sowie eine Markenverletzung liegt beurteilt sich auch danach, wie der Benutzer die Kurzhinweise in der Trefferliste versteht, die ihm nach Eingabe des Suchwortes präsentiert werden. (Keyword Advertising; Markenrechtsverletzung) OLG Düsseldorf vom 18.12.2007 MMR 2008, 682 Wer mit der Absicht durch einen Internetauftritt, auch nur in Form von Werbung, in einem Internetportal auf Dauer Gewinn zu erzielen handelt geschäftsmäßig und ist daher auf für seine Anzeige auf dem Internetportal impressumspflichtig (Impressumspflicht; Geschäftsmäßigkeit) OLG München vom 6.12.2007 CR 2008, 590 = MMR 2008, 334 = K&R 2008, 381 In der Verwendung einer Marke als Schlüsselwort bzw. Keyword im Rahmen einer sog. Adword-Anzeige liegt ein kennzeichenmäßiger Gebrauch der markenrechtlich geschützten Bezeichnung. (Adwords; kennzeichenmäßige Benutzung; Impulse; Keyword Advertising) OLG Frankfurt a.M. vom 29.11.2007 WRP 2008, 969 = GRUR-RR 2008, 306 Arzneimittel, die aus einem EU-Mitgliedsstaat nach Deutschland versand werden unterliegen auch der Arzneimittelpreisverordnung. (ausländische Versandapotheken; Bonussystem) OLG Köln vom 23.11.2007 WRP 2008, 1130 Eine AGB-Klausel, mit der das Einverständnis des Kunden in die Verwendung seiner Vertragsdaten zu „Kundenberatung, Werbung, Marktforschung“ erklärt wird, beinhaltet auch die Einwilligung in telefonische Werbung. Eine derartige Klausel ist jedenfalls dann unwirksam, wenn nach deren Inhalt die Einwilligung nicht nur im Hinblick auf die übrigen Unternehmen des (großen) Konzerns gilt, dem der Verwender angehört. (Telefonwerbung; Einverständnis; AGB)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Zweibrücken vom 15.11.2007 MMR 2008, 257 Bei Nichterläuterung der Wertersatzpflicht (§ 312 c BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV), wird der Wettbewerb nicht nur unerheblich zum Nachteil der Verbraucher oder der Mitbewerber beeinträchtigt. (Informationspflichten; Wertersatzpflicht; § 4 Nr. 11 UWG) OLG Hamm vom 25.10.2007 MMR 2008, 780 Bei Werbung durch elektronische Post reicht eine mutmaßliche Einwilligung des Adressaten nicht aus, allenfalls eine konkludente. Diese kann sich aber noch nicht daraus ergeben, dass der Händler auf seiner Homepage auch seine E-MailAnschrift angibt, wenn sich diese Angabe erkennbar nur an Endkunden richtet. (E-Mail-Werbung; Einwilligung) OLG Hamm vom 23.10.2007 CR 2009, 61 (Ls.) = MMR 2008, 757 Äußerungen einer Privatperson in einem Internetblog können Wettbewerbshandlungen darstellen, sofern diese Äußerung nicht nur aus privaten Beweggründen stattfinden, sondern auch einen unternehmensfördernde Absicht innehaben und die Privatperson Mitarbeiter des geförderten Unternehmens ist. Der Arbeitgeber der Privatperson haftet nicht für die Privatanäußerungen seiner Mitarbeiter, solange er diesen nicht dazu angestiftet hat oder diese Äußerung selbst von sich gegeben hat. (Blog; private Äußerung; Wettbewerbshandlung) OLG Hamm vom 23.10.2007 MMR 2008, 175 „Virtuelles Hausverbot“ durch Sperrung einer IP-Nummer bei Testmaßnahme zur Überprüfung des beworbenen Internetangebots. (virtuelles Hausverbot) OLG Karlsruhe vom 18.10.2007 NJW-RR 2008, 728 = MMR 2008, 780 (Ls.) Ein Online-Shop, der lediglich Tabakwaren anbietet, unterfällt nicht dem Werbeverbot nach Art. 3 Tabakwerberichtlinie. (Internetwerbung; Tabakwerbung) OLG Hamm vom 18.10.2007 MMR 2008, 176 Die Belehrungspflicht nach § 312 c BGB i.R.v. Fernabsatzverträgen regeln das Marktverhalten i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Es liegt aber lediglich ein nach § 3 UWG wettbewerbsrechtlich unbeachtlicher Bagatellverstoß vor, wenn lediglich entgegen § 187 BGB der Tag, an dem der Kunde Ware und Belehrung erhalten hat, als Fristbeginn für das Widerrufsrecht angegeben wird statt des Tags danach. (Belehrungspflichten)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamm vom 16.10.2007 WRP 2008, 254 Der Verbotsantrag kann sich bei E-Mail-Werbung, die den Verbotstatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG in typischer Weise erfüllt, nach dem Wortlaut dieser Vorschrift richten. Ergibt sich die Belästigung des Adressaten gerade aus der Werbeform als solcher, braucht die betroffene Branche nicht in den Antrag aufgenommen zu werden. (Verbotsantrag bei E-Mail-Werbung) OLG Köln vom 12.10.2007 MMR 2008, 477 = MarkenR 2008, 216 Eine markenmäßige Benutzung eines mit einer Marke oder einem Kennzeichen identischen oder fast identischen Begriffs liegt beim Keyword-Advertising vor, wenn der Begriff in der Überschrift der Werbeanzeige der Adword-Anzeige deutlich sichtbar erscheint. (Überschrift in Adword-Werbung) OLG Karlsruhe vom 26.9.2007 CR 2008, 246 = MMR 2008, 105 Ein Unternehmen, das bei Google mit Adword-Anzeigen wirbt, ist lauterkeitsrechtlich nicht verpflichtet, es zu unterlassen, allgemein beschreibende Begriffe als Keywords zu verwenden, auch wenn dies dazu führt, dass seine Werbeanzeige auch dann erscheint, wenn ein Internetnutzer als Suchbegriff eine Internetadresse oder eine Firmenbezeichnung eines Wettbewerbers eingibt, die die gleichen Begriffe enthält. (Adwords; Keywords; beschreibende Begriffe) OLG Köln vom 12.9.2007 K&R 2008, 48 Wird die Teilnahme des Verbrauchers an einer Verlosung von seiner Erklärung abhängig gemacht, mit der Weitergabe von persönlichen Daten an Drittunternehmen und mit Werbeanrufen einverstanden zu sein, so liegt eine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG jedenfalls dann vor, wenn der Verbraucher über die vorgenannte Koppelung erst ins Bild gesetzt wird, nachdem er sich bereits für die Teilnahme an der Verlosung entschieden hat. (Koppelung einer Ticketverlosung an die Weitergabe persönlicher Daten) OLG Düsseldorf vom 11.9.2007 WRP 2009, 104 Gibt man in einer Internetbörse den Endpreis einer Ware nicht an, sondern „versteckt“ bestimmte Preisbestandteile wie Überführungskosten von Autos in der Artikelbeschreibung, so führt das zu einem wettbewerblichen Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher. (Preissuchmaschine; Überführungskosten)
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F. Wettbewerbsrecht Kammergericht vom 7.9.2007 NJW-RR 2008, 352 = MMR 2008, 45 = K&R 2007, 530 Ein Bagatellverstoß nach § 3 UWG kann vorliegen, wenn ein nicht als marktstark erkennbarer Händler von Elektro-Haushaltsgeräten in einem deutschsprachigen Internet-Auftritt unter der Top-Level Domain „de“ einen „Versand nach Europa“ anbietet, ohne die Kosten entgegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAngV der Höhe nach zu beziffern oder entgegen § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV die Einzelheiten der Berechnung anzugeben. (Bagatellverstoß bei fehlender Angabe der Auslandsversandkosten) OLG Köln vom 31.8.2007 MMR 2008, 50 Die Grundsätze der BGH-Entscheidung „Impulse“, wonach die Verwendung eines Unternehmenskennzeichens als Metatag eine kennzeichenmäßige Benutzung darstellt, lassen sich nicht auf die Adword-Werbung übertragen. (Adwords; kennzeichenmäßige Benutzung; Impulse) OLG Stuttgart vom 9.8.2007 MMR 2007, 649 = ITRB 2007, 274 Die Verwendung einer markenrechtlich geschützten Bezeichnung (hier: PCBPOOL) erfolgt kennzeichenmäßig, wenn sie als sog. Keyword für eine „Google“-AdWords-(Werbe-)Anzeige eingesetzt wird. (AdWords; kennzeichenmäßige Verwendung) OLG Braunschweig vom 12.7.2007 MMR 2007, 789 Die Verwendung einer Marke als Schüsselwort/Keyword im Zusammenhang mit der sog. „Adword-Werbung“ stellt einen kennzeichenmäßigen Gebrauch dar, weil damit die Funktion der Suchmaschine zunutze gemacht wird, über die Eingabe einer bestimmten Bezeichnung Produkte aufzufinden und damit gerade die spezifische Lotsenfunktion der Marke ausgenutzt wird, in einem großen Angebot gezielt auf eigene Waren/Produkte hinzulenken. (Keyword-Advertising) OLG Naumburg vom 10.7.2007 NJW-RR 2008, 445 = WRP 2007, 1502 Bei einer verfassungskonformen, insbesondere auch mit dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG zu vereinbarenden Auslegung des § 43 b BRAO ist das Verbot der Einzelfallmandatswerbung einschränkend auszulegen. Es ist nicht gleichzusetzen mit der – zulässigen – Werbung um einzelne Mandanten und nicht immer schon dann verletzt, wenn ein Rechtsanwalt sein Ziel, in einer konkreten Angelegenheit mandatiert zu werden, zu erkennen gibt. Abzustellen ist auf eine Bewertung der Relation zwischen der Intensität des konkreten Beratungsbedarfes (i.S. einer Notsituation) und der Intensität der anwaltlichen mandatsbezogenen Werbung (z. Bsp. i.S. von Bedrängung, Nötigung, Überrumplung). (Werbung eines Rechtsanwalts)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamburg vom 4.7.2007 MMR 2007, 653 Zwischen den Zeichenfolgen „G-Mail“ und „GMail“ kann markenrechtliche Verwechslungsgefahr bei dem Angebot ähnlicher Dienstleistungen (E-Mail-Dienstleistungen) auch dann bestehen, wenn die Bezeichnung „G-Mail“ Bestandteil einer farbig eingetragenen Wort-/Bildmarke mit einem weiteren Slogan („. . .und die Post geht richtig ab“) ist und die Bezeichnung „GMail“ teilweise in einer herkunftshinweisenden Farbgebung verwendet wird. (Verwechslungsgefahr) OLG Frankfurt a.M. vom 28.6.2007 MMR 2008, 113 Ein Internetversandhandel mit in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln aus den Niederlanden nach Deutschland verstößt nicht gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. den deutschen Vorschriften, die den innereuropäischen Versandhandel mit Arzneimitteln regeln. (Arzneimittelversand; Internetapotheke) OLG Hamburg vom 21.6.2007 MMR 2008, 117 = ITRB 2007, 253 Die Verwendung eines fremden Markennamens auf der Angebotsseite eines Internetauktionsportals stellt eine Markenverletzung dar, wenn keine sachliche Verbindung zwischen Angebot und Marke besteht. (JETTE; fremder Markenname) Kammergericht vom 8.6.2007 WRP 2007, 1392 Ein auffällig gelb unterlegter Hyperlink verbunden mit dem Symbol eines Einkaufswagens, dem Wort Shopping, sowie einem Werbeslogan, machen es dem Leser ausreichend deutlich, dass er durch Anklicken des Links auf eine Werbeseite gelangt und den redaktionellen Bereich einer Online-Zeitung, indem sich der Hyperlink befindet, verlässt. (Werbehyperlink) Kammergericht vom 11.5.2007 CR 2007, 595 = MMR 2007, 791 = K&R 2007, 406 Die Angabe einer Anbieterkennzeichnung bei einem Internetauftritt, die von der Angebotsseite aus über einen Link „mich“ erreichbar ist, genügt den Anforderungen der §§ 5 TMG, § 55 RStV, 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB. Stellt ein Unternehmer beim Fernabsatz von Waren in seinem hierfür werbenden Internetauftritt den dort enthaltenen Preisangaben nicht den jeweils eindeutig zugeordneten Hinweis zur Seite, dass die geforderten Preise die Umsatzsteuer enthalten, so ist dieser Verstoß in der Regel nicht geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher mehr als nur unerheblich i.S.v. § 3 UWG zu beeinträchtigen. (Impressumspflicht, Link, mich-Seite)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Frankfurt a.M. vom 9.5.2007 K&R 2007, 417 In der Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln kann, auch wenn diese die Vertragsabwicklung betreffen, eine Wettbewerbshandlung mit dem Ziel liegen, planmäßig den Kunden zu übervorteilen. (Widerrufsbelehrung im Scrollkasten einer Internetseite) OLG Schleswig vom 8.5.2007 NJW-RR 2007, 1683 = WRP 2007, 1127 Eine Internetwerbemaßnahme für Hotelzimmer unter Preisangabe mit einer Unter- und Obergrenze ist bei einem 55 Zimmer umfassenden Hotel jedenfalls dann irreführend, wenn in der untersten Preiskategorie tatsächlich jeweils nur ein Zimmer pro Zimmertyp zur Verfügung steht. Die nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV bestehende Verpflichtung, den Endpreis zu nennen, ist nicht erfüllt, wenn in einer Internetwerbung für Hotelzimmer nicht dargelegt wird, in welcher Höhe Zusatzkosten oder sonst wertgestaltende Merkmale in den Beherbergungspreis einfließen. (irreführende Internetwerbung für Hotelzimmer) OLG Hamburg vom 18.4.2007 NJW 2007, 3361 = CR 2007, 597 = MMR 2008, 58 = K&R 2007, 528 Die Rechtsprechung hinsichtlich der Zulässigkeit von Zutrittsbeschränkungen bzw. zur Zulässigkeit von „Hausverboten“ kann grundsätzlich auf die Bedingungen des elektronischen Geschäftsverkehrs, insbesondere dem Handel über Internetshops, übertragen werden. Hierbei sind jedoch die Besonderheiten des Mediums „Internet“ zu berücksichtigen. (§§ 3; 4 Nr.10 UWG; Hausverbot) OLG Hamburg vom 3.4.2007 CR 2008, 606 (Ls.) Das Normelement „geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien“ beschränkt den Anwendungsbereich der Regelung des § 5 TMG nicht auf kostenpflichtige Telemediendienste. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass mit diesem Tatbestandselement lediglich Internetangebote von privaten Anbietern und von Idealvereinen, mithin nicht-kommerzielle Angebote, aus dem Anwendungsbereich der Impressumspflicht ausgenommen werden sollten. Ansonsten sollten die allgemeinen Informationspflichten der Dienstanbieter, die zuvor in § 6 TDG geregelt waren, unverändert übernommen werden. (geschäftsmäßige Telemedien) Kammergericht vom 3.4.2007 NJW 2007, 2266 Gesetzliche Regelungen zur AGB-Kontrolle sind zumindest dann Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG, wenn sie eine hinreichende Transparenz gewährleisten sollen. (AGB-Kontrolle, Marktverhaltensregelung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Köln vom 30.3.2007 NJW 2007, 3647 = CR 2007, 799 Bei den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB handelt es sich in der Regel nicht um Vorschriften, die i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt sind das Marktverhalten zu regeln. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände stellt die Verwendung unwirksamer AGB auch keine Ausnutzung der Leichtgläubigkeit von Verbrauchern i.S. des § 4 Nr. 2 UWG oder eine irreführende Werbung gem. § 5 UWG dar. (AGB als Marktverhaltensregelung) OLG Hamm vom 28.3.2007 MMR 2007, 663 Sofern es um fehlerhafte Preisangaben lediglich bzgl. Versandkosten in das außereuropäische Ausland geht, sind Händler, die bei Ebay gleichartige Waren zum Verkauf anbieten, als Mitbewerber auch insoweit bzgl. eines Unterlassungsantrags klagebefugt. (Klagebefugnis bei fehlerhaften Preisangaben) OLG Celle vom 27.3.2007 MMR 2007, 605 Die Verlinkung auf eine Website allein greift nicht in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. („pfuscher-am-bau“) OLG Köln vom 23.3.2007 MMR 2007, 792 Eine Unterscheidung dahingehend, dass preisangabenrechtlich unter „Buchen“ ein Reservierungssystem als Teil eines Kaufvorgangs, hingegen unter „Angebote“ eine dem Kaufvorgang vorgeschaltete Werbung zu verstehen sei, ist nicht angebracht. Es genügt daher den von § 1 Abs. 1, Abs. 6 PAngV aufgestellten Anforderungen, wenn auf der Seite „Angebote“ ein Ausgangspreis „zuzüglich Steuern und Gebühren/zuzüglich Kerosinzuschlag“ genannt wird und der Kunde mittels übersichtlicher Links vor Abschluss des Buchungsvorgangs über den Endpreis unterrichtet wird. (Endpreisangabe im Online-Reservierungssystem) OLG Stuttgart vom 22.3.2007 MMR 2008, 136 Eine Werbung per Fax, welche auf einer lediglich mutmaßlichen Einwilligung des Empfängers beruht, ist nach deutschem und europäischem Recht ausgeschlossen. (Faxwerbung; mutmaßliche Einwilligung) OLG Frankfurt a.M. vom 21.3.2007 CR 2007, 682 = MMR 2007, 378 Auch beim Angebot von Waren aus einer Privatsammlung kann es sich nach Dauer und Umfang der Verkaufstätigkeit um eine gewerbliche Tätigkeit handeln. (Ebay; Unternehmereigenschaft; § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Hamm vom 1.3.2007 CR 2007, 530 mit Anm. Ernst = NJW-RR 2007, 1264 = MMR 2007, 605 = K&R 2007, 410 Liegt ein konkreter Verdacht auf Manipulation einer Suchmaschine vor, so darf eine Filtersoftware die betreffende Seite als „Spam“ klassifizieren, ohne dass eine unlautere Wettbewerbshandlung i.S.d. § 4 Nr. 8 UWG vorliegt. (Google-Filtersoftware) OLG Naumburg vom 26.2.2007 NJW 2007, 1537 Ob ein Fachanwaltstitel i.S.d. § 43c BRAO geführt wird, ist inhaltlich zu bestimmen. Nimmt ein Anwalt öffentlich und zu Werbezwecken für sich in Anspruch in einem Rechtsgebiet der Sache nach die in einem formalisierten Verfahren nachgewiesenen Qualifikationen eines Fachanwalts zu besitzen, führt er diesen Titel. Dies gilt auch dann, wenn der Anwalt öffentlich bekundet, dass er den Titel derzeit nicht führt. (Werbung eines Rechtsanwalts mit mehr als zwei Fachanwaltsbezeichnungen) OLG Hamburg vom 15.2.2007 MMR 2007, 438 = ITRB 2007, 128 Wird im Internet-Versandhandel eine konkret beschriebene und abgebildete Ware unter Nennung des Preises zum Direktverkauf angeboten und wird auf die zusätzlichen Liefer- bzw. Versandkosten nicht auf eben dieser Internetseite mit dem Angebot, sondern erst auf einer durch „Klicken“ erreichbaren Unter-Seite hingewiesen, so verstößt dies gegen die Regelungen der PAngV. (Verstoß gegen die Preisangabenverordnung) OLG Hamburg vom 14.2.2007 CR 2007, 455 = MMR 2007, 530 § 307 BGB stellt eine in Zusammenhang mit den in AGB geregelten Umständen des Vertragsschlusses eine das Marktverhalten regelnde Norm i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar. (AGB; Marktverhaltensregelungen) OLG Hamburg vom 14.2.2007 CR 2007, 404 = MMR 2007, 723 Eine nur unerhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 3 UWG kann bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 PAngV dann vorliegen, wenn die danach erforderlichen Angaben bezüglich der Umsatzsteuer noch vor Abgabe der zum Vertragsabschluss führenden Willenerklärung des Verbrauchers gemacht werden. (Internetversandhandel II)
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Rechtsprechungsübersicht Kammergericht vom 13.2.2007 NJW-RR 2007, 1050 = MMR 2007, 440 = K&R 2007, 212 Gibt ein Unternehmer beim Fernabsatz von Waren in seinem hierfür werbenden Internetauftritt nicht seinen vollen Namen, sondern lediglich seinen Familiennamen mit vorangestelltem ersten Buchstaben seines Vornamens an, so verstößt dies gegen die aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV folgende Pflicht zur Angabe der Identität des Unternehmens. Ein solcher Verstoß ist in der Regel geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur unerheblich i.S.v. § 3 UWG zu beeinträchtigen. (Pflicht zur Angabe der Identität) OLG Stuttgart vom 8.2.2007 MMR 2007, 385 Die Bewerbung einer Preisreduzierung durch einen Lebensmittel-Discounter im Internet unter der Bezeichnung „billiger“ verstößt, dann gegen §§ 3, 4 Nr. 4 UWG, wenn die Reduzierung bereits im Zeitpunkt der Werbung als eine befristete geplant ist und die Befristung weniger als 1 Monat beträgt. (Bewerbung einer Preisreduzierung) Kammergericht vom 26.1.2007 CR 2007, 817 = MMR 2007, 386 Eine Berufung ist unzulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro nicht übersteigt. Maßgeblich ist hierbei das Interesse des Rechtsmittelführers, seine erstinstanzliche Verurteilung zu beseitigen; nicht das Interesse des Antragsstellers an der begehrten Unterlassung. (Spamming; Streitwert) OLG Düsseldorf vom 23.1.2007 CR 2007, 256 mit Anm. Renner = MMR 2007, 247 = WRP 2007, 440 = ITRB 2007, 81 = ZUM 2007, 304 Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als sog. AdWord stellt keine kennzeichenmäßige Benutzung eines Unternehmenskennzeichens dar. (Verwendung eines fremden Unternehmenskennzeichens als AdWord - „BetaLayout“) OLG Bremen vom 11.1.2007 NJW 2007, 1539 Die in einem Werbemittel getätigte Aussage eines Rechtsanwalts, er sei in einem bestimmten Ort, der zum Bezirk des Gerichts gehört, bei dem er zugelassen ist, „Erster Fachanwalt für...“, ist zumindest auch so zu verstehen, dass damit nicht nur ein zeitlicher, sondern zugleich ein qualitativer Hinweis gegeben werden soll, der die Gefahr der Irreführung begründet. (Irreführende Werbung mit der Aussage „Erster Fachanwalt für ... in ...“ )
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F. Wettbewerbsrecht OLG Naumburg vom 22.12.2006 K&R 2007, 274 In der unerbetenen Zusendung bereits einer Werbe-E-Mail ist grundsätzlich ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu erblicken. (Spamming) OLG Frankfurt a.M. vom 14.12.2006 CR 2007, 387 = MMR 2007, 322 Die Verwendung einer inhaltlich unzureichenden Widerrufsbelehrung bei Internet-Angeboten stellt eine rechtswidrige Wettbewerbshandlung dar. (unzureichender Link auf die Widerrufsbelehrung) OLG Rostock vom 12.12.2006 NJW 2007, 1473 Die gem. § 59 k Abs. 1 Satz 1 BRAO geforderte Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ ist auch in der gebräuchlicheren Form „Rechtsanwalts GmbH“ zulässig. (Firmierung einer Anwaltskanzlei als „Rechtsanwalts GmbH“) OLG Braunschweig vom 11.12.2006 WRP 2007, 437 = MMR 2007, 249 Adwords sind aus markenrechtlicher Sicht wie Metatags zu beurteilen. Die Verwendung eines markenrechtlich geschützten Begriffs als Adword stellt eine Verletzungshandlung im Sinne des § 14 MarkenG dar. Dies gilt auch, wenn das Keyword nicht vom Werbenden selbst eingetragen, sondern automatisiert durch Google aufgrund der Auswahl der Option „weitgehend passende Keywords“ erstellt worden ist. (Verwendung der Marke eines Dritten als Keyword) OLG Saarbrücken vom 6.12.2006 GRUR 2007, 344 Zwar sind die §§ 1 Abs. 2, 23 ApothekenG auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das Ausnutzen einer rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke begründet allein jedoch keine Unlauterkeit i.S.v. § 3 UWG. Wegen der tatbestandsausschließenden Wirkung der Erlaubnis erfüllt der Betrieb nicht den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG. (Internet-Apotheke Doc Morris) OLG Braunschweig vom 5.12.2006 CR 2007, 177 = MMR 2007, 110 = K&R 2007, 435 = WRP 2007, 435 Die Verwendung der Marke eines Dritten als Keyword bei der Aufgabe einer kontext-sensitiv erscheinenden Anzeige bei Google (Adword) stellt eine markenmäßige Benutzung dieser Marke und damit eine Verletzung der Markenrechte im Sinne des § 14 MarkenG dar, wenn es sich für die betreffenden Waren bzw. Dienst-
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Rechtsprechungsübersicht leistungen um eine typische Markenbezeichnung handelt, die keinen beschreibenden Inhalt erkennen lässt. Das gleiche gilt für die Verwendung eines gemäß §§ 5, 15 MarkenG geschützten hinreichend unterscheidungskräftigen Bestandteils der Firma eines Dritten, der geeignet ist, im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen verwendet zu werden. Für Adwords gilt insofern das gleiche wie für Metatags. (Verwendung der Marke eines Dritten als Keyword) OLG Hamburg vom 13.11.2006 NJW 2007, 2264 = MMR 2007, 324 Nicht jede verbraucherschützende Norm ist im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG bestimmt, das Marktverhalten zu regeln. Nur solche Verwendungen der §§ 307 ff., die sich auf die Nachfrageentscheidung der Verbraucher und nicht erst auf die Vertragsdurchführung auswirken, sind nach § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig. (Verbraucherschutznormen, Marktverhaltensregelungen) OLG Karlsruhe vom 25.10.2006 CR 2007, 105 mit Anm. Utz = K&R 2006, 582 Die unberechtigte Verwendung der Marke eines Internetdienstleisters zur Bildung von E-Mail-Absenderadressen für das Versenden von Spam ist markenrechtsverletzend. (Spamming) OLG Koblenz vom 29.9.2006 MMR 2007, 190 Spammails haben nicht lediglich Bagatellcharakter. Dies muss sich auch im Streitwert widerspiegeln. (Streitwert beim Spamming) OLG Bamberg vom 27.9.2006 MMR 2007, 392 = NJW-RR 2007, 394 Auch gegenüber einem Gewerbetreibenden ist die Werbung durch elektronische Post (E-Mails) unlauter, wenn nicht (wenigstens) konkrete Anhaltspunkte die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung des Empfängers rechtfertigen. Allein aus der gewerblichen Tätigkeit kann eine solche mutmaßliche Einwilligung nicht abgeleitet werden. (Spamming) OLG Hamburg vom 11.9.2006 CR 2007, 405 Wird vom Versandhändler in seinem Online-Katalog ein TV-Gerät zu einem geringfügig höheren Preis angeboten als in einer sog. Preissuchmaschine verzeichnet, so handelt der Versandhändler jedenfalls dann nicht unlauter, wenn die Preissuchmaschine ihre Daten zweimal täglich aktualisiert und die Preisdifferenz nur wenige Stunden bestand. (Preissuchmaschine)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Bamberg vom 9.6.2006 CR 2007, 262 = WRP 2007, 220 Aus der gewerblichen Tätigkeit eines E-Mail-Empfängers allein kann keine mutmaßliche Einwilligung zum Erhalt von E-Mail-Werbung abgeleitet werden. (Spam; § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG; mutmaßliche Einwilligung) Kammergericht vom 18.8.2006 CR 2007, 108 Es liegt eine Kennzeichenverletzung vor, wenn im Rahmen eines Keyword-Advertising-Auftrages Werbung auf einer Internetseite platziert wird, die unter einer aus einem fremden Kennzeichen für gleiche Waren und Dienstleistungen gebildeten eu-Domain abrufbar ist. Für diese ist der Auftraggeber nach vorprozessualer Abmahnung verantwortlich. (Keyword-Advertising) OLG Frankfurt a.M. vom 17.8.2006 MMR 2007, 117 Das Allgemeininteresse an einer Widerrufsbelehrung und den nach § 6 TDG erforderlichen Anbieterdaten ist zwar erheblich, die Interessenlage des einzelnen Mitbewerbers wird durch diesen Wettbewerbsverstoß jedoch nur mittelbar berührt. Das Interesse des Mitbewerbers am Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung ist daher mit einem Streitwert von 5000 Euro ausreichend bemessen. Das Fehlen der Widerrufsbelehrung und der nach § 6 TDG erforderlichen Anbieterdaten berührt die Interessenlage des einzelnen Mitbewerbers nur mittelbar. Bei einer Firma ohne Bedeutung am Markt ist ein Streitwert von 5000 Euro für den Unterlassungsantrag gerechtfertigt. (Impressumspflicht; Streitwertbemessung) Kammergericht vom 27.7.2006 Az. 9 W 50/06 Für einen Unterlassungsanspruch ist in erster Linie die gem. § 3 ZPO zu schätzende Beeinträchtigung, die von dem beanstandeten Verhalten verständigerweise zu besorgen ist, wertbestimmend. Der Belästigungsgrad einer Werbe-SMS auf dem Handy wird höher bewertet als bei einer Werbe-E-Mail. (SMS-Werbung; Streitwert) OLG Celle vom 20.7.2006 CR 2006, 679 = NJW-RR 2006, 1699 = MMR 2006, 817 mit Anm. Kazemi Das Nutzen eines fremden Namens in Metatags stellt einen unbefugten Namensgebrauch dar und begründet einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. (Namensschutz im Internet)
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Rechtsprechungsübersicht Kammergericht vom 30.6.2006 CR 2006, 631 = MMR 2006, 680 Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt klar getrennt sein. Der Hinweis „Sonderveröffentlichung“ reicht hierfür nicht aus. (Schleichwerbung) OLG Düsseldorf vom 24.5.2006 MMR 2006, 681 = ITRB 2006, 178= MDR 2006, 1349 Beim Versenden von E-Mails an einen großen Empfängerkreis hat der Versender Maßnahmen zur Verhinderung von fehlerhaften Zusendungen zu ergreifen. Das ist nicht der Fall, wenn die Empfänger des Newsletters nicht bei BCC, sondern für alle sichtbar im Adressfeld eingetragen werden. (Spamming; Massensendungen; Bcc-Verteiler) Kammergericht vom 12.5.2006 Az. 5 W 93/06 Zwar entsteht bei einem nur einmaligen Herunterladen einer Werbe-E-Mail nur ein geringer finanzieller Schaden und zeitlicher Nachteil. Die Versendung von Werbung mittels E-Mail ist aber besonders kostengünstig, sodass von einem sehr großen Nachahmungseffekt auszugehen ist. Darüber hinaus muss sich der Empfänger beim Löschen der E-Mail regelmäßig auch näher mit dem Inhalt der E-Mail befassen, was den Werbewert nochmals erhöht. Deshalb kann schon für ein Verfügungsverfahren ein Wert von 7500,- Euro angemessen sein, wenn die Kommunikation mittels E-Mail für den Antragsteller erkennbar von besonderer geschäftlicher oder beruflicher Bedeutung ist. (Spamming; Streitwert) OLG Oldenburg vom 12.5.2006 NJW-RR 2007, 189 Ein gewerblicher Verkäufer, der im Internet über die Verkaufsplattform „Ebay“ Waren anbietet, hat unter anderem Angaben zu machen, die eine unmittelbare Kommunikation ermöglichen. Dies erfordert die Angabe einer Telefonnummer, unter der der Verkäufer erreichbar ist. Eine Verletzung dagegen führt zu einem Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. (Pflicht des gewerblichen Ebay-Anbieters zur Kontaktdatenangabe) OLG Karlsruhe vom 27.4.2006 CR 2006, 689 = WRP 2006, 1038 Wer auf der Verkaufsplattform Ebay auf Dauer angelegt unternehmerisch Waren anbietet, ist verpflichtet Verbraucher über das Bestehen eines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts zu informieren, ebenso wie im Rahmen einer Anbieterkennzeichnung seine Identität offen zu legen. Tut er das nicht, besteht ein Unterlassungsanspruch, weil die entsprechenden Vorschriften des Teledienstgesetzes aber auch des BGB Marktverhaltensregeln sind, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Eine Unterlassungserklärung
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F. Wettbewerbsrecht mit einem Vertragsstrafeversprechen nicht zu Gunsten des Abmahnenden, sondern eines Dritten ist nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. (Anbieterkennzeichnung und Information über das Widerrufsrecht durch einen „Power-Seller“) OLG Koblenz vom 25.4.2006 CR 2006, 692 = MMR 2006, 624 = K&R 2006, 345 mit Anm. Schirmbacher Fehlt die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde gem. § 6 S. 1 Nr. 3 TDG, so stellt dies nicht ohne Weiteres eine nicht unerhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung zum Nachteil der Mitbewerber oder Verbraucher dar. (Impressumspflicht) OLG Köln vom 24.4.2006 Az. 6 U 145/05 Richtet sich ein ausländischer Wettanbieter über das Internet an das deutsche Publikum, indem der Auftritt in deutscher Sprache gehalten ist und für die Wetteinsatzzahlungen ein Konto eines deutschen Bankinstituts genannt wird, so ist Begehungsort die Bundesrepublik Deutschland. Die Veranstaltung von Sportwetten im Inland ohne Genehmigung der zuständigen Landesbehörden verstößt bis zum Auslaufen der dem Gesetzgeber vom BVerfG in der Entscheidung vom 28.3.2006 gesetzten Frist für eine gesetzliche Neuregelung weiterhin gegen den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB. (Internet-Sportwetten; Begehungsort; keine inländische Genehmigung; Übergangszeit) OLG Köln vom 21.4.2006 ZUM 2006, 648 Ein Angebot im Internet zur Teilnahme an Sportwetten ohne deutsche behördliche Erlaubnis verstößt gegen § 284 Abs. 1 StGB und ist damit wettbewerbswidrig. (Sportwetten im Internet) OLG Naumburg vom 24.3.2006 MMR 2006, 467 Auch im Internethandel darf ein Bestellformular nur die Angaben enthalten, die unbedingt für die Bestellung notwendig sind. Irgendwelche weitergehenden Werbeaussagen sind untersagt. (Werbung einer Internet-Apotheke) OLG Naumburg vom 16.3.2006 CR 2006, 779 = K&R 2006, 414 Bezeichnet sich ein Verkäufer im Rahmen seines Internetauftritts lediglich als „fachhandel 1a“, liegt ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 TDG vor. (Impressumspflicht)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Düsseldorf vom 14.2.2006 CR 2006, 695 = MMR 2006, 396 = ITRB 2006, 154 Das Benutzen eines Firmenschlagwortes als Metatag oder als Bestandteil eines Domainnamens stellt weder einen kennzeichenmäßigen Gebrauch der Unternehmensbezeichnung, noch eine wettbewerbswidrige gezielte Behinderung dar. (Verwendung eines Firmenschlagworts als Metatag) OLG Nürnberg vom 27.1.2006 WRP 2007, 201 Auch wenn alle Tatbestandmerkmal von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfüllt sind, entbindet dies nicht von der Prüfung der Erheblichkeitsgrenze des § 3 UWG. (Prüfung der Bagatellklausel) OLG Stuttgart vom 23.1.2006 WRP 2006, 780 Eine Unterlassungserklärung muss um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, das Charakteristische der Verletzungshandlung, die so genannte konkrete Verletzungsform, umfassen. Das Charakteristische der Verletzungshandlung besteht nicht in der unzulässigen Faxzusendung an bestimmte Unternehmen, sondern in der Faxsendung an alle Empfänger, von denen keine Einwilligung vorliegt. Wird dementsprechend eine Unterlassungserklärung auf bestimmte Faxempfänger beschränkt, entfällt die Wiederholungsgefahr nicht. (Wiederholungsgefahr bei Faxwerbung) OLG Dresden vom 9.1.2006 CR 2007, 738 = K&R 2007, 269 Wenn als Adword eine Marke bzw. ein Unternehmenskennzeichen verwendet wird, liegt eine kennzeichenmäßige Benutzung im Sinne des Markenrechts vor. Die Benutzung dient nämlich der Unterscheidung der in Frage stehenden Waren bzw. Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen. (Verwendung eines Unternehmenskennzeichens als Adword) OLG Köln vom 9.12.2005 CR 2006, 553 = MMR 2006, 230 = ZUM 2006, 230 Die zulässige Durchführung von Sportwetten in Deutschland setzt eine Erlaubnis durch die zulässige inländische Landesbehörde voraus. Eine Gewerbeerlaubnis kann die Erlaubnis enthalten, Sportwetten durchzuführen. Sie gestattet aber nicht die Beteiligung an der Veranstaltung von Sportwetten, welche von anderen im Ausland und somit außerhalb der Kontrolle und Einflussmöglichkeit deutscher Aufsichtsbehörden durchgeführt werden. (Sportwetten im Internet)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Hamburg vom 16.11.2005 ITRB 2006, 104 Bei Werbung in Internet-Suchmaschinen, die bei der Eingabe von Suchbegriffen neben den eigentlichen Treffern erscheint, erwartet der Verkehr nicht schon abschließende und vollständige Informationen über dort beworbene Angebote, sondern lediglich Hinweise auf Seiten Dritter, die er über den Link erreichen kann. (Erforderlichkeit von Preisangaben in Werbeanzeigen) OLG Nürnberg vom 25.10.2005 CR 2006, 196 = MMR 2006, 111 Bietet ein Versandhandelshaus auf seiner Internetseite einem Dritten, der ein bestimmtes Produkt ausgewählt hat, an, dieses Produkt per E-Mail direkt von der Internetseite aus an einen vom Dritten benannten Empfänger zu versenden, liegt eine nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unzumutbare Belästigung vor, wenn in der bei dem Empfänger ankommenden E-Mail nicht nur die Empfehlung des bestimmten Produkts, sondern eine darüber hinausgehende Werbung enthalten ist. Hierbei handelt es sich um Direktwerbung i.S.v. Art. 13 RL 2002/58/EG. (unzulässige Werbung durch Empfehlungs-E-Mail Dritter) OLG Düsseldorf vom 4.10.2005 MMR 2006, 171 = ITRB 2006, 180 Der Begriff der „Werbung“ kann nicht mit dem Begriff der „Wettbewerbshandlung“ gleichgesetzt werden. Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG umfasst nur die Absatzwerbung, nicht aber die Werbung um Dienstleistungen des Angesprochenen. (Werbungsbegriff) OLG Hamburg vom 4.10.2005 MMR 2006, 238 Wer einen elektronischen Marktplatz für den Handel mit Pornographie eröffnet, muss Vorsorge treffen, dass Jugendliche keinen Zugang erhalten und haftet hierbei nicht bloß als Störer, sondern auch als Handelnder. Ein Altersverifikationssystem, das durch Fälschen überwunden werden kann, ist geeignet, den Wettbewerb mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen. (Altersverifikationssystem; Verletzerhaftung) OLG Naumburg vom 30.9.2005 GRUR-RR 2006, 380 Telefaxschreiben, mit denen Unternehmer aufgefordert werden, Angebote für Dienstleistungen abzugeben, stellen keine Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG dar. Insgesamt 8 Faxschreiben für drei Bauvorhaben stellen, auch wenn sie unaufgefordert versandt worden sind, keine unzumutbare Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG dar. (Fax-Aufforderung zur Angebotsabgabe)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Frankfurt a.M. vom 8.9.2005 MMR 2006, 38 Wird der Internet-Nutzer bei der Suche nach Ebay-Angeboten durch die Eingabe des Suchbegriffs „Cartier“ zu Schmuckangeboten geführt, aus deren Gestaltung er keine Aufklärung dahingehend entnehmen kann, dass der Begriff „Cartier“ nicht als Herkunftshinweis dienen soll, liegt eine Benutzung der Kennzeichnung „Cartier“ vor. (Cartier – Ebay-Angebote von Schmuckstücken) OLG Dresden vom 30.8.2005 MMR 2006, 326 Mit den gebuchten Adwords „Plakat 24-Stunden-Lieferung“ wird angesichts der sehr geringen Kennzeichnungskraft der Wort-/Bildmarke „Plakat 24“ nicht in den Schutzbereich dieses Kennzeichens eingegriffen. (Werbung mit den gebuchten Adwords „Plakat 24-Stunden-Lieferung“) OLG Düsseldorf vom 30.8.2005 MMR 2006, 559 Im Wettbewerbsrecht tätige abmahnende Anwälte kennen sich regelmäßig in den berufsrechtlichen Vorschriften von Rechtsanwälten aus. Eine Selbstbeauftragung ist bei leicht zu erkennenden Wettbewerbsverstößen unnötig. In eine von einer Kanzlei abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung bezüglich berufsrechtlicher Angaben gemäß § 6 TDG ist ein später in die Kanzlei eintretender Steuerberater nicht miteinbezogen. (Wettbewerbsrecht; Impressumspflicht. § 6 TDG) Kammergericht vom 2.8.2005 CR 2006, 174 Die Werbung für das Herunterladen von Handy-Klingeltönen über Mehrwertdienst-Rufnummern in Jugendzeitschriften ist unlauter im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 2 UWG, wenn sie keine klare, eindeutige und für den angesprochenen Minderjährigen verständliche Aufklärung über die aus dem Kauf resultierenden Kosten enthält und er die ihm tatsächlich entstehenden Kosten daher nicht abschätzen kann. Eine unlautere Werbung liegt deshalb vor, wenn die Angabe des Minutenpreises für das Herunterladen kaum lesbar ist und die durchschnittliche tatsächliche Dauer des Ladevorgangs nicht bzw. unzutreffend kurz angegeben wird. (Werbung für Handy-Klingeltöne in Jugendzeitschriften; Mehrwertdienstrufnummern) OLG Frankfurt a.M. vom 30.6.2005 CR 2005, 830 = NJW-RR 2005, 1280 = MMR 2005, 696 = WRP 2005, 1029 Eine zu Werbezwecken erfolgende Datenerhebung bei Kindern, die, ohne Einschaltung der Eltern, über das Internet zu einem von einem Kfz-Hersteller angebotenen Club-Mitgliedschaft veranlasst werden, stellt ein unlauteres Ausnutzen der geschäftlichen Unerfahrenheit der Kinder dar. § 4 BDSG ist keine verbraucherschüt-
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F. Wettbewerbsrecht zende Norm in Sinne von § 2 Abs. 1 UKlaG und auch nicht dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. („Skoda-Autokids-Club“; Autoclubmitgliedschaft für Kinder) OLG München vom 16.6.2005 CR 2006, 347 = MMR 2005, 608 Die Internetbenutzung einer Kennzeichnung ist nicht bereits deshalb eine solche im Inland, weil inländische Internetnutzer die Dienstleistung tatsächlich in Anspruch nehmen. Zur Feststellung einer rechtserhaltenden Nutzung einer inländischen Marke bedarf es vielmehr eines wirtschaftlich relevanten Inlandsbezuges des Internetauftritts. Durch das bloße Abrufen der Seiten im Inland kommt den Benutzungshandlungen im Internet keine rechtserhaltende Wirkung zu. Ansonsten würde dies zu einer uferlosen Ausdehnung der Rechtserhaltung führen. (rechtserhaltende Benutzung einer Dienstleistungsmarke im Internet) OLG Düsseldorf vom 24.5.2005 CR 2005, 657 ff. m. Anm. Erdemir Ein effizientes Zugangshindernis i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV/ § 184 c StGB setzt Schutzvorkehrungen voraus, die eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers enthalten. Bei der Verwendung ineffizienter Altersverifikationssysteme handelt wegen Verstoßes gegen den Jugendschutz nicht nur der Anbieter der pornografischen Inhalte, sondern auch der Betreiber des Altersverifikationssystems wettbewerbswidrig. (Altersverifikation, persönliche Identifikation, ueber18.de, §§ 3, 4 UWG) OLG Bamberg vom 12.5.2005 CR 2006, 274 = MMR 2006, 481 Der Adressat unverlangter E-Mail-Werbung hat gegen den Absender einen Unterlassungsanspruch dahin, E-Mails an die von ihm unterhaltene E-Mail-Adresse zu versenden, und ferner einen Anspruch auf Löschung der im Zusammenhang mit seiner E-Mail-Adresse bei dem Absender gespeicherten Daten. Auf die Anzahl der übersandten E-Mails und deren Umfang kommt es hierfür nicht an. Bezüglich der Mailadresse besteht lediglich ein Anspruch auf Sperrung, da der Mailversender ein berechtigtes Interesse daran hat, die Adresse in einen Sperrfilter aufzunehmen, um künftige Versendungen unverlangter Werbung zuverlässig verhindern zu können. (Spamming) OLG Frankfurt a.M. vom 7.4.2005 CR 2005, 667 Die Entscheidung der Frage, ob das Angebot eines Markenplagiats auf einer Internet-Auktionsplattform im geschäftlichen Verkehr erfolgt, ist einer schematisierenden Betrachtungsweise nicht zugänglich. Es ist eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Wenn sich die über einen bestimmten „account“ abgewickelte Verkaufstätigkeit als geschäftliches Handeln darstellt, ist auch grundsätzlich jedes im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit eingestellte Angebot als im geschäftlichen Verkehr erfolgt zu werten. (Handeln des „account“-Inhabers im geschäftlichen Verkehr)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Köln vom 18.3.2005 CR 2005, 669 = MMR 2005, 545 Der Begriff des geschäftlichen Verkehrs ist weit auszulegen und erfasst jede Handlung, die der Förderung eines eigenen oder fremden Geschäftszwecks dient, ohne dass es z.B. auf Gewinnerzielungsabsicht, oder sofern nur eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt, auf Entgeltlichkeit ankäme. (ricardo.de II) OLG Frankfurt a.M. vom 17.3.2005 CR 2006, 58 = MMR 2005, 461 Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen zwei stationären Einzelhandelsmärkten kann trotz räumlicher Distanz zu bejahen sein, wenn der klagende Einzelhandelsmarkt ein konzernmäßig mit ihm verbundenes Online-Unternehmen gegen Entgelt mit Waren beliefert, die das Schwesterunternehmen über Internet bundesweit, und damit auch im Bereich des beklagten Marktes, anbietet. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens bei dem klagenden stationären Markt im Falle einer irreführenden Vorratswerbung des beklagten Marktes steht damit jedoch nicht fest. (Konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen zwei stationären Einzelhandelsmärkten) OLG Hamm vom 11.3.2005 MMR 2005, 378 Macht ein mittelständisches Unternehmen wegen der unverlangten Zusendung von Werbe-Telefaxen einen bürgerlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB geltend, begründet der anzunehmende Streitwert jedenfalls die landgerichtliche Zuständigkeit. Eine Streitwertfestsetzung auf (nur) 1000 Euro durch das angerufene Landgericht und eine darauf folgende Verweisung ist objektiv willkürlich und bindet daher das aufnehmende Amtsgericht nicht. (Streitwert bei Telefaxwerbung) OLG Nürnberg vom 7.3.2005 MMR 2005, 464 mit Anm. Liesching Ein effizientes Zugangshindernis i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV setzt Schutzvorkehrungen voraus, die eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers enthalten. Wird auf ein ineffizientes Altersverifikationssystem zurückgegriffen, so liegt wegen Verstoß gegen den Jugendschutz wettbewerbswidriges Handeln vor. (Verwendung des Alterskontrollsystems „über 18.de“ für pornographische Angebote im Internet) Kammergericht vom 4.3.2005 CR 2005, 671 = MMR 2005, 315 Hat ein Anbieter einer Ware über die Internet-Versteigerungsplattform Ebay eine beanstandete Markennennung nicht etwa im Rahmen eines Aufklärungsvergleichs in der Weise vorgenommen, dass er sich mit den unterschiedlichen Merk-
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F. Wettbewerbsrecht malen bzw. Wirkungsweisen seines und des genannten Markenproduktes auseinandergesetzt hätte, sondern hat er die fremde Marke ausschließlich als Vorspann, sog. „Eye-Catcher“, für die eigene Produktwerbung in seiner Artikelbezeichnung benutzt, und zielt damit die Handlungsweise ausschließlich darauf ab, die mechanische Suchfunktion durch Nennung der fremden Marke auszunutzen, indem Kunden, die sich für das Produkt des Markeninhabers interessieren, auch auf das Produkt des Anbieters aufmerksam gemacht werden, ist dies wettbewerbsrechtlich unlauter. (unlautere Rufausnutzung bei Markennennung als „Eye-Catcher“) OLG Hamburg vom 24.2.2005 CR 2006, 127 = K&R 2005, 522 Sind für miteinander verlinkte Internetseiten unterschiedliche Unternehmen rechtlich verantwortlich, so ist dasjenige Unternehmen, auf dessen Internet-Angebot mittels Link verzweigt wird, ohne Hinzutreten besonderer Umstände für die Inhalte auf der übergeordneten Internetseite selbst dann nicht wettbewerbsrechtlich verantwortlich, wenn beide Unternehmen konzernverbunden sind und die Verlinkung auch im Interesse des Betreibers der untergeordneten Seite erfolgt. (Haftung für Links; Konzernverbund) OLG Hamburg vom 3.2.2005 CR 2005, 366 = MMR 2005, 467 Die Versandkosten für über das Internet angebotene Waren nach § 1 Abs. 2 PAngV sind nicht dem Angebot oder der Preiswerbung im Sinne des § 1 Abs. 6 PAngV eindeutig zugeordnet, leicht erkennbar, deutlich lesbar und sonst gut wahrnehmbar, wenn sich bei der Produktbezeichnung zwar ein Link „mehr Info“ befindet, am Preis selbst jedoch zusätzlich ein Sternchen, das auf der Bildschirmseite selbst nicht aufgelöst wird. Zusätzlich fehlt es in einem solchen Fall an einer leichten Erkennbarkeit, wenn die Versandkosten auf der mit „mehr Info“ verlinkten Seite erst nach drei Bildschirmseiten mit technischen Erläuterungen angegeben werden und dem Besucher zuvor mehrmals angeboten wird, zum Bestellvorgang überzugehen. (Versandkostenangaben) OLG Hamburg vom 19.1.2005 CR 2005, 459 = MMR 2005, 471 Die Werbung für ein Glücksspiel im Internet ohne deutsche Konzession ist verboten. (Werbung für unerlaubtes Glücksspiel) OLG Hamm vom 18.1.2005 CR 2006, 19 = MMR 2005, 316 Besteht zwischen dem Versender von Telefaxwerbung und dem Adressaten keine Geschäftsbeziehung und der Faxempfänger hat auch keine Einwilligung gegeben, liegt ein Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb vor. (Telefaxwerbung außerhalb einer Kundenbeziehung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG München vom 13.1.2005 CR 2005, 535 = MMR 2005, 710 Die Formulierung in einem Vertragsstrafeversprechen, im Internet nicht mehr „für jedermann zugänglich, d.h. ohne Angabe eines Passwortes“ mit Gutachten, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen für eine Behandlungsmethode zu werben, ist nicht als Pflicht zur überprüften Passwortvergabe im Sinne einer Zugangskontrolle auszulegen. Insbesondere vor dem Hintergrund von § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG, dessen Umsetzung die Unterlassungsverpflichtung dient, ist eine Passwortvergabe mit Angaben zur Person ohne Überprüfung dieser Angaben ausreichend. (wettbewerbswidrige Arztwerbung im Internet) Kammergericht vom 9.11.2004 CR 2005, 291 = MMR 2005, 246 Das Verbringen von im Geltungsbereich des AMG nicht zugelassenen oder registrierten Arzneimitteln (ohne gültige Arzneimittelzulassung) an private Endverbraucher in Deutschland durch die niederländische Versandapotheke Doc Morris verstieß gegen §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 Halbsatz 1 AMG a.F. und verstößt auch nunmehr gegen §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 Halbsatz 1 AMG n.F. Der Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Halbsatz 1 AMG i.V.m. § 43 Abs. 1 AMG (alter und neuer Fassung) ist wettbewerbswidrig gemäß § 1 UWG a.F. (Vorsprung durch Rechtsbruch) und gemäß § 4 Nr. 11 UWG n.F. (Internet-Apotheke Doc Morris) OLG Köln vom 29.10.2004 MMR 2005, 251 Der durchschnittlich informierte Verbraucher wird durch die anfängliche Angabe von Nettopreisen „zuzüglich Steuern und Gebühren“, welche die bei Inlandflügen anfallende Mehrwertsteuer nicht nennen, nicht irregeführt, wenn er im weiteren Systemverlauf zu dem richtigen Endpreis zuverlässig hingeführt wird. Denn mangels anderweitiger Glaubhaftmachung ist im einstweiligen Verfügungsverfahren davon auszugehen, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher, der beizeiten darüber unterrichtet wird, dass dem zunächst genannten Preis die anfallenden Steuern und Gebühren noch hinzuzurechnen sind, die Preise verschiedener Fluggesellschaften für seine Buchungsentscheidung abschließend miteinander erst dann vergleicht, wenn er alle den Endpreis bildenden Faktoren zur Kenntnis genommen hat. (Flugpreistarife ohne Mehrwertsteuernennung in einem Online-Reservierungssystem) OLG Frankfurt a.M. vom 28.10.2004 MMR 2005, 383 Eine elektronische Datenbank mit über 7000 namentlich gelisteten, z.T. verschreibungspflichtigen, Arzneimitteln, die ohne Zugangsbeschränkung nach Namen und Wirkstoffen durchsucht werden kann, stellt keine heilmittelrechtlich unzulässige Publikumswerbung dar, solange nicht einzelne Arzneimittel werbetypisch herausgehoben sind. (Onlinedatenbank über Arzneimittel)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Frankfurt a.M. vom 14.10.2004 NJW 2005, 1283 Präsentiert sich ein werbender Anwalt den Interessenten als von den Richtern geschätzt, hat dies den Anscheint, als ob er in einem Namensverhältnis zu den zur Neutralität verpflichteten Richtern steht. Dadurch erweckt er den Eindruck, dass er Prozesse nicht nur wegen seiner sachlichen Befähigung, sondern auch aufgrund seiner persönlichen Beziehungen gewinnen könne. (Werbung eines Rechtsanwalts; berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot) OLG Düsseldorf vom 22.9.2004 MMR 2004, 820 Zur Qualifikation der einmaligen Zusendung einer Werbe-E-Mail eines Verlegers für den von ihm herausgegebenen „Mandantschaftsbrief“ an einen Rechtsanwalt als Eingriff in dessen Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§§ 823, 1004 BGB). (Spamming) OLG Hamm vom 21.9.2004 CR 2005, 209 = MMR 2005, 101= K&R 2005, 274 Eine niederländische Versandhandelsapotheke (Internetapotheke) mit dem Tätigkeitsschwerpunkt des Arzneimittelversandes nach Deutschland verstößt nicht gegen das Wettbewerbsrecht, wenn sie apothekenpflichtige Arzneimittel unterhalb der Preise der Arzneimittelpreisverordnung und ohne die in Deutschland gesetzlich vorgesehene Zuzahlung an Endverbraucher in Deutschland verkauft. (Arzneimittelversand durch Internetapotheke) OLG Hamburg vom 9.9.2004 CR 2005, 294 = MMR 2005, 322 Der im Impressum einer Internetseite als Verantwortlicher genannte Dienstanbieter ist insbesondere im Fall des sog. Domain-Hidding – für die zugänglich gemachten Leistungen auch dann verantwortlich, wenn er nicht Domain-Inhaber ist. Objektiv widersprüchliche Impressum-Angaben, die auf zwei unterschiedliche Unternehmen verzweigen, begründen jedenfalls eine Verantwortlichkeit als Mitstörer. (Domain-Hiding – EroticsLive) OLG Hamburg vom 19.8.2004 CR 2004, 925 Das Anbieten und Bewerben von Glücksspielen ohne inländische Erlaubnis stellt sich weiterhin als unlautere Wettbewerbshandlung dar, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedsstaates wirksam erteilte Genehmigung kann die nach § 284 StGB erforderliche inländische Erlaubnis nicht ersetzen. (Sportwetten im Internet; Genehmigungspflicht)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Frankfurt a.M. vom 16.8.2004 CR 2005, 297 Der Begriff des Handelns im geschäftlichen Verkehr ist weit auszulegen. Er umfasst jede selbständige, wirtschaftlichen Zwecken dienende Tätigkeit, die nicht ein rein privates, amtliches oder geschäftsinternes Verhalten ist. Dabei ist die Verfolgung eines Erwerbszweckes nicht notwendig, ebenso wenig wie eine Gewinnerzielungsabsicht. Maßgebend für das Handeln im geschäftlichen Verkehr ist die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden. (Cartier; Handeln im geschäftlichen Verkehr bei Angeboten über die Handelsplattform Ebay) OLG Hamburg vom 12.8.2004 CR 2005, 128 = MMR 2005, 108 = WRP 2004, 1512 Die Angaben zu Umsatzsteuer und Versandkosten nach § 1 Abs. 2 PAngV müssen sich bei der Bewerbung von Angeboten im Internetversandhandel entweder in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den beworbenen Artikeln befinden oder der Nutzer muss jedenfalls in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung unzweideutig zu dem Preis mit allen seinen Bestandteilen einschließlich der Angaben nach § 1 Abs. 2 PAngV hingeführt werden. Neben § 6 Abs.1 TDG ist § 1 Abs.2, 6 PAngV auf den Internetversandhandel anzuwenden. (Preisangaben beim Internetversandhandel) OLG Hamburg vom 12.8.2004 CR 2005, 298 Der Inhaber einer vor der Wiedervereinigung Deutschlands durch die Stadt Gera erteilten Genehmigung zur Veranstaltung von Sportwetten handelt nicht wettbewerbswidrig, wenn er ohne Genehmigung der Stadt Hamburg in Hamburg für Sportwetten wirbt und auch Hamburgern über das Internet Sportwetten anbietet. (Sportwetten im Internet) OLG Köln vom 6.8.2004 MMR 2005, 111 = K&R 2005, 144 Die Bewerbung eines Handys im Internet verstößt gegen § 1 Abs. 6 PAngV und rechtfertigt gemäß §§ 3 , 4 Nr. 11 UWG den Unlauterkeitsvorwurf, wenn auf den zunächst aufgesuchten Seiten allein der Warenpreis ohne jeden Hinweis auf zusätzlich anfallende Versandkosten genannt wird und diese Kosten erst auf einer nachfolgenden Seite angegeben werden, die der Kaufinteressent erst erreicht, wenn er virtuell einen Warenkorb gefüllt hat. (Versandkostenangabe) OLG Köln vom 6.8.2004 MMR 2005, 110 Bei einer Internetwerbung, die unter dem Top-Level „com“ weltweit abrufbar und für den Weltmarkt, nicht aber speziell für deutsche Verkehrskreise, konzipiert und deshalb vollständig in englischer Sprache verfasst ist, müssen auf eine falsche
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F. Wettbewerbsrecht Übersetzung zurückgehende Täuschungen des deutschen Verkehrs hingenommen werden. (Irreführung durch englischsprachigen Internetauftritt) OLG München vom 29.7.2004 NJW 2004, 3344 = MMR 2004, 755 = K&R 2005, 91 Versandhandel i.S.d. § 1 Abs. 4 JuSchG liegt nur dann vor, wenn es sowohl am persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller als auch an technischen oder sonstigen Vorkehrungen fehlt, durch die sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt. Der Begriff des Versands an Kinder und Jugendliche in § 1 Abs. 4 JuSchG erfasst nicht allein den Vorgang des Absendens, sondern den gesamten Ablauf der Übermittlung einschließlich des Eintreffens in der Sphäre des Empfängers. (wettbewerbswidrige Zuwiderhandlung gegen Jugendschutzvorschriften) OLG Frankfurt a.M. vom 27.7.2004 NJW 2004, 3433 Eine Bewerbung eines Schmuckstücks mit der Anpreisung im „Cartier-Stil“ ist eine vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG in der Fassung vom 3. Juli 2004; diese Werbung ist unlauter, weil sie die Wertschätzung des Kennzeichens „Cartier“ ausnutzt. Dagegen liegt mangels einer markenmäßigen Benutzung kein Fall einer Markenverletzung vor. (vergleichende Werbung – Cartier) Kammergericht vom 22.6.2004 NJW-RR 2005, 51= CR 2005, 64 Auch eine politische Partei haftet als Mitstörerin auf Unterlassung, wenn sie über eine sog. E-Card-Funktion auf ihrer Webseite Dritten ein anonymes Spamming erleichtert. (E-Cards) OLG Frankfurt a.M. vom 15.6.2004 MMR 2004, 683 mit Anm. Stopp Entgeltlicher Versand von Papierabzügen von Bildern durch Online-Fotodienste fällt unter § 22 KUG, der jede Verbreitung eines Werkstücks in körperlicher Form verbietet, und nicht unter die Privilegierung des TDG. (Online-Fotoservice) OLG Köln vom 8.6.2004 K&R 2006, 240 Die Schaltung eines rechtlich geschützten Begriffs als Google AdWords kann unter bestimmten Umständen eine wettbewerbswidrige Rufausbeutung darstellen. (Google AdWords; wettbewerbswidrige Rufausbeutung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Frankfurt a.M. vom 2.6.2004 MMR 2004, 617 = K&R 2004, 447 Wer im Rahmen einer Internet-Versteigerung Zigarren zu einem Startpreis anbietet, der unter dem gesetzlich festgelegten Kleinverkaufspreis liegt, verstößt, wenn Anhaltspunkte für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegen, gegen § 1 UWG, da die Preisvorschrift des Tabaksteuergesetzes Wettbewerbsbezug aufweist. (Startangebot für Zigarren unter dem gesetzlichen Kleinverkaufspreis in einer Internet-Versteigerung) OLG Frankfurt a.M. vom 12.5.2004 CR 2005, 343 = MMR 2005, 116 Im Internethandel kann es genügen, wenn die notwendigen Preisangaben aufgrund einfacher elektronischer Verknüpfung festgestellt werden können, sofern der Nutzer hierauf klar und unmissverständlich hingewiesen wird. (Preisangaben im Internethandel) OLG Köln vom 7.5.2004 MMR 2004, 617 = ITRB 2004, 196 (Günther) Soweit § 1 Abs. 6 PAngV vorschreibt, dass Preisangaben leicht erkennbar und deutlich lesbar sein müssen, schließt dies die Verwendung von Hyperlinks nicht aus, solange der jeweilige Link klar als Verweis auf die Preisangaben gekennzeichnet ist. Bei einer verwirrenden Gestaltung ist dies nicht der Fall. (Erreichbarkeit von Handy-Tarifangaben über zwei Links unter Verwendung der Bezeichnung „mehr Tarif-Vorteile“) OLG Hamburg vom 6.5.2004 CR 2005, 258 = MMR 2005, 186 = K&R 2005, 45 Die Verwendung einer fremden Marke als Meta-Tag im HTML-Code oder in der Benutzungsform der „weiß auf weiß-Schrift“ auf Internetseiten stellt eine unzulässige zeichenmäßige Markenbenutzung dar, wenn die Bezeichnung als reines Phantasiewort ohne erkennbaren beschreibenden Inhalt gebildet ist und deswegen als „typische“ Markenbezeichnung als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden wird. (fremden Marken als Meta-Tag) OLG Düsseldorf vom 20.4.2004 GRUR-RR 2205, 87 Eine Anzeigenwerbung für Leistungen der Telefonie, die über einen gegen ein Bereitstellungsentgelt überlassenen Anschluss für einen monatlichen Grundpreis und für Gesprächsentgelte angeboten werden, mit der für Wochenenden und Feiertage geltenden Angabe „Telefonieren für 0 Cent!“ und der Mitteilung des Betrags, um den sich der monatliche Grundpreis dadurch erhöhe, verpflichtet zur Angabe auch des Bereitstellungsentgelts und des monatlichen Grundpreises insgesamt. (Preisangabepflicht in der Anzeigenwerbung)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Hamm vom 17.3.2004 CR 2005, 64 = NJW-RR 2004, 1045 = MMR 2004, 549 Ein Versicherer, der Kunden ausschließlich über das Internet akquiriert, muss nicht notwendig auf seiner Internetseite eine Telefonnummer angeben. (Telediensteanbieter: Pflicht zur Angabe der Telefonnummer) OLG Hamburg vom 11.3.2004 CR 2005, 368 Zur Irreführung über den Preis durch das Unterlassen von Angaben zu verbrauchsabhängigen Preisbestandteilen bei Telekommunikationsdienstleistungen. (Irreführung über den Preis) OLG Hamburg vom 4.3.2004 CR 2004, 929 = NJW-RR 2004, 1558 Ein Internet-Service für Preisvergleiche, der die „tagesaktuellen“ Verkaufspreise von eigenverantwortlich ausgewählten Einzelhändlern in Angebotslisten unter den Rubriken „Marktpreis“, „Preis“ und „Ersparnis“ aufführt, handelt in seinem medialen Funktionsbereich grundsätzlich nicht zu Zwecken des Wettbewerbs (Art. 5 GG). Insoweit ist ein Anspruch aus § 3 UWG betreffend die Angebotslisten (wegen des fehlenden Hinweises zu Versandkosten und wegen der mehrdeutigen Angabe: „Marktpreis“) auch aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung nicht gegeben. (irreführende Werbung durch Preisvergleiche) OLG Hamburg vom 26.2.2004 NJW 2004, 1668 Tritt eine auf den Bereich „Anlegerschutz für Aktionäre“ spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei über eine Internetseite an vermeintlich geschädigte Aktionäre heran, indem sie die Möglichkeit einer Vollmachtserteilung bereithält, auf die Erfolgsaussichten einer Klage hinweist, sowie Informationen zu den konkreten Verfahren anbietet, stellt dies keine verbotene Werbung um ein Mandat im Einzelfall dar. (Internetwerbung einer Rechtsanwaltskanzlei) OLG Düsseldorf vom 17.2.2004 MMR 2004, 319 Die Verwendung einer fremden Marke in den Metatags einer Website löst weder kennzeichenrechtliche noch wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus. Es fehlt an einer kennzeichenmäßigen Verwendung. Ein unlauteres Abfangen von Kunden kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn sich der Dritte durch die MetatagVerwendung in den Suchmaschinen bei Eingabe der entsprechenden Suchbegriffe vor den Markeninhaber drängt. (fremde Marke in Metatags)
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Rechtsprechungsübersicht OLG München vom 12.2.2004 MMR 2004, 324 Der Anbieter von E-Cards haftet als mittelbarer Störer für über seine Website versandte unerwünschte Werbe-E-Mails. Dabei liegt ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Empfängers bereits bei dem Versand einer einzigen E-Mail vor. Der Verzicht auf Werbe-Filter durch den Empfänger ist für die rechtliche Bewertung unerheblich. (unerwünschte E-Mail-Werbung per E-Card) OLG Hamburg vom 6.11.2003 CR 2004, 460 = MMR 2004, 335 Bewirbt ein Internethändler Geräte der Unterhaltungselektronik mit der Angabe „Top Tagespreis“ und kann man den Preis erst durch Anklicken dieser Worte in Erfahrung bringen, liegt ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vor. (Bewerbung mit „Top Tagespreis“ im Internet) OLG Karlsruhe vom 22.10.2003 CR 2004, 535 = WRP 2004, 507 Die Benutzung einer fremden Marke als Metatag im Quellcode von Websites stellt eine rechtsverletzende Gebrauchshandlung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar. Die Markenbenutzung dient der Kennzeichnung und Unterscheidung der Dienstleistungen des Inhabers der Website von anderen Diensteanbietern. Die benutzte Marke verweist unmittelbar auf den Inhalt der auf der betreffenden Website angebotenen Dienstleistung. (fremde Marke als Metatag) OLG München vom 11.9.2003 CR 2004, 53 = MMR 2004, 36 Informationen zur Anbieterkennzeichnung, die über einen doppelten Link mittels „Kontakt“ und „Impressum“ aufgerufen werden können, können den Anforderungen des Transparenzgebots gemäß § 6 Satz 1 TDG, § 10 Abs. 2 Satz 1 MDStV ebenso wie den Anforderungen des Transparenzgebots gemäß § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB genügen. (Impressum, Link) OLG Düsseldorf vom 15.7.2003 CR 2004, 462 = MMR 2004, 257 Die Verwendung eines Firmenschlagworts als Metatag stellt keine kennzeichenmäßige Benutzung der Unternehmensbezeichnung dar. Jedenfalls wenn die Unternehmensbezeichnung mit einem allgemein gebräuchlichen deutschen Wort identisch ist, liegt auch kein Wettbewerbsverstoß vor. (fremde Marke in Metatags – Impuls)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Jena vom 14.5.2003 NJW-RR 2003, 1199 = WRP 2003, 1141 Zwar können falsche Angaben über bestimmte Eigenschaften eines Geschäftsbetriebes irreführend im Sinne des § 3 UWG sein, damit ist jedoch das schlichte Bereithalten von Links zu Verbänden innerhalb einer Rubrik „Links“ auf einer Website aufgrund der Eigenart und der Natur des Links nicht zu vergleichen. Die bloße kommentarlose Auflistung von Links in einer solchen Rubrik suggeriert insbesondere keine Mitgliedschaft in dort aufgeführten (Dach-) Verbänden. (Link zu Branchenverband) OLG Hamburg vom 20.11.2002 CR 2003, 283 = MMR 2003, 105 Der Diensteanbieter hat bei der Gliederung der Seiten für Links eine Terminologie zu wählen, die für den Nutzer auch als Hinweis auf die Angaben des § 6 TDG verstanden wird, d.h. es muss auf die üblichen Bezeichnungen wie „Kontakt“ oder „Impressum“ zurückgegriffen werden. Der Begriff „Backstage“ weist dagegen nicht mit der erforderlichen Klarheit auf die Angaben nach § 6 TDG hin. (Informationspflichten des Telediensteanbieters) OLG Düsseldorf vom 1.10.2002 CR 2003, 133 = MMR 2003, 407 mit Anm. Pohle = WRP 2003, 104 Die Verwendung von Metatags, die keinen sachlichen Bezug zu den auf einer Internetseite angebotenen Informationen aufweisen, ist jedenfalls dann nicht wettbewerbswidrig, wenn aus der Trefferliste der Suchmaschine sofort ersichtlich ist, dass ein Zusammenhang mit dem eingegebenen Suchwort nicht besteht. Weder ein übertriebenes Anlocken noch eine irreführende Täuschung liegen in einem solchen Fall vor. (sachfremde Metatags) OLG Braunschweig vom 12.9.2002 MMR 2003, 276 = ITRB 2003, 168 (Rössel) Das Angebot von Online-Rechtsberatung verstößt nicht gegen das Verbot der auf den Einzelfall gerichteten Werbung, wenn der Nutzer zunächst durch einen Kostenvoranschlag eine Preiseinschätzung erhält. (Online-Rechtsberatung) Kammergericht vom 20.6.2002 CR 2003, 291 = ITRB 2003, 99 Die Versendung unaufgeforderter Werbung per E-Mail stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers dar. (Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Spam-E-Mail)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Karlsruhe vom 27.3.2002 CR 2002, 682 = NJW-RR 2002, 1127 = MMR 2002, 618 = WRP 2002, 849 Für die Erfüllung der fernabsatzrechtlichen Informationspflichten genügt es nicht, ein jederzeit zugängliches „Impressum“ bereitzuhalten. (Lottotipps) Kammergericht vom 08.1.2002 CR 2002, 759 = MMR 2002, 685 = K&R 2002, 547 E-Mail-Werbung stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Empfängers dar. Die Beweislast für das Einverständnis des Empfängers liegt bei dem Versender. (Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Spam-E-Mail) OLG München vom 20.12.2001 NJW 2002, 760 = CR 2002, 530 = K&R 2002, 371 Ein auf der Website eines Rechtsanwalts befindliches Interessentenschreiben mit Vollmacht, Honorarvereinbarung und Newsletter verstößt nicht gegen § 43 b BRAO, sofern es nicht auf einen konkreten einzelnen Schadensfall zugeschnitten ist. (Interessentenschreiben auf Anwalts-Website) Kammergericht vom 4.9.2001 MMR 2002, 119 Die rechtliche zulässige Nennung eines Unternehmens oder Produkts in der Online-Ausgabe einer Zeitung wird nicht dadurch wettbewerbswidrig, dass ein Link auf die Website des betreffenden Unternehmens gesetzt wird. (Links zu verbotenem Glücksspiel – Schöner Wetten) OLG Köln vom 1.6.2001 CR 2001, 545 = MMR 2001, 523 So genanntes Community-Shopping, bei dem bei Erreichen bestimmter Käuferzahlen jeweils erhebliche Rabatte in Aussicht gestellt werden, ist jedenfalls in einer Version, bei der eine zeitliche Befristung und eine begrenzte Teilnehmerzahl vorgesehen sind, unter dem Gesichtspunkt unlauterer aleatorischer Reize wettbewerbswidrig. (Powershopping mit unterschiedlichen Preisstufen und begrenzter Teilnehmerzahl) OLG Köln vom 4.5.2001 NJW-RR 2001, 1570 Es ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Zahnarzt auf seiner Website das Panorama seiner Heimatstadt nebst Erläuterungen zu seiner Person und Mitarbeitern sowie Hinweise zur häuslichen Zahnpflege präsentiert. (Inhalt einer Zahnarztwebsite)
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F. Wettbewerbsrecht OLG Oldenburg vom 5.4.2001 NJW 2001, 2026 Es stellt keine unerlaubte Werbung eines Rechtsanwalts dar, wenn er auf der als „Anzeige“ bezeichneten Sonderseite einer Tageszeitung unter einer Anzeige für seine Bürogemeinschaft und der Abbildung seines Fotos einen redaktionellen Beitrag veröffentlicht (hier: hier zum Verhalten gegenüber Steuerfahndern), der sich in den Grenzen der zulässigen Informationswerbung hält. (Anwaltswerbung; redaktioneller Beitrag auf der Anzeigenseite einer Tageszeitung) OLG Köln vom 9.3.2001 MMR 2001, 702 Inhalte der Website eines Zahnarztes, die in reklamehafter Weise die Aufmerksamkeit des interessierten Publikums erregen sollen, sind keine zulässigen Sachinformationen. (Inhalt einer Zahnarztwebsite) Kammergericht vom 19.5.2000 NJW 2001, 526 = MDR 2001, 239 = K&R 2001, 55 Die Angabe der Berufsbezeichnung „Notare.Rechtsanwälte“ auf der Website einer Anwaltskanzlei ist dann nicht unlauter, wenn beide Berufsgruppen in dieser Kanzlei vertreten sind. (Bezeichnung: Notare.Rechtsanwälte auf Website) OLG Köln vom 5.5.2000 CR 2000, 770 Wer durch eine einstweilige Verfügung verpflichtet ist, seine Homepage abzuändern, muss sicherstellen, dass bei dem Provider nur noch die Neufassung der Homepage abrufbar ist. (anzuwendende Sorgfalt bei Pflicht zur Änderung einer Homepage) OLG München vom 6.4.2000 CR 2000, 461 Die Verwendung einer fremden Marke in den Metatags einer Website stellt eine markenmäßige Benutzung dar und ist unzulässig, auch wenn die Metatags durch den Nutzer nicht unmittelbar wahrgenommen werden können. (fremde Marke in den Metatags – Hanseatic) OLG Oldenburg vom 27.1.2000 MMR 2000, 428 Wer sich zur Unterlassung unzulässiger Werbung auf seiner Website verpflichtet hat, muss prüfen, ob sein Provider den Löschungsauftrag tatsächlich durchgeführt hat. (Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Celle vom 12.5.1999 CR 1999, 523 mit Anm. Wiebe = NJW-RR 2001, 334 = MMR 1999, 480 mit Anm. Hoffmann = K&R 1999, 370 = NJW-CoR 1999, 366 = WRP 1999, 865 Wird eine Linksammlung, die ein Konkurrent zusammengestellt und auf seine Website eingestellt hat, von einem Wettbewerber auf dessen Website mittels eines Deeplinks scheinbar übernommen, so ist dies jedenfalls als unmittelbare Leistungsübernahme wettbewerbswidrig gem. § 1 UWG a.F., wenn dies ohne Hinweis auf die Urheberschaft des Konkurrenten geschieht. (Übernahme von „Homepage-Informationsdienst“ – weyhe-online.de) OLG Nürnberg vom 23.3.1999 NJW 1999, 2126 = CR 2000, 243 = K&R 1999, 372 = AnwBl 1999, 407 Die Einrichtung eines Gästebuchs auf der Website eines Rechtsanwalts verstößt gegen § 43 b BRAO, wenn es von den Internetnutzern für beliebige Eintragungen genutzt werden kann. (Gästebuch auf Anwalts-Website) OLG Koblenz vom 13.2.1997 NJW 1997, 1932 Einem Zahnarzt ist es untersagt, ein Gästebuch auf seiner Website zu führen und Gewinnspiele anzubieten. Auch das Angebot von „dental-Paintings“ ist berufswidrig. (Internetwerbung vom Zahnarzt)
G. Domainrecht EuGH vom 3.6.2010 Az. C-569/08 Zum Widerruf von missbräuchlich registrierten eu.-Domains (reifen.eu) BVerfG vom 21.8.2006 K&R 2006, 518 = CR 2006, 770 mit Anm. Kitz Hat ein Pseudonym noch keine allgemeine Verkehrsgeltung erlangt, so ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn einem bürgerlichen Namen Vorrang gegenüber dem Pseudonym gegeben wird. (maxem.de; Pseudonym; § 12 BGB) BVerfG vom 24.11.2004 NJW 2005, 589 = CR 2005, 282 Das Nutzungsrecht an einer Domain stellt zwar eine eigentumsfähige Position i.S.v. Art. 14 GG dar; der Inhaber erwirbt aber weder das Eigentum an der Internetadresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain. Das relativ wir-
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G. Domainrecht kende, vertragliche Nutzungsrecht stellt einen rechtlich geschützten Vermögenswert dar. Es ist dem Inhaber der Domain ebenso ausschließlich zugewiesen, wie ein Eigentum. (ad-acta.de; Eigentum; Eigentumsschutz; Vermögensschutz) BGH vom 31.3.2010 WRP 2010, 880 Die Gleichgewichtslage, die zwischen zwei in derselben Branche, aber an verschiedenen Standorten tätigen gleichnamigen Handelsunternehmen besteht, kann dadurch gestört werden, dass eines der beiden Unternehmen das Unternehmenskennzeichen als Internetadresse oder auf seinen Internetseiten verwendet, ohne dabei ausreichend deutlich zu machen, dass es sich nicht um den Internetauftritt des anderen Unternehmens handelt. (Peek & Cloppenburg) BGH vom 29.7.2009 WRP 2010, 381 = K&R 2010, 192 = GRUR 2010, 235 Der Grundsatz, dass eine Verwechslungsgefahr trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen wegen eines ohne weiteres erkennbaren eindeutigen Begriffsinhalts zu verneinen sein kann, gilt auch dann, wenn nur das Klangzeichen über einen solchen Bedeutungsinhalt verfügt. (AIDA/AIDU; Bedeutungsinhalt von Klangzeichen) BGH vom 18.6.2009 CR 2010, 112 = WRP 2010, 266 = MDR 2010, 398 = K&R 2010, 123 Der Schutz eines Werktitels nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG setzt einen befugten Gebrauch voraus. Ein befugter Gebrauch liegt im Verhältnis zwischen Teilgläubiger und -schuldner nicht vor, solange die Benutzung des Werktitels dem Titelschuldner durch ein vollstreckbares Unterlassungsangebot verboten ist. In der Verwendung eines Domainnamens kann eine Benutzung als Werktitel liegen, wenn der Verkehr in dem Domainnamen ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks von einem anderen sieht. (Werktitelschutz; Domainnamen als Werktitel; EIFEL-ZEITUNG) BGH vom 14.5.2009 CR 2009, 801 mit Anm. Hackbarth = WRP 2009, 1533 = MDR 2009, 1402, MMR 2009, 758 = K&R 2009, 717 Der Schutz eines Domainnamens als Werktitel nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG kann grundsätzlich erst einsetzen, wenn das über den Domainnamen erreichbare titelschutzfähige Werk weitgehend fertig gestellt ist. (Werktitelschutz; Domainnamen; airdsl) BGH vom 11.5.2009 WRP 2009, 953 = K&R 2009, 648 Die Verwendung der Internet-Adresse „www.notar-in-r.(Stadt).de“ durch einen Notar ist zwar bedenklich, ein berufsrechtliche Maßnahmen rechtfertigender Ver-
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Rechtsprechungsübersicht stoß gegen die Bundesnotarordnung liegt aber nicht vor, sofern die Notarkammer die Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer noch nicht in eigenes Satzungsrecht umgesetzt hat. Nach diesen Empfehlungen darf der Notar in InternetDomain-Namen keine Begriffe verwenden, die eine gleichartige Beziehung zu anderen Notaren aufweisen und nicht mit individualisierenden Zusätzen versehen sind. (www.notar-in-rostock.de; amtswidrige Werbung) BGH vom 19.2.2009 CR 2009, 748 = WRP 2009, 803 = K&R 2009, 473 mit Anm. Rössel Die Registrierung eines Domainnamens kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände den Tatbestand einer unlauteren Mitbewerberbehinderung erfüllen und einen Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Domainnamens begründen. Solche Umstände liegen nicht schon vor, wenn der Domaininhaber eine Vielzahl von Domainnamen auf sich registrieren lässt, um sie potentiellen Interessenten zum Kauf oder zur entgeltlichen Nutzung anzubieten, und ein einem dieser Domainnamen entsprechendes Unternehmenskennzeichen eines Dritten erst nach der Registrierung des Domainnamens in Gebrauch genommen wird, wenn für den Domaininhaber zum Registrierungszeitpunkt kein besonderes Interesse eines bestimmten Unternehmens erkennbar war, gerade einen dieser Geschäftsbezeichnung entsprechenden Domainnamen zu verwenden. (ahd.de) BGH vom 23.10.2008 NJW 2009, 1756 = WRP 2009, 734 = MMR 2009, 394 = K&R 2009, 399 mit Anm. Recke Als Namensträger, der - wenn er seinen Namen als Internetadresse hat registrieren lassen - einen anderen Namensträger nicht weichen muss, kommt auch der Träger eines ausgefallenen und daher kennzeichnungskräftigen Vornamens (hier: Raule) in Betracht. (raule.de; Namensrecht; Vorname) BGH vom 24.4.2008 NJW 2008, 3716 = MMR 2008, 815 = K&R 2008, 735 mit Anm. Rössel Grundsätzlich verletzt ein Nichtberechtigter, für den ein Zeichen als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de“ registriert ist, das Namens- oder Kennzeichenrecht desjenigen, der an einem identischen Zeichen ein Namens- oder Kennzeichenrecht hat. Etwas anderes gilt jedoch regelmäßig dann, wenn das Namens- oder Kennzeichenrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung des Domainnamens durch den Nichtberechtigten entstanden ist. (afilias.de; prioritätsältere Domain; Namens-/Kennzeichenverletzung) BGH vom 13.3.2008 WRP 2008, 1353 Die Anmeldung und die Eintragung eines Zeichens als Marke stellen als solche noch keine kennzeichenmäßige Benutzung des Zeichens für die in Anspruch genommenen Waren oder Dienstleistungen dar, so dass darin noch keine Verletzung
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G. Domainrecht eines prioritätsälteren Kennzeichens im Sinne von § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 und 3 MarkenG liegt. Sie können jedoch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch des Inhabers des älteren Zeichenrechts begründen. (Metrosex) BGH vom 19.7.2007 CR 2007, 726 = K&R 2007, 524 = MMR 2007, 702 Das Halten eines Domain-Namens durch eine juristische Person des Handelsrechts stellt nicht schon deshalb eine Zeichenbenutzung dar, weil die juristische Person stets im geschäftlichen Verkehr handelt. Der Erfahrungssatz, dass der Verkehr einem Zeichen, das durch seine isolierte Verwendung im Geschäftsverkehr zunehmend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten hat, auch dann einen stärkeren Herkunftshinweis entnimmt, wenn er dem Zeichen als Bestandteil eines anderen Zeichens begegnet, ist grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn es sich bei dem Zeichen um eine von Haus aus beschreibende Bezeichnung handelt. (Euro Telekom) BGH vom 28.6.2007 CR 2007, 655 = NJW-RR 2008, 57 Der Schutz des Unternehmenskennzeichens einer Sprachschule, die nur regional und nicht bundesweit tätig ist, ist auf deren räumliches Tätigkeitsfeld beschränkt. (cambridgeinstitut.de) BGH vom 8.2.2007 NJW 2007, 2633 = CR 2007, 590 mit Anm. Klees = MMR 2007, 594 = K&R 2007, 471 Die Auftragsregistrierung einer Domain verletzt keine Namensrechte eines Dritten, wenn zwar nicht der Domaininhaber aber der Auftraggeber über Rechte am Domainnamen verfügt. (grundke.de) BGH vom 19.10.2006 K&R 2007, 209 Werden Äußerungen angegriffen, die als Meinungsäußerung zu werten sind und daher den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG genießen und keine Schmähkritik vorliegt, besteht kein Unterlassungsanspruch. (lottobetrug.de) BGH vom 5.10.2006 NJW 2007, 684 = CR 2007, 101 = MMR 2007, 106 = K&R 2007, 38 Das Namensrecht einer Person aus § 12 BGB, das auch ihren Künstlernamen schützt, erlischt mit dem Tod des Namensträgers. (kinski-klaus.de)
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Rechtsprechungsübersicht BGH vom 21.9.2006 NJW, 2007, 682 = CR 2007, 36 = MMR 2007, 38 = K&R 2007, 41 Verwendet ein Dritter, der kein Recht zur Namensführung hat, den Namen einer Gebietskörperschaft ohne weitere Zusätze als Second-Level-Domain zusammen mit der Top-Level-Domain „info“, liegt darin eine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Alt. 2 BGB. (solingen.info) BGH vom 11.7.2005 NJW 2005, 2693 = CR 2005, 878 = MMR 2005, 759 = K&R 2005, 423 Ein (Anwalts-)Notar ist nicht berechtigt, in seiner Internetadresse die Bezeichnung „Notariat“ zu führen. (anwaltskanzlei-notariat.de) BGH vom 5.7.2005 NJW 2005, 3353 = CR 2006, 50 = MMR 2005, 685 = K&R 2005, 464 Eine „Internet-Domain“ stellt als solche kein anderes Vermögensrecht i.S.v. § 857 Abs. 1 ZPO dar. Gegenstand zulässiger Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO in eine „Internet-Domain“ ist vielmehr die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus den der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen. (Zwangsvollstreckung: Internet-Domain als anderes Vermögensrecht) BGH vom 23.6.2005 CR 2006, 193 = MMR 2006, 159 = K&R 2006, 88 Haben ein Unternehmen in den alten und ein Unternehmen in den neuen Bundesländern vor der Wiedervereinigung miteinander verwechselbare Bezeichnungen geführt, sind Kollisionsfälle auch dann nach dem Recht der Gleichnamigen zu lösen, wenn eines der beiden Unternehmen einen regional begrenzten Tätigkeitsbereich hatte und der Schutzbereich seines Zeichens am 3. Oktober 1990 deshalb nicht auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt worden ist. (hufeland.de) BGH vom 9.6.2005 NJW 2006, 146 = MMR 2006, 104 = K&R 2006, 37 Eine Holdinggesellschaft, die die Unternehmensbezeichnung einer Tochtergesellschaft mit deren Zustimmung als Domainname registrieren lässt, ist im Streit um den Domainnamen so zu behandeln, als sei sie selbst berechtigt die fragliche Bezeichnung zu führen. (segnitz.de) BGH vom 24.2.2005 CR 2006, 54 = NJW-RR 2005, 1350 = MMR 2005, 761 Mit der endgültigen Aufgabe der Firma ist in der Regel auch der Verlust des aus dem Firmenschlagwort gebildeten Unternehmenskennzeichens verbunden. Davon
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G. Domainrecht unberührt bleibt, dass das alte Firmenschlagwort als besondere Geschäftsbezeichnung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Altern. 3 MarkenG neben der neuen Firma Schutz (für einen Teil des Geschäftsbetriebs) mit eigener Priorität erlangen kann. (Seicom) BGH vom 16.12.2004 NJW 2005, 1503 = CR 2005, 510 = MMR 2005, 374 = K&R 2005, 271= WRP 2005, 614 Wer auf Anfrage, einen Internet-Auftritt unter einem bestimmten Domain-Namen zu erstellen, diesen für sich registrieren lässt, kann unter dem Gesichtspunkt einer gezielten Behinderung eines Mitbewerbers nach § 4 Nr. 10 UWG und eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zur Unterlassung der Verwendung der Domain-Namen und zur Einwilligung in die Löschung der Registrierung verpflichtet sein. (Literaturhaus) BGH vom 2.12.2004 NJW 2005, 2315 = CR 2005, 593 = MMR 2005, 534 = K&R 2005, 379 In der Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domainname liegt in der Regel keine sittenwidrige Schädigung, auch wenn es naheliegt, dass ein Unternehmen diesen Domainnamen für seinen Internetauftritt verwenden könnte. Der Inhaber des bekannten Zeitungstitels DIE WELT kann gegen einen Dritten, der sich den Domainnamen „weltonline.de“ hat registrieren lassen, nicht vorgehen, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Domainname im geschäftlichen Verkehr in einer das Kennzeichen verletzenden Weise verwendet werden soll. (weltonline.de) BGH vom 9.9.2004 NJW 2005, 1196 = CR 2005, 362 = MMR 2005, 313 = K&R 2005, 233 Grundsätzlich liegt bereits in der, durch einen Nichtberechtigten vorgenommenen, Registrierung eines Zeichens als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „de“ eine Namensanmaßung und damit eine Verletzung des Namensrechts desjenigen, der ein identisches Zeichen als Unternehmenskennzeichen benutzt, vor. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Registrierung des Domainnamens einer – für sich genommen rechtlich unbedenklichen – Benutzungsaufnahme als Unternehmenskennzeichen in einer anderen Branche unmittelbar vorausgeht. (mho.de) BGH vom 22.7.2004 NJW 2005, 1198 = CR 2005, 284 = MMR 2005, 171 = K&R 2005, 129 Durch die Benutzung eines Domainnamens kann ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen entstehen, wenn durch die Art der Benutzung deutlich wird, dass der Domainname nicht lediglich als Adressbezeichnung verwendet wird, und der Verkehr daher in der als Domainname gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt. Unternehmen mit einem lokalen oder regionalen Wir-
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Rechtsprechungsübersicht kungskreis weisen mit ihrer Präsenz im Internet nicht notwendig darauf hin, dass sie ihre Waren oder Leistungen nunmehr jedem bundesweit anbieten wollen. (soco.de) BGH vom 4.3.2004 GRUR 2004, 622 Der Vertrag über die Reservierung eines Domainnamens stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag dar. Wer einen Provider mit der Registrierung und der Einrichtung einer Domain beauftragt, wird selbst Inhaber der Domain. (ritter.de) BGH vom 19.2.2004 NJW 2004, 1793 = CR 2004, 531 = MMR 2004, 467 = K&R 2004, 339 = WRP 2004, 769 Die schnelle und preiswerte Registrierung der TLD „de“ schließt jedwede Prüfungspflicht durch die DENIC in der ursprünglichen Registrierungsphase notwendig aus. Vergabemaßstab ist lediglich der Grundsatz der Priorität. Selbst völlig eindeutige, für jedermann erkennbare Verstöße, begründen keine Prüfungspflicht. (kurt-biedenkopf.de) BGH vom 20.11.2003 Az. I ZR 117/03 Die Verwendung eines Gattungsbegriffes in Verbindung mit einer Ortsangabe als Domainnamen begründet die Annahme des Geschäftsverkehrs, es handele sich um einen Geschäftsbetrieb mit überragender Stellung in der entsprechenden Branche. Die Verknüpfung eines Gattungsbegriffs mit einer Ortsangabe stellt eine Spitzenstellungswerbung dar und ist als solche dem Recht der bloßen Gattungsbegriffe entrückt. (tauchschule-dortmund.de) BGH vom 26.6.2003 CR 2003, 845 mit Anm. Eckhardt = MMR 2003, 726 mit Anm. Hoffmann = K&R 2003, 563 mit Anm. Schmittmann = WRP 2003, 1215 = MDR 2004, 347 Der grundsätzlich mögliche namensrechtliche Schutz für ein Pseudonym entsteht nicht bereits mit Aufnahme der Benutzung, sondern setzt voraus, dass der Namensträger unter diesem Namen im Verkehr bekannt ist. (maxem.de) BGH vom 25.11.2002 NJW 2003, 504 = CR 2003, 354 = MMR 2003, 256 = K&R 2003, 233 Die Verwendung von Gattungsbegriffen verstößt nicht per se gegen das berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO. Dem durchschnittlich informierten und verständigen Internet-Nutzer ist bekannt, dass die unter Verwendung von Gattungsbegriffen gefundene Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot gattungsspezifischer Dienstleistungen repräsentiert. (rechtsanwaelte-notar.de)
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G. Domainrecht BGH vom 25.11.2002 NJW 2003, 662 = CR 2003, 355 mit Anm. Hoß = MMR 2003, 252 = K&R 2003, 189 Der mit dem Prioritätsprinzip vertraute, durchschnittlich informierte und verständige Internet-Nutzer erwartet unter einer Domain mit Gattungsbegriff kein gänzlich wettbewerbsneutrales Internetangebot. Eine relevante Irreführung des Verkehrs über die Person des Anbieters darf nicht losgelöst vom Inhalt der Website angenommen werden. Das Aufrufen der ersten Seite kann geeignet sein, eine etwaige ursprüngliche Fehlvorstellung auszuräumen. § 43 b BRAO sind keine Anforderungen zu entnehmen, die über die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätze hinausgehen. (presserecht.de) BGH vom 28.2.2002 NJW 2002, 2093 = WRP 2002, 700 = MDR 2002, 970 Im Recht der Gleichnamigen gilt grundsätzlich das Prioritätsprinzip. Das im Falle der Gleichnamigkeit bestehende Rücksichtnahmegebot kann unter Beibehaltung des gleichnamigen Domain-Namens auch dadurch erfüllt werden, dass die Gefahr einer Verwechslung durch einen entsprechenden Hinweis auf der Internetseite ausgeräumt wird. (vossius.de) BGH vom 22.11.2001 NJW 2002, 2031 = CR 2002, 525 = MMR 2002, 382 mit Anm. Hoeren = K&R 2002, 309 = WRP 2002, 694 = MDR 2002, 835 mit Anm. Ullrich Der das Recht der Gleichnamigen dominierende Grundsatz der Priorität gilt nicht grenzenlos. Ein überragender Bekanntheitsgrad sowie ein deutlicher Interessenüberhang begründen im Rahmen des § 12 BGB ein namensrechtliches Rücksichtnahmegebot, das zu einer Durchbrechung des „First Come, First Served“- Prinzips führen kann. (shell.de) BGH vom 17.5.2001 NJW 2001, 3262 = CR 2002, 777 = NJW-RR 2002, 45 mit Anm. Mankowski = MMR 2001, 666 mit Anm. Hoeren = K&R 2001, 583 mit Anm. Leible/Sosnitza Die Registrierung und Nutzung von Gattungsbezeichnungen als Internetdomains ist grundsätzlich zulässig, sofern der Domaininhaber dem Prinzip der Priorität folgend lediglich seinen eigenen Vorteil verfolgt, ohne dabei den Mitbewerber in gezielt wettbewerbswidriger Weise zu behindern. (mitwohnzentrale.de) BGH vom 17.5.2001 NJW 2001, 3265 = CR 2001, 850 mit Anm. Freytag = K&R 2001, 588 mit Anm. Ubber = MDR 2002, 286 = MMR 2001, 671 In der Phase der Erstregistrierung einer Domain treffen die DENIC keinerlei Prüfungspflichten im Hinblick auf etwaige Rechtsverstöße. Bei einem konkreten Hinweis durch einen Dritten besteht eine Prüfungspflicht nur, wenn die Rechtsverlet-
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Rechtsprechungsübersicht zung für die DENIC offenkundig und unschwer zu erkennen ist. Die Annahme einer Prüfungspflicht besteht bei Vorliegen eines rechtskräftigen gerichtlichen Titels oder wenn die Rechtsverletzung derartig eindeutig ist, dass sie sich der DENIC aufdrängen muss. (ambiente.de) BGH vom 23.11.2000 GRUR 2001, 242 = NJW-RR 2001, 975 = WRP 2001, 160 Zur Frage einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts nach § 14 I MarkenG. (Classe E)
H. Haftung im Netz BGH vom 12.5.2010 WRP 2010, 912 Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen. (WLAN; Verkehrspflichten) BGH vom 12.11.2009 WRP 2010, 922 – marions-kochbuch.de Der Betreiber eines Internetportals, in das Dritte für die Öffentlichkeit bestimmte Inhalte (hier: Rezepte) stellen können, haftet für diese Inhalte nach den allgemeinen Vorschriften, wenn er die eingestellten Inhalte vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und sie sich damit zu eigen macht. Dies gilt auch dann, wenn für die Nutzer des Internetportals erkennbar ist, dass die Inhalte (ursprünglich) nicht vom Betreiber, sondern von Dritten stammen. Ein Hinweis darauf, dass sich der Portalbetreiber die Inhalte zu eigen macht, liegt auch darin, dass er sich umfassende Nutzungsrechte an den fremden Inhalten einräumen lässt und Dritten anbietet, diese Inhalte kommerziell zu nutzen. (Zueigenmachen) BGH vom 7.10.2009 CR 2009, 794 mit Anm. Rössel = GRUR 2009, 1167 mit Anm. Matthes/Liedtke = WRP 2009, 1520 = K&R 2009, 797 – Partnerprogramm Unterhält ein Unternehmen ein Werbepartnerprogramm, bei dem seine Werbepartner auf ihrer Website ständig einen Link auf die das Angebot dieses Unternehmens enthaltende Internetseite bereitstellen, so sind diese Werbepartner jedenfalls dann als Beauftragte des Unternehmens im Sinne von § 14 Abs. 7 MarkenG anzusehen, wenn ihnen für jeden Besucher, der über diesen Link zu dem Unternehmen gelangt und mit diesem einen Geschäftsabschluss tätigt, eine Provision gezahlt
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H. Haftung im Netz wird und der betreffende Werbepartner erst nach einer Überprüfung durch den Unternehmer selbst, der den Werbepartnern eine Auswahl für die Gestaltung der Werbemittel vorgibt, in das Partnerprogramm aufgenommen wird. Die Haftung nach § 14 Abs. 7 MarkenG beschränkt sich dabei auf das Handeln des Beauftragten auf eine bestimmte zum Partnerprogramm angemeldete Website, wenn nur über diese Website getätigte Links abgerechnet werden und der Auftraggeber auch nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte noch anderweitig für ihn tätig wird. (Affiliates) BGH vom 30.6.2009 CR 2009, 730 = GRUR 2009, 1093 = NJW-RR 2009, 1413 = WRP 2009, 1262 = MMR 2009, 752 = K&R 2009, 644 Der Verpächter einer Domain hat keine Prüfungspflichten für die Website seines Pächters außer er hat konkrete Anhaltspunkte für eine (auch zukünftige) Rechtsverletzung. (Domainpacht, Prüfungspflichten, Persönlichkeitsrecht) BGH vom 11.3.2009 CR 2009, 450 = GRUR 2009, 597 = WRP 2009, 730 = MMR 2009, 391 – Halzband Benutzt ein Dritter ein fremdes Mitgliedskonto bei Ebay, nachdem er an die Zugangsdaten dieses Konto gekommen ist, weil der Inhaber dieses nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter geschützt hat, muss der Inhaber sich so behandeln lassen, wie wenn er selbst gehandelt hätte. Eine bei der Verwahrung der Zugangsdaten für das Mitgliedskonto gegebene Pflichtverletzung stellt einen eigenen, gegenüber den Grundsätzen der Störerhaftung und den bestehenden Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts selbständigen Zurechnungsgrund dar. (Passwortschutz, Haftung für Weitergabe) BGH vom 30.4.2008 Az. I ZR 73/05 Der Markeninhaber, der gegen einen Störer vorgeht, muss ein Handeln im geschäftlichen Verkehr derjenigen Personen darlegen und gegebenenfalls beweisen, die gefälschte Markenprodukte auf der Internet-Plattform anbieten. Hat er einen Sachverhalt dargelegt und bewiesen, der ein Handeln im geschäftlichen Verkehr nahelegt, kann der Betreiber der Internet-Plattform nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast seinerseits gehalten sein, zum Handeln der Anbieter substantiiert vorzutragen, wenn er ein Handeln im geschäftlichen Verkehr in Abrede stellen will. (Internet-Versteigerung III) BGH vom 10.4.2008 CR 2008, 727 mit Anm. Rössel = WRP 2008, 1517 = MMR 2008, 818 = K&R 2008, 677 – Namensklau im Internet Wird der Betreiber einer Internet-Auktionsplattform wegen Verletzung eines Kennzeichen- oder Namensrechts nach den Grundsätzen der Entscheidung „Internet-Versteigerung I“ als Störer in Anspruch genommen, trifft den Gläubiger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es dem Betreiber technisch
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Rechtsprechungsübersicht möglich und zumutbar war, nach dem ersten Hinweis auf eine Verletzung zu verhindern. Da der Gläubiger regelmäßig über entsprechende Kenntnisse nicht verfügt, trifft den Betreiber die sekundäre Darlegungslast; ihm obliegt es daher, im Einzelnen vorzutragen, welche Schutzmaßnahmen er ergreifen kann und weshalb ihm - falls diese Maßnahmen keine lückenlosen Schutz gewährleisten – weitergehende Maßnahmen nicht zuzumuten sind. (Prüfungspflichten; Umfang; Darlegungslast) BGH vom 12.7.2007 NJW 2008, 758 = CR 2007, 728 mit Anm. Härting = MMR 2007, 634 mit Anm. Köster/Jürgens = K&R 2007, 517 Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform hinsichtlich fremder jugendgefährdender Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht, zu deren Begründung es eines konkreten Hinweises auf ein bestimmtes jugendgefährdendes Angebot eines bestimmten Anbieters bedarf. Der Betreiber der Plattform ist nicht nur verpflichtet, dieses konkrete Angebot unverzüglich zu sperren, sondern muss auch zumutbare Vorsorgemaßnahmen treffen, damit es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. Zusätzlich können sich besondere Prüfungspflichten hinsichtlich anderer Angebote des Versteigerers ergeben, der das ursprüngliche jugendgefährdende Angebot eingestellt hat (jugendgefährdende Medien bei Ebay) BGH vom 26.4.2007 CR 2007, 521 = MMR 2007, 505 = WRP 2007, 797 Ist ein Diensteanbieter nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie (2000/31/EG) verpflichtet, vor Vertragsabschluss mit einem Nutzer des Dienstes eine Telefonnummer anzugeben, um eine schnelle Kontaktaufnahme und eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zu ermöglichen? Muss ein Diensteanbieter sonst wenigstens neben der Angabe der Adresse der elektronischen Post vor einem Vertragsschluss mit einem Nutzer des Dienstes nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie einen zweiten Kommunikationsweg eröffnen? Reicht es für einen zweiten Kommunikationsweg dann aus, dass der Diensteanbieter eine Anfragemaske einrichtet, mit der der Nutzer sich über das Internet an den Diensteanbieter wenden kann, und die Beantwortung der Anfrage des Nutzers durch den Diensteanbieter mittels E-Mail erfolgt? (Internet-Versicherung) BGH vom19.4.2007 NJW 2007, 2636 = CR 2007, 523 mit Anm. Rössel = MMR 2007, 507 mit Anm. Spindler = K&R 2007, 387 mit Anm. Jürgens = BGH-R 2007, 825 mit Anm. Härting = WRP 2007, 964 Die Unanwendbarkeit des Haftungsprivilegs gemäß § 10 Satz 1 TMG auf Unterlassungsansprüche gilt nicht nur für den auf eine bereits geschehene Verletzung gestützten, sondern auch für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Das deutsche Recht gewährleistet die Haftung von „Mittelspersonen“ durch die deliktsrechtliche Gehilfenhaftung und insbesondere durch die Störerhaftung. (Internet-Versteigerung II)
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H. Haftung im Netz BGH vom 27.3.2007 NJW 2007, 2558 = CR 2007, 586 mit Anm. Schuppert = MMR 2007, 518 = K&R 2007, 396 mit Anm. Volkmann = WRP 2007, 795 = ZUM 2007, 533 mit Anm. Schmelz Ein Unterlassungsanspruch, wegen eines in ein Meinungsforum im Internet eingestellten ehrverletzenden Beitrags, kann auch dann gegen den Betreiber des Forums gegeben sein, wenn dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist. (ehrverletzender Beitrag im Meinungsforum im Internet) BGH vom 20.7.2006 NJW 2006, 3633 = CR 2006, 850 mit Anm. Zimmerlich = WRP 2006, 1507 = BGH-R 2006, 1487 mit Anm. Reinholz Die Angabe einer Anbieterkennzeichnung bei einem Internetauftritt, die über zwei Links erreichbar ist, kann den Voraussetzungen entsprechen, die an eine leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit i.S. von § 6 TDG und § 10 Abs. 2 MDStV zu stellen sind. Um den Anforderungen des § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB an eine klare und verständliche Zurverfügungstellung der Informationen i.S. von § 1 Abs. 1 BGB-InfoV im Internet zu genügen, ist es nicht erforderlich, dass die Angaben auf der Startseite bereitgehalten werden oder im Laufe eines Bestellvorgangs zwangsläufig aufgerufen werden müssen. (Anbieterkennzeichnung im Internet) BGH vom 16.3.2006 NJW 2006, 1971 Der Inhaber eines Telefonanschlusses wird aus den im Wege der Nutzung seines Netzzuganges durch Dritte geschlossenen Telekommunikationsdienstleistungsvertrages verpflichtet, wenn er die Inanspruchnahme des Anschlusses zu vertreten hat. (R-Gespräch) BGH vom 1.4.2004 NJW 2004, 2158 = CR 2004, 613 mit Anm. Dietlein = MMR 2004, 529 = WRP 2004, 899 Zur Störerhaftung eines Presseunternehmens, das neben einem im Rahmen seines Internetauftritts veröffentlichten redaktionellen Artikel die Internetadresse eines Glücksspielunternehmens angibt, das zwar im Besitz einer Erlaubnis eines anderen EU-Mitgliedstaates ist, aber über das Internet Glücksspiele auch für inländische Teilnehmer bewirbt und veranstaltet. (Schöner Wetten) BGH vom 11.3.2004 CR 2004, 763 mit Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 mit Anm. Hoeren = K&R 2004, 486 Die Haftungsprivilegierung des § 11 TDG ist nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar. Eine Störerhaftung des Internet-Auktionshauses setzt voraus, dass für Diensteanbieter zumutbare Kontrollmöglichkeiten bestehen, um solche Marken-
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Rechtsprechungsübersicht verletzungen zu unterbinden. Wird einem Diensteanbieter ein Fall einer Markenverletzung bekannt, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass es zu weiteren Markenverletzungen kommt. (Internet-Versteigerung) BGH vom 23.9.2003 CR 2004, 48 = MMR 2004, 166 Die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 TDG a.F. sind anspruchsbegründende Merkmale für eine Haftung des Internetproviders für fremde Inhalte nach § 823 BGB, sodass die Darlegungs- und Beweislast den Anspruchsteller trifft. Der Begriff Kenntnis im Sinne des § 5 Abs. 2 TDG a.F. bezeichnet die positive Kenntnis. (Haftung des Internetproviders für fremde Inhalte) OLG Düsseldorf vom 27.4.2010 MMR 2010, 483 mit Anm. Schröder Rapidshare ist eine Sperrung bestimmter Dateinamen mangels Geeignetheit nicht zumutbar, ebenso wenig eine menschliche, gezielte Überprüfung bestimmter Inhalte mit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit für Rechtsverletzungen oder eine Sperrung bestimmter IP-Adressen. (Rapidshare; Prüfungspflichten) OLG Hamburg vom 2.3.2010 MMR 2010, 490 mit Anm. Kazemi Bei Suchmaschinenergebnissen ist der Text des Fundergebnisses jeweils im Zusammenhang mit der Originalseite zu lesen, der er entstammt. Es ist davon auszugehen, dass der Rezipient von der offensichtlichen Unvollständigkeit des Snippets weiß und dass er sich deshalb sein Verständnis nur im Kontext mit dem Gesamtbeitrag bildet. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers für Texte, die sich rechtmäßig auf einer Internetseite befinden, allein wegen der Verkürzung des Texts kommt nicht in Betracht. (Snippets; Persönlichkeitsrechtsverletzung) OLG Köln vom 23.12.2009 CR 2010, 336 mit Anm. Kremer = IPRB 2010, 107 (Vohwinkel) Der Inhaber eines Internetanschlusses trägt die (sekundäre) Darlegungslast, wenn er geltend macht, die seinem Anschluss zugeordneten Tauschbörsenangebote stammten nicht von ihm persönlich, sondern von Familienmitgliedern. Dieser Darlegungslast genügt nicht, wer sich zur Frage der Anschlussbenutzung durch den Ehegatten ausschweigt, eine Nutzung der „älteren“ (von fünf) Kindern einräumt und (lediglich) behauptet, „im Rahmen der Erziehung die Kinder immer wieder darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass keine Inhalte aus dem Internet downgeloaded und keine Tauschbörsen benutzt werden dürfen“, wenn die so belehrten Kinder das Internet im Übrigen unkontrolliert nutzen können (Anschlussinhaber; sekundäre Darlegungslast)
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H. Haftung im Netz Kammergericht vom 3.11.2009 MMR 2010, 495 Der Betreiber einer Suchmaschine haftet wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung auf Unterlassung, wenn ein automatisch erzeugtes Snippet einen Originaltext derart sinnentstellend verkürzt, dass nunmehr eine rechtsverletzende unwahre Behauptung erscheint. Den Besonderheiten von Suchmaschinen ist dadurch Rechnung zu tragen, dass für den Zeitpunkt der haftungsauslösenden Pflichtverletzung nicht auf die automatisierte Erstellung des Suchmaschineneintrags, sondern auf die Untätigkeit nach Anzeige des rechtswidrigen Inhalts abgestellt wird. (Snippets; Persönlichkeitsrechtsverletzung) Kammergericht vom 10.7.2009 MMR 2010, 203 Dem Betreiber einer Internetplattform zum Einstellen von Porträtaufnahmen ist es zumutbar, vom Urheber eine ausdrückliche Versicherung einzuholen, dass ein Einverständnis der abgebildeten Person mit der Veröffentlichung besteht. (Fotoplattform; Einverständnis) OLG Zweibrücken vom 14.5.2009 MMR 2009, 541 Ein zu Eigen machen von Inhalten eines Internetforums durch den Forenbetreiber liegt nicht schon deswegen vor, weil Teile der Forenmitgliedschaft kostenpflichtig sind oder weil der Betreiber sich umfangreich Rechte an den Foreninhalten einräumen lässt. Die Prüfungspflicht eines Forenbetreibers darf nicht soweit gehen, dass der Diensteanbieter anlassunabhängig („pro-aktiv“) nach Rechtsverletzungen jedweder Art zu suchen hat. (Internetforum; Zueigenmachen; Prüfungspflichten) OLG Oldenburg vom 8.5.2009 MMR 2009, 547 = K&R 2009, 492 Die bloße Nutzung einer Internet-Tauschbörse allein lässt keinen tragfähigen Schluss darauf zu, dass der Nutzer weiß oder damit rechnet, dass auch die von ihm auf seinen PC heruntergeladenen und in einem Ordner „incoming“ gespeicherten (hier: gewaltpornografischen) Dateien ohne sein weiteres Zutun sofort der Tauschgemeinschaft zugänglich sind. (Verbreitung gewaltpornographischer Schriften; Tauschbörsen; Upload-Kenntnis) OLG Koblenz vom 23.4.2009 K&R 2009, 493 = MMR 2009, 549 Der Admin-C haftet als Störer für namensrechtsverletzendes Domain-Grabbing, wenn er sich gegen Entgelt bereit erklärt hat, sich zukünftig für beliebig viele Domains als Admin-C zur Verfügung zu stellen und dabei Kenntnis davon hat, dass mittels Software frei gewordene Domains in erheblichem Umfang ermittelt und anschließend registriert werden. (Admin-C; Prüfungspflichten, Domain-Grabbing)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Dresden vom 10.3.2009 MMR 2009, 773 Ein Unternehmen, das für eine Werbeaktion eine Direktmarketing-Agentur beauftragt, ist nicht als Störer verantwortlich, wenn diese ohne vertragliche Grundlage ein Subunternehmen beauftragt, das die übermittelten E-Mail-Adressen nicht dahin überprüft, ob die Adressinhaber einer Werbung per E-Mail zugestimmt haben. (Störerhaftung; Auftraggeber) OLG Frankfurt a.M. vom 3.3.2009 MMR 2009, 401 Bei der Verwendung einer fremden Marke als Metatag ist eine markenmäßige Benutzung nicht gegeben, wenn bei der Eingabe der Marke in eine Suchmaschine direkt auf der Trefferliste angezeigt wird, dass es sich bei der Seite nicht um die Produkte der Marke handelt, sondern um eine Abmahnung, an der der Markeninhaber beteiligt war. (Haftung, Blogbetreiber, Markenverletzung) OLG Düsseldorf vom 24.2.2009 CR 2009, 391 = MMR 2009, 402 = K&R 2009, 338 Einem Unternehmen, dass im Internet eine Plattform für Fremdversteigerungen betreibt, ist es nicht zuzumuten, jedes Angebot vor der Veröffentlichung auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu überprüfen. Die Betreiber einer solchen Plattform müssen beim Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung, das Angebot nicht nur unverzüglich sperren, sie müssen auch dafür Sorge tragen, dass es möglichst nicht zu weiteren solcher Rechtsverletzungen kommt. Die Betreiber haften allerdings nur, wenn ihnen angezeigt wird, dass der markenverletzende Anbieter im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat. (Ebay; Prüfungspflichten) OLG Brandenburg vom 17.2.2009 MMR 2009, 558 Wer durch einen unberechtigten Hinweis auf Geschmacksmusterrechte die Schließung des Ebay-Accounts eines gewerblichen Verkäufers bewirkt, ist diesem gegenüber zum Schadensersatz wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verpflichtet. (unberechtigte Account-Sperrung; Schadensersatz) OLG Hamburg vom 4.2.2009 MMR 2009, 479 Wird in einem Internetforum von einem Nutzer ein Beitrag und ein Foto eingestellt, durch welches die Rechte eines Dritten verletzt werden, und dieses Foto nach einem Hinweis vom Rechtsinhaber an den Forenbetreiber von diesem sofort gelöscht wird, haftet der Forenbetreiber nicht, wenn es eine erstmalige rechtsverletzende Bildveröffentlichung ist und es zu keiner weiteren Rechtsverletzung kommt. (Forenbetreiberhaftung; Prüfungspflichten)
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H. Haftung im Netz OLG Düsseldorf vom 3.2.2009 CR 2009, 534 = MMR 2009, 336 = K&R 2009, 407 Die Pflichten eines Admin-C beziehen sich allein auf das Innenverhältnis zwischen der DENIC und dem Domaininhaber. (Prüfungs-)Pflichten im Außenverhältnis zu Dritten durch den Admin-C verbietet schon die rechtliche Konstellation. (Admin-C; Prüfungsplichten) OLG Karlsruhe vom 30.1.2009 CR 2009, 535 = MMR 2009, 404 = K&R 2009, 417 Veröffentlicht ein Sportverband die Sperren einzelner Sportler auf der eigenen Internetseite, ist dies rechtlich zulässig, da es der Person keinen erheblichen Personenschaden zufügt. (Spielsperre; Sportverband; Persönlichkeitsrechtsverletzung) OLG Hamburg vom 28.1.2009 CR 2009, 812 = MMR 2009, 405 Musikwerke, die in einer Weise vorgehalten werden, dass Nutzer eines Zugangsvermittlers zum Usenet sie identifizieren und sich als Audiodateien übermitteln lassen können, so dass diese nach der Übermittlung im Regelfall (wieder) als Musikwerke wahrnehmbar sind, werden im Sinne des § 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht; hierbei spielt es keine Rolle, ob die Dateien auf dem Transportweg in einer Weise verschlüsselt waren, die eine Wahrnehmung unmöglich macht. (Störerhaftung; Alphaload; Usenet-Provider) OLG Hamburg vom 10.12.2008 ZUM 2009, 642 Der Betreiber eins Internetangebotes kann sich auch Inhalte zu Eigen machen, die erkennbar von Dritten hochgeladen wurden. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann etwa dann der Fall sein, wenn solche Inhalte derart in das Angebot des Betreibers eingebunden werden, dass sie als Teil seines eigenen Angebots erscheinen. (Zueigenmachen von Inhalten; Disclaimer) OLG Stuttgart vom 26.11.2008 CR 2009, 187 = MMR 2009, 190 Der durchschnittliche Nutzer einer Suchmaschine weiß, dass die Suchergebnisse nicht auf der intellektuellen Leistung von Menschen beruhen, sondern aufgrund eines automatisierten Vorgangs zustande kommen und die Ergebnisse ohne menschliche Einwirkung angezeigt werden. (Suchmaschinen-Snippets; Persönlichkeitsverletzung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Frankfurt a.M. vom 23.10.2008 CR 2009, 189 = MMR 2009, 194 = K&R 2009, 60 Der Betreiber eines Internetportals für kostenlose anonyme Kleinanzeigen hat auf Grund einer ihn treffenden wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht Vorkehrungen zu treffen, dass gewerbliche Anbieter ihrer Verpflichtung zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift nachkommen. An diese erforderlichen Maßnahmen sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. (Portalbetreiberhaftung; Impressumsverstoß; Verkehrspflichten) OLG Köln vom 26.9.2008 MMR 2009, 197 = K&R 2009, 128 = ZUM 2009, 68 = GRUR-RR 2009, 4 Der Internetportalbetreiber, dessen Geschäftsmodell darin besteht, dass durch Dritte - nicht die Kunstschaffenden selbst - Kunstwerke zum Kauf angeboten werden und dass die Werke länger als eine Woche nach Kaufabschluss noch im Netz für jedermann einsehbar sind, ist Gehilfe der Rechtsverletzung des Veräußerers, der das Werk über die durch § 58 Abs. 1 UrhG gezogenen Grenzen hinaus öffentlich zugänglich gemacht hat. (Portalbetreiberhaftung; Gehilfenhaftung) OLG München vom 11.9.2008 CR 2009, 111 = WRP 2008, 1471 = MMR 2009, 126 = K&R 2008, 756 Ist für ein Unternehmen, das im Rahmen eines Affiliate-Programms im Internet werben will, klar erkennbar, dass Inhalte der für seine Werbung vorgesehenen Internetseiten dauerhaft und in erheblichem Ausmaß jugendgefährdend sind, so trifft es eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, seine Werbung auf diesen Seiten zu verhindern (Affiliate, Verkehrspflichten, jugendgefährdende Medien) OLG Köln vom 15.8.2008 CR 2009, 118 = MMR 2009, 48 = K&R 2008, 692 mit Anm. Stadler = ITRB 2009, 6 (Brennecke) Den für eine Domain eingetragenen Admin-C treffen grundsätzlich keine Prüfungspflichten hinsichtlich rechtswidriger Inhalte. (Admin-C; Prüfungspflichten) OLG Hamburg vom 5.8.2008 Az. 7 U 29/08 Ein Domaininhaber, der seine Domain einem Dritten überlässt, haftet nicht als Mitstörer für eine Rechtsverletzung auf dieser Internetseite, wenn er unverzüglich die Unterbindung der Rechtsverletzung veranlasst. (Domainpacht; Doamininhaber; Haftung)
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H. Haftung im Netz OLG Hamburg 24.7.2008 WRP 2008, 1569 Eine Internetauktionsplattform kann als Täter oder Teilnehmer durch Unterlassen für rechtsverletzende oder wettbewerbswidrige Angebote eines seiner Nutzer in Anspruch genommen werden, wenn der trotz vorangegangener Hinweise auf gleichartige rechtsverletzende Angebote nichts unternimmt um weitere Rechtsverletzungen künftig zu verhindern. Ist der Anbieter der Ware im geschäftlichen Verkehr nach dem Markengesetz tätig, so haftet das Auktionshaus mitunter in Form der Beihilfe durch Unterlassen. Ist der Anbieter nur privat, haftet das Auktionshaus als Täter durch Unterlassen. (Online-Auktionshaus, Täterschaft und Teilnahme) OLG Hamburg vom 2.7.2008 MMR 2008, 823 = ZUM-RD 2008, 527 Der Betreiber einer Internetplattform, die Usern Serverplatz zur Hinterlegung von Dateien zur Verfügung stellt und diese Dateien später von anderen Usern heruntergeladen werden können, ist nicht nur dazu verpflichtet ein rechtsverletzendes Angebot, von dem er Kenntnis erlangt hat, unverzüglich zu sperren, er muss auch dafür Sorgen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. (Rapidshare; Pflichten) OLG Frankfurt a.M. vom 1.7.2008 CR 2008, 582 mit Anm. Hornung = MMR 2008, 603 mit Anm. Mantz = K&R 2008, 543 Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses haftet nicht als Störer, wenn sein WLAN durch unberechtigte Dritte genutzt wird, zu denen er in keinerlei Verbindung steht. Er haftet auch nicht wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Form von Schadensersatz für von unberechtigten Dritten verursachte Schäden durch seine WLAN-Verbindung. (WLAN; Urheberrechtsverletzung Dritter; Störerhaftung) OLG Nürnberg vom 22.6.2008 CR 2008, 654 = MMR 2009, 131 = K&R 2008, 614 = ZUM 2009, 249 Ein Suchmaschinenbetreiber ist vor der Abmahnung eines Dritten, der sich in einer verlinkten Seite in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht, nicht Störer einer Rechtsverletzung. Dem Betreiber einer weltweitgroßen Suchmaschine ist es zumutbar und auch möglich, jedenfalls behaupteten Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Inhalte der von ihr verlinkten Seiten nachzugehen. Es würde die Prüfungspflicht allerdings überspannen, wenn der Betreiber jedem behaupteten Vorwurf nachgehen muss. (Prüfungspflichten; Suchmaschinenbetreiberhaftung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Düsseldorf vom 20.5.2008 CR 2009, 40 = MMR 2008, 675 = ZUM 2008, 866 Durch einen eDonkey-Server selbst werden nicht urheberrechtliche Verwertungsrechte verletzt, allenfalls ermöglicht er eine solche Verletzung durch den User. Nach erhalt einer Mitteilung von Urheberrechtsverletzungen kann von dem Serverbetreiber nicht verlangt werden, dass er einen großflächigen Wortfilter einstellt um daraufhin durch eine händische Kontrolle illegale Inhalte von den legalen zu trennen. (eDonkey-Server; Überwachungspflichten, Betreiberhaftung) OLG Frankfurt a.M. vom 12.2.2008 GRUR-RR 2008, 385 Das Haftungsprivileg des § 8 Abs. 2 TDG (= § 7 Abs. 2 TMG) setzt voraus, dass es sich bei einer beanstandeten urheberrechtlichen Nutzung um fremde Informationen handelt; außerdem schließt es Unterlassungsansprüche nicht aus. (Haftungsprivileg; Unterlassungsanspruch) OLG Köln vom 8.2.2008 CR 2008, 521 = K&R 2008, 465 Der Betreiber eines Affiliate-Systems haftet auch für die Wettbewerbsverstöße seiner Vertriebspartner, auch wenn diese durch den Verstoß gegen vertragliche Abreden handelten. (Affiliate-Haftung) OLG Frankfurt a.M. vom 22.1.2008 CR 2008, 242 = MMR 2008, 166 = K&R 2008, 185 = WRP 2008, 377 = ITRB 2008, 53 = ZUM 2008, 230 Der sog. Access Provider ist auch unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht für den Inhalt der Webseiten, zu denen er seinen Kunden den Zugang vermittelt, grundsätzlich nicht verantwortlich. (keine Haftung des Access Providers für Inhalte von Webseiten) OLG Düsseldorf vom 15.1.2008 K&R 2008, 183 = MMR 2008, 254 = ZUM 2008, 332 Eine Überwachungspflicht des Usenet-Betreibers dahingehend, das Usenet ständig daraufhin zu überprüfen, ob eine bestimmte Urheberrechtsverletzung erneut auftritt und eine Verpflichtung, gegebenenfalls diese Verletzung zu unterbinden, ist nicht zumutbar. (Überwachungspflicht des Usenet-Betreibers)
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H. Haftung im Netz OLG Düsseldorf vom 27.12.2007 CR 2008, 182 = MMR 2008, 256 = K&R 2008, 254 Für eine Haftung als Störer genügt es im Rahmen des Vorwurfs des illegalen Musikdownloads mittels Filesharing, dass der Störer willentlich einen Internetzugang geschaffen hat, der objektiv für Dritte nutzbar war. Vom Anschlussinhaber sind diejenigen zumutbaren Sicherungsmaßnahmen abzuverlangen, die eine Standardsoftware erlaubt. (Störerhaftung; Musikdownload) OLG Frankfurt a.M. vom 20.12.2007 CR 2008, 243 mit Anm. Stang/Hühner = MMR 2008, 169 = K&R 2008, 113 = ITRB 2008, 54 = ZUM 2008, 231 Auch wenn Urheberrechtsverletzungen im Internet häufig vorkommen und darüber in den Medien umfangreich berichtet wird, ist der Inhaber eines Internetanschlusses nicht ohne weitere Anhaltspunkte für eine zu erwartende Rechtsverletzung verpflichtet, seine Familienangehörigen bei der Nutzung seines Anschlusses zu überwachen. (Störerhaftung; Überwachungspflichten) OLG Köln vom 27.11.2007 CR 2008, 112 = MMR 2008, 101 = K&R 2008, 40 mit Anm. Plog/Banehzadeh = ZUM 2008, 238 mit Anm. Heller Die Veröffentlichung von Lehrerdaten auf einem Bewertungsportal stellt keinen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Auch ist die Veröffentlichung datenschutzrechtlich zulässig, wenn die Daten aus einer offiziellen behördlichen Veröffentlichung entnommen worden sind. (spickmich.de; Lehrerbewertungsportal) OLG Hamburg vom 26.9.2007 Az. 5 U 165/06 Der Betreiber eines zugleich als kommerzielle Werbeplattform angebotenen Themenportals für „Kochrezepte“, der u.a. kochbegeisterten Internet-Nutzern die Gelegenheit bietet, ihre Kochrezepte mit Abbildungen zu veröffentlichen, macht sich „fremde Informationen“ jedenfalls dann zu Eigen, wenn diese Rezepte den bzw. einen redaktionellen Kerngehalt des Seitenauftritts darstellen. Für das unberechtigte Einstellen urheberrechtlich für Dritte geschützter Lichtbildern durch seine Nutzer ist der Betreiber damit als Diensteanbieter „eigener Informationen“ i.S.v. § 7 Abs. 1 TMG unmittelbar verantwortlich. (chefkoch.de) OLG Köln vom 21.9.2007 CR 2008, 41 = NJW-RR 2008, 203 = MMR 2007, 786 = K&R 2008, 58 = ZUM 2007, 927 Der Sharehoster, der einen Server zur Verfügung stellt, auf dem seine Kunden Dateien speichern (hochladen) können, die mit Hilfe eines Download-Links, den die Kunden auch an Dritte weitergeben können, abgerufen oder anderweitig gespei-
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Rechtsprechungsübersicht chert werden können, ist nicht eo ipso Täter oder Teilnehmer dabei vorkommender Urheberrechtsverletzungen. Das gilt jedenfalls dann, wenn er ein Verzeichnis der auf dem Server gespeicherten Daten nicht anbietet. Wird der Sharehoster von einer Verwertungsgesellschaft darüber unterrichtet, dass die Dateien unbefugt urheberrechtlich geschützte Werke enthalten, ist er zur Vermeidung seiner Störerhaftung gehalten, alle ihm zumutbaren Möglichkeiten zu nutzen, um entsprechende Verstöße für die Zukunft zu unterbinden. (Prüfungspflichten des Sharehosters) OLG Hamburg vom 22.5.2007 CR 2007, 797 = MMR 2007, 601 = K&R 2007, 407 = ZUM 2007, 658 Eine Haftung des Admin-C als Störer auf künftige Unterlassungen kommt nur dann in Betracht, wenn für die betreffende Person zumutbare Kontrollmöglichkeiten, sowie die Möglichkeit der Ergreifung von Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung weiterer Rechtsverletzungen, bestehen. Der Admin-C verfügt über keine technischen Hilfsmittel um Postings im Usenet ausfindig zu machen, oder sogar um den Zugang zu sperren. Die einzige, dem Admin-C jedoch nicht zuzumutende, Möglichkeit, zur Durchsetzung einer allgemeinen Überwachung und Zugangssperre durch Google Inc., bestünde in der Kündigung der Domian oder in der Kündigung des eigenen Angestelltenverhältnisses. (Störerhaftung des Admin-C) OLG Stuttgart vom 16.4.2007 NJW-RR 2008, 199 = MMR 2008, 135 = K&R 2007, 478 = WRP 2007, 1114 Wer einer anderen Person den auf seinen Namen lautenden Internet-Account (hier: Ebay) zum Betrieb von Handelsgeschäften zur Verfügung stellt, kann nach den Grundsätzen der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung wegen Verstößen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, die diese Person in Nutzung des Accounts begeht. (Störerhaftung) OLG Frankfurt a.M. vom 6.3.2007 CR 2007, 454 = MMR 2007, 379 Zwar ist eine Werbung im Internet ohne unmittelbare Bestellmöglichkeit und sonstige Interaktionsmöglichkeiten als Teledienst anzusehen. Wird eine Website jedoch durch eine Firmengruppe betrieben, ist das einzelne Gruppenmitglied nicht zwangsläufig als Telediensteanbieter anzusehen. (Telediensteanbieter) OLG Hamburg vom 20.2.2007 CR 2007, 330 = MMR 2007, 315 = K&R 2007, 210 = ZUM 2007, 490 Ein durchschnittlich verständiger Internetuser weiß, dass die in Suchmaschinen dargestellten Treffer automatisch und ohne menschliche Sortierung erstellt werden. Äußerungen in Überschriften einer Suchmaschine beziehen sich nicht zwingend auf im Text genannte Personen. Dass der Treffer an sich keine inhaltliche
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H. Haftung im Netz Aussage darstellt ist dem Nutzer in jedem Fall dann ersichtlich, wenn lediglich „Snippets“ und keine ganzen Sätze wiedergegeben werden. (Unterlassung wegen persönlichkeitsrechtsverletzender Texte von Suchergebnissen) Kammergericht vom 25.9.2006 MMR 2007, 116 = K&R 2007, 168 Die Vorschriften des TDDSG verbieten eine Auskunftserteilung. Es besteht daher kein Auskunftsanspruch gegen den ISP bezüglich Namen und Adresse der Personen, die bestimmte Inhalte online zugänglich gemacht haben. Eine Strafanzeige gegen den Verletzer bzw. eine Unterlassungsklage gegen den Provider ist jedoch stets möglich. (Auskunftsanspruch) OLG München vom 21.9.2006 CR 2007, 40 = MMR 2006, 739 = K&R 2006, 585 Eine Haftung als Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung setzt zumindest bedingten Vorsatz mit Bewusstsein der Rechtswidrigkeit voraus. Haftet ein Betreiber einer Online-Handelsplattform als Störer, so kann er nach § 101 a UrhG auskunftspflichtig sein. (Auskunftspflicht und Störerhaftung eines Betreibers einer Online-Handelsplattform) Kammergericht vom 4.9.2006 CR 2007, 263 = MMR 2006, 817 Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung kann schon deshalb vorliegen, wenn durch die Kombination des Namens einer Person mit dem Wort „nackt“ der Eindruck erweckt wird, auf der verlinkten Website würden Nacktfotos der Person existieren. Dem Suchmaschinenbetreiber ist es zumutbar, die zu beanstandenden Einträge durch Einsatz einer Filtersoftware zu ersetzen. (Filtersoftware zur Vermeidung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung) OLG Hamburg vom 22.8.2006 CR 2007, 44 = MMR 2006, 744 mit Anm. Feldmann = K&R 2006, 470 = ZUM 2006, 754 mit Anm. Schmelz Eine Eingangskontrolle der Beiträge in einem Internetforum ist dem Betreiber nur in Ausnahmefällen zuzumuten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn bereits gewichtige Rechtsverletzungshandlungen im Forum begangen worden sind oder bei Provokation von seiner Seite. (Störerhaftung des Betreibers eines Internetforums – heise.de) OLG Hamburg vom 28.6.2006 CR 2007, 180 = MMR 2007, 256 Der Verkauf von Parfumflacons ohne Umverpackung verstößt gegen § 14 MarkenG. Den Betreiber eines Online-Marktplatzes treffen Prüfpflichten bei wiederholten, bereits beanstandeten Markenrechtsverletzungen, wenn die Zahl der Ver-
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Rechtsprechungsübersicht letzer bestimmt ist und die Prüfung ohne weiteres möglich ist, z.B. da sich der Verkauf ohne Umverpackung bereits aus der Produktbeschreibung ergibt. (Parfümtester II) OLG Brandenburg vom 13.6.2006 CR 2006, 636 = MMR 2006, 617 Werden auf einer Internet-Verkaufplattform, die in der Art eines Auktionshauses betrieben wird, Bildträger mit jugendgefährdendem Inhalt angeboten, verstößt der Plattformbetreiber nicht gegen das Jugendschutzgesetz, da er selbst dieses Material den geschützten Personen weder anbietet, noch überlässt oder ihnen zugänglich macht. Da dem Betreiber ein eigenes Handlungsunrecht nicht zur Last gelegt werden kann, liegt auch kein Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG vor. (Störerhaftung; Jugendschutz) OLG Düsseldorf vom 7.6.2006 CR 2006, 682 = ZUM-RD 2006, 384 Der Forenbetreiber ist Teledienstanbieter und somit der Störerhaftung unterworfen. Der nichtprofessionelle Forenbetreiber hat keine Forschungspflicht bzgl. rechtswidriger Inhalte, er muss aber ihm bekannt gewordene, rechtsverletzende Beiträge unverzüglich löschen. (Störerhaftung eines Forenbetreibers) OLG Köln vom 24.5.2006 MMR 2006, 622 = CR 2007, 184 Ein Merchant ist als Mitstörer für von seinen Affiliates begangene Markenverletzungen verantwortlich, unabhängig von seiner Kenntnis und etwaigen, in AGB dem Affiliate auferlegten Verpflichtungen zur Achtung der Markenrechte von Dritten. Für die Mitstörerhaftung ist es nicht nötig, dass die Verletzung auf einer im Affiliateprogramm angemeldeten Seite stattfindet. (Mitstörerhaftung des Unternehmens für seinen Werbepartner) OLG Hamburg vom 4.5.2006 MMR 2006, 754 = K&R 2006, 520 Voraussetzung einer Störerhaftung ist das willentliche und adäquat kausale Beitragen zur Verletzung eines geschützten Gutes. Google Deutschland ist nicht für Unterlassungsansprüche bei Rechtsverletzungen bei Google Adwords passivlegitimiert, da Inhaberin der Domain „google.de“ die US- Mutter „Google Inc.“ und Vertragspartner bei Adwords „Google Irland“ ist. Das Reagieren auf außergerichtliche Abmahnungen begründet keine Mitstörerhaftung. (Störerhaftung) OLG Düsseldorf vom 26.4.2006 CR 2006, 482 = MMR 2006, 553 Bei verletzenden Äußerungen in Internetforen hat der Verletzte einen Unterlassungsanspruch gegen den sich Äußernden und nur einen Anspruch auf Distanzierung vom Meinungsbeitrag gegen den Betreiber. Es kommt jedoch ein Anspruch
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H. Haftung im Netz auf Unterlassung gegen den Betreiber in Betracht, wenn dieser dem Verletzten die Identität des Verletzers nicht preisgibt. (Störerhaftung; verletzende Äußerungen in Internetforen) Kammergericht vom 20.3.2006 CR 2006, 778 = MMR 2006, 392 = ZUM 2006, 461 mit Anm. Spieker Einen Admin-C trifft erst dann eine Prüfungspflicht, wenn der Domaininhaber und Betreiber einer Suchmaschine persönlichkeitsverletzende Einträge auf Aufforderung nicht löscht bzw. wenn diese Aufforderung aussichtslos erscheint. (Störerhaftung des Admin- C) Kammergericht vom 10.2.2006 NJW-RR 2006, 1481 = MMR 2006, 393 mit Anm. Spieker= ZUM 2006, 403 Meta-Suchmaschinenbetreiber sind nicht zur Überprüfung jedes Rechercheergebnisses vor dessen Anzeige verpflichtet. Voraussetzung für die Begründung einer Störerhaftung ist das Verletzen einer Prüfungspflicht. (Störerhaftung des Meta-Suchmaschinenbetreibers) Kammergericht vom 10.2.2006 CR 2006, 413 = ZUM 2006, 464 Störhaftung im Internet bei der Einbindung von Seiten durch einen Partner-Webmaster. (Störerhaftung) OLG Hamburg vom 8.2.2006 CR 2006, 299 mit Anm. Brinkel = MMR 2006, 398 mit Anm. Spindler = K&R 2006, 225 = ITRB 2006, 103 „Peer-to-Peer“- Softwarehersteller sowie Betreiber von P2P-Netzen, die eine urheberrechtsverletzende Übertragung von Pay-TV-Programmen ermöglichen, sind nicht prinzipiell für durch unbekannte User begangene Urheberrechtsverletzungen verantwortlich zu machen. Eine erleichterte Verantwortlichkeit bei der Störerhaftung kann jedoch nicht gewährt werden, wenn der Softwareanbieter die Missbrauchseignung kennt und sogar mit ihr wirbt. (Cybersky; Störerhaftung des Anbieters für Software bei Urheberrechtsverletzung der Nutzer) OLG Brandenburg vom 16.11.2005 CR 2006, 124 = NJW-RR 2006, 1193 = MMR 2006, 107 mit Anm. Spindler = ZUM 2006, 220 mit Anm. Meyer Betreibern von Auktionsplattformen im Internet ist es nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung auf mögliche Rechtsverletzungen hin zu untersuchen. Nach einem Hinweis auf eine Rechtsverletzung, muss es jedoch aktiv tätig werden und auch wirksame Vorsoge gegen gleichartige Verletzungen treffen. (Internetauktion, Störerhaftung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamburg vom 4.10.2005 MMR 2006, 238 Wer einen elektronischen Marktplatz für den Handel mit Pornographie eröffnet, muss Vorsorge treffen, dass Jugendliche keinen Zugang erhalten und haftet hierbei nicht bloß als Störer, sondern auch als Handelnder. Ein Altersverifikationssystem, das durch Fälschen überwunden werden kann, ist geeignet, den Wettbewerb mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen. (Altersverifikationssystem; Verletzerhaftung) OLG Hamburg vom 8.9.2005 MMR 2006, 37 Wer als Betreiber eines Webkatalogs eine Plattform eröffnet, hat hinsichtlich der erfolgten Eintragungen eine Prüfungspflicht. Er muss überprüfen, was sich unter der Bezeichnung „Casino ...“ und den dort angebotenen Leistungen verbirgt, insbesondere ob dort ein in Deutschland verbotenes Glücksspiel angeboten wird. (Werbung für ausländisches Glücksspiel) OLG München vom 28.7.2005 CR 2005, 821 mit Anm. Scheja = MMR 2005, 768 mit Anm. Hoeren = K&R 2005, 467 Bei redaktioneller Berichterstattung über Erzeugnisse zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen handelt es sich nicht um Werbung im Sinne von § 95 a Abs. 3 UrhG. Störerverantwortlichkeit kann jedoch durch das Setzen eines Links, der auf eine Website verweist, die gegen § 95 a Abs. 3 verstöß, begründet werden. (Störerhaftung durch Setzen von Hyperlinks) OLG Frankfurt a.M. vom 13.6.2005 CR 2005, 655 = NJW-RR 2005, 1204 Wer seinen Ebay-Account einem Dritten zur Verfügung stellt, kann für markenverletzende Internet-Angebote verantwortlich sein, wenn er sich nicht darum kümmert, welche Waren unter seinem Account durch den Dritten angeboten werden. (Überlassung eines Ebay-Accounts an Dritte) OLG Nürnberg vom 7.3.2005 MMR 2005, 464 mit Anm. Liesching Ein effizientes Zugangshindernis i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV setzt Schutzvorkehrungen voraus, die eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers enthalten. Wird auf ein ineffizientes Altersverifikationssystem zurückgegriffen, so liegt wegen Verstoß gegen den Jugendschutz wettbewerbswidriges Handeln vor. (Verwendung des Alterskontrollsystems „über 18.de“ für pornographische Angebote im Internet)
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H. Haftung im Netz OLG Frankfurt a.M. vom 25.1.2005 CR 2005, 285 = MMR 2005, 241 = K&R 2005, 138 = ZUM 2005, 324 Ein Access Provider ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Namen und die Anschrift eines Internetbenutzers mitzuteilen, der im Internet Musikdateien zum Download anbietet und dadurch Urheber- oder sonstige Rechte Dritter verletzt. (Auskunftspflicht des Access Providers) Kammergericht vom 15.11.2004 NJW-RR 2005, 274 Allein die - wenn auch unaufgefordert und freiwillig erfolgte – Löschung bzw. Korrektur einer wahrheitswidrigen Behauptung in einem Online-Artikel einer Zeitung bzw. Zeitschrift lässt i. d. R. die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Dieses Entfallen ist grundsätzlich nur bei einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung der Fall. (Ausräumung der Wiederholungsgefahr) OLG Hamburg vom 9.9.2004 CR 2005, 294 = MMR 2005, 322 Der im Impressum einer Internetseite als Verantwortlicher genannte Dienstanbieter ist insbesondere im Fall des sog. Domain-Hiding - für die zugänglich gemachten Leistungen auch dann verantwortlich, wenn er nicht Domain-Inhaber ist. Objektiv widersprüchliche Impressum-Angaben, die auf zwei unterschiedliche Unternehmen verzweigen, begründen jedenfalls eine Verantwortlichkeit als Mitstörer. (Domain-Hiding – EroticsLive) OLG Hamburg vom 2.9.2004 NJW-RR 2004, 1688 = MMR 2005, 53 Das bloße Geschehenlassen einer Verknüpfung von Internetdaten einer Homepage zu einer verwechslungsfähigen Geschäftsbezeichnung durch Suchmaschinen kann noch keine Störerhaftung des Inhabers der Homepage begründen, wenn die Verwendung der Internetdaten für sich genommen rechtlich zulässig ist. (polonia-hamburg.de) OLG Hamburg vom 12.8.2004 CR 2005, 128 = MMR 2005, 108 = WRP 2004, 1512 Die Angaben zu Umsatzsteuer und Versandkosten nach § 1 Abs. 2 PAngV müssen sich bei der Bewerbung von Angeboten im Internetversandhandel entweder in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den beworbenen Artikeln befinden oder der Nutzer muss jedenfalls in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung unzweideutig zu dem Preis mit allen seinen Bestandteilen, einschließlich der Angaben nach § 1 Abs. 2 PAngV, hingeführt werden. Neben § 6 Abs. 1 TDG ist § 1 Abs. 2, 6 PAngV auf den Internetversandhandel anzuwenden. (Preisangaben beim Internetversandhandel)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamburg vom 14.7.2004 CR 2004, 836 Ein Unternehmen, das auf seiner Internetseite fremde Domains zum Verkauf anbietet und zugleich auf diesen Domains Werbung schaltet und damit Einnahmen erzielt, an denen die Inhaber der Domains beteiligt werden (sog. „Domain-Parking“), kann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn auf den geparkten Domains für unerlaubte Glücksspiele geworden wird. (Kontrollpflichten eines Internet-Dienstleisters) OLG Hamburg vom 1.7.2004 CR 2005, 523 = ZUM 2005, 392 Das Konnektierthalten einer Internet-Domain durch die DENIC, soweit auf den Websites der Domain für ausländische Online-Casinos geworben wird, verstößt als solches nicht gegen § 284 StGB, § 1 UWG, denn ein solches Verbot betrifft mangels näherer Bestimmung keine Werbung für ein verbotenes Glücksspiel. Eine Störerhaftung der DENIC für die Inhalte auf der Website eines Dritten besteht bei der Erstregistrierung der Domain mangels Prüfungspflicht nicht, etwaige Versäumnisse der DENIC nach positiver Kenntnis von Verstößen betreffen einen anderen Streitgegenstand. (Störerhaftung der DENIC; ausländisches Online-Casino) Kammergericht vom 28.6.2004 MMR 2004, 673 Wegen der Veröffentlichung einer von einer dritten Person verfassten Kontaktanzeige auf einer Internetseite steht dem Betroffenen gegen den Betreiber der Seite kein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. (Verneinung einer Kontrollpflicht des Portalbetreibers) OLG Frankfurt a.M. vom 15.6.2004 MMR 2004, 683 mit Anm. Stopp Entgeltlicher Versand von Papierabzügen von Bildern durch Online-Fotodienste fällt unter § 22 KUG, der jede Verbreitung eines Werkstücks in körperlicher Form verbietet, und nicht unter die Privilegierung des TDG. (Online-Fotoservice) OLG Düsseldorf vom 26.2.2004 WRP 2004, 631 Für das bloße Speichern einer angreifbaren Information haftet ein Dienstanbieter gemäß § 11 TDG nicht. Er haftet erst wenn ihm Kenntnis von der konkreten Information verschafft worden ist und er sie trotzdem nicht entfernt. (Rolex-Plagiate bei Ebay)
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H. Haftung im Netz OLG Köln vom 19.12.2003 MMR 2004, 250 Den Herausgebern und Verlegern von elektronischen Telefonbüchern obliegt grundsätzlich keine Prüfungspflicht vor der Eintragung von Kundenangaben. Für irreführende Angaben sind sie erst dann wettbewerbsrechtlich verantwortlich, wenn nach einer konkreten Abmahnung die Rechtsverletzung offenkundig ist. (irreführende Eintragung im elektronischen Telefonbuch) OLG Brandenburg vom 16.12.2003 WRP 2004, 627 Die Haftung des Betreibers einer Internetauktions-Plattform ist durch das TDG beschränkt. Die Auktionsangebote sind weder eigene Inhalte des Betreibers, noch zu Eigen gemachte, sondern Fremdinformationen. Das TDG ist auch auf die Störerhaftung anwendbar. (Haftung von Betreibern von Online-Auktionen) OLG Köln vom 28.5.2002 CR 2002, 678 mit Anm. Eckhardt = NJW-RR 2002, 1700 = MMR 2002, 548 = K&R 2002, 424 Ob sich ein Betreiber einer Online-Community die Beiträge der Mitglieder zu Eigen macht, muss durch die wertende Betrachtung aller Umstände entschieden werden. Alleine dadurch, dass er die Beiträge als fremde Beiträge kenntlich macht, kann er seine Verantwortlichkeit nicht in jedem Fall ausschließen. Dadurch, dass er die Beiträge in sein Angebot integriert und sich in seinen Nutzungsbedingungen die Nutzung bzw. Verwendung der Beiträge ausbedingt, liefert er Indizien, die für ein Zu-Eigen-Machen der Inhalte sprechen. (Verantwortlichkeit des Betreibers für persönlichkeitsrechtsverletzende Community-Inhalte – Steffi Graf) OLG München vom 17.5.2002 NJW 2002, 2398 = CR 2003, 141 = MMR 2002, 611 Gemäß § 5 Abs. 4 TDG a.F. und § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG n.F. ist die Haftungsprivilegierung des TDG nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar. Der Betreiber eines Diskussionsforums im Internet kann sich durch das Anbringen eines Disclaimers nicht von seiner deliktischen Haftung befreien. Ein solcher Disclaimer kann aber als ausreichende Distanzierung vom Inhalt angesehen werden. (Haftung des Betreibers eines Diskussionsforums im Internet) OLG München vom 15.3.2002 CR 2002, 847 = NJW-RR 2002, 1048 = MMR 2002, 625 Ein Dachverband kann einer Äußerung, er selbst habe einen Aufruf veröffentlicht, mit einer Gegendarstellung entgegentreten, wenn sich dieser Aufruf nur aus einem Link ergibt, der von einem Ortsverein oder einem einzelnen Mitglied eines Ortsvereines gesetzt wurde. (Gegendarstellungsanspruch Milli Görüs – „Internet Verkehrssicherungspflichten“)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Köln vom 2.11.2001 CR 2002, 50 = MMR 2002, 110 = K&R 2002, 93 = ITRB 2002, 29 (Klawitter) Die Haftungsprivilegierung des § 5 TDG a.F. gilt nicht für Markenrechtsverletzungen, da die Vorschriften zum Schutz der Marke auf europarechtlichen Vorlagen basieren, die nicht durch nationale Normen umgangen werden dürfen. Eine Haftung des Online-Auktionshauses für markenrechtsverletzende Auktionsangebote – selbst als Mitstörer – scheidet dennoch aus, da das Auktionshaus durch das automatisierte Verfahren zur Einstellung von Angeboten keine Kenntnis über diese Angebote erlangt. (Internet-Versteigerung – Rolex) OLG Düsseldorf vom 4.10.2001 ITRB 2002, 259 (Antoine) Ein Handynetzanbieter, der ein Internet-Portal betreibt, ist für Nachrichten verantwortlich, die ein Dritter in seinem Auftrag erstellt hat. Wird in diesen Nachrichten zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Konkurrent die Preise erhöht hat und deswegen ein Sonderkündigungsrecht besteht, so kann dies wegen der Art der Darstellung wettbewerbswidrig sein. (Haftung des Providers für wettbewerbswidrige Portal-Inhalte – genion.de) OLG Braunschweig vom 19.7.2001 MMR 2001, 608 = ITRB 2002, 5 (Dieselhorst) Für § 5 Abs. 1 TDG a.F. kommt es entscheidend auf die Verkehrsauffassung an, welche bestimmt, ob der Linksetzer bei den in Betracht kommenden Nutzern den Eindruck erweckt, er wolle die fremde Leistung als eigene erbringen oder nicht. Die Privilegierung des § 5 Abs. 2 TDG a.F. dauert auch eine kurze Zeit nach einer Abmahnung an, da für die Annahme von positivem Wissen eine gewisse Prüfzeit erforderlich ist. (Haftung für Hyperlinks) OLG München vom 8.3.2001 NJW 2001, 3553 = CR 2001, 333 = MMR 2001, 375 = K&R 2001, 471 Der Betreiber eines Internetforums für MIDI-Files (AOL) haftet auch für die Urheberrechtsverletzungen, die die Benutzer des Forums begehen. § 5 TDG a.F. ist auf Urheberrechtsverletzungen nicht anwendbar. (Haftung für das Betreiben eines Musikforums für MIDI-Files) OLG München vom 3.2.2000 CR 2000, 541 = MMR 2000, 617 mit Anm. Hoffmann = K&R 2000, 356 Ein auf dem Server einer Universität gespiegeltes Softwarearchiv ist grundsätzlich ein fremder Inhalt gemäß § 5 TDG a.F., da die Universität die Archive weder hergestellt noch sie sich zu Eigen gemacht hat. (Gespiegelte Software als fremde Inhalte – CDBench)
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I. Kollisionsrecht OLG Hamburg vom 4.11.1999 MMR 2000, 92 = K&R 2000, 138 mit Anm. Härting Ist über einen Domain-Name-Server ein in Deutschland nicht genehmigtes ausländisches Glücksspiel erreichbar, so haftet der Betreiber als Mitstörer. Er kann sich nicht auf eine Privilegierung nach § 5 TDG a.F. berufen, da er weder fremde noch eigene Inhalte bereithält, noch als Access Provider fungiert. Andererseits kann der Rechtsgedanke des § 5 Abs. 4 TDG a.F. insofern auf seine Haftung angewandt werden, dass er nur ab Kenntnis und nur dann zur Unterlassung verpflichtet ist, wenn die notwendige Maßnahme technisch möglich und zumutbar ist. (Haftung eines Domain-Name-Server für nicht genehmigtes Glücksspiel) OLG München vom 30.4.1999 K&R 1999, 335 Ein Link kann eine Beihilfe zur Markenverletzung eines Dritten darstellen. (Haftung für Hyperlinks) OLG Frankfurt a.M. vom 13.1.1999 CR 2000, 312 Wird ein Redakteur im Impressum einer Webseite als verantwortlich genannt und ist er bei der DENIC als alleiniger Ansprechpartner eingetragen, so kann er gegen eine Zwangsvollstreckung nicht einwenden, er habe die Seite weder eingerichtet noch aktualisiert. (Haftung des im Impressum Genannten) OLG Hamburg vom 29.10.1998 AfP 1999, 176 Von einer Mediaagentur, die für ein anderes Unternehmen Werbung schaltet, kann nicht verlangt werden, dass sie die Werbung vorher inhaltlich prüft. Im Falle einer wettbewerbswidrigen Werbung haftet sie demnach nicht als Mitstörerin. (Haftung für die Schaltung von Werbung) OLG München vom 26.2.1998 MMR 1998, 539 Der Betreiber einer Internet-Datenbank für Last-Minute-Reisen haftet als Mitstörer für wettbewerbswidrige Werbung von Dritten auf seiner Seite. (Haftung für unzulässige Werbung im Internet – www.last-minute.com)
I. Kollisionsrecht EuGH vom 25.2.2010 NJW 2010, 1059 Art. 5 Nr. 1 lit. b erster Gedankenstrich EuGVVO ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag ge-
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Rechtsprechungsübersicht liefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen. (Internationale Zuständigkeit; Versendungskauf, Erfüllungsort) EuGH vom 10.6.2004 NJW 2004, 2441 Artikel 5 Nr. 3 EuGVÜ ist dahin auszulegen, dass sich die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes – als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens – bezieht, weil dem Kläger nach seinem Vorbringen durch Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Vertragsstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist. (Gerichtsstand; unerlaubte Handlung) EuGH vom 1.10.2002 NJW 2002, 3617 Die Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ sind so auszulegen, dass eine vorbeugende Klage eines Verbraucherschutzvereins auf Untersagung der Verwendung angeblich missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, i.S. von Artikel 5 Nr. 3 EuGVÜ zum Gegenstand hat. (Gerichtsstand; unerlaubte Handlung) BGH vom 2.3.2010 WRP 2010, 653 = K&R 2010, 338 mit Anm. Degmair Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann. (Internationale Zuständigkeit; Online-Zeitung; New York Times) BGH vom 10.11.2009 GRUR 2010, 261 = WRP 2010, 108 = MMR 2010, 211 = K&R 2010, 45 Dem EuGH werden Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese betreffen unter anderem die
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I. Kollisionsrecht Frage in welchem Mitgliedsstaaten der EU eine Unterlassungsklage gegen den Betreiber einer Internetseite mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten erhoben werden. (Persönlichkeitsrechtsverletzung; anwendbares Recht, internationale Zuständigkeit) BGH vom 9.7.2009 NJW 2009, 3371 mit Anm. Staudinger/Czaplinski Für die Klage eines Verbraucherschutzvereins, mit der dieser von einem Firma mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft begehrt, die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen, sind die deutschen Gerichte international zuständig. (Internationale Zuständigkeit; AGB) BGH vom 17.9.2008 NJW 2009, 298 = CR 2009, 174 = MDR 2009, 44 = K&R 2009, 47 Durch den Begriff des Ausrichtens einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO sollte neben der gezielt auf den Wohnsitzstaat des jeweiligen Verbrauchers gerichteten Werbung vor allem auch der so genannte elektronische Handel über das Internet erfasst werden, bei dem ein Vertragsschluss auf ausschließlich elektronischem Wege zustande kommt. Die Zugänglichkeit einer nur passiven Website als solche und der Umstand, dass sich der Verbraucher des Angebots einer Dienstleistung oder der Möglichkeit, Waren zu kaufen, durch eine solche in seinem Mitgliedstaat zugängliche Website bewusst wird, sind nicht ausreichend, um den Kompetenztatbestand zu erfüllen. Vielmehr ist erforderlich, dass diese Website auch zum Vertragsschluss im Fernabsatz auffordert, und dass tatsächlich ein Vertragsschluss im Fernabsatz erfolgt ist, mit welchem Mittel auch immer. Darüber hinaus ist für die Erfüllung des Merkmals des „Ausrichtens“ der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers erforderlich, dass er dort zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem Wohnsitzstaat erfolgt. Anwendbar ist die Vorschrift, gerade im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter und die Notwendigkeit einer autonomen und engen Auslegung ihrer Voraussetzungen, deshalb nicht, wenn ein Verbraucher auf Auslandsreisen „zufällig“ Verträge mit einem „Unternehmer“ abschließt. (Internationale Zuständigkeit; Verbraucherverträge) BGH vom 5.10.2006 CR 2007, 34 = MMR 2007, 104 Ist nach einem bilateralen Abkommen der Schutz von geographischen Herkunftsangaben im Herkunftsland unter den selben Bedingungen zu gewährleisten wie im Recht des Marktorts, so kann eine Bewertung nach dem Recht des Firmensitzes keine günstigere Beurteilung nach sich ziehen als eine Bewertung nach dem Recht des Marktorts. (Pietra di Soln; geographische Herkunftsangaben)
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Rechtsprechungsübersicht BGH vom 30.3.2006 NJW 2006, 1672 Nach Art. 15 Absatz 1c EuGVVO ist für die Annahme einer Verbrauchersache Voraussetzung, dass dem Vertragsschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein Angebot oder eine Werbung vorausgehen musste. (Ausrichten; Verbraucherverträge; Gerichtsstand) BGH vom 30.3.2006 NJW 2006, 2631 = CR 2006, 539 = MMR 2006, 461 mit Anm. Hoeren Der Werbende kann das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet durch einen sog. Disclaimer einschränken, in dem er ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern. Um wirksam zu sein, muss ein Disclaimer eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen sein und vom Werbenden auch tatsächlich beachtet werden. Den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts unterliegen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TDG Diensteanbieter, die in einem anderen Staat der EU geschäftsansässig sind, wenn sie im Inland für ein nicht zugelassenes Arzneimittel werben. Auch die Frage des Vertriebsverbots für nicht zugelassene Arzneimittel in Deutschland richtet sich nach inländischem Recht. (internationale Zuständigkeit; Disclaimer) BGH vom 24.10.2005 NJW 2006, 689 Für Unterlassungsklagen wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung gem. § 1004 BGB, die ein im EU-Ausland wohnender Beklagter im Inland begangen hat und deren Wiederholung droht, sind die deutschen Gerichte international zuständig gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. (Unterlassungsklage; Gerichtsstand) BGH vom 13.10.2004 NJW 2005, 1435 = CR 2005, 360 = K&R 2005, 178 Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte reicht es aus, dass die Verletzung des geschützten Rechtsguts im Inland behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nicht jedes im Inland abrufbare Angebot ausländischer Dienstleistungen im Internet kann bei Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche auslösen. Erforderlich ist, dass das Angebot einen wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweist. (hotel-maritime.dk; Schutzlandprinzip) BGH vom 2.5.2002 GRUR 2002, 972 Für die Übertragung einer inländischen Marke zwischen ausländischen Beteiligten ist nach dem im Immaterialgüterrecht geltenden Territorialitätsprinzip deutsches Recht maßgeblich (Frommia; Territorialitäts- und Schutzlandprinzip)
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I. Kollisionsrecht OLG Celle vom 24.07.2009 K&R 2009, 655 Der in einer Auftragsbestätigung enthaltene Hinweis auf die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Einsehbarkeit auf der Internetseite des Verwenders oder in dessen Geschäftsräumen genügt auch im kaufmännischen Rechtsverkehr den Formerfordernissen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO an den Abschluss einer Vereinbarung über einen internationalen Gerichtsstand nicht, wenn der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht zugleich übersandt wird oder ihm im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung aufgrund vorangegangener Verträge bereits vorliegt (Gerichtsstandsvereinbarung; AGB) OLG Rostock vom 20.07.2009 K&R 2009, 657 Der Begehungsort bei einer im Internet begangenen Verletzung ist auch jeder Ort, an dem die verbreitete Information dritten Personen bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird und keine bloß zufällige Kenntnisnahme vorliegt. Auf den Standort des Mediums kommt es nicht an. Wird ein Warenangebot über das Internet verbreitet, so wird dadurch eine örtliche Zuständigkeit am Ort der Kenntniserlangung begründet, wenn sich dieses Angebot dort auf potentielle Kunden auswirken kann. Beim Angebot von Waren im Internet trifft das in der Regel zu, anders als etwa bei rein örtlichen, im Internet beworbenen Dienstleistungen. (Wettbewerbsverstoß; fliegender Gerichtsstand) OLG München vom 7.5.2009 K&R 2009, 489 Der Gerichtsstand bei Urheberrechtsverletzungen im Internet ist der Gerichtsstand, in dessen Ort die unerlaubte Handlung vorgenommen wird. (Gerichtsstand; Inland; Urheberrechtsverletzung) OLG Hamburg vom 8.4.2009 MMR 2010, 185 Bei § 3 TMG handelt es sich nicht um eine Kollisionsnorm zur Bestimmung des maßgeblichen Rechts, sondern um eine Sachnorm. (Herkunftslandprinzip; E-Commerce-RL) OLG Düsseldorf vom 30.12.2008 NJW 2009, 701 Deutsche Gerichte sind international nicht zuständig bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Lokalteil einer US-amerikanischen Zeitschrift, wenn diese nicht regelmäßig in Deutschland in den Verkehr gebracht wird und auch die Veröffentlichung im Online-Archiv nicht für Deutschland bestimmt ist. (Gerichtsstand; Persönlichkeitsrechtsverletzung)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamburg vom 29.7.2008 Az. 7 U 22/08 Ist der Internetauftritt des Verletzers bestimmungsgemäß auch in Deutschland abrufbar, folgt aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, dass in der Sache deutsches Recht anwendbar ist. Aus § 3 Abs. 2 TMG folgt zunächst nichts anderes, da diese Norm so zu verstehen ist, dass auch danach prinzipiell das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Internetauftritt abgerufen wird, und der Betreiber des Internetauftritts dadurch geschützt wird, dass er nicht haftet, wenn er nach dem Recht des Staates, in dem er ansässig ist, von der Verantwortung frei ist. (Herkunftslandsprinzip) OLG Düsseldorf vom 22.4.2008 MMR 2008, 748 = K&R 2008, 539 Eine inländische Kennzeichenbenutzung durch Verwendung eines geschützten Zeichens in einer .com-Domain kann nicht schon allein deshalb bejaht werden, weil Internetseiten von jedem Ort der Welt abrufbar sind. Es ist erforderlich, dass das kennzeichenverletzende Angebot einen hinreichend wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweist. (Territorialitätsprinzip; .com-Domain, Markenrechtsverletzung) OLG Oldenburg vom 20.12.2007 OLGR 2008, 694 Zur Begründung der besonderen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO reicht es zwar aus, dass die Verletzung des geschützten Rechtsguts durch eine unerlaubte Handlung im Inland schlüssig dargestellt wird und diese Verletzung nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Ist danach aber weder der Handlungsort noch der Erfolgsort im Inland, sondern nur ein Vermögensschaden im Inland eingetreten, so ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht gegeben. (Gerichtsstand, Handlungsort und Erfolgsort) OLG Köln vom 30.10.2007 NJW-RR 2008, 359 = K&R 2008, 115 Ein schädigendes Ereignis ist nicht i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in Deutschland eingetreten, wenn auf einer Internetseite mit der Top-Level Domain „uk“ unter der Verwendung von - die Urheberrechte Dritter verletzender - Fotos Waren mit EuroPreisen angeboten werden, eine elektronische Korrespondenz in deutscher Sprache aber nicht als Option angeboten wird. (Gerichtsstand; Urheberrechtsverletzungen) OLG Hamm vom 15.10.2007 MMR 2008, 178 Begehungsort von Wettbewerbsverstößen ist bei Internetangeboten deutschlandweit tätiger Unternehmen nicht nur der Ort des Erscheinens, sonders grundsätzlich auch jeder Verbreitungsort. (Gerichtsstand; Wettbewerbsverstoß, deutschlandweit)
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I. Kollisionsrecht OLG Köln vom 11.10.2007 K&R 2008, 115 Ein schädigendes Ereignis ist nicht i.S. des Art. 5 Nr. 3 EUGVVO in Deutschland eingetreten, wenn auf einer Internet-Seite mit der Top-Level-Domain „uk“ unter der Verwendung von - die Urheberrechte Dritter verletzender - Fotos Waren mit Euro-Preisen angeboten werden, eine elektronische Korrespondenz in deutscher Sprache aber nicht als Option angeboten wird. (Gerichtsstand bei unerlaubten Handlungen; Sprachoptionen) OLG Karlsruhe vom 24.8.2007 NJW 2008, 85 Der Umstand, dass ein deutscher Rechtsanwalt auf einer passiven Internetseite über sich und seinen Tätigkeitsbereich informiert, hat für sich allein noch nicht zur Folge, dass er seine Honorarklage vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaates der EG, in dem die von ihm vertretene Partei ihren Wohnsitz hat, zu erheben hat. Für das Eingreifen der Zuständigkeitsregelung gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO muss vielmehr hinzukommen, dass zwischen seinem Internet-Auftritt und der Beauftragung des Anwalts ein innerer Zusammenhang besteht. (internationaler Gerichtsstand; Honorarklage) OLG Hamburg vom 24.7.2007 K&R 2007, 659 Deutsches Recht ist nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB anwendbar, wenn eine beanstandete Internetseite auch in Deutschland bestimmungsgemäß abrufbar war und der Kläger die Anwendung deutschen Rechts als Recht des Erfolgsortes begehrt hat. (Anwendbarkeit deutschen Rechts) Kammergericht vom 13.07.2007 MMR 2007, 652 = ITRB 2008, 55 Eine Internetseite ist bestimmungsgemäß in Deutschland abrufbar, wenn auf Grund der Seitengestaltung und -inhalte mit Seitenzugriffen aus Deutschland gerechnet werden muss. Nicht erforderlich ist eine ausdrückliche Ausrichtung der Seite auf Deutschland. (internationale Zuständigkeit; Urheberrechtsverstoß) OLG Hamburg vom 9.6.2006 K&R 2007, 659 Werden Rechtsverletzungen auf Internetseiten begangen, die in Deutschland bestimmungsgemäß abrufbar sind, so ist deutsches Recht gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB anwendbar, wenn der Kläger die Anwendung des deutschen Rechts als Recht des Erfolgsortes begehrt. (bestimmungsgemäße Abrufbarkeit)
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Rechtsprechungsübersicht OLG Köln vom 21.4.2006 ZUM 2006, 648 Ein Wettunternehmen, dem im EU-Ausland eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten erteilt worden ist, handelt wettbewerbswidrig, wenn es sein Internetangebot erkennbar auf Kunden im Deutschland ausrichtet. Begehungsort des Wettbewerbsverstoßes ist dann (auch) Deutschland. (Begehungsort; Wettbewerbsverstoß) Kammergericht vom 24.3.2006 AfP 2006, 258 = ZUM-RD 2006, 272 Aufgrund der technischen Gegebenheiten des Internet kann die bloße Abrufbarkeit einer Webseite von Deutschland aus die internationale Tatortzuständigkeit der deutschen Gerichte nicht begründen. (Deliktsrecht; Herkunftslandprinzip; Tatortprinzip) OLG München vom 16.6.2005 CR 2006, 347 Internetauftritte, mit denen ein Inhaber seine Marke nutzen will, müssen einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweisen, um rechtserhaltende Wirkung entfalten zu können. (Kennzeichennutzung im Internet; wirtschaftlich relevanter Bezug im Inland) OLG Dresden vom 15.12.2004 IPRax 2006, 44 Präsentiert ein Finanzdienstleister mit Sitz auf den britischen Jungferninseln seine Anlageprodukte auf einer deutschsprachigen Internetseite, ohne die Eingehung eines Vertrages mit in Deutschland wohnhaften Verbrauchern ausdrücklich auszuschließen, liegt hierin eine den Verbrauchergerichtsstand in Deutschland begründende „Ausrichtung“ nach Art. 15 Abs. I lit. c. EuGVVO, auch wenn der Vertragsabschluss selbst nicht über das Internet, sondern mit Hilfe eines in Deutschland ansässigen Vertriebsmittlers erfolgt. (Verbrauchervertrag; Gerichtsstand) OLG Karlsruhe vom 10.7.2002 MMR 2002, 814 Es besteht Inlandschutz für einen im Inland wegen seiner Unternehmenskennzeichnung durch einen ausländischen Unternehmensträger in Anspruch genommenen ausländischen Rechtsinhaber, sofern eine Ingebrauchnahme der angegriffenen Kennzeichnung vorliegt, die auf den Beginn einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung im Inland schließen lässt. (Kennzeichennutzung im Internet)
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I. Kollisionsrecht OLG Hamburg vom 2.5.2002 CR 2002, 837 = MMR 2002, 822 = K&R 2002, 610 Das deutsche Markenrecht ist nicht anwendbar auf eine deutschsprachige Internetwerbung für ein Hotel in Dänemark, da sich eine solche geschäftliche Tätigkeit auf Deutschland nur marginal auswirkt. (hotel-maritime.dk) OLG München vom 10.1.2002 MMR 2002, 312 mit Anm. Haupt Bei Urheberrechtsschutz an Filmen findet das Recht des Schutzlandes Anwendung. Dieses ist auch Maßgeblich für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und Herausgabeansprüche. (Schutzlandprinzip) Kammergericht vom 20.12.2001 GRUR Int. 2002, 448 Deutsches Wettbewerbsrecht ist nicht anwendbar auf eine niederländische Website, wenn in einem Disclaimer unmissverständlich und wahrheitsgemäß darauf hingewiesen wird, dass an Kunden in Deutschland nicht geliefert wird. (Knoblauch Kapseln) OLG München vom 15.11.2001 MMR 2002, 166 Die deutschen Gerichte sind auch hinsichtlich der in den USA registrierten internationalen TLDs .com, .net und .org international zuständig, da auch diese Domains in Deutschland aufrufbar sind. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte führt zur Anwendung des deutschen Kennzeichenrechts. (Zuständigkeit; Abrufbarkeit) OLG Bremen vom 17.2.2000 CR 2000, 770, 772 Ein vom Kläger behaupteter Wettbewerbsverstoß des Beklagten, der dadurch begangen worden sein soll, dass der Beklagte eine unrechtmäßige Werbung im Internet eingerichtet habe, ist nur dann im Gerichtsstand des § 32 ZPO verfolgbar, wenn sich die Verletzungshandlung im Gerichtsbezirk bestimmungsgemäß auswirken sollte. (Gerichtsstand bei Internetstreitigkeiten) OLG Frankfurt a.M. vom 3.12.1998 CR 1999, 450 = MMR 1999, 427 = K&R 1999, 138 mit Anm. Kotthoff Deliktischer Begehungsort ist jeder Ort, an dem die Website bestimmungsgemäß abgerufen werden kann und die Interessenskollision eintritt. Im Wettbewerbsrecht ist dies der Ort, an dem die wettbewerbliche Interessenkollision eintritt. Ein inländischer Begehungsort kommt auch bei einer englischsprachigen Website in Betracht, da die englische Sprache „die im WWW gebräuchliche Sprache“ ist. (englischsprachige Werbung für einen Füllfederhalter)
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Literaturverzeichnis Abel, Stefan: Generische Domains - geklärte und ungeklärte Fragen zur Zulässigkeit beschreibender second-level-domains nach dem Urteil des BGH vom 17.5.2001; WRP 2001, S. 1426 [zitiert: Abel, WRP 2001] Ahrens, Claus: Napster, Gnutella, FreeNet & Co. - die immaterialgüterrechtliche Beurteilung von Internet-Musiktauschbörsen; ZUM 2000, S. 1029 [zitiert: Ahrens, ZUM 2000] Aigner, Dietmar; Hofmann, Dietrich: Fernabsatzrecht im Internet; 1. Auflage; München; 2004 [zitiert: Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet] Aigner, Dietmar; Hofmann, Dietrich: Virtuelle Kaufhäuser – Auswirkungen des Fernabsatzgesetzes; MMR Beilage 8/2001, S. 30 [zitiert: Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001] Alpert, Frank: „Vorvertragliche“ Vergütungsansprüche bei Webdesignern, Werbeagenturen und EDV-Dienstleistern beim Werkvertrag; CR 2001, S. 213 [zitiert: Alpert, CR 2001] Alpert, Frank: Kommerzielle Online-Nutzung von Computerprogrammen; CR 2000, S. 345 [zitiert: Alpert, CR 2000] Alpert, Frank: Virtuelle Marktplätze im Internet: Typische Haftungsrisiken des Anbieters von B2B-Portalen; CR 2001, S. 604 [zitiert: Alpert, CR 2001] Altenburg, Stefan; Reinersdorf, Wolfgang von; Leister, Thomas: Telekommunikation am Arbeitsplatz; MMR 2005, S. 135 [Altenburg/Reinersdorf/Leister, MMR 2005] Altenhain, Karsten: Die gebilligte Verbreitung missbilligter Inhalte – Auslegung und Kritik des § 5 Teledienstegesetz; AfP 1998, S. 457 [zitiert: Altenhain, AfP 1998] Apel, Jürgen; Steden, Robin: Urheberrechtsverletzungen durch Werbeblocker im Internet; WRP 2001, S. 112 [zitiert: Apel/Steden, WRP 2001] Arnold, Arnd; Dötsch, Wolfgang: Verschärfte Verbraucherhaftung beim Widerruf?; NJW 2003, S. 187 [zitiert: Arnold/Dötsch, NJW 2003] Arnold, Bernhard: Das Verbot von Umgehungsmitteln – § 95 a UrhG erstmals auf dem Prüfstand beim BGH; NJW 2008, S. 3545 [zitiert: Arnold, NKW 2008] Arnold, Dirk: Verbraucherschutz im Internet; CR 1997, S. 526 [zitiert: Arnold, CR 1997] Attendorn, Thorsten: Wegfall der Haftungsprivilegierung für Links nach der TDGNovelle; MMR 6/2002, S. V [zitiert: Attendorn, MMR 6/2002] Ayad, Patrick: Schuldrechtsreform: das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts in der Vertragspraxis; DB 2001, S. 2697 [zitiert: Ayad, DB 2001] Bachmann, Birgit: Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlungen im Internet; IPRax 1998, S. 179 [zitiert: Bachmann, IPrax 1998] Bachmann, Peter; Mayerhöfer, Alexander: Internet-Auktionen im Lichte des § 34 GewO; GewArch 2000, S. 274 [zitiert: Bachmann/Mayerhöfer, GewArch 2000] Backu, Frieder; Hertneck, Danielle: Haftung des Access-Provider; ITRB 2008, S. 35 [zitiert: Backu/Frieder, ITRB 2008] Bär, Wolfgang: Zu strafprozessualen Zugriffsmaßnahmen auf zwischengespeicherte E-Mails; MMR 2000, S. 176 [zitiert: Bär, MMR 2000]
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Literaturverzeichnis Bär, Wolfgang: Telekommunikationsüberwachung und andere verdeckte Ermittlungsmaßnahmen – Gesetzliche Neuregelung zum 1.1.2008; MMR 2008, S. 215 [zitiert: Bär, MMR 2008] Ballhausen, Miriam; Roggenkamp, Jan Dirk: Personalbezogene Bewertungsplattformen; K&R 2008, S. 403 [zitiert: Ballhausen/Roggenkamp, K&R 2008] Balsmeier, Benjamin; Weißnicht, Elmar: Überwachung am Arbeitsplatz und deren Einfluss auf die Datenschutzrechte Dritter; K&R 2005, 537 [zitiert: Balsmeier/ Weißnicht, K&R 2005] Bardenz, Alexander: Anwaltliches Werberecht – Eine Übersicht möglicher Werbemittel; MDR 2001, S. 247 [zitiert: Bardenz, MDR 2001] Barton, Dirk: Der Gegendarstellungsanspruch nach § 10 MDStV; MMR 1998, S. 79 [zitiert: Barton, MMR 1998] Barton, Dirk: E-Mail-Kontrolle durch Arbeitgeber – Drohen unliebsame strafrechtliche Überraschungen?; CR 2003, S. 839 [zitiert: Barton, CR 2003] Bartsch, Michael: Die Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB; CR 2008, S. 613 [zitiert: Bartsch, CR 2008] Bartsch, Michael: Das neue Schuldrecht – Auswirkungen auf das EDV-Vertragsrecht; CR 2001, S. 649 [zitiert: Bartsch, CR 2001] Bauer, Ines M.; Witzel, Michaela: Individualsoftwareerstellung – § 651 BGB und die Neugestaltung des „Abnahmeverfahrens“; ITRB 2003, S. 62 [zitiert: Bauer/ Witzel, ITRB 2003] Baumbach, Adolf; Lauterbauch, Wolfgang; Albers, Jan; Hartmann, Peter: Zivilprozessordnung – Kommentar; 68. Auflage; München; 2010 [zitiert: Bearbeiter in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann] Baur, Jürgen F.; Mansel, Hans-Peter: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht; München; 2002 [zitiert: Bearbeiter in Baur/Mansel, Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht] Bechtold, Stefan: Der Schutz des Anbieters von Information – Urheberrecht und Gewerblicher Rechtsschutz im Internet; ZUM 1997, S. 427 [zitiert: Bechtold, ZUM 1997] Bechtold, Stefan: Vom Urheber- zum Informationsrecht – Implikationen des Digital Rights Management; 1. Auflage; München; 2002 [zitiert: Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht] Becker, Jürgen (Hrsg.): Rechtsprobleme internationaler Datennetze; Baden-Baden; 1996 [zitiert: Autor in Becker (Hrsg.), Rechtsprobleme internationaler Datennetze] Becker, Maximilian: Positive und negative Zeichenberechtigung im Internet; WRP 2010, S. 467 [zitiert: Becker, WRP 2010] Becker, Rolf; Föhlisch, Carsten: Von Quelle bis Ebay: Reformaufarbeitung im Versandhandelsrecht; NJW 2005, S. 3377 [zitiert: Becker/Föhlisch, NJW 2005] Beckmann, Marcus: Anmerkung zum Urteil des LG Berlin vom 17.9.2002; CR 2003, S. 140 [zitiert: Beckmann, CR 2003] Beck’scher TKG-Komentar; 2. Auflage, München, 2000 [zitiert: Bearbeiter in Beck’scher TKG-Kommentar] Behling, Thorsten: Compliance versus Fernmeldegeheimnis – Wo liegen die Grenzen bei E-Mail-Kontrollen als Antikorruptionsmaßnahme; BB 2010, S. 892 [zitiert: Behling, BB 2010] Bender, Rolf; Kahlen, Christine: Neues Telemediengesetz verbessert den Rechtsrahmen für Neue Dienste und Schutz vor Spam-Mails; MMR 2006, S. 590 [zitiert: Bender/Kahlen, MMR 2006]
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Literaturverzeichnis
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Stichwortverzeichnis Die Zahlen verweisen auf die Randnummern. Halbfette Zahlen bezeichnen Hauptfundstellen.
Abfangen von Kunden 1288, 1584 Abnahme 506 f. Abo-Fallen 1162 Absatzbehinderung 1575 Access Provider 542 ff., 1676 ff., 1729 ff. – Bandbreite 534 – fingierte Erklärungen 536 – Haftungsbeschränkung 529 – Preisanpassungsklauseln 535 – Rechtnatur 525 ff. Admin-C (Administrative Contact) 582 ff., 1398, 1746 ff. Alleinstellungsbehauptung 1563 Allgemeine Geschäftsbedingungen 97, 426 ff., 694, 1139, 1329 – ausdrücklicher Hinweis 434 ff. – Beweisprobleme 448 – Einbeziehung in den Vertrag 431 ff. – Einverständniserklärung 451 ff. – fremdsprachliche 468 f. – Hyperlink 429 – Inhaltskontrolle 473 – Möglichkeit der Kenntnisnahme 440 ff. – Transparenzgebot 461 ff., 533 ff., 637 ff. – überraschende Klauseln 456 ff. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 4 ff., 179 ff., 1336, 1369 – Anwaltsschreiben 242 ff. – Arbeitsnehmer 148 ff., 158 f., 167 ff. – Briefe 228 ff. – Datenschutz 16 ff. – Domains 1540 – E-Mails 228 ff. – E-Mail-Werbung 1303, 1336 – Foren 1733 – Haftung 1632, 1643 – Informationsinteresse 237 ff. – Kollisionsrecht 1929 ff. – Meinungsfreiheit 181 ff., 190 ff.
– Online-Publikationen 207 ff. – Suchmaschinen 1743 ff., 1786 – Videoportal 1737 Anfechtung 261, 362 ff. – Arglistige Täuschung 384 , 564 – Eingabefehler 364 ff., 369 ff. – Erklärungsirrtum 363 ff. – Irrtum des Anbieters 368 ff. – Kalkulationsfehler 368 ff. – Schadensersatzanspruch 366 f. – Softwarefehler 369 ff. – Übermittlungsfehler 378 ff. Annahmefristen 307 Anscheinsbeweis 424 f. Anscheinsvollmacht 405 ff., 420 f. Anschrift, ladungsfähige 681, 1190 anwaltliches Berufsrecht 1204 ff. anwendbares Recht siehe Kolllisionsrecht Arbeitnehmerdatenschutz 122 ff. – E-Mail am Arbeitsplatz 126 ff. – Internet am Arbeitsplatz 152 ff. – Kontrollbefugnisse des Arbeitsgebers Auktionsplattformen 314 ff. AuthInfo-Verfahren 572 f. Bannerwerbung 1366 Behinderung 1102, 1122 ff., 1272 – gezielte 1272, 1287 ff. – unlautere 1122 ff. Belehrungsmuster 768 f. Berufsträger, kammerangehörige 1194 Bestandsdaten 3, 42 ff., 63 Bestätigungsmail 309 f., 739, 1739 Bewertungsportale 66 ff., 184 ff., 213 f., 226 Blickfangwerbung 1244 ff. Bogsch-Theorie 1867 ff. Change Management 508 ff. Cheatbot 1131
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Stichwortverzeichnis CISG (Convention on Contracts for the International Sale of Goods) 1839 f. Cold Calling 1310 Community-Shopping siehe Powershopping Computer-Grundrecht 4, 70 ff., 82, 96, 102 f. Computerprogramm 895, 905 f., 968 Content-Provider 931, 1646 f. Cookies 84 ff., 99 ff. Copyrightvermerk 922 Datenbankwerke 879 ff., 904, 991 ff. Datenschutzbestimmungen 53 ff. Datenschutzrecht 7 ff. – Abgleich von Kreditkartendaten 18 – Arbeitsplatz 121 ff. – Diskriminierungsschutz 14 – Einwilligungserklärung 57 ff. – Einwilligungsprinzip 50 ff. – Persönlichkeitsrecht 16 f. – Schutzgegenstand 15 Datensicherheit 17 Datenspuren 2 Datenträger – dauerhafter 712 – entsiegelter 798 ff. Datenverarbeitung ohne Einwilligung 63 ff. Deeplink 920 ff., 1017 ff. Deliktsrecht 1334 ff., 1834 ff., 1882 Denial-of-Service-Attacken 1344 DENIC 566, 1393 ff., 1532, 1610 f., 1619 – Störerhaftung 1621, 1748 ff. Dialer 128 ff. Distanzgeschäfte 631 ff. DNS (Domain-Name-System) 1391 Domaingrabbing 1417, 1424 ff., 1472 Domainrecht 1380 ff. – Anspruchsgegner 1617 ff. – Anspruchsgrundlagen 1412 ff. – Anspruchsziele 1602 ff. – BRAO 1570 ff. – Domainhandel 565 – Domainpacht 577 ff. – Domainverträge 565 ff.
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– Gattungsbegriffe 1271, 1285 f., 1429, 1559 ff., 1586 – Hash 572 – Kennzeichnungskraft 1138 ff. – Markenrecht 1417, 1420, 1439 ff., 1511 f. – Namensrecht 1502 ff., 1531 ff. – Tippfehler-Domains 1583 ff. – Umlaut-Domains 1583 ff. – Wettbewerbsrecht 1557 ff. Domains 1380 ff. – Endungen 1579 ff. – generische Domains 1385 – geografische Domains 1386 – Inhaber 569 ff. – Rechtsnatur 1401 ff. – Registrierung 566 ff., 1433 – Second-Level-Domains 1383 – Service 580 ff. – Sperrung 1614 – Subdomains 1384 – Top-Level-Domains 1383 – Übertragung 574 ff. – Vergabe 1391 ff. Doorwaypages 1300 ff. Download-Plattformen 335 ff., 596 ff. Dual Use 611 Duldungsvollmacht 406 Ebay siehe Internetauktionen E-Cards 1352 E-Commerce 599, 1633 f., 1651 f. – Informationspflichten 734 ff. Eingabefehler 364 ff., 737 Eingangsbestätigung 295, 309 f. Einspeisungsort 1866 Einwilligungsprinzip 19, 50 ff. elektronische Willenserklärung siehe Willenserklärung E-Mail-Werbung 1303 ff. – Deliktsrecht 1334 ff. – Geschäftsbeziehungen, laufende 1333 – Wettbewerbsrecht 1309 ff. Empfängerhorizont 258 ff. Empfangsbote 380 Empfehlungsmarketing 1350 f.
Stichwortverzeichnis Empfangsvorkehrungen 285 Erfolgsort 1843 ff., 1914 Erklärungsbewusstsein 255 ff. Erklärungsbote 379, 629 Fernabsatzrecht 599 ff. – Anwendungsbereich 600 ff. – Anwendungsausnahmen 637 ff. – Dauerschuldverhältnisse 647 f., 719 – Dienstleistungen 622 f. – Distanzgeschäfte, systematische 631 – Fernkommunikationsmittel 600 f., 624 ff. – Finanzdienstleistungen 602, 623, 707ff., 750, 775 – Internetauktionen 615 ff., 811 ff. – Informationspflichten 649 – Rückgaberecht 752 ff. – Übersendung der Vertragsbedingungen 732 f. – Unternehmer 608 – Verbraucher 607 – Vertragsschluss 624 ff. – Vertriebssystem 630 ff. – Warenlieferungen 622 – Widerruf 749, 752 ff. Fernabsatz-Richtlinie 602 ff., 768 – für Finanzdienstleistungen 623, 775 – Vollharmonisierungsgrundsatz 604 Fernkommunikationskosten 703 Fernmeldegeheimnis 4, 104 ff., 234, 1730 Fernunterrichtsverträge 637 Filtersoftware 547 ff. First Come - First Served 567 Form, elektronische 342 ff. – Signatur, elektronische 346 – Signatur, fortgeschrittene elektronische 347 f. – Signatur, qualifizierte elektronische 349 ff. Frames 1017 ff., 1362 ff. – Urheberrecht 1017 – Wettbewerbsrecht 1362 ff. Freizeitveranstaltungen 644 Formerfordernisse 339 ff. Formvereinbarungen 356 ff.
Gästebuch, virtuelles 1216 Gebrauchsgraphik 867 Gerichtsstand, fliegender 1926 Gerichtsstandsvereinbarung 1891 ff. – AGB 1895 f. – Kaufleute 1893 – Verbraucher 1901 ff. Gesamtkunstwerk 899 ff. Geschäftsfähigkeit 391 ff. – Kollisionsrecht 1836 Geschäftsverkehr, elektronischer 734 f., 1879 f. Gestaltungshöhe 850 f. Gewerbebetrieb, eingerichteter und ausgeübter 22, 1335 ff. Glücksspiele 1220 f. Grundrechtsausübung 5 Haftung 1632 ff. – Access Provider 1643 ff., 1676 ff. – außervertragliche 1842 ff., 1912 ff. – Caching 972, 1688 – Domaingrabbing 1424 ff. – fremde Inhalte 1643 ff., 1653 ff. – Host Provider 1643 ff., 1680 ff. – Hyperlinks 1689 ff., 1738 ff. – Kollisionsrecht 1842 ff. – Privilegien 1646 ff. – rechtswidrige Handlungen 1643 – Suchmaschinen 1689 ff., 1773 ff. – Urheberrecht 1857 ff. – Webdesignvertrag 511 f. Handlungsort 1844 f. – im Internet 1864 ff. Handlungswille 252 ff. Hausrecht, virtuelles 1125 Haustürwiderrufsrecht 1820 Herkunftslandprinzip 1878 ff. Hidden Content 1287 ff. Host Provider 537 ff., 1646 ff., 1680 ff. Hyperlink – AGB 429, 435 ff. – Haftungsfragen 1689 ff. – Internet-Werbevertrag 592 ff. – Urheberrecht 892, 920, 1017 ff. – Wettbewerbsrecht 1010, 1362 ff.
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Stichwortverzeichnis ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) 1391 ff. ICANN-Schiedsgerichtsverfahren 1626 Identität 1479 ff. – Identitätsklau 412, 1769 IDN (Internationalized Domain Names) 1589 ff. Impressumspflicht 1180 ff. – Einbindung 1196 ff. – Pflichtangaben 1189 ff. – Sanktionen 1200 ff. Informationelle Selbstbestimmung 4, 13, 39, 69, 70, 82, 102, 207, 219 Informationspflichten 649 ff. – Ausnahmen 727 ff. – E-Commerce 734 ff. – Form 660 ff., 712 ff. – Gesamtpreis 688 – Hervorhebungspflicht 723 ff. – Inhalt der Pflichtangaben 676 ff., 717 ff. – Klarheit 671 ff. – Lieferbedingungen 690, 1142 f. – Lieferkosten 693 – nachvertragliche 711 ff. – Rechtzeitigkeit 655 ff. – Sanktionen 747 ff. – Versandkosten 690 ff. – Verständlichkeit 671 ff. – vorvertragliche 654 ff. – Zahlungsbedingungen 693 Internationales Privatrecht 1790 Internationales Zuständigkeitsrecht 1796, 1885 ff. Internetadressen siehe Domains Internetauktionen 314 ff., 385 ff., 615 ff., 678, 811 ff., 1174 – Angebotsgebühren 320 – Anfechtung von Kaufverträgen 385 ff. – Bewertungssystem 322 – Kaufverträge 323 ff. – Lex Ebay 772 – Nutzungsbedingungen 318, 329 ff. – Powerseller 618 ff., 813
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– Scheingebote 1374 – Sofortkauf 327 f. – Verkaufsprovision 320 Internetprovider siehe Provider Internet-Verzeichnisse 999 ff. Internetwerbung 1152, 1233 IP-Adresse 1380 ff. – Auskunftsanspruch 173 ff., 1073 – Datenschutz 89 ff. – Personenbezogenheit 91 ff. – Tracking 99 – Vorratsdatenspeicherung 74 Irreführungsverbot 1081 f., 1209, 1229 ff. Jugendschutz 1222 ff., 1727 Kauf auf Probe 761 ff. Kaufrecht 481 ff. Keyword-Advertising 1281 ff. Kollisionsrecht 1789 ff. – Deliktsrecht 1843 ff. – Haftungsrecht 1842 ff. – Markenrecht 1873 ff. – Marktortprinzip 1850 ff. – Recht, anwendbares 1794 – Rechtswahl 1801 ff. – Rechtswahl, fehlende 1827 – Schutzlandprinzip 1858 ff., 1874 – Sonderanknüpfung 1835 ff. – UN-Kaufrecht 1798 ff. – Urheberrecht 1857 ff. – Verbraucherverträge 1813 ff., 1823 ff., 1838, 1901 ff. – Wettbewerbsrecht 1850 ff. Konnektivitätskoordinationsantrag (KK-Antrag) 572 f. Kopierschutz 983 ff. Kundenfang 1001, 1007 ff. Leistungsvorbehalte 687 Letter of Intent 494 Lieferkosten 667, 690 ff., 1156 ff. Lieferung – unvollständige 759 – verzögerte 759 – wiederkehrende 760
Stichwortverzeichnis Linkingverträge 587 ff. Live-Auktionen 324, 812 Lockangebot 1254 ff. Löschungsanspruch 1535, 1592, 1608 Lotteriegeschäfte 809 f. Mailfilter 284 Markeneintragung 1441 ff. Markenrecht – Benutzung, kennzeichenmäßige 1456 ff. – Domains 1417, 1420, 1439 ff. – Kollisionsrecht 1873 ff. Markenregister 1441 Marktortprinzip 1850 ff. Marktstörung 1105 Mediendienste 1635 ff. Mediendienste-Staatsvertrag 1633 f. Medienprivileg 220 ff. Meinungsäußerungen 181 ff., 190 ff. Metatags 1270, 1272 f. Miturheberschaft 913 Multimediawerk 899 ff., 1023 Music-on-Demand-Dienst 962 Namensanmaßung 1505 ff. Namensleugnung 1505, 1510 ff. Namensrecht 1277, 1299, 1502 ff. – Gleichnamige 1531 ff. – Ortsbezeichnungen 1547 ff. Name-Server 1382 Newsletter 1347 ff. NIC (Network Information Center) 1392 Notice-and-Take-Down 1715 f. Nutzungsdaten 3, 42 ff., 63, 166 Nutzungsprofile 77 ff. Öffentliche Wiedergabe 953 ff. Online-Archive 182, 215 ff., 222 Online-Auktionen siehe Internetauktionen Online-Durchsuchung 4, 70 ff., 96, 108, 119 f., 139 Online-Videorekorder 958 ff. Opt-In-Regelung 1313 ff., 1346 ff. Opt-Out-Regelung 1313
Passwortschutz 141 ff., 409, 420 ff., 1780 Personalisierte Werbung 79 Personenbezogene Daten 20 ff. – Begriff 20 – Bestimmbarkeit 28 ff., 38 ff. – E-Mails 26 ff. – Pseudonyme 33 ff. – Unternehmensdaten 21 f. – Werturteile 40 f. Persönlichkeitsrecht 167 ff., 179 ff., 1335 – Urheberpersönlichkeitsrecht 916 ff. Plattformvertrag 596 ff. Pop-Under 1368 Pop-Up 1367 Pop-Up-Blocker 1367 Powershopping 1378 ff. Prangerwirkung 207 ff. Preisangabenverordnung 688, 1142 ff. Preisklarheit 1161 ff. Preissuchmaschine 1170 Pressefreiheit 223, 232, 1741 f., 1933 Pressespiegel 1028 ff. Privatkopie 1053 ff. Prioritätsgrundsatz 1418, 1532 ff. Provider 287, 248 ff., 1343 ff. – Haftung 1646 ff. Providerverträge 523 ff. – Access-Provider-Verträge 524 ff. – ASP-Verträge 557 ff. – E-Mail-Account-Verträge 545 ff. – Host-Provider-Verträge 537 ff. – Internet-System-Verträge 560 ff. Providerwechsel 572 Prüfungspflichten 1705 ff. Quellcode – Offenlegung 500 – Urheberrecht 894 ff., 905 ff. – Webdesignverträge 500 ff. R-Gespräch 414 ff. Raubkopien 983 ff. Recht am eigenen Bild 199 ff., 238, 1632 Rechtswahl 1797 ff.
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Stichwortverzeichnis – ausdrückliche 1802 – fehlende 1827 ff. – Formwirksamkeit von Rechtswahlklauseln 1806 – Schranken 1809 ff. – stillschweigende. 1803 – Verbraucherverträge 1813 ff., 1832 ff. Reverse Auctions 1376 ff. Rom-I-VO 1798 ff. Rom-II-VO 1842 ff. Rückgaberecht 835 ff. Rücksendekosten 822 ff. Rufausbeutung 1272, 1584 Rundfunkfreiheit 223 Sache, vertretbare 484 Sachlichkeitsgebot 1210 ff., 1570 f. Sampling 864, 1024 Schriftformklauseln 360 f. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 479 ff. Schutzlandprinzip 1858 ff., 1874 ff. Screen-Scraping 1004 f. Senderecht 1867 f., 959 ff. Serverstandort 1847 Sharehoster-Dienst 1775 f. Signatur 346 ff. – elektronische 346 – fortgeschrittene elektronische 347 f. – qualifizierte elektronische 349 ff. Sniper-Programme 1375 Snippets 1745 Social Networks 3 – Allgemeines Persönlichkeitsrecht 179 – Datenschutzbestimmung 55 – Datenschutzrecht 8 – E-Mail-Adressen 27 – Haftung 1642 f. – Haftungsprivilegierung 1680 – Nutzungsbedingungen 596 ff. – Nutzungsprofile 78 ff. – Personenbezogene Daten 23 – Recht am eigenen Bild 199 ff. Software 894 ff. – Inkompabilität 289
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Spamming 1303 ff. – Ausuferungsgefahr 1337 Spekulative Verträge 816 f. Sperrung 1126, 1614, 1683 f., 1692 ff. Sphärentheorie 187 f. Spitzenstellungswerbung 1252 Spyware 1370 Stellvertretungsrecht 394 ff. – Anscheinsvollmacht 405 ff., 420 f. – Eigengeschäft 401 ff. – Duldungsvollmacht 406 ff. – Handeln unter fremdem Namen 395 ff. Störerhaftung 1692 ff. – AccessProvider 1729 f. – Admin-C 1746 ff. – Affiliate-Werbung 1762 ff. – Blogs 1732 ff. – Diskussionsforen 1732 ff. – Filesharing 1772 ff. – Foto-Communities 1736 – Hyperlinks 1738 ff. – Identitätsklau 1769 – Prüfungspflichten 1705 ff. – Sharehoster 1775 – Ungesichertes WLAN 1784 – Usenet Provider 1772 ff. – Verkehrspflichten 1718 ff. – Videoportale 1737 f. – Werbetreibende 1758 f. Streaming 961 Suchmaschinen – Haftung 1743 ff. – Urheberrecht 893, 970, 1001 – Wettbewerbsrecht 1267 ff. Suchmaschinenoptimierung 560, 854, 1301 Tatortprinzip 1844 Tauschbörsen 957, 1043 ff. Tech-C (Technical Contact) 1398 Teledienste 1635 ff. Telefax-Werbung 1311 f. Telefon-Werbung 1310 Telekommunikationsgeheimnis 104 ff., 548
Stichwortverzeichnis Telemediengesetz 1635 ff. – Haftung der Plattformbetreiber 1680 ff. – Haftung der Provider 1646 ff. – Haftung für eigene Informationen 1653 ff. – Haftung für fremde Informationen 1653 ff. – Haftungsprivilegierung 1646 ff. – Kontrolle eingestellter Inhalte 1668 ff. Sperrung 1692, 1701, 1729 „Tell-a-Friend“-Funktion 1350 f. Territorialitätsprinzip 1858 ff. Textform 354 f. Thumbnails 970, 1027 Tippfehler 1583 ff. Titelschutz 1481 ff. touristische Dienstleistungen 642 f. Traffic 1267 Transmission Control Protocol (TCP) siehe IP-Adresse Transparenzgebot 461 ff., 673 ff. Trennungsgebot 1284 ff. Übermittlungsfehler 378 ff. – Empfangsbote 380 – Erklärungsbote 379 überraschende Klauseln 456 ff. umgekehrte Versteigerung siehe Reverse Auctions Umlautdomains 1589 ff. UN-Kaufrecht 1797, 1839 ff. – Ausnahmeklauseln 1840 unlautere Behinderung 1122 ff. Unternehmenskennzeichen 1145 ff., 1439 Unternehmensregister 679 Unterscheidungskraft 1446 Urheber 844 ff., 880, 911 Urheberpersönlichkeitsrecht 916 ff. – Integritätsinteresse 925 ff. – Namensnennungsrecht 917 ff. – Veröffentlichungsrecht 923 f. Urheberrecht 844 ff. – Abmahnung 1065 f. – Abstracts 1016
– Abziehen von Daten 999 ff. – Ansprüche des Rechteinhabers 1050 ff. – Auskunft 1067 ff. – Bearbeitung 1012 ff. – Digitalisierung von Texten 1013 – Download siehe Urheberrecht (Vervielfältigung) – Einspeisung 953 ff. – Framing 1017 – Haftung 1054 ff. – Hyperlink 892, 920, 1017 ff. – Inhaltsschutz 848 – Kollisionsrecht 1857 ff. – Linking 920, 1017 f. – Lizenzgebühr 1054 ff. – Nutzungsart 934 ff., 942 ff. – Nutzungsrecht 932 ff. – öffentliche Wiedergabe 954 ff. – öffentliche Zugägnlichmachung 953 ff. – Privatkopie 1035 ff. – Sampling 1024 ff. – Schadensersatz 1054 ff. – Schmerzensgeld 1054 ff. – Schöpfer 847, 911, 923 – Schranken 1020 ff. – Umformatierung 1013 – Unterlassung 1053 – Upload siehe Urheberrecht (Einspeisung) – Vermutung der Urheberschaft 914 f. – Vervielfältigung 965 ff. – Verwertungsrechte 951 ff. – Zitatrecht 1021 ff. – Zweckübertragungsgrundsatz 947 ff. Urheberrechtsschutz einer Website 900 ff. – Computerspiele 874 – Darstellungen, plastische 875 f. – Datenbanken 904 – Datenbankwerke 904 – Design 865 ff. – Filmwerke 873 f. – Fotos 871 f. – Karten 875 f. – Laufbilder 873 f.
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Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – –
Lichtbilder 871 f. Lichtbildwerke 871 f. Multimediawerk 899 ff. Musik 863 f. Quellcodes 897, 905 ff. Sammelwerke 902 f. Schöpfung, persönliche geistige 848 ff. Skizzen 875 f. Sprachwerke 852 ff. Tabellen 875 f. Urheber 844 ff., 880 Videos 873 f. Website-Inhalte 848 ff. Werke der bildenden Kunst 865 ff. User Generated Content 2
Verbraucherschutz – AGB 426 ff. – Fernabsatzrecht 605 ff., 599 ff. – Herkunftslandprinzip 1878 – Rechtswahl 1813 ff. – UN-Kaufrecht 1840 – Verbraucherschutzrichtlinien 1820 Verbraucherverträge – Kollisionsrecht 1789, 1832 ff. Verkaufsprospekt 836 ff. Verkehrspflichten 1705 ff. Versandkosten 690, 1143 ff. Verschlüsselungsverfahren, asymmetrische 347 Versicherungsverträge 638 Versteigerung 811 ff. Vertragsrecht 246 ff., 1797 ff. – AGB 426 ff. – Anfechtung 261, 362 ff. – Annahme des Antrags 307 ff. – Antrag 301 ff. – Formerfordernisse 339 ff – Geschäftsfähigkeit 391 ff. – Stellvertretungsrecht 394 ff. – Vertragsanbahnung 301 – Willenserklärung, elektronische 247 ff. – Zustandekommen von Verträgen 314 ff. Vertragsstrafen 516
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Vervielfältigungsrecht 965 ff. – Nutzungsrecht 975 ff. Verwechslungsgefahr 256, 1291, 1479 ff. Verwertungsrechte 951 ff. – Vervielfältigungsrecht 780 ff. – Wiedergabe, öffentliche 965 ff. Volkszählungsurteil 13 Vorratsdatenspeicherung 4, 17, 70 ff., 174 ff. Vorsprung durch Rechtsbruch 1134 ff. Wartungsvertrag 722 Webdesignverträge 476 ff. – Abnahme 506 f. – Bearbeitungsrecht 499 – Change Management 508 ff. – Fertigstellungsfristen 515 f. – Gewährleistung 511 f. – Haftung 511 f. – Lieferverpflichtung 483 – Mitwirkungspflichten 515 f. – Nutzungsrechte 497 ff. – Pflege 517 ff. – Pflichtenheft 493 f. – Planungsleistung 487 – Projektablauf 491 f. – Rechtseinräumung 497 ff. – Vertragsgegenstand 477 ff. – Vertragsstrafen 516 – Vertragszweck 501 Website-Pflege 517 ff. – Aktualisierung, inhaltliche 521 – Funktionstüchtigkeit 517 Werbebanner 587 ff., 1217, 1319 Werbeverträge 587 ff. Werbung – kontextsensitive 1369 – vergleichende 1262 Werk 850, 852 ff. Werkart 848, 934 Werktitel 1439, 1595 Wettbewerbshandlung 1083 ff. Wettbewerbsrecht 1077 ff. – Ausbeutung 1103, 1132 f. – Behinderung 1102, 1122 f. – Berufsrecht 1204 ff.
Stichwortverzeichnis – – – – – –
Gewinnspiele 1113 ff. Internetauktionen 1174, 1371 ff. Irreführungsverbot 1230 ff. Kollisionsrecht 1850 ff. Kundenfang 1101, 1108 ff. Leistungsübernahme, unlautere 1365 – Marktortprinzip 1850 f. – Marktstörung 1105 – Online-Sachverhalte 1267 ff. – Online-Werbeformen 1362 ff. – Preisangaben 1142 ff. – Preisausschreiben 1113 ff. – Rechtsbruch 1104, 1134 ff. – Sachlichkeitsgebot 1210 ff. – Spamming 1303 ff. – Suchmaschinen 1267 ff. – Trennungsgebot 1284 f., 1366 – Verschleiern der Absenderangaben 1355 ff. – Verschleierung von Werbung 1109 ff. – Werbung, vergleichende 1262 ff. Wettgeschäfte 809 Widerrufsbelehrung 695 ff., 764 ff. Widerrufsrecht 753 ff. – Ausnahmen 782 ff. – Ausübung 755 ff. – Erlöschen 776 ff. – Fernabsatz 753 ff. – Widerrufsfristen 756 ff.
Willenserklärung, elektronische 247 ff. – Abgabe 264 ff. – Abgabezeitpunkt 265 ff. – Erklärungsbewusstsein 255 ff. – Handlungswille 252 ff. – Zugang 274 ff. – Zugangsbeweis 294 ff. – Zugangsstörungen 286 ff. – Zugangszeitpunkt 277, 279 ff. Zahlungsbedingungen 712 Zeichenidentität 1479 Zeitungsabonnements 807 f. Zertifizierungsdiensteanbieter 350 ff. Zitatrecht 1021 ff. Zugänglichmachung, Recht der öffentlichen 1868 Zugangshindernisse 983 Zuständigkeit deutscher Gerichte – Ansprüche, außervertragliche 1912 ff. – Ansprüche, deliktische 1916 ff. – Ansprüche, vertragliche 1889 ff. – Domainrecht 1625 ff. – Gerichtsstandsvereinbarung 1890 ff. – Markenrecht 1946 ff. – Urheberrecht 1944 f. – Wettbewerbsrecht 1940 ff. Zuordnungsverwirrung 1508 f. Zweckübertragungsgrundsatz 947 ff.
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Stichwortverzeichnis
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